craax - Kommentare

Alle Kommentare von craax

  • 7 .5

    Natürlich ist das ein amerikanischer -, oder sollte man sagen, ein westlicher – Film, der seine Erzählweise, so weit es dieserarts möglich ist, aus einer anderen Kulturtradition hernimmt. Vielleicht wird er für „uns“ durch diese Bahn übermittelbar; man sollte ihm also nicht vor-werfen, das er ein amerikanischer Film in asiatischer Verkleidung ist. So verhält es sich nicht: es ist keine Verkleidung,- schon gar nicht eine Kostümierung.
    Der Film nach einem Buch. Das Buch von einem Menschen gebürtig aus Afghanistan, nach Amerika vertrieben: einem nunmehr Bewohner zweier Welten, der sich beiden erklären muß. So etwas passiert nicht oft: es ist ein Angebot, das einem selten unterbreitet wird, da die we-nigsten Menschen je den Ort,- geschweige denn die Herkunft ihrer Geburt verlassen. Pilger,- Erdbewohner gibt es nicht viele; begegnet man einem, und bietet sich die Möglichkeit zu ei-nem Austausch,- und mag man sie nutzen, hat man eine phantastische Möglichkeit, sich be-reichern zu lassen.

    Dies ist kein >amerikanischer< Film, wie ich mißwollend gelesen habe; dies ist ein Film zwi-schen den Welten. Dieser Film bedient auf ebendiese Weise keine Hollywood-Klischees; ein Klischee ist eine falschgewordene Plattitüde, in der eine Fahne anstelle der Wahrheit ge-schwungen oder, da das zuviel Elan erfordert, einfach nur unbeteiligt vorgezeigt wird; wer aber nach dem Erlebnis dieses Films mit dem Gefühl der Vorführraum verläßt, das der Autor – oder auch Regisseur – es nicht ernst –also unwahrhaft – gemeint hat -,- betrogen worden zu sein,- der müßte, vermutlich, schon ein etwas dickeres Fell als üblich,- und vielleicht auch gut für ihn wäre,- haben.

    Sicher ist die Welt der hier dargestellten Wahrheit nicht kompliziert; es sind elementare Ge-fühle und Haltungen, die um Ausdruck ringen. Elementar wie Ehre, ein westliches Unwort mittlerweile (aus gutem Grund), Treue, Freundschaft, Feigheit. Ein Nicht-Unwort im Westen , ein Wort mit gutem Klang, wäre zum Beispiel Zivilcourage,- auch Schriftsteller; aber was ist mit ‚Drachenläufer‘ ? – ein poetisches Wort.

    Tatsächlich kulminiert im Film die Szene, als ganz Kabul während des Vorfrühlings zum Drachenfest sich auf die Straße begibt, zur Schlüsselszene einer lebenswerten,- wenn auch dem Westen äußerlich unähnlichen Welt; ein Klischee mag das für die sein, denen die indivi-dualistische Kultur Amerikas zur eigenen, Kraft ihrer Kindheit gewordenen ist, werden muß-te, bin versucht zu sagen; denn in, ich wage es zu sagen, den meisten gesellschaften unseres Planeten ist es nicht so und gleicht Kindheitr eher dem Gemeinschaftserlebnis, wie es hier geschildert wird. Ja, ich denke es ist so: die meisten Menschen wachsen in einem ideelen Ge-meinschaftsverbund auf. Damit ist nicht gesagt, daser gut oder besser als die Alternative wäre; es sagt nur, das traditionelle verwurzelungen des Einzelnen immer noch eine große Macht auf diesem Planeten darstellen. Der Westen, kraft eines geschichtsungewohnten Wohlstandes, leistet sich vielfach die Haltung, diese Verwurzelung als rückschrittlich etwas von über die hohe Schulte herab anzusehen, weil Traditionen in der Regel wohl etwas verwickelt -, viel-leicht auch sinnentleert,- aber nicht kompliziert sind; sie können dies letzte nicht sein, weil Menschen in der Regel einfach sind und zur Einhaltung Traditionen erfordern, die ihnen ent-sprechen und umgekehrt. Religionen sind der einfachste gemeinsame Nenner von Vielen; die meisten allgemeinverbindlichen Vorstellungs-Verpflichtungen ebenfalls. Wo zum Beispiel von Ehre zur Sprache gelangt, geschieht zweierlei ; ein schlichtes Gemüt spricht; und es ist ihm ernst. Ehre ist nicht kompliziert ; und mit Ehre spaßt man nicht, weil menschen für Wahrheit töten, und es viele Wahrheit gibt: komplizierte – und einfache. Wir sagten es: einfa-che Menschen verfügen über einfache Wahrheiten. Der westliche mensch, in sei ner besten Kulturtradition, fühlt sich in der Regel als Gralshüter des komplizierten Anteils ihrer,- und dünkt sich damit gleich etwas besser; es ist Hochmut. Die meisten Menschen funktionieren simpel; und es ist gut, wenn sie gut funktionieren,- denn eine schlechte Funktion ist die eines Wilden,- im Sinne eines Barbaren -, eines Haltlosen, eines Sittenlosen, eines Egoisten, eines Verbrechers, eines Täters, der andere zu Opfern macht,- wie immer man es nennen will: DAS (zum Letzten gemacht werden) will keiner: und da sind Kulturen sich einig, kompliziert, oder eher simpel: Unrecht – verhindern.

    Es gibt einfache und komplizierte Wahrheiten. In diesem Film ist, was uns eher selten im Film anmutet, von den einfachen die Rede. Das geht nur gut, wenn Ehrlichkeit spürbar ist: denn ein Armer im Geiste kann nur Sympathien beanspruchen, wenn spürbar ist, das es ihm ernst ist; Authentizität könnte man auch sagen.
    Ich denke, diesem Film kann Authentizität nicht abgeleugnet werden; die Bilder sind einfach aber kraftvoll,- wie die Geschichte. Sie ist glaubhaft, wobei individuelle Genese entscheidet, was für den Einzelnen glaubhaft ist. Ich wünsche, das möglichst vielen Menschen, die diesen Film sehen, sie glaubhaft vorkommt, obwohl sie so einfach erscheint; denn diese Glaubhaf-tigkeit gerät anderes herum leicht zu einem Wort für Unverdorbenheit, wie sie ein Großteil der Welt noch empfinden kann,- und darauf angewiesen ist, sie zu ihrem Empfinden-Können vorfinden zu müssen ; ich rate den Pseudo-Intelektuellen, die sich hier Dicke tun, darüber nachzudenken, wann sie zuletzt einmal einer ganz simplen und unverblümten Tatsache, einer nackten Wahrheit, gegenübergestanden haben : um sich zu erinnern, das Wahrheit, wie ver-steckt und erahnbar nur sie manchmal auch sich eher verbergen als zeigen mag,- doch manchmal auch ganz schlicht und stark erscheint; vielleicht sogar oft. Nur erkennt man sie dann nicht leicht: weil sie, hier, stets in Gesellschaft einer Menge laut und unangenehm ran-dalierend auftretender Rüpel vereinzelt werden muß, weil Unwahrheit: bevorzugt schreihalsig und aufdringlich daherrempelt. Die Unwahrheit benutzt am liebsten immer noch Ellenbogen,- im Umgang mit der groben Masse; aber auch für diese muß es Wahrheit geben,- wenn auch stets schlicht,- niemals laut.

