vincentgorez - Kommentare

Alle Kommentare von vincentgorez

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    vincentgorez 22.02.2016, 11:55 Geändert 15.08.2017, 10:40

    EAUX D'ARTIFICE erstrahlt in der Ambivalenz von Hell-Dunkel-Kontrasten, im Zwiespalt einer dunklen Marterie und der ästhetisierenden Wasserspiel-Optik im einem verzerrt blauen Nass, 24-mal pro Sekunde. Die Symbiose von Kaskaden, Fontänen, einem Epikur-ähnlich(-aussehenden) Wasserspeier und der musikalischen Untermalung durch Vivaldis "Four Seasons", verdeckt zunächst die Referenz zu "Fireworks" und die Aufdeckung von normativen und ontologischen Prinzipien. Durch die barock'sche Komponente gewinnt Angers Werk an manieristischer Note und bewegt sich somit im Zeitraffer zwischen Renaissance und Klassizismus in der Stilistik des Avantgardismus, welcher dieser Ära fehlte. Ein Stück weit faszinierender als "Inauguration of the Pleasure Dome" bedient sich das vorliegende Werk durch seine visuelle Gestaltung einer Subversion, die man nur selten vor Auge geführt bekommt und verleiht der Inkonsistenz eine neue Leitform.

    http://www.dailymotion.com/video/xeidre_eaux-d-artifice-1953_shortfilms

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      vincentgorez 20.02.2016, 18:36 Geändert 15.08.2017, 10:41

      Die Verbindung von privat und politisch hält die Balance häufig unausgegoren, besonders wenn entgegengesetzte Positionen als Zäsur tangiert werden, heraufbeschworen in der Entzweiung zweier Nationen. Mit der Fokussierung auf die Realpolitik im Licht der Ambivalenz, bewegt sich Costa-Gavras in bekannten Sujets, doch darf man dieses Werk (überhaupt) auf politische Symbolträchtigung reduzieren? Führt man sich HANNA K. als Kunstwerk vor Auge, so wird die Protagonistin im goldenen Schnitt illustriert, dahinter das politische Konstrukt mit seiner soziokritischen Resonanz. Somit arriviert das Costa-Gavras-Machwerk zum facettenreichen Melodram vor einem politischen Hintergrund und spiegelt den Konflikt jeder Faser der israelischen Gesellschaft im Privatem. Das Private spiegelt wiederum die Kontroverse zwischen Israel und Palästina- und die letztliche Zusammenführung beider Parteien wider; frei nach Jitzchak Rabins »Zweistaatenlösung«, beweist die Kollision dieses Lösungsansatzes, verkörpert in einer etwa zwanzig-zähligen Antiterroreinheit. Fin.

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        vincentgorez 16.02.2016, 21:36 Geändert 15.08.2017, 10:42

        Als Vorbereitung dieses Mach(t)werks, übte Alejandro Jodorowsky seine »Psychomagie« kostenfrei im Pariser Nachtleben aus, verbrachte eine Woche ohne Schlaf, bevor er sich der schauspielerischen Praxis zuwand, wobei Zen-Mönche fleißig Acid-Trips verteilten. Das Ergebnis ist ein psychoaktiv-orgiastischer Bilderrausch, komprimiert in einer subversiven Symbolorgie, mit aus Leichen empor steigenden Vögeln, menschlichen Ekel; visualisiert in berauschender Psilocybin-Optik und einem in den Keller gesunkenen Ikonizitätsgrad, unter der Führung des Alchemisten. Exploit avanciert zum kunsthaften Avantgardismus, dieser zur puren Droge, sodass MONTANA SACRA einem Einsiedlerkrebs gleicht, forciert dazu allein in seiner Kunst dahin zu vegetieren, um auf ewig die Nahrungskette des Surrealismus anzuführen. Kryptisch, hässlich, Gewalt(-ästhetisierend), kontrovers, exzentrisch, esoterisch und fast schon derart artifiziell wie »inhuman ecstasy fulfilled«.

