JarvisBln - Kommentare

Alle Kommentare von JarvisBln

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    JarvisBln 24.02.2022, 17:21 Geändert 24.02.2022, 17:22

    Sag einer, Hong Sang-Soo wiederhole sich immer: Kein Soju diesmal, es wird Makkgeoli getrunken, scheint ähnlich gut zu wirken. Wie das kleine Mädchen an der Fensterscheiben schauen wir Menschen beim Menschsein zu, und sehen wie Alltag zu Kunst wird, wie das Grau bunt wird.

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      über Scala

      Das letzte von drei grossen Kinos Bangkoks wird abgerissen, die Mitarbeiter_innen, die die Kinos quasi bewohnten, legen selbst Hand an, ein Stück Trauerarbeit. Der Vater der Regisseurin war einer der Beschäftigten, sie wuchs in einem der Kinos auf. Die Räume eignen sich jetzt Katzen und Vögel an.

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        JarvisBln 08.02.2022, 11:49 Geändert 08.02.2022, 11:52

        Der Film wurde in zwei Sprachfassungen gedreht, deutsch und französisch, die hier aufgeführte Besetzung scheint die der französischen Fassung zu sein. In der deutschen Fassung spielen Horst Buchholz (Vincent Loringer) und Udo Vioff (Manfred). Als Mitglieder einer Jungsbande sind Michael Ande und Peter Vogel zu sehen.
        Der Film bewegt sich in Zwischenreichen, vom Kind zum Jugendlichen, imaginierte Welten zwischen Märchen und Abenteuer, sexuelle Uneindeutigkeiten, Nebel, Rehe, Hohenschwangau, und Horst Buchholz als fremder Argentinier ist unglaublich schön.

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        • 3

          „Are these lines or is this real?“ frägt Alana Jack Holden einmal. Diese Frage stellte sich für mich auch den ganzen Film über. Beide Hauptfiguren geben nur vor etwas zu sein, der Eine zitiert seine Ideen, wie sich Ältere seiner Ansicht nach verhalten, die Andere markiert das Jungmädchen und reproduziert dabei die unangenehmen Muster, wie sich heterosexuelle Männer Girls wünschen. „Say yes to everything“, rät ihr Gary, als sie zum Casting geht. Diesen beiden Figuren kann ich keine Liebesgeschichte abnehmen. Dass auch der Rest der Besetzung als Stereotypen gezeigt werden ist noch unangehmer, durch die serielle Erzählweise bekommen die Figuren keinen Hintergrund, es bleibt eine ausgestellte Haltung und taugt deshalb nicht als Zeitkommentar, sondern bleibt einfach in seiner Frauenfeindlichkeit, seinem Rassismus, seinem Antisemitismus stehen. Oder bin ich einfach zu alt für den Film? Wie sagte doch Alana: „Fuck off, Teenagers“.

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          • 7 .5

            Ein Film in der Tradition von Brechts 3-Groschenoper und doch ganz Ophüls. Ein Varietéansager führt uns moritatenhaft in die Geschichte ein, wird sie unterbrechen, es wird aus der Geschichte herausgetreten und er sorgt auch dafür, dass wir Zusehenden ein ordentliches Happy-End bekommen. Hier wie dort wird eine Geschichte der Umwertungen erzählt, Geld macht Gutes schlecht und Schlechtes gut. Es ist eine Geschichte von Banken und Immobilienspekulationen, die auch heute nichts von ihrer Aktualität eingebüsst hat. Die Ausstattung von Heinz Fenschel und die bewegliche Kamera von Eugen Schüfftan geben dem Film eine besondere Note, seien es die übergrossen, ornamental gerahmten Räume der Bankenwelt, oder die engen Wohnungen: Mal Arbeiterkino, mal weltläufige Komödie.
            Die Story hakt mitunter an manchen Stellen, das mag darin liegen, dass der Film wahrscheinlich nicht komplett ist, aber die souveräne Geste, mit der dieser Film einem dargeboten wird, entschädigt dafür allemal.

