Die (Männer)Krise des deutschen Films

25.10.2012 - 08:50 UhrVor 12 Jahren aktualisiert
Repräsentiert Wotan Wilke Möhring das neue Männlichkeitsideal?
NFP/Warner Bros.
Repräsentiert Wotan Wilke Möhring das neue Männlichkeitsideal?
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Der deutsche Film bietet vor allem zweierlei: Romantische Komödien und immer dieselben stereotypen Kerle. Mit der wachsenden Popularität von Wotan Wilke Möhring könnte all das bald ein Ende haben.

Das deutsche Kino ist in einer Krise. Es gibt Problemfilme (Barbara), von denen wir trotz (oder wegen?) ihrer Qualität Depressionen bekommen. Es gibt seichte Komödien, bei denen scheinbar nur der Name der Hauptfigur wechselt, der Rest aber beibehalten wird (What a Man) und es gibt Dokumentationen, die sich niemand ansieht, weil niemand weiß, dass es sie gibt (Speed – Auf der Suche nach der verlorenen Zeit). Deutsches Genre-Kino gibt es so gut wie gar nicht, auch wenn es immer mal wieder mutige Filmemacher wie Tim Fehlbaum gibt, die das unausgesprochene Unterhaltungsverbot im deutschen Kino ignorieren. Von den drei oben genannten Kategorien, in die sich das deutsche Kino aufteilen lässt, ist die Romantic Comedy die wohl einzige, die auf Grund ihrer Besucherzahlen als „Mainstream“ bezeichnet werden kann. Und ausgerechnet die RomCom ist Ausdruck einer Männlichkeitskrise, die ich vergangenes Jahr schon in meinem Plädoyer für den Macker im deutschen Kino angesprochen habe. Aber nun gibt es Hoffnung, denn endlich ist ein Schauspieler in der Lage, komplexe männliche Charaktere auf die Kinoleinwand zu bringen und überzeugend darzulegen, dass Männer auch Gefühle haben können, ohne automatisch Weicheier zu sein.

Wotan Wilke Möhring wurde lange Zeit vollkommen zu Unrecht von der Filmwelt vernachlässigt und gerne in der Rolle des Raufboldes besetzt. Dieses Jahr hat diese einseitige Anerkennung seines Talents endlich ein Ende und Wotan Wilke Möhring darf nicht nur den deutschen Film, sondern auch die Ehre der Männer retten. Okay, vielleicht übertreibe ich jetzt ein bisschen. Damit ihr versteht, worauf ich hier mal wieder hinaus will, fange ich wie gewohnt am Anfang meiner Überlegungen an.

Machos, Weicheier und Nerds – Die Stereotypen der deutschen Komödie
Für mein Empfinden gibt es in der deutschen Komödie momentan nur drei Männertypen: den reumütigen Macho, den Schwiegersohn in der Identitätskrise und den entsexualisierten Clown. Für diese drei Rollenmuster lässt sich jeweils ein Schauspieler bespielhaft benennen.

Beginnen wir mit dem reumütigen Macho, für den natürlich Til Schweiger das Paradebeispiel darstellt. Ob in Männerherzen oder Keinohrhasen: Herr Schweiger gibt gerne den Harten mit dem weichen Kern. Letzteren demonstriert er immer wieder durch sein Verhältnis zu Kindern (Kokowääh, Schutzengel). Trotz aller Kinderliebe haftet ihm ein gewisses Bad Boy Image an, das er durchaus zu kultivieren versteht. Zuletzt brachte er die deutschen Filmkritiker gegen sich auf, weil er ihnen ein Vorabscreening von Schutzengel vorenthielt. Egal, was Herr Schweiger anpackt – seine Projekte haben stets eine Aura der Selbstbeweihräucherung, die es uns erschwert, für den weichen Kern unter der harten Schale Sympathie zu empfinden.

Til Schweiger ist der Typ Mann, der Typ Schwiegersohn gerne wäre. Typ Schwiegersohn wird natürlich von niemand Geringerem als Matthias Schweighöfer repräsentiert. Frauen aller Generationen jauchzen bei seinem Anblick: Ach, diese Löckchen! Ach, diese Grübchen! Ist er nicht niedlich! Und so begabt! Statt aber an einem erstzunehmenden Ruf zu arbeiten, tritt Herr Schweighöfer in einer mittelmäßigen RomCom nach der anderen auf, von denen er einige zu allem Übel auch noch selbst produziert. What a Man stellt trotz hoher Besucherzahlen keinen Höhepunkt der deutschen Kinokultur dar und auch sein nächster Streich Schlussmacher scheint sich in diese Mittelmäßigkeit einzureihen. Matthias Schweighöfer ist – wie übrigens auch Florian David Fitz – einer dieser Männer, deren Talent bedauerlicherweise hinter ihrer Attraktivität zurückgetreten ist, und die für immer dazu verdammt zu sein scheinen, sensible Figuren auf dem Weg zur maskulinen Selbstfindung zu spielen. Während also auch Frauen jenseits der Wechseljahre bei ihrem Anblick Hitzewallungen erleiden, wird keine von ihnen diesen Typus je als „männlich“ bezeichnen.

Als Dritten im Bunde gibt es noch Christian Ulmen. Während Männer ohnehin grundsätzlich Rollen spielen, die nicht ihrem wahren Alter entsprechen (in welchem Universum außer Keinohrhasen ist Til Schweiger bitte so alt wie Nora Tschirner?), hat Christian Ulmen mit Jonas letztes Jahr den Vogel abgeschossen. Dass sich durch diese Täuschung niemand angegriffen fühlt, ist der Tatsache geschuldet, dass Ulmen im Grunde gar nicht als Mann auf der Leinwand funktioniert, sondern als eine Art alters- und geschlechtsloser Clown. Gerne wird er als schüchterner, verklemmter Nerd besetzt (Männerherzen) oder eben als Kind bzw. kindische Figur (Jonas, Einer wie Bruno). Er dient damit als Negativbespiel, in Anbetracht dessen sich auch der größte Schlappschwanz im Publikum noch potent vorkommt.

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