BobbyStankovic - Kommentare
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Alle Kommentare von BobbyStankovic
[...] Calin Peter Netzer hat einen Film über die Mutter als gesellschaftliches Pars pro toto für die aktuelle rumänische Administrative gedreht. Der inhaltlich minimalistische Berlinale-Gewinner ist politisch so deutlich skizziert, dass man nicht drum herum kommt, ihn als gesellschaftspolitische Momentaufnahme zu lesen. Das war dem Regisseur ebenso klar wie der Berlinale-Jury, die eh für politische Statements bekannt ist. Rein filmisch wird hier aber eher nur solide Kost geliefert, weswegen der von mir heißerwartete New-Wave-Film eher zu den leisen Enttäuschungen des Kinojahres 2013 gehört. [...] “Mutter & Sohn” eignet sich vor allem für Interessierte an der aktuellen Lage der post-sozialistischen Gesellschaft Rumäniens und an Beobachter der rumänischen New Wave, als psychologisches Drama wird es seinem Ruf nicht wirklich gerecht. Der Autounfall, der zwei gegensätzliche Stände aufeinander prallen lässt und Gegenstände wie Ehre, gesellschaftlicher Status und Gerechtigkeit abhandelt, erinnert an das, was Asghar Farhadi schon seit Jahren mit meisterhaften Drehbüchern behandelt. Davon ist der junge Calin Peter Netzer noch entfernt, auch findet er in “Mutter & Sohn” nicht den präzisen Anspielungsreichtum seines Regie-Kollegen Mungiu. Man kann trotzdem gespannt sein, was man in Zukunft von Netzer erwarten darf. Einen gewonnenes A-Film-Festival hat bisher weder Farhadi noch Mungiu geschadet.
Aus den englischen Fußballstadien sind sie praktisch verschwunden: die einst berühmt-berüchtigten Hooligans. Nach der Hillsborough-Katastrophe Ende der 1980er wurden die rauen Gesellen erfolgreich aus den Stadien vertrieben, mit teils drastischen Maßnahmen wie einem generellen Alkoholverbot oder der Abschaffung von Stehplätzen. Die Hooliganszene aber lebt weiter, verlagerte sich in die Pubs und Straßen der Städte, wo sich ihre Rivalität auch heute nicht weniger brutal entlädt als früher. Mit diesem Hintergrund wird sich im von James Nunn („Tower Block“) inszenierten dritten Teil der „Hooligans“-Reihe allerdings kaum auseinandergesetzt. Stattdessen bildet dies nur die Kulisse für das vor Klischees nur so triefendem Martial-Arts-Vehikel „Hooligans 3 – Never Back Down“, in dem die Hooliganszene als Liga illegaler Straßenkämpfe gezeigt wird.
[...] Trotz der ein oder anderen vorhersehbaren Storywendung ist die Erzählweise herrlich unorthodox wie Llewyn selbst. Immer wenn man glaubt aus der Dramaturgie des Films schlau zu werden, biegt “Llewyn” nicht da ab, wo man es erwartet. Vielleicht schaffen es die Coens gerade deshalb der Geschichte dieselbe Spontaneität zu verleihen, die der Film als Lebensstil offenkundig gegen das Streberhafte und Disziplinarische agitiert. [...]
Die Coens haben schon größere Filme gedreht, aber Ausreden, sich diesen Film nicht anzusehen, gibt es trotzdem keine. “Inside Llewyn Davis” ist eine Huldigung an einen Lebensstil, von dem uns die Gesellschaft wegerzieht. Aber das Gefühl von Belehrung bleibt nicht zurück, viel mehr die Erkenntnis, wie großartig Folk-Musik klingen kann. Vielleicht war das den Coen-Brüdern auch wichtiger.
