BobbyStankovic - Kommentare

Alle Kommentare von BobbyStankovic

  • 9

    [...] [D]em Film liegt ein tiefes Geheimnis zugrunde, warum dieses Manifest des Italo-Westerns einfach nicht langweilig wird, Generationen für Generationen begeistert und ihm eine zeitlose Coolness inhärent ist, die obwohl er zu den meist zitiertesten Werken der Filmgeschichte gehört, einfach nicht zu einer unfreiwillig komischen Western-Klamotte werden lässt. “Spiel mir das Lied vom Tod” ist für mich der zelluloidgewordene Beweis, das ein Genre-Film sich qualitativ nicht durch eine Aufstapelung von Genre-Eigentümlichkeiten abhebt, sondern diese immer noch Tragmedium einer epischen, zeitlosen Geschichte sein können — und müssen, wenn sich der Film über sein Genre hinaus als all-time-classic verstehen will. [...] Leones gewaltige Rache-Imperialismus-Geschichte von opernhafter Größe ist ein Kunstwerk, das zeigt, zu was der Film erzählerisch wie stilistisch fähig ist. Einer der größten jemals geschaffenen Werke dieser Kunst, der Jahrzehnte nach seiner Erstveröffentlichung nichts von seiner Faszination eingebüßt hat. Es war einmal im Westen … Als Sergio Leone sein Opus Magnum schuf.

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    • 5

      [...] Viscontis Schulterschluss mit dem Proletariat ist auf eine ehrliche Weise schön, aber auch mit einer recht plumpen Anti-Kapitalismus-Keule ausgestattet. Der Industrielle kommt hier wie so häufig mit teurem Schmuck und Lucky-Strike-Zigaretten, um die ehrlich arbeitenden Proletarier einzulullen. Gerne ist er dabei auch in Uniformen offizieller Ämter. [...] “La Terra Trema” ist ein Anschauungsobjekt für den Neorealismus; für seine Machart wie für seine politische Schlagrichtung. Er ist daher auch vor allem denen zu empfehlen, die von den simplen Geschichten an der Seite des einfachen Volkes nicht genug bekommen können. Neorealismus-Fans bekommen hier knapp drei satte Stunden Arbeitersolidaritätskino. Viel mehr aber auch nicht.

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      • 7

        [...] Die Suche nach dem sozialistischen Moment wird im Werk des eingefleischten Linken Viscontis immer Ergebnisse liefern. In “Senso” ist es das solche, das Kokettieren ein großspuriges Melodram vor historischer Kulisse zu entfachen, letztlich in eine höllische Tragödie gipfeln zu lassen, die die beide Hauptfiguren als Selbstsüchtige und moralisch Verkommene entlarvt. Der heimliche, leidende Held in “Senso” ist das Volk, das vom egoistischen Handeln der blaublütigen Hauptfiguren, ihrer unnötigen Liebelei wegen, ausgenutzt und teilweise in den Tod getrieben wird. [...] “Senso” eignet sich eher als Abschluss denn als Einstiegsfilm in Viscontis Filmografie. Der konsequente Abgesang auf zu Tode geweihte Gesellschaftssysteme — Viscontis Lieblingsbeschäftigung — ist in “Senso” aber kaum weniger niederschmetternd gelungen als etwa in “Die Verdammten” und deutlich besser als in “Der Leopard”. Kein Meisterwerk, aber trotz Längen doch für weitere Sichtungen prädestiniert. Ein typischer Visconti eben.

        • 7

          [...] Eine Novelle über die, die Glück haben und die, denen es fehlt. Paul ist Stadt, Charles ist Land und die schöne Florence, der Fluss, der beide verbindet, von denen beide auf ihre Weise schöpfen wollen. Schnell kann sie Paul für sich gewinnen, während Charles glaubt, sie würde sich schließlich für ihn entscheiden, wenn er doch hart genug arbeite und geduldig genug sei. Doch kehrt Chabrol niemals davon ab, zu zeigen, dass es eben traurige Pechvögel und Menschen, denen alles zu zu fallen scheint, gibt. Das ist die Moral von der Geschicht. Peng. [...]

