Sigmund - Kommentare

Alle Kommentare von Sigmund

  • Super Liste! :-)
    Ich empfehle auch noch BERGFEST (emotionaler Missbrauch) und GEGENÜBER (Körperliche Gewalt durch Frauen)

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    • Die Nominierungen sind an sich weitgehend nachvollziehbar.
      Aber: Wo ist BABAI, der völlig zu Recht u.a. auf dem Filmfest München den Preis für den besten Film, die beste Regie und das beste Drehbuch gewann, und auch in Karlovy Vary mit dem Preis für die beste Regie ausgezeichnet wurde?
      Wie kann es sein, dass die Akademie ausgerechnet den einzigen handwerklich, künstlerisch und inhaltlich herausragenden Film dieses mäßigen Jahrgangs nicht berücksichtigt??
      Keine einzige Nominierung! Blankes Entsetzen.
      Was für ein Fehler.

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      • 9

        Zwickmühle deluxe. Wie bewerte ich einen Film, der mich gut zweieinhalb Stunden lang in den schwarzen Tod gelangweilt hat – dann aber gaaanz am Ende mit einer Volte daherkommt, die mich seit Wochen nicht mehr loslässt.
        Ist die elegische, megaprätenziöse Langsamkeit von ONCE UPON A TIME IN ANATOLIA wirklich verzeihlich? Hätte man den Zuschauer nicht ein bisschen weniger durch die Ödnis der grobmaschigsten Abschweifungen schleifen können und durch die Leere der ermüdensten Tatortermittlungen aller Zeiten? Ich weiß es nicht.
        Natürlich spiegelt sich das Ganze kontrastreich und kraftvoll im Ende des Films, aber: Regisseur/Autor Nuri Bilge Ceylan gibt einem eigentlich nichts an die Hand um so lange durchzuhalten! Außer vielleicht das Hintergrundwissen, dass der Mann ein fantastischer Erzähler ist. Für mich bedeutet gekonntes Erzählen allerdings, zumindest den wohlwollenden Zuschauer durchgehend zu fesseln. Nicht unbedingt mit vordergründigen Unterhaltungsmätzchen, aber bitte mit einem Minimum an innerer Spannung. Nicht so hier.
        Bis kurz vor Ende des Films war ich drauf und dran ihm wegen seiner handwerklichen Souveränität (Kamera/Schauspielführung/Atmosphäre, jaja, alles super, geschenkt) ein paar Punkte wie Brotkrumen hinzuschmeißen, die aber in meinem Ärger über die ganze verschnarchte Sperrigkeit irgendwo bei 3,5 stranden sollten. Zumal immerhin zwei, drei schillernde Figurenzeichnungsmomente die Meisterschaft des Regisseurs kurz aufglimmen ließen (sehr schön: der „Clark Gable“ Narzissmus). Nicht gerade verschwenderisch für 160 Minuten. Da der Film aber 163 Minuten dauert, sah ich mich nur wenige Augenblicke später stolze 7,5 Punkte aufrufen. Nach der ganzen, jämmerlichen Gähnerei.
        Um nicht zu spoilern, versuche ich die Hintergründe für diesen Umschwung mal nur vage anzudeuten: Die skizzierte Welt des Films ist wie ich finde ein treffendes Gleichnis für die Eitelkeiten, Borniertheiten, Zynismen, all die unerfüllten Sehnsüchte und die viele, viele Einsamkeit, die bei genauerem Hinsehen wohl jedem Menschenleben direkt oder indirekt begegnen. Wie eine schmerzliche, kaum zu leugnende Wahrheit. Und dann, man hatte sich mit dem Elend fast schon abgefunden, setzt eine der Hauptfiguren mit einer unspektakulären, fast beiläufigen Entscheidung all dem etwas entgegen – auf eine Art, die erstaunlich glaubwürdig ist und kitschfrei, und in ihrer Trost und auch Hoffnung spendenden Schönheit so erhaben, wie ich es in einem Film schon lange nicht mehr gesehen habe. Ein Silberstreif, zwar klein aber von enormer Kraft. Ein Gegengift, das Mut macht auch die finsteren Dinge unserer innerlichen Natur immer wieder ertragen zu können – selbst bei genauerem Hinsehen.
        Vermutlich werde ich diese letzte Szene noch weitere Wochen oder sogar Monate, von mir aus gerne auch viele, viele Jahre in mir herumtragen, und da will ich wegen 160 Minuten peinigendster Langeweile mal nicht so sein.