[...] Auch wenn “Wadjda” die dramatische Dichte großer Autorenfilme vermissen lässt, konnte man selten einen Beitrag des Weltkinos sehen, der so geschickt trotz eingeschränkter künstlerischer Freiheit glasklar dokumentiert und zum wertenden Abschuss anderer freigibt. Denn als dieses Kommunikationsmittel zwischen denen, die wissen wie es den Frauen geht und denen, die wissen wie es den Frauen gehen sollte, ist dieser Film — machen wir uns nichts vor — gemacht. Das auch nur ein erzkonservativer Araber durch diesen Film von seiner Sharia-Welt abweichen wird, glaubt wohl niemand. Immerhin soll es angeblich mittlerweile Frauen gestattet sein, Fahrrad zu fahren. Aber das hat wohl eher etwas mit außenpolitischem Schamgefühl Saudi-Arabiens, das durch diesen Film ausgelöst wurde als mit emanzipatorischem Eingeständnis zu tun. Wie “Wadjda” hier Kamera und Drehbuch als Instrumentarium verwendet, um gesellschaftliche wie frauenrechtliche Missstände aufzudecken, für die es nur blankes Kopfschütteln geben kann, ist nicht selten meisterlich. Eine arabische Fahrraddiebin. Und einer der besten Filme des Kinojahres 2013.
[...] Selten hinterlässt ein Film den Zuschauer so sehr mit der simplen Frage “Warum?”. Menschen überfallen andere Menschen in der Nacht und töten sie mit Schrotflinten, egal ob Mann, Frau oder Kind. Es gibt keinen Grund dafür und Fliegauf hat auch nie den Hauch eines Interesses einen zu liefern, den Rassismus der Ungarn zu psychologisieren. Stattdessen tut der Regisseur etwas Einfaches wie Bemerkenswertes: Er zeigt die Sinti und Roma in all ihrer sozialen Schieflage, ungeschönt und authentisch, solidarisiert sich aber mit ihnen, indem er die Kamera so nah wie möglich an seine Figuren heranbegibt. [...] "Just The Wind” zieht seine Stärken aus seiner unbamherzigen Konsequenz, ein sensibles ungarisches Thema an die Öffentlichkeit zu bringen und für eine breite Diskussion greifbar zu machen. Der formal minimalistische Stil bewegt den Fokus auf das behandelte Objekt anstatt auf sich selbst, was ihn als politisches Statement umso besser, filmisch aber zu keinem Meilenstein macht.
[...] “Le Passé” erinnert erzährhythmisch nicht selten an einen Kriminalfilm; es gibt eine titelgebende Vergangenheit, die rekonstruiert werden muss. Farhadi-typisch ist hier wirklich jedes noch so kleine Detail von evidenter Bedeutung. Vieles wird erst nach und nach erhellt und jede Figur kann mit einem unerwarteten Geständnis die Dynamik des Films komplett auf den Kopf stellen. Im Gegensatz zu “Nader & Simin” ist dieser erste europäische Farhadi-Film explosiver in seiner Emotionalität und mutiger in seiner Bildwahl. Schlecht ist das nicht, denn von falschen Sentimentalitäten ist Farhadi weit entfernt, es ist aber weniger detailliert und komplexer als die Screenplay-Wucht seines Vorgängerfilms. [...] Wieder hat Farhadi aus einer Alltäglichkeit ein kleines Universum geschaffen. Wo man sich bei “Nader & Simin” noch selbst belügen und den Film zum Spiegel der iranischen Gesellschaft runterbrechen konnte, gibt es jetzt keine Entschuldigungen mehr. Farhadi ist die vielleicht vielversprechendste Stimme des gegenwärtigen Arthouse-Kino überhaupt. Man kommt nicht mehr darum herum, seine Filme zu sehen. Somit ist “Das Vergangene” ironischerweise vielleicht ein unweigerlicher Hinweis auf das, was da noch kommen wird.