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          • 7

            [...] Das “englische Wetter” mit dunklen Regenwolken, wenig Sonne und unbamherzigen, kalten Wellen, die an die steinigen Strandklippen klatschen, sind hier ein probates Mittel, um dem Film eine Grundstimmung zu verleihen, die nie einen Hehl daraus macht, dass sich hier nichts wirklich zum Guten wenden wird. Krieg hat keine Gewinner, nur Verlierer. Dass “The War Zone” aber nicht einmal an ein gutes Ende einer Kriegssituation denken kann, ist eine große Schwäche des Films. So ist Vinterbergs Meisterwerk “Das Fest” die reifere Stimme zum Thema (und das ganz ohne Romanvorlage), da dort kein so brutales Ende als logische Konsequenz angeboten wird. Roths Intention ist ja durchaus legitim, aber unnötig pessimistisch und im Finale der Erzählung auch einfach etwas zu sehr aufgesetzt. [...] Tim Roths erster und einziger Film ist eine alles in allem gelungene, da immer nachvollziehbare Familientragödie mit marginalen Schwächen, die den Gesamteindrück kaum zu trüben vermögen.

            • 7

              [...] “Weiß” erinnert ein wenig an Kieslowskis zehnte Dekalog-Folge, in der eine Parabel auf den Wert von Besitz und Reichtum in einer gerade zu komödiantischen Spitze gipfelt. Was den Film inhaltlich aufwertet, macht ihn erzählerisch aber zu dem naivsten der drei Trilogie-Teile. [...] “Drei Farben – Weiß” ist ein Ausbruch aus der Elegie des blauen Vorgängerfilms, die es nochmal spannend macht, wie der polnische Meisterregisseur die Fäden in der roten und letzten Episode der Trilogie zusammenführen wird. Trotz inkohärenterer Erzählweise als in anderen seiner Arbeiten, ein Film mit Charme, mit Überraschung, mit großer Klasse.

              • 8

                “Blau” beleuchtet die Freiheit des Menschen fast ausschließlich als Fluch, weil sie uns als Segen schon so sehr bekannt ist. Julie verliert ihren Mann inklusive Kind und mit ihnen ihre Unfreiheit. Sie hat keine moralischen Grenzen mehr gegenüber ihrem Mann, sie ist finanziell ausreichend versorgt, sie hat keine Pflichten mehr als Mutter. Sie ist frei. Und doch ist “Blau” eine einzige Depression von einem Film. Es ist ein sehr anstrengende, nahezu psychosomatische Schwere, die Kieslowski auslöst. [...] "Drei Farben - Blau" ist ein in unnachahmlicher Kieslowski-Manier gedrehtes Meisterwerk mit einer eigenen Stellungnahme zu den etlichen philosophischen Positionen bezüglich der Freiheit des Menschen. Die Freiheit ist schwerlich zu verkraften.

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                • 6

                  [...] So ist “La Vie De Jesus” kein Film über Rechtsextremismus, doch aber einer über das Entstehen solcher Strukturen und dass das Ruralproletariat immer dazu neigt Pulverfass für die Eskalation seiner Perspektivlosigkeit zu sein. Die Figurenbeziehungen und -eigenschaften sind hierfür extrem trefflich gewählt. [...] Bei all den interessanten Details dieses tristen Dramas hat Bruno Dumonts Erstlingswerk aber auch eine Handvoll Schwachstellen. Erzählerisch funktioniert nicht alles, die Vergewaltigung verpufft, da der Film sich zuvor nicht für das vergewaltigte Mädchen interessiert hat. Die ultranaturalistische Sexszene ist viel zu sehr der Provokation wegen im Endmaterial des Films und hat keinen narrativen Mehrwert. Zudem ist der Handlungsablauf von Exposition zu Katastrophe recht gewöhnlich und vorhersehbar [...]

