craax - Kommentare
Die 5 meist diskutierten Serien
der letzten 30 Tage
-
Dept. QDept. Q ist eine Kriminalserie aus dem Jahr 2025 von Scott Frank mit Matthew Goode und Alexej Manvelov.+22 Kommentare
-
Star Wars: AndorScience Fiction-Serie von Tony Gilroy mit Diego Luna und Genevieve O'Reilly.+20 Kommentare
-
Das ReservatDas Reservat ist eine Drama aus dem Jahr 2025 von Ingeborg Topsøe mit Marie Bach Hansen und Danica Curcic.+18 Kommentare
-
MurderbotMurderbot ist eine Science Fiction-Serie aus dem Jahr 2025 mit Alexander Skarsgård und David Dastmalchian.+17 Kommentare
Die 5 meist vorgemerkten Filme
-
28 Years Later390 Vormerkungen
-
The Fantastic Four: First Steps93 Vormerkungen
-
Jurassic World 4: Die Wiedergeburt93 Vormerkungen
-
Weapons - Die Stunde des Verschwindens87 Vormerkungen
Alle Kommentare von craax
Die Geschichte ist weitläufig rund um die Frage gestrickt – und überlege die Antwort gut, denn sie ist wichtig - : „Wenn du jemanden liebst, und es richtig ernst, aber die Sache funktioniert nicht und kommt nie ins rechte Gleis,- wann ist dann der Punkt gekommen auszusteigen und sie zu beenden?“ – Einige Antworten werden im Lauf des Films formuliert und ausprobiert,- aber die korrekte, welche unter Geburtshilfe eines feinfühligen, lebenspsychologisch begabten und emotional empathischen Berufskillers Eingang in Julias durchrütteltes Hirn findet,- lautet: „Niemals“.
Derjenige, der in ihrem Leben zuständig berufen ist, die gewählte Antwort auf ihre -, und das heißt, ihrer beide, Frage zu geben, heißt Jerry *Brad the Pitt* Welsbach, und ist ein süßer harter Junge, dessen streßiger Berufsalltag von ihm verlangt, dem dringenden Begehr seines Bosses nachzugeben,- und statt mit ihr nach Las Vegas umzuziehen - eine letzte Dienstreise solo nach Mexico zu unternehmen („...magst Du Sex und Reisen?...“)– denn sonst wird er, da er dringend eine offene Kerbe auszuwetzen hat, kurzweg umgebracht,- denn – letztendlich ist Jerry unberufener Gaunerkurier und Berufskiller, und so bekommen die Wünsche seines Arbeitgebers hier eine ganz besondere Dimension als Befehl. Es ist erheiternd anzusehen, wie er die Dringlichkeit dieser Einladung seines Bosses vergeblich seiner geliebten verständnislosen Sam(antha), welche ihn dabei ziemlich impulsiv von oben herab behandelt,- nahezubringen versucht. No chance, mein Lieber. Männerfreundschaften gehen unter Umständen vor. Natürlich will sie zu Recht nicht verstehn. Zurückgelassene Krise daheim also.
Der Auftrag lautet: eine antike handverfertigte Pistole für einen besonderen Kunden abzuholen und abzuliefern – eine spezielleWaffe, wie sich herausstellen wird,- denn sie ist mit magischen Kräften ausgestattet und ringt wie Jacobs Hüfte im Dienste nach höherer Gerechtigkeit. Ohne das Jerry es weiß, wird er zu einem Himmelsboten im Auftrag des Herrn unterwegs, um Sühne und Erleuchtung unter die Menschen je zu verteilen, die in ihrem Umkreis ihr Schicksal selbst bestimmen, vor allem sein eigenes aber. Aber das weiß Jerry zu Beginn dieses langen Entdeckungsaufbruchs noch nicht,- er weiß nur, das er seine „Sam“ von Herzen gern liebt – auch wenn sich das von Beginn an als recht schwieriges Unterfangen herausstellt(e).
Rund um die eingangs gestellte Frage erhebt sich – oder ist aufgebaut – eine weitläufig mehrgliedrige Landschaft : zum einen der Beweis, das diejenigen Macher des Films der von ihnen vorgestellten Frage adäquat gewachsen und berechtigt sind, ihre Antwort vorzuwägen,- das es also keine Deppen sind, die sie stellen und auch nicht, die sie zu beantworten versuchen,- denn die Antwort ist wichtig,- und eine weitere zweite Schiene, die sich weitläufig um die abstrusen Abenteuer Brad „Jerry“ Pitts in Mexiko drehen. Unbedingt sollte man sich den verzwickt-verschlungenen Pfad vor und zurück kreuz und quer durch mesaverdische Landschaft nicht entgehen lassen, den diese Waffe mit und ohne die sie umkreisenden Engelchen und Teufelchen vor oder nach dem Herrn,- ihrem eigenen nämlich,- beschreibt,- teils, geben wir es zu, auch in der nicht allzuweit verwandt entfernten Gegend von Vegas spielend. Diese aalternierende Zickzackkurve ist voller Überraschungen, Sympathie und skurilem Reiz. Mittlerweile wissen Sie, das ich dem zukünftigen Seher der Show, wenn er ihrer noch nicht teilhaftig geworden ist, ungern den Spaß verderbe(n möchte). So erspare ich uns beiderseitig den Handlungsfaden und beschränke mich auf einige Highlight-Aspekte: es ist schon herrlich, wenn der Begleitservice, den der rückversichernde Boß welcher Unrat wittert,- für Sam-Julia arrangiert hat,- ein schrankförmiger Berufskiller namens Leroy,- sich als überraschend empathisch begabt und richtig dezent und seelisch feingliedriger Kerl entpuppt. Kaum ein verzwicktes Problem praktischer Lebenshilfe bleibt in seiner Gegenwart und einfühlsamen Beratung ungelöst,- ob es sich nun um die voraussehbare Flucht aus dem Toilettenfenster des Highway-Rastplatzes oder schließlich um eben die entscheidende eingangs aufgeworfene Frage handelt,- zu der er zuerst den richtigen Schlüssel abliefert. Dazwischen gibt es praktische Tips in Überlebenskunde wie „Entkommen vor (anderen) Killern“ /except me, oder Annäherung an den Abwägungskonflikt : wie vertraue ich jemanden, wenn mein Beruf mich zu Einsamkeit verdonnert,- doch Gefahr des Verliebens besteht,- nicht in Sam natürlich, denn Leroy ist – sehr fürnehm eingestellt, in Weise der l’art pour l’art Jahrhundertwende-Dichtungsfiguren , erzschwul,- ohne deswegen einen Knacks oder einen Komplex zu haben. Es ist nur, das er weiß, das er über eine besondere Gabe verfügt – eine schwere, aber auch Zugang zu tiefen Einsichten vermittelnde Gabe. Wundervoll, wie das kontrastiert wird! Mit Leroy spielen die Filmemacher eine starke Trumpfkarte aus. Zu schade, das man aufhören soll, wenn’s am besten schmeckt – ach übrigens, wenn Leroy Sams Bezugsrahmen ist,- wo ist Jerrys spezieller Freund, der Killerkollege**, eigentlich abgeblieben? Auch dieses interessante Blatt wird niemals zu Ende aufgedeckt – schade eigentlich,- doch es zeigt, das dieser Film es sich erlauben kann, mit Material, mit dem andere für drei Episoden auskommen und sich begnügen müssen ,- verschwenderisch umzugehen,- denn es ist genügend davon vorhanden.
(Ganz im geheimen: das ist ein Kleinod, und ziemlich sicher einer von Julia Roberts besten Filmen. Von Brad Pitt kann man das nicht unbedingt sagen,- denn er hat soviele gute gemacht,- wie in der Regel die Roberts – vom Drehbuch her- miese und nichtsbedeutende.) Die Entscheidung der Bosse, sie mit diesem feinen Tausendsassa zusammenzuspannen, hat auf jeden Fall einen sicheren Einfluß auf die Bonuscard der Aktrice positiv ausgewirkt: endlich darf sie auch mal in einem exquisit gelungenen Werk mitmachen und zu Recht nicht nur stolz auf sich,- sondern auch auf die filmerische Umgebung des Werks sein, in dem sie mitwirkt).
Der Handlungsfaden innerhalb spaltet sich übrigens noch einmal auf: in die genußvoll künstlich veraltete Entstehungsgeschichte der Waffe in Mexico,- in mehrfachen geschickt eingebundenen Rückblenden aufbauend erzählt,- und die aktuell paralellisierte Geschichte von Jerry und Sam, die im Laufe der Entwicklung des Handlungsfadens immer mehr zur sinnbildlichen Doublette der in aussichtsloser Liebe verbundenen Gehilfen und Tochter des waffenschmiedeeisernen Dörflers wird. Diese verbotene Liebe ist hoffnungslos, denn der Schmied schafft diese besondere und magische, Eigenwillen entwickelnde Waffe mit dem Ziel, sie als Mitgift für die Aufstiegs-Verheiratung seines Töchterleins mit örtlichen Potentaten zu investieren – sie ist praktisch die Brautpreis-Mitgift. Allerdings funktioniert die Waffe mit der herzförmigen feinziselierten Kugelkammer (analog zu Cupidos Flitzebogen) niemals so, wie sie soll,- und damit wird dieser seelenbindungsverhindernden Verheiratung ein immer jeweils noch vorläufiger Riegel vorgeschoben. Der Graben zwischen den getrennten Königskindern ist tief, aber weder überbrückt noch verhindert.-
Wir sparen eine Vielzahl verrückter und entzückender Details. Wenn es dem Regisseur darum zu tun gewesen sein sollte, die Relevanz seiner Berechtigung zu einer gleichartigen Weltinterpretation auszuhändigen,- da er also ein verrücktes brillantes blindsehendes Künstlerhuhn ist,- so ist ihm das (in meinen Augen) gelungen. Der Film ist nicht übermäßig laut, nicht erschreckend, nicht brutal,- sondern duftend einfach reizvoll, humorvoll, entzückend gelungen. Brad Pitt ist brilliant vorzüglich wie immer, Julia Roberts endlich einmal in adäquatem Umfeld aufgehoben und geborgen und kann zeigen, was für eine tolle - - Darstellungs-Partnerin sie sein kann. Diese Geschichte, in der ständig mit Schießeisen gefummelt und nur ausnahmsweise ein normal-unverbrecherischer Mensch gezeigt wird (etwa die Anhalter-Szene, in der Jerry hintenaufsteigen darf, um ins nächste ‚Pueblo‘ mitgenommen zu werden )– ist mit ständiger gehaltener Anregungskurve,- doch niemals störend knisternder Über-Spannung inszeniert, welche sich so schnell abnutzt und dann eine vernünftige Verfolgung seines Handlungsfadens weiterhin verbaut. Ist das Adrenalin erst mal im Blut,- braucht es Stunden, um zu verschwinden,- und man kann eigentlich nur noch einen Actionknaller zu Ende bringen. Verbinski, so heißt der Regisseur übrigens,- hatte wohl zuvor noch genügend anderes zu sagen,- so das er dieses Getue auf später verschoben hat. Apropos später: auch mein Lieblingsschauspieler Gene Hackmann – wundert’s einen wirklich – taucht am Rest im Film (für mich im Moment) überraschend auf,- aber nicht wirklich,- ist er doch sowas wie ein Lackmus-Qualitätsnachweisstreifen für gutes Werkmaterial. Im Übrigen agieren alle Insassen in der Bildlandschaft eben gelassen bis zum geht nicht mehr, egal was vorgeht,- und sind von stoischer unerschütterlicher Ruhe des Zen und Transzendenz. Sehr sympathisch,- und strahlt eine enorme Annehmlichkeit aus. Diesen Streifen kann man sich wirklich gern ansehen ,- das heißt mit Vergnügen: ansehen müssen sie sich ihn sowieso, wenn Ihnen Qualität am Herzen liegt.