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          vincentgorez 14.02.2016, 15:17 Geändert 15.08.2017, 10:43

          Dario Argento begrüßt die Jahrtausendwende auf blutroter Leinwand mit anfänglich hypnotischer Faszinationskraft, welche jedoch nur halbstündig einen nostalgischen Giallo-Effekt erzielt, und anschließend den sekkant begehrten Goblin-Score demontiert. Nach der misslungenen Neugestaltung (und für dogmatische Verehrer der Vorlage wahrscheinlich eine schwere Diffamie) vom "Phantom der Oper", durfte sich Argento mittels LA SYNDROME DI STENDHAL der schizoiden Persönlichkeitsstörung und musikalischer Morricone-Gestaltung fröhnen, unterstützt von dem deutschen Exportbösewicht (Thomas Kretschmann) und Argento-Tochter Asia, wodurch sein letztes Werk im 20. Jahrhundert zum gelungenen Psychogramm arriviert. NON HO SONNO hingegen bedient sich mutwillig einer Stilistik der debütigen "Tiertrilogie" und gestaltet sich nach einer rasanten Exposition als rätselhafte Mörderjagd, ohne Ambitionen an die fallengelassene Giallo-Optik anzuknüpfen. Die Irration als Kunstgewebe, wie sie in "Inferno" oder "Opera" genutzt wird, bleibt aus, und seltene Bravour zeichnet sich nur noch in Argentos visueller Originalität ab. Wer nach diesem Werk auf eine Renaissance des Regisseurs hofft, wird schwer enttäuscht, nachfolgend bedient sich der Italiener in Werken wie "Pelts" oder dem schrecklichen "The Card Player" einer Abqualifizierung seines filmischen Spezifikums, dessen einzige Klimax das Chaos bleibt.

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            vincentgorez 11.02.2016, 14:32 Geändert 15.08.2017, 10:44
            über Monster

            »If you can't be a good example, at least be a horrible warning.«
            MONSTER zeichnet das Bild einer verstörend realen Mutation der Gesellschaft und porträtiert die Hässligkeit des Menschen als salonfähig: Die Reinkarnation einer Hollywood-Schönheit als schaulaufende Ganzkörpermaskerade ist die exzeptionelle Quintessenz von Patty Jenkins Machwerk, da die ansonsten simpel gestrickte Biographie einem äußerst gradlinigen Handlugsstrang unterläuft, wodurch die seelischen Abgründe der männermordenden Wuornos auf stereotypische Muster einer Liebestragödie reduziert werden. Doch Therons Mutation ist dermaßen eminent, dass sie die Defizite von profanen Storylines und pseudophilosophisches Einprasseln aus dem Off, locker entschädigt und dem Begriff »Randexistenz« in der amerikanischen Gesellschaft eine neue Superlative verleiht. Die Liebesaffäre zwischen den Protagonistinnen ist gewiss eine melodramatische Strapaze, die dem Werk seine Grundessenz raubt und die erwartungsgemäße Härte entschleunigt, was sich jedoch durch trostlose Highway-Striche und der Bebilderung einer schäbigen Subinstruation des harmonischen Floridas ausreichend ausgleicht und trotzdem Qualität entsteht. Wo es Leben gibt, gibt es Hoffnung(-slosigkeit).

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              vincentgorez 09.02.2016, 01:32 Geändert 15.08.2017, 10:44

              Eine moderne Tragödie in Dionysos-Stilistik, klassisch rationiert in drei Akte, plus frappierenden Epochenwandel. Im Rampenlicht steht der Protagonist, Ryan Gosling, eine Ikonographie des schweigsamen und subtilen Antihelden: Interessant, treibend und düster. Nahezu ein junger Bronson/McQueen des Kino-Coolseins, dessen delphisches Image und seine ungewisse Identität ihn vom Prolog an interessant darstellen. Das beginnt mit der roten Lederjacke, den blondierten Haaren und endet mit der sekuendlich brennenden Zigarette im Mundwinkel. Doch Luke Glanton ist weniger ein Musterbeispiel an Perfektion, als eine motivlose Kirmesattraktion mit Tunnelblick-Attituede, was die Frage nach dem Ursprung seiner »crush«-Identität aufwirft: Wo Ikonographie in der Antike durch Porträtkunde-, oder im Barock durch verätselte Allegorien und Embleme definiert wurde, ist gegenwärtig Gosling das Sinnbild und die Inkarnation einer protagonistischen Leitfigur. Man denkt mit den Augen, und ohne das Durchbrechen der vierten Dimension bleiben die Sünden der Vergangenheit herzlich uninteressant. Dass sich ein filmisches Werk allein durch die Ikonographie seines Protagonisten zum Meisterwerk avanciert ist dilettantisch, doch THE PLACE BEYOND THE PINES erweist sich probat im Verknüpfen von Ikonographie und Tragik. Man fühlt sich wie in einem Modernisierungsversuch großer Dichter, von Aischylos bis Euripides, mit konstitutiven Faktoren der griech. Tragödie (attische Demokratie, Polisgemeinschaft, Bühnenkunst), die sich von Exposition bis Exodus pro Akt immer akribischer arriviert. Große Kunst, die man erst bei genauer Betrachtung wahrnimmt.

