BobbyStankovic - Kommentare

Alle Kommentare von BobbyStankovic

  • 10

    [...] Gerade dass die Figur Charles Foster Kane so unnahbar ist, keine emotionale Teilhabe zulässt, was ja generell dem Film als einzige Schwäche vorgehalten wird, gefiel mir. Wie Welles beabsichtigte, steht die Rolle des fast-anonymen Researchers, der sich auf die Suche der Bedeutung des Wortes “Rosebud” macht, stellvertretend für die Rolle des Zuschauers. Wir wissen wer Charles Foster Kane war, was er gemacht hat, wie seine Karriere verlief, später auch wie sein Privatleben verlief, wir wissen aber nicht, was seine Beweggründe waren, warum er so gehandelt hat, was seine Leitmotive seines unverhofft-wohlhabenden Lebens waren. [...] “Citizen Kane” ist legendenumwoben, von ungeklärter Intention und so episch breit präsentiert, dass es auch Jahrhunderte nach Erscheinen des Films immer noch eine helle Freude sein wird, sich dieses Debüt- und Lebenswerk Orson Welles’ anzusehen. Das Ende des Films verrät dem Zuschauer, nicht aber seinen Figuren was die Bedeutung des Wortes “Rosebud” hat, wiederum aber auch nicht, was die Bedeutung der Bedeutung ist. Ein Film, der die vierte Wand durchbricht und dabei noch zwei drei andere Wände mit sich einreißt.

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    • 7

      “Früchte Des Zorns” deckt eine erschreckende Zeit Amerikas auf, eine Zeit, in der Amerikaner wenige Jahre nach den goldenen 20ern nicht mehr satt werden, Kinder groß ziehen, die sanitäre Anlagen und fließendes Wasser nur aus Werbeprospekten kennen. Der Film ist aber auch über amerikanische Grenzen hinaus aktuell und relevant: Ein ähnliches Kapitel schrieb Deutschland vor wenigen Jahrzehnten mit den deutschen Flüchtlingen aus Russland, dem Sudetenland, Ostpreußen und Schlesien. In der Menschen, die zweifelloses Teil der selben Schicksalsgemeinschaft Deutschland waren, wie Fremde behandelt wurden. [...] Fords Film hat eine Menge Stärken aufzuweisen, die ihm zu Recht den Ruf eines Klassikers einbrachten. Der Film ist spannend inszeniert, spielt mit Ängsten des Zuschauers und profitiert von gut aufgelegten Schauspielern, die ihren Figuren Tiefe verleihen und den Zuschauer für das Schicksal ihrer Figuren zu sensibilisieren wissen. Gerade am Roadmovie-”Genre” gemessen, fallen die Stärken dieses Klassikers auf. Der Zuschauer nimmt emotionalen Anteil an der Familie und somit auch an den getriezten Okies, die bereits ein Jahr nach Erscheinung der Pulitzerpreis-Gewinner-Literaturvorlage mit einer würdigen filmischen Umsetzung geehrt werden, die nur aufgrund der etwas prätentiös-schmalzigen Schluss-Dialoge an einer noch besseren Wertung vorbeischlittert.

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      • 5

        “Prisoners” merkt man natürlich an, dass es keine absolute Billo-Unterhaltung ist und hier fähige Autoren am Werke waren. Manche Dialoge sind wirklich großartig geschrieben und die Story lädt zur Partizipation ein. Das kann man vom Thrillerstandard nicht behaupten. Wieso “Prisoners” trotzdem nicht so zünden will, wie er könnte, liegt an vielen kleinen dramatischen Unstimmigkeiten, die sich am Ende zu einer Unbefriedigung summieren. Die Figur eines alkoholkranken Pfarrers etwa, der im Keller eine Leiche aufbewahrt, wird einzig für ein kleines Puzzleteil des Story-Rätsels angerissen und genauso schnell wieder fallen gelassen. Es bedarf vieler Nebenschauplätze und Figuren, um das Drehbuchkonstrukt zusammenzuhalten, nicht zuletzt daher rührt die großzügige Spielzeit von zweieinhalb Stunden. Ein weiteres zumindest arg fragwürdiges Element des Films ist seine Religiosität. Irgendwie scheinen die Menschen im Film zu ihrem Glück zu kommen, die am aufdringlisten und öftesten zu Gott beten (wie etwa der Ultra-Christ Keller) und der Antagonismus des Films erklärt sein Motiv als “Krieg gegen Gott”. Böse, böse. [...] Es scheint als wäre es nicht unüblich für Villeneuve, dass seine Qualitäten oft auch Geschmacksfragen sind. “Prisoners” hat aber durchaus seine Momente und dürfte sein Publikum finden. In meinen Augen ist er aber kein heißer All-Time-Favorite, sondern eine Erfahrung mit höchst gemischten Gefühlen.