    Also kein übermäßig lauter Film; ein schlichter, ja ; und am besten da, wo er am schlichtesten ist, nämlich im Erscheinen eines Khabuls vor der Invasion; auch dort der mensch, wie er im-mer ist; aber auch eine Welt, die mit dem Menschen, der sie bewohnt, zusammenpaßt; und, Gottseidank, - oder anders kann es nicht sein, ohne das sie mitgerissen würde -: das Böse vermag auf Dauer nicht die Oberhand zu behalten: denn dann wäre die Welt fort. Die Welt erhält sich, weil die Menschen in der Summe immer noch gut sind und die Bösen die macht-volle Ausnahme ; so einfach ist das. Würde sich das je ändern: wird es bald kein Bedauern mehr geben, das diese Tatsache trauernd bezeugen würde können. Indem wir das Böse bekla-gen: zeigen wir immer noch, das es nicht gesiegt hat,- auch wenn das Siegen schwerfallen mag.

    Dies ist ein einfacher Film von einfachen Dingen; wer ist vor allem ehrlich,- eine Rarität und spürbar seltene edle Perle; ich wünschte, möglichst viele Menschen wären sich nicht zu scha-de – oder zu kompliziert – für seine so schlichte wie grandiose Wahrheit,- eines seltenen Gu-ten.
    Die komplizierte Wahrheit wird dadurch nicht beschädigt: es mag vielleicht, eines tages, ge-lingen, die komplizierte und die einfache Wahrheit beizugesellen und aneinanderzufügen; aber es ist nicht nötig, das sie sich hassen oder aus dem Wege gehen. Das sollte man nur dem Unrecht tun: denn dies würde sich zu gern mit allem Möglichen paaren. Findet man den Ge-neral zu knöchern und reaktionär paternalistisch : reaktionär ist allein, eine „Promiskuitive“ zu steinigen (und wohlgemerkt, ihn nicht). Ein General mag Dreck am Stecken haben: viel-leicht gibt es keine ehrenwerte Generale; aber dann gilt dies für amerikanische ebenso. Ein Zwölfjähriger mag keine Perlengeschichten kennen,- oder schreiben? – hören Sie mal: das ist das Menschenalter dafür, emporgereift und unverdorben genug; ab zwanzig geht es moralisch abwärts, denn (spätestens) dann werden wir des Privilegs der Kindheit, ohne Mittäterschaft doch ernährt zu werden,- entrissen,- und in die Mündigkeit: das heißt das Mitschuldig-Werden (-Müssen),- entlassen : die geschlossene Räuberbande der Erwachsenen, die diesen Planeten plündernd marodierend überzieht, vor den angstvollen und stierenden Augen der Kinder, die alt genug wurden bereits zu verstehen und doch unschuldig zu bleiben wünschen und hoffen,- ohne das es mehr als Wenigen je gelingt.
    Die Zahl der Wenigen zu vermehren ist unsere Aufgabe; und unser einziger Rückhalt zu fin-den dafür der Pool derjenigen, die einfach und doch wahr zu sein stets ehrlich bemüht sind.

    2
    • 5 .5

      Warum dies? Der Vollständigkeit wegen?
      „Seuchenfilm“ – nö. Irgendein Vorwand wird gebraucht, um eine erbarmungslose Emma Peel-Variante der Reihe nach in heikle Situationen zu schicken. Das ist blöd! Denn der Vorwand, als solcher erkennbar, nutzt die gegebene reale Möglichkeit ab. Schade drum.

      Habe mich umgetan: bei Filmfans scheint es einen offenliegenden Trend zu geben, diesem Film den Status eines Kombi-Verschnittes verschiedener Klassiker der Genres, vor allem fußend in den 80‘ziger Jahren, zu geben,- Mad Max, Klapperschlange, >Splatter<, ein bißchen Zombie, „I am Legend“ und ‚Underworld“‘, ein bißchen 28 Days Later (sind aber nicht Achtziger‘). Und diese scheinen den Film durchaus zugleich zu durchschauen und als Vertreter seiner Art zu akzeptieren – wenn auch nicht unbedingt zu mögen. Sie bescheinigen vielfach eine gewisse Qualität des zusammengeklauten Zitatenschatzes-, eine Lust an Bilderopulenz,- unerheblich nicht hierhergehörige Logikabsentia um stringenter Verfolgung des Action-Fadens willen. So wollen wir den satten Fans diesen Film lassen – bitten aber um eines:
      Das nächste Mal bitte keine gute Idee hernehmen um sie hintergründig billig zu ruinieren – dafür gibt es doch auch schlechte.
      Die guten Ideen laßt bitte für die guten Filme über.

      Wo sollen diese denn sonst ihr Kerngerüst hernehmen,- wenn längst schon alles, wegen ein bißchen Tu-nicht-Gut-Herumgemache,- beschmutzt ist?

      Die Endzeit war nicht übel –aber für die Fans solcher Art Filme geht die Kontinuität ihres Kinosessel-Postaments über das Ende aller Zeiten hinaus. Für sie ist immer >Doomsday< - ihre Enkel werden noch in hundertfünfzig Jahren den fünfhundertdreiundsechzigsten Untergang des Menschengeschlechtes bequem aus der Vogelperspektive verfolgen und vor- und zurückspulen können. Heißt: wem die Welt ständig untergeht,- dem kann sie nie mehr wirklich – ein letztes Mal – untergehen können.

      Was aber,- wenn die Katastrophe nicht nur plausibel stattfinden kann? – Wie sollen Thomas Mann und Einstein und Schweitzer mit weltweiten gehörlos-Deutschen von den Folgen der Hitler’schen Machtübernahme reden,- wenn diese die drohenden Trümmerruinenstätten von Berlin Hamburg Köln Dresden sich schlichtweg nicht realisieren können,- weil es noch niemals zuvor Luftkriege mit Bombenflugzeugen gegeben hat? Das war nicht vorstellbar?

      Wer schon zuviel vorgestellt hat, verliert mitunter das Gefühl für das Nächstwahrscheinliche. Wer dreimal lügt, dem glaubt man nicht, und wenn er auch die Wahrheit spricht...alarmiere nicht aus Spaß die Rettungswehr, sonst rufst du im Notfall vergebens - oder so ähnlich.

      Also wirklich: die Leute, die nur aus Spaß Filme machen,- sollten doch ein wenig Respekt zeigen. Die Clowns möchten doch stets die rote Pappnase aufbehalten. Das ist eine Frage der Clowns-Ehre. Und tut niemandem weh.
      Weh tut es erst dann, wenn ehrbare Leute, die sich anziehen,- reden und den Anschein geben von Seriosität,- sich letztendlich wie herauszufinden- dorftrottelige Hirntote benehmen. Das ist enttäuschend!
      Clowns, wie Hofnarren, dürfen fast jedes Thema berühren und zur Hand nehmen. Sie dürfen nur die unsichtbar gezogene Grenze zur Majestätsbeleidigung nicht überschreiten,- indem sie den Respekt verlieren. Sie müssen zu ihrem Clown-Sein stehen. Nur dann geschieht ihnen nichts.