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        • 6 .5
          Sigmund 20.03.2016, 21:09 Geändert 20.03.2016, 22:35

          Kann mich nicht erinnern, einem Film mit so offensichtlichen Mängeln und einer dermaßen abgedroschenen Gefälligkeitsdramaturgie so wohlgesonnen gewesen zu sein.
          Durchsichtiger kann ein Handlungsverlauf eigentlich kaum sein, vermutlich werden die Drehbücher für diese Art von fließbandmäßigem Feelgood-Arthouse bald von Computern geschrieben. Normalerweise wird Schablonenhaftigkeit wegen rechtlicher Risiken ja um das ein oder andere Motiv variiert – hier würde es mich nicht wundern, wenn z.B. die Produzenten des deutschen 90er Jahre Oscar-Nominees JENSEITS DER STILLE ein paar grimmige Anwälte nach Frankreich schickten.
          Und was mich wirklich besonders anödet: wenn alte Menschen oder eben behinderte als wahnsinnig niedlich & rührend naiv dargestellt werden. Ganz schlimm in dieser Hinsicht ist über weite Strecken Karin Viard, der einzige Star des Films in der Rolle der gehörlosen Mutter, die sich obendrein um Kopf und Kragen chargiert. Gestalterisch lässt LA FAMILLE BÉLIER übrigens auch zu wünschen übrig. Fernsehhafter sah schon lange kein großer internationaler Kinoerfolg mehr aus.
          Warum dann 6,5 Punkte? Da ist zum einen die beachtliche, offenbar recht unerfahrene Hauptdarstellerin Louane Emera, der man anmerkt dass ihr die Arbeit viel bedeutet haben mag, was sich immer wieder in einer gewissen Innerlichkeit ausdrückt, die erfreulich wenig glatt oder kalkuliert wirkt. Auch ihr Gesang hat nicht jene seelenarme Professionalität von manchem gelernten Musicalsolisten, sondern eben den entscheidenen Draht zu tatsächlichen Empfindungen, der rein technischen Virtuosen oft abgeht.
          Überhaupt sind fast alle Rollen durch wohltuend normale Gesichter besetzt, selbst der Schwarm der Protagonistin ist nicht gerade auffallend hübsch. Auch sympathisch ist mir, dass längst nicht alle Sentiment-Steilvorlagen des Drehbuchs mit großer Geste ausgelutscht werden, da bin ich durchaus dankbar! Vielmehr entsteht der Eindruck, dass im Gegensatz zu den unzähligen lieblosen Beispielen vieler auf Kasse ausgerichteter Filme, hier von eigentlich allen Beteiligten eine gewisse, ja, Liebe für ihre Arbeit spürbar ist. Vielleicht ist das der entscheidende Faktor, der aus einer 100mal gesehenen, an sich in ihrer Substanz aber wahrhaftigen Geschichte, einen lebendigen Film entstehen lassen kann.

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            • 8 .5
              Sigmund 05.08.2015, 12:36 Geändert 06.06.2023, 16:55