        • 7

          [...] Vor allem im Bezug zum Humor fällt auf, wie sehr Scorsese in Nostalgien seines eigenen Oeuvres schwelgt. Wer bei “Good Fellas” über Spider und Billy Bats lachen konnte, wird “The Wolf Of Wallstreet” als Komödien-Erlebnis der Extraklasse erleben. Jordan Belfort ist genau das im mafiösen Prunk lebende Arschloch, das Scorsese braucht, um Vulgaritäten, Drogeneskapaden und Wortwechsel, die einzig aus Hasstiraden zu bestehen scheinen, zu einem gelungenen Cocktail zusammen zu rühren. Ein Rausch stellt sich aber nicht ein, das liegt auch daran, dass “The Wolf Of Wallstreet” sich über die drei Stunden Laufzeit nie neu erfindet und nur auf stetes Nachlegen von Asshole-Attitüden aus ist. [...] Was für die Figur Jordan Belfort gilt, gilt gleichermaßen auch für den Film selbst: Ein bisschen weniger Eskalation wäre wohl mehr gewesen. “The Wolf Of Wallstreet” geht im Rausch seiner Überdosierung beinahe unter, funktioniert als Entertainment jedoch nichtsdestotrotz.

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          • 3

            [...] Knatschende Türen und Fenster? Check. Spooky Kinderspielzeug? Check. Treppen und Keller? Check. Verlassene Häuser am See? Check. Dämonen und Geister? Check. Creepy Puppe? Check. Sterbende Haustiere? Check. Angry Birds? Check. Eine glückliche Familie? Check. Noch eine glückliche Familie? Check. Viele minderjährige Töchter? Check. Nach einer “wahren Begegebenheit”? Check.
            Das könnte man jetzt ewig so weiter führen. Selbst die Dialoge sind durchschaubar und nur darauf aus, ständige Instant-Spooks abzufeuern, sodass sich der Film über weite Strecken wie eine Achterbahn auf einem Rummelplatz anfühlt: In regelmäßigen, durchrhythmitisierten Abständen gibt es einen kleinen Schock, bis es dann endlich zum Showdown kommt. [...] James Wan erfindet hier nichts neu und fällt, dabei sich bei allen Horrorfilmreferenzen und einer unhaltbaren historischen Prämisse zu verbeugen, um.

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            • 6

              „Araf“ bedeutet so viel wie „Limbo“ oder „Fegefeuer“. Der Titel bezieht sich einerseits auf den geographischen Zustand der Figuren, vor allem aber auf ihren emotionalen. Nicht umsonst wirkt „Araf“ bisweilen wie ein klasssiches Coming-of-Age-Drama, in dem die Protagonisten sich im Übergang von Kindheit und Erwachsensein befinden. Ustaoğlu zeichnet ein bedrückendes Bild einer Generation, die ihren Platz in der Welt noch finden muss und mehr Probleme als Lösungsansätze zu haben scheint. Vor allem die Rolle der Frau in der Türkei der Gegenwart wird dabei kritisch hinterfragt: Oft wirkt Zehra dabei so offensichtlich als Metapher für das Spannungsfeld zwischen Tradition und Moderne in dem sich türkische Frauen heutzutage bewegen, dass jede ihrer Entscheidungen im Film als klares Regisseur-Statement zur aktuellen gesellschaftspolitischen Lage wirkt. [...] Yeşim Ustaoğlus „Araf – Somewhere in between“ ist ein sehenswertes Sozialdrama mit feministischem Ansatz. Unter all dem Pessimismus der Bilder bleibt dabei doch ein Fünkchen Hoffnung für die Figuren übrig. Besonders die kargen, archaisch anmutenden Bilder überzeugen und machen „Araf“ zu einem weiteren interessanten Vertreter des unabhängigen türkischen Kinos.