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                vincentgorez 08.02.2016, 16:58 Geändert 15.08.2017, 10:45

                Eine auditive und choreografische Erzählweise bestimmt mittlerweile die Drogenästhetik im Medium Film und ueberwindet quasi (Kontrast zur Gestaltungskunst) die Distanz zwischen Werk und Betrachter, wodurch rezeptives Ausblenden der Kadrage ermöglicht wird, was bedeutet: Es gibt keinen Bildausschnitt mehr. Der Zuschauer wird gegenwärtig förmlich in das fiktionale Universum der dargestellten Drogentrips gesaugt. Aronofsky selbst greift oft und gerne auf inszenatorische Varianten zurueck, in einer Be- und Entschleunigung des Bildflusses, was sich ebenso signifikant in anderen Werken wie "Black Swan" bemerkbar macht. REQUIEM FOR A DREAM elaboriert sich jedoch und setzt den Fokus nicht auf die Beschleunigung des Surrealismus: es werden exorbitante (schnelle) Schnitte verwendet, sodass die narrativ motivierten Bilder bei ihrer Aneinanderreihung unterbrochen, und durch Rauschmittelsymbolika ersetzt werden: Gras, Kokain, Speed oder H werden in ihrer Benutzung und Konsum thematisiert und auf schnellem Schritt kategographiert. Anstelle von POV-Einstellungen werden Snorricam-Perspektiven verwendet, woraus sich eine perspektivistische Untersicht ergibt und Desorientierung während des Drogenrauschs vermittelt wird. Ebenso grauenhafte Unterhaltung bieten Fischaugenobjektive, die die (eigentlich so) schaurige Wahrnehmung reinkarnieren. Die Wahl des Set-Up, die Verwendung von Snorricam und Fisheye, unterstreicht eine Außensicht auf das Geschehen während der Trips, aber parallel eine Innensicht auf die Protagonisten- Ein cinematographisches Wunder wird wahr, Fiktionen fließen zusammen und Subjektivität und Realität bilden ein Kollektiv.

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                  vincentgorez 08.02.2016, 15:32 Geändert 15.08.2017, 10:46

                  Méliès-Werkschau [#2/10]

                  UN HOMME DE TETES feiert glamouröse 118 Kerzen auf der Torte und bringt den Kontrast zwischen Suggestion und Realität zum Vorschein. Anders als in "Buster's Revenge on the Tramp" (1904), wo der Protagonist ebenso »kopflos« gemacht wird, um die Realität zu vertuschen, verführt Melies den Zuschauer zur Magie. Kongruenz gibt es trotzdem, angefangen in der Produktion der »Selig Polyscope Company« und aufgehört in der Slapstick-ähnlichen Symbiose der Protagonisten. Lässt man sich auf die Esoterik des Ein-Minüter ein, so ist dieser Seligs "Tramp"-Triologie vielschrittig voraus, allein die beschleunigte Bebilderung zeigt die ersten Grundsätze einer Gimmick-Gestaltung, wodurch die Frage aufkommt: Wie weit prägt der Filmpionier den Futurismus? Überspitzt gesprochen bis in die Space Opera-Periode, wo Irrealitäten wie das Klonen ebenso in seinen Genuss kommt und sowohl Verwirrung als Bewunderung stiftet (Zäsur). Bei genauer Visualisierung ist das vorliegende Werk proleptisch angeordnet; es setzt seine Definition aus mehreren Wahrnehmungen zusammen, die letztlich eine ganzheitliche Kognition ergeben. UN HOMME DE TETES ist ein kulturelles Artefakt, wenn auch eher die historische Lokalisierung des Spezialeffektes in ausgeschmückter Magie.

