TommyDeVito - Kommentare

Alle Kommentare von TommyDeVito

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    TommyDeVito 22.01.2017, 15:47 Geändert 22.01.2017, 15:58
    über Silence

    Seit 1990, also dem Jahr in dem mein Lieblingsfilm (siehe Profilname) herauskam, arbeitet Regie-Legende Martin Scorsese schon an einer Verfilmung des Romans "Silence" von Shūsaku Endō, einem japanischen Schriftsteller, der ungewöhnlicherweise aus der Sicht eines Katholiken in seinem Heimatland schrieb (das Christentum spielt in Japan eine untergeordnete Rolle). Im Jahr 2016 bzw. für die meisten Zuschauer im Jahr 2017 ist es nun soweit, der neue Scorsese-Film ist da. Er und Freund und Drehbuchautor Jay Cocks, die bereits für den ambitionierten "Gangs of New York" und den unterschätzten "The Age of Innocence" zusammenarbeiteten, schrieben gemeinsam das Drehbuch für das Herzensprojekt. Mit dabei sind neben bekannten Scorsese-Kollaborateuren wie Thelma Schoonmaker (alle Spielfilme seit und inkl. "Raging Bull"!), Rodrigo Prieto ("The Wolf of Wall Street") oder Liam Neeson ("Gangs of New York"), auch neue Namen bzw. Gesichter wie Adam Driver, Andrew Garfield oder Ciarán Hinds. Eines vorweg: Trotz meiner hohen Punktzahl und einer wie (fast) immer sehr überzeugenden Besetzung mit ein paar herausragenden schauspielerischen Leistungen, muss ich doch zugeben, dass ich der einmal geplanten Hauptbesetzung mit Benicio Del Toro, Gael Garcia Bernal und Daniel Day-Lewis (!) ein bisschen nachtrauere. Aber statt hier Zeit mit "was wäre wenn...?"-Szenarien zu verschwenden, kehre ich lieber zurück zum Film selber.

    "The moment you set foot in that country, you step into high danger."

    Die frommen jungen Priester Rodrigues (Garfield) und Garupe (Driver) aus Portugal hören im 17. Jahrhundert von ihrem Vorgesetzten Valignano (Hinds) etwas, das sie nicht glauben können (oder wollen?): Priester und christlicher Missionar Ferreira (Neeson) soll durch Folter zum Glaubensabfall vom Christentum gebracht worden sein. Die beiden idealistischen Gläubigen bitten darauf Valignano um die Erlaubnis, selber nach Japan reisen zu dürfen, um sich davon zu überzeugen, dass dies nicht der Wahrheit entspricht und durch verleumdende Gerüchte zur Propaganda gegen die katholische Kirche verbreitet wurde. Was folgt ist ein harter und intensiver physischer, psychischer und spiritueller Test, infolgedessen die beiden Priester gezwungen werden, ihren Glauben, ja, ihr Weltbild in Frage zu stellen. Wenn es einen allmächtigen, allgütigen Gott gibt, wie ist dann dieses viele Leid zu erklären (das altbekannte Theodizee-Problem)? Etwa nur um die Menschen zu testen? Würde ein allgütiger Gott die Menschen wirklich auf diese Weise prüfen? Wieso antwortet Gott nicht auf die vielen Gebete, die um ein Aufhören dieser Qualen bitten? Wieso ist die angeblich absolute Wahrheit (=Jesus Christus ist für die Sünden der Menschen gestorben und das Christentum bietet den Menschen Erlösung) denn eigentlich noch nicht in anderen Teilen der Welt bzw. Japan angekommen? Ist es nicht fast schon absurd, dass Gott, der Erschaffer des Universums und allen Lebens - mal abgesehen von allem, das dem armen Teufel zugeschrieben wird, wie z.B. fluchende und Brei spuckende Teenager ;) - dies nur in gewissen Ländern verbreiten konnte?

    Wer jetzt als nichtreligiöser oder zumindest etwas glaubens- und kirchenkritischer Mensch aus dem säkularen Europa fürchtet, dass er oder sie den Zugang zum Film nicht finden wird, da die gestellten spirituellen Fragen vom eigenen (modernen?) Weltbild zu weit entfernt sind, den kann ich beruhigen. Ich bin Atheist und hatte schon häufig genug Probleme mit Werken, die sich mit solchen Themen beschäftigen (dies schliesst mitunter auch Werke von grossen Regisseuren wie Bresson oder Tarkowski nicht aus), aber Scorsese schafft es für mich einfach immer, dass seine Filme mit religiöser Thematik auch für ein nichtreligiöses Publikum funktionieren.

    "Silence" ist nämlich erst einmal ein Drama, das durch eine bedrohliche Atmosphäre relativ schnell seine Wirkung entfaltet (und mitunter in effektiven Gewaltausbrüchen kulminiert) und somit fiebert man schon von Beginn an mit, egal wie man nun zum Thema Religion steht. Die christlichen Anhänger, die ihren Glauben nur noch heimlich ausleben, sind stets der Gefahr ausgesetzt gefoltert oder sogar getötet zu werden und dies kann Scorsese durch eine teilweise recht zurückgenommene Inszenierung gut vermitteln. Ebenso nützt er im Übrigen die Landschaft, das Klima und das Wetter, um das Land Japan zur Erzeugung der Stimmung miteinzubeziehen.

    Verstärkt wird dies selbstverständlich durch durchweg gute Schauspieler, die es schaffen mit ihren Gesichtern Unbehagen, Angst, Entsetzen und Zweifel auszudrücken. Hier sticht besonders Andrew Garfield hervor, der mit seiner emotionalen, aufopferungsvollen Spielart den Film souverän trägt. Am meisten gefiel mir jedoch ein Nebendarsteller, der einen japanischen Übersetzer spielt - damit ist nicht Tadanobu Asano gemeint - der mit seiner pragmatischen, direkten und frechen Art ("your creator is all loving and all merciful, so you believe. Then why does he give people so much suffering on the way to heaven?") entscheidend zu einigen der besten Dialoge bzw. Szenen des Films beiträgt. Leider kenne ich den Namen dieses Darstellers nicht und bin bisher auch unfähig diesen zu finden.