Die provozierte Doppelbödigkeit, der kranken und kriminellen Römer der Shakespeare-Tragödie, die von ebenso Kranken und Kriminellen gespielt wird, liefern natürlich Subtext. Wer sucht, der findet. So richtig zufrieden kann man mit “Cäsar muss sterben” trotzdem nicht sein. Dazu trägt auch das von vielen Seiten zurecht getadelte Ende sein Übriges, in dem doch tatsächlich der letzte Häftling nach der Vorstellung wieder in seine Zelle eingeschlossen wird und sagt: “Erst seit ich die Kunst kenne, erscheint mir meine Zelle wie ein Gefängnis“. Und Abspann. Mehr Holzhammer geht nicht. Und wenn die Tavianis tatsächlich die “heilende Kraft der Kunst” derartig als Essenz ihres Filmes herausstellen, sollte man sich zweimal überlegen, ob die Berlinale-Jury ihm nicht unrecht tat als sie ihn als besten Film auszeichnete. [...] Shakespeare-Fans oder Kenner der italienischen Politik und Gesellschaft werden in diesem Film sicherlich interessante Details erkennen können, verreißen werden sie ihn kaum können, denn dazu wagen sich die Taviani-Brüder zu wenig aus der Deckung. Das Spätwerk der italienischen Regie-Brüder ist einen vorsichtigen Blick, aber sicher keinen Goldener Bären wert.
[...] Die filmischen Techniken, die in “The Birds” zum Einsatz kommen, waren seiner Zeit sicher das Nonplusultra, heute sieht das Ganze etwas angestaubt aus. Die technischen Tricksereien sind aber keineswegs die Schwäche des Films, sondern lediglich die strikte Zurschaustellung dieser. Der rustikale Stil aus ohrenbetäubender Krampfbeschallung und Vogelangriffen, die per Yellow-Screen-Technik (dem Vorgänger des Blue-Screens) über das Bild gelegt wurden, hat einen zeitlosen Charme und rechtfertigt immer noch einen Kultstatus in der Filmgeschichte und gezogenen Hüten in Form von Epigonen. Aber “The Birds” ist nicht nur nicht selten unfreiwillig komisch im Verhalten seiner Figuren, er ist auch inhaltlich relativ uninteressant. Ein paar Motive wie die Rache der Natur am Menschen werden nur sehr hauchzart angerissen und sind reichlich platt umgesetzt, sollte es tatsächlich die Intention des Werkes sein. [...] Was bleibt ist ein gnadenloser Hitchcock, der Spaß daran hat, ungefährliche Kleinvögel im tödlichen Kollektiv auf die Menschheit los zu lassen. Das ist amüsant und unterhaltsam, aber teilt sich mit einem seiner Hut ziehenden Erben, “Der Weiße Hai” nämlich, dass er nur als Pionier und Kultfilm Relevanz hat, in vielerlei Hinsicht aber kein herausragender Film ist.
Das Thema Pädophilie wird von den meisten Filmschaffenden doch noch eher mit Samthandschuhen angefasst. Wenn sich ein Film tatsächlich profund damit auseinandersetzen und die Pädophilie nicht nur als charakterisierendes Element für einen Bösewicht verwenden will, ist man in der Filmdistribution doch noch eher vorsichtig und hat im deutschen Fall das Drama “Mysterious Skin” mit einem dicken FSK-18-Siegel versehen. Erst 2010 erschien der Film in Deutschland über Störkanal, dabei ist der Film geradezu harmlos in seiner Darstellungsweise und durchaus konventionell in seinem Erzählstil. Gelungen ist er trotzdem, weil er die richtigen Töne zu einem heiklen Thema trifft. [...] Wer einen Thriller oder eine kontroverse Arthouse-Perle mit expliziten Darstellungen erwartet, sollte andere Releases aus der Störkanal-Reihe abgrasen. “Mysterious Skin” ist eher so etwas wie eine etwas härtere aber äußerst gelungene Cold-Case-Folge. Starkes Kino zum Thema Kindesmissbrauch, aber etwas schwächer als die ihn als Geheimtipp lobpreisende Mundpropaganda weismachen will.