              Welcher Idiot hat diesem feinen, klugen, wunderbaren Film nur seinen debil-reißerischen deutschen Titel verpasst? Gerne würde ich denjenigen mal treffen und mit epischen Beleidigungen überziehen.
              Vielleicht sollte ich wirklich mal recherchieren wer das war – vermutlich ein eher harmloser Apparatschik eines ramschigen Großverleihers. Wahrscheinlich würde der dann zu mir sagen: „Entspann dich mal. Mit dieser Strategie kriegt der Film einfach die meisten Zuschauer, und es ist doch schön, wenn gute Filme von vielen Leuten gesehen werden.“ Dann würde ich ungefähr antworten: „Bei diesem Titel schauen aber nur die Trottel drauf, und die sind viel zu genrefixiert und antennenstumpf um die Qualitäten des Films überhaupt zu bemerken.“ „Nur die Trottel? Du hast ihn doch auch gesehen!“ Nach diesen Worten würde er mich superfrech angrinsen. Das Gespräch könnte dann wie folgt weitergehen:
              - Klar, ich bin aber ein verdammter Nerd, der die Festivalerfolge mitbekommen hat. Nur deshalb hab ich mich von deiner Titelscheiße nicht wegstinken lassen.
              - Siehst du, die Nerds gehen sowieso rein. Die allein spülen aber nicht genug Geld in die Kassen um so schöne Filme wie diesen auch weiterhin drehen zu können.
              An dieser Stelle würde ich einen kleinen Stich oberhalb der Milz verspüren, denn mit solchen Realitäten bin ich noch nie so ganz ins Reine gekommen.
              - Aber so fühlen sich doch alle betrogen: die filmischen Feinschmecker um einen würdigen Titel, und die angelockten Schmeißfliegen um krawallige Action, viele Tote, einfache Wahrheiten, immergleiche Erzählkonventionen, bis ins Letzte vereindeutigte Figuren und vor allem um die winzigkleine Schmeißfliegen-Leine an der sie sich so gerne führen lassen.
              - Du bist so n komischer Idealistenvogel, kann das sein? Die Leute wollen einfach unterhalten werden, das ist alles.
              - Das will ich auch.
              - Wo liegt dann das Problem?
              - Dass Unterhaltung einen auch ein bisschen fordern muss. Wenn alles in den immergleichen Mustern abläuft wie das Wiederkäuen einer Kuh, wenn nur Klischees bedient werden und da so gar kein Interesse ist an der wirklichen Natur der Menschen und der Dinge... wenn ich das Gefühl habe, dass man mir was vorschwindelt, damit ich bloß nicht fürchten muss, die Wirklichkeit könnte unbequemer sein... dann ist das vielleicht irgendwie gemütlich, weil alles so einfach ist und sich vertraut anfühlt. Aber auch durchschaubar. Und langweilig. Und damit das Gegenteil von Unterhaltung.
              - Vielleicht haben die meisten Leute einfach noch nicht so viele Filme gesehen wie du.
              - Ist das denn eine Entschuldigung dafür, sie vollzublubbern und besoffen zu machen mit augenwischerischen Illusionen von Kontrolle, Stärke, Unverletzbarkeit etc?
              - Das ist es aber was sie sehen und hören wollen. Vielleicht hast du ja das seltene Talent unter die Oberfläche zu schauen und dort ab und zu das wirkliche Wesen der Dinge zu erkennen, und die damit verbundene Schönheit oder Hässlichkeit. Aber willst du den Leuten wirklich übelnehmen dass sie nicht so hellsichtig sind wie du?
              - Hm. Vielleicht bist du doch kein Idiot...

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              • 3 .5
                Sigmund 05.07.2015, 16:56 Geändert 05.07.2015, 17:40
                über Poll

                Viele Menschen haben vor Kunst ja irgendwie Angst.
                Das mag u.a. daran liegen, dass Kunst sich oft schwieriger greifen lässt als z.B. Wissenschaft. Oder Sport. Oder irgendwas mit Zahlen. Herausfordernd ist bei eigentlich jeder Form von Kunst, dass man tief in sich hineinspüren muss um den Ausdruck eines Werks zu erfassen. Da helfen keine einfachen Regeln und auch kein braves Auswendiglernen. Kunst ist oft subjektiv. Und persönlich.
                In manchen Fällen kommt es auch vor, dass Kunst vornehmlich rational, also über den Kopf zu erfassen ist – was z.B. ich allerdings uninteressant finde. So steckt in POLL ein Haufen Bildungsbürgerwissen. Über politische Zustände am Vorabend des ersten Weltkriegs, über das Baltikum, über biologische Experimente etc. Alles natürlich wissenswerter Kram. Aber ganz schön viel davon. Dazu kommt noch ein bunter Blumenstrauß an Figurendynamiken zwischen Vater und Tochter, Ehefrau und Liebhaber, Kindfrau und erster Liebe etc, so dass alles nur angetupft und nichts durchdrungen wird. An den teils sehenswerten Bildern liegt es nicht, auch Atmosphäre kommt mitunter auf, und der Film bietet sogar den einen oder anderen originellen Moment (Froschdressur), wofür ich normalerweise mehr als dankbar bin. Einen Sog konnte er nicht erzeugen.
                Offengesagt habe ich mich schon lange nicht mehr so quälerisch gelangweilt! Am Ende hatte ich das Gefühl, dass man hier zwar großen Wert darauf gelegt hat in hohem Maße künstlerisch aufzutreten – dass dabei aber keinerlei Leben durch die Figuren pulst, sondern alles nur Konzept bleibt. Die Dramaturgie ist dermaßen misslungen, dass ich mich trotz meines großen Grundinteresses in wohl jeder Minute beim Abschweifen ertappte, vom Anfang bis zum Ende.
                Das Schlimmste aber: Vermutlich werden diverse Geschichtslehrer ihren Schülern diesen Quark zumuten und ihnen damit jede Lust auf „Kunst!“ schon früh verleiden. Selbst in Schulen hält sich ja das fast katholische Klischee, dass Kunst immer auch ein bisschen Qual sein muss. Für mich ist es genau andersrum. Zwar ist beileibe nicht alles Kunst was Spaß macht, aber wenn es auf keiner Ebene so richtig Freude macht, dann ist es auch keine Kunst. Zumindest nicht durch die Brille, durch die ich sie sehe ;-)