              • 3

                [...] Was an dem Film stört, ist einfach: Der Film hat im Grunde null Storywendungen. Es gibt ein erklärtes Ziel. Und einen erklärten Endgegner. Die Zwischengegner werden früher oder später getötet, der Endgegner wird aber letztlich nicht besiegt und das Endziel nicht erreicht, nur damit Spielberg … äh Jackson das in den nächsten Teilen wieder in frecher Überlänge weitererzählen kann. [...] Das Schlimmste sind aber die Animationen der Orks und Wargs. Die sind so dermaßen direkt dargestellt, so enttarnt-offensichtlich, dass der Schrecken des Betrachters nicht im Kopf stattfinden darf, sondern eine glatte Fratze sehen darf, die in zehn Jahren technisch schon wieder völlig überholt sein wird und auch einfach keinen Charme versprüht — wenn man das von Orks überhaupt sagen kann. Aber da wären wir auch bei der größten Schwäche des Films, die sich in all seinen Teilschwächen wiederspiegelt: Es existiert kein Charme. [...]

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                • 6

                  [...] Früh im Film erklärt Eves Therapeutin ihr anhand eines dreieckförmigen Schaubildes, was die wichtigen Dinge im Leben sind. Ganz unten - als Fundament - elementare Dinge wie Schlafen, Essen und Trinken. Darüber Dinge wie Freunde und Sex, und erst als unwichtigste Elemente, ganz oben in der Spitze des Dreiecks, Dinge wie Kunst oder Musik. „God Help The Girl“ widerspricht diesem Schaubild im Laufe des Films vehement. Musik wird hier als alternativer Heilungsweg vorgetragen. Musik ist das Bindeglied zwischen den drei Freunden, ebenso wie das Bindeglied zwischen Publikum und Film, denn sie tröstet über dramaturgische Unzulänglichkeiten hinweg. [...] „God Help The Girl“ ist ein Hipster-Dauermusikvideo, mit dem Stuart Murdoch den Ton einer selbstironischen Generation so gut trifft, dass die großen erzählerischen Schwächen überspielt werden.

                  • 7
                    über Gravity

                    [...] “Gravity” macht die Schwerelosigkeit zur Schwere und die Gravitation zur Erleichtung. Der Glaube an das Leben und den Wert zu leben ist der Schluss, den Cuaron aus seinem Weltall-Trip zieht. Das ist ein Ende, mit dem man, trotz Wiedergeburtsmetaphorik nicht so recht zufrieden sein kann. Zu banal ist letztlich doch der Hintergrund der Figur Ryan Stone, zu sehr speist sich dieser Überlebenswille aus einer Handvoll von Actionszenen, die sich von der größte Faszination von “Gravity”, den unendliche Weiten zum Anfassen, bereits weit entfernt haben. [...] Gerade technisch ist “Gravity” ein Film von unstreitbarer Qualität. Die Frage, ob er nur gelungen oder gar meisterlich ist, hängt eng mit der Bereitschaft zusammen, sich mit der optimistischen Intention des Films abzufinden oder sich ignorant lediglich an den Bildern zu berrauschen.

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                    • 4
                      über 2030

                      [...] Trotz Panaroma- und vogelperspektivischen Aufnahmen — vereinzelt kommt sogar ein Fischaugenobjektiv zum Einsatz — erzählt Nghiem-Minh Nguyen-Vo zu Beginn die gesellschaftliche Dystopie geschickt aus der Nähe seiner Figuren und verzichtet auf zu große Erklärungen. Im Laufe der Handlung, die in verschiedenen Episoden vor dem Mord, nach dem Mord und zehn Jahre zuvor im Jahre 2020 erzählt wird, verliert er aber jegliche erzählrhythmische Kongruenz aus den Augen. Die Inszenierung ist durchweg uneinheitlich: mal im ruhigen Arthouse-Stil, mal als spannender Thriller und am Ende auch noch mit unzeitgemäßen Computeranimationen. Beliebig wechseln sich auch Szenen gänzlich ohne Musikeinsatz und mit tosender klassischer Musik ab. Der Genre-Hybrid zerbricht so zunehmend an seinem ambitionierten Ansatz, Thriller, Romantik und anspruchsvolle Science-Fiction unter einen Hut zu bekommen. [...] „Nuoc (2030“) ist eine überambitionierte und mäßig spannende Genre-Mixtur.