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                    Till Schweigers einzig sehenswerter Film bleibt sein VHV-Versicherungen-Spot.

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                      vincentgorez 11.01.2016, 18:46 Geändert 15.08.2017, 10:47

                      Méliès-Werkschau [#1/10]

                      Ja, selbst das erste Horrorwerk aller Zeiten hat mit plakativen Defiziten zu ringen: Gegenwärtig sorgt slapstickähnliches Gestikulieren nicht für verschwitzte Bettlaken und kann (lediglich) filmhistorisch das Herz schneller schlagen lassen. Allerdings ist Melies' dreiminütige Suspensefabel ein Augenschmaus des Surrealismus, vor dem Dali seinen Hut gezogen hätte und schlängelt sich entlang kurioser Horrorgestalten mit blitzenden Zähnen oder kafkaesker Motorik. Innovation dient hier als Emblem und die gesamte Palette der heutigen Monstercharakter und Grauenssymphonien werden in Originalität vorgeführt. LE MANOIR DU DIABLE präsentiert die Geburt der Ursprungsmaterie des Horrors: der Volksglaube; suggeriert die Furcht vor Vampiren, Hexenzauber oder delphischer Mystik in einem »Schloss des Schreckens«, gebannt in einer großen Plansequenz und Stop-Motion-Gimmick. Ein erster Schritt in Richtung Genre.

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                        vincentgorez 11.01.2016, 17:38 Geändert 15.08.2017, 10:48

                        Kubrick-Werkschau [#1/13]

                        Pseudo-philosophisch, narrative Übersymbolik, preziös gestaltet und letztlich das Gegenteil einer ambitionierten Metapher- und doch aus filmhistorischer Sicht ein Meilenstein. FEAR AND DESIRE ist Kubricks Platon seiner Filmographie, in welchem er sich als Schüler der Filmkunst dekuvriert und sich seiner Rationalität demaskiert. Sympathie für den Meister, denn sein Debütwerk ist dermaßen rudimentär, dass ihm keine andere Möglichkeit bleibt aus dessen Makeln zu lernen: Man arbeitet sich an Konventionen der (Kriegs-)psychologie, neben fehlgeleiteter Symbolhaftigkeit und abstruser Philosophie, entlang, in der Hoffnung eine tiefgründige Botschaft zu hinterlassen. Doch die Grundpfeiler für Esoterikimpressionen stehen stabil und somit darf man Kubricks Erstling als Experiment und Lernfilm titulieren, in dem gezeigt wird, dass selbst die Naturgewalt erst durch eine Windböe entsteht.

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                          vincentgorez 31.12.2015, 16:38 Geändert 15.08.2017, 10:52

                          TAXI TEHERAN möchte den Zuschauer durch Demokratie-Apelle, Humanismus und politischer Hybris bezirzen, was zwar ethisch einen hohen Stellenwert besitzt, aber auf cinematographischer Ebene kaum funktioniert, da der Dissident Jafar Panahi sich keiner Filmästhetik bedient. Panahi agiert explizit politisch und darf sich zurecht das "Aufdeckungsfilm"-Emblem auf die Stirn heften, antipropagierend gegen ein totalitäres Mullah-Regime und sich der Zensurpolitik widersetzend, bleibt es bei einer Suggestion: Panahis einzige Qualität an diesem Machwerk ist es, trotz Berufsverbot einen Film auf die Leinwand projiziert zu haben, denn es wird weder eine umfassende Sozialstudie- noch eine geistreiche Gesellschaftskritik geboten, denn TAXI TEHERAN wälzt sich gradlinig in einer belanglosen Endlosschleife und wurde dafür auf der Berlinale mit dem goldenen Bären prämiert.