Der Film gipfelt in der Zusammenführung der sorgfältig separierten Handlungsstränge, bis klar ist, das Julia /Sam die Schmiedetochter und Jerry /Brad der Schmiedegehilfe sind; Sams Alter Ego schwimmt längst (leider) in seinem Blute und kann nicht mehr zur Seite stehen mit Rat und Tat. (Verzeihung übrigens, hups, und Schwamm drüber. Im Kintopp stirbt und hopsgeht’s sich leicht).
Beim Schmiededorfshowdown ging die Geschichte auch noch übel aus: sowohl Romeo wie Julia schwammen übrigens ebenfalls desgleichen im - ; tragisch aber – nicht zu ändern?- natürlich! - Schicksal der Liebenden ist es doch, Nachkommenschaft zu produzieren und (Ringe zu tauschen) wo kämen wir denn sonst hin? fragen Sie die Dinosaurier! – die klassische Waffe, in der Hand von Schön-Sam, die als Schmiedetöchterlein schön einmal zu Unrecht billig auf ihren Geliebten hörte,- ist diesmal plietsch-er und Fall auf Knall: wie durch ein Wunder – geht diesmal die Geschichte (endlich) anders aus. Selbst ein mysteriöser Ring fällt diesmal dabei ab, ein goldener, wie geschaffen zur Ehe. Das Bösewichtige klappt endgültig weg,- und wenn sie nicht gestorben sind -, streiten sie noch heute – auf dem Highway back home – „wie abgefuckt ist das denn, fragt dich der Sch...kerl ‚mögen Sie Sex und Reisen‘?- Ich meine, wenn man mit jemand zusammen ist, so richtig,- ja, wie bösartig daneben ist das denn?!“ – Tja,... undsoweiter.
Also, haben Sie gemerkt, das dieser Film ein Heiratsantrag ist?
(Wenn Sie mal Jemand beabsichtigen zu ehelichen, gehen Sie vor Ihrer Erklärung mit ihr in ein Kino, wo er läuft. Danach tun Sie’s.)
(Können Sie auch als Frau tun. Danach versteht er, was Sie von ihm wollen. Pretty Woman bringt’s dann nicht ganz so.)
Ach, ich vergaß: ein Hund und sein schlapper eigenhändiger Baseball und ein alter Chinese spielen auch noch eine ziemlich durchgängige tragende Rolle, nicht unwesentlich für das letztliche Gelingen, ein weiteres wichtiges hinweisendes Detail.
Verbinski: ein hundertprozentig gut gemachter Film. Danke, Mann. Ich habe selten ein so poetisches „Niemals“ vernommen. Sie sind ein hoffnungsloser Romantiker, Kerl, in ihrem herzförmigen Futteral nebst Pulverhorn. Sehen Sie, auch Männer können lieben – wenn auch etwas verdreht verkorkst - selbst wenn ihre Frauen ständig überdrehen und über-reagieren und uns nie zu Wort kommen lassen. Sehen Sie, geht das schon wieder los – OH MANN!
Heat v. Michael Mann, mit De Niro, Pacino
Prinzipiell möchte ich schon etwas zu diesem Film sagen. Es wäre ziemlich blöd, völligen Flops wie „Under Suspicion“ zwei Seiten zukommen zu lassen und Heat gar nichts – einem wirklich „gelungenem“ dichten Film. Aber es fällt mir schwer. Es ist nicht so leicht, sich zu diesem Film auf seine Höhe hochzuschrauben, um einer herausfordernden Begegnung zu genügen. Aber da es so sein sollte, will ich es versuchen.
Zuerst einmal: der Film ist lang. Man merkt es nicht. Er ist dicht gewebt, ohne nachlassendes Interesse. Der Filmfaden funktioniert. Er ist immer der Diktator.
Dann: es gibt Foren, in denen Benotungen vergeben werden (5 Sterne oder etwa Ähnliches). Kein Zweifel, das er in solcher Kategorisierung die fünf Sterne-Bestnote bekommen würde. Darstellerleistungen: perfekt. Regie, Script: dito. Alles funktioniert. Soviel zum Rahmen.
Abzüge in der B-Note: warum soviel Action (die etwas unglaubwürdig übertriebene Straßenschlacht vor der Bank). Exzessive Gewalt. Da bin ich wohl wieder Europäer. Er wäre doch auch mit weniger auszukommen. Aber es ist eben ein amerikanischer Film. Und „Amerikaner reagieren auf Gewalt“. Gewalt ist ihr gesellschaftliches Medium und Darstellungsmittel. Es ist wie eine Kochkunst, die an alles Chili oder Ketchup tun muß. Lassen wir’s also,- und integrieren wir uns in dieses etwas fremdelnde Milieu. Was bleibt dann?
Die Story selbst wird hier, wie üblich, nicht referiert. Ich gehe davon aus, das sich jemand den Film anguckt, bevor er das liest (so wäre es jedenfalls das einzig Vernünftige). Im Gegensatz zu normaler Filmkritik, die den Auftrag hat, das Publikum vor dem Schauen des Films zu orientieren und womöglich anzulocken, sind meine Anmerkungen darauf gerichtet, jemand zu erreichen, der ihn bereits gesehen hat – nachdem er dies tat. Gewissermaßen eine Verdauungshilfe zu liefern (wenn denn nicht als anmaßend überflüssig empfunden). Worum gehts also in Heat?
Die zentrale Szenen-Symbolisierung ist, glaub ich die letzte: Die Handreichung zwischen Cop und Killer ( etwas unfair, die de-Niro-Darstellung so zu bezeichnen). Denn er ist eigentlich kein bloßer „Killer“: aber Vernunft gebietet, den erfüllten Tatsachenbestand niemals zu vergessen. Die Gesellschaft gerät in Schieflage, wäre sie dazu je in der Lage,- derart Vergeßliches zu produzieren. Es wäre besser, das nicht hintanstellen zu können. Aber damit rücken wir dem Problem-Anliegen des Films auch schon näher. Denn es geht um die Ambivalenz und Verwandtschaft zwischen Täter und Opfer, ab einem bestimmten Punkt, den eine Gesellschaft schnell gern erreicht. Mit Bertolt Brecht zu sprechen, verwandt dem: „Auch der Kampf gegen das Schlechte verzerrt das Gesicht“. Nur das in diesem Film noch dazu das Gegengewicht angefügt wird: auch die Bösen lächeln gern. Die Menschen sind Mischwesen, und jeder ist es. In dieser einfachen Darstellungs-Wahrheit suhlt sich der phantastisch funktionierende Film, sehr zur Korruption des Moralisten, zwei ausgezeichnete Stunden lang: Gewalt über Gewalt, deren Faszination man nicht entfliehen mag, denn auch der Moralist unterliegt der fokussierenden Suggestionskraft der Miterlebens-Zeugenschaft der Gegenwart des Bösen. Wir sind ungern fasziniert, aber wir sind es: wir sollten es zugeben, wenn wir es sind. Die Versuchung in diesem Film reüssiert stark: wir sind uns nicht zu schade, ein zweischneidiges Kompliment dafür auszugeben, weil es dafür spricht, das jemand eine Sache verdammt gut hingekriegt hat. Ob sie unter allen Umständen positiv (im sittlichen Sinne) zu bewerten wäre, sei dahingestellt.
Brechen wir jene Diskussion an dieser Stelle ab. Innerhalb des Films: funktioniert es. Auf zwei Seiten des Gesetzes tritt jeweils die Truppe an: und beide werden gleichwertig aufgebaut, entwickeln sich von ihren jeweiligen Startpunkten: hier die zweifellos „guten Gesetzeshüter“, dort die zweifellos „schlechten Gesetzesübertreter“- aufeinander zu,- bis sie in der großen Geste der Handreichung- und -nahme am Ende in einem Punkt zusammengeführt werden. Beide vereinigen sich in der vollendeten Gewalt: in der Ausübung von Gewalt werden sie letztendlich eins und verschmelzen ineinander.
Am Anfang – und das sollte die Gesellschaft eben nicht vergessen- sterben „Unschuldige“. Beim Geldtransport-Überfall werden drei Begleiter erschossen. Hier ist der Punkt, der im Verschmelzungs- und Amalgierungsprozeß niemals in Vergessenheit geraten sollte. Recht und Unrecht sind eben nicht gleich: auch wenn man Hitler umbringen muß, wird derjenige, der es tat, nicht zwangsläufig zum Ersatz-Hitler. Das ist der Film bemüht zu relativieren: die „Guten“ begehen in Verfolg ihres Ziels jede Menge fragwürdige Handlungen, die Bösen verrichten manche edle Tat. Beispiel: Nils-De-Niro ist ein „sozial engagierter“ Bandenchef: wenn die Truppe im Restaurant bei der „Betriebsfeier“ mit ihrem Familienanhang zusammensitzt, unterscheidet sich das wenig mit dem paralellisierten Vorgang auf der Gegenseite. Beide haben ihre Kinder dabei und ihre Liebsten. Ihre Bindungen innerhalb ihrer Gruppe sind gleicher Art und Natur: auch die Bösen unterliegen menschlicher Bindungsfähigkeit.