            • 7
              JarvisBln 01.01.2022, 12:50 Geändert 01.01.2022, 12:51

              Liebe, gesellschaftlicher Status, Geld und wie das alles zusammenhängt. Marlene Dietrich, deren Eleganz schon ihre Präsenz in den Sternberg Filmen erahnen lässt, lässt sich hier mit einem russischen Grafen ein, der aber, da im Exil, als Kellner arbeitet, und somit zwei Welten repräsentiert, die in den Augen von Madame unvereinbar sind. Je nach Kenntnisstand ist Madame charmant bis brüsk. Wunderbar illustiert in zwei Szenen, in denen sie sich von ihm bedienen lässt, einmal geschmeichelt, wenn der Herr Graf ihr formvollendet Tee einschenkt, einmal herrisch, wenn der Kellner Jacques sie geschäftsmässig bedient. Die Grossaufnahme eines 1000 Francs Scheins, den sie ihm als Trinkgeld gibt, macht brutal klar worum es geht.

              • 7
                JarvisBln 22.12.2021, 12:10 Geändert 26.12.2021, 12:15

                Dieser Film ist eine interessante Mischung aus Komödie und sozialem Kommentar. Es ist die altbekannte Geschichte vom Ladenmädchen, das auf einen Millionär hofft. Der Film eröffnet mit ihrem Feierabend, er zeigt müde Füsse und müde Hände, man wägt sich in einer Sozialreportage, dann der Weg nach Hause, U-Bahn in der Rush-hour, die kleine (1,50m grosse) Gloria Swanson eingezwängt zwischen Männern, rumgeschubst, eine tragikkomische Slapsticknummer, die für sich selbst steht (auf youtube abrufbar). Auf der Suche nach ihrem Millionär gerät sie an Künstler und Modefürsten, mutiert zur russischen Gräfin, und muss immer die Übergriffigkeiten der Männer aushalten, die nicht verstehen, dass "Nein" Nein heisst, das geht nicht immer ohne blaue Flecken ab. Da trifft es sich gut, das ihr eigentliches Love Interest, ein Mechaniker, dank einer Erfindung selbst zum Millionär wird, und so zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen werden. Überflüssig zu sagen, dass die Swanson brillant ist.

                • 7
                  JarvisBln 14.12.2021, 12:20 Geändert 14.12.2021, 12:31

                  Portrait einer Kohlenhändlerin mit ihren Angestellten und ihrer Tochter, im Prenzlauer Berg Anfang 1989. Die Kohlenhändlerin wurde eher unfreiwillig Chefin, sie trägt ihr Herz auf der Zunge ("Ich rede schneller als ich denke"), kennt aber ihre Grenzen, kurz bevor sie sich verplappert (dass man es mit den Regeln nicht so genau nehmen soll) bricht sie das Gespräch ab, auch eine Lektion über die Grenzen des Dokumentarfilms. Die zugewandte Art, mit der Misselwitz deren Angestellte portraitiert, setzt dem offiziellen Bild der Helden der Arbeit Menschen gegenüber, mit Familie und Problemen und schmuggelt in der DDR gerne unterschlagene Themen wie Alkoholismus, sexueller Missbrauch in der Familie oder Suizid in den Film. In nüchternem schwarz-weiss gedreht.

                  • 7 .5
                    JarvisBln 12.12.2021, 13:29 Geändert 12.12.2021, 13:29

                    Beatrice Lillie ist eine wahre Entdeckung. Stoisch bewältigt sie die Tücken des Alltags als Mädchen für alles in einer Wander-Theatertruppe (wobei Dinge oft ein Eigenleben entwickeln) und ihre Sehnsucht nach einer richtigen Theaterrolle und nach Liebe. Sie trägt Männerkleidung (in ihrer Londoner Zeit nannte man sie einen der bestangezogenen Männer Londons) und ein Vampirkostüm. Und mit Franklin Pangborn als angenehm tuntige Nebenfigur.