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                  Sigmund 17.06.2015, 10:24 Geändert 17.06.2015, 10:26
                  über Boy 7

                  Liebloser Fließbandthriller, dem man das Talent seines Regisseurs leider nicht anmerkt.
                  Weil Özgür Yildirim durch die beachtliche Wucht seines Erstlings CHIKO für Furore sorgte und mit BLUTZBRÜDAZ respektabel nachlegte, fällt sein dritter Kinofilm BOY 7 besonders enttäuschend aus.
                  An den Darstellern liegt es nicht. David Kross macht seine Sache gut, obwohl seine Rolle wenig Eigenständiges bietet, und auch Emilia Schüle spielt an sich nicht schlecht. Allerdings wirkt sie u.a. durch ihre pittoreske Modelhaftigkeit etwas verkleidet in der Rolle der Außenseiterin und superschroffen Rebellin, was nahelegt dass man sie weniger im Sinne der Glaubwürdigkeit besetzt hat als vielmehr wegen anderer Schauwerte.
                  Oberflächlich ist auch das Drehbuch gestrickt, das leider keine Szene enthält die man nicht schon dutzendfach woanders gesehen hätte. Vom sadistisch-süffisanten Antagonisten über fernsehhafte Erklärdialoge bis hin zur fehlenden Nachvollziehbarkeit wichtiger Handlungselemente (Wie er am Anfang sein Notizbuch findet, oder: Wer würde sein Glückstuch bei erster Gelegenheit verschenken?): Ideenlosigkeit auf allen Ebenen. Auch in der Bild- und Lichtgestaltung haben sich die Macher mit so wenig zufriedengegeben, dass atmosphärische Dichte völlig ausbleibt.
                  Spannend an diesem Thriller ist eigentlich nur die Frage, wie ein zweifellos hochbegabter Jungregisseur schon bei seinem dritten Kinofilm die eigenen Ansprüche so weit herunter geschraubt haben kann. Hat das Vieleköchesystem der Industrie seinen Brei verdorben? Hat er dem Projekt einfach zu wenig Zeit eingeräumt? Hat er aus Bequemlichkeitsgründen seinen Einsatz limitiert? Letzteres wäre vielleicht am schlimmsten.
                  Ohne viel, viel Herzblut und bedingungslose Liebe macht man keinen guten Film.

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                    Sigmund 11.06.2015, 16:25 Geändert 11.06.2015, 23:15

                    Wie reizvoll deutsches Kino sein kann, zeigt dieser Film von Ingo Haeb.
                    DAS ZIMMERMÄDCHEN LYNN glänzt mit Qualitäten, die man auch im Arthousekino allzu oft vergeblich sucht. So ist die Grundspannung des Films trotz seines ruhigen Erzähltempos durchweg hoch – und man folgt der Titelfigur gerne bei ihren Versuchen die eigene Isolation zu überwinden.
                    Interessant ist, dass Lynn einem nahegeht obwohl sie sich doch ziemlich ungeschickt anstellt in ihren Begegnungen mit anderen. Diese Qualität ist auch Vicky Krieps zu verdanken, deren naives Charisma die Leinwand füllt. Wenn sie merkwürdig entwicklungsgehemmt wirkt wie ein Kind im erwachsenen Körper, dann gelingt es ihr all die innerlichen Unzulänglichkeiten und „Behinderungen“ wachzurufen, mit denen wahrscheinlich fast jeder Mensch auf dem einen oder anderen Gebiet zu kämpfen hat.
                    Auch inszenatorisch beeindruckt der Film durch sein Feingefühl für zwischenmenschliche Dynamiken – was hier mehrfach zu Kinomomenten führt, wie man sie sonst nur von den Meistern des Fachs erwarten darf. Wenn z.B. mit wenigen Worten die Beziehung von Lynn zu dem Callgirl Chiara (Lena Lauzemis) erzählt wird, hauptsächlich durch Berührungen und Bewegung im Raum, dann ist das bei aller Stilisierung glaubhaft, spannend und sogar originell. Vieles geschieht in Grauzonenschattierungen, die sich einer bewussten, also gedanklichen Kategorisierung durch den Zuschauer entziehen, dabei aber atmosphärisch dennoch greifbar sind – wie in vielen von den besten Filmen.