                  • 6

                    [...] In Robert Bentons Film wird die Rollenverteilung umgekehrt. Das ist simpel aber vergnügsam. Dustin Hoffman als Familienvater, der zwischen Karriere und Sohnemann versucht den Alltag zu meistern, gehört zu seinen besten Rollen und entspricht daher vielleicht dem einzigen wirklich verdienten der fünf Kramer-Oscars. Durch die Umkehrung der Rollen erkennt man die schwierigere Position der Frau im Karriereleben. [...] “Kramer Vs. Kramer” ist letztlich eine zielstrebige Romanumsetzung mit damaliger Erste-Wahl-Starbesetzung, die seinem Oscar-Schränkchen jedoch kaum gerecht wird.

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                    • 9

                      [...] Der Titel verweist auf einen gleichnamigen Fleck mitten in der kalifornischen Wüste. Im Gegensatz zum oftmals mit “Zabriskie Point” verglichenen “Twentynine Palms” ist die Wüste hier ein Quell der Hoffnung und des zelebrierten Naturalismusses. Die Wüste steht für Flucht und Ausstieg aus der menschlichen Hölle Konsumwelt. [...] Dieser Film ist von großer suggestiver Schönheit, Ehrlichkeit und vor allem von reiner Liebe mit einer der schönsten Ich-liebe-dich-Metaphern der Filmgeschichte (Tieflug des Flugzeugs). [...] Ganz sicher ist “Zabriskie Point” ein reifes, unfassbar attraktives Werk, das der 68er-Generation vielleicht mehr gerecht wird als alle experimentalistischen Ausgehversuche Godards zusammen. “Zabriskie Point is anywhere“.

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                      • 6

                        [...] Im Gegensatz zum Großmeister Peckinpah, der alles geschickt hochschaukeln lässt, ist dieser “Straw Dogs” aber ungeschickter darin die Gewaltspriale drehen zu lassen. So ist eigentlich schon beim ersten Aufeinandertreffen, den ersten Blicken zwischen David Sumner (James Marsden) und Charlie (Alexander Skarsgard) klar, dass die Eskalation nur eine Frage der Zeit ist. Manchmal ist der Film zu offensichtlich in seinen Andeutungen, manchmal gelingen ihm aber auch schöne Details. [...] Gemessen am Original natürlich schwächer, aber kein Schund und noch nichtmal eine Enttäuschung. Ein durchaus unterhaltsamer Film, handwerklich wie schauspielerisch solide Kost, die durchaus die Lesearten des Originals aufgreift und mit ihnen dixie-style jongliert. Aber am Ende muss man sich doch wieder fragen, warum man nicht lieber den Peckinpah gesehen hat.

                        • 3

                          [...] “Unsere Mütter, Unsere Väter” ist gerade für eine Fernsehproduktion beeindruckend visuell gestaltet, steht aber in meinem Verdacht mehr oder weniger beabsichtigt mit dem deutschen Schuld-/Verantwortungsbewusstsein für das Dritte Reich und seines Krieges abrechnen zu wollen, Verständnis für die Untaten der (Ur-)Großvätergeneration zeigen zu wollen und der mittlerweile weit im jugendlichen Mund verbreiteten Meinungen “Die haben halt Scheiße gebaut, ich habe damit nichts zu tun” oder “Die Russen haben dasselbe mit uns gemacht” Platz zum Wachsen zu bieten. Was beim Film letztlich beim Zuschauer hängen bleibt, ist nicht der Schrecken der Wehrmachtstaten, sondern eine konstruierte Vermenschlichung, die verharmlosend, problematisch, ganz nebenbei auch irgendwie unrealistisch ist.

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                          • 6

                            [...] „Camille Claudel 1915" schildert auf eindrucksvolle Weise das Schicksal einer großen Künstlerin, inszeniert in strengstem Dumont-Naturalismus. Das Ergebnis ist kein einfaches Sehvergnügen, aber ein faszinierender Kampf einer großartig aufgelegten Juliette Binoche mit Dumonts gnadenloser Kamera und somit für Freunde des außergewöhnlichen Kinos interessant.