    Aber zurück zur Thematik: Ohne jetzt hier direkte Beispiele zu erwähnen, denke ich, dass Scorsese sicherlich recht hat, wenn er (in Interviews zu "Silence") sagt, dass die Religionsfreiheit und Verfolgung von andersgläubigen Menschen immer noch ein heisses Eisen und ein relevantes Thema ist. Dazu kann man das generell ausweiten, auf Bevölkerungsgruppen bzw. Minderheiten, die aufgrund anderer Ansichten, Überzeugungen oder Lebensweisen schlecht behandelt, unterdrückt oder sogar getötet werden, was leider wohl nie an Relevanz verlieren wird.

    Der oben erwähnte Übersetzer: "We have our own religion, padre. Pity you did not notice it."

    Zweitens gibt es das Aufeinanderprallen verschiedener, (scheinbar) unvereinbarer Kulturen, Sprachen und eben spirituellen Ansichten. Ich hatte im Vorfeld Trailer, Rezensionen und eigentlich so ziemlich alles im Bezug auf den Film gemieden, dennoch habe ich ein paar Kritikpunkte mitbekommen. So gab es z.B. einen Kritiker, der fand, dass Kolonialisierung hier vom westlichen Katholiken Scorsese beschönigt wird und schliesslich die "armen" christlichen Opfer zu Helden stilisiert werden. Dies ist keineswegs so. Wie von Scorseses besseren Filmen gewohnt, geht er weitaus nuancierter an die Sache heran. Immer wieder wird die Frage aufgeworfen, ob die japanischen Traditionen, die Sprache und Kultur denn mit der christlichen Welt überhaupt vereinbar ist. Mehrmals wird eine Metapher im Film verwendet, die die Insel Japan mit einem Sumpf vergleicht, in dem nichts wächst. Ist es vielleicht nicht einfach unglaublich arrogant von den europäischen Priestern in einem fremdes Land zu reisen und zu meinen, sie könnten (und hätten das Recht) ihre Weltsicht anderen Menschen aufzuzwingen? Und wer jetzt das Wort "aufzwingen" unpassend findet, muss berücksichtigen, dass die christlichen Missionare definitiv von der absoluten Wahrheit ihrer Ansichten überzeugt sind. Dazu wird im Film ebenso die Frage aufgeworfen, ob selbst die japanischen Anhänger des christlichen Glaubens, denn wirklich verstehen, was in der christlichen Lehre vermittelt wird. Möglicherweise - so deutet der Film an - ist auch dies nicht der Fall. Diese Frage wird im späteren Verlauf in einem Dialog, der eine der besten Szenen des Films darstellt, ziemlich ausführlich noch einmal diskutiert.

    Lob verdient auch, dass hier keine Schwarz-Weiss-Malerei betrieben wird, auch wenn man dies angesichts der vielen komplexen Antihelden in Scorseses Filmographie wohl gar nicht erst betonen muss. Wie oben erwähnt, werden die Priester durchaus auch kritisch hinterfragt (was sie eben auch selber tun), dazu kommt aber dass man hier keinen überlebensgrossen Bösewicht präsentiert bekommt. Einzig der Inquisitor gespielt von Issei Ogata ("Yi Yi") ist so etwas wie ein Hauptwidersacher, ist jedoch auch eine Figur, dessen Motive man irgendwo verstehen kann und der nicht einfach darauf aus scheint, Menschen ohne Grund zu quälen oder zu töten - auch wenn die gewählten Folter und Hinrichtungsmethoden kaum brutaler ausfallen könnten.

    Nach dem audiovisuell berauschenden, aber ein bisschen zu vereinfachten und zu Überhöhung neigenden Porträt des 14. Dalai Lama ("Kundun", 1997) und dem extrem kontroversen, faszinierenden, dennoch nicht ganz geglückten anderen Herzensprojekt Scorseses zur christlich-spirituellen Sinnsuche ("The Last Temptation of Christ", 1988), ist der dritte Teil dieser Glaubens-Trilogie für mich somit ohne Frage der beste und gelungenste. Zum ganz grossen Wurf - will heissen ein Film auf dem Level von "Goodfellas", "Raging Bull" oder "Taxi Driver" - reicht es natürlich nicht. Von einem über 70-jährigen Regisseur der mit unglaublicher Konstanz seit den 60er-Jahren Filme in der kommerziell ausgerichteten amerikanischen Filmindustrie dreht, muss man so etwas jedoch auch nicht erwarten. Wer forderndes, intensives und aus meiner Sicht auch mitreissendes Kino sehen möchte, sollte sich "Silence" dennoch nicht entgehen lassen. Während der ziemlich langen Laufzeit war ich jedenfalls nie gelangweilt. Einzig in den letzten 30 Minuten schraubt Scorsese das Erzähltempo und die bedrohliche Atmosphäre im eher kontemplativen Schlussteil ordentlich runter, was jedoch in einer der besten Schlusseinstellungen Scorseses endet, die dieser ruhigeren Schlussphase mehr Bedeutung verleiht.

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      TommyDeVito 14.01.2017, 13:11 Geändert 14.01.2017, 13:19

      Eine Ansammlung von Horrorfilm-Klischees: infizierte lebende Tote, die Menschen attackieren; Vögel, tote Tiere und Gewitter, die als unheilvolle Omen fungieren; ein Medium, das zur Geister-Bekämpfung herangezogen wird, den ahnungslosen Normalos so einiges erklärt und mit eigenartigen Ritualen dem Bösen gegenübertritt; unerklärbar gewalttätige Kinder und Frauen, die das Eindringen in die (noch heile) Welt der ahnungslosen Figuren und die Ohnmacht gegenüber dieser mysteriösen, scheinbar übersinnlichen Kraft verdeutlichen sollen; die religiöse Symbolik und ahnungslose Hauptfiguren, die sich dümmer nicht verhalten könnten, insbesondere, wenn es gerade besonders dramatisch werden soll.