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                    • Sigmund 03.06.2015, 14:24 Geändert 04.06.2015, 15:41

                      Applaus für die treffenden Beobachtungen!
                      Menschen, die sich nicht rollenbildkonform verhalten, werden leider allzu oft angefeindet – am meisten vermutlich von Leuten, die
                      a) einen isolierten, vermeintlich Schwächeren suchen um im Schutze der Mehrheit irgendeinen Eigenfrust abzureagieren
                      b) sich aufgrund ihres kontrollsehnsüchtigen Weltbilds bedroht fühlen, wenn jemand sich nicht an gewisse Biederleutespielregeln hält
                      c) den Segen der schönen, klugen, alten Formel "leben und leben lassen" noch immer nicht durchdrungen haben.
                      Wer das Bespucken anderer trotz allem nicht missen möchte, der ziele zukünftig bitte auf die Feinde der Toleranz :-*

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                      • "...nicht zu viel zu denken und es auf gewisse Weise mehr zu fühlen."
                        Immerhin hat C.Nolan offenbar erkannt, wo sein wohl größtes Problem liegt. Mir fällt nämlich kein angeblicher Top-Regisseur ein, der so heillos verkopfte und völlig leblose Dinger rausgehauen hätte wie INCEPTION oder THE DARK KNIGHT RISES.
                        Filme ohne Feeling, atmosphärisch so reizvoll wie der Automatenvorraum in meiner Sparkasse.

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                          Sigmund 21.04.2015, 14:48 Geändert 21.04.2015, 16:00

                          Interessanter Film!
                          Auch deshalb, weil er qualitativ schwankt wie nur ganz wenige.
                          Lange Zeit bewegt sich EX MACHINA in meisterlichen Sphären und fühlt sich an wie ein moderner Klassiker. Ein Film der – nicht nur im SciFi-Genre – herausragt durch seine visuelle Faszinationskraft, seine feine, meist subtile Inszenierung, ungewöhnlich präzise Dialoge und vor allem seine kraftvolle philosophische Dimension.
                          Wenn Caleb sich in eine „Frau“ verliebt, deren Arme, Beine, Taille buchstäblich transparent sind, oder wenn die künstliche Ava ihn bei der Nennung seiner Lieblingsfarbe anzweifelt und so die menschliche Selbstwahrnehmung hinterfragt – spätestens dann ist man in jenem Kosmos angekommen in dem wir heute und in naher Zukunft noch sehr viel Zeit verbringen werden.
                          Angesichts solcher Großqualitäten und mehr als einer Stunde innerlichen Zuschauerjubels, fallen die letzten ca. 30 Minuten des Films allerdings umso ernüchternder aus und ziehen ihn wie Blei hinunter in die Mittelmäßigkeit.
                          Dabei ist die lange Schlusssequenz – inhaltlich will ich mich hier zurückhalten – nicht einmal übermäßig laut oder plump geraten. Eher lahm und trivial und merkwürdig ideenlos. Am Ende, fürchte ich, sind weder die Freunde von filigraner Filmkunst richtig glücklich, noch die Fans des Blockbusterkinos. Für letztere wären bei der Figurenkonstellation noch weit mehr *spektakuläre Wendungen* drin gewesen, und für erstere bleiben die vielen starken Ansätze des Films unbefriedigend weil unvertieft.
                          Sehenswert finde ich ihn trotzdem, denn auch wenn hier viel Potenzial verschenkt wurde – so reizvoll war die Spiegelung von Mensch und Android nur selten.

