DaLe - Kommentare

Alle Kommentare von DaLe

  • Sehr schöne Empfehlung, danke! Ich kenne "Die Harten und die Zarten" noch nicht, aber ich werde ihn mir demnächst besorgen, zumal Friedkin meiner persönlichen Riege der Lieblingsregisseure mit jedem weiteren Film immer näher kommt. Zehn Jahre später drehte er mit "Cruising" einen weiteren Meilenstein des queeren Kinos, der allerdings wesentlich kontroverser und berüchtigter war.

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    • 8 .5

      [...] "DER SCHWEINESTALL ist zweifelsohne ein sehr intellektueller Film, dabei ist er aber im Gesamtdesign und im Detail auch sehr sinnlich. Besonders die fast dialogfreie "Kannibalen-Episode", gedreht auf dem Ätna, hat es in sich. Die scheinbar endlose, desolate Gerölllandschaft, durch die sich der zornige junge Mann bewegt, fängt Pasolini fast irreal und geisterhaft ein, fügt ihr eine mystische Note bei. Dadurch entsteht das, was man sich ungefähr unter einem Pasolini-Science-Fiction-Film vorstellen könnte." [...]

      • 8 .5

        [...] DER BUNKER ist auch anrührend, ur-komisch, peinlich berührend, ausgelassen lustig, schockierend. Seine Ausdrucksmöglichkeiten kennen keine Grenzen. Er hat viel über kleinbürgerliche, latente Gewalttätigkeit zu sagen, ohne dabei auch nur eine Sekunde in Richtung plakativer Thesenfilm zu neigen. Sicher spielt er in einer befestigten und hermetischen Anlage. Er selbst gehört aber nicht in eine solche (und möge sie noch den Titel „Neuer deutscher Genre-Film “ haben), denn DER BUNKER ist wahrlich ein Stück entfesseltes Kino!

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        • 7

          [...] Mit SPECTRE endet nicht nur ein Erzähl-Block innerhalb der Bond-Franchise, sondern auch das, was man wohl etwas plakativ als die „Roger-Moore’isierung“ der Craig-Bonds bezeichnen könnte. Dem „albernen“ Attraktionskino von „Moonraker“ (ein sträflich unterschätzter Beitrag zur Reihe) steht der neue Bond-Film näher als dem singulären „Casino Royale“. Das ist nicht unbedingt schlecht – zumindest nicht nur.[...] Doch nach dem großartigen „Skyfall“ muss er wie eine Enttäuschung wirken. [...]

          • 7 .5

            [...] Vom Lexikon des internationalen Films wurde DIE ZÄRTLICHKEIT DER WÖLFE völlig unsinnig als „greller Vampirfilm“ bezeichnet. Ulli Lommels eigensinniges Mörderporträt sticht jedoch nicht in erster Linie mit exploitativer Gewalt hervor, sondern mit einer tristen, bedrückenden und fatalistischen Atmosphäre. [...]

            • 7

              [...] Was wie ein gewagtes Konzept aussieht, nämlich einen Film von A bis Z nur in Gebärdensprache, ohne "konventionelle" Dialoge zu erzählen, entpuppt sich letztlich als ein fast klassisches, weil pures visuelles Erzählen. Kino in Reinform sozusagen [...] Wer sich auf die besondere Erzählsituation des Films einlässt (und der Film ist derart gut inszeniert, dass offene Zuschauer kein Problem damit haben werden), wird bei zunehmender Laufzeit merken, dass sich hinter THE TRIBE im Kern doch relativ konventionelle Halbstarken-ploitation verbirgt, die sich manchmal etwas zu demonstrativ und lustvoll mit rohem Sex (ob konsensual oder nicht), Nihilismus, Sleaze, Dreck und Abscheulichkeiten kokettiert.[...]

