Sigmund - Kommentare
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Alle Kommentare von Sigmund
Wie bizarr :D
Aber das Thema ist toll. Warum eigentlich haben all die Stofftiere keine Geschlechtsteile? Weil das unsere Kinder verderben würde? Wirklich? Traumagefahr wegen natürlichem Körperbau? Hm.
Wäre schon ziemlich gewöhnungsbedürftig. Man stelle sich vor, eine der großen Stofftiermarken würde ab heute ihre Kuschelprodukte mit kleinen Schwänzchen und Yonis versehen. Wow, da wäre der Aufschrei sicher groß. Nicht einmal in den unprüden 70ern hatten die Stofftiere ein Geschlecht.
Aber warum? So leicht ist das gar nicht zu beantworten, oder täusche ich mich? Klar erspart das den Eltern die eine oder andere pikante Frage und so. Vermutlich würde es die Kids auch öfter als sowieso schon zu den guten alten Doktorspielchen inspirieren. Aber deshalb so zu tun als gäbe es all diese Dinge gar nicht? That's so Disney, isn't it?!
Was würde der alte Freud sagen über eine Gesellschaft, die ihrem Nachwuchs von Anfang an vermittelt: "Was Du da unten hast, schweigen wir einfach weg."
Fragen über Fragen! Die Antwort kenne ich nicht. ^^
In den letzten Jahren ist es beim deutschen Filmnachwuchs in Mode gekommen mit Improvisation zu arbeiten. Filme wie ICH FÜHL MICH DISCO von Axel Ranisch, Jakob Lass’ LOVE STEAKS und KOHLHAAS von Aron Lehmann haben frischen Wind in die heimische Filmszene gebracht indem sie u.a. durch darstellerische Natürlichkeit und lebendige Dialoge beeindruckten, weil diese auf Augenhöhe mit den Schauspielern waren, die sie spontan entwickelten.
Dass Improvisation als solche aber noch kein Qualitätsmerkmal ist, zeigt dieser Film von Nico Sommer. Improvisation ersetzt nicht die Arbeit an den Figuren, und auch sie will eingebunden sein in eine dichte und spannungswirksame Dramaturgie. In FAMILIENFIEBER aber hat man durchweg das Gefühl, die Charaktere hätten anders als du und ich keine verinnerlichte Vergangenheit. Es wirkt vielmehr so als würden die Darsteller wie bei einer Übung an der Schauspielschule immer nur „irgendwie“ reagieren – beliebig und ohne gelebten Kontext.
Ein Grund für die fehlende Erdung und die Teilnahmslosigkeit des Ensembles mag sein, dass die Macher des Films offenbar nicht wussten wovon sie überhaupt erzählen wollten. Viel mehr als die abgegriffene Grundkonstellation von den Elternpaaren, die sich kennenlernen sollen weil ihre Kinder zusammen sind, ist da nämlich nicht. Eine Geschichte, einen inhaltlichen Fokus, irgendeine tragfähige Idee konnte ich nirgends finden.
Dazu kommt, dass alles was man als Handlung bezeichnen könnte, komplett vorhersehbar ist: Zwar wird wiederholt geheimnisvoll getan wenn die beiden Jugendlichen darüber sprechen, „es“ endlich den Eltern zu sagen – aber ich müsste wohl nicht einmal „Spoiler“ dazuschreiben wenn ich ausplaudern würde um welche heikle Enthüllung es da bloß gehen mag.
Auch das wenig originelle *Spoiler?* Bäumchen-wechsel-dich-Spielchen zwischen den Elternpaaren dient wohl nur dazu trotz aller Inhaltslosigkeit auf annähernd Spielfilmlänge (77min) zu kommen. Wirklich nachvollziehbar oder gar von Leben erfüllt ist das Handeln der Figuren nämlich nicht. Selbst bedeutungsschwangere Sätze wie "Ich fühle mich allein", "Wie sollen wir das schaffen", "Mein Leben ist leer" wirken nur behauptet und sind im nächsten Moment wieder vergessen. Was übrigens auch auf die ausgiebige, gesichtslose Musikuntermalung zutrifft.
Was mag den Verleiher bewogen haben, diesen „Film“ ins Kino zu bringen? Für die große Leinwand fehlt es an Atmosphäre, an visueller Gestaltung, an Eigenständigkeit, eigentlich an allem was Kino ausmacht. Ist es nicht sogar ein bisschen dreist, 7 Euro für ein Produkt zu verlangen, das in keiner Hinsicht mehr zu bieten hat als eine Hochschulübung? Dem sonst oft spannenden "German Mumblecore" erweist man so nur einen Bärendienst.