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                          • 7 .5

                            Degeto. Der Name der ARD-eigenen Produktionsfirma stand jahrzehntelang für öffentlich-rechtliche Fernsehdemenz. Jahr für Jahr steckte man Hunderte von Millionen Euro in schablonenhafte Konfektionsfilmchen, die Macher und Publikum bei genauerem Hinsehen gleichermaßen beschämten.
                            Als man vor drei Jahren einige der Entscheider neu besetzte, hieß es, man wolle endlich anspruchsvoller werden... Und wirklich! Seitdem trifft man mitunter selbst auf dem gefürchteten Freitagabend-Sendeplatz auf Filme, die zeigen dass auch Massenmedien ein wahrer Segen für dich und mich und alle anderen sein könn(t)en.
                            DIE ZEIT MIT EUCH von Stefan Krohmer ist zwar kein Film, der in Sachen Originalität, Bildgewalt oder Atmosphäre auch für die große Leinwand geeignet wäre, aber: Die drei Paare um die es geht (überzeugend gespielt von u.a. Ulrike Kriener, Herbert Knaup, Henry Hübchen), fühlen sich an wie echte Menschen.
                            Auch die erfreulich unterhaltsame, dichte Dramaturgie macht nie den Fehler sich mit vordergründigen Wendungen anzubiedern oder unbequeme Wahrheiten zu beschönigen. Mit großer Gelassenheit werden hier ein paar unauflösbare Widersprüche des Menschseins als das gezeigt, was sie eben sind. Unauflösbar. Gar nicht hoch genug kann ich anpreisen, dass der Film an keiner Stelle moralisiert, und auch keiner der Charaktere abgeurteilt wird, obwohl der Beziehungsreigen voll ist mit Lügen und Betrug.
                            Entscheidend ist wohl, dass hier mit lebenskluger Milde von der *tatsächlichen Natur zwischenmenschlicher Konflikte* erzählt wird – anstelle der weit verbreiteten Zerrbilder von allzu einfachen Antworten oder jenem gut-gegen-böse Sehnsuchtskitsch, der dem Zuschauer ein völlig verklärtes Selbstbild auftischt.
                            Jetzt also auch immer öfter in der ARD: Das Gegenteil von Verdummung!

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                            • 5 .5
                              Sigmund 27.02.2015, 13:04 Geändert 27.02.2015, 14:41

                              Es gibt Filme, von denen lässt sich nur schwer sagen was genau es ist, das ihnen fehlt. ALS WIR TRÄUMTEN ist so ein Film. Andreas Dresen und seine Schauspieler machen ihre Arbeit gut, auch das Setting der Wendezeit und die Melancholie der verlorenen Träume bieten reichlich Stoff um unter die Haut zu gehen. Aber eben diese hohe Qualität erreicht der Film, zumindest bei mir, leider durchweg nicht.
                              Liegt es am (Dreh-)Buch? Zutaten für eine berührende und tiefgehende Geschichte sind zur Genüge da: Freundschaft, Gewalt und erste Liebe vor deutsch-deutschem Zeitkolorit, dazu noch Drehbuchautor Wolfgang Kohlhaase, der mit Filmen wie SOLO SUNNY längst bewiesen hat, dass er ein Meister der erzählten Menschlichkeit ist ohne zu schönen oder zu verteufeln.
                              Aber irgendwie zündet hier die Mischung nicht. Ein Funke fehlt, nur welcher? Wir sehen die jungen Helden feiern, prügeln, jubeln, immer wieder – Lebendigkeit ist programmiert. Vielleicht hat man diese Bilder aber zu oft gesehen um ihre Kraft noch aufzunehmen. Vielleicht sind sie in diesem Fall auch nur zu wenig aufgeladen, von dem was uns erst ansteckt mitzufühlen. Denn obwohl wir sehen, dass alle sogar schon als Kinder Freunde waren, wirkt ihre Freundschaft nur behauptet. Mehr Kopfgeburt als Wirklichkeit, mehr nebeneinander als miteinander.
                              Vermutlich verlief die Jugend des Regisseurs und die des Autoren so ganz anders als hier abgebildet, aber das wäre sicher nicht der einzige Grund für die seltsam beliebigen Figuren, die mehr Platzhalter sind als Individuen. Ja, vielleicht standen diesmal zu sehr Konzept und Überbau im Vordergrund, und zu wenig die Liebe zu den Charakteren.
                              Gut gefallen hat mir immerhin die ungewöhnlich natürliche Darstellung von ungeputzten Wohnungen, Pickeln und verschwitzten Haaren, die sich den Standards biederer Kinogefälligkeit angenehm entzieht.