      Was viele - "Goksung" erhielt schliesslich teilweise geradezu euphorische Rezensionen für einen Genrefilm und schneidet auch hier hervorragend ab - in dem Film erkennen wollen, nämlich einen furchteinflössenden, komplexen Horrorfilm, der sich Zeit nimmt, um seine Figuren und Handlung zu vertiefen, sehe ich hier beim besten Willen nicht. Eher ist das für mich eine ziemlich dünne, aus Horror-Versatzstücken zusammengesetzte Story, die auf eine viel, viel zu lange Laufzeit (156 Minuten) ausgewalzt wird und schliesslich statt mit einem Paukenschlag eher mit dem Klang eines Triangels endet. Selbst die einzigen wirklich interessanten Ansätze des Films, nämlich die teilweise humorvolle Darstellung, der unbeholfen agierenden und im Dunkeln tappenden Polizisten, als auch eine mögliche sozialkritische Komponente (SPOILER: vielleicht unbegründete Vorurteile der Bewohner gegenüber einem japanischen Fremden, der abseits des Dorfs wohnt SPOILER ENDE) werden im Laufe des Films jeweils für eine unnötig konstruierte und eben aufgebläht erzählte Handlung und andererseits für eine seltsame (weil wenig schockierende) und kaum überzeugende Wendung geopfert, die den zweiten erwähnten Ansatz nicht konsequent weiterführt, sondern ins Gegenteil verkehrt.

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      • TommyDeVito 11.01.2017, 15:08 Geändert 11.01.2017, 15:10

        Woah, du hast deine Hausaufgaben gemacht bezüglich Chaplin. Sehr schön :) (ebenso dein Kommentar zu Chaplin, den ich erst jetzt gelesen habe). Von seinen grossen Klassikern muss ich unbedingt noch "Limelight" sehen, den du mir mit deinem Kommentar bereits "schmackig" gemacht hast.

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        • TommyDeVito 10.01.2017, 14:56 Geändert 10.01.2017, 14:57

          Ok, dann fahre ich mal weiter:
          Er ist ein Mann, der so ziemlich alles kann, trägt gerne Blau und Rot und rettet kreischende Frauen in der Not.

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          • TommyDeVito 09.01.2017, 19:41 Geändert 09.01.2017, 19:42

            "First Guns'n'Roses, now Wiseau and Sestero. Reunions that fill my heart with pure joy."
            -Matt Shakman, Regisseur "Fargo" und "Game of Thrones"

            Es kann sich bei "Best F(r)iends" bei dieser Besetzung nur um den wahrscheinlich besten film des Jahres handeln. Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=AGQxqdNnLzc

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            • TommyDeVito 08.01.2017, 13:50 Geändert 08.01.2017, 13:51

              Ein schwedischer Arthouse-Gott, der für seine ernsten Dramen bekannt ist, der begeistert von einem Hollywood-Heist-Film mit Star-Ensemble ist oder ein angesehener Dokumentar-Filmemacher, der (scheinbar) Adam Sandler verehrt: Eine Liste von "überraschenden Lieblingsfilmen bekannter Regisseure".

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              • Ich muss sagen, ich habe Mifune sehr unterschätzt. Als ich ihn in meinem (glaube ich) ersten Kurosawa-Film "Rashomon" gesehen habe, war ich von seinem Schauspiel doch recht enttäuscht. Ich hatte sehr Positives über ihn und seine legendäre Leinwandkarriere gelesen und entsprechend verwirrt war ich dann, als ich sein exaltiertes Rumgehampel als "Tajōmaru" sah - hey, bevor hier jemand aufgebracht ist, selbst Robert Altman bezeichnet den Charakter gespielt von Mifune als "a little exaggerated" ;) und wenn selbiger ebenso darauf hinweist, dass der "acting style" in Japan (oder generell Asien) doch häufig sehr unterschiedlich sein kann, dann hat er sicher auch nicht ganz unrecht.
                "Rahomon" gefiel mir aufgrund des brillanten, philosophischen Konzepts und der grossartigen Bilder dennoch. Jahre später habe ich jetzt noch einige weitere Filme mit Mifune gesehen (u.a. die komplexen Geschichten über Moral und Gerechtigkeit in Kurosawas Meisterwerken "High and Low" und "The Bad Sleep Well") und bin mittlerweile ebenso begeistert von diesem Mann wie die meisten Filmliebhaber.

                Alleine wie er (und Kurosawa) "Yojimbo" mit diesem Schulterzucken eröffnen und er für den Rest des Films den Zuschauer (als auch die anderen Figuren) mit seiner scheinbar überlebensgrossen Präsenz in den Bann zieht...ganz gross.

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                • Wusste bis jetzt noch gar nichts von dem Projekt und der ist schon abgedreht? Ach, das hat mir gerade den Abend versüsst. Tolle Bestzung und wie immer eine Prämisse, die mein Interesse weckt. Guillermo ♡

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                  • TommyDeVito 04.01.2017, 19:23 Geändert 04.01.2017, 19:25

                    Meine Lieblingsfilme des Jahres, da ich auch nicht am Gewinnspiel teilnehme:
                    1) Everybody wants some!!
                    2) The 13th
                    3) Midnight Special
                    4) Nocturnal Animals
                    5) 10 Cloverfield Lane
                    6) Hell or High Water
                    7) Imperium
                    8) Elle
                    9) Loving...vielleicht
                    10) Vor der Morgenröte?
                    ...Mann, ich kriege kaum eine Liste zusammen. Nur die zwei ersten Filme fand ich wirklich toll. Und dabei schien mir, dass ich doch schon einige Filme aus dem letzten Jahr gesehen habe und es gar kein schlechtes (Film-)Jahr war. Aber gut, wenn ich daran denke, was ich noch sehen MUSS (Silence, La La Land, Moonlight, Toni Erdmann, I am not your negro, Arrival....), dann hatte ich leider wohl einfach noch nicht die Gelegenheit die (potentiell) wirklich grossartigen Filme des Jahres zu sehen.