      Die Clowns der Unterhaltungsbranche Film haben den Respekt längst verloren. Und das tut uns allen nicht wohl.
      Wenn Sie die Unterhaltung in Ihrem Leben erst als zweckfreien Selbstwert installiert haben,- haben Sie offensichtlich nichts wahrhaft Ernstes mehr zu erledigen. Aber das stimmt nicht:

      Es gibt schon noch ein, zwei heikle Punkte, die bearbeitet werden müssen,- bevor wir zur Unterhaltung wieder übergehen dürfen. Bis dahin sollten wir der Unterhaltung beiwohnen wie ein griechisches Publikum zum Beispiel Aristophanischen Komödien, welche, im Grenzbereich, ihren Ursprung aus religiösem Ritus gerade eben immer noch nicht leugnen konnten:
      Haben wir es dagegen erst zu einem Gladiatoren-Publikum der römischen Arenen gebracht,- Splatter um des Splatters willen,- anhand realer Schlachtereien (ein Golfkrieg ist nur ein Reflex der drängenden Bilderflut unseres Kopfes), können wir uns, das gilt heute noch, deren weiteres (Publikums-)Schicksal bereits vor-imaginieren: und das war kein christliches. Ein Christentum kommt vor dem Fall. Hups!- Prost! -Gesundheit. Jungbrunnen. Und alles was dazugehört.

      Zeigen Sie Respekt. Clown bleibt Clown.
      Damit ist nicht zu spaßen.

      3
      • 8

        Das ist keine Cowboy-Geschichte, nicht einmal eine des amerikanischen Westens.
        Es ist ein Film, der intelligenten Menschen gefallen wird. Diejenigen, für die das Kino ein weiteres Mittel der Flucht vor sich selbst in eine Unterhaltungsmaschinerie ist, werden sich vermutlich weniger damit anfreunden können.
        Sam Sheppard, der die Geschichte schrieb, spielt auch die Hauptrolle, die, hier stimmt die äußere Metaphorik dann, diejenige eines leidlich berühmt-bekannten Western-Darstellers ist, der eines Tages, „als es genug ist“,- spontan und ungeplant, stante pede, mit seinem Film-Outfit am Leibe, den Drehort verläßt und sich für seine bisherige Welt „wie in Luft auflöst“, sich wahrhaft „aus dem Staube macht“, direkt auf dem Film-Pferd, in die Westernlandschaft hinein. Dabei gelingen Wenders schon die ersten wunderbaren und unwirklichen,- als „schön“ identifizierbaren artifiziellen Bilder. Spätestens hier wird klar (wer mit Wenders Auffassung des filmischen Handwerkszeugs nicht vertraut ist) : hier wird keine übliche Story in sich ab-gespult (im Sinne von bieder hererzählt,- hier soll sich „Kunst“ ereignen. Die Impressionen sind erkennbar mehrdeutig, frachtbeladen,- hintersinnig: Der Regisseur und die Entwicklungs-Stufen sind oft durchdacht, rekapituliert, absichtsvoll, ausgesucht – und jede Menge „Natürli-ches“ ist weggelassen. Wenn wir hier etwas zu sehen kriegen, so erfüllt es eine bereitgestellte Funktion: wie z.B. wenn, im letzten Drittel des Films, der Hauptdarsteller in einer verlassenen Straße, seiner Flamme vergeblich folgend, sich umkehrt, resigniert an einen hohen Laternen-pfahl an einer Straßenecke lehnt – und so unversehens eines der berühmtesten Gemälde von Edward Hopper (dessen Ausdrucks-Befindlichkeit in diesem Film allüberall spürbar ist) nach-stellt (ohne das darüber en Wort verloren wird, ja, vielen Zuschauern dieses Gemälde kaum bekannt sein dürfte).

        Sam Sheppard ist der halbberühmte Cowboy-Darsteller, der den Set verläßt. Warum tut er das? Die ersten Szenen des Films dienen dazu, die Daseins- und Sinn-Leere zu illustrieren, der er entflieht. Er hat , unter anderem, ein Alkohol-Problem; aber das ist nur der Deckmantel für das gähnende schwarze Loch, das sich in dieser Existenz erstreckt, welches damit zuge-deckt werden soll, wie allesamt Party-Gelage mit leichten Mädchen, Drogen, Affären, Be-kanntheit, und alle anderen Dinge, die mit leichtem und schnellem, mühelosen Geld zu kaufen sind,- hierzu dienen. Sam-Howard hält die nicht mehr betäubbare, zudeckbare Sinnlosigkeit dieser haltlosen Existenz nicht mehr aus. Er flieht, aber wohin? Er weiß es selbst nicht, kaum warum. Und verwischt trotzdem seine Spuren. Er braucht Zeit. Wie schön, das pures Leben gerade das bietet: nur Zeit, sonst nichts. Und das, was ist.

        Nun sind wir im Film angekommen, der sich an eine Nachforschung daran macht, was einem Menschen Halt verleiht,- was ihn mit Sinn bestückt, was ihn sich nicht leer vorkommen läßt. Etwas sehr, sehr Allgemeines also. Kann ein Kunstwerk hier wagen, eine Antwort anzubie-ten?- Natürlich,... auch das. Fragen wird ja erlaubt sein. Antwort kriegen wird man sehen.

        Die erste Station des Versuchs, den Freien Fall aufzuhalten, in dem sich *Howard befindet, ist seine Mutter. Die hat er, manche Zuschauer bemängeln es, seit dreißig Jahren nicht gehört oder gesehen. Ja, wenn man es für ungeschminkte Realität nehmen wollte! (obwohl solche Fälle vorkommen). Aber das hier ist keine Realität, sondern Kunst,- was nichts Schlechteres bedeuten muß. Howard schneit also bei seiner Mutter herein,- und hier, in dieser künstlerisch sehr komplizierten Situation, zeigt sich schon auch die ganze komplexe Qualität des Films,- und das die Mittel den Absichten durchaus gewachsen sind: die erste ungeheuer starke Frau-enfigur des Films taucht auf,- bekommt vielmehr Gelegenheit zur Bewährung, zu zeigen, wes Geistes-Kindskaliber dieses Kunstwerk ist: aus einer schwierig,- ja fast unmöglichen Dar-stellungs-Aufforderung holen die beiden heraus, was herauszuholen ist,- ohne das es kitschig, völlig erlogen, unnatürlich und lasterhaft klingt und sich anfühlt: die ganze unwahrscheinliche Situation „wird abgekauft“, ja könnte sich gerade darum, weil es so unwahrscheinlich ist, in Wirklichkeit so abgespielt haben. Die momentane Wahrheit „stimmt“,- erfüllt ihre Zuträger-Funktion innerhalb der Story-Entwicklung,- ohne das es merkbar wäre,- die Zuschauer in der momentanen Absicht aus der Hand des Regisseurs oder Schauspielers oder der Erzählung fallen. Sie bleiben geborgen,- innerhalb des ganz unmöglichen Konstrukts. Also bravissimo, die Geschichte funktioniert,- alles, was ihr dienen und in ihr, sie zu errichten, beihelfen muß, trägt. Beruhigt und mit gewachsenem Vertrauen folgen wir weiter.