[...] Wie lobenswert das Unterfangen auch sein mag, so sehr bleibt jedoch auch der Beigeschmack eines Show-Events, das zu sehr in seine eigene Übersetzungsarbeit verliebt ist. Die filmischen Mittel tun dazu ihr Übriges, sie erreichen nie die Professionalität der Musik und lassen den Zuschauer nie in den Film hinein tauchen. Dieser bleibt an der Oberfläche und sieht singende, südafrikanische Opernsänger aber kein Don José und keine Carmen, wie man sie gerne sehen und spüren würde. Wenn es sich auch in Bildern gesprochen dramatisch zuspitzt, findet Dornford-May Bilder, die eines Berlinale-Siegers nicht würdig sind. [...] “U-Carmen” ist ein Show-Event in Film-Form, kein prätentiöser Versuch afrikanische Kultur zu zeigen, sondern andersrum europäische in ein afrikanisches Terrain zu verfrachten. Das funktioniert nie so richtig, bleibt aber trotzdem sehenswert (nein, eigentlich hörenswert) genug, um für diesen Film eine vage Empfehlung auszusprechen.
[...] “Die Unschuld” ist interessant, weil Visconti den Film als Ursachenforschung des Faschismusses verstand, dazu aber eine Figur in den Mittelpunkt der Kritik steht, mit deren Atheismus Visconti in “Der Fremde” etwa noch sympathisierte. Anders als Haneke in “Das Weiße Band” ist es hier keine streng ausgelegte Religion, die die Entstehung des Faschismus begünstigt, sondern ein Dekadentismus, der sich einer religiösen Weltansicht gänzlich versagt und das Leben als Chance einer beinah morallosen Auslebung eigener Interessen versteht. Viscontis Kritik erinnert fast an Kants moralischen Gottesbeweis, der zwar Gott ablehnt, das Glauben an eine richtende Instanz jedoch als Funktionskriterium einer menschlichen Moral voraussetzt. [...] “Die Unschuld” ist — wie zu erwarten — ein versöhnlicher Abschluss für Zuschauer, die ohnehin schon viel mit den Palazzi und Adelshöfen des Luchino Visconti viel anfangen konnten. Von dem Neorealismus früherer Tage oder der Sujet-Ausgeflipptheit eines “Die Verdammten” weit entfernt, dürfte der Film eher langweilig sein für solche, die kein reges Interesse an Faschismusanalyse aus der Sicht Italiens des 19. Jahrhunderts mitbringen.
[...] Anders als andere filmische Auswertungen des verrückten Königs, nähert sich Visconti mit zu vernachlässigender historischer Genauigkeit. Viel mehr bindet er den Ludwig in seinen Sammelband an Verfallsstudien ein, nutzt den Ludwig als absoluten Dekadent. Historische Details werden nicht verfälscht, sondern lediglich ausgespart. Es werden (anders als in “Senso” oder “Der Leopard”) keine Schlachtenszenen gezeigt, es wird nicht die Krönung gezeigt und das einfache Volk Bayerns sieht man lediglich in einer einzigen Szene. Der Film versucht die Seele des Ludwigs und ihr Verfall darzustellen und fühlbar zu machen, daher konzentriert er sich auf die Details, die Aufschluss über Ludwigs Entwicklung bieten, etwa als Bayern aufgefordert wird Teil des neuen deutschen Reiches zu werden und Ludwigs phantastische Vorstellung eines großen bayerischen Reiches Risse bekommt. [...] Visconti ist mit seinem drittletzten Film ein Highlight seiner Filmografie und eines der besten Geschichtsdramen der Filmgeschichte gelungen. Die fünf Akte über den bayerischen Skandalkönig sind die symbiotische Übereinkunft aller typischen Visconti-Themen und ergeben ein nachweltüberdauerndes Opus.
Als Visconti seinen vorletzten Film “Gewalt und Leidenschaft” drehte, war er gesundheitlich bereits so angeschlagen, dass er einige Zeit des Drehs in einem Rollstuhl verbringen musste. Sicherlich nicht ganz zufällig spielt der Film auch (fast) ausschließlich in einem einzigen Haus. Auch wenn es ein römisches Palazzo sein mag: eine recht überschaubare Kulisse. Das Script ist in diesem Fall keine Adaption einer direkten Literatur-Vorlage, viel mehr ist es ein Sammelsurium an typischen Visconti-Momenten: Verfall, ein Familienporträt als Gesellschaftsporträt, Hochkultur und Homoerotik. Die literarisch aufgeladenen Versatzstücke vergangener Werke werden hier zu einer Spätwerk-Melanche zusammengerührt; in seinen politischen Untertönen spannend, aber nicht zu Viscontis Meisterwerken zu zählen. [...] “Gewalt und Leidenschaft” ist trotz fehlender Familie ein politisch aufgeladenes Familienporträt. Streckenweise ein Best-Of von Visconti-Momenten, ist er weniger geschickt in der Vermittlung seines Subtextes, dennoch ein solider, hervorragend interpretierbarer Film.