Erstaunlich, wie nett alle auf den Thumbnailbildern lächeln, wenn man sich dagegen die Bewegtbilder ansieht.
Da frage ich mich eher, was einen reiten muss um der charmanten und natürlichen Interviewerin so distanziert zu begegnen. Abgesehen von Jessica Chastain und vielleicht noch dem etwas verstockten Kinderstar fröstelt es da spürbar, finde ich.
Und ein bisschen spießig wirken die auch alle, oder? Spaßeshalber habe ich mir überlegt, welche politische Orientierung da vorherrschen dürfte, mal ganz pauschal. Sehr weit links wäre es wohl nicht gerade :D
Nolan’s back!
War ich von den letzten beiden Werken des Starregisseurs weder drehbuchmäßig noch inszenatorisch besonders angetan, bin ich an Zahlen gemessen diesmal fast doppelt so zufrieden wie bei den beiden Vorgängerfilmen zusammen.
Warum? Solide Dialoge, vergleichsweise unaufdringliche Musik – und die Figurenzeichnung erstmals wieder über Soapniveau. Hinzu kommen das angemessen meditative Grundtempo und einige bestaunenswerte Weltall- und Planetenbilder. Hat mir zum Teil sehr gefallen! Auch die nicht ganz neue Idee mit dem langsameren Altern und dessen familiäre Auswirkungen fand ich schön und anfangs sogar berührend umgesetzt.
Leider zielte Letzteres gegen Ende *Spoilerei* dann zu dick auf Sentiment. Auch die finale Volte mit den Bücherzeichen an die eigene Tochter... Das ist, nennen wir es beim Namen, Ultrakitsch der übelsten Sorte.
Nun könnte man vielleicht anmerken: Vielen Zuschauern gefällt so etwas nun mal. Dazu muss ich sagen: Das mag sein, mir nicht. Besonders doof finde ich es, wenn der Erzähler selbst nicht mal im Entferntesten an das glaubt, was er seinem Publikum da vorsetzt.
Vielleicht täusche ich mich, und Christopher Nolan ist in Wahrheit ein großer Freund und Jünger parapsychologischer Phänomene – aber naheliegender ist wohl, dass der bodenständige Geschäftsmann bei diesem recht billigen Tearjerker-Ende ganz auf Breitenwirksamkeit und damit auf marktwirtschaftliches Kalkül gesetzt hat.
Stellt sich die Frage: Muss ein Regisseur überhaupt an das glauben, was den Geist seines Films im Innersten ausmacht? Reicht es denn nicht, den größten Teil des Publikums so weit wie möglich zu befriedigen?
Ich denke: nein. Wirklich gute Filme sind beseelt, nicht berechnet.
Noch kein einziger Kommentar auf diesem großen Portal zu Jonathan Glazer?
Das ist bei der zunehmenden Popularität des Briten überraschend. Und ein bisschen schade wenn man bedenkt, dass nicht viele Regisseure ihrem Publikum so viel zutrauen wie er.
Spätestens mit seinem zweiten Film BIRTH hat Glazer durch irritierende Einblicke in die Widersprüche menschlicher Sehnsüchte wohl schon manchen Zuschauer unruhig auf dem Kinosessel herumrutschen lassen. Dass er mit UNDER THE SKIN sogar noch einen Schritt weiter ging, hat ihm auch unter den eigenen Fans nicht nur Freunde gemacht.
Aber das ist es, denke ich, was einen ambitionierten Filmemacher, Sinnsucher, Künstler, Freigeist, Seelenforscher oder einfach jeden, der wirklich etwas zu erzählen hat, am meisten ausmacht. Mal nicht nur gefallen zu wollen. Auf die ganz eigene, vielleicht auch mal sperrige Vison zu vertrauen, auch wenn von vorneherein klar ist, dass nicht jeder sich darauf einlassen wird.
Dabei eignen sich Glazers Werke wegen ihrer klaren, konzentrierten Filmsprache wunderbar auch als Schule des Sehens. Eine Schule, die viel zu geben hat, nur eben nicht die üblichen, vertrauten Allgemeinplätze. Dafür aber Bilder, die man so noch nicht gesehen hat. Unvergesslich die Hauthülle der Opfer im schwarzen Wasser von UNDER THE SKIN. Aber es sind nicht nur die Bilder selbst, die Glazer zu einem meisterlichen Erzähler machen. Seine Wirkkräfte finden sich im Tieferliegenden, sein Spektakel ist die Verknüpfung unverbrauchter Bilder mit einer Sinnhaftigkeit, die lange nachhallt.