        Von seiner grandiosen Muttergestalt beschützt und behütet (Polizisten nach einer durch-sumpften Sohnes-Sauftour-Randale-Nacht besänftigend und einlullend,- oder instinktiv sicher nachstellende Spürhunde irreleitend), macht er sich, in der Begegnung mit ihr auch eine ge-nauere Richtung seiner Suche erhaschend, an den nächsten Schritt seiner mühsamen Identifi-kation (dessen, was einem Menschen, vielleicht, Sinn verleiht) (wenn er selbst, und alles, was man sich selbst gewähren kann,- nicht genügt).
        Denn sie hat ihm gesagt, das er vermutlich, vor einer Ewigkeit vor dreißig Jahren, bei Drehar-beiten zu seinem ersten großen Film ein Kind gezeugt hat, dessen Mutter einmal sich bei ihr gemeldet hätte, beim Versuch, ihn zu erreichen. Er hat keine Ahnung. Mutters überläßt ihm sang- und klanglos das wunderschöne Oldsmobile seines verstorbenen Vaters und das Road-Movie nimmt seinen Fortgang. Der coole genasführte Versicherungsagent probiert vergeblich versöhnlich zu spät einen von Mamis wunderbaren Keksen („einer kann nicht ... schaden“).

        Und weiter geht’s: oben, in einem gottverlassenen Kaff in irgendeinem Montana, werden die Handlungsstränge zu einer endlichen Schlinge, in der sich Howard fangen soll, verknüpft: das mysteriöse blonde Mädchen, Schillers Reinheitsdenkem entsprungen, mit der blauen Urne (aus photogenen Gründen) der Asche seiner Mutter stets unterm Arm,- mustert bereits munter den in die Landbar eintretenden Cowboy,- während die Barfrau seine verflossene Flamme ist („wo, zum Teufel, hast du all die Zeit gesteckt?!“) – das darf man nicht witzig und unwahr-scheinlich nehmen, weil es für die Erzählung der Geschichte völlig belanglos ist. In Wirklich-keit würde man natürlich etwas mehr Aufwand der Ermittlung zu treiben haben, - mit demsel-ben Ergebnis. Also sei‘s drum, wir bekommen bloß den Kleinkram erspart (hier würde Goe-the zucken),- und wer da auf der Bühne steht und (gar nicht schlecht einmal) singt, ist der Sohn,- denn wo wir die ganze Zeit dachten, er wäre eine sie, handelt es sich um Earl-„y“, der gar nicht davon erbaut ist,- plötzlich einem Mann, der sein Vater ist, gegenüberzustehen. Eine Szene folgt der nächsten.
        Nun kommt doch noch ein bißchen Kleinkram: dekorativ-diffuses Gezoffe, Gekeife, Gezerre, selbst fast-Tätlich werden die beiden Manns-Gestalten,- jung und alt,- um ein weniges Haar, das dem anderen aufs Ei genau gleicht. Gelegenheit für viele schwere bedeutungsschwangere Sprüche ( er ist genau wie ich u.ä. ). Herausgehoben muß aber doch die grandiose Szene auf offener Straße, wo Doreen ihrem Howard die Meinung geigt,- und zwar nach Strich und Fa-den, und ihm die unliebsame Wahrheit ins Gesicht schlägt, das er nach dreißig Jahren unter-kriechen will,- um von Frauenwärme „beschützt“ zu werden. Das alles hört sich gut an, und lohnt sich auch, und ist gar nicht so absurd, wie es auf den ersten Blick klingt. Wie gesagt,- hier handelt es sich nicht um Realität,- sondern um eine Auffassung, ein Bild, eine Rekapitu-lation von Realität: eine künstlerische Absicht und Verklausulierung. Dafür, das es so ab-schreckend sich anhört,- ist es gar nicht einmal übel anzusehen,- ja, gib es ruhig zu: ist es so-gar ein Genuß. Denn man unterhält sich nicht oft ungestraft mit einer nicht unbedeutendem Ansicht über die tiefere Bedeutung des Lebens.

        Schließlich kommen wir zum, zu Unrecht von Vielen als dürftig, und hinkend, empfundenen Schluß: dem ich stimme ich in dieser Hinsicht nicht zu (das er hinkt).
        Was soll Wenders machen, um in seiner Geschichte zu bleiben, ohne in Kitsch abzurutschen? Die Autonomie seiner Figuren (ihr glaubwürdiges Bisher im Leben) muß doch gewahrt blei-ben! – Oder soll er sie einfach in Bute niedersetteln,- und am heimischen Familientisch fürder einzig Truthahn verzehren lassen? – Das wär – schrecklich! alles umsonst gewesen! – Nein – der Clou kann nicht sein, aus dem lonesome cowboy, der dreißig Jahre nichts außer sich selbst und seinem eigenen i-diotischen Gesetz kannte,- über Nacht einen fürsorglichen Familiendad-dy zu machen, der seinen (erwachsenen) Liebsten abends einen Gute-Nacht-Kuß vor dem Einschlafen aufdrückt. Wo sind wir denn hier? Etwa nicht im realen Leben? So einfach funk-tioniert das nicht.

        Die sonstigen vertraglichen Bindungen, die jeder Mensch im Laufe seines Lebens eingeht, holen ‘Cowboy, wie sollte es sein, schließlich doch erfolgreich wieder ein. Aber zwischen-durch ist Entscheidendes passiert: er hat seine Tochter in den Arm genommen,- als sie auf einen Wink von ihrem wartete („gibt es, hast du ein Geheimnis, für mich? Verrätst du es-, verrätst du dich - mir?“) – und sich mit seinem Sohn herumgestoßen – und seine Doreen hat ihm, nachdem sie ihn zusammengebrüllt hat,- einen leidenschaftlich verzweifelten Kuß auf-gedrückt – und die Figuren haben sich füreinander, nach all den zugefügten, durch ihre bloße Konstellation zueinander entwickelten Schmerzen (dazu mußte niemand etwas Besonderes tun,- außer geboren werden oder am Leben zu sein),- geöffnet,- und ihren Bezug aufeinander offenbart. Sie sind nicht allein,- mit dem Loch in sich,- das „nicht zu stopfen“ war (der Sohn, der seinen „Fall“ beschreibt). Sie werden verstehbar, auffindbar, identifizierbar füreinander: sie erkennen sich, indem, was geht, und was nicht. Sie „verzeihen“ einander : „verstehen“,- sehen sich, nehmen sich wahr,- ist besser.

        Der Agent nimmt (an sinnbildlichen Handschellen) Howard wieder gefangen und führt ihn mit sich fort ; die Zwänge des Lebens sind so. Doch zuvor, bevor er entschwindet, wirft ihm Earl, - Howard den Schlüssel („von deinem Großvater!“) zu – zum prachtvollen Buick, mit dem, vermutlich, am Ende, das kleine nachgewachsene Trio – zu ihm, Howard be-suchen?- unterwegs ist,- und verschwindet auf dem fernen Asphalt einer Wüstenstraße,- einem unbe-kannten, doch gefühltem Ziel (dem Drehort?) entgegen, vorbei an einem stillen, bleibenden Straßenschild (‚ Divide 1 (mile) Wisdom 52 ‘). Niemand weist auf dieses Hinweis-schild hin, es steht einfach so da. Es ist nicht anzunehmen, das die meisten Zuschauer die of-fenkundige Bedeutung dieses simplen Bildes übersehen- und überlesen hätten.
        Der coole aseptische Versicherungsagent (welche Symbolik!) draf noch einmal die Lehre des Films rekapitulieren : „Radio?- Nein. Hab ich was dagegen! Die Berührung mit der Welt – Werbung Pest und Cholera – NICHTS hat sich geändert! – brauche ich nicht.“ Howard lä-chelt. Er hat soeben die Welt berührt, nachdem er lange, wie der Agent, aseptisch lebte – es ging nicht. Nun, in Handschellen, also nicht ganz freiwillig, kehrt er zurück an den gewohnten Set.
        Nun darf endlich die zuvor gezierte Hauptdarstellerin-Kußszene stattfinden, die sich weigerte, dasselbe einem Double zu tun,- und er sich dekorativ mitsamt Pferd aufbäumen,- wogegen die Schar der Nachkommen samt Anhang für sich trällert, dem Horizont zu, munter die neue Be-deutung des „Howard-Songs“ : „hat er sich wieder verpißt, ist er wieder verschwunden, der Howard, hat wieder Schiß (gehabt), hat sich davon gemacht, gekniffen, der Ho-ward?-....“ – doch diesmal nicht mehr bitter-kraftlos-verzweifelt,- sondern ver-söhnt, be-töchtert. (Denn der blonde Engel war natürlich sein Töchterlein im Weiteren. Wir hatten also doch recht). Gute Reise, woauch-immer-hin, wasauch-immer-entgegen, wenn wir auch glauben: es wird der Set sein. Beachten Sie die wunderbare Farbharmonie des letzten Bildes. Sie stimmt herr-lich, wie bei vielen, zwischendurch. Deswegen.