Val Kilmer-Ganove kommt von seiner Liebe nicht los: der Herr über Leben und Tod ist doch nicht Herr über den Zwang, dem sein Herz unterworfen ist, obwohl er sich damit objektiv schadet, da seine Liebe nicht auf gleichwertige Gegenliebe stößt. Sie „betrügt“ ihn und will sich trennen.
Auf der Gegenseite ein Pendant: der oberste der Spürhunde,- ein Bluthund geradezu, in Besessenheit und Gebanntheit, der Faszination des Bösen erlegen und ihm anamalgiert,- Al Pacino’s Police-Lieutenant. Auch er hat Ehe-Probleme: aber er ist längst nicht so hilflos geliefert an sein Herz wie der Böse, da es weniger warm schlägt, zu abgebrüht ist er mittlerweile durch seinen beruflichen Härte-Streß. Der sich alltäglich in den Niederungen der Gewalt bewegt: er verhärtet und kann doch nicht verhärten unter der Lederhaut und leidet bittere Not, verschlüsselt, darin – etwa der Fernseher, der auf die Straße fliegt. (Seine vernachlässigte Frau hat sich demonstrativ einen lover und one-night-stand angeschleppt (mit dem sie sich „erniedrigen muß“, um ihrerseits von ihrer Bindung loszukommen). Sie ist plaziert auf der „guten Seite“: dient aber jeder Menge Schlechtem zum Geburtsweg in die Welt: ihre Tochter leidet unter ihrer Selbstbezogenheit und Nachlässigkeit wie die Gesellschaft unter dem Terror des Verbrechens der Gesetzesverächter: die jeweiligen Parteien sind auch in sich gespalten in Gut und Böse und eigentlich überall – nur Ambivalenz. Die Tochter hat sich schließlich in einer besonders ergreifenden Szene die Pulsadern geöffnet – in der Mietwohnung des Verlassen-habenden Lieutenant als Zugehörigkeitsbeweis – und er, der Harte, kann wiederum zeigen, wie doch all das Weiche in ihm unverzichtbar zwar unterdrückt, jedoch niemals ganz aus der Welt geschafft werden kann. An den Trümmern dieser Tat werden die beiden „Eltern“ (sie ist nur seine Pflegetochter) wieder erinnert an das anscheinend „unlösbar“ bestehende Bezugsband zwischen ihnen: auch wenn ihre Zuneigung zueinander ihnen beiden nicht gut tut und „eigentlich“ nicht paßt: sie sind doch wie magisch irgendwie – durch ihre Vergangenheit, durch ihr Sein, durch ihr Wünschen - verbunden. Im Sinne etwa von St Exuperies Kleines Prinzen Weisheit: „was dir begegnet, dafür bist du verantwortlich“ – geworden, je mehr du Kontakt mit ihm aufgenommen hast. Was du an dich heranläßt und herangelassen hast, wird nicht nur Teil von dir – Du wirst Teil von ihm, – auch. Und da haben wir ja wieder das Motto des Films. Du wirst Teil von dem, was dich beschäftigt: und bist du Polizist, nährst du den Verbrecher in dir. Der Kampf g e g e n etwas verschmilzt im Gebrauch der Mittel. Diese M i t t e l charakterisieren dein Tun: nicht deine Moral und Absicht dahinter. Der Weg ist das Ziel. Aber wiederum: es ist NICHT alles relativ. Man strebt auf dieselbe Art verschiedene Ziel an, durchaus. Auch das Ziel ist der Weg; das wird gekehrt allerdings, etwas in diesem Film, unter die Teppichgürtellinie.-
Der Polizist nun, nach dieser Reunion mit der Frau,- oder vielmehr in i h r e n Augen, flackert ein Schimmer von Verständnis auf: warum e r tut und tun m u ß , was er tut. Ihre zurückliegende Selbstsucht wird ihr klar, der Grund ihrer Vernachlässigung, ihrer -erlittenen und -ausgeübten: und sie sieht, glaube ich, das ihr Mann nicht aus Selbstsucht, sondern aus Zwang, gegen das Böse antritt, und das ihr Beitragsanteil zum Kampf gegen das Böse darin bestehen könnte, diese Vernachlässigung ertragen zu lernen : weil es doch jemand geben muß, der gegen das Böse antritt und ihm sein Opfer, an eigenem Guten,- bringt, weil doch nun einmal gegen das Böse im Äußeren angekämpft werden muß. Ihr Mann tut es, und er tut es gut: und er tut es nicht für sich, sondern aus Leiden,- aus Mitleiden, aus unentrinnbarem Mitleid. In einer anderen Szene sagt er: in seinem Traum sitzen all die Opfer, die er kannte, nur um ihn herum, an einem Tisch,- ohne Reden. Sie sehen ihn nur an.
Das ballt zusammen: die Aussage, das uns das stumme Mitgefühl appelliert, in uns selber anspricht und sonst nirgends. Ob wir „gut“ sind oder „böse“ : ist unsere eigene, urinnerste Entscheidung. Ob wir unser Mitgefühl die Stimme, unsere, erheben lassen ,- ob wir ihm unser Ohr hinwenden wollen: das ist bereits alles. Wir müssen diese stumme Stimme nicht hören,- nicht hinlauschen: denn es ist ein aktives Tun, diese Hinwendung, ob wir die Klage zur Kenntnis nehmen w o l l e n oder n i c h t . Der Lieutenant hat es getan: er hat sein Herz, einmal, geöffnet, dem Opfer. Jetzt erinnert er sich oftmals nicht mehr daran: und doch weiß er, warum er das tut, und tun muß, was er macht. Er sieht den Preis den er zahlt: und er weiß doch, das, wenn nicht er, so durch jemand anders, er bezahlt werden muß; und so ist es freundlich,- aber nicht nur -: gezwungen ist er, es zu tun, weil er der Stimme der Opfer einmal gelauscht hat, und dadurch die Positionierung seines Ziels, welches nicht nur der Weg ist,- festgelegt worden ist. Das Koordinatensystem ist eben nicht nur gleitend unschwer im Raum losgelöst worden: es ist absolut verankert, - es hat eine, wenn auch schwer herausfindbare, und beizubehaltende,- absolute Orientierung. Zwischen Gut und Böse gibt es, bei aller scheinbaren Verschmelzung, keine Verbindung und keinen Zusammenhang. Sie sind grundverschieden. Das hätte ich mir etwas deutlicher herauszuarbeiten gewünscht im Film. Aber man soll das Publikum nicht unterschätzen. Und wie in jedem guten Kunstwerk – und das hier ist ein gelungenes (aber nicht ‚gutes‘) – funktioniert der Weg der Wirkung nicht über die rationale Einsicht,- sondern über das Gefühl.
Ich wünsche mir, das die Kraft der letzten Verbrüderungs-Szene zwischen Gut und Böse, nicht den Eindruck dafür verwischt, was im Hintergrund die Protagonisten so radikal voneinander unterschied, das sie : schon vergessen oder nicht gründlich zur Kenntnis genommen? – kurz zuvor mit der Waffe einander bekämpften, und das “der Böse“ jetzt, die Hand reichend,- doch stirbt an dem Kugelschlag, den ihm der Gute, einige Sekunden zuvor,- verabreicht hat. Denn der Gute war es, der das Böse vernichtet hat; und doch kann man nicht sagen, daß das Gute gesiegt und das Böse verloren hat. Denn genug des Bösen hat im Guten gekeimt, durch die nahe Verwandtschaft, erzwungen durchs Tun; und genügend Gutes hat doch immer, unausrottbar, im Bösen gewurzelt. Wenn der Banditenchef seinen „Kameraden“, bei Gefahr eigenen Untergangs, aus dem Polizeifeuer-Kugelhagel rettet: so ist es durchaus das Motto der heroischen Marines: „Keiner wird zurückgelassen“. Sie stehen füreinander ein, die Banditos: ein freilich untierisches,- höchsten Ehrenkodex-Ansprüchen genügendes Verhalten. Die Bösen handeln durchaus edel, in ihren Zwecken. Das Böse, zum Schluß, geht auch unter durch seinen unlösbaren Anhang ans Gute: zum Verhängnis hin begründet sich die Entscheidung des bereits entkommenen Anführer-Verbrechers, dennoch umzukehren, um den wahrhaft bösen Übeltäter nicht ungeschoren davonkommen zu lassen: der Nur-und–ganz-durchdrungen-Böse darf nicht ungestraft bleiben, „ein gutes Motiv“. Der Halb-Böse wendet sich schließlich gegen den Ganz-Bösen (der dem blinden Auge des Gesetzes durchaus entronnen wäre, der den mit dem blauen Auge davonkommenden Kronzeugen machen würde,- der die halbherzig-Bösen in die Metzgerei des Gesetzes lieferte: und es ist der Halb-Böse, der das Ganz-Böse richtet, - nicht das Gute,- das heißt, das Halb-Gute, im Namen des Gesetzes. Das Ganz-Gute aber gibt es auch: es sitzt wartend, und immer noch gänzlich unschuldig geblieben, unvermischt doch angetan und zuverwandt dem Bösen (vielmehr dem Halb-Bösen), im Auto, während harte Gerechtigkeit vollzieht, und bleibt unverletzt und unbeeinträchtigt, rein als entsetzter Zuschauer, außen vor: während das es doch liebende (und es wegen seiner Gutheit lieben-Müssende) Halb-Böse und das Halb-Gute, von ihm hinfort, - an ihm vorbei aufeinander bezogen und ineinander verkettet vorbeihetzen müssen, ohne es weiter zu beachten und dabei – zu beschmutzen. Das ist die einzige Möglichkeit, die das Gute hat, in diesem Film rein zu bleiben: seinerseits nicht auch noch hineingezogen, und halb-gut oder halb-böse, zu werden. Es muß lieben, und nur lieben, so bleibt es rein. Und es ist bezeichnend, das das Nur-Gute nicht den Halb-Guten liebt, sondern den Halb-Bösen; Ironie der Geschichte und des wahren Lebens. (Dies wäre natürlich, was ich dem Zuschauer wünsche: harmlos unberührt durchs Leben zu gehen, als von allen Halbheiten unberührt. Doch wer wird zum Halb-Guten werden müssen, weil es eben das Böse gibt, und es tätig ist? Wer opfert seine halbe Reinheit, um – für alle – dem Bösen Widerpart zu leisten, und ganze Reinheit unbehelligt zu ermöglichen?) – Doch diese Philosophie des Films – nicht meine – geht mir hier zu weit. Ich brauche diese Helden, die sich für mich opfern, nicht; ich bin kein Amerikaner. Ich denke, das Ganz-Gute kann ganz gut für sich selber sorgen, und wird doch nicht verunreinigt. Es bedarf des Schutzes und des Opfers nicht, nur, wenn es nichts von sich weiß. Das Gute, das von sich weiß, wird stark. Nur dasjenige, das es nicht tut, -wissen-, gerät in die Schieflage, das andere meinen, für es einspringen zu müssen, weil es sonst verliert. Das Gute verliert nicht, niemals, wenn es für sich selber sorgt. Und das, beizeiten, wird es. Das Gute verliert, von selbst, niemals. Aber davon überzeugt zu sein, das – wird - jeder für sich selbst entscheiden.