Schon sein poppiges Debüt SEXY BEAST versteckte hinter lässigen Gangsterposen überraschend viel künstlerische Substanz. Seitdem geht Glazer immer weiter, verzichtet von Mal zu Mal konsequenter auf die biederen Klischees des sogenannten Unterhaltungskinos. Und das erfordert Mut. Möge dieser Mut doch in Zukunft noch etwas mehr Anerkennung finden!
:'-) That's sad and beautiful, Jen.
Spike Jonze ist für mich einer der spannendsten Filmschaffenden unserer Zeit. Ich hoffe und glaube, seine visionären Filme wie HER und allen voran BEING JOHN MALKOVICH werden noch in vielen Jahrzehnten etliche Menschen begeistern, und damit wohl länger als die allermeisten anderen Filme.
Warum? Kaum ein Regisseur dieser Tage scheint mir so frei von Konventionen und Klischees zu sein wie Jonze. Konsequenter als viele seiner Kollegen sucht er die Lebendigkeit seiner Bilder und Charaktere in unverbrauchten Ideen, die erfreulicherweise nur selten selbstzweckhaft geraten. Auffallend oft gelingt es ihm dafür, eine faszinierende Phantasiefülle mit schneidender Intelligenz zu verbinden, und ich kann mir kaum jemanden vorstellen, der eine bessere Spürnase für die Befindlichkeiten und Schrullen des modernen Menschen hätte – ohne dabei auf ihn herabzuschauen.
Das Ergebnis sind Filme von immens hoher künstlerischer Eigenständigkeit (!), die bei aller Frische auch erstaunlich zeitlos aus dem Gros der kurzlebigen Austauschbarkeit herausragen. Und zwar weit.
Happy Birthday!
Es gibt nicht viele Leute von denen ich mir wünschte, ein riesiger Daumen und ein riesiger Zeigefinger würden sie zwischen sich nehmen und zerquetschen wie eine Knallerbse. Dieser Typ hier ist auf jeden Fall einer davon.
Freue mich immer wieder wenn jemand so liebevoll dem großen Woody huldigt.
Ab und zu kommt es vor dass jemand mich wegen meines Profilbilds für besonders streng hält. Doch wie so oft ist auch hier der erste Blick trügerisch. Wer genauer hinsieht, wird beispielsweise feststellen, dass der finstere Sigmund einen Smiley in seinen Schatten gekritzelt hat – wahrscheinlich mit der Zigarre.
In Wahrheit ist er nämlich nur manchmal streng, z.B. bei den anfänglich 9.5 Punkten für Nuri Bilge Ceylans WINTERSCHLAF. Inzwischen sind daraus 10 geworden, und viel mehr kann man ja nicht vergeben.
Viel besser kann ein Film auch nicht sein, zumindest wenn man als Maßstab vielschichtige Charaktere, authentische und zugleich messerscharfe Dialoge sowie schwindelerregende Lebensklugheit ansetzt.
Ceylans Panoptikum der brillanten Beobachtungen porträtiert im Kern drei hochintelligente Menschen im selben Haushalt: einen wohlhabenden Ex-Schauspieler, seine Schwester und seine junge Frau. Während der Film uns die Verstrickungen der drei nach und nach entblättert, nimmt er sich viel Zeit für meisterlichen Szenenaufbau und einige der spannendsten Wortduelle der Filmgeschichte – ohne dabei prätentiös zu sein oder auf vordergründige Beeindruckung abzuzielen. Es sind vielmehr die faszinierend fein gearbeiteten Nuancen, die das Gefüge immer wieder in ein neues Licht setzen und so auch die Perspektive des Zuschauers ständig verändern – ohne ihn dabei mit einfachen Antworten zu bevormunden.
Irgendwann möchte man nur noch den Kopf schütteln angesichts der überbordenden Weisheit und Essenzdichte mit der hier von der Komplexität und den inneren Widersprüchen des menschlichen Zusammenlebens erzählt wird.
Erwachsenenkino deluxe!
Früher dachte ich, Unterhaltung sei das Gegenteil von Langeweile. Heute weiß ich: Wo Unterhaltung draufsteht, ist oft Langeweile drin.