                    • Von diesem Stück von Brecht gibt es noch eine weitere Filmversion, ebenfalls von Egon Monk. Es handelt sich um eine Produktion des DDR Fernsehens von 1953, eine Version der Theateraufführung im Berliner Ensemble. Frau Carrar wird gespielt von Helene Weigel.

                      • Diesen Film gibt es in zwei Versionen. Chahine hatte den Auftrag (es war übrigens die einzige arabisch-sowjetische Koproduktion) einen Film über den Bau des Assuan-Staudammes zu drehen. Das war 1969. Das Ergebnis missfiel jedoch den Auftraggebern, eine erheblich veränderte Version wurde schliesslich 1972 gezeigt (das ist die hier aufgeführte Version). Chahine hat jedoch seine ursprüngliche Fassung rekonstruiert, sie ist unter dem Titel Al Nil Wal Haya (Once upon a Time... The Nile) veröffentlicht, der Film wurde im Oktober 2021 im Kino Arsenal in Berlin gezeigt, hat hier aber keinen Eintrag.
                        Der Film legt den Schwerpunkt auf die arbeitenden Menschen, ihre Sehnsüchte, ihre Gemeinsamkeiten und ihr Trennendes, die Hierarchien zwischen Russen und Arabern, und die Prägungen der verschiedenen Gesellschaftsformen. Gewünscht war ursprünglich wohl eher propagandistisches Pathos.

                        • 6
                          JarvisBln 24.08.2021, 12:37 Geändert 24.08.2021, 12:39

                          Auch wenn dieser selten gezeigte Film sicher kein Meisterwerk ist, lohnt sich der Blick auf ihn dennoch. Das Setting ist ein Güterhafen, grau-düster ragen die Kräne in den Himmel, dort treibt sich eine Bande Jugendlicher (im damaligen Jargon Halbstarke) herum, ihre Familien bieten ihnen keinen Rückhalt, sie sind noch auf der Suche nach sich selbst und einer (auch sexuellen) Identität und sie klauen Whiskey und Zigaretten aus den Lagerhäusern zum verhökern.
                          Als sich eine Gruppe Roma (nicht frei von Klischees dargestellt, aber im Gegensatz zu den Jugendlichen identitätsstark) auf ihrem Platz, den sie als Versteck für ihre Diebesware nutzen, niederlässt kommt es zum Konflikt zwischen den beiden marginalisierten Gruppen. Die Situation eskaliert, es kommt zu Vergewaltigungen und letztendlich Mord.
                          Gute Schauspieler_innen tragen den Film, allen voran Marina Vlady (mal burschikos, mal ganz junge Frau im fliegenden Wechsel) und Giani Esposito mit ihren unsicheren, gruppenübergreifenden Annäherungen.

                          • 6

                            Nonnen und Kinder, eine Mischung, die schnell zu süsslichem Kitsch werden kann. Hier aber ganz anders: Italien 1943, ein Nonnenkloster, deren Insassinnen jüdische Kinder aus einem benachbartem Lager herausschmuggeln (die italienische Lagerleitung drückt ein Auge zu). Als die Deutschen das Lager kontrollieren ist es aus mit den Duldungen, die Nonnen drohen aufzufliegen. In weiten Teilen fast naiv und dem Mainstream verpflichtet erzählt (die Nonnen sehen viel zu gut aus, die Kinder machen grosse Augen), werden geschickt dramaturgische Gegenpole gesetzt, und wenn zu Jom Kippur die Waisen die Namen ihrer verstorbenen Verwandten zum Gedenken aufschreiben sollen, will die Liste kein Ende nehmen, eine erschütternde Szene. Und zum Schluss gibt es noch klassischen Suspense.
                            Ein gelungenes Beispiel der Beschäftigung mit dem Holocaust im Mainstreamkino, und offensichtlich kaum bekannt, es ist die erste Bewertung hier.