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                      TommyDeVito 02.01.2017, 19:14 Geändert 02.01.2017, 19:16

                      Hm, schon eine Weile keinen so heftigen Film mehr gesehen. War natürlich klar bei dem Regisseur (und nachdem ich die anderen beiden Werke seiner "Rache-Trilogie" gesehen habe), dass es sich hierbei kaum um alles andere als "Feel Good-"Unterhaltung handeln würde.

                      Zum Glück macht Park nicht den Fehler, das Thema Rache (aus meiner Sicht) zu unkritisch und ambivalent anzugehen, wie er es später in "Lady Vengeance" getan hat. Dessen letzter Akt ging für mich nämlich zu weit und schien mit Selbstjustiz als gerechtfertigte Antwort auf erfahrenes Leid durchaus (zumindest) zu liebäugeln.
                      "Sympathy for Mr. Vengeance" ähnelt in seinem Aufbau - die Hauptfiguren rächen sich und treten damit eine Welle von Gewalt los, welche nicht mehr aufzuhalten scheint -- deshalb auch eher dem späteren, weitaus bekannteren "Oldboy". Jedoch ist "Sympathy..." weitaus mehr in der Realität angesiedelt und ist visuell mit Abstand der zurückhaltendste und möglicherweise darum auch (emotional) wirkungsvollste der Trilogie.
                      Park versteht es normalerweise wie kaum ein anderer Regisseur, den Zuschauer mit umwerfenden Kamerafahrten, ungewöhnlichen Szenenübergängen oder verschachteltem, undurchschaubarem Storytelling zu überwältigen. Dies kann bei mir aber auch den gegenteiligen Effekt haben. So kann z.B. ein sozial relevantes Werk mit wichtigem Thema wie "Joint Security Area" (auf mich) unnötig konfus wirken. Und Werke wie "Oldboy" oder "Stoker" wirken bei einer Zweitsichtung weitaus weniger komplex und vielschichtig. Böse Zungen würden hier vielleicht sogar einen Begriff wie "style over substance" benützen, da Parks (beste) Filme aber ohne Frage thematisch und inhaltlich ergiebig sind, würde ich das nicht tun.

                      Trotzdem übertreibt er es für mich immer wieder. So ist es auch in "Sympathy...". Zwar hält er sich als Regisseur wie erwähnt ordentlich zurück und verhindert deshalb, dass man die Geschichte und die Charaktere selber vor lauter visueller Opulenz (wortwörtlich) aus den Augen verliert. Was die Gewaltdarstellung und skurrilen Einfälle angeht, gibt Park aber ordentlich Gas. So wirkt für mich die Story irgendwann arg fatalistisch und manipulativ - erinnert mich ein bisschen an Lars von Trier - und wenn so viele brutale Szenen aneinandergereiht werden (und der Zuschauer zum gefühlt tausendsten Mal seelisch durch einen filmischen Fleischwolf gedreht wird), ist man gegen Ende auch nicht mehr so geschockt. Ja, zu einem gewissen Grad sogar etwas genervt, aufgrund der erzählerischen Redundanz.

                      Dazu kommen eben die Momente, die entweder bizarr (Szene mit dem gefeuerten Mann, der das Auto seines Ex-Chefs stoppt) oder schwarzhumorig (die Gruppe von Männern, die z.B. zum Stöhnen einer kranken Frau in der benachbarten Wohnung masturbieren, das sie versehentlich wohl als Ausdruck sexueller Befriedigung wahrnehmen) daherkommen. Da der Rest des Films so sehr auf einen realistisch-verstörenden Ansatz setzt, kommen diese (durchaus) "originellen" Momente weniger als auflockernd, sondern für mich eher störend rüber. Aber gut, das südkoreanische Kino ist natürlich insbesondere, was Sex- und Gewaltdarstellung, als auch ungewöhnlichen Humor angeht, eine Sache für sich... Hat natürlich auch durchaus seinen Reiz.

                      Auf jeden Fall lässt mich ein Werk Parks wie so häufig mit gemischten Gefühlen zurück. "Sympathy for Mr. Vengeance" ist knallhartes, etwas abgedrehtes Kino. Ob ich das aber wirklich gut finde? Nicht ganz.

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                      • TommyDeVito 30.12.2016, 16:42 Geändert 30.12.2016, 16:43

                        Kein Vorwissen nötig für die neue Hasbro-Verfilmung? Na, da bin ich aber beruhigt.
                        "...Oscarpreisträger Anthony Hopkins, Stanley Tucci, John Turturro, John Goodman, Ken Watanabe..."
                        Wenn Meisterregisseur Michael Bay ruft, kommen $ie alle :D.

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                        • TommyDeVito 30.12.2016, 16:00 Geändert 30.12.2016, 16:02

                          Naja, der erste Platz passt doch zu einem Jahr, in dem nervige Männer, die ihre Klappe nicht halten können, ziemlich erfolgreich und mitunter beliebt waren.
                          Und es sind ja auch gute Filme drin. Whatever. Ich muss auf jeden Fall mal "Toni Erdmann" sehen.

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                          • TommyDeVito 28.12.2016, 23:40 Geändert 28.12.2016, 23:49

                            Eine Liste von angesehen Regisseuren, deren Filme ich nach einer Sichtung nicht gerade mit Begeisterung aufgenommen habe. Zwar gibt es hier auch Regisseure, die auch aus meiner Sicht tolle Filme gemacht haben, aber insgesamt sind alle diese Namen noch weit davon entfernt, in meiner Lieblingsregisseur-Liste zu landen. Falls jemand diese Liste anschaut und selber die Anerkennung, die gewissen Filmemachern zu Teil wird, nicht verstehen kann, dann würde mich das natürlich interessieren. Dann käme ich mir auch nicht als alleiniger "Kunstbanause" vor...

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                            • War mir immer sehr sympathisch die Frau, vor allem aufgrund ihres wunderbaren Sinnes für Humor und selbstkritischen Witze. :(

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                                TommyDeVito 27.12.2016, 22:01 Geändert 27.12.2016, 22:06
                                über Der 13.