              • 3 .5
                über Maggie

                [...] Wie die Serie „The Walking Dead“ folgt auch MAGGIE einer Wandlung Zombiegenres: weg von den politischen Gesellschaftsentwürfen und existentialistischen Visionen hin zu einem apolitischen, privatisierten Universum, in dem es nicht nur keine Gesellschaft gibt, sondern vor allem nicht einmal ein Idee davon. „The Walking Dead“ wurde recht schnell zu einer Art „GZSZ mit Zombies im Hintergrund“ – MAGGIE hingegen zu einem recht berechnenden Tearjerker, der ebenso gut (oder vielleicht sogar: besser) von einer Krebskranken handeln könnte. So wandeln die Filmfiguren zombieartig (pun intended) durch Belanglosigkeiten, verkrampft geskriptete Konfliktzuspitzungen und ermüdende Expositionsdialoge. [...] Den Fragen, die der Stoff eigentlich aufwirft, stellt sich der Film kaum, ja er weicht ihnen sogar aus. Was passiert eigentlich mit und in einem Menschen, der sich bei vollem Bewusstsein im engen Kreise der Familie nach und nach in einen Zombie verwandelt? Statt sich mit schwierigen Fragen zu beschäftigen, begnügt sich MAGGIE mit einfachen Antworten. Statt sich Emotionen hinzugeben, schwelgt er in klebrigem Kitsch und zynisch kalkulierten Sentimentalitäten. Statt Unangenehmes ernsthaft zu ergründen, weicht er auf genretypische Ekelmomente aus. Der Name „Maggie“ für Margaret heißt bekanntlich Gänseblume: ein Umstand, den der Film bis zum Erbrechen ausschlachtet. [...]

                • 9

                  […] Während der Crowdfunding-Kampagne 2013 erweckte GERMAN ANGST (wieder einmal, möchte man sagen) Hoffnungen auf eine Renaissance des deutschen Genrefilms. Herausgekommen ist aber wesentlich mehr: ein vielschichtiger, komplexer, kunstvoller und auch politischer Film, der brutale Schocks und zarte Poesie, alptraumhafte Fantasien und leise Introspektion, essayistische Reflexion und lustvolles Erzählen verbindet. Die deutsche Horrorfilmtradition, die 1933 von den Nazis zerschlagen wurde, wollen die drei Filmemacher wieder auf die Leinwand bringen – „dämonisch“ ist ihre Vision in der Tat. […]
                  Hans Schmid sagte einmal über die italienischen Gialli, Western, Polizieschi und Horrorexploiter der 1960er und 1970er Jahre, dass dort „alles ausgekotzt [wurde], was der Faschismus an menschlicher Grausamkeit und Gemeinheit an den Tag gebracht hatte“. Das tut auch „Make A Wish“. Das ist nicht „angenehm“ und „unterhaltsam“, aber tausend Mal „relevanter“ als die ganzen Untergangs, Anonymas, Mütter und Väter, die filmförderungsgesättigt die deutschen Zuschauer von einer ganz und gar „undämonischen“ Leinwand aus einlullen. […]

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                  • 7

                    Luke ist eine Art gefallener Cowboy: ohne feste Arbeit treibt er sich mit seinem Pferd Joe Brown herum. Einen Jugendlichen im Schlepptau kann er überhaupt nicht gebrauchen, aber genau das bekommt er, als sein Kumpel Moose, der im Gefängnis sitzt, ihn mit Hilfe falscher Papiere zum Vormund seines Sohnes Matt ernennt. Der frisch gebackene Ersatzvater und der Junge sollen zu Mooses Landhaus fahren und sich darum kümmern. Auf der Fahrt dorthin erleben sie allerlei gefährliche Situationen, in denen sie mit prügelfreudigen Rockern, pöbelnden Truckern und Gangstern im Maßanzug fertig werden müssen.