Der Film ist eine Studie der Gewalt; er ist fasziniert von Gewalt. Er verherrlicht (?) nicht die Gewalt, aber er ist in Gefahr: wer sie so in den Mittelpunkt des Fokus rückt, gerät, immer, in Reichweite, wie First Lieutenant, infiziert zu werden. Die amerikanische Filmwelt ist im Zuge der Versuchung, diesem Phänomen insgesamt zu nahe zu rücken. Gäbe es nur diesen Film, wäre es entschiedene Tatsache. Es gibt Kompensationen. Soll man diese Darstellung, wegen dieses Ungleichgewichtes, meiden? Nein. Er ist einfach zu gut. Es würde ihnen etwas entgehen, wenn sie sich ihn entgehen ließen. Wappnen Sie sich; dieser Film verlangt einigen seelischen Einsatz. Werden Sie ja nicht zum bloßen Gaffer! Das ist immer das Problem mit dieser Art Werk. Für reine Konsumenten wird’s , nach Paracelsus, schon zum Gift – geworden sein. Verfügen Sie über einige Gegen-Magie: lassen Sie sich hindurch führen, aber nicht! ver-führen. Dieses Werk verfügt über außergewöhnliche Qualitäten; ist aber nichts für schwache, widerstandslose Charaktere. Es ist in der Tat, starker Tobak. Aber ein hervorragender Tobak. Doch, das muß man sagen.
Man kann auch noch eine kurze Erwähnung der Erwägung tun, ob man die beiden Besetzungen, De Niro und Pacino, nicht getauscht hätte,- ob es dann nicht noch besser funktioniert hätte. Das ist müßig. Herausgekommen ist etwas Hundertprozentiges. Kino, wie es auf der Leinwand steht, und, in sich, besser nicht vorgestellt werden kann. Ein langer, ein „gelungener“, in sich vollkommener Film. Aber eben nicht „gut“ . (Für den, der’s braucht). (Bin ich,- ja, ich bin so einer, das ist mein Manko – ein dünnblütig fadenscheiniges anspruchverwässertes Moralisten-Heimchen). – Ist er also nicht „gut“- , so vielleicht, vorläufig, wie das Böse eben,- vorhanden in dieser unvollkommenen Welt. Gute Verrichtung!
Der rassistische Süden der USA. Ein schwarzer Todeskandidat im Zellentrakt. Eine Henkers-familientradition. Ein Sohn, der ausbricht,- wegbricht. Ein Film über die Grausamkeit des Ecce Homo, deutlich, schonungslos wie wenige. Ein Witwe, die unwissend den Henker ihres Mannes und Sohnesvaters liebgewinnt. Zwei Söhne, die verschieden genommen werden. Zwei Menschen, die aus der Verdammnis ihres Schicksal finden, indem sie zueinander hin finden.
Schwierig zu rezensieren? Sicher. Marc Forster, der Deutschschweitz-Europäer, atmet zutiefst amerikanische Luft in sich hinein. Heraus kommt ein Film, der das Beste beider Kulturen amalgamiert; Tiefendeutung mit handwerklicher Perfektion und Schauwert. ‚Monsters Ball‘ – ein eingebürgerte Bezeichnung des achtzehnten Jahrhunderts für eine erlaubt ausschweifende >Abschiedsparty< von Hinrichtungskandidaten in der Nacht vor ihrer Exekution- dringt in seelische Abgründe vor. Marc Forster isoliert Menschen in einer Extremsituation vor einer unerbittlich sezierenden und dokumentierenden Kamera und zeigt uns empfindliche Vorgänge hinter dem Vorhang des verhärtet Sichtbaren. Eine spröde Maske bekommt Risse und enthüllt dahinter ein menschliches, leidendes Gesicht. Er beschwört die ungeheure Perversität eines menschenmordenden Staatsgefüges,- wenngleich dieses auch nur >Vergeltung< übt in unbe-griffener Ritualisierung. Er zeigt die Hilflosigkeit von Menschenmaterial, das längst zum Futter für die Maschine geworden ist,- der sie dienen – müssen. Damit ist nicht allein der To-deskandidat gemeint,- „Dead Man Walking“. Das Material ist genauso gut der Vater wie der Sohn, welcher nicht funktionieren kann (Heath Ledger wieder einmal eindrücklich bemer-kenswert!),- der bei jeder Gelegenheit den Menschen hinter der Fassade erfühlt und sieht– und angesichts dessen, was vor sich geht, >versagt<, aus der Reihe schert und sich erbricht,- während sein stoischer in & unter seiner unempfindlich unwahrnehmlichen selbstauferlegten Rollenlast automatisch funktionierender Vater wie vorgesehen den Vorgang zum Abschluß bringt.
(Später wird angesichts einer zutiefst menschlichen Berührung und Begegnung das Geständ-nis erfolgen: „Seit Jahren habe ich nicht mehr gefühlt“!).
Marc Forster erzählt die Anatomie eines Ausbruchs, eines Aufbruchs. Derjenige, der auf-bricht,- bzw. diejenige, deren Sicherheit längst zerbrochen ist, und niemals gefragt wurde, ob sie je aufbrechen wollte,- haben sich zu begegnen und Einiges aneinander auszurichten,- bzw. zu wiedergutzumachen – und zu empfangen. Marc Forster stellt die Weichen und Bezugspo-sitionen seiner (im Grunde zweier) Protagonisten subtil. Beide verlieren alles; aber aufgrund völlig unterschiedener Voraussetzungen und Stoßrichtung. Ihr wird alles genommen; ohne das sie je eine Chance hätte, ohne schuldhafte Verwicklung ihrerseits, verliert sie nacheinan-der (hier geht der Film leicht ein übertreibendes Wagnis ein): - den Mann, Vater ihres Kindes, der – wie er zugibt – selbstverschuldet in der Todeszelle geendet ist; - ihren Job, in der nerv-lichen Anspannungsüberforderung der Hinrichtungswoche; - ihr Haus, dessen Kosten sie durch den kümmerlichen Job als Serviererin nicht decken kann; - ihr latent defektes Auto, für dessen Instandsetzungspflege ihr das Geld fehlt; ihre Beherrschung angesichts der maßlosen Übergewichtigkeit ihres zehnjährigen Sohnes welcher angesichts seines Vaterentbehrungs-Kummers als unbeherrschter Suchtfresser dem großen Trostspender der Kinder, Süßigkeiten, verfallen ist – und schließlich, bei nächtlicher Heimkehr zu Fuß im Regen am Straßenrand, einem Autounfall zum Opfer fällt. Diese Frau, der alles genommen wurde, bedarf alles; und wer kommt, um es ihr zu geben?
Hank (eine Anspielung auf Tom H.‘s Rolle im sujetgleichen The Green Mile?) – ist ebenfalls endlich aus seinem Trott gerissen: er, Mitglied einer beklemmenden Familientradition, welche das Aufsichtsamt im Todestrakt des Staatsgefängnisses praktisch dynastisch vererbt, ist Hüter und Zuchtmeister einer schweren Last, unter der er selbst-, bereits sein Vater,- und nun auch sein Sohn zu zerbrechen drohen. Dabei wird in der Zeichnung Forsters eine aufsteigende Li-nie sichtbar: der Vater ist ein Misanthropen, rassistischer, völlig gefühllos desolater alter see-lisch wie körperlich versteinerter maroder Hüne, der sich nie aus seinen aushöhlenden und pervertierenden Zwangsumständen befreit hat. Er ist Synonym einer quasi inhuman fossilier-ten Existenz. Farbige Nachbarskinder werden mit purem rassistischen Hohn einer jahrhun-dertealten, inkorrigablen Uneinsichtigkeit verhöhnt, geschmäht und verfolgt. Angesichts des Freitodes des empfindsamen Sohnes seines Sohnes, der an der väterlichen - zumindest auf-rechterhaltenen Fassade- von als Haß aufscheinender Unempfindlichkeit zerbricht, und sich mit einem haftenbleibenden Zweiliner-Austausch mit diesem angesichtlich nach einer letzten Konfrontation im abendlichen Wohnzimmer erschießt,- bleibt er als ungerührter Ahnherrn-schaft-sprachloser Zeuge sitzen wie ein Stein,- und läßt auch in der weiteren Storyentwick-lung nicht in einer Silbe erkennen, das er in irgendeiner Weise von der Tragik dieses Dramas berührbar ist. Er wird diese unbeeinträchtigte Unempfindlichkeit letztendlich büßen, denn der scheinbar nur,- in Wirklichkeit jedoch immer noch nicht gänzlich unempfindlich gewordene Vater – wird langsam, aber sicher, angesichts dieses >Erweckungserlebnisses< hin zu einem völlig neuen Entscheidungspfad seines Lebens gedrängt.
Hank begegnet Leticia zuerst im Coffeeshop, wo Hank - als ritualimmunisiertes Gewohnheit-stier - sein Schokoladeneis nebst Kaffee, möglichst am Stammplatz, zu sich nimmt. Doch die Rituale zerbröseln im Laufe des Films,- zunehmend. Hank, auf Geheiß und unter gehorsamen Einfluß eines Vaters,- vertreibt zwar die schwarzen kindlichen Nachbarsboys mit Schüssen aus seiner Schrottflinte von seinem Grundstück. Deren empörtem Vater hält er lakonisch ent-gegen: „sie sollen sich von meinem Grund fernhalten“,- immer wieder,- als einziges Gegenar-gument.