Dass diese Meinung nicht allseits geteilt wird, lässt sich eindrucksvoll am Einspielergebnis des obigen Films ablesen. Trotzdem bin ich frech genug, um die vielen an diesem Erfolg beteiligten Menschen zumindest in ihrer Filmwahl als ausgesprochen doof zu bezeichnen.
Ich kann zwar nachvollziehen, dass z.B. etliche 8jährige ihre hellste Freude an THE AVENGERS haben, und das sei ihnen unbedingt gegönnt. Einer der Gründe mag aber darin liegen, dass man in diesem Alter noch nicht sehr viele Filme gesehen hat. Oder dass vordergründige Spektakel bis zu einem gewissen Reifegrad noch reizvoll sind. Die schönsten Merkmale der Kindheit hat dieser Film aber gerade nicht. Er ist weder phantasievoll noch lebendig noch offen für Neues.
Bei Zuschauern, die in der Sache über einen größeren Erfahrungshorizont verfügen, frage ich mich bis heute: Wie kann es einem gefallen, zum x-ten mal denselben, nur unwesentlich variierten Aufguss von Genreklischees zu konsumieren? Worin genau liegt eigentlich der „Mehrwert“, der Vielen hier zweifellos das Gefühl gibt, seine Lebenszeit nicht unnötig zu verschwenden?
Ist es Nostalgie? Vermutlich.
Das behagliche Gefühl von Vertrautheit? Wahrscheinlich.
Auf Kosten eines ermüdenden Stillstands? Offensichtlich.
Auf den meisten Filmportalen kann man den Eindruck bekommen, David Fincher sei ein bedeutender Regisseur. Seine Filmographie enthält einige sehr leinwandwirksame Werke, und wer sich von Werbeästhetik und Hauptsache-hübsch-Besetzung nicht befremdet fühlt, wird hier und da auch mit modernen Themen und schmissigen Ideen belohnt. Aber wie könnte ein Filmemacher zu den großen zählen, wenn er sich nicht um seine Charaktere schert?
In GONE GIRL scheinen alle Figuren nur Funktionsträger zu sein, auf die der Regisseur durchweg herabsieht, und auf deren Fehler er wie ein sittenstrenger Richter mit dem Zeigefinger zeigt.
Fincher ist weder daran interessiert seine Charaktere zu verstehen noch ihre inneren Beweggründe zu erforschen – sondern wie in einem schlechten Thriller zählt immer nur die spektakulärste Wendung und die grellste Knopfdruckemotion, ob nun gerade glaubwürdig oder nicht.
Vermutlich ist manches der Buchvorlage geschuldet, doch welcher ambitionierte Erzähler würde ein triviales Buch überhaupt verfilmen wollen? Immerhin darf der Zuschauer dankbar sein, mit einer schlichten Gut-Böse Dramaturgie verschont zu werden, denn hier ist nicht einmal Ben Affleck der All-American-Saubermann. Nur heißt das leider nicht, dass im Umkehrschluss Wahrhaftiges oder tiefere Einsichten lauern. Ähnlich wie Christopher Nolan ist David Fincher zwar ein Meister der vordergründigen Schauwerte, aber auch ein Analphabet der Seelenwelt. Nach außen sauber und geschmeidig, wenn auch glatt und sagrotanverdächtig – das Innere sämtlicher Figuren aber grobklotzig wie die ersten Legosteine. Systeme und Muster einer mathematischen Welt sind Finchers Ding, aber ein Feeling für den Wald der Seele fehlt.
Wahrscheinlich ist es genau dieser Umstand, der einen Großteil seines Erfolges ausmacht. Dürfen die Zuschauer sich doch an gefälligen Bildern, struktureller „Tatort“-Intelligenz und klischeehaften Abgründen laben ohne einen Blick in die Vielfalt des Tieferliegenden werfen zu müssen.
Bei FISH THANK: Im Kino gewesen. Gepöbelt? Warum denn das?
Wie erfreulich, dass UNDER THE SKIN trotz der schwierigen Lesbarkeit vieler seiner Szenen hier so gut abschneidet!
Selten habe ich einen Film gesehen, dessen Inszenierung sich so wenig um Zuschauergefälligkeit schert wie diese. Als würde Regisseur Jonathan Glazer sagen: Leute, hier geht es um die Substanz. Wenn euch hübsche Bilder und sympathische Figuren wichtiger sind, und ihr generell lieber auf Auslegbarkeit verzichtet, geht halt woandershin.
Aus diesem Grund glaubt der deutsche Verleiher offenbar so wenig an eine lukrative Auswertung, dass er selbst auf einen Arthouse-Kinostart verzichtet – obwohl der Regisseur längst einen Namen hat, und einer der hochkarätigsten Weltstars die Hauptrolle spielt (!).