                      • 4

                        [...] Hinter der witzigen Vorstellung eines amoklaufenden Penners steckt aber — man vermag es hinter den Blutfontänen kaum mehr zu erkennen — eine sehr konventionelle Rachefeldzugstory mit sehr konventionellem Leinwandpaar. Das ganze “Wir-gegen-den-Rest-der-Welt” und die Anflüge von Charakteraufbau hätte sich “Hobo” komplett sparen können, weil es einfach nicht zündet. Stattdessen wäre man besser damit aufgehoben auch die Storyline an sich komödischen Wendungen unterlaufen zu lassen, statt nur an der gleich bleibenden Revenge-Story den einen oder anderen Trash-Moment abzuarbeiten. [...] Ich würde “Hobo With A Shotgun” definitiv in die 1000 Filme, die jeder Cinephile mal gesehen haben sollte wählen; dass der Film hingegen gut ist, heißt das noch nicht. Ein Must-See, der hinter seinen unvergesslichen bzw. unverdrängbaren Momenten zu viele Schwächen verbirgt.

                        • 6

                          [...] Regelmäßig werden Widersprüchlichkeiten angedeutet und mit religiösen Motiven gespielt: Allein der Name Adam, mit dem ein Bezug zur Schöpfungsgeschichte hergestellt wird, die der Film quasi umschreibt. Die Dorfbewohnerin Ewa ist an Adam sexuell interessiert, wird aber von Adam zurückgewiesen. Er sei vergeben, lügt er. Denn warum soll die Urliebe der Menschheit eine heterosexuelle sein? Adam interessiert sich viel mehr für den introvertierten Lukasz als für die Namensvetterin der ersten Frau auf Erden. Eine weitere Bedeutung des Namens Adam ist schlicht und einfach „Der Mensch“. Die Aussage ist deutlich: Lieben ist menschlich. [...] Fazit: „Im Namen des...“ ist ein zutiefst menschliches Plädoyer für sexuelle Toleranz. Abgesehen von dem schwachen Finale wird das schwierige Thema Homosexualität und Religion überzeugend angegangen. „Im Namen des...“ ist so ein authentischer und wichtiger Beitrag zu einer Debatte, die nicht nur im streng katholischen Polen noch lange nicht enttabuisiert ist.

                          • 7
                            über Picco

                            [...] Auch wenn die depressive Farbärme im Knastfilm ein ziemliches Standard-Gadget ist, hat der Film mit talentierten Jungschauspielern und dem dokumentarreifen Blick auf deutsche Jugendgefängnisse, ihr Jargon und ihre Gruppendynamik, eine Vielzahl eindrucksvoller Stärken vorzuweisen. Das einzige wirkliche Manko erlaubt sich “Picco” darin, dass das letzte Drittel des Films an Geduld verliert und die Entwicklung des zum Selbstmord getriebenen Häftlings nicht mehr durchgängig die Glaubwürdigkeit seiner Exposition erreicht. Verglichen mit der wahren Begebenheit als Vorlage erscheint die Entwicklung in der Todeszelle im letzten Drittel einen Hauch zu hektisch. [...] “Picco” gelingt es aus der Siegburg-Geschichte eine ernst zu nehmende Stellungsnahme zur aktuellen Gefängnis-Situation, vor allem im Hinblick auf JVAs, zu gewährleisten. Ein packend inszenierter, beeindruckender Debütfilm, der seinem Thema gerecht wird.