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                              • Sigmund 23.02.2015, 17:51 Geändert 23.02.2015, 23:24

                                "Alles wie immer"???
                                Seit J a h r z e h n t e n hat kein Film mehr den Oscar für den Besten Film gewonnen, der so wenig irgendwelchen Mainstream- oder Genrekonventionen folgt wie BIRDMAN!
                                Allein was da an künstlerischem Anspruch und an Differenzierung drinsteckt, wie er seine Zuschauer fordert, Inhalt und Form zusammenbringt, das Medium und seine Konventionen hinterfragt, und alles auch noch ohne allzu einfache Antworten... das ist schon sehr ungewöhnlich für diesen normalerweise bis zur Bedeutungslosigkeit glatten, populärsten aller Filmpreise, der sonst hauptsächlich massenkonfektionierte Anbiederungsfilme hervorbringt.
                                I like! :-)

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                                • 4 .5

                                  Ich dachte immer, GAME OF THRONES, das sind Titten, Blut und fiese Intrigen. Stimmt auch, mehr oder weniger, allerdings ja nun auf gehobenem HBO Niveau. Also eine gekonnt auf drastische Wirkung geschriebene und ziemlich aufwändig ausgestattete Variante von Titten, Blut und fiesen Intrigen. Gibt Schlimmeres! Immerhin bedeutet das neben den genannten Schauwerten auch die eine oder andere unerwartete Wendung sowie unpeinliches Schauspiel – allerdings recht konventionell, wenn nicht sogar SEHR konventionell, und damit für den verwöhnten Storytelling-Gourmet (wie mich :-*) ein bisschen zu durchsichtig und glatt.
                                  Fairnesshalber will ich anmerken, dass ich nur die ersten beiden Folgen gesehen habe und dann trotz des schmissigen Bran-ewacht-aus-dem Koma-Cliffhangers ausgestiegen bin. Deshalb kann ich nicht ausschließen dass danach alles viel origineller wird und die Rollenbilder noch einiges an Schlichtheit abbauen.
                                  Trotzdem konnten mich diese ersten 120 Minuten einfach nicht genug davon überzeugen, dass ich mich in der vielen zu investierenden Zeit auch noch auf andere Dinge würde freuen können als auf eine HBO-gerechte Hochglanzvariante von Titten, Blut und fiesen Intrigen.

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                                  • Beim besten Film statt der Knöpfedrückercrowdpleaser GONE GIRL und INTERSTELLAR zwei potenzielle Plätze freizulassen, ist fast schon ein politisches Statement.
                                    Vielleicht sogar eine Rückbesinnung auf anspruchsvolleres Kino?
                                    Geil!

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                                    • 94. Hoffe, Du findest was Schönes!

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                                      • 9
                                        • 7 .5
                                          über Ida

                                          Ein formal bestechender Film mit charismatischem Darstellerinnen-Duo und feinsinniger Inszenierung. Und doch eine eher kleine Geschichte, die ein weites Spektrum spannt, in 79 Minuten u.a. von Holocaustgräueln, Zölibatkonflikten und polnischen Politkadern erzählt, all diese Inhalte aber nur antupft wie mit Handschuhen.
                                          So ist es weniger das kaleidoskopische Gesamtbild, das im Gedächtnis bleibt, als der zartfühlende, behutsame Grundton des Films.
                                          Die Jury des Europäischen Filmpreises mag auch die unaufgeregte Beiläufigkeit der Geschehnisse honoriert haben, mit der Pawel Pawlikowski den Konventionen dramatischer Zuspitzung eine fast schon dreiste Absage erteilt. Trotzdem wirkt es ein bisschen absurd, dass ein so starker europäischer Jahrgang mit Großkunst wie WINTERSCHLAF, HÖHERE GEWALT und LEVIATHAN sich am Ende in allen (!) wichtigen Preiskategorien IDA geschlagen geben musste.

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                                          • Fast nur Krawallfilme, laut und superkonventionell.
                                            Schon doof, dass die am meisten Zuschauer ziehen. Und langweilig!
                                            Mal ganz abgesehen davon, was das aussagt über die Kinokultur und so.
                                            Ähnlich armselige Jahrgänge gab es vor allem in den 1950er Jahren.