Ist das zu fassen? Wie kann es sein, dass sogar die Entscheider eines Filmverleihs nicht mehr die Qualität eines Films als das wichtigste Kriterium ansehen? Gibt es wirklich nur (noch) so wenige Zuschauer, die hohen Ansprüchen gewachsen sind?
Solange die Verleiher davon überzeugt sind, werden uns auf der großen Leinwand wohl weiterhin einige der interessantesten Filme entgehen.
Dass ich einen Film mit derart vielen Schwächen so gut finden könnte, hätte ich bis gestern nicht gedacht. Aber SLEEPING BEAUTY ist trotz mehrerer misslungener Szenen, einigem Manierismus und seiner durchweg dürftigen Figurenzeichnung für mich eine der ganz großen Entdeckungen der letzten Zeit. Ja, wenn ich auf seine Qualitäten zu sprechen komme, drohen mir vor Begeisterung die Superlative auszugehen, und das kommt nicht alle Jahre vor.
Herausstellen will ich hier drei Beispiele, die dem geneigten Leser hoffentlich näher bringen können, was ich meine.
Da wäre zum einen die Grundidee, die eines der wichtigsten Themen unserer Zeit, den Missbrauch von Macht, aufs Anschaulichste zuspitzt: Während schon für gewöhnliche Bordellbesucher der Umstand einen Menschen zu kaufen oft einen größeren Reiz ausmacht als der Sex an sich, wird hier das Objekt der Begierde sogar narkotisiert um dem Willen des Kunden vollends gefügig zu sein.
Erfreulicherweise, und damit komme ich zum zweiten Punkt, gelingt es dem Film dann auch, mehrere unvergessliche Bilder für das zu finden, was ein solches Ausgeliefertsein bedeutet. Besonders eindrücklich fand ich den Moment, in dem einer der Kunden die bewusstlose, nackte Dame auf die Arme nimmt und sie dann etwas ungelenk und kaum gebremst zu Boden fallen lässt wie eine Rinderhälfte.
Auch gelingt es der Regisseurin Julia Leigh, trotz gemächlichem Erzähltempo ein beachtliches Maß an Spannung zu erzeugen, was u.a. daran liegt, dass ihre kühle Studie einem immer wieder die rechte Dosis an ebenso ungeahnten wie unverbrauchten Bildern beschert, die mitunter buñuelsche Qualität erreichen.
Grandios auch die Darstellung der emotionalen Armut einer rein materiellen Welt anhand der Chefin dieser Liebesdienste, deren Lob und Sorge um die Protagonistin fast anmutet wie eine Art vergiftete Mutterliebe, die sich nicht aus Anteilnahme speist, sondern nur noch aus dem Antrieb, ihre beste Cashcow durchzubringen.
Sensationell klug wird es zum Höhepunkt des Filmes hin, nämlich seinem Ende. Ich kann mir nicht vorstellen dass es mehr als eine Handvoll Filmemacher gibt, die auf eine ähnlich brillante Idee gekommen wären um zu zeigen, was es mit sich bringen kann wenn jemand sich völlig schutzlos einer kalten Willkür überlässt. Um der Spannung willen will ich es nicht verraten, aber origineller, zwingender und bitterer als hier lässt sich kaum ausdrücken wie einem Menschen sein Heiligstes gestohlen wird.
Meisterwerrrrk!
Um einer interessanten Geschichte willen wird in Filmen bekanntlich oft verdichtet, überhöht und auch vereinfacht. Manchmal kommt es allerdings vor, dass eine erzählerische Konstruktion so schwer zu schlucken ist, dass sie einem den Einstieg in eine Geschichte fast unmöglich macht. Wie in Christian Petzolds PHOENIX.
Nehmen wir einmal an, man wäre mit Nina Hoss verheiratet, sie wäre Jüdin, und man hätte sie nach einigem Hin und Her an die Nazis verraten. Ist es wirklich denkbar, dass man sie nicht wiedererkennen würde, wenn sie später aus dem KZ wiederkehrt und Wochen lang bei einem wohnt? Dass man sie also als ihr Ehemann Tag für Tag weder an ihrer Stimme, noch an ihren Händen, noch an irgendeiner anderen Eigenheit erkennt?
Nein, das kann ich mir nicht vorstellen.