                            • 5

                              [...] Bei dem vorwiegend in englischer Sprache gedrehten Film wird die Internationalität der Figuren kaum zum Inhalt gemacht. Die Regisseure weigern sich sowohl, eine Studie über ausländische Touristen in der deutschen Hauptstadt zu liefern, als auch Homosexualität zum Kernthema zu machen. Westerwelle und Schuckmann konzentrieren sich stattdessen auf das Fremdsein und die Anonymität in der Partymetropole Berlin. Leider prallt jedwede Identifikation mit dem Protagonisten Luis jedoch am kühlen und nicht immer glaubwürdigen Spiel von Fernando Tielve („The Devil's Backbone“, „Goyas Geister“) ab. Diese Schwächen sind doppelt schade, da „Lose Your Head“ einiges mitbringt, was zu wenige deutsche Filme bieten: Eine kreative, originelle Geschichte, ein unverbrauchtes Milieu, das einfach nur gezeigt und nicht moralisch bewertet wird, und ein erfrischender Erzählstil. [...]

                              • 3

                                [...] Von einem Skandal ist der Film weit entfernt und letztlich ist er prüder als er sich gibt. Das Duo “Alter Versager + intelligent-misanthropisches Teenie-Girl” ist so neu nicht. Aber wenn schon behaupten Vladimir Nabokovs Lolita-Erotik sei nur Erfindung der Medien, dann auch bitte mit einem Protagonisten, der sich nicht selbst dabei erwischt, sich in das Mädchen zu verlieben. So ist die Liaison nur gerade so provokativ gestaltet, dass die Konservativen darüber abkotzen können. Aber wenn wir ehrlich sind, gab es dieselbe Figurenkonstellation (samt derselben Story!) auch schon in “Super” und sogar in “Hobo with a Shotgun“. [...] Dieser zusammengeklaute Streifen könnte so herrlich exploitativ-antiamerikanisch sein, aber am Ende ist er genau so plump wie alles, was er angreifen möchte. Sogar auf Standard-Storywendungen und uninspiriertes Finale muss zurückgegriffen werden. Nichts an diesem Film ist wirklich kritisch, wirklich klug-provokativ, kontrovers oder innovativ. Das einzig Aufrüttelnde am Film, ist die Qualität des Films, die die Frage zulässt, was mit dem god-blessed America los ist, dass selbst seine eigenen einheimischen Kritiker aus der Indie-Szene genauso einfallslos wie der festgefahrene Mainstream sind.

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                                • 5

                                  [...] Das Material, das die Regisseurinnen in den letzten Lebensjahren Jimmy Carl Blacks gesammelt haben, ist schlicht und einfach eindrucksvoll. Allerdings ist die Struktur nicht immer schlüssig. Ständig springen sie zwischen Tour in Amerika, Leben in Bayern, Interviews mit ehemaligen Bandkollegen und wenig aufschlussreichen Kommentaren seiner deutschen Mitbürger umher und werden so dem fraglos spannenden Leben Blacks zu selten gerecht. [...] „Where's the beer and when do we get paid?“ ist letztlich vor allem für Zappa-Fans interessant, die für jedes Detail aus der Mothers-of-Invention-Zeit dankbar sind. Zuschauer, denen die Musik unbekannt ist, werden eher gelangweilt sein und weder an die Magie Frank Zappas noch an den Musiker Jimmy Carl Black herangeführt.

                                  • 6

                                    [...] Auch wenn Vinterberg ein tolles Detail findet, um auszusagen, dass sein Protagonist unschuldig ist (Die Figur wird als jemand eingeführt, der beim Lügen immer nervös zwinkern muss. Den ganzen Film über zwinkert Lucas kein einziges Mal mehr), ist genau diese Unschuld das Problem des Films: Während Vinterberg in “Das Fest” noch erfolgreich damit spielte, erst spät aufzulösen, wer wirklich die Wahrheit sagt, ergeben sich in “Die Jagd” solche erzählerischen Kniffe nicht. Außerdem entzieht sich Vinterberg damit einer Diskussion um den Umgang mit krankhaften Triebtätern, da seine Figur eben kein solcher ist, sondern nur ein unschuldig Gejagter, ein Leidtragender eines dummen Irrtums und damit nicht wirklich tiefer angelegt als ein x-beliebiger Hollywood-Thriller-Part. [...] “Die Jagd” ist ein Film, bei dem mehr drin gewesen wäre. Auch wenn man den Film am besten mit “Straw Dogs meets Festen” beschreiben kann, löst er sich doch im Laufe der Spielzeit souverän von seinen Zitaten und findet eigene Wege, die aber nicht immer ans Ziel führen. Ein Schuss ins Leere. Laut, aufmerksamkeitserregend, aber nicht ganz das getroffen, was da anvisiert war.