                    RENEGADE spielt in einer Außenseiterwelt, in einer Subkultur der heruntergekommenen Redneck-Bars, der Motorradfahrer, der allertiefsten Provinz, der religiösen Randgruppen. Hier fühlen sich ein Eigenbrötler wie Luke vielleicht nicht zu Hause, aber doch in seinem Element. Es ist eine Welt, die – in kleinen Variationen – in den Filmen mit Terence Hill und Bud Spencer immer im Zentrum stand, und dann auch die „Solo“-Karriere der beiden charakterisierte. Als Fan findet man sich also auch in RENEGADE rasch heimisch. Die natürliche Umgebung des Terence Hill (bzw. seiner Figuren) ist stets ein etwas schmuddeliger, aber doch sympathischer Gegenentwurf zum bürgerlichen Establishment, zum Haifischbecken derjenigen, die auf Kosten anderer hochkommen. Denn in diesem< sind die „bad guys“ zu finden. Sie tragen Maßanzüge oder Polizeiuniformen; sie kämpfen nicht nur „ehrlich“ mit Fäusten, sondern auch mit Schusswaffen und vor allem mit harter Währung und politischem Einfluss – und mit der Strategie „divide et impera“: so hetzen sie bewusst die einzelnen Außenseitergruppen aufeinander, wie die Motorradgang, die Luke und Matt umbringen sollen (sich dann aber doch auf ihre kulturelle und soziale Nähe zu den beiden besinnt). Allen Actionkomödien-Eskapismus zum Trotz stellt sich RENEGADE ganz in die Tradition eines Hill-Spencer’schen Klassenkampfes, der mit Fäusten, schlechten Tischmanieren und einer „street smart“-Attitüde ausgetragen wird.

                    Für die Rechte zivilisationsferner, religiöser Pazifisten (eine solche Gruppe taucht auch in RENEGADE auf) kämpften die beiden berühmten Italiener (bzw. ihre amerikanischen Figuren) in „Die rechte und die linke Hand des Teufels“ noch quasi als Jungspunde. Nun war Hill beim Dreh von RENEGADE schon 48 Jahre alt, und das Altern wird bewusst thematisiert: er ist ein Cowboy, der aussteigen möchte und mit der modernen Welt nicht mehr ganz klar kommt (das Bild des Reiters auf einer von Autos befahrenen Bundesstraße erinnert an den tollen Western-Aussteiger-Film „Einsam sind die Tapferen“ mit Kirk Douglas). Auch Kampfmüdigkeit und ein gewisser Fatalismus machen sich breit. Wo früher bei den Hill- und Spencer-Filmen immer klar war, dass die beiden Recken die Prügeleien stets gewinnen, herrscht jetzt Unsicherheit: im Kampf gegen Anzugsträger trumpft Hills Luke richtig auf, aber bei der Prügelei mit dem Rocker kommt er schon ganz schön ins Straucheln. Diese etwas melancholische Nachdenklichkeit ist eher latent, birgt aber doch die logische Schlussfolgerung, dass ein Nachfolger hermuss: eben Matt, der genauso „street smart“, unangepasst, unbürgerlich und dennoch mit einem guten moralischen Kompass ausgestattet ist wie sein neuer Vormund. Die latente Melancholie auf der Leinwand wurde von der Tragödie hinter der Kamera jedoch brutal eingeholt. Ross Hill, Darsteller Matts und Terence Hills Adoptivsohn, verstarb drei Jahre nach RENEGADE im Alter von nur 16 Jahren bei einem Autounfall.

                    [dieser Text ist die Entwurfgrundlage für eine stark gekürzt erschienene Web-Rezension – zu finden im Link unten]

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                    • 6 .5

                      [...]Trotzdem – und das ist die gute Nachricht – funktioniert THE EXPENDABLES 3 irgendwie. Der Kult, den die Reihe schon alleine durch die Persona ihrer Stars entwickelt hat, wird für die meisten Genrefans ausreichen, um auch die dritte Auflage goutieren zu können. Sly, Stath und Arnie spielen zusammen in einem Film – das ist in diesem Genreuniversum wie wenn Geburtstag, Ostern und Weihnachten an einem Tag zusammenfallen. Doch das Beste am Film ist nicht dieses Trio oder gar der – zugegeben sympathische – Gastauftritt Harrison Fords, sondern die Darstellung eines Stars mit einer ganz und gar unappetitlichen extradiegetischen Persona: Mel Gibson. Als durchgeknallter Bösewicht, der zwischendurch gerne aus Spaß Untergebene erschießt, ist er herrlich irrsinnig und darf ausgelassen am Rad drehen. Der Old-School-Aspekt der „Expendables“- Reihe erscheint gerade auf formaler Ebene oft mehr als Behauptung denn als Fakt. Doch wenn Gibsons Stonebanks mit nur einer Sechsschusspistole bewaffnet zum Showdown aufbricht, wird plötzlich umso klarer, was Old School eigentlich ist.