                                “So many aspects of the old Jim Crow [laws] are suddenly legal again, once you’ve been branded a felon. And so it seems that in America we haven’t so much ended racial caste, but simply redesigned it.”

                                Ava Duvernays "The 13th" ist ein grossartiger, aufrüttelnder Film, der die systematische Unterdrückung, Benachteiligung und institutionalisierte Misshandlung (hauptsächlich der afro-)amerikanischen Bevölkerung anprangert. Zwar wird Zuschauern, die sich u.a. bereits mit Themen wie dem "War on Drugs", dem sehr problematischen, grösstenteils privatisierten Gefängnissystem oder natürlich den in den letzten Jahren auch medial sehr präsenten Vorfällen von Polizeibrutalität beschäftigt haben, das eine oder andere Detail dieser ziemlich straff (und zugegeben nicht immer ganz geglückt) inszenierten und beunruhigenden Bestandsaufnahme, die gleichzeitig historischer Rückblick ist, bekannt vorkommen.

                                Dennoch werden wohl die wenigsten so viel über den Rassismus und dessen Tragweite in der US-amerikanischen Politik und Wirtschaft wissen, dass sich für sie eine Sichtung von "The 13th" gar nicht lohnt, erst recht da vieles davon erst in den verstörenden Zusammenhang mit den logischen daraus folgenden Schlussfolgerungen gesetzt wird. Bedenke ich z.B. den Teil des Films, der sich mit scheinbaren positiven Veränderungen, die sich aber schlussendlich wiederum keineswegs als gute, sondern als negative herausstellen könnten (ein Aktivist im Film: “when I think of systems of oppression historically and in this country, they’re durable. They tend to reinvent themselves, and they do it right under your nose.”), dann scheint sich die Situation nicht zu bessern für Schwarze in den USA, die arme Bevölkerungsschicht und andere Minderheiten, auf die der Fokus zukünftig mehr gelegt werden könnte (Teile der US-Politik und bestimmte Wirtschaftsbranchen wie die Waffen- oder Gefängnisindustrie brauchen ja immer ihre Opfer, die sie dämonisieren und aus deren Leid, Gefangenschaft oder sogar Ableben sie Profit ziehen können...). Um dies zu untermauern, werden dabei auch aktuelle Politiker gezeigt (natürlich auch der allseits beliebte, grössenwahnsinnige Milliardär und Frauenversteher mit den orangen Haaren), die bald wohl die wenigen Ansätze für positive Veränderung in den USA, wieder gewaltig untergraben werden. Wenn also Herr Trump die Worte "I am the law and order candidate" im Kontext dieser geschichtlichen Aufarbeitung sagt und dies (und andere Aussagen) erschreckend der unterschwellig rassistischen Rhetorik der Vergangenheit ähnelt, dann wird es mir schon ein bisschen mulmig.

                                Aber keine Sorge: DuVernay fokussiert nicht lange auf leicht zu kritisierenden politischen Persönlichkeiten (wie Trump), denn hier bekommen sowohl Republikaner (die üblichen Verdächtigen wie Nixon oder der republikanische Polit-Messias Reagan) als auch Demokraten (die Clintons) als auch Vertreter des "prison industrial complex" ihr Fett weg, trotzdem macht die Regisseurin aber nicht den Fehler das gesamte System und das gesamte Ausmass der Politik der Vergangenheit aus den Augen zu verlieren.

                                Für mich eine der besten Dokus der letzten Jahre. Sehr empfehlenswert.

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                                  TommyDeVito 20.12.2016, 22:54 Geändert 20.12.2016, 23:09

                                  Lars von Trier ist für mich ein Meister der "unsanften" emotionalen Manipulation. Ausser vielleicht Alejandro Gonzalez Inarritu und Michael Haneke, kenne ich bisher keinen Filmemacher, der es wieder und wieder schafft dem Zuschauer - als auch seinen Figuren - so heftig zuzusetzen, diesen mit Wunden übersät anschliessend noch durch einen melodramatischen Fleischwolf zu drehen und dermassen zu zerlegen, bis mitunter am Schluss nicht mehr viel übrig bleibt ausser einem weit geöffneten Mund und hochgezogenen Augenbrauen...zumindest bei mir.

                                  Werke wie "Dogville" oder "Dancer in the Dark" beeindruckten mich deshalb aufgrund der erzählerischen Wucht, der inszenatorischen Kompromisslosigkeit und ihren einzigartigen Konzepten: Ob verfilmtes, minimalistisches Theater mit am Boden aufgemalten Linien (Dogville) oder Musical für einmal nicht nur als Eskapismus für den Zuschauer, sondern auch für die gequälte Hauptfigur (Dancer in the dark) - der Däne versteht was von Dramatik und Originalität. Wenn ich ebenso schreibe, dass von Trier weiss, wie man das Beste aus seinen Darstellern herauskitzelt - nebenbei noch keine Anspielung auf den hier kommentierten Film - und die genannten Filme deshalb schauspielerisch auf höchstem Niveau sind, dann erzähle ich den meisten wohl nichts Neues. Ich denke recht konstante schauspielerische Qualitäten in seinen Filmen, würden auch von Trier-Kritiker schlecht von der Hand weisen können.

                                  Jedoch ist da auch immer das Problem, dass von Trier in meinen Augen schon fast ZU gut darin (und scheinbar ZU interessiert daran) ist, den Zuschauer zu schockieren und emotional zu erschüttern. Deshalb war ich teilweise schon fast genervt, als von Trier in den beiden oben genannten Filmen oder auch in "Breaking the Waves" die schon wiederholt malträtierten Hauptfiguren noch unzählige Male mit weiteren abartigen Schicksalsschlägen plagte. In manchen Momenten hat das für mich schon fast etwas Sadistisches, auch wenn mir natürlich klar ist, dass so etwas ein bisschen absurd klingt. Schliesslich handelt es sich um fiktive Figuren und andererseits passt das zum pessimistischen Weltbild, das wohl durchaus als gesellschaftskritisch verstanden werden will. Dennoch: Seine Fähigkeit, den Zuschauer mit den Figuren mitfühlen und mitleiden zu lassen, hat für mich einen etwas faden Beigeschmack.
                                  Es fiel mir bisher ausser in einem einzigen Fall ("Melancholia" - ein Film, der mich zutiefst berührt und mir sogar lang vergessene apokalyptische Träume aus meiner Kindheit wieder ins Gedächtnis gerufen hat. Wow!) dementsprechend auch schwer, seine Filme zu bewerten. Auch wenn ich letzten Endes doch jeweils eine (meist positive) Zahl angeklickt habe, sind einige seiner Filme für mich doch irgendwie fast nicht bewertbar.