Hank und Leticias Wege kreuzen sich immer näher und intimer. Als Leticia verzweifelt Hilfe braucht, ihr überfahrener Sohn am Straßenrand, ist es der heimkehrende Frank,- der die bei-den aufliest und ins Krankenhaus spediert,- und, schließlich, die gebrochene Frau nach Hause bringt, und aufrichtig einfachen hilf- und selbstlosen Trost anzubieten versucht. Bald weiß er, wer sie ist, als Witwe des Mannes, eines von vielen, den er auf seinem letzten Gang nicht be-gleitet -,- sondern als Rädchen der Maschine ausgeliefert hat. Seine beginnende Revolte, ge-gen sein Schicksal, das ihn im Seeleninnersten ebenso endgültig zu fressen droht wie den Vater, den er täglich versteinert vor Angesicht hat,- ausgelöst durch die Schuld am Tod seines Sohnes,- verdichtet sich dieser (Aufbegehr) und gewinnt an Gestalt in berührendem Kontakt mit ihr. Alles läuft auf eine endliche, finale Explosion der Enthüllung ihres beiderseitigen vom gnadenlosen Schicksal längst geknüpften Bezuges hinaus: ein erwartetes Ende, das uns Forster verweigert,- denn hier hat er eine endliche Überraschung für uns bereit. Der allmäh-lich, in einer Katharsis einer explosiven, berauschenden und unendlich befreienden, sexuellen Begegnung geläuterte und sich häutende Hank – wird mit der unbeabsichtigten Enthüllung vor der bis dahin nichts ahnenden Leticia vor die Gretchenfrage seiner Schuldverwicklung, Strafe und Lohn, gestellt. Wie wird die Antwort ausfallen? - was hat er bis dahin verdient?
Die Antwort ist zwiespältig. Wir wurden Zeuge der Schuld am Tod seines empfindsamen Sohnes, der an Hanks Härte und Ungerechtigkeit zerbrach. Wir wurden aber auch Zeuge, wie er in einer liebevollen Geste schließlich den Namen der beiden Nachbarsjungen erfragt, die er einst von ‚seinem Grundstück‘ vertrieb,- und welche er nun als Menschen,- hinter ihrer schwarzen Hautfarbe, ihm bis dahin darunter verborgen,- (an)erkennt; wie er seinen Truck deren Vater, der eine ärmliche Kfz-Werkstatt in der Farmscheune betreibt, zur Reparatur und zum Aufpolieren anvertraut; wie er seinen Job im Gefängnis kündigt, und seine Uniform, Symbol einer menschverachtenden Knechtschaft, verbrennt, und das Emblem mit Genugtu-ung sich verflüchtigen zusieht; wie er das unmittelbar nach dem Tod versiegelte Schloß vor dem Zimmer seines Sohnes wieder abschraubt,- und sich dessen Andenken – zum ersten Mal liebevoll- stellt; wie er den reparierten Transporter seiner mittlerweile bekannten bedürftigen Schicksalsverknüpfung schenkt, welche ihn kaum annehmen mag, so sehr sie seiner bedürfte; wie er sich allmählich in eine (für solchen Familienhintergrund eigentlich undenkbar ausge-rechnet) farbige Schönheit,- Halle Berry in der bei weitem anspruchsvollsten und mutigsten Rolle ihrer Karriere (zumal beim erforderlichen explosiv enthemmten seelenberührtem Sex mit Billy Bob Thorntons Hank),- verliebt ; wie er das Firmenschild seiner zum zukünftigen Lebensunterhalt erworbenen Tankstelle liebevoll „Leticia“ benamst und handbepinselt; wie er, endgültig, angesichts der letzten unhinnehmbaren Provokation seines unrettbar verlorenen Vaters (er beleidigte exzessiv rassistisch obszön die Frau, die jener! nunmehr liebt-), seine bis dahin schweigend akzeptierte Fürsorge-Selbstverpflichtung endlich desavouiert,- und den Mut hat, ihn im Altersheim unterzubringen ; - streicht daraufhin das Haus neu an, und richtet es für sie her ; gesteht ihr intim, das es ihm einzig darum geht, das sie sich endlich wohl fühlen mö-ge und er für sie Sorge zu tragen sich redlich bemühen will; was sie akzeptiert in einer unend-lich zarten und berührenden Szene, in der sie ihm ganz leise antwortet, das sie sich der Für-sorge bedürftig fühlt, die er anbietet ; wie er seine Rücksichtnahme beglaubigt durch die Be-reitschaft, sie, die er soeben nach ihrem buchstäblich auf der Straße-Sitzen nach der Pfän-dung,- in sein Haus aufnimmt,- auf dem Sofa außerhalb des (bis dahin seines) Schlafzimmers (und nachdem sie bereits längst zuvor enthemmten und seelschmelzenden Sex geteilt hatten) – nunmehr, wenn sie wünscht, auf dem Sofa zu nächtigen. Er muß es nicht; denn sie, so zart berührt, läßt wieder Nähe zu, und vergißt die schamlose Kränkung, die ihr im Hause – vom Vater – zugefügt wurde. Und nun naht das Unheil: nachdem sie sich wieder derart nahe sind,- verläßt er das Haus, spontan von ihm erfordertes Schokoladeneis (mittlerweile ihrer beider Lieblingsverwöhnung) zu besorgen ; und sie entdeckt, abgestellte Kartons beiläufig sichtend, das er der Hüter des Todes ihres Mannes war, der die Hinrichtung durchführte. Der phanta-stisch präzise und einfühlsame Score (die musikalische Untermalung, xxx) läßt das Unheim-liche und Bedrohliche dieser erneuten, völlig veränderten schicksalhaft unmenschlichen Si-tuation bis auf den Grund fühlbar werden und das Schlimmste, den letzten bedrohlichen Final eklat befürchten; die Spannung steigt ins Unermeßliche, als die nichtsahnend rückkehrende Figur Thorntons einer völlig entgeisterten und entgleisten Halle Berry (phantastische Leistung beider in dieser eindringlichsten, annähernd wortlosen Szene, in der alles über Gesten und Ausdruck transportiert wird, und das ist viel,- sehr viel!) – gegenübertritt. Sie ist angesichts der Ungeheuerlichkeit der unfaßbaren Verwicklung schockiert- und schock-gefroren bis zur Sprachlosigkeit ; er ahnt kaum, was in ihr vorgeht,- und ist reiner guter Wille. Lange weiß man nicht, ob diese Szene in der allesmöglichen Affekthandlung einer Brutalität oder ausbre-chenden Wahnsinns enden wird;
Statt dessen läßt sie sich, wie schlafwandlerisch äußerlich friedlich auf die Veranda unter ei-nen ewigen Sternenhimmel geführt, von Hank, der in seiner Veränderung und Hingabe schließlich doch, nach einem unendlich zögernden, schwankendem, allesmöglichen Moment - A b s o l u t i o n erfährt, zur stillschweigenden Bestätigung dieser Vergebung und Hoffnung auf ein besseres zukünftiges Sein – mit einem Löffel Schokoladeneis von seiner endlich lie-bevoll empfindungsgewandelten Hand- füttern zu den von ihm gesprochenen Worten: „Ab jetzt soll es besser werden“.
Für diese letzte Szene hätte Halle Berry im Namen des Teams - tatsächlich den Oscar ver-dient, denn sie ist grandios – sowohl konstruiert – wie auch gespielt. Bravo.
Ein Film, der Vergebung feiert und auf Hoffnung hoffen läßt – und das Schuld sich wandeln kann , mit, je wichtiger es wird, immer weniger Worten,- und immer eindringlicheren Gesten und Bildern. Ein Schau-werk, das die Macht der belebten Bilder nutzt -, und rechtfertigt. Ein Film, welcher der Ausdrucksmöglichkeit des Mediums gerecht wird; ein Film, der zu Recht hohe Kunst-Vergegenwärtigung genannt werden darf. Bitte, Marc Forster und alle, die bei-trugen: schenkt uns noch viele Filme.
Scorsese schenkt der Welt ein weiteres Meisterwerk.
Das Kinojahr 2012, dominiert von Kassenhits wie DarkKnightRises oder The Aven-gers, erlebte fast vergleichsweise unbemerkt daneben (vorläufiges Einspielergebnis um die 150 Mio. $‘s bei ähnlichen Kosten) die Premiere eines wahren, kleinen Juwels des narrativen Kunstkinos: Martin Scorseses Alters-Lebens-Liebes-Bekenntnis eines Waisenjungen, der, aus der Welt gefallen, einen Weg zu ihr zurückfindet – weil er die mittelbare Gabe eines großen Reparateurs in sich entdeckt.
Martin Scorsese, einer der GrandOldMan der weltmarktbeherrschenden Illusionsma-schine, die an der amerikanischen Westküste ihren Heimatanspruch überlebensgroß in die dem Weltmeer zugekehrten sanft abfallenden Hügelzüge einschreibt und be-hauptet,- hat ein melancholisch-weises, lustiges, sanftes, buntes, trauriges, beweg-tes, leichtfüßiges, spannendes, intellektuelles, lehrreiches, genußvolles, rührendes, hintergründiges, multidimensionales, verflochtenes Märchen für Erwachsene ge-schaffen, das voller Anspielungen und Details und (Film-)Erinnerungen steckt, den Mut der Einfachheit wahrer Größe wagt vorzuweisen schlicht und sich an das, soweit noch vorhanden, restliche Kind im Manne oder sonstiger scheinbar erwachsener „Großer“ wendet. Das Wunder ist, daß er sich damit zugleich an das in jedem Kind vorhandene „Erwachsene“ wendet, und damit, wahrhaftes? – „Familienkino“ im be-sten Sinne schafft (fast jeder Altersstufe ab, sagen wir, zehn, gleichermaßen zuge-wendet und zugleich einnehmbar? Hugo Cabret ist ein Film, den sich Eltern mit ih-ren Kindern ansehen können – ähnlich erster Harry-Potter-Filme; aber auch, bis auf wenige sehr erwachsene Ausnahmen (die Zahl dieser Exemplare ohne weitere Kind-heitswurzel scheint von unserer Zeit gefördert progressiven Nährboden vorzufin-den),- rein akademisch adoleszent- „Groß-Gewordener“,- ohne rückwirkende Anleihe oder verlorengegangenes Bewußtsein einstiger Herkunft, indem sie schlichtweg nur einfach noch „groß“ blieben – : auch für diese dürfte anders doch einiges im hier fer-tigen Kino-Derivat ,- Verstehbares, Ansprechendes,- enthalten sein. - Besser aber, der Regisseur fände, seinem Verdienst gemäß, auch noch anderes Ansprechbares in den meisten derjenigen, die seine Publikums-Zeitgenossen und mitmenschliche Be-völkerungsumwelt sind ; und ich wette, bei den vielen seiner Artgenossen wird er hoffentlich fündig (es wäre uns allen zu wünschen, und in mehrlei Hinsicht besser für uns). Ich hoffe, die Zahl der puristischen Ultrareiften, die der liebenswerte Regisseur als Dankeschön für seine Offenheit nicht-vorfindet (oder nicht so), bewegt sich in Grenzen – und Scorsese hat das Glück, relativ vielen unerwachsenen Großen zu begegnen ; die anhand dieser Begegnung es wagen, sich zu erinnern, „wo ihre Träume herstammen“. (Auch wenn die Annahme des Künstlers, vorzüglich der Film wäre die Brutstätte modernen Phantasievermögens, doch wohl etwas zu voreilig selbsteingenommen im Film formuliert war – Georges Melies zum Knaben: „Hast du dich je gefragt, wo deine Träume herkommen?- sieh dich um : hier werden sie ge-macht!“-) Pardon, das Knäblein tut entscheidendes dazu: den es gibt den Träumer.