                      • 7 .5
                        über WolfCop

                        [...] Zu keinem Zeitpunkt sprengt der Film seine verschiedenen Genrerahmen (Werwolfhorror, Cop-Actionfilm, Provinz-Noir - sogar ein wenig Erotik-Thriller), aber er füllt sie mit Leben. In jedem Moment nimmt er seine Prämisse und seine Figuren ernst, und für letzteres ist besonders der tolle Leo Fafard in der Titelrolle ein sicherer Garant. Aus seinem Klischeegerüst namens Lou Garou macht er einen echten Menschen (und Werwolf) aus Fleisch und Blut. Mit sicherer Hand inszeniert Lowell Dean das Ganze, und sein im positiven Sinne naiver Spaß an derbem Schwarzhumorigem (durch die Gegend fliegende Gesichter) und an allerreinstem Pulp- und Sleaze-Kitsch (etwa in der großartigen Frau-Werwolf-Sexszene) ist stets sichtbar.
                        A propos "Hand": Wo manch eine Pseudo-Grindhouse-Hommage sich als (schlecht) glattgebügelte CGI-Orgie entpuppt, arbeitet WOLFCOP mit echten handgemachten Spezialeffekten. Hier werden keine Pixel am Computer zusammengerechnet, sondern richtige Latexattrappen mit authentischem Kunstblut herzhaft in Stücke gerissen. [...]

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                        • 7 .5

                          [...] Natürlich kann sich der Film zunächst ganz einfach auf den Gruselfaktor christlicher Fundamentalisten verlassen. Doch Ti West hat auch ein Werk des latenten Grauens erschaffen, der gängige Genremuster auf irritierende Weise bricht. Idylle, Beklemmung, Glück, Angst, Friedlichkeit, Paranoia, Liebe und Zorn treten in THE SACRAMENT nicht säuberlich getrennt auf, sondern stehen nebeneinander, fließen ineinander über, bis sie sich als Antagonismen auflösen. Der Film findet dafür viele beunruhigende Bilder: martialische Wachmänner mit Maschinenpistolen unter dem assoziativen Eingangsschild "Eden Parish"; die von idyllischem Sonnenlicht erhellte Kolonie, in der plötzlich Wachtürme und scheppernde Lautsprecheransagen an ein Gefangenenlager erinnern; sympathische Gesichter, die sich im Trancezustand zu einem wütenden Mob zu vereinen drohen.[...]

                          • 6

                            [...] Wo „Mud“ eigentlich nur an der Oberfläche kratzte, taucht JOE tief in seine düstere, trostlose „Southern Gothic“-Welt ein. Hier sind die Konflikte realer und verzweifelter, der säuselnde Südstaatenslang noch unverständlicher, die Schläge in die Fresse wesentlich härter, die gierigen Schlucke aus dem Whiskeyflachmann größer, die menschlichen Abgründe aus Niederträchtigkeit und Gewalt viel tiefer. Diese bedrückende Atmosphäre, die JOE in düsteren, fast monochromen Bildern etabliert, gerät bisweilen haarscharf an die Grenze zur Redneckploitation, macht aber vor allem die keimende Vater-Sohn-Beziehung der beiden Protagonisten zu einer umso emotionaleren (und gefährdeten) Angelegenheit. [...]

                            • 4
                              über Spuren

                              [...] Gerade zu Beginn macht Regisseur John Curran klar, dass Robyn eine Misanthropin ist: Alle Menschen, denen sie begegnet, sind schier grotesk inszeniert. In Robyns Augen sind die "Freunde", die spontan zur Abschiedsfeier eintrudeln, lästige Störer. Als die künftige "camel lady" sie in ihr Haus hineinbittet und sich dann umdreht, entgleist ihr das Gesicht von einem höflichen Lächeln zu einer Grimasse der Verachtung (vielleicht Mia Wasikowskas großartigster Moment in diesem Film).