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                            vincentgorez 17.11.2015, 21:19 Geändert 15.08.2017, 10:54

                            Lars von Trier legt mit diesem Meisterwerk sowohl einen dunklen Schatten-, als auch eine Avantgarde über seine Filmographie und lässt den Engelschor des Subversiven klingen. Selbstverständlich ist "Antichrist" permanenter (religiöser) Chauvinismus; quasi ein Kampf der Geschlechter auf lyrischen Niveau, was bereits im Prolog prolebtisch propagiert wird: Mit der himmlisch klingenden Arie »Lascia cia Pianga«, einer expressionistisch in Szene gesetzten Schauerromantik und der Adam-und-Eva-Symbiose wird selbst schon in den ersten Minuten Zerstörung und Negation konstruiert. Es geht nicht um die Postulierung eines misogynen Weltbilds, vielmehr werden weltanschauliche Fantasien entgegengesetzt, in welcher »Er« als Symbolik für Konvention, Vernunft, Logik etc steht und »Sie« eine destruktive Trägerin der Schuld widerspiegelt- die religiöse Allegorie indessen wirkt wie das Sahnehäubchen. Letztlich ist der Epilog als Aufblühen des Urzustandes zu verstehen, in welcher der Mensch sich selbst in einer morbiden Natursphäre rekonstruiert und mit der erneuten Utopie des Paradieses am Prolog anknüpft. Dass der Regisseur letztlich Andrej Tarkowskij sein Werk widmet ist eine finale Provokation, um die letzte Suchbewegung nach Naturdarstellungen zu vollenden. ANTICHRIST ist einer der tiefgreifendsten und beeindruckendsten Filme, die ich je gesehen habe.

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                              vincentgorez 14.11.2015, 13:11 Geändert 15.08.2017, 10:56

                              Mit dieser Regiearbeit bewegt sich Tim Burton nicht auf neue Pflaster- im Gegenteil: Schon in "Edward Scissorhands" wurde das frisieren, rasieren und die Gestaltung von Haaren jeglicher Region ausreichend thematisiert. Morbide, schwarzhumorig und mit übertriebenen Gewaltausschweifungen gestaltet Burton dieses groteske Gothic-Grusical und erzeugt damit die größte Antithese seiner Filmographie: SWEENEY TODD ist nämlich ein hoffnungslos romantisches Werk, welches sich in seiner Hauptthematik nur mit der Zuneigung beschäftigt. Der ambivalente Antiheld (Benjamin Barker), auf Rache durch die Liebe besinnt; umgekehrt liebt die makabere Bäckerin (Mrs. Lovett) den wahnsinnigen Barbier, der hoffnungsvoll romantische Seefahrer (Anthony Hope) ist unsterblich in die zölibate Barker-Tochter (Johanna) verliebt und umgekehrt. Der verstoßene Waise (Toby) sieht in Mrs. Lovett einen Mutterersatz und letztlich hegt selbst der eklig in Szene gesetzte Büttel (Beadle Bamford) idealistische Züge für seinen despotischen Mentor (Richter Turpin). Diese bühnenhafte Theatralik wird durch ein expressionistisches Setting, der bilderhaften Ouvertüre und seiner einzigartig-(ästhetischen) Stilistik verfeinert und subsistiert sich somit von jeglichen Vergleichen, was Tim Burtons Regiearbeit zu einer künstlerischen Meisterleistung des modernen Theaters konzipiert. Bravo.

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                                vincentgorez 14.11.2015, 12:42 Geändert 15.08.2017, 10:56

                                SCHÖNHEIT. Pure Schönheit.

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                                  vincentgorez 10.11.2015, 14:43 Geändert 15.08.2017, 10:58

                                  007-SPECTRE ist mit Abstand der kunstvollste Bond der Craig-Ära; angefangen im Prolog, wo Abstraktion und Dekonstruktion herrscht, in den Alpen und Nordafrika, wo Moderne (Expressionismus) aber auch Klassik ihren Platz finden, und letztlich in Rom, wo das Schlichte zur Geltung kommt. Besonders auffällig und wunderbar inszeniert ist die Verfolgungsjagd, welche sich nicht der CGI-Affinität untergräbt und sich stattdessen einem glanzvollen 70er Jahre-"Vanishing Point"-Flair bedient. Dennoch ist ein großes Manko der plumpe Schluss und das (große) Finale, welches sich als zu vorhersehbar und zu konventionell herausstellte. Jedoch würde ich die Thematisierung »Geister der Vergangenheit« durchaus als gelungen beschreiben, in Anbetracht der Tatsache, dass Sam Mendes damit eine neorespektive Bond-Philosophie einführt, welche sich auf Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft versteht und dem Synonym »James Bond« eine neuzugängliche Vernunft zuweist. Jean-Paul Sartre sagte an dieser Stelle:
                                  »Meine Seinssolidarität mit meiner Vergangenheit in diesem und jenem besonderen Punkt verneinen heißt sie für die Gesamtheit meines Lebens bejahen«. Ich finde das trifft es ganz gut.