                            • 7

                              "Zwei lustige Matrosen", so ein Teil des österreichischen Titels, rückübersetzt also "Two gay sailors" trifft die Sache ganz gut, auch wenn die beiden Matrosen das Interesse an ihren Körpern nur über Schlägereien ausdrücken können. Ein treffendes Zitat: "Kein Homosexuellen-Film, sondern ganz naiv, ganz offen die homosexuelle Komponente der Gesellschaft dargestellt, in der die Männer den Ton angeben. Mit Louise Brooks als Störfaktor." (Frieda Grafe, Filmtipps 7.9.1982)

                              • 6
                                JarvisBln 07.07.2021, 11:50 Geändert 07.07.2021, 11:53

                                Der Film wird nicht müde zu betonen, dass wir uns in einer Männer(grossgeschrieben)welt befinden, sei es die Finanzwelt in Paris oder der Ingenieur beim Staudammbau in Argentinien. Die Garbo muss sich in dieser Welt behaupten, die Konfliktlinie verläuft zwischen Ökonomie und Begehren, die Bauarbeiter in Argentinien verwirrt sich mit ihrem ungebrochen glamurösen Auftreten, während sich die Männer die Rücken blutig peitschen und den Staudamm in die Luft sprengen. Auch hier (wie schon in "Flesh and the Devil") kann die verführerische Frau nur eine Teufelin sein, die im Schlussbild dann ihren Jesusmoment hat.

                                • 7 .5
                                  JarvisBln 03.07.2021, 14:36 Geändert 23.11.2021, 11:06
                                  über Es war

                                  Achtung: Enthält SPOILER
                                  Leo von Harden und Ulrich von Eltz (!) haben als Knaben auf der Insel der Freundschaft Blutsbrüderschaft geschlossen. Ihre Bindung geht jedoch über das Kumpelhafte hinaus, ihre Umarmungen sind immer einen Zacken zu lang und sind inszeniert wie Vorbereitungen auf Kussszenen, zu denen es aber nie kommt. Kurzum: Eine deutlich homoerotisch geprägte Männerbeziehung.
                                  Auftritt Greta Garbo: Wie eine moderne Anna Karenina steigt sie aus einem Eisenbahnabteil, Leo erblickt sie und und ist ihr schon verfallen. "When the devil cannot reach us through the spirit... He creates a woman beautiful enough to reach us through the flesh". Die Garbo als passive Schönheit, wunderbar fotografiert, wie auch der ganze Film visuell grossartig ist, wenn ihr Leo Feuer gibt, erleuchtet das Streichholz ihr Gesicht, eher heilig als teuflisch (angeblich hatte er eine Glühbirne in der Hand) oder wenn es zum (ersten) Duell kommt, Duelle sind in diesem Kontext zwangsläufig, sehen wir nur die Silhouetten, wie ein Scherenschnitt.
                                  Die Garbo stellt sich zwischen die Männer (ist es Berechnung oder nur Überlebenstaktik, die Zwischentitel bemühen immer wieder den Begriff der Teufelin, ist das nun misogyn oder nur die Angst des Mannes vor dem Rätsel Frau?) und sie schafft es, dass sich die Blutsbrüder ebenfalls zum Duell herausfordern. Doch ihr kommen Zweifel, sie rennt, bei Schnee im tiefsten Winter, zu den Duellierenden bricht aber im Eis ein und ertrinkt. Die beiden Männer indessen erinnern sich an ihren Schwur auf der Insel der Freundschaft und statt sich zu duellieren umarmen sie sich in inniger Freundschaft (Liebe?). Ihnen gehört das letzte Bild. Was für ein Happy-End.