Selbst wenn Nina Hoss für den Dreh eine Christian Bale’sche Hungerkur hätte über sich ergehen lassen, würde ich das nicht glauben können. Auch das Wissen um die Absicht hinter alldem – eine Metapher für die Entmenschlichung durch den Naziterror – kann diese Konstruktion nicht mit Leben füllen. Denn auch wenn das alles gut gemeint ist und die Aussage an sich nicht falsch, bleibt hier doch allzu große Lebensferne.
Ermüdend im selben Zusammenhang auch die klischeehafte, durchweg ausgestellte Leidensmiene des Opfers. Zwar ist Nina Hoss eine gute Schauspielerin, eine sehr gute sogar, doch wo die Abgründe wirklicher Leere und Entmenschlichung hausen, da wären Leid und Trauer der hier gezeigten, pittoresken Art noch harmlos.
Wie bieder.
Man sieht dem Ding in jedem Moment an, dass es für die (hier vor allem weiblichen) Trottel maßgeschneidert ist. Konsequent auch in der Besetzung der männlichen Titelrolle mit einem gesichtslosen, glatten Nichts. Prädikat: R-bärmlich!
Welcher ist der fünfterfolgreichste Film aller Zeiten?
Genau. Nach AVATAR, TITANIC, THE AVENGERS und HARRY POTTER 7 hat sich kürzlich DIE EISKÖNIGIN diesen Spitzenplatz auf dem ewigen Thron der Einspielergebnisse gesichert. Kein Scherz.
Dass die erfolgreichsten nicht unbedingt zu den BESTEN Filmen gehören, dürfte kaum jemanden überraschen. Wie anspruchslos die vielen Millionen Zuschauer aber teilweise sind, verblüfft mich immer wieder. Warum wird z.B. hier um einer kitschigen Standardbotschaft willen über so viele Ungereimtheiten hinweggesehen?
Es fängt schon damit an, dass kein Grund der Welt dafür glaubhaft wäre, warum Elsa ihrer kleinen Schwester nicht einfach erklärt warum sie nicht mit ihr spielen darf. Aber nein, die kleine Anna wird um der plumpen Dramatik willen einfach ganz ohne Begründung ausgeschlossen. Und dann behauptet sie auch noch wenig später dass ihre große Schwester sie niemals verletzen würde – wo doch gerade das distanzierte Handeln derselben eben noch als ihr großes Trauma aufgebaut wurde.
Auch in der Figurenzeichnung des Traumprinzen, der sich *Spoiler* irgendwann als Bösewicht entpuppt, ist alles nur schematisch aufgesetzt. Warum rettet er Elsa überhaupt vor dem Tode, wenn er kurz darauf ganz ohne Not verkündet, dass er sie noch umbringen wird? Ich fürchte, weil der schnelle Effekt hier Vorrang hat vor der Figurentiefe.
Nur reicht mir dann auch der knuffige Schneemann Olaf oder die hübsch visualisierte Eissymbolik nicht mehr um all die Schummelpillen zu schlucken.
Besonders doof wird es zum Ende hin wenn uns Disneys Kinderfänger weismachen wollen, dass Elsas böser Eisfluch (und alles wofür er steht) schwuppdiwupp verflogen ist, wenn ein bisschen Liebe Einzug hält... Bitte! Das ist ungefähr so als würde man einen Gelähmten küssen, und der springt dann durch die Felder.
Um eines klarzustellen: Ich habe nichts gegen positive Botschaften. Im Gegenteil. Aber wenn sie so verlogen hingebogen werden wie hier, dann kippt die behauptete Wärme schnell ins Zynische.
Wie kann ein Film nur so misslingen, wenn die Macher doch nachweislich nicht auf den Kopf gefallen sind?
Einer der Gründe verbirgt sich wohl schon in der Frage selbst, denn kopfmäßig mag manches Element hier durchaus funktionieren. Was aber fehlt, ist der Bauch, der Rhythmus, der Witz, das Gespür für Pointe, für Dichte, für Spannung jeglicher Art – eben das, wofür man auch ein gewisses ‚Feeling’ braucht.
Schon ÜBER-ICH UND DU, der Titel des Films, lässt vermuten dass man sich hier zwar einiges hat durch den Kopf gehen lassen – nur was hilft’s, wenn die Melodie der Worte so blass und verquast rüberkommt als ginge es um eine Art Betriebsanleitung mit SchweinchenSchlau-Komponente und nicht um jenen kraftvollen Klang, der einen guten Titel eben ausmacht.