- Scorcese zeigt, das dieses Kind in ihm, dem Meisterregisseur „der Gewalt und des Verbrechens“, immer noch steckt und nicht zum Schweigen gebracht ist – und er zeigt, wem und warum dieses Kind immer noch so wichtig ist.
Vordergründig bewegt sich die Thematik dieses Films rund ums Medium Kino,- von einem Besessenen und Faszinierten und Liebhaber (und Praktizierenden) dieses Kunstmittels transportiert, der, was er zu sagen hat,- oder vielmehr, als Geschenk mit uns verhandelt (wo er durchaus hätte schweigen können),- in die Sprache kleidet, die seine Lieblingssprache ist. Aber Scorsese hat keinen Film über den Film gedreht, wie öfters angemerkt ist; er hat ihn nur anhand des Films vorgetragen. Er möchte mehr sein und ich behaupte, er ist -, mehr als eine Reminiszenz an eine persönliche Lei-denschaft und Besessenheit – er ist ein leichthin und wie spielerisch gegebenes,- und doch tiefgründiges Bekenntnis, eines erfahrungsdosierten Menschen, über dies seltsame Dasein hiernieden, dem wir, für eine merkwürdige Weile, anheimgegeben sind. Gute und wohltuende Worte,- oder vielmehr Bilder, die obenhin spielen, die nicht wirklich essentiell und nötig erscheinen, in ihrem unbedingt gesagt-sein-müssen,- die eher beiläufig eine hübsche Geschichte erzählen – in der doch aller-hand Merkwürdiges daneben steckt. Tatsächlich wird uns wohl dabei, während wir dieser Geschichte lauschen, und zusehen, wie sie sich formend entwickelt – und ih-ren vollendeten Rückschluß in sich findet und nimmt. Zuletzt darf uns ganz wohl sein – nicht, weil wir Kitsch aufgesessen wären (zum Schluß könnte er unbedarftem, un-aufmerksamen Zuschauem süßlich so erscheinen), er ist es nicht, er ist berechtigt, denn er zieht sein zuvor begründetes und dargelegtes Fazit.
In zauberhaften Bildern entführt uns der Film, vom ersten Flug aus höherem Ab-stand, näher, immer näher, bis schließlich in die von Menschen bevölkerten Schnei-sen des Bahnhofs Montparnasse in Paris um 1930 und dessen weitere Bewohner hinein,- in die Welt des Waisenjungen Hugo, der hinter oder vielmehr inmitten der (riesenhaft übersteigerten) Bahnhofsuhren wohnt. Allmählich erhellen sich die Hin-tergründe seiner abstrusen Existenz: wie nach dem Museumsbrand-Tode des dort angestellten (Fein-)Mechaniker-Vaters,- der saufende Onkel ihn in seine verborgene Glöckner-von-Notre-Dame-Existenz als Wärter der hinterwärtigen Mechaniken von Gare Montparnasse geholt hat zur Unterstützung,- in Wahrheit als Arbeitseinsatz-Ersatz fern gestrichenen Schulbesuchs, mittelsdem besagter Onkel sich allzu inten-siv seiner Karriere als Trunksüchtiger hingeben kann und damit auch schon als nicht weiter vermißte Brückenfüllerlücke aus der Geschichte verschwindet. Übrig bleibt Hugo, das Waisenkind, verborgener Wärter der Zeit-Maschinierlichkeit, der von oben durch das tickende Triebwerk seiner Zahlen das Treiben der anonymen triebigen Menschenwelt unten betrachtet und beobachtet – und sich ab und zu ein Croissant stiehlt, ewig belauert & auf der Hut vor dem Dobermann-„Bahnhofswächter“-Duo (ei-nesteils dargestellt von Brachial“komiker“ Sacha Cohen) (ein weiterer Hinweis auf die Tieferebenen-Qualität dieses Werks, das ein solches Phänomen in ihm Platz findet und mühelos anspruchsgerecht integriert werden kann).
Wir wollen natürlich, um die erste Zurschau-Stellung dieses Werks keinesfalls zu gefährden, natürlich nicht allzuvieles seiner detaillierten Erzählstruktur preisgeben – zumal seine zauberische Atmosphäre, schwebend zwischen konkret liebevoll gege-bener (und genoßener) historischer Einbindung (ein Kostümfest!) und der unwirkli-chen, traumhaften Ebene, manifest durch den kaum je aussetzenden Score (achten Sie mal drauf!) - eines seiner wesentlichen Elemente und Wirkgeheimnisse darstellt. (Überhaupt die ungeheuer feinfühlige und akkurate Lautmalung des Films! einen Os-car bitte!) und dann: (Die riesigen Pendel! Die massigen Räder, und Rutschbahnen, und Kohlenkeller, und Perspektiven, von und über und in Paris,- des vom Stern um-gewandelten glitzernden Eiffelturmes!- des blechernen Antlitzes des zierlichen Kunstmensch-Automaten! die zischend abblasenden Dämpfröhren-Gestänge! der Dobermann! das quietschende rasselnde hinkende Kunstbeingestänge des kriegs-versehrten Bahnhofswächters, Hüters der Ordnung, „ so Manchen ist es abhanden gekommen!“ – das Blumenmädchen – Johnny Depp als Gitarrenspieler (vergeblich versteckt!)- die unvergleichlich herzerwärmenden und komischen Annäherungskom-plikationen der altersfortgeschrittenen Cafehausbesitzerin (oder -bewohnerin?) und ihres künstlerisch angehauchten Verehrers,- mit seiner überraschenden Lösung – die wunderbaren klischee-übererfüllenden Dackelaufnahmen – andererseits der Hund von Baskerville wer hat ihn erkannt? – nur soviel soll jetzt noch verraten werden:
typisches Merkmal für die unterschwellige Qualität der Erzählung soll sein: das Ge-orges Melies, Filmpionier, tatsächlich, nach dem Scheitern seiner kriegsruinierten Karriere, als verarmter Industriellen-Sohn (sein Erbteil verschlang neben dem schließlichen Kriegsdebakel vor allem seine lange unrentable und stets finanziell prekäre Film-Leidenschaft) – das dieser veritable Georges Melies, ein Kunstmaschi-nen-Narr in der Tat ein kleines Spielzeug-und Naschwarengeschäft für den vorüber-fliessenden Verkehr im Gare du Montparnasse zur beschriebenen Zeit betrieb,- be-vor er hohen Alters als Pionier einer bestimmten Sorte phantastischen (vorgestellten-, nicht-dokumentarischen-) „Kunst“-Films wiederentdeckt und spät geehrt (und mit einem von zusammengeschlossener Verehrerschaft finanziertem Platz im Alters-heim, mit seiner Musen-Darstellerins-Eh’weib gemeinsam,- belohnt) wurde, wo er 1938 hochbetagt verstarb.
Scorsese liefert nicht nur ein Geschichte, er liefert auch Fakten. Er nimmt die Fakten des Daseins, und verleiht ihnen aber Leben mit einer lebendigen Geschichte. Er nimmt nicht, nur, wie in Kollegenkreisen so oft leider beklagenswert üblich,- ein dür-res Faktengerüst tatsächlich Geschehenem oder Geschehendem,- und verbläst sie zu einer vollkommen unnatürlichen,- und unwahren, und so überhaupt nicht lebens-fähigen und unrealistischen,- je real unmöglichen Geschichte,- sondern er nimmt ein Wahres, und gibt ihm Fleisch und Blut zurück: dessen es die Zeit entledigt hat. Das muß nicht heißen, das Hugo Cabret „gelebt hat“ (so hätte kein Waisenkind niemals in einer derartig unmöglichen Zahnrad-Wohnung wirklich existieren können). Die „höhe-re“ Wahrheit, die damit also „märchenhaft“ wird, „stimmt“ – in dem Sinne, in dem wahre Märchen ein Wirkliches verklausulieren und bündeln. Und wie es bei Märchen, den Legenden mit dem wahren Kern, so geht: überprüft man sie anhand der bitteren historischen Wahrheit, gerät sie regelmäßig mit dieser nicht in Konflikt – das Märchen und geschichtliche Wahrheit schließen sich nicht aus und widersprechen einander nicht – pure Fiktion und Wunschdenken schon (natürlich ist dies eine Frage des An-triebs, wie tief man weiterzugehen gesinnt ist, bis man auf „historische Wahrheit“ stößt.) - Doch dies ist eine andere, im Dissens schnell unfruchtbar werdende Diskus-sion. So viel soll bleiben: die unschmackhafte, fremd anmutende Wahrheitsverdre-hung a la, allzuoft, Hollywood, wo Geschichtsklitterung und niederkommerziell aus-gebeutetes und ausbeutbares Wunschdenken aller Art und Couleur gang und gäbe sind,- & die so unappetittlich sind, das sie beinahe die ganze Wirtschaft in Verruf bringen,- diese Art abstoßendes „Lügenlaster“ sind, wie in allen wahrhaft großen Werken (zum Beispiel diejenigen „phantastischen“ Terry Gilliams fallen mir beiläufig ein) wohltuend vermieden,- so auch hier.