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                                    vincentgorez 10.11.2015, 14:16 Geändert 15.08.2017, 10:58

                                    Mark Tonderais Werk versteht sich selbst als ambitionierter Suspense-Horror mit einer ordentlichen Ladung Hitchcock-Flair, doch bleibt auf analytischer Ebene nur die Nacherzählung jeglicher Grusel-Klischees. Wieso? Es wird wiedermal konventionell umgezogen in eine ländliche Umgebung, die (selbstverständlich) mit einem Mord zusammenhängt; eine urbane Legende wird erzählt, die Knie schlottern, ein mysteriöser Nachbar tritt in Erscheinung, welcher sich (natürlich) als soziophober Psychopath mit Geschwisteraffinität entpuppt. HOUSE AT THE END OF THE STREET bedient sich wahllos an jeglichen Klischees, egal wie ausgelutscht und verbraucht, und kann im Wesentlichen nur mit einem geringen Element punkten: der Plot-Twist, welcher teils als vorhersehbar- aber auch als verschachtelt und frappierend gewertet werden kann.

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                                      vincentgorez 08.11.2015, 14:08 Geändert 15.08.2017, 10:58

                                      Michel Hazanavicius ist relativ probat darin, falsches Potenzial auszuschöpfen und die Konventionen einer Handlung auf die Spitze zu treiben. Was drückt Hazanavicius' Werk aus? Eine Liebeserklärung, eine (Ouvertüre), ein retrospektives Plädoyer an das Kino der 1920er bzw eine Hommage an längst vergangene Zeiten? Nichts davon, de facto ist THE ARTIST eine prätentiös zusammengebastelte Pseudo-Hommage, profan erzählt und durch ein Klischeefeuerwerk gestützt- präsentiert in 100 lahmen Minuten. Die Historie der 20er Jahre wird gewollt verdreht und herauskommt eine mit Zucker glasierte Wohlfühlekstase, ohne jeglichen (eigentlichen) Bezug zum Stummfilm (Umbruch Stumm/-Tonfilm, gesellschaftlicher Kontext, Verzweiflung). Zugegeben, der Charme ist vorhanden doch ansonsten bleibt THE ARTIST eine rudimentäre Regiearbeit.

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                                        vincentgorez 07.11.2015, 23:03 Geändert 15.08.2017, 10:59

                                        Nach Finchers Regieausrutschers "Benjamin Button" kehrt er zu den Wurzeln seiner bisherigen cinematographischen Intention zurück, nämlich Einfluss und Atmosphäre. Wo bei "Fight Club" oder "Se7en" auf Allegorie gesetzt wurde, bedient sich David Fincher nun einem nüchternen Erzählfluss und einer deskriptiven Atmosphäre, das bedeutet weder eminente Settings, noch wilde Kamerafahrten oder ungewöhnliche Darstellung- THE SOCIAL NETWORK ist ein rein ideologischer Film auf konkreter Basis und doch wird Hochleistungs-Spannung geboten. Selbstverständlich findet auch Kapital(-ismus) und puristische Arschlochstudenten ihren Platz in Finchers Werk, doch anstatt sich über den Größenwahn an Elite-Unis, oder Harvard-Schnösel aufzuregen, wird lediglich rational dokumentiert und seziert. Es geht um Hürden, welche es im unerbittlichen Gemetzel des Polypol zu überbrücken gilt, um Gesellschaftsphänomen und letztlich um einen Anfangzwanziger, der den Traum hatte einen ganzen Planeten zu vernetzen.