Inhaltlich erinnert mit Psychoanalyse, Milieuclash und intellektuellen Figuren einiges an die Werke von Woody Allen, was mich grundsätzlich erstmal freut und neugierig macht. Ein solches Vorbild ist aber auch mit gewissen Risiken verknüpft. So kann man für Autor/Regisseur Benjamin Heisenberg nur hoffen, dass er sich nie ganz bewusst machen wird, wie weit seine filmische Qualität hier in eigentlich allen Belangen hinter der des Großmeisters zurücksteht. Besonders schlimm ist die TV-typische Scoremusik geraten, deren austauschbare Jazz- und Pizzicatoklänge vergeblich darum ringen das völlig misslungene Timing wieder auszubügeln. Auch Hauptdarsteller Georg Friedrich, normalerweise ein Garant für funkelnde Leinwandpräsenz, ist hier in keinem Moment von seiner sonst so physischen Lebendigkeit erfüllt.
Dabei war Heisenberg vor wenigen Jahren mit DER RÄUBER ein beachtliches Drama gelungen, das verdientermaßen im Berlinale-Wettbewerb für Aufsehen sorgte. Trotz der eklatanten Schwächen seines neuen Films wäre es also falsch ihn für untalentiert zu halten.
Humor ist sein Ding aber nicht.
Warum eigentlich sind *rauhe Kerle* mit die beliebtesten Figuren der eskapistischen Filmwelt? Weil sich in der wirklichen Welt viele Männer insgeheim als Hasenfüße, Luschen oder Weicheier empfinden? Vielleicht. Denn die Knöpfe des populären Kinos werden bekanntlich dort gedrückt wo sich die Sehnsüchte der meisten Zuschauer finden.
Wie ermüdend dieser immergleiche Mechanismus sein kann, dokumentiert auch STEREO. So gut wie jeder der Akteure hier, vor allem Moritz Bleibtreu – den ich für keinen schlechten Schauspieler halte – chargiert sich durch das große Einmaleins der aufgesetzten Coolness. Gehört ja auch ein bisschen dazu wenn man bedenkt, dass schon Vierjährige aus Imponiergehabe mit ihren Muskeln spielen, und überhaupt, auch in der Tierwelt... aber lassen wir das. Dem Drehbuch von STEREO könnte man zugute halten, dass es in seiner Grundprämisse diese Art von purer Poserei auf gewisse Weise hinterfragt. Nur traut Autor/Regisseur Maximilian Erlenwein dem eigenen Ansatz leider nicht. Er huldigt der Illusion von Stärke und zieht Standard-Schauwerte wie kernige, sexy inszenierte Gewalt einer tieferen Auseinandersetzung vor. Mit anderen Worten: Er ist ein bisschen feige! Weshalb es wiederum kein Wunder ist, dass auch ihn die rauhen Kerle mit den markigen Sprüchen besonders anzuziehen scheinen ;-)
Auf welchen Bockbuster ich heiß bin? Als Freund origineller, klischeereduzierter Kinofilme, die nicht in erster Linie auf Massenkonfektion aus sind... leider auf keinen!
Ganz wunderbarer Text! Klug und präzise analysiert und bei allem Umfang sehr essenzdicht :-) Solche Erhellungen und ihre Autoren, :-* Mimuschka, machen MP zu einer reichen, blühenden Insel im Ozean der Filmportale. Schwärm!
Private Filmgeschichtchen, Folge 17:
Ein guter Freund erzählte mir Anfang der Woche, dass er sich neuerdings abgewöhnt hat, das Wörtchen "Du" in SMSen oder sonstiger Anrede groß zu schreiben. Der Grund ist folgender: Er treibt sich seit kurzem auf einem Datingportal herum, bei dem man potenzielle Partner in einen virtuellen Einkaufswagen legt. Also etwa wie eine Tafel Schokolade. Und da man auch in den Chats des Portals kaum anders behandelt wird als ein ebensolches Produkt vom Wühltisch, war er bald frustriert und reagierte auf die allgemeine Geringschätzung mit einer Art Resignation: Er empfand das großgeschriebene "Du" als zu respektvoll für unsere Zeit.
Was er damit meint, habe ich spätestens gestern Abend nachempfinden können, als ich GRAND BUDAPEST HOTEL sah. Denn hinter all den Wes Anderson-typischen Skurrilitäten, der gewohnt liebevoll-detailversessenen Ausstattung und dem brillant-lakonischen Intellektuellenhumor geht es hier im Kern um den Umgang der Menschen miteinander – im Wandel der Zeiten.