                              Rick, der Fotograf des Magazins, der ihren Trip finanziert, ist das Sahnehäubchen: eine Karikatur des tollpatschigen und aufdringlichen Dorks. Immer wieder wird er Robyns Reiseroute stören, und immer wieder wird Curran dies als Klamauk der Peinlichkeit inszenieren. Es ist schon faszinierend, wie sehr SPUREN in der ersten Hälfte fast komplett aus der Sicht Robyns erzählt wird. Das geht so weit, dass sie mittels Tiefenunschärfe stets in den Mittelpunkt gerückt wird und die Wüste so zum diffusen Dekor verblasst. Tolle Panoramen gibt es zunächst aus diesem Grund keine.

                              Um dieses sperrige Portrait einer Misanthropin bis zum bitteren Ende durchzuexerzieren, hätte es aber wahrlich viel Mut gebraucht. Doch irgendwann läuft SPUREN eben doch auf das hinaus, was zu befürchten war: nämlich auf einen esoterischen Trip im Kitschmodus, bei dem am Ende alle etwas "Wertvolles" gelernt haben. [...]

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                              • 6

                                [...] Gleich am Anfang des Films etwa überfährt Tobey bei einem Rennen den Einkaufswagen eines obdachlosen Mannes und verteilt dessen „Hausrat“ etwa 30 Meter über die ganze Straße. Er und seine Crewhelfer reagieren darauf mit einem herzlichen Lachen und entpuppen sich dabei als das, was sie sind: verwöhnte und verzogene Mittelstandssprösslinge, die ihre Langeweile mit Autorennsucht verdrängen. Sie sind im Grunde emotionale Krüppel, die nur im Auto eins mit sich selbst werden können. Autofahren ist hier kein Lebensstil oder gar Symbol für Freiheit, sondern schlicht eine nagende Obsession mit asozialen Nebenwirkungen. Freiheit findet einer von Tobys Helfern nur, als er seinen bürgerlichen Job als Büroangestellter kündigt und die Schlipsund-Kragen-Uniform auszieht – und zwar wortwörtlich, in der witzigsten Szene des ganzen Films. Nach diesem kurzen Moment der Freiheit zieht er bald wieder die neue/alte Uniform des Autorennfreaks an. In diesen kleinen Zwischenräumen lässt NEED FOR SPEED Abgründe erscheinen, ganz ohne distanzierende und letztlich feige Ironie. Am Ende weint gar eine der Figuren beim Anblick eines auffallend phallischen Leuchtturms, der von einem Zaun umschlossen wird. Der ur-amerikanische, mythologische Drang nach Westen endet mit der Einsicht in die eigene gebrochene Männlichkeit. NEED FOR SPEED ist stellenweise dem exzentrisch-existentialistischen New-Hollywood-Trip TWO-LANE BLACKTOP näher als der prollig-grölenden FAST & FURIOUS-Reihe. [...]

                                • 5 .5

                                  [...] Man könnte EDGE OF TOMORROW glatt vorwerfen, jedem gefallen zu wollen. Denn sicher ist: Fans und Hasser von Tom Cruise werden gleichermaßen ihren Spaß finden. Erstere können den Schauspieler in der wohl komplexesten und vielschichtigsten Rolle seit seinem Vincent in COLLATERAL bewundern: ein PR-Schleimer, der sich nach seiner Wiedergeburt komplett neu erfinden muss – wobei „Wiedergeburt“ praktisch wörtlich und vor allem im Plural zu verstehen ist. Letzteres dürfte auch Cruise-Hasser ganz gut mit dem Film versöhnen. Sicherlich starb der umstrittene Schauspieler schon in vielen Filmrollen, aber noch niemals so oft wie in EDGE OF TOMORROW, und schon gar nicht auf so vielfältige Weisen: von Aliens erwürgt, zerfetzt und gefressen, vom Laster überfahren, mit Kopfschuss hingerichtet, in Explosionen verbrannt etc. Das klingt düster – ist aber in erster Linie ein herrlicher schwarzer Humor, wie man ihn in Blockbustern nur selten erlebt. Der serielle Tod des Helden und seine wiederholte Auferstehung weisen auf eine gewisse Ähnlichkeit der Filmstruktur mit der Logik von Computerspielen hin: Der Spieler, mit vielen Leben ausgestattet, beginnt immer wieder von vorn, bis er seine Mission schafft (oder das „Game Over“ eingeläutet wird). [...]