Ein Großteil des Materials hat nicht nur realen Charakter, sonder ist kunstvoll ver-flochten, mit Herzblütigem, und persönlichen Steckenpferden des Autors (des Films), was Wunder: denn der Liebhaber spricht befeuert. Und Scorseses Steckenpferd ist nunmal Kino (-geschichte auch). So wimmelt es von Zitaten (für Kreuworträtsel-Fans herauszufinden). Manche offensichtlich, Harry Lloyd und Buster Keaton, etliche Wandschmuck- & Figurenhinweiszitate (zum Beispiel über dem Blumengeschäft oder „Das Blumenmädchen“ selbst, Charlie), -oder Kino-Ausstellplakate, -der an der Klet-terwand sich hochhangelnde Bahnhofsgendarm, Christopher Lee’s Perspektiven-Blick von unten her,- doch ins altersmäßig-Milde gewandelt (welch netter Zug!),- die kurzen Einblendungen erstmaliger Gruselschocker-Aufnahmen bishin zum die Kame-ra anvisierendem Cowboy, oder dem flüchtigen in-den-Bahnhof-einlaufenden und aus-dem-Bahnhof-ausbrechenden und-überstürzenden Zug (allesamt historische Zitate): und der Witz dabei ist, das in diesem Werk, in dem alles (Cineasten-) histo-risch belegbar ist, der ganz
nackten und nur noch brutalen Wahrheit
nur auf e i n e ebenfalls angemessene Weise einzutreten erlaubt ist: denn der end-lose Zug heimkehrender Weltkriegs-Soldaten, ein wahrhaft elendiglicher Zug von schrecklichem Menschenmaterial nach furchtbar Erfahrenem, unter dem wie pas-send niederträufelndem traurigen Himmel,- in Feldgrau unterm Regencape, beklem-mend „real“, ein eisiger Anhauch nackten entblößten Wirklichkeitsgetues,- dieser Einzug von Wahrhaftigkeits-Furore wird dargeboten als – gefilmter Wochenschau-Bericht, der Heimkehr,- auf historisch zelluloidbewahrtem Material. Selbst der Wirk-lichkeit wird hier nur einzutreten gestattet, in die magische Welt dieses Films, wenn sie selbst gefilmt ist – sich den selbstauferlegten Gesetzen der gestatteten Absorpti-on der Welt des Martin Scorcese, die ein Kunst-Kosmos ist, beugt.
Das ist keine Verniedlichung und Entschärfung der – „Realität“,- und nicht alleine ein Selbstschutz-Mechanismus zarter Künstler-Natur. Das ist ein Herrschafts-Zulassungs-Instrument,- mit dem ein Individuum seinen Anspruch begründet, sich von der Welt ihre Gesetze nicht aufzwingen zu lassen,- sondern sie (und das ist gut so) unter seine beherrschende und beherrschbare Fuchtel zu zwingen. In der Kunst gebiert der Mensch seinen Anspruch darauf, mit der Welt umzugehen und umgehen zu können – was er muß. Er muß auf sie reagieren und mündig handlungsfähig blei-ben. Er darf sich nicht unterkriegen lassen und blind unterwerfen und auf glückhafte Schonung hoffen. Er kann sich anpassen und als passives Werkzeug treiben lassen- dann landen wir bei den Katastrophen der Geschichtsschreibung. Oder aber, nichts-destotrotz, trotz allem Unfaßbaren, gibt er seinen Anspruch nicht auf, seine Wert-maßstäbe, so schlicht unmöglich es scheint und unterhöhlt („durch Ereignisse“) sie sind, - aufrechtzuerhalten und sich zu behaupten – gegen die Geschichte,- und ihr seine Interpretation aufzuzwingen: seinen Anspruch, Werte, wenn schon nicht in ihr, dann doch, wenigstens, in sich, zu finden: für real zu halten.
Das ist nicht so leicht gesagt,- weniger noch getan.
Martin Scorcese, mit leichter Hand, interpretiert seine persönlichen Wertschätzun-gen, die er in diesem Mikrokosmos, Mensch genannt, ausmachen kann. Und er ist ein Filmemacher, ein Mensch, der seine Wertüberzeugungen anhand seiner Spezia-litäten festmacht und versinn-bildlicht.
Jeder von uns formuliert sein persönliches Glaubensbekenntnis anders: dem einen ist es seine religiöse Nomenklatura, der andere wertschätzt Autos oder Fußball, der dritte ein bestimmtes Weib oder Mann, der nächste die Kunst,- die Wissenschaft,- die Musik, - oder Mozart, - den Dalai Lama, oder die Menschenrechte, die Biosphäre oder die Freiheit.
Bei Scorsese sind es Bilder, die auf Medien gebannten Kopien der Film-Wirklichkeit: Film-Geschichten,- Film-Bilder, so manche schon Ikonen.
Sie nähren sich bei ihm aus dem Herzblut des Menschen: wie sagt er einmal (in die-sem): „Ich lade Sie ein, das zu sein, was Sie wirklich sind: Abenteurer, Reisende...“ ... Der Mensch ist nicht das, was der reduzierte Alltag als Gebrauchsmaterial zu-rückläßt,- manchesmal geradezu ausspuckt. Der beschädigte Mensch: ob nun der verwitterte derart ausgespuckte erfolglose und verbitterte Ex-Künstler oder derjenige, der illusionslos beschädigt nur noch pseudo-wirklichkeitsnah „zurückgekehrter“ Kriegsrest-Invalider ist: „Manche von uns werden nie wieder ganz“. Nun sind wir beim heimlichen Thema: wie werden wir wieder ganz? (wenn die Wirklichkeit uns Schaden zufügte – bitte: das ist ihr Wesen!),- wie können wir genesen und heilen? Was ist das Heilmittel?
D a s ist das Thema von Hugo Cabret,- und nicht irgendeine cineastisch-gelehrte Studie oder Hommage: Scorcese, zwar anhand dieser, und hübschen Verpackung, redet mit uns über unser Wesen, unsere Verletzbarkeit, unsere Chancen, leichthin gesprochen und drüber weggewischt, unserer Heilung. Das vermag für uns kein Weiser. Aber man kann nebenher ein paar Bemerkungen, und Überzeugungen, deutlich machen. Wichtig ist: das sie als solche nicht erkannt werden, sondern ne-benher erfolgen, sich quasi einschleichen, und anhand des Gestus uns überzeugen machen. Der Mensch lehnt direkte Lehre ab. Die Zeiten der Gebote und religiösen Doktrinen sind vorbei. Die Menschheit mißtraut klump auftretenden Lehrern, ob Je-sus-nachfolgenden Oberhirts-Geschäftsträgern oder politischen Heilsausformulierern a la Karl Marx oder Jesuiten der Kunst. Sie wünscht sanft, unmerklich belehrt, nein verbessert zu werden. Sie möchte sich ziehen lassen. Sie will unmerklichem Ruf, eigentlich Beispiel, folgen.
Hier darf sie es wohl: weil über Hugo Cabret ein Zauber liegt, dem man, sofern man empfindlich genug (sich Empfindlichkeit genügend bewahrt hat), erliegt, erliegen kann und gern erliegt (wohlgemerkt: nicht alle!). Einige mögen mittlerweile hartge-sotten genug sein oder sich erscheinen : nun gut, für die gibt es HardCore-Kunst, und andere Metaphern, es sei nicht böswillig angemerkt und gegönnt (vielleicht brauchen sie SinCity oder Tarantino, um sich wohlzufühlen). Das ist kein Abschlag: die Kunst ist geräumig genug, für alle sei gesorgt. Wir übrigen seien dankbar: das es vermeintlich geringeren Mitteln noch oder bereits wieder vermag, uns anzurühren.
Scorsese bringt eine naive Malerei: ein Stilleben,- ein Märchen. Sicher wird es nicht allen gefallen. Vielleicht müssen diese älter werden, so alt wie Scorsese (der immer-hin auf die siebzig zugeht): um wieder Gefallen an einfachster Nahrung, an Rohkost sozusagen, zu finden – wenn sie komponiert mit den Geheimnissen der Haute Cuisi-ne, deren Vorzüge sehr wohl schmeckbar sind, - sich zurück-anzufreunden bereit sind.
Alten Leuten sagt man nach, das sie sich wieder der Kindheit annähern,- zu ur-sprünglich-einfachster Formensprache (wohltuend) zurückfinden: wie den Körper in die Heimats-Sehnsucht.
Das muß nicht schlecht sein: nicht Regression,- Alters-Stumpfsinn- oder –Verblö-dung- Senilisation.
Es kann eine Amalgierung der Formensprache bewirken: Komplexes mit einfachen Mitteln darstellen und mit-teilen.
Mit-teilen heißt Angebote machen, für jedermann: so einfach, das es auch die Einfa-chen zu teilen vermögen.
Dies ist etwas Gutes: denn es steckt ein Wunsch dahinter, der bereits fähig ist, sich selbst zu tragen: von allem Ausschließenden, Konkurrierendem, Neidischen entblößt. Ein Wunsch, sich Mit-zuenmpfinden. Mit Mann, Frau, und Kind: uns Allen.
Das gleitet ab? – man sollte es nicht zum falschen Zeitpunkt tun. Wie gesagt, Onkel Claude: Zeit ist alles, sechzig Sekunden die Minute, sechzig Minuten die Stunde,... es fehlte noch (der Bildflimmer an Michelangelos Adam betaktet’s: es fehlt unmerk-lich, doch vor-demonstriert: 24-x die Sekunde.
Der alte Mann besinnt sich auf den Takt seines Lebens-Puls-Schlags, der im Turnus des so begründlichen Stundenmäßigen sich abspielte: und das umfaßt in etwa den Zeitraum von Spielfilm-Länge.
Der alte Mann hat das getan, und er durfte es nicht nur: ich, und hoffentlich auf Dau-er nicht der Einzige, bin froh, das er es tat, das er sich so leichthin, über seine Le-bens-Distanz hinweg, mit mir darüber unterhalten mochte: über eines, anhand von einem Bestimmten, was ihm wichtig war: über das Medium Film hinweg mit mir, über einen gewissen Jungen namens Hugo Cabret, der ihm wichtig war, um gewisser Dinge willen, die ihm gestattet waren nicht unbedingt zu sagen, sondern zu vermit-teln, anhand von Bildern, einer Folge von ihnen, deutlich und fühlbar zu machen. Ich fand, es war ein wichtiges und lohnendes, und überaus rührendes, und gelungenes, und durchaus notwendiges, Gespräch. Denn der Mensch, wie ein diesbezüglich rele-vanter Vorfahr behauptete, lebt nicht nur vom Brot allein. Und nicht alle vermeintlich wichtigen Gespräche sind es wirklich, und nicht alle entsprechend unwichtigtueri-schen,- auch. Nein. Dieses Gespräch: hat mir gefallen. Und so manches werthafte dort Gesagte wurde hier noch nicht einmal erwähnt (zum Beispiel der Traum des Jungen, an dessen Ende er befürchtet entdeckt, das in seiner Brust ein eigenent-setzliches Getriebe-Uhrwerk schlägt, oder die Symbolik des herzförmigen Schlüs-sels, über den wir leider nicht so einfach billig verfügen)... ach, so vieles könnte man hierzu noch erwähnen, und anspielen ... aber für diesmal muß es, unter uns, genug sein. Zum Troste: gibt es ja noch diesen Film. Einfach einlegen und losspielen: und sich bezaubern lassen. Seien Sie sicher: es gibt noch genug zu entdecken,- ganze Arrondissements, von Bedeutung.