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        • 7

          Von 1971, also einer der ersten „Einzelgänger-Cop“-Filme. Polizei,- eine gemeinhin gesellschaftliche Ordnungs-Funktion,- ist hier eine weitere Bastion, welche von dem fortschreitenden Prozeß des Individuations-Krebses gefressen wird. Nun sehen wir die Individualisierung ja im Allgemeinen positiv und gern; was ist also, wenn es anrüchig klingt, hier damit gemeint?

          Was zur Debatte steht, ist der letzte lonesome Ranger, ein Dark Knight, ein Wikinger-Berserker: ein starker Einzelner, den das Gesamte einen Teufel schert, der sich selbst als Gesetz genug ist, ein Starker, der am stärksten allein ist. Er ist ein ungebundenes Individuum.
          Amerika war stets auch ein Land der Vereinzelung,- wenn nicht der Vereinsamung. Leute, die in Wohnwagen hausen, nirgendwo wirklich zu Hause ; Pioniere, die aufbrechen, sich durch die Wildnis eines Kontinents zu schlagen ; Einzelgänger, die sich vom Treck absetzen, dessen Fortkommen durch Alte, Kranke Frauen und Kinder nur beschwert wird. Ein starkes Raubtier schert sich einen Dreck um den Verhaltenskodex von Herdenvieh; es raubt und frißt – und überlebt – alleine ,- solange es jung und unverletzt ist. Keinem Jungen ist wohl diese Vereinsamungsphase im Laufe seiner Entwicklung fremd, wenn er glaubt, alleine Bäume ausreißen zu können,- und ganz auf sich gestellt, höchstens noch in einer Freischärler-Armada, besser mit einer ganzen Armee fertig zu werden denn als ein winziges Zahnrädchen in einer noch so zahlenmäßig immensen „Apparatur“ von individuell unbeseelten In-Reih-und-Glied-Marschierern. ‚Asozial‘ in des Wortes heutiger Bedeutung muß es nicht unbedingt heißen, weil dieses die Bedeutung von Anti-Sozial angenommen hat ; diese Art Einzelgänger hat nur die (Macht der) Gemeinschaft noch nicht entdeckt und lebt abgesondert von ihr; frei, aber auch ununterstützt von der Mehrzahl der Menschen; frei auch von wahrer Verantwortung. Dies ist ein Dasein von Vogelfreien : ungebunden wie der Wind,- sich von hier- nach dorthin treiben zu lassen, nur der momentanen Ansicht unterworfen; Herr der Verfügung seiner Zeit, Spitze der augenblicklichen Einsicht und Befindlichkeit; jederzeit imstande, ein Unternehmen, das nicht mehr behagt, abzubrechen, und zu einem anderen sich zu wenden. Maximale Beweglichkeit; minimale Verpflichtung durch allgemein Vergangenes. FREIHEIT anarchistisch definiert; im Grunde Verantwortungslosigkeit,- Bindungslosigkeit.

          Dies ist oftmals das Funktionsprinzip unzähliger Action-Reißer. Abenteuer aus der Perspektive des vergöttlichten (was Allmacht angeht, auch Unsterblichkeit) Helden. Dieser ist das auf die Spitze getriebene Individuations-Prinzip: die Gegner fallen in Scharen, anonymisiert, während sie verzweifelt mit Flächenbombardements den vermeintlichen Aufenthaltsort des EINEN beharken; dieser setzt in drei Schnellschüssen (mindestens) 3 Gegner „außer Gefecht“, während diese ihn mit Bazookas (vergeblich) bestreichen (vielleicht ist eine dekorative Mitleids-Verletzung drin; welche Beschwernis, welches Leiden, welche Zähigkeit, welcher WILLEN (frag Buddha!) !). Eine Rausch-Achterbahnhöllenfahrt des monumentalisierten Ego-ICHs. Eigentlich ein Adrenalin-Puls; oder was für ein toxisches Gebräu auch immer unser Steinzeit-Molotow-Cocktail für solche Gelegenheiten evoluierend herstellbar bereit hält. Es ist ein Ausnahmezustand; eine Art von temporärem Wahnsinn, der in aussichtslosen Situationen eine Art Rest-Überlebensgarantie gewährleistet (vielleicht auch nur in Form einer in Realität vielfach enttäuschten Hoffnung). Womöglich daher die unwiderstehliche Resonanz-Anziehungskraft in unserem verwertenden Körpergefühl: der Genuß jener, die nach dem Rausch sich wiederfanden – lebend, immer noch – gegen alle Wahrscheinlichkeit. Von daher ist diese Art des Selbstgenusses ein sehr archaischer: aus Zeiten, da noch mit Steinen, Knüppeln und Schwertern aufeinander eingeschlagen bis zur Reglosigkeit wurde – und nicht mit Knöpfen, Schaltern, Leuchtanzeigen und formelbedeckten Papierblättern. Heute entscheidet ein Schriftzug mitunter über mehr Leben als eine einen angeschärften Eisenschlagknüppel führende Faust in einer Schlacht ohne Mangel jeder Zeit und Zahl der Gegner ;- die Zeiten stehen gegen das Individuum. Was noch an Individuellem heutztage besteht, driftet ab ins Reich der Anarchie, des Verbrechens, der Isolierung oder der Kunst – auch des Films. Der Film ist noch eines der bedeutendsten Refugien des noch immer standhaft sich behauptendem und nicht aufgeben-wollenden Für-Sich-Stehers, des Einzelnen, der sich selbst Gesetz ist,- das einzige, das, wie er findet, anerkennenswert ist. Klar, das ‚die Gesellschaft‘ hier leicht in Konflikt schliddert. Und womöglich interessant, den überkommenen Steinzeit-Brutalski in uns in Gedanken herauszulassen und live erleben zu lassen: uns im Film.

          Interessant zumal, wenn es nicht um große Ganoven geht, die genuinen Filialvertreter des Archaischen,- sondern, Umkehr der Werte,- um anachronistische Anarchisten im Schafspelz: Dirty Harrys im Polizistengewande, mit gefledderter Dienstmarke (die am Ende auch demonstrativ ins Wasser fällt).