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                                  • 9 .5

                                    [...] Im weiteren Verlauf entpuppt sich besonders Sugoro als faszinierende und paradoxe Figur. Einerseits ist er ein typischer, bornierter Militär mit fast klischeehaften Zügen eines japanischen Imperialisten: „I‘m shogun here, I‘m the supreme commander of the island.“ sagt er an einer Stelle selbstherrlich, als Russell sich weigert, dessen Befehle zu befolgen. Er ist überzeugt, dass der Zweite Weltkrieg noch in Gange ist und tut Russells Hinweis, dass dem mittlerweile nicht so wäre, als amerikanische Propaganda ab. Zusammen mit dem gemeinen Soldaten Ichikawa hält der Oberst die verzerrte Karikatur einer Armeestruktur aufrecht: die allerletzte Einheit der Kaiserlich Japanischen Armee, verloren irgendwo auf einer kleinen philippinischen Insel. Dennoch ist er praktisch dazu verurteilt, wie ein Robinson außerhalb der Zivilisation und des Weltgeschehens zu leben. Das muss für ihn schmerzhaft sein, denn er ist offenbar auch ein kultivierter Mann, der sich teilweise weltoffen zeigt. Sein Englisch ist wesentlich besser als das von Ichikawa und immer wieder schwärmt er von amerikanischem Baseball und besonders von Joe DiMaggio (deutet das darauf hin, dass Sugoro einmal die USA besucht hat?). Russells Hinweis, dass der Baseballer jetzt Werbung für vollautomatische Kaffeemaschinen macht, versteht er nicht („What‘s wrong with coffee pots?“).

                                    Sugoro weigert sich zunächst, Russell zu unterrichten: „It‘s no use to learn how to fight. Learn how to live.“ Außerdem sieht er, dass der Amerikaner nur die Schwertkampfkunst erlernen möchte, um sich zu rächen, während für den Japaner diese in erster Linie eben das ist: eine Kunst. Schließlich willigt er ein: aus Langeweile, aus Sympathie für den jungen Vietnamveteranen und wohl auch, weil er relativ sicher ist, dass nie jemand sie auf der Insel finden wird. Auch ein Punkt, in dem sich der Amerikaner und der Japaner uneinig sind. Und ein wunder Punkt Sugoros: nachdem er Russell kennen lernt, möchte er erst recht nicht entdeckt werden. Weil er sich eingestehen muss, dass der Krieg offenbar wirklich verloren ist und er somit Jahrzehnte lang in einer Blase lebte. Weil er zu sehr Angst vor dem Japan hat, das er entdecken könnte. Als sein Diener Ichikawa stirbt, erkennt er erst, was er an ihm hatte: der einzige Mensch, mit dem er in einem Zeitraum von Jahrzehnten gesprochen hatte. Lieber stirbt er auf der Insel, als sich der „neuen“ Welt draußen zu stellen.

                                    Sugoro ist auch deshalb ein faszinierender Charakter, weil mit ihm zwischen den Zeilen das Schicksal eines traumatisierten, verwirrten und von der Gesellschaft völlig entfremdeten Veteranen erzählt wird – und zwar explizit aus der Sicht eines japanischen Soldaten, der zudem auch größtenteils mitfühlend gezeichnet wird. VENGEANCE IS MINE kam im selben Jahr heraus wie COMING HOME und THE DEER HUNTER, also zwei Mainstreamfilmen, die das Schicksal von Vietnamveteranen verhandelten – was die US-philippinische Koproduktion implizit und symbolisch mittels eines verschanzten japanischen Soldaten macht. [...]

                                    • 7 .5

                                      [...] Pasolinis letzter Film wird oft als Faschismus-Kritik gelesen. Doch als solche hat er nicht wesentlich mehr zu sagen als andere Filme, in denen es auf eine relativ simple Psychopathologisierung des Faschismus hinausläuft - siehe etwa Bernardo Bertoluccis zeitgleich gedrehter 1900. Nicht nur der Titel und das historische Setting deuten auf eine Auseinandersetzung mit Faschismus hin, sondern auch die Sequenz der Kettendenunziationen, in denen sich Opfer gegenseitig anschwärzen und die schließlich zur Erschießung eines jungen Mannes in kommunistischer Grußpose mündet. Sie wirkt zwar so ungelenk eingebaut wie deplatziert, deutet aber zumindest auf einen interessanten und verstörenden Aspekt jenseits der Psychopathologisierung des Bösen hin: nämlich der Ausradierung der Opfer-Täter-Linie. [...]