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                                            • 9 .5
                                              Sigmund 14.12.2014, 15:03 Geändert 14.12.2014, 15:56

                                              Vor ein paar Tagen hatte ich hier eine Diskussion über den Unterschied zwischen Intelligenz und Klugheit. Ein Thema, das mich seitdem nicht losgelassen hat. Warum handeln auch die intelligentesten Menschen manchmal unglaublich dumm?
                                              Vermutlich ist das größte Hindernis von Klugheit eben nicht mangelnde Intelligenz, sondern jene individuelle Befangenheit, der wir uns nur schwer entziehen können. Jeder Mensch ist ja verstrickt in seinem ganz persönlichen Wirrwarr aus Beziehungen, Bedürfnissen, Weltanschauungen, Verhaltensmustern, alten Wunden etc... Und das alles gilt es auch noch so zu jonglieren, dass u.a. ein gewisses Maß an Stabilität gewahrt ist und das Selbstwertgefühl nicht unter ein erträgliches Grundlevel sinkt.
                                              So kommt es immer wieder vor dass man bestimmte Wahrheiten, auch wenn sie für andere offensichtlich sind, lieber gar nicht sehen will – z.B. wenn sie das eigene Selbstbild gefährden.
                                              Sehr schön wird dieses Phänomen anhand der männlichen Hauptfigur von Ruben Östlunds TURIST veranschaulicht. Familienpapa Tomas hat hier in einer Lawinensituation so ganz anders gehandelt als man es von einem starken, schützenden Vater erwarten würde – und ist fortan um keine (Selbst-)Lüge verlegen um den tatsächlichen Ablauf der Ereignisse zu beschönigen.
                                              Fast genüsslich darf der Zuschauer nun zusehen wie er sich mehr und mehr in seinen Ausflüchten verliert, während seine Frau und sogar die beiden kleinen Kinder, deren Vaterbild nicht weniger erschüttert ist, zunehmend rebellieren. Erst *Spoiler* der Videobeweis lässt Tomas kläglich einknicken, gefolgt von einer der groteskesten Heulszenen der Filmgeschichte. Wie so oft im Leben muss ein wurmstichiges Lügengebäude eingerissen werden, auch unter Schmerzen, um Platz zu machen für ein neues, tragfähiges Häuschen, das den Witterungen der Wirklichkeit auf Dauer gewachsen ist.
                                              Dialoge und Darsteller (äußerst nuanciert: Lisa Loven Kongsli) dieser großen, kleinen Studie sind in meinen Augen und Ohren übrigens nicht weniger als sensationell. Dass Tomas’ gefallenes Selbstbild auch dem gesellschaftlichen Rollenbild des souveränen, schützenden Familienvaters entspricht, macht den Film zu einer ebenso intelligenten wie klugen Satire.

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                                              • Ich glaube, man nennt es den Markus-Lanz-Effekt:
                                                Je mehr man auf ein Massenpublikum abzielt, umso wahrscheinlicher die Biederkeit.

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                                                • Mensch Sonse, zieh Dich bloß nicht zu sehr zurück jetzt.
                                                  Deine charmante und phantasievolle und verdammt witzige Schreibe kann man nicht so leicht ersetzen, verstehste?!
                                                  :-*

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                                                  • 3

                                                    Es ist sicher nicht leicht ein historisches Ereignis wie das Rostock-Lichtenhagen-Grauen filmisch aufzubereiten. Groß ist u.a. die Gefahr, dass bei einem solchen Projekt die Charaktere kein Eigenleben entwickeln sondern pure Funktionsträger bleiben. So leider auch hier. Trotz des wahren Hintergrunds fühlt sich "Wir sind jung. Wir sind stark." ausgedacht und schematisch an.
                                                    Statt von Menschen aus Fleisch und Blut zu erzählen und über das Private die größeren Zusammenhänge greifbar zu machen, will Regisseur/Autor Burhan Qurbani in fast jeden Dialog politische Relevanz hineinpacken, die aber meistens aufgesagt wirkt (siehe auch Trailer) und in bildungsbürgerlicher Gefälligkeit strandet. Durchweg ist seine anklagende Absicht spürbar, überdeutlich und politisch korrekt, aber eben nicht von jener Lebendigkeit erfüllt, die abseits von Lehrkonzepten das wirkliche Leben ausmacht.
                                                    Wie ein Musterschüler, dem man auf die Schulter klopft, zählt Qurbani brav seine Chronologie herunter, spart ausgerechnet die heikleren Fragen aber aus. Warum versucht der Film nicht zu durchdringen, was eine so große Menschenmenge dazu bringen konnte die Gewalt zu bejubeln? Oder wie es dazu kommen konnte dass sogar die Polizei abzog und die Heimbewohner dem Mob überließ?
                                                    Für mich sind das die spannendsten Fragen. Will man ihnen aber erst gar nicht auf den Grund gehen, kann auch eine hübsche Schwarzweißoptik nicht verhindern dass ein fast drei Schulstunden langer Film sich dahinzieht wie öder Geschichtsunterricht.

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