          Dirty Harry ist eine Ikone. Clint Eastwood stellt den Mann mit der Wumme dar. Hier muß etwas richtig gestellt werden: den - MannMitDerWumme,- das ist ein Eigenbegriff. Woran soll sich so ein An-Archist, ein Gesetz-loser, ein Un-Beherrschter,- denn sonst festhalten,- wenn jeder doch irgendeinen Selbsthalt braucht (archimedischer Punkt)? – Ein Großkaliber ist so ein Anhaltspunkt für jemanden, der in der heutigen bedeutungsmäandernden Welt, die Fährkünste leicht überfordert, eine billige und eindeutige Direktive braucht: etwas klar Definierbares, Griffestes, etwas Orientierung Bietendes zum Anfassen,- wie Katholiken vielleicht ihren „Offenbarungs“-Strohhalm anklammern,- der und die nicht weiter mehr hinterfragt werden darf oder könnte: dort steht es, das Wort Gottes, über allem Menschen-Zugriff- und allzukleinen Verdrehungsversuchen, der feste Halt, für die Gutwilligen: das gute, nicht länger Unbezweifelbare zum Anfassen, die Ultima Ratio, das Ende aller lästigen Diskussion : mit einer Knarre läßt sich ebenso (vor allem nach Gebrauch) nicht mehr diskutieren,- die Knarre schafft gültige Klarheit – und verbreitet um sich eine Macht, die auch jene anerkennen, die sonst endlos weiterwuseln würden. Die Knarre verschafft Respekt (sich) und überträgt auch einen Abglanz ihrer Glorie auf denjenigen kleinen menschlichen Zuhälter, der sie trägt – tragen darf (oder noch schlimmer: will=),- wie eine Majestät, wie das Signum Imperialis SPQR der alten Römer. Die Kugelblitzesschleuder verbreitet Schauder der Gewalthabe um sich, wie einst der Hammer des Thor oder der Dreizack des Poseidon oder die blitzeklammernde Faust des Zeus; mit ihr kann man gegen Aliens antreten, gegen Gewitterwolken,- gegen Flugechsen; es gibt kein Kraut im Universum, das gegen einen Mann mit einer 44‘ Magnum in der Faust gewachsen wäre,- nicht mal Engel (in >DOGMA<),- wo Kloaken-Scheißerles oder schwingenspreizende Gottesboten mit der Pistole angegangen werden. Man müßte mal einen Film zusammenstellen, in dem die aberwitzigsten Gefechtssituationen, die durch eine aus dem Hut gezauberte Handfeuerwaffe angelöst werden (sollen), aneinandergereiht werden: das müßte eine lustige (und entlarvende) Show werden. Der Mann mit der Waffe glaubt sich Herr über alle Welt: und im amerikanischen Film darf er (weitgehend ernstgemeint) das auch. Alien versus Predator. Und Dirty Harry.

          Nach diesem langen Vorspann wenden wir uns Clint Eastwood zu. Nicht zu genau ; Dirty H. sorgte dunnemals für eine anhaltende, mitunter bis ins Heute hinüberspreitzende Diskussion, ob Filminhalte >faschistische< Tendenzen transportieren können. Können sie natürlich; interessiert aktualiter aber niemand.
          Dirty Harry ist so ein einsamer Wolf, auf der Jagd; pikant ist eben, das er, als Polizist, - und damit damals einer der Ersten,- auf der Seite des Gesetzes widernatürlich verortet wurde. Aber Recht oder Gesetz sind bullshit: was zählt, im Kino, ist DerMannMitDerWumme. Der Anarchist in uns muß sich angesprochen fühlen dürfen; tut er sich das, zahlen wir gerne (zuerst den Eintrittspreis), ins Kino. (Irgendwann würden wir dann sehr, sehr gerne,- wenn es nur möglich wäre,- den Austrittspreis – aus der Welt, die schleichend um uns im Kinosaal Platz genommen hat, während wir beschäftigt waren, hinzusehen,- bezahlen: nur wird dieser Wieder-Austritt aus einer geostationären Umlaufbahn dann schwererfallen – sehr viel schwerer, als dort hinaufzukommen,- wird der Wiedereintritt in die planetar-menschliche Lebensatmossphäre Schwierigkeiten verursachen).

          Harry also ist so ein optisches Notsignal des allein gelassenen, verabsolutierten Neandertalers, der allzugerne aufleben und, ließe man ihn nur, die Probleme auf seine Art lösen würde,- und glauben sie mir,- er würde sie zum Abschluß bringen: danach ist Ruhe, jeder potentielle Killer wäre mucksmäuschen- still, im Sinne von reglos. Im Faschismus war die Lebensmittelmarken-Verteilung absolut gerecht und zuverlässig instrumentalisiert; wenn man eben kein Jude oder sonstiger Volksparasit war,- klappte es hervorragend,- bis zum Endsieg. Es hätte endlos so weitergehen können,- innerhalb des Systems. Wie es so schön heißt: durch Aussterben der Gegner.

          Harry befriedigt elementare Bedürfnisse. Wir alle bewundern die stilistische Perfektion der Regie- Kamera- und dramaturgischen Führung des Don Siegel,- der ja weit davon entfernt war,- D.H. ikonoklastisieren zu wollen: er wollte ihn ja nicht als „Held“ darstellen,- „distanziert sich ja auch weitgehend“ (durch Fernaufnahmen in kritischen Situationen, etwa im Fußballstadion) von ihm. Nur das das auch gar nicht nötig ist. Findet die Distanzierung statt, ist das Kind längst in den Brunnen gefallen und die Ernte in der Scheuer. Der Neandertaler in uns ist längst auf seine Kosten gekommen und leckt sich das bluttriefende Maul; diese Distanzierung hat etwas von einem Aufrülpsen – nach der Mahlzeit. Prosit Neujahr.

          Wir wollen Dirty .H. nicht mit Fracht beladen, für die er nicht konstruiert wurde; „es ist doch bloß ein Film“,- wie immerhin festzustellen ist... Der knallharte Cop jagt auf seine Weise einen noch brutaleren Outlaw: schon konisch, wie instrumenalisiert dieser in seiner Rolle ist: alles ist nützlich, was Harry reizt und auf die Palme zu bringen geeignet ist. Will der nun Geld, oder Mordlust, oder Anarchie? – egal, was eben paßt. Es darf nur kein Zweifel aufkommen, das Harry eine gute Tat vollbringt, wenn er die Welt nur endlich von diesem Monster befreit. Dabei muß auch Harry einiges an Federn lassen; aber schon erstaunlich, wie behende man sich mit zwei eben gebrochenen Rippen noch über ein vier Meter hohes Drahttorgitter hangeln kann,- wenn nur der rechte Wille treibt (während der etwas unfittere – gesunde- Dientsbeamte den außenführenden Umweg nimmt. Außerdem ist es ein schöner Zug der involvierten höheren Dienstaufsicht,- immer, wenn es gilt, dem Killer in ihrem Sinne ein zufriedenes, geordnetes Dasein zu ermöglichen und ihn möglichst wenig zu behelligen,- ausgerechnet auf die ausgezeichnete Idee verfällt, Harry mit der Nachtschicht zu beauftragen.- Da ist natürlich ein Dienst nach Vorschrift vorprogrammiert.- Wir wollen gar keine derartige Liste aufstellen. Geht um Anderes: den Zuschauer, der hier im Sessel pupst und abschlafft – gafft, und sein Gehirn in der Gemeinschaftsdusche zur Reprogrammierung unterstellt. Sicher, Sie können sich >unterhalten< lassen: ist ja nur ein Film. Die Siebziger Jahre kommen authentisch rüber: das ist fast schon wie Geschichtsunterricht (interessant, sich vorzustellen, wie – womöglich??- in einigen hundert Jahren Studenten die kargen digitalisierten Reste dieser einstigen ‚Medienprodukte‘ begutachten und untersuchen werden,- wie wir heute Plautus lesen (wenn wir ihn lesen würden, oder Giorgio Vasaris Maler-Biographien der Renaissance nicht lesen oder Eichendorff - oder --).