                                  Gänzlich anders ist es jedoch in diesem Fall. Die sexuelle Odyssee der titelgebenden Nymphomanin Joe ist für mich erst einmal überraschend humorvoll. Die vielen sexuellen Erfahrungen bieten für den Autorenfilmer auch möglichst viele (und vielfältige) Gelegenheiten, um mal abgefuckte (...no pun intended) oder auch skurrile Situationen zu kreieren. Visuell greift von Trier dabei ordentlich in die Trickkiste, um den gelegentlich sehr amüsanten Erzählton passend zu illustrieren - da wäre sogar der junge Tom Edison aus "Dogville" beeindruckt. Insgesamt reichte dies, um mich etwas weniger als zwei Stunden einigermassen bei der Stange zu halten.

                                  Aber etwas hat gefehlt... Dieses mal nahm mich die dramatische Entwicklung nicht so mit, wie ich mir das mir bei von Trier-Filmen gewohnt bin/war. Ja, ich war in der einen oder anderen Szene sehr amüsiert (herrlich: Uma Thurman als aufgebrachte, scharfzüngige Ehefrau) und litt auch (etwas) mit. Allzu viel wird mir davon leider nicht im Gedächtnis bleiben. Zu monoton ist die Geschichte (auch wenn dies bewusst gewählt ist und die Sexsucht verdeutlicht). Zu wenig mitreissend das Leiden und die sexuelle Problematik der Hauptfigur (vielleicht ist mir das immer wieder verwendete Motiv der gequälten weiblichen Figur mittlerweile zu vertraut und verliert allmählich an Wirkung). Und teilweise ist mir das auch deutlich zu geschwätzig (von Bach über Fischerei bis zu Zahlenfolgen wird hier alles angesprochen - wie eine 2-Stunden-Variante der deutlich kürzeren Videos des lehrreich-unterhaltsamen Youtube-Kanals "VSauce"). Kurz: "Nymphomaniac" liess meine Augenbrauen unten und meinen Mund grösstenteils geschlossen. Für einmal bin ich mir deshalb ziemlich sicher, wie ich einen seiner Filme bewerten möchte. 5 Punkte, für einen Film, der irgendwo zwischen Kavaliersschmerzen und Orgasmus ist.

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                                  • TommyDeVito 18.12.2016, 21:56 Geändert 18.12.2016, 23:21

                                    10 meiner Lieblingsfilme, spontan und ohne allzu viel Überlegung aufgelistet (anders kriege ich das nicht hin):
                                    1) Goodfellas (1990)
                                    2) E.T. (1982)
                                    3) Paths of Glory (1957)
                                    4) The Conversation (1974)
                                    5) Prinzessin Mononoke (1997)
                                    6) The Straight Story (1999)
                                    7) 12 Monkeys (1995)
                                    8) The Producers (1968)
                                    9) The Innocents (1961)
                                    10) Crimes and Misdemeanors (1989)

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                                    • TommyDeVito 18.12.2016, 20:16 Geändert 18.12.2016, 20:19

                                      "So wertzuschätzen wie seine Meisterwerke Der weiße Hai, Unheimliche Begegnung der dritten Art oder Indiana Jones und der Tempel des Todes."
                                      Interessant, dass ausgerechnet der sehr unterschiedlich rezipierte "Tempel des Todes" als Meisterwerk der Reihe (oder zumindest eines davon) hervorgehoben wird. Da mag jemand Affenhirn-Eisbecher, kreischende Blondinen und Voodoo-Kinder wohl mehr als brennende Nazis oder Vater-Sohn-Buddy-Comedy ;)

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                                      • Naiver Kino-Zauberer.

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                                        Obwohl ich finde, dass vor allem die inhaltliche/ideologische Kritik zu seinen Historienfilmen teilweise (sogar sehr) angebracht ist (Filme wie "Schindlers Liste" oder "Bridge of Spies" mag ich aber trotzdem), ist seine abwechslungsreiche, "hit-and-miss" Filmographie sehr beeindruckend. Ich habe von wenigen Regisseuren so viele Werke gesehen und bleibe weiterhin gespannt auf jeden neuen Spielberg-Film. Bleibt nur zu hoffen, dass der nächste besser ist als der Big Farting Giant.

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                                        • TommyDeVito 01.12.2016, 23:19 Geändert 01.12.2016, 23:23

                                          Laut englischsprachiger Wikipedia-Seite wird Scorsese zusammen mit Freund und kreativem Partner Jay Cocks als Drehbuchautor gelistet. (Spiel-)Filme bei denen das (=Scorsese als Co-Autor) ebenso der Fall ist:
                                          -Mean Streets
                                          -Goodfellas
                                          -The Age of Innocence (zusammen mit Cocks!)
                                          -Casino
                                          Dazu diese Besetzung. Wird sicher gut ;)
                                          Übrigens: Weiss jemand, weshalb Howard Shore doch nicht die Musik für den Film komponiert hat?