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                                  • 7
                                    JarvisBln 05.06.2021, 12:24 Geändert 08.11.2021, 15:36

                                    Der Film wurde vom Filmmuseum München neu rekonstruiert (ein ukrainischer Fund hat es offensichtlich möglich gemacht). Die Rahmenhandlung ist ein Vortrag Magnus Hirschfelds, es beginnt ganz harmlos mit dem Paarungsverhalten im Tier- und Pflanzenreich, doch auch dort geht es nicht so heteronormativ zu (ganz zu schweigen was so "natürlich" genannt wird) wie man denken sollte, und wenn dann die Gottesanbeterin ihren Partner nach der Begattung verspeist oder die Nacktschnecke, die doppelgeschlechtlich ist, bei der Paarung auch doppelt penetriert nehmen sich sogenannte Abnormitäten im menschlichen Verhalten, das Tragen der Kleidung des entgegengesetzten Geschlechts oder homosexuelle Liebe doch recht harmlos aus. Ein schöner didaktischer Trick Hirschfelds. Am Schluss zeigt er noch, dass ein Paragraph wie der §175 Menschen vernichten kann, eine gekürzte Fassung von Oswalds "Anders als die Anderen" beschliesst den Film.
                                    Der Film wurde vom Filmmuseum bereits einmal auf DVD veröffentliche (Spieldauer nur 40 Minuten), die neue Fassung ist erheblich länger, eine neue DVD (zusammen mit den Filmen "Anders als die Anderen" und "Geschlecht in Fesseln") erscheint in Kürze.

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                                    • 6 .5

                                      Der Film beginnt mit dem Insert "Vienna", doch die total künstlichen, das Studioambiente nicht nur nicht kaschierend, sondern herausstellenden Anfangsszenen zeigen, wir sind nicht in Wien, sondern in "Wien", der Stadt von Schnitzler und der Psychoanalyse. Eine Geschichte von Ehebruch und Rache, einmal gespiegelt, wie sich auch die Personen immer wieder in Spiegeln wiederfinden oder vervielfältigen. Die Verhältnisse werden klar, wenn in der Gerichtsverhandlung (der Ehemann erschoss seine untreue Frau), nicht etwa moralische Argumente kommen (es ist ein pre-code Film), sondern das Besitzrechte des Mannes an der Frau als verletzt angesehen wird.
                                      In der gespiegelten Geschichte kann es nur zum glücklichen Ende kommen, als statt auf die Frau auf den Spiegel geschossen wird, und dieser zersplittert.

                                      • 6

                                        Gibt es sowas wie das Genre "Gaslight"? Eine Jekyll and Hyde (oder auch Genie und Wahnsinn) Geschichte, die 1903 spielt, die neuen Gasleitungen werden die noch mit Hand angezündeten Laternen versorgen, alte Zeit gegen neue Zeit, Scheiterhaufen und Psychoanalyse, das Feuer zieht sich wie ein Leitmotiv bis hin zum furiosen Finale durch den Film, und Laird Cregar brilliert in der letzten Rolle seines kurzen Lebens.

                                        • 7

                                          Beim Wiedersehen überraschte mich positiv die Ernsthaftigkeit des Films, und durch die vielen Originalschauplätze (inclusive Statisterie) hat er auch dokumentarische Qualitäten.

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                                          • 6 .5

                                            Eine Boulevardkomödie, reizend im Detail, die Roaring Twenties, Mode und Entertainment wie sie das Bild der Epoche heute noch prägen (jedes Klischee hat ja auch einen realen Hintergrund), Vater und Tochter stürzen sich in Vergnügungen, die Mutter langweilt sich zuhause, nie kommt die Kleinfamilie hier zusammen. Schliesslich, von einer Freundin überredet, geht auch die Mutter aus, und nach boulevardesken Verwicklungen ist die Kleinfamiie tatsächlich zusammen - allerdings am falschen Ort: In der Wohnung des unstandesgemässen Verehrers von sowohl Tochter als auch Mutter. Doch das Happy End schaut hier anders aus als gewohnt, die Mutter zieht die einzig richtige Konsequenz.