          Die Siebziger: da sind sie wieder. Und die Action: das ist schon eine vergleichende Potenz-Studie (zur CGI ) wert. Wie charmant dies „Handgemachte“ immer noch wirkt! – Es ist schon ein cineastisches Hinsehen wert.
          Das Einzige, das es das nicht ist,- ist die unübersehbare Botschaft des Films selbst : hören Sie mal, lügen Sie sich wirklich so perfekt in die Tasche, das Sie sich einbilden können (selbst bei einem So-Uralt-Schinken!),- das es nur das cineastische Voyeuieren ist,- das sie im Sitze bannt?- Das es nicht die Magie der Erzählung ist, die Sie hält,- indem Ihr Neandertaler Ihnen befiehlt, weiter genau aufzupassen, weil „The Queen IS very amused“- ?- Sie unterhalten sich über Details: „Das das Blut unwiderstehlich wie Ketchup aussieht“, stört,-? Das es eine Filmtradition des COP-Films, die weiterreicht bis zu „StirbLangsam I-IV“ und „BadBoys“,- gibt? Nur: das Unübersehbare, Naheliegendste blicken Sie nicht? Ich bin zu verbissen? – Wie lange mußten frühe Christen wohl mit einem Gladiatoren-Publikum diskutieren?- Nun ja: diese Diskussionen sind prinzipiell unlösbar,- sie wandeln sich durch Geschichtseinwirkung : vertraue niemand auf den menschlichen Geist,- wo ein Plaisir dagegensteht : wie empfahl Kant: im Widerstreit mit der Vernunft wird der Trieb gewöhnlich siegen und Gründe finden.

          Warten wir also gemeinsam auf die Geschichtseinwirkung. Und bis dahin: putzen und fetten wir unsere 44‘ Magnumm. Da können wir endlich Jeder für sich gemeinschaftlich sein. Gehirn aus, Leuchtstrahl ein. Tanzende Bilder. Lassen wir uns verzaubern. Wer guckt zu? Der aufgeklärte und aufklärende Geist, oder der grunzende Nebenmann (in uns)? Entscheiden Sie.

          • 7 .5

            Wie immer : Lesen Sie diesen Text nicht bevor Sie den Film gesehen haben!

            -Zu Beginn des Films ist Dean Corso ein mit harten Bandagen kämpfender, im Sinne des Geschäfts skrupelloser Bibliophilie-Gutachter & außergewöhnlich Spürnasen-begabter „Buch- Detektiv“ (was immer das ist), aber kein schlechter Mensch. - Dies wäre nicht die Art Film, der er ist, wären die Namen in ihm keine sprechenden. „Corso“ bedeutet, wie der Protagonist selber an passender Stelle erklärt, „Läufer“. Wer läuft? wohin? warum – das gilt es im Lauf der annähernden und schön anzuschauenden Aufklärungs-Krimistory herauszufinden.
            Wo ein Krimi ist, wird auch gestorben. Tote (genauer Getötete) gibt es im Laufe dieser Geschichte reichlich – nach europäischen Maßstäben. Bedeutet, das nicht wahllos Trapper in handgreifliche Instinkt-Auseinandersetzungen verwickelt werden frei nach dem Motto, der fitteste Körper- Reaktionskomplex survivelt,- sondern der Tod schleicht sich hier hinterhältiger an: wo üblich Fäuste krachen, verwickeln sich hier dunkle Absichten immer mehr in umso größere Annäherung an finstere Taten,- bis schließlich – neun Pforten später- das Böse (in ihnen) obsiegt. Hier geht es nicht um Action in dem Sinne, das der Held sich siegreich lebend und sterben lassend ans Ende der 130‘ten Film-Minute durchboxt und „übrig“bleibt (Last man standing knipst das Licht aus -, bzw. reitet mundharmonisierend in den Sonnenuntergang entgegen neuer Taten),-
            sondern darum, wie ein Weg der nicht das Ziel ist, schließlich im Endgültigen erreicht wird. Johnny Depp schreitet schließlich durch eine Pforte ins Licht. Welche Pforte welches Licht? – Zuvor war er draußen, nicht drinnen. Der sympathische Brillenträger brauchte eine Filmerzählung lang, diese mysteriöse Burgpforte zu finden. Anderthalb Stunden lang schritt er auf sie zu. Schließlich erreicht er sie. Am Ende ist er anders – am anderen Ort – als wie zuvor. Stallone ändert sich nicht, durch das, was er tut. Er spielt das Guter Cop- Böser Cop- Spiel. Entweder- Oder. Wenn Stallone von Beginn an zuschlägt, schwimmt das gute ausgeschüttete Kind längst in seinem unveränderten, fürder unveränderbaren Blute. Hier ändert sich nichts mehr. Die Rollen stehen fest. Nicht so bei Polanski: es zeigt die Geschichte davor,- wie es kam, daß das Kind baden ging – als noch alles (an Möglichkeit) darin war, gut-oder –schlecht – „aus der Geschichte herauszukommen“. Zu spät. „Leute, die für Geld zu kaufen sind, sind zuverlässige Kantone“. „- Hängen Sie noch eine Null an ihr Honorar,- und machen Sie weiter“. Das sind überzeugende Argumente.

            Wohin läuft Corso? – er eilt seinem Schicksal entgegen,- und er eilt, so zögerlich sich für ihn langsam die Zwiebel entschält,- unaufhaltsam und mit Macht.
            Wir dürfen nicht vergessen: Polanski erzählt hier, einer der ganz Großen der Film-Bildersprache,- nicht irgendwer. Er ist hintersinnig und pflegt ein tieferes Anliegen. Für ihn, seinen Corso, hat sich sein Film-Gevatter einen neuen Beruf ausgedacht. Er ist >Buch-Detektiv<.
            Die erste Einstellung zeigt eine Bibliothek, ein einsatzbereites Upper-Class-Ehelichpaar, einen hilflos kauernden Entmündigten und eine Bibliothek. Und, nicht zu vergessen,- Johnny Depp – graumeliert, mit Intelektuellen-Hornbrille,- als Dean Corso natürlich. Der empfiehlt seinerseits, die Bücher nicht unter sechshunderttausend herzugeben,- legt zwei besonders wertvolle Erstdrucke ans Herz – und empfiehlt sich mit einem Filetstück der Sammlung, für ein Butterbrot den raffgierigen weichgeklopften Ahnungslosen abgeschnackt. In betrügerischer Absicht natürlich, wie ein seriöser Berufskollege, etwas zu spät eintreffend, ihm hinterherdroht – ohne ein Wimpernzucken akzeptiert. „Für einen Don Quichote von xxx würden Sie das auch tun...“ The road to perdition beginnt in sanft abschüssiger Neigung. Noch hält er sich nur für einen Profi, dessen geniale Geschäftsbegabung gerechten Lohn einfährt. Diese Begabung jedoch kann ihm leicht zum Verhängnis werden: in Form des Engagements für einen Suchauftrag eines bestimmten, dem okkulten Bereich angehörigen Buches durch einen scheinbar höchst soliden -, unbegrenzt bemittelten -, von seinem Gegenstand besessenen Sammler. Ouvertüre: die genaue Befolgung der im Buch angegebenen Beschwörungschronografik soll Zugang zum Leibhaftigen ermöglichen – und seinen Kräften. Drei Exemplare (des Drucks) existieren noch. Dean Corso soll,- da diejenige des Auftraggebers nicht funktionierende Ausgabe offensichtlich unvollständig ist,- das fehlende Puzzlestück aus den übrigen beiden (in Fremdbesitz) beitragen und das Rätsel lösen – gegen fürstliche Entlohnung. Geld zieht immer : Corso legt unvermittelt los. Bald stellt sich heraus, daß das Buch des Bösen eigene Wege – scheinbar schon bald Absichten - verfolgt.