[...] Um eine breitgefächerte Diskussion um Ernährungsethik oder Ökologie ist “Soylent Green” nie interessiert und kokettiert eher damit, zu einem allzuklassischen Crime-Thriller zu verkommen. Aber auch hier: Ein Scheitern. Kann man von einem Hollywood-Thriller der 70er nicht so etwas wie einen gelungenen Spannungsaufbau, ja wenigstens den Hauch von genereller Spannung erwarten? Fehlanzeige. [...] “Soylent Green” ist ein Science-Fiction-Machwerk, das schon deutlich vor 2022 zum Alteisen gehört und in grüne Plätzchenform gestanzt gehört. Selbst 1973 dürften vor allem inhaltliche Unzulänglichkeiten und Atmosphärelosigkeit aufgefallen sein. Ein paar kultige Momente und die liebenswerte Naivität dieses Films retten ein paar letzte Punkte.
[...] Wer auf der Suche nach einem wirklich spannenden Film ist, sollte sich eher bei Yildirim oder Akin umsehen. Die Geschichte, die in “Dealer” erzählt wird, ist moralisch konsequent auf ein klares Finale hinauslaufend, das alles andere als überraschend kommt. Das ist aber auch nicht die Absicht des Regisseurs. [...] “Dealer” ist ein sehr kurzer Film, der für alle Thomas-Arslan-Interessierte oder solche, die sich mit dem deutschen Migranten-Kino auseinandersetzen wollen, einen Blick wert sein dürfte. Einen spannenden Crime-Thriller sollte man trotz des Titels jedoch nicht erwarten, vielmehr dokumentiert Arslan den titelgebenden “Beruf” anhand seines Millieus, der nicht aus krimineller Boshaftigkeit, sondern eher aus sozialer Notwendigkeit betrieben wird.
Da gibt es diese eine Anekdote zu “Gummo”, dass Harmony Korines Beratungslehrer, der ihn als außerordentlich schlechten Schüler betrachtete und ihm den Beruf des Bricklayers (Maurer) ans Herz legte. Als dann “Gummo”, Korines erster Film fertiggestellt wurde, traf Korine seinen Lehrer wieder und fragte ihn, wie er den Film fand, dieser sollte nur gesagt haben: “Ich sagte doch, du solltest Bricklayer werden.” Das trifft es ganz gut, denn “Gummo” ist eine eigenwillige, kunstvolle Ansammlung von solchen Bricks; schweren aber bunten Bricks. Eine stabile Baute ergeben sie beileibe nicht, eher ein Konstrukt moderner bildender Kunst. Viele werden es als gescheiterten Arbeitsversuch etwas Stabiles erschaffen zu wollen sehen und andere werden dem Brickhaufen etwas Künstlerisches abfinden können. [...] “Gummo” ist ein besonderer und faszinierender Film. Man kann ihn lieben oder hassen, genial oder unnötig finden. Man kann Korine für dieses Debütwerk zum Arthouse-Hoffnungsträger hochjubeln oder ihn die Maurerkelle in die Hand drücken und ihn zurück in die Arbeitergegend des White Trashs zurückschimpfen, aber eins ist sicher: When you see it you’ll shit bricks.