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                                          vincentgorez 07.11.2015, 20:26 Geändert 07.11.2015, 20:37

                                          Das Fundament von Carpenters Genreklassiker ist vorallem auf zwei exorbitante Elemente gestützt, 1) der ungewöhnliche Mix aus Ruhe und Panik, resultierend aus der Atmosphäre (was einem vorerst diametral vorkommen mag), 2) der messerschwingende Maskenmann Michael Myers perse, denn niemand vermittelt derart kafkaeske Gefühle wie dieser große Teufel. Das Erzeugen der Atmosphäre wird von der ersten Sekunde an durch unvorhersehbare Wendungen, gruselige Goth-Sequenzen und vorallem von Rationalismus geprägt, denn JEDER ist schutzlos, wodurch Eskapismus a la "A Nightmare on Elm Street" zur Wunschvorstellung wird. Der Antagonist, Michael Myers, ist die pure Epiphanie, da er einfach nicht totzukriegen ist. Der Zenit vom konventionellen Serienmord wird überstiegen und Myers mutiert quasi zum Symbolträger des Todes, da selbst als er vom Jäger zum Gejagten wird, er immernoch die Oberhand behält. Letztlich bleibt Carpenters Werk ein novitärer und eindrucksvoller Film, mit vielen Facetten und einem verblüffend schauderhaften Antagonisten, hinter dem mehr steckt, als man vorerst annimmt. Happy Halloween.

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                                            vincentgorez 07.11.2015, 19:37 Geändert 15.08.2017, 11:00

                                            Pathologie, Depression, Schönheit, Zynismus, Desillusion, Psychose, oder auch: MELANCHOLIA.. Der Zuschauer wird durch die Windungen von LVTs Gehirn gejagt, mit laut schallenden Wagner-Ouvertüren, gebannten Totalitärismus, vernunftgeleitetem Pragmatismus und der Veranschaulichung der Endzeit in einem noch nie dagewesenen Blickwinkel. Die Depression, welche im Werk eine fundamentale Rolle einnimmt, darf als selbständiger Organismus angesehen werden, welcher sich durch die »suggerierte« Sinnlosigkeit dieser Welt ausdrückt und entwickelt. Selbstverständlich ist die Wahl des Soundtracks ebenso primär, wie die Handlung selbst, denn von Trier verknüpft Musik und Plot zu einem Kollektiv, genauso wie er die Nähe zur Natur mit einer Paradiessymbolik verbindet. Der Regisseur gibt unzählige Logiken, Hinweise, Metaphern und Vergleiche, sodass man selbst bei der abertausendsten Sichtung genug neue Denkanstöße vermittelt bekommt. Ein machtvoller und vorallem kluger Film, der ganz klar als Antithese zu "Antichrist" gesehen werden darf.

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                                              vincentgorez 06.11.2015, 17:46 Geändert 15.08.2017, 11:00

                                              THE KING'S SPEECH ist ein grandioses Beispiel für die Tragweiten falschgewählter (und ausgeführter) Inszenierung, denn anstatt auf die Historien binnen des zweiten Weltkriegs, und auf höchstspannende Kriegsgeschehen oder hochinteressante Wandel im House of Lords (Stichwort Churchill/Attlee) einzugehen, wurde der recht ennuyante Handlungsweg gewählt, nämlich wie King George VI es bewerkstelligt relativ stotterfrei eine Rede an das britische Volk zu halten. Dieses Prozedere erfolgt natürlich nach altbewährter Lehrer-Schüler-Dramaturgie, welche sich als relativ konventionell-lahmer Sprachunterricht zwischen einem König und seinem Logopäden entpuppt. Hoopers Film stellt sich als ein suggeriertes 7-Gänge-Menu heraus, welches sich jedoch zäh kaut und noch uninteressanter schmeckt, selbstverständlich noch gewürzt mit breiten Zuschauervorlieben nach gewohnter Oscar-Schleimerei.

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                                                vincentgorez 05.11.2015, 15:51 Geändert 15.08.2017, 11:01