                                      Ein Blick in die Literaturliste am Ende des Vorspanns lohnt sich! Hier präsentiert sich DIE 120 TAGE VON SODOM auch als diskussionsoffenes Stück Sade-Rezeption und -Interpretation. Die erwähnten Autoren (u. a. Roland Barthes, Simone De Beauvoir, Pierre Klossowski) haben den Verfasser der Romanvorlage dezidiert von den Folterern seines Werks entkoppelt und seine Schriften eher als erschrockenen, wenngleich faszinierten Blick in die Abgründe der menschlichen Natur gelesen. Auf die Frage, für wen der Film konzipiert sei, antwortete Pasolini: "Er ist für jedermann." Ist seine Sade-Interpretation also auch eine Aufforderung, tief in die gewalttätige Natur des Menschen zu blicken - sprich: in sich selbst?

                                      • 6 .5
                                        über Borgman

                                        [...] In seiner absoluten Offenheit schrammt BORGMAN insbesondere in der zweiten Hälfte haarscharf an der Beliebigkeit vorbei. Die Anhäufung skurriler Ideen wirkt gegen Ende selbstzweckhaft und van Warmerdam scheint sich hier und da an seinen Ambitionen zu verheben – als würde er von seinen Einfällen kontrolliert und schließlich überwältigt werden. Kleinere Striche (z. B. dass Camiels Handlanger schwere Gartenarbeit in Maßanzügen erledigen) wirken nachhaltiger als große Hammerschläge (z. B. der eskalierende Streit zwischen Richard und dem Freund seines au-pair-Mädchens). Allen Schwächen zum Trotz ist BORGMAN dennoch ein faszinierender Film.

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                                        • 9
                                          über Phoenix

                                          [...] Christian Petzold taucht tief in die Kinogeschichte ein. PHOENIX ist ein Neo-Trümmerfilm, der das leistet, was der klassische Trümmerfilm niemals gemacht hat: nämlich jüdisches Leiden ohne wenn und aber zu zeigen. Der Film endet wie der Beginn des ersten deutschen Nachkriegsfilms DIE MÖRDER SIND UNTER UNS: Eine Frau kehrt aus einem Nazi-Konzentrationslager zurück - und sieht dabei aus, als käme sie erfrischt aus einem Parisurlaub.
                                          Was 1946 völlig ernsthaft gemeint war, enthüllt Petzold als inszenierte Maskerade. Denn wir haben gesehen: Die KZ-Überlebende Nelly kehrte seelisch und zunächst auch körperlich verkrüppelt zurück. Sie wurde nicht mit offenen Armen empfangen, sondern bestenfalls angeraunt, wann sie denn endlich nach Palästina reise. Und nach ihrer Leidensgeschichte hat sie niemand gefragt: Zu sehr waren die Deutschen damit beschäftigt, über den Buttermangel zu jammern. [...]
                                          Petzold bietet auch großes Melodrama: ein Film der ganz großen Gefühle, die unterdrückt werden müssen - bei Nelly, damit die Maskerade nicht auffliegt, und bei Johnny, damit er seine Schuld nicht einzugestehen braucht. Man sieht diese Gefühle als Zuschauer nicht immer, aber man spürt und denkt sie (im Grunde die Essenz der "Neuen Berliner Schule"). [...]

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                                          • 8

                                            [...] Es ist fast schon enttäuschend, dass der Film im letzten Drittel seine Spannung aufgibt und durch aliengesättigte Action austauscht. Aus einem Paranoiathriller wird so ein generischer Alienfilm, der dann das "liefert", was man gemeinhin eben von einem Alien-Invasionsfilm erwartet. Allzu betrüblich ist das allerdings nicht. Zum einen bleibt das hohe Niveau der Inszenierung konstant, zum anderen schlägt der Film gegen Ende dann doch wieder eine Brücke zu seinen Ursprüngen als angsterfüllter Albtraum. Als Alienfilm ist INVASION VOM MARS bestenfalls okay, als Paranoiathriller schlicht meisterhaft.