                                    • 7
                                      über Clip

                                      Der Titel „Clip“ bezieht sich auf die Angewohnheit Jasnas, alles noch so Intime mit ihrer Smartphone-Kamera festzuhalten. Keiner der Jugendlichen scheint damit ein Problem zu haben, jegliches Schamgefühl scheint ausgeschaltet. Und tatsächlich ist der Status Quo, so wie er in „Clip“ beschrieben wird, der einer vollkommen sittenlosen, auf die Triebe reduzierten Gesellschaft. Während die jungen Männer permanent versuchen sich mit Machtspielchen zu profilieren, ist bei den Mädchen der schamlose Umgang mit ihrer Sexualität ein ständiger Schrei nach Zuneigung egal in welcher Form. [...] Maja Milos beschreibt in „Clip“ die serbische Gegenwartsjugend als verlorene Generation, die ihr Heil in extremen Formen der Sexualität sucht. Trotz bisweilen betont skandalträchtigen Sexszenen gelingt es der Regisseurin großes Mitgefühl für ihre jugendlichen Protagonisten zu erzeugen.

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                                      • 5

                                        [...] Der Vergleich zu “Inglourious Basterds” drängt sich auf, in beiden Filmen nutzt Tarantino reale geschichtliche Unmenschlichkeiten als Antagonisten für ein furioses Actionfeuerwerk und in beiden Filmen huldigt er dabei persönliche Lieblingsfime, ja er setzt sie sogar neu auf. Während “Inglourious Basterds” allerdings trotz leichter Abzüge durch die Präsenz von Schweiger und Kruger bestens funktioniert und eine verschachtelte, multilinguale Orgie aufbietet, die konsquent aufs große Finale zusteuert, ist “Django Unchained” leider in allen Bereichen eine glatte Kante schwächer als der Nazislasherfilm und findet darüberhinaus nie zu einem vernünftigen Erzähltempo. [...]

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                                        • 6

                                          David Wnendt gelingt ein stürmischer, wichtiger Film, der — auch wenn er sich massiv bei berühmten Vorgängerfilmen mit ähnlicher Thematik bedient — jede Beachtung verdient. [...] Bei all den kleinen Makeln, die “Kriegerin” hat, so ist es doch ein Film, der hängen bleibt und zum ausführlichen Diskutieren anregt. Ziel erreicht. Wnendts Film, der selbst vorm Einsatz auf dem Index stehender Musikstücke und Propagandafilmen nicht Stopp macht, zeichnet mit dokumentarischer Authentizität ein Bild einer in ihrer blinden Aggressivität nach wie vor gefährlichen Neo-Naziszene. Sehenswert.

                                          • 4
                                            über Hell

                                            Der Münchner Abschlussfilm “Hell” wurde im Vorfeld als Hoffnungsträger des neuen deutschen Genrefilms bezeichnet. Leider ist der Hype nicht wirklich gerechtfertigt. “Hell” erhebt den Anspruch Genre-Kino vom internationalen Format zu sein, interessiert sich aber zu 0.00% für die selbst angeschnittene Endzeitschiene und nutzt sie, zusammen mit dem titelgebenden Überblendeffekt als Stilmittel als bloßen Aufhänger um ein Schlag-auf-Schlag-Thrillerdrehbuch von der Stange abzuarbeiten. [...] “Hell” hat wenige gute Ansätze. Aus der UV-Postapokalypse hätte man viel mehr machen können — ja müssen. [...]