                                                Berndt Schulz betitelte OUT OF AFRICA, Pollacks 15. Regiearbeit, als: »[…] wehmuetig aufgemöbelte Literaturverfilmung aus der exotischen Hochglanzwelt eines fernen Kolonial-Afrikas, in dem die Weißen die Herren waren (Wertung: Sehr gut).« Dem kann ich mich nur anschließen und man erkennt erneut (ähnlich wie bei "Jeremiah Johnson" und "Die drei Tage des Condor") Sidney Pollacks Schwäche fuer Filme mit historischen Kontext (Stichwort Kolonialismus/imperialismus; letzterer spielt jedoch eher keine Rolle im Film). Ebenfalls auffällig ist der Idealismus, den Pollack praktiziert; ein sinnliches Spiel zwischen Romantik und Eigenwilligkeit der Frau. Doch weitabseits davon wird OUT OF AFRICA natürlich dignitiv durch seine Darsteller geprägt, denn Robert Redford und Meryl Streep spielen brilliant, auch wenn Brandauer meiner Meinung nach etwas zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Weitergehend spielt die Fotografie eine tragende Rolle in Pollacks Machwerk- er präsentiert imposante Bilder, die einen Wim Wenders hätten neidisch machen können. Dass Pollack gezielt Kenia für diese Aufnahmen wählt, ist kein Zufall. Wo sonst ist das Zusammenspiel von Natur so beeindruckend?

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                                                  vincentgorez 04.11.2015, 19:24 Geändert 15.08.2017, 11:03

                                                  Pollack und Redford verherrlichen in diesem pantheistischen Western keineswegs die blutigen Richtungsweisen der Drehbuchautoren John Milius und Edward Anhalt. Milius, der eigentlich mehr Historiker, als Filmschaffender war, gab gerne sein historisches und (fast schon) enzyklopädisches Wissen ueber die Geschichte der USA zugunsten- Doch unterlag oft auch seiner Gewalt- und Machtvorstellungen, was manchmal die Idylle zum platzen brachte. JEREMIAH JOHNSON ist gerade deshalb ein solch fantastischer Film, weil Milius dort ein Gleichgewicht zwischen beiden Attributen findet. Angereichert durch Milius Mischung von Gewalt, Historie und Natur, prägt ihn ebenfalls der Humanismus von Sidney Pollack. Bis dato haben wir also eine Vielzahl von Attributen: Historie, Macht, Gewalt(-verherrlichung), Natur, Desillusionierung und Trauer. Pollack, und gerade das ist so bemerkenswert, strukturiert diese Werte perfekt und setzt sie zu einem monumentalem Klassiker zusammen. Ein Jahr später, 1973, flimmert "Jagd auf Dillinger" ueber die Kinoleinwände, der (schon) maßgebliche Maßstäbe von "Jeremiah Johnson" aufgreift; man kann somit sagen, dass Pollack mit diesem Film mächtig Eindruck geschaffen hat und die Inspiration für weitere Filme schaffen konnte. Leider war JEREMIAH JOHNSON der einzige Film, in dem Milius einen deratigen Einklang schaffte darzustellen. Wenige Jahre später unternahm er selbst einen Regieversuch, u.a. in "Der Wind und der Löwe", "Die rote Flut" oder (sogar) in "Conan der Barbar", wo seine Faszination fuer Gewalt mehr als deutlich wird. Zu einem seiner besten Filme gehört "Tag der Entscheidung" von 1978 mit Jan-Michael Vincent in der Hauptrolle, der von den Tragweiten des Vietnamkriegs berichtet. Doch zurück zu JEREMIAH JOHNSON: Obwohl Pollacks Streifen eine Vielzahl an naturalistischer Schönheit aufzeigt, darf man ihn nicht als ökologische Ballade verstehen, teilweise (und das setzte ich in Klammern!) sogar eher als ökonomische Kritik. Nicht umsonst wird der Trubel und die Gefahr der Großstadt so oft konterkariert und unter die Lupe genommen.

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                                                    vincentgorez 07.04.2015, 11:54 Geändert 15.08.2017, 11:05

                                                    DER NANNY ist, um es kurz und schmerzlos zu machen, eine stereotypische Malen-nach-Zahlen-Geschichte, mit ausgelutschten Klischees, hunderttausendfach durchgeprobt- eben nach altbekannter Schweighöfer-Manier geschaffen. Was auf den ersten Blick nach einer billigen Nanny McPhee-Abklatsche aussieht, ist es auch, und wieder einmal ist Schweighöfers Storyline an den Haaren herbeigezogen, die Dialoge alt und platt; wiedereinmal hechelt er jedem Klischee hinterher. Hinter uralten Zoten, ennuyanten Handlungssträngen und billigem Klamauk, sitzt das Autorenteam, das sich nach dem Produktionsende rührselig auf die Schultern klopft und sagt:
                                                    »Seht her, wie lustig wir doch sind.«

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