[...] “Trainspotting” spricht jenen aus der Seele, die sich abkapseln, weil sie schnell begreifen, dass sie anders sind und bei den Meisten auf Granit beißen. Ein Film, den daher die meisten verstehen, aber beileibe nicht alle fühlen werden. Dabei geht es weniger um den exzessiven Heroinkonsum, der hier realitätsnah dargestellt wird, sondern um das, was er aussagt: Das Nein-Sagen. Den Verzicht auf den Anschluss in der Gesellschaft, dafür zu einer Exilgemeinschaft anzugehören, die ihre eigene Kaputtheit zelebriert, aber letztlich an dieser auch zu zerbrechen droht. [...] “Trainspotting” ist ein Film über den man mehr vom Herzen schwärmen als wirklich Handfestes schreiben kann. Am Liebsten würde man ihn als “Kultfilm” abstempeln und es dabei belassen. Was Danny Boyle schuf, ist schwerlich zu wiederholen, weswegen abzuwarten ist, ob Danny Boyle sein Werk jemals toppen wird. 2016, zwanzig Jahre nach “Trainspotting” soll Boyle wohl aber eine ernsthafte Chance bekommen. Dann nämlich soll “Trainspotting 2″ in Originalbesetzung erscheinen.
[...] Das Autorenteam um “Wut” kalkülierten einen lauten, reißerischen Film, der sich Antworten verwehrt und lediglich auf den obligatorischen öffentlich-rechtlichen Diskussionsabend hinkonzipiert gewesen sein dürfte. Man nehme einen völlig ausgelutschten Konflikt zwischen türkischer Unterschicht und deutscher, bildungsbürgerlicher Oberschicht und pumpe ihn mit klischeehaften Drehbuchfragmenten und Stereotypen auf. [...] Unverständlich wie man diesen Film als gelungenen Integrationsbeitrag bezeichnen kann. So borniert kann nur der deutsche TV-Film-Zuschauer sein, dass er wirklich glaubt, die Manifestation des Bildes eines kriminellen, primitiven Türken, der unbelehrbar in seiner asozialen Energie ist und es nur das pessimistische Ergebnis einer Konfrontation mit alles anderem als humanistischen Charakter geben könne, wäre ein gelunger Beitrag zur Integrationsdebatte. In diesem Licht ergibt auch der Bambi für Bushido Sinn.
[...] Statt auf ein konventionelles Fortschreiten der vordergründigen Coming-of-Age-Geschichte lenkt Erdem durch assoziative Stilmittel die Aufmerksamkeit erfolgreich auf größere Zusammenhänge. Repetitive Elemente wie die singende rote Puppe oder ein Truthahn, an dem Hayat tretend ihren ganzen Frust rauslässt, sind das zentrale Stilmittel des Films und generieren einen ausdeutbaren Interpretationsspielraum, der auch als politischer Subtext verstanden werden kann. [...] Mit einer bemerkenswerten Penetranz legt der Film das Getöse seiner kleinen, dichten Welt über seine Bilder. Eine Welt, die Hayat förmlich keinen Platz zum Atmen lässt. Die verrauchte Baracke des Vaters scheint jedenfalls nicht der richtige Ort für sie zu sein. Es bedarf eines Ausbruchs.
[...] Da “Mr. Lonely” im Gegensatz zu anderen Filmen durchaus an einer stringenten Erzählweise interessiert ist, kann man ihm auch den Vorwurf machen, dass ihm darin nicht alles gelingt und er trotz haufenweise Skurrilitäten streckenweise sehr langatmig daherkommt. [...]
Nicht ohne Schwächen und nicht ohne Längen ist Korines dritte Regiearbeit. Wieder so ein Film, bei dem der Wunsch, beim Dreh dabei gewesen zu sein, größer als das bloße Sehvergnügen ist.
[...] Was den Film letztlich misslungen macht, ist die Planlosigkeit des Films, die natürlich Stilmittel ist, aber nicht verbergen kann, dass Korines Drehbuchprogramm wahrscheinlich permanent ausgeschalten war und er stattdessen mit seinen Kumpels verkleidet losgezogen ist und in der Stadt Terror geschoben hat. Harmony Korine ist ein sympathischer Kerl und ich hätte es genauso gemacht, aber den Godard-Luckypunch daraus noch einen interpretierbaren Kunstfilm zu machen, den man als gelungen bezeichnen könnte, kann man in „Trash Humpers“ beim besten Willen nicht erkennen. [...] Die „Trash Humpers“ fügen dem Korine-Werk einen durchaus sehenswerten Gehversuch im Tabubrechen hinzu, der aber noch keinen gelungenen Film macht. Der Dreh des Films dürfte deutlich mehr Spaß gemacht haben als die Sichtung des Films. Ein Youtube-Video in Überlänge. Vielleicht hat Korine von seinem Direktübergang vom White-Trash-Kid zum Autorenfilmer nie gelernt, dass niemand 75 Minuten lang Youtube-Videos ansehen will.