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                                            • 8

                                              [...] Grundsätzlich ist “Der Baum Der Helden” ein Film der ruhigen, aber wohlgewählten Töne. Den ganzen Film über küssen sich die Protagonisten kein einziges mal. Diese Unschuld geht irgendwann in eine Sehnsucht über, die weit über das rein Körperliche hinausgeht und sich direkt auf den Zuschauer überträgt. Es ist eine Unbefriedigung, die sich an unseren übersexualisierten Sehgewohnheiten von Liebesfilmen reibt und jede Berührung der beiden Figuren, jedes Nahekommen und jede still vergossene Träne einen unschuldigen Reiz verleiht [...] Sun und Jing sind keine breit ausgearbeiteten Individuen, die Geschichte der beiden kein wendungsreicher Trip, aber das würde die Aussage des Filmes verfehlen. Die Helden des Films sind allgemeingültig, stehen für eine kollektive Situation der Kulturrevolution, in der individuelles Glück im Keime des sozialistischen und nationalen Kollektivs erstickt wurde. Das kann man banal oder langweilig finden, mir gefiel “Shanza Shu Zhi Lian” aber tausendmal besser als die in alle Richtungen gehenden Stilübungen Zhang Yimous, die selten die zurückhaltende, sanftmütige Schönheit dieser Filmperle erreichen.

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                                              • 7

                                                [...] Leigh tut gut daran, Poppy auf verschiedenste Menschen treffen zulassen, um ihrer Heiterkeit nicht zum plakativen Schaueffekt verkommen zu lassen, sondern ihr eine gewisse Tiefe verleihen zu können. Man kann ihre Figur nervig finden, dann wird man wohl den ganzen Film nervig finden, aber wer sich auf den Mitmach-Feelgood-Effekt nicht einlassen will oder kann, der wird auch mit der simplen Botschaft des Films nicht viel anfangen können und der sollte einen großen Bogen um diesen Film machen. [...] “Happy Go Lucky” ist also ein bisschen wie die feurige Flamenco-Stunde der temperamentvollen Spanierin innerhalb des Filmes: Wer sich darauf einlässt und sich nicht auf die Eigenart der Protagonistin verkrampft, wird in diesem Film jede Menge Spaß haben und wird in diesem Film vor allem etwas lernen können. Wer das nicht tut, wird sich blöd dabei vorkommen und schnell genervt sein. Bei der Heiterkeit erwischt man sich tatsächlich fast dabei, dem Film ein hollywoodeskeres Ende zu wünschen. So endet der Film auf einem See in vergnügter Stimmung. Vielleicht als Aufforderung weiter zu “rudern” mit all dem Optimismus gegen die Verdrossenheit der miesmorscheligen Fahrlehrer? Wer weiß.

                                                • 5

                                                  [...] Warum ist der Titel des Films “Flandern”? Vielleicht, weil die Konflikte im Kopf der Figuren im Heimatland an gesellschaftliche Toleranzgrenzen stoßen (zumindest teilweise) und im Krieg, als gesetzeslose Fremde, die freie Auslebung erfahren kann. [...] Trotzdem: “Flandern” ist keine astreine Philosophie, es stellen sich letztlich mehr Fragen, als Antworten, der Film ist oft unbefriedigend und was hängen bleiben, sind nur die grausamen Szenen des Krieges. Dass der Krieg grausam ist, ist aber keine Erkenntnis, die man von einem Philosophieprofessor wie Bruno Dumont aufgetischt haben möchte. [...] Insgesamt ist “Flandern” ganz dumont-typisch eine unvergessliche, selten zuvor erlebte Tour de Brutalité, die seinen Ansprüchen aber nicht gerecht wird und zudem in den Kriegsszenen nicht selten etwas hölzern inszeniert wirkt. Aber vielleicht war das ja auch Dumonts Ziel, Soldaten nur als Jugendliche beim gewissenslosen Spielen zu zeigen.

                                                  • 7

                                                    [...] Der Titel “Paranoid Park” deutet auf den Skaterpark als ominöser Zufluchtsort für Jugendliche, als geheimnisvolles Rezept zur Rebellion gegen das Elternhaus. Der Titel deutet aber auch auf die paranoide Erzählweise des Films. Nach dem klar ist, dass der Protagonist von nun an ein Gesuchter ist, ist jeder Dialog und Blickwechsel mit dem introvertierten Jugendlichen ein Erlebnis, dessen Spannung zum Mitfühlen anregt. [...] “Paranoid Park” ist eines der gelungensten Coming of Age-Dramen, weil er effektiv mit den Schwierigkeiten des Erwachsenwerdens umgeht. Zu inhaltlichen Stärken gesellt sich dazu noch eine gelungene audiovisuelle Herangehensweise.