Denn es ist nicht nur eine cineastische Hommage. Es ist ein, ja wie, humanes Mei-sterwerk, eines liebenswürdigen Weisen; nun ja, etwas hart. Zu hart? aber das ist es: es kommt so einfach daher, man merkt es kaum. Aber versuchen Sie selber etwas: es ist nicht so leicht, wie es sich anfühlt. Oh nein. Derartiges wiegt schwer. Dadurch, das es so leicht ist.
Leicht wiegen ist eine Kunst – nicht dann, wenn man es ist. Sondern trotzdem: so zu tun, wenn man schwerwiegend ist, womöglich, ohne es zu merken oder zu beabsich-tigen – oder jemand bemerken zu lassen, das es so wäre.
Nehmen Sie DarkKnightRises, oder Avengers. Wetten, das diese überdimensionale Eintags-Ware, für den vorübergehenden Gebrauch, weitergeflutet ist, wenn man die-sen Film noch immer (wieder) bemerkt?
300<< Hollywood persona Zack Snyder
Kleines Lexikon des Faschismus, wie wir ihn lieben und kennen : wie buchstabiert man :
-EUTHANASIE?
-KINDERSOLDAT?
- pathologische Fühllosigkeit, Verrohung? – monumentale Selbstblendung? –Hybris? – überhaupt- : Monumentalismus, bishin zum Felsdekor, und Leichenmauer-Bergen?
-GESANDTENMORD- neben dem ähnlich sakrosankten Gastrecht-Gebot eines der ältesten Zivilisationsmerkmale?
–Konsenspolitik- und Diplomatieverachtung - als Krämergeist?
–Glorifizierung? Leidensdekorum?
–HELDENTOD „Dolce est decorum est pro patria mora“ ( Übersetzung hambg..: „Das Vaterland muß leben, auch wenn wir sterben müssen“ zur Gefechtstrommel des Gleichschritts)?
–Gegenwartsverachtung? –Führerprinzip? –Ordensnarben? –Systematische syntaktische Verdummungs-Verarschung, Holzhammer-PROPAGANDA wie Waschmittel-Werbung?
‚Propaganda muß nicht schlau sein – nur wirksam‘? Kommt uns der Tonfall nicht bekannt vor? -
–Weibsbilder, die ihre Männer-, Mütter (und Väter),- die ihre Söhne weihevoll (mit markigen Sprüchen für den allgemeinen guten Zweck) in den Tod schicken? -
-Salbungsvolle Wehrmachtsberichterstatter-Stimme (man muß es gehört haben „-FLEISCH und BLUT ...!-“ (triumphaler zwischen geknirschten Zähnen und Stirnader-Schwellen herausgepreßt als das verhältnismäßig züchtige ehemals „Blut und Boden...“)
„-ALLES , WAS ER BEDAUERT IST DIE GERINGE ZAHL DERER, DIE ER OPFERN KANN .“ ?
-„...HERRLICH...“ (dazu Bildeinstellung im Wasser treibender „feindlicher“ Leichen – ?
- die Verachtung athenischer Kunst-Weicheier als berufsmäßige ... „Töpfer, Schmiede, Bildhauer ... Knabenliebhaber-“ denn, „- - SPARTIATEN -, was ist E U E R Beruf?!-“ - „-B L U T !!!--“ (wie aus einem Mund). Vorbildliches Gleichtakt-Unisono.
-„WIR TATEN, WOZU WIR AUSGEBILDET- WOZU WIR GEBOREN- WOZU WIR GEZEUGT WURDEN“ (vor Mordszenerie, und trutziger Großaufnahmen-Spitze einer bluttropfenden Stoßspeerwaffe).
-„KEINE GEFANGENEN, KEINE GNADE - EIN guter ANFANG“.
-(Genüßlich entspanntes Verspeisen eines Apfels zum Abschlachten wehrloser Verwundeter nach der Schlacht) (übrigens, alles „Perser“- Fußvolk – Kanonenfutter – in Wirklichkeit ein Völkerkonglomerat – tragen Masken, Schleier, ohne menschlich erkennbares Gesicht). Klingelt was?
-dafür haben aber die tierischen „Monster“ solche („Gesichter“), wie unschwer der Wahrheit nach erkennbar : Rhinozerosse und Elefanten, wie sie (beinahe in solchem Geist) leiben und leben.
- -„ILLIAS! - ICH HOFFE DIESER ...(abschätzig) KRATZER- ... – SETZT DICH NICHT AUßER GEFECHT -!?“ – „KAUM MEIN KÖNIG, ES WAR NUR EIN AUGE wo mein göttergeschenktes zweites für einen Blinden wie mich doch schon völlig überflüssig wäre!“- Zugegeben, ein wenig eigentümlich verfremdet.
-„NACH SPARTAS GESETZ WERDEN WIR BIS ZUM L E T Z T E N KÄMPFEN – UND U N T E R G E H N “ worauf die Spartiaten wie nicht anders gewohnt antworten : mit einem dreifach sattnuanciert moduliertem „HOU-!HOU-! HOUW-!!“ über ihren rotgefärbten (mittlerweile etwas eingedreckten) Bärenfellen (rot ist praktisch, da sieht man Spritzer nicht so drauf – aber zum Himmel stinken wirds trotzdem).
-„MEIN FREUND! –DER VERLUST DEINES SOHNES ERFÜLLT AUCH MEIN HERZ MIT TRAUER!“ –„:::TRAUER?!? ... ICH ERFÜLLE MEIN HERZ MIT H A SS.- !“ - „ ...? –GUT -!-“
-„DU HAST EINE GUTE GESCHICHTE ZU ERZÄHLEN – EINE GESCHICHTE VOM SIEG!“ –
„- ... S I E G - ... .“
- -„MEIN Führer, ES IST MIR EINE EHRE, AN DEINER SEITE ZU STERBEN.“ „MEIN FREUND, MIR WAR ES EINE EHRE ebenfalls an deiner Seite - gemordet zu haben (freie Übersetz. d. Verf.)“, im Übrigen : duzt man sich in solchem Fall denn so schlicht erlaubt?
Unter den Blinden ist der Einäugige – nicht König, sondern einziger Überlebender.
Damit kommen wir zum großen Schlußwort, vor versammelter Mannschaft. -„Er wünschte keine Denkmäler oder Gedichte von Krieg und Tapferkeit. Er wünschte sich : vergeßt uns nicht. Sollte ein freier Menschan jener Stelle stehn*, in all den unzähligen Jahrhunderten, die noch kommen werden, so mögen es unser aller Stimmen von den zeitlosen Felsen flüstern: Wanderer, kommst du nach Spa, verkünde es dorten, du hast uns hier liegen sehn, wie das Gesetz es befahl.“ Aber gerne, hiermit erledigt.
Im Grunde ist es ein Videospiel, das dem Betrachter vorgegaukelt ist: man muß, in all den Schlacht-„Gefechtskampf“-Szenen, nicht einmal selber mehr die Knöpfe drücken. Selbst das ist prompt für einen erledigt.
Wer tut es dann?
Tja, wer tut es wohl, im Faschismus? Wer hat das Recht dazu? Wer ist es?
Merkst du’s?
Du bist es – doch – selbst.
Du bist dein eigener sieghafter Faschist, in solcher Betrachtung : der Zustimmung, die in Gefallen hier sich äußert -, oder nicht.
Goebbels wäre stolz, ansichtig Hitlers beifälligem zufriedenem Nicken, sich den Vater dieses Films nennen zu dürfen – aber jemand ist ihm zunachgekommen.
Und alle Zack‘ Gründgens dieser Erde dürfen sich freuen ; man würde sich nicht wundern, trudelte gar ein Oscar – statt eines Pfeilregens – am Ende vom Himmel
herunter.
* Übrigens ward uns, typisch, fein säuberlich verschwiegen die ganze Zeit: die Existenz der Helotenklasse im so trauten heimeligen Sparta, auf deren gnadenlos unterdrückten verachtetem Sklavenrücken zwanzig zu eins sich dieser eigensohochgelobte >Freiheitsfanatismus bis zum Tod< dieser „härtesten Kriegerkaste der Welt“ erhob und durch blanken Terror jahrzehntelang >aufrecht< erhalten wurde (bis er dann doch, aus Sparta selbst, von innen heraus, hinweggefegt wurde) – und welche dieselbe Art raubgieriger Freiheit war, welche die „Blonde Bestie“ im Osten unter den auszubeutenden Polen- und Slawenvölkern zu errichten gedachte. - Wobei sie den Terror zeitgemäß noch etwas organisierte und industrialisierte, mittlerweile weltbekannt berühmt und berüchtigt, denn wer redet angesichts der >Lager< noch von Helotenjagden trotz der Thermopyläen ? – Und doch war es nur der familiäre Brutkeim der herausgenommenen >Freiheits<>stärke< des vielbewunderten Ururgroßvaters – bewundere, wer mag, und mache ein kritiklos vorverschwiegenes Verführungsschauspiel davon, ebenso-, und ebender, der zeitgenaue Blindheit, die in Untergang mündet, gern erliegt, um des Einigen an fotogenem Dekorum willen, sich freiwillig verführen läßt. Was sind das für Kleine-Jungs-Träume von sportiver Unbesiegbarkeit und brabbeligem Größenwahn auf irrationalem häßlichem Selbst- und Weltbeschiß? Wer läßt sich sowas denn pseudoadoleszent vorschlagen und ernstgetönt eintrichtern, ohne peinlich zu würgen? Wer guckt denn da mit Lust, wie Köpfe rollen, und es allseits aus gekapptem Schlagadern pulst? Wer macht sowas aus welchen Gründen für wen-, Krankhaften und Beschädigten, unwidersprochen vor? Also, wer traut schließlich, > krank< und >gefährlich< zu sagen, mit offenbar recht dünnem einsamen Stimmchen ?