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                                            • 2

                                              [...] HANS KLOSS: SPION ZWISCHEN DEN FRONTEN ist gleichermaßen zu kompliziert wie auch zu hanebüchen. Er ist sichtbar damit überfordert, die beiden parallel montierten Zeit- und Handlungsstränge zu einem überzeugenden Ganzen zusammenzuführen: Der 1945-Teil ist ein Agentenfilm mit Actioneinlagen, während der 1975-Teil eine Altnazi-Gruselkabinett-Groteske mit Schatzsuch-Abenteuer verbindet.

                                              Mehr als die inhaltlichen Widersprüche stört vor allem die Schwere, die sich auf sie niederlegt: HANS KLOSS: SPION ZWISCHEN DEN FRONTEN ist verkrampft, ohne jede Leichtigkeit. Er ist mit einer verstockten Ernsthaftigkeit inszeniert, als würde es sich um ein weltbewegendes Drama handeln, und nicht um eine Genrefantasie und Räuberpistole mit Agenten und Nazis. [...]

                                              • 3 .5

                                                [...] Das Hauptproblem von GOAL OF THE DEAD – 11 ZOMBIES MÜSST IHR SEIN ist, dass er geradezu in seine Bestandteile zerfällt, namentlich in seine zwei Hälften (selbstironisch "Halbzeiten" genannt) und in jene Filme, die er versucht, zu sein: eine Satire über Fußballkultur, ein lustiger Zombiefilm und ein ernsthafter Horrorfilm. [...] GOAL OF THE DEAD – 11 ZOMBIES MÜSST IHR SEIN löst die Hoffnungen, die er hervorruft, leider kaum ein. Wie unkonzentriert der Film ist, merkt man auch an seinen vielen überflüssigen Figuren, an seinen langen Expositionen und an seiner völlig überzogenen Laufzeit von fast zwei Stunden. Eine Reduzierung auf zwei Mal 45 Minuten ohne Verlängerung hätte ihm womöglich ganz gut getan.

                                                • 5 .5

                                                  [...] Götz Spielmann entwickelt seine Stoffe nicht gerade im Eilmodus. So ist auch OKTOBER NOVEMBER ein langsamer, bedächtiger Film, der dem Zuschauer viel Zeit zur Verarbeitung und zum Nachdenken lässt. Doch es stellt sich die Frage: Worüber nachdenken? REVANCHE hatte sich dadurch ausgezeichnet, dass die Mehrheit der Figuren undurchdringlich und dadurch auch stets unberechenbar blieb - und dass er einen brutalen Kontrast zwischen den ruhigen Bildern und den unterschwelligen, brodelnden Emotionen schuf: eine verstörende Dissonanz, die sich nur lange nach Ende des Films auflöste. In OKTOBER NOVEMBER fehlen diese Elemente. Die Figuren sind erschreckend transparent und berechenbar geworden - mit vielen Eigenschaften, die ihnen das Drehbuch zuteilt, aber ohne seelische Geheimnisse. [...]

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                                                  • 6

                                                    [...] Die Kleinigkeiten, zum Beispiel eben Suzunes Parasiten-"Detektor" in Form eines Froschs, der an einem Schenkelgurt getragen wird, sind sicherlich origineller als die Grundidee, die stark an David Cronenbergs SHIVERS – DER PARASITENMÖRDER erinnert. Doch bei aller formeller und intellektueller Raffinesse des Kanadiers: Seinen Film hat er an keiner Stelle so derartig hemmungslos mit schwülstigem Melodrama gebrochen, wie das in PARASITE DOCTOR SUZUNE: GENESIS – DIE GEBURT passiert. Mitten im Glibber-Wahnsinn tauchen flüchtige Momente der Zärtlichkeit auf. [...]
                                                    Ein großes Manko dieser Manga-Adaption ist freilich ihr Look, der oft eher an ein Billigdigital-Heimvideo als an einen richtigen Film erinnert. [...]