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                            • 7

                              [...] Es gibt keine moralische Wertung — und das ist die zentrale Stärke von “Zero Dark Thirty”. Die Jagd auf Osama Bin Laden wird weder als notwendig glorifiziert, denn als sinnloses Übel negativiert. Die moralische Bewertung obliegt dem Zuschauer, dadurch erinnert “Zero Dark Thirty” in seinen besten Momenten gar an Portecorvos Terrorismus/Antiterrorismus-Meisterwerk “Schlacht Um Algier”. Selbst als Obama-Werbung kann man den Film nicht entlarven: Die Tötung Bin Ladens ging zwar auf Obamas Konto, der Film suggeriert aber, dass sich Protagonistin Maya zunächst mit Ellenbogen gegen schulternzuckende Organe der Regierung hat durchboxen müssen. Zudem bleibt ein (in der deutschen Fassung unfassbar schwach synchronisierter) Fernsehauftritt Obamas in Erinnerung, der auf einem Fernseher im Hintergrund läuft und Foltermethodien leugnet, währenddessen der Film eine deutlich andere Sprache spricht. [...] Zero Dark Thirty” ist eine gigantische Steigerung gegenüber Bigelows letztem Film, der eine Würdigung der Oscar-Jury verdient hätte.

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                              • 1
                                über Bedways

                                [...] ["Bedways"] ist eine egozentrische, selbst überschätzende, pseudoexperimentelle Arbeit eines Regisseurs, der fehlendes Talent mit Unkonventionalität übertünchen möchte. [...] [und] ein schlechter Versuch, mit einfachsten Mitteln von Zuschauermanipulation, einen provokativen Kunstfilm vorzugaukeln. Der Film ist zudem sehr undynamisch, technisch grausam und spannungslos erzählt und sollte keineswegs als diskutierbaren Kunstversuch angesehen und akzeptiert, sondern einfach boykottiert werden. Nicht ansehen.

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                                • 2
                                  über Nemez

                                  Schon Michelangelo bemerkte: „Aus dem Leide schöpft die Kunst die erhabensten Eingebungen.“ Auf jüngere Entwicklungen im deutschen Kino bezogen, erscheint es als stelle die schwierige Identitätssuche von Migrantenkindern diese Leiden Michelangelos dar. Eine ganze Generation von Regisseuren wie Fatih Akin („Gegen die Wand“), Thomas Arslan („Im Schatten“) oder Züli Aladag („Elefantenherz“), allesamt Nachwuchs von Einwandern, hat den deutschen Film mit Geschichten um den Zwiespalt zwischen Herkunft und Heimat bereichert. Regisseur Stanislav Güntner versucht mit seinem ersten Langfilm „Nemez“ ganz ähnliche Töne anzuschlagen, doch dabei schlittert er zunehmend vom autobiografisch-geprägten Identitätsdrama in einen unglaubwürdigen Kriminalfilm.

                                  • 8

                                    [...] Durch geschickte Andeutungen und feine Details (z.B. der Pass an der Rezeption) wird eine beachtliche Spannung entwickelt, die sich ganz aus der realismusverhafteten Bildsprache des modernen Autorenfilms nährt. Interessanterweise stand Mungiu bei der Fertigstellung unter einem ähnlichen Zeitdruck wie die Figuren im Film, was ihn dennoch nicht davon abhielt mit perfektionistischen Plansequenzen zu arbeiten, die seinem großartigen Cast vor ähnlich physisch- wie psychisch kräftezehrende Herausforderungen gestellt haben dürfte wie die dargestellten Figuren. [...] “4 Monate, 3 Wochen Und Zwei Tage” ist spannend inszeniert, historisch-interessant und gilt zu Recht als Sperrspitze der rumänischen New-Wave. Die quälenden Erlebnisse im Hotelzimmer bleiben lange in verschiedenen Magenwinkeln stecken. Manches Gezeigtes und Ungezeigtes wird wohl immer bleischwer und unabtreibbar im Rezipienten verweilen.