Damit widmet sich der Autorenfilmer endlich wieder einem Inhalt mit aktueller Relevanz, während seine letzten Werke oft eher seicht gerieten. GRAND BUDAPEST HOTEL ist zwar ebenfalls mit großer Leichtigkeit erzählt, aber die Molltöne unter der Oberfläche reichen bis in sozialphilosophische Tiefen: Stellt sich hier doch die Frage mit wieviel Hoch- bzw. Geringschätzung der Mensch sich selbst begegnet, oder, noch eine Ecke weiter gedacht: welchen Wert er der eigenen Gattung überhaupt noch beimisst.
Freunde der Kapitalismuskritik werden hier gerne aufhorchen, denn es liegt nahe schlusszufolgern, dass in Zeiten der Handelsoptimierung auch der Mensch endgültig zur bloßen Ware verkommt.
Fast wie einen Beweis für diese These empfand ich die Wehmut, die mich im Kino überfiel als ich sah mit welchem teils vorgegebenen, teils tief empfundenen Respekt der Concierge Gustave hier sowohl den hohen Herrschaften als auch seinem untergebenen Lobbyboy Zero begegnet.
Derartige Gefühlswallungen überkommen mich normalerweise nur in ausgewählten Privatsituationen oder bei großer Kunst, beim Sieg meines Fußballvereins oder eben, wenn ein besonders großer Mangel befriedigt wird.
Im Gegensatz zu meinem oben erwähnten Freund hat mich dieses Erlebnis darin gefestigt, das "Du" auch weiterhin groß zu schreiben – so altmodisch es auch sein mag.
Es ist gar nicht so einfach die passenden Worte zu finden für meine Geringschätzung an dieser Stelle. Vielleicht trifft es am besten eine Formulierung, die ich schon zu einem vergleichbaren Auswurf geäußert habe:
Ich würde Filme wie diesen nicht einmal als "Müll" bezeichnen, denn das wäre ja eine Beleidigung aller Bananenschalen und Kaugummipapierchen – die einen doch wenigstens mit peinlichen Sprüchen, pubertären Muskelspielchen und reaktionären Weltbildern verschonen.
Überrascht bin ich. Wirklich überrascht von den erstaunlich einhellig guten Wertungen hier zu diesem Film. Dabei könnte er doch unangenehmer kaum sein! Wäre da nicht dieser eine, eher beiläufige Satz, dass die „geheime Zutat“ für den besten Sex die Liebe sei – dieser Film wäre genaugenommen ein einziges Depressivum. Abgesehen von egomanischer Triebbefriedigung und Einsamkeit, Sinnleere und innerer Verzweiflung durchweht nicht viel den neuen Lars von Trier. Darüber können weder die ironischen Schmunzel-Einlagen noch die knuffige aber blasse Rahmenfigur Seligman hinwegtäuschen. Zumal gerade die Momente in denen es auch mal „menschelt“, alles andere als überzeugend sind: Die Vater-Tochter-Geschichte wirkt papiern und verharrt zum großen Teil in Ideen aus dem Idyllkatalog der Werbewelt, und auch die behauptete Liebe der Protagonistin zur La Boeuf Figur erreicht in keiner Sekunde eine wirklich spürbare Nähe.
Glaubt der große Lars vielleicht selbst nicht mehr so recht an die Liebe? Auch in dieser Hinsicht wäre vT den Ängsten unserer Tage denkbar nahe. Und wirklich, NYMPHOMANIAC ist im besten Sinne ultramodern. Die Schrecken einer durch und durch selbstsüchtigen, leeren Oberflächenwelt sind hier so virtuos durchbuchstabiert, dass man fast Verständnis entwickeln könnte für nicht minder absurde Gegenwelten wie die eines religiösen Fundamentalismus. Zu unerträglich die Hässlichkeit der Turbo-Egos, zu grausam die kalte Macht des Stärkeren, an einem Ort ohne höhere Gerechtigkeit.
Was den Film aber kleiner macht als andere Werke des dänischen Ausnahmeregisseurs, ist seine mangelnde Bildgewalt. Die Beliebigkeit der Szenerie vermag keinen ikonischen Eindruck zurückzulassen, kein Setting, das die Thematik poetisch überhöht und nachhaltig im Gedächtnis haftet. So bleibt es bei einem ebenso geistreichen wie schmerzlichen Vergnügen, einer meisterlichen Zumutung, die ich übrigens niemandem empfehlen würde, der gerade mit einer besonders gutaussehenden Dame angebandelt hat...