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                                          • TommyDeVito 16.05.2016, 11:14 Geändert 16.05.2016, 11:14

                                            Beste Nachricht des Tages *breites Grinsen*

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                                            • TommyDeVito 08.05.2016, 15:36 Geändert 08.05.2016, 15:38

                                              Dass Inarritu Tarkowski-Fan ist, wusste ich schon. Auch dass "The Revenant" wohl in den Traumsequenzen und Naturaufnahmen ein bisschen von den Werken des Russen inspiriert war. Diese Gegenüberstellung ist aber dann doch...interessant:
                                              https://www.youtube.com/watch?v=cpcdhNq_VPM

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                                                TommyDeVito 05.05.2016, 13:30 Geändert 05.05.2016, 13:43

                                                Uff. Ich hatte ja schon von eher kritischen Stimmen zu "Breakfast at Tiffany's" gehört und meine Erwartungen deutlich gesenkt, aber das hier hat diese doch deutlich untertroffen...
                                                Kaum zu glauben, dass Blake Edwards Komödie tatsächlich als DER Klassiker schlechthin mit Frau Hepburn gilt. Denn: Für mich reiht sich Holly Golightly direkt ein in eine Liste von nervigen Filmcharakteren, zu der aus meiner Sicht z.B. auch Scarlett O'Hara (Vivien Leigh) aus der unerträglichen Schnulze "Vom Winde Verweht" gehört. So schlimm ist Holly Golightly (Audrey Hepburn) dann doch nicht, dafür ist Hepburn einfach zu umwerfend schön und in Einzelmomenten dann doch recht charmant. Ich rede von "Einzelmomenten", da ihr Charakter einen Grossteil der Laufzeit eher wie ein arrogantes, materialistisches Gör rüberkommt, das sich nur für Kleider, Diamanten, natürlich Geld und insbesondere ihr eigenes Wohlbefinden interessiert.

                                                Und ja, vieles davon mag an sich ja nicht problematisch sein. Grossartige Frauenfiguren können natürlich auch mal unsympathisch, komplex und schwierig als Identifikationsfiguren sein. Dumm nur, dass Golightly nicht sehr Tiefe verliehen wird. Es gibt zwar immer wieder Andeutungen auf ihre Vegangenheit. Sie soll demnach eine Frau sein, die im jungen Alter in die Stadt kam, sich alleine durchkämpfen wollte und irgendwie hat sie wohl auch in all dem Glamour, in all der Oberflächlichkeit das Interesse an vernüftigen sozialen Kontakten und vielleicht auch den "Glauben" an die Liebe verloren... Wie gesagt bleibt es da aber eher bei Andeutungen und zu spät versucht das Drehbuch sie - mit noch nervigerem Verhalten - als tragische Figur darzustellen. Davor bleibt aber eine ziemlich konventionelle Romanze, in der Hepburn eher als Stilikone und Modevorbild - toll gekleidet ist sie auf jeden Fall - für Frauen präsentiert wird, denn als gut gezeichneter, vielschichtiger Charakter.

                                                Der von George Peppard gespielte Fred, äh, Paul ist dann deutlich erträglicher, irgendwie ging mir seine Naivität und Ausdauer beim Versuch sich seiner Nachbarin annzunähern aber auch irgendwann auf den Sack... Ok, die Liebe bringt Männer dazu vieles zu tun, aber warum er hier ernsthaft glaubt, er könnte sich die Hepburn noch schnapp... ("Spoiler") Moment mal, ich habe ja vergessen, dass ich es hier mit einem Hollywood-Film zu tun habe. Natürlich holt sich Golightly nicht nur ihre namenlose Katze zurück, sondern küsst - im Regen! - am Ende auch noch den hoffnungslos verliebten Nachbarn. (Spoiler Ende). Überrascht mich gar nicht, dass dieses Ende in der Vorlage nicht existiert. Denn es macht im Bezug auf die Figuren - oder zumindest Golightly - wenig Sinn, wirkt willkürlich und unpassend und ist (zumindest für mich) komplett wirkungslos.

                                                Der Rest des Films ist ein bisschen holprig erzählt und teilweise auch ein bisschen zäh und die Musik von Mancini hat ihre zugegeben grossartigen Momente (Moon River!), wirkt an anderen Stellen aber allzu penetrant. Erwähnen könnte man jetzt noch die rassistische Karikatur namens Mr. Yunioshi, die einst Bruce Lee enttäuscht zurückliess angesichts solch einer lächerlich überzogenen Darstellung eines stereotypischen Asiaten. Nötig wäre das aber nicht, gibt schon genügend andere Probleme.
                                                Fazit: Wer Audrey Hepburn in einer frechen und stilvollen, aber (durchweg!) charmanten Rolle sehen möchte, der schaut sich z.B. besser so etwas wie die Komödie/Thriller/Romanze/Hitchcock-Parodie "Charade" an. Hier findet man nämlich eher eine konventionelle, keineswegs herausragend erzählte Love-Story mit nervigen und/oder wenig nachvollziehbaren Figuren. Aus meiner Sicht klar überschätzt. Die Katze war aber toll. Miau.

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                                                • TommyDeVito 01.05.2016, 19:38 Geändert 01.05.2016, 19:42

                                                  Sehr schön :), jetzt bin ich gleich wieder im Game of Thrones-Fieber und muss wohl mal mit Staffel 6 starten. Bin ja gespannt was Littlefinger im Moment so für Pläne schmiedet, würde mich ja nicht wundern, wenn er am Ende tatsächlich auf dem Thron sitzt und Du mit Deinem Tipp recht behälst. Freuen würde ich mich natürlich mehr über jemanden wie Tyrion, aber so wie man George R.R. Martin und Benioff/Weiss kennt, wird da wohl nichts draus... Wahrscheinlich ist es am Ende ein Whitewalker, der "gewinnt" ^^
                                                  Übrigens finde ich es immer wieder interessant, wie der Sex- und Gewaltanteil beim Besprechen der Serie betont wird. Selbst nachdem ich wusste, dass die Serie mehr zu bieten hat, als das, habe ich meinen Kollegen z.B. die Serie mit "Titten und ein Haufen Gewalt" "empfohlen"...