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                                    • 6

                                      [...] Das zeitgenössische iranische Kino bezieht seine Reize aus der Tatsache, dass sich das Filmschaffen allein ständig mit penibelsten gesellschaftlichen Normen beißt, obwohl diese lächerlich erscheinen, angesichts des sehr westlich-modernen Bürgertums Teherans. In “Perserkatzen Kennt Doch Keiner” ist diese Diskrepanz am Beispiel der Musikszene aufgezeigt, die nahezu ausschließlich im Untergrund agieren muss. Mit Handkamera und halbimprovisierten Dialogszenen hat dieser Film einen visuellen Stil zwischen Dokumentar- und Amateurfilm. Das kann man reizvoll oder anstrengend finden. [...] Ghobadis Film ist eine solide Reise in ein interessantes Künstlermilieu irgendwo in Kellern und Bauernhöfen in und um Teheran. Eine Welt, die wir ohne die Courage iranischer Filmemacher nie kennengelernt hätten. Nichtsdestotrotz tut sich der Film als halbdokumentarischer, halbimprovisierter Musikfilm etwas schwer. Nicht perfekt, aber empfehlenswert.

                                      • 7

                                        [...] “Verrückt/Schön” erscheint so, als würde der Regisseur dazu gezwungen worden sein eine standard-klischeehafte Lovestory zwischen zwei ungleichen Individuen abzuleisten, er aber sich mit Händen und Füßen gewehrt hätte um noch das Beste aus dem Stoff zumachen. Vielleicht hat der Regisseur auch gegen das Script von Phil Hay und Matt Manfredi angedreht. Das weiß man nicht. Das Ergebnis allerdings ist erstaunlich unrund in einem positiven Sinne. Ein Film, der für eine Hollywoodlovestory überraschend oft Liebe für seine eigene Figurenkonstellation offenbart. In gewisser Weise ein Film, der ein Vorbild ist, für alle Reißbrettlovestorys, die keinen Aufwand betreiben um ihre Figuren persönlich und klischeelos zu machen. “Verrückt/Schön” hat immer noch eine sträflich klassische Lovestoryprämisse, um leichte Kitschansätze kommt der Film auch nicht herum, aber er versucht es zumindest so gut wie Hollywood es gerade noch zu erlauben vermag. Das ist verrückt und daher auch schön. Hach, jetzt habe ich es doch gebracht.

                                        • 9
                                          über Babel

                                          “Babel” ist das eigengesetze Denkmal auf den Episodenfilm, der Mitte des 2000er-Jahrzehnts zur Mode von Sozialdramen wurde. Der Film stellt sich vor die große Herausforderung die ganze globalisierte Welt als Schauplatz des Geschehens zu machen und meistert es ohne in Gigantismus zu verfallen eindrucksvoll. Jeder Mensch ist gleich. Gleich macht- und bedeutungslos vor der Schicksalsfrage tod oder lebendig — vor Gott, wenn man so will. Wenn man den Film religiös auslegt, was man machen oder auch sein lassen kann. Iñárritu lässt gekonnt eine religiöse Note mitschwingen, ohne auch nur im Ansatz in Idealismus zu verfallen. So ist “Babel” eine ambivalent auslegbare, meisterhaft inszenierte Wucht des Realismus, die unvergessen und zeitlos bleibt. Ein famoses Meisterwerk ohne jegliche Schwäche. Es sind mehr die Bilder und weniger die Worte die bleiben. Mehr die Empfindungen, das Scheitern und Siegen gegen das Schicksal. Und die letzte Umarmung auf dem Balkon in einer 35-Millioneneinwohnermetropole. Glitzernde Lichter. Ich bin sprachlos — wie dieser Film.