[...] Die große Stärke des Films sind die Landschaftsaufnahmen, an die die erzählerische Geschwindigkeit des Films geradezu angepasst ist. Dass die Natur der Star ist, daraus macht Popogrebski keinen Hehl. Die Einstellungen enden teilweise erst nach Minuten, wenn schon längst keine menschliche Figur mehr daran teilhat. Die bedrückende Leere und Kühle des Raums machen den Film greifbar und atmosphärisch. [...] “How I Ended This Summer” ist eine unterkühlte Filmerfahrung, die den Konflikt seiner Figuren nicht auf eine knackige Dramaturgie verdichtet, sondern sie im weiten Weiß des russischen Nordmeeres ausbreitet. Wer sich darauf einlassen kann, erlebt ein unkoventionelles, eigenes Stück junger russischer Filmkunst mit Ecken und Kanten.
[...] Aber wenn der Film schon mit Unterstützung von Paris, Lindsey und Co entstanden ist, die ja auch selbst darin mitspielen, kann man vielleicht auch nicht erwarten, dass Coppola zu hart mit ihnen ins Gericht geht. Schade, denn die Gleichung, dass die Fashion-Diebinnen aus “The Bling Ring” dieselbe Oberflächlichkeit leben wie die Vorbilder, die sie bestehlen und gegen die sie sich kriminell betätigen, hat eigentlich Potenzial. [...] Als Komplizin ihrer eigenen Mädchenbande macht sich Coppola zwar prinzipiell mitschuldig, man tut sich aber vielleicht ganz gut darin, sie freizusprechen und es bei einer Ermahnung zu belassen. "The Bling Ring" ist keine Empörung vor solch einer oberflächlichen Welt, wie man es vielleicht gerne gesehen hat, es ist aber auch keine Agitation, sondern so etwas wie eine harmlose Dokumentation, wenn auch eine, die seiner Glitzerwelt mit Kiss-Kiss-Hug-Hug mehr hätschelt als wehtut.
[...] Wie man es dreht oder wendet, ist die Umsetzung in “Only God Forgives” aber einfach mit keiner Leseart zu rechtfertigen. Dass bei so variantenreicher Dauergewalt mit ein bisschen in die Luft schießender Ödipus-Provokation auch mal ein interpretierbarer Glückstreffer dabei ist, ist nicht weiter verwunderlich. “Only God Forgives” bleibt ein zielloser, perverser Film, dem man nicht grundlos Gewaltverherrlichung vorwerfen kann. [...] “Only God Forgives” verfehlt seine Ziele, wenn er denn welche gehabt hat. Ein prätentiöser Antifilm, lächerlich in seinem Gewaltangebot und so unrealistisch in seiner Geschichte wie es die FSK-Freigabe des Films ist. Nur, weil der Film aussieht wie rote Grütze sollte man sich nicht einreden, dass einem der Film auch schmeckt.
[...] Ein atheistischer Film durch und durch, der den Helden aber nicht tragisch scheitern lässt, sondern eben an seiner Seite auch mit seinen Lastern und Fehlern mitleiden will. Die Identifikation mit dem Protagonisten fällt aber schwer, was natürlich dank der emotionslosen Figur der Camus-Vorlage unvermeidbar ist. [...] Was Gedankenexperimente und literarische Abende angeht, steht “Der Fremde” anderen Visconti-Filmen kaum nach. Trotz moderater Spiellänge werden dem Zuschauer aber keine Zugeständnisse hinsichtlich Unterhaltung gemacht. Alles in allem gelungen.