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                                                    TommyDeVito 30.04.2016, 12:10 Geändert 30.04.2016, 20:59

                                                    Mit Ben Wheatleys Filmen werde ich einfach nicht warm. Ähnlich wie in früheren Filmen hat "High-Rise" dank Ballards Romanvorlage eine vielversprechende Prämisse zu bieten. Hauptfigur Dr. Robert Laing (Tom HIddleston) zieht in den 70ern - das Buch kam 1975 heraus - in ein Hochhaus, das einen eigenen Mikrokosmos bildet: Es gibt ein Einkaufszentrum, Swimming Pools, Sportanlagen usw. Eben alles, was der moderne, konsumierende Mensch zum (Über-)Leben so braucht. Was dabei besonders wichtig ist, dass sich - ähnlich wie in Bong Joon-hos abgedrehter, fahrender Zugmetapher "Snowpiercer" - der Turm dazu anbietet, Klassenunterschiede und anschliessend einen zwangsläufig daraus resultierenden Konflikt und Zusammenbruch der Gesellschaft darzustellen. Denn wenn die Reichen in ihrem eigensinnigen Hedonismus (wortwörtlich) oben bleiben, während die untere Schicht in schlechteren Bedingungen ein weniger luxoriöses und ausschweifendes (und damit ein weniger erfüllendes?) Dasein fristen muss, dann kann es irgendwann nur zu Gewalt kommen.

                                                    Das Problem fängt für mich jedoch schon da an. Wheatley verbringt gar nicht erst viel Zeit damit, uns das Innenleben und den Aufbau des Turms als auch die unterschiedlichen Insassen verständlich aufzuzeigen. Stattdessen gibt es hier teilweise eher einen assoziativen Bilderrausch, der aber häufig schlicht verwirrend ist. Für einmal wäre ich in einem Film - besonders zu Beginn - wirklich froh über ein bisschen mehr (oder zumindest verständlichere) Exposition gewesen (nicht unbedingt im Bezug auf Dialoge). Aber mehr dazu später.

                                                    Ähnlich wie im für mich enttäuschenden Vorgänger "A Field in England" - einen kaleidoskopischen Effekt trifft man auch hier kurz an - wirken diese teils surrealen Bilder aber eher unnötig gekünstelt und der darin eingestreute Cocktail aus Sex und Gewalt kann nicht wirklich einen bleibenden, vielleicht sogar verstörenden Eindruck hinterlassen. Das wird verschlimmert durch einen schwarzen Humor, der bei mir leider gar nicht gezündet hat und mitunter schlicht platt als auch irritierend wirkt. Ein störendes Element aus meiner Sicht, keine Ahnung wie das in der Vorlage rüberkommt oder ob diese deutlich ernster ist (ich würde es hoffen und sogar annehmen). Zwar kann hier gleichzeitig alles mit dem zunehmend irrationalen und wilden Verhalten der Figuren begründet werden, aber hier musste ich teilweise doch verdutzt dreinschauen, wenn Wheatley und Drehbuchautorin/Gattin Amy Jump wiederholt die Ausgangslage nutzen, um ein paar deftige Pointen und Sprüche zu verwenden. Wenn also z.B. eine Schauspielerin an einer Party auf allen Vieren "who here wants to fuck me up the ass?" ruft, dann kann man das zwar mit dem orgiastischem Treiben der Bewohner begründen, für mich wirkt das alles aber irgendwann so absurd, dass ich das Ganze wirklich gar nicht mehr ernst nehmen kann.
                                                    Sowieso kann man hier häufig nicht nachvollziehen, weshalb die unterschiedlichen Charaktere, die übrigens auch kaum eingeführt und klar gezeichnet werden und deshalb vor allem in der ersten Hälfte sogar schwer zu unterscheiden sind, denn bestimmte Dinge tun (oder vielleicht war ich gestern einfach zu müde...oder bin zu blöd...). Nur so viel sei verraten: Zu Beginn wird Laing gezeigt, wie er in seiner mittlerweile heruntergekommenen, vermüllten Wohnung sitzt und ein Hundebein brät, um es anschliessend zu verzehren. Wer gerne wissen möchte, wie genau es dazu gekommen ist...naja, ich weiss es immer noch nicht so ganz.

                                                    Was ich so von der Vorlage in anderen Kritiken so gelesen habe (es könnte übrigens nicht ohne Zufall ein paar Ähnlichkeiten zu solchen in meinem Kommentar geben), scheint diese viele interessante Ideen alleine im Bezug auf den Aufbau des Turms und die zumindest anfangs wohl durchaus logischen Abläufe des Zusammenlebens zu geben. Beispielsweise habe ich davon gelesen, dass die sich näher beim Gebäude befindenden Parkplätze und die schnelleren Aufzüge den wohlhabenderen Bewohnern (einfacher) zur Verfügung stehen als den ärmeren, was allmählich zu dem gewalttätigen und ausschweifenden Verhalten führt. Es wird also erklärt, wie die Bewohner weiter unten unter den Nachteilen und Vernachlässigungen leiden. Im Film wird das höchstens angedeutet bzw. es kommt eher so rüber, als wäre der Aufzug mal kurz ausgefallen oder die Kids vom Pool vertrieben worden und schon wird wild gewütet, herumgevögelt und schon bald darauf vergewaltigt und getötet.
                                                    SPOILER In einer Szene wird Sienna Milers Charakter vergewaltigt und landet plötzlich ohne erfindlichen Grund im obersten Stock, um dort ein Pferdesteak zu servieren und selber reinzubeissen...ähm, bitte was? Soll wohl symbolisch dafür sein, wie die untere Schicht der oberen dient, wirkt hier aber einfach nur willkürlich. SPOILER ENDE

                                                    Auch hilft es nicht, dass Wheatley seine ambitionierte Geschichte so wirr und kaum zusammenhängend erzählt. Schlussendlich ist für mich ein Film herausgekommen, der zwar viel Potenzial hatte, die gesellschaftskritische Botschaft und zum Nachdenken anregende Thematik aber für eine künstlerische Aufmachung opfert, die nicht nur wenig zugänglich ist, sondern schon fast absichtlich diese hinter massiven (filmischen) Betonwänden verdeckt und eine vielversprechende Idee damit aus dem Fenster bzw. (Hoch-)Haus wirft.

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