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                                          • 7
                                            über Herbst

                                            Özcan Alpers Debütfilm wirft uns in eine osttürkische Mittelmeerregion, rural geprägt und Heimat des sozialistischen Yusufs, der wegen politischer Aktivität 10 Jahre im Gefängnis verweilte. Seine Jugend, seine besten Jahre. Ihm gegenüber steht die georgische Prostituierte Eka, deren Herkunft sich dem nichttürkischen Zuschauer, der das möglicherweise nicht ganz muttersprachlich reine türkisch, dass sie spricht, erst durch Visumsandeutungen und ihr Interesse für russische Literatur erschließt. [...] “Sonbahar” ist ein spannendes, suggestives Drama, mit zwei aufeinander treffenden Individuen, wie sie sich immer und überall begegnen können und begegnen. Alper schafft es mit seiner konzentrierten Regiearbeit den Zuschauer für das Schicksal dieser Schicksalslosen zu sensibilisieren.

                                            • 7
                                              über Im Juli

                                              [...] Fatih Akins zweiter Streich ist solides Gute-Laune-Kino. Mit Herz und einer erfrischend- unkonventionellen Leichtigkeit gehört der Film ganz klar zu den außergewöhnlicheren Arbeiten der einheimischen Komödienlandschaft. Dabei gelingt es Akin, sein Händchen für Situationskomik und die überaus sichtbare Leidenschaft für ausgedehnte Landschaftsaufnahmen zusammen zu bringen und den Figuren seines Films trotzdem nicht die Show zu stehlen. „Im Juli" ist Kino, das den Sommer einfängt und festhält.

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                                              • 6

                                                [...] Hanekes Film ist auf Realismus gepolt und umkurvt mit bemerkenswerter Lässigkeit Genre-Konventionen, in die eine Endzeitgeschichte schnell abzurutschen vermag. Feuer in der Dunkelheit als mögliche Metapher für den initiativen zivilisatorischen Gedanken ist das zweite Markenzeichen des Films. [...] Rassistische Vorurteile finden genauso fruchtbaren Boden in der sozialen Notlage der Menschen, wie den Glauben in (absurde) religiöse Erlösungsprophezeiungen. Der Mensch ist dem Mensch ein Wolf — oder doch nicht? Wie vieles kann Haneke die verschiedenen Mechanismen in der Wolfsgesellschaft jedoch nur an- und nicht durchleuchten. Hier wäre mehr auch wirklich mehr gewesen. “Wolfzeit” ist ein solider Film mit dem ein oder anderen interpretativen Zugang, dem aber rückblickend das letzte Quäntchen Konsequenz fehlt.

                                                • 7
                                                  über Sturm

                                                  [...] Dabei legt Schmid deutlich mehr den Fokus auf einen politisch-ethischen Diskurs, denn auf eine wendungsreiche Kriminalgeschichte und stellt mit seinem routiniert vorgetragenen Polit-Drama somit ein ernsthaftes Statement in der internationalen Aufarbeitung von Kriegsverbrechen dar. [...] “Sturm” ist ein Polit-Drama von internationalem Format, das sich mutig in diesem noch jungen Thema positioniert und einen breiten Rahmen schafft, in dem fruchtbare Diskussionen stattfinden können. Diskussionen, die notwendig sind. Denn “Es hört nicht auf, solange sie wegrennen!“.

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                                                  • 3

                                                    [...] Regisseur Rudolph Jula weiß immerhin Italien mit prachtvollen, sommerlichen Postkartenmotiven in Szene zu setzen, verbunden mit dem schematischen, teils arg unrunden Skriptversen und dem entäuschenden Schauspiel der beiden Hauptdarsteller wirkt “Cattolica” jedoch am Ende des Tages eher wie eine ARD-Frühabend-Romanze, die fehlendes dramaturgisches Niveau mit stimulierendem Urlaubsfeeling kaschieren will. [...] Filme sind es, die unglaubliche Geschichten wahr werden lassen und in unserem Kopf oder wenigstens in unserem Herzen als realistisch erscheinen lassen. Das schafft Rudolph Jula bei aller Ambition nicht. Sein Film wirkt nicht nur konstruiert, sondern kann sich auch aus dramaturgischer Sicht nicht entscheidend von Seifenoper-Einheitsbrei abheben. Einzig, dass der Film nie in falschen Sentimentalitäten ausbricht, muss man “Cattolica” zu Gute halten.