                                            • 7 .5

                                              Keine einzige Bewertung bisher für diesen Film? Das muss sich ändern.
                                              Die Geschichte eines Aussenseiters, Douglas Fairbanks als Lo, Sohn einer Cherokee und eines Weissen. Er lebt im Wald, ist gebildet und sanftmütig. Die Männer in der Stadt sehen sich ganz selbstverständlich als „white supremacy“, der Film unterläuft diese angebliche Überlegenheit aber mit eleganter Ironie (erstaunlicherweise sitzen aber in einer kurzen Szene im Saloon, dem gesellschaftlichen Zentrum der Stadt, Weisse, Schwarze und Asiaten einträchtig beisammen).
                                              Die beiden weiblichen Hauptfiguren des Films sind jede auf ihre Weise selbstbestimmt, die Pfarrerstochter steigt gegen den Willen des Vaters Lo nach, mehr die Faszination des „edlen Wilden“ als Liebe, die andere wehrt sich handfest gegen unerwünschte männliche Annäherungen (das Drehbuch ist von Anita Loos).
                                              Mag die Figur des Lo auch etwas zu romantisiert sein, ist der Film doch ein grosses Sehvergnügen (die wunderbare Kamera (Victor Fleming!) lässt Lo im Sequoia National Forest mit der Natur eins werden), und die Mischung aus Gesellschaftskritik, Melodram und Western-Elementen ist gute Unterhaltung.
                                              Sehen kann man den Film zur Zeit kostenlos auf der Seite der Cinemathèque Francaise (cinematheque.fr).

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                                              • 8

                                                Auch Nichtbewegen kann Tanz sein, wenn nur die Pose stimmt, ein Fingerschnippen als Ereignis - die Choreographie Bob Fosses: cool, sophisticated und im wahrsten Wortsinne schräg. Sie ist die Würze in diesem Musical mit der Hauptfigur mit dem sprechenden Namen Charity Hope Valentine, die noch so oft hinfallen kann, und doch die Hoffnung nicht aufgibt (Vorlage des Musicals war Fellinis Nächte der Cabiria). Ein Märchen, leichtfüssig inszeniert, angereichert mit Swinging-Sixties-Pop und einer Prise Hippie-Flower-Power, und natürlich Shirley McLaine, als traurig-muntere Charity („Where am I going?“), die sich und die anderen belügt um zu überleben.

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                                                • 7

                                                  Ich weiss nicht, ob der Begriff "hate crime" in GB Ende der 50er Jahre schon üblich war, jedenfalls konstatiert der ermittelnde Polizist “This girl was killed in hate, not fear“, als er die Leiche der jungen Sapphire in Hampstead Heath inspiziert. Sapphire war Kind einer schwarzen Mutter und eines weissen Vaters, wurde aufgrund ihrer hellen Hautfarbe jedoch als weiss gelesen. Rassismus ist allgegenwärtig in diesem auf sympathische Art konventionell erzählten Kriminalfilm, sowohl offener als auch versteckter, da fallen den Ermittlern schon mal die Kinnladen runter, wenn der Bruder des vermeintlich weissen Opfers sich als schwarz entpuppt. Aber auch in der schwarzen Community, die erfreulicherweise klassenübergreifend gezeigt wird, von einfachen Leuten bis zur Oberschicht ist alles dabei, gibt es Vorurteile gegenüber Weissen. Ein empfehlenswerter Film in bester Tradition britischer Sozialdramen.

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                                                    JarvisBln 13.03.2021, 12:53 Geändert 13.03.2021, 12:55

                                                    Der Film punktet vor allem durch seine vielen Aussenaufnahmen von Neapel in natürlichem Licht und die Einbeziehung von Laien, Francesca Bertini, die Regisseurin und Hauptdarstellerin, behauptet in einem Gespräch auf dem Bonusmaterial, dies sei der erste neorealistische italienische Film. Ebenfalls bemerkenswert ihr selbstbewusstes, unpathetisches Spiel, was dem Stoff sehr gut tut.