            Neun Holzschnitte im Buch zeigen Darstellungen unliebsamen Inhalts. Da Film mit Bildern zu tun hat, werden sie zu billigen Trägern der Geschichte (übrigens ein Lob dem Verfertiger der Holzschnitte, die begabt an Dürers‘ Ritter Tod und Teufel - Serie gemahnen). Der Reihe nach visionieren sich die im Bild gezeigten Darstellungen (von kopfüber Gehenkten,- Weibs-Versuchungen & fahrenden, bedrohten Gesellen) ins immer näher rückende Wirkliche hinüber. Jeder, welcher der Wirkmacht des Einflußbereiches des Buches zu nahe kommt,- ereilt ein erinnerndes Schicksal –
            nur seltsam, das dem Träger des Buches, der ihm unausgesetzt am nächsten,- quasi an den Leib gewachsen ist,- von diesen prophetisierenden Erfüllungen bevorteilt ausgeschlossen ist. Zwar wollen ihm einige, während um ihn herum wie die Fliegen gestorben wird,- auf den lederartigen Pelz rücken,- doch scheint er der Filmhistorie getreu geziemend unverwundbar – und zur Not springt ihm ein grünaugen- irisie-rendes Wildweib-, das ihn schon von Beginn der ersten Szene an, im Verborgenen immer genauer folgend + ihn meinend,- bei, um ihn mit JiuJitsu-Künsten im rech-ten Moment herauszuhauen. Dabei kann es schon mal vorkommen, das sie eine Treppe nicht herunterstürmt-, sondern –sich senkend schwebt. Irgendwas stimmt mit der Dame nicht. Aber sie ist nicht die einzige Verlockung; es gibt eine andere Interessentin; diese versucht, per Koitus sich das Buch einzuverleiben; doch ohne Erfolg. Ein üblicherweise verborgenes Tattoo dort, wo es nicht jedermann zu sehen bekommt, weist sie als (bald enthüllte) Hohepriesterin eines schwarzmagischen Geheimbundes aus, der seit Jahrhunderten den Zielen des Buches folgt und es schützt; jedoch,- wie sich ebenso zeigt, mehr auf der amateur-animierten Liebha-ber-Seite. Es gibt Dilettanten des Bösen; Knechte; stumme Diener; unbewußte Hel-fer; Handlanger; Denunzianten; Drahtzieher; Auftraggeber; und solche, die nicht nur erkennen, beabsichtigen, sondern auch tun ; die wissentlich willentlich sind. Alle Abstufungen sind vorhanden, Biedermenschen (die Wirtsleute etwa, die den Weg zum „Dunklen Schloß“ weisen), Ahnungslose, Unabsichtliche, Helfershelfer und jene, die möchten, ohne zu können,- die nicht über Die GABE verfügen – und dann, schließlich, muß es wohl auch die noch geben,- die anderen, bei denen all dies nicht zutrifft – die einfach vermögend sind : das Ziel zu erreichen.

            Der Film läßt uns lange (im angenehm) Unklaren. Viel Katz- und Mausspiel, denn schließlich ist dies das tafelnde Fleisch auf dem Idee-Gerüstknochen. Spanien, Italien, Frankreich: das Mittelaltergemäuer in den Pyrenäen (merkwürdige beabsichtigte? Unwirklichkeit der Computergrafik?): das Buchdrucker-Zwillingspaar, die verarmte Adeligen-Villa, die elegante Pariser Rollstuhl- Gräfin: Blick fürs Pittoreske,- Wirksame. Ein Lob der Sekretärin! Was für ein auserwählter Torso!- das Chateau der Gräfin, wo der burleske Firlefanz schließlich eine verpuppte Vermummung erfährt,- vielmehr eine Deklassierung erster Güte: verspielter Millionäre- und- innen,- die einfach nur ein‘ sex-animierenden Orgien-Mummenschanz aufführen wollen, um sich zu stimulieren,- und wie die gestörten Pfeilschwänze auseinanderstieben,- drunternackelig wie sie sind,- Strumpfhalter hochziehend, während sie vor der ernstlich böswilligeren, überlegenen Drossel-macht Reißaus nehmen ..: eben noch Kapuziner-Schattengeister des allseitig-Dunkeln, nunmehr billige entlarvte, lächerliche, zum Auslachen reizende Marionetten. Solche Verkehrungen sind die gesalzenen metaphergeladenen Brosamen des Films (hier). Ist der Böse nun, nach vielen Annäherungen, gefunden und dingfest gemacht?- Annäherungen, die uns auch zeigen sollten (am Wegesrand des „harmlos hartgesottenen, aber nicht bösen“ Buch-Jägers gelegen),- das es zunehmend nicht nur um Geld, sondern um eine Angelegenheit – von Leben und Tod geht,- und zwar,- auch des eigenen möglichen und riskierten Untergangs? – zwischendurch hat er durchaus envie, die Lust zu verlieren, & die Sache hinzuschmeißen,- nicht für Geld und Gute Worte mehr – aber von SOVIEL Geld war denn bisher doch kurz und bündig nicht die Rede. Und so darf die Geschichte weitergehn, und ihren Fortlauf nehmen. Merken Sie was?

            All die rechts und links liegengebliebenen Opfer (des Buches bisher) zeigen: es han-delt sich nicht um eine triviale Angelegenheit. Es geht um eine Wurscht,- wenn man nur herausbekommen könnte, welche. Gegen das letzte Drittel des Films klärt sich die Sache, nach und nach, das Fleisch auf den Knochen wird rosig und bekommt immer mehr Puls (wird ja auch Zeit-, viel ist nicht mehr). Die böse Hohepriesterin, sexbereit unter tausendjährigen Seiden-Talaren, findet ihren bösen Meister. Dieser dampft mit dem Buch ab, die reichen Möchtegern-Skandalierer verstieben. Der überbliebene Buch-Jäger, mit seinem hilfreichen „Schutzengel“ an der Seite (wie er ‚dem Girl‘ einmal vorschlägt, sie resigniert die Schultern dazu zuckt), mittlerweile zu tief in die Sache verwickelt, um ohne Erfahren des Endes weiterleben zu können,- (im ‚entliehenen‘ Rolls) hinterher. Sie, zurückgelassen, hat gerade noch Zeit, ihm dringend benötigte Utensilien – Privat-Kleidung, seinen Rucksack mit Unterlagen – und einer verborgenen Knarre, wie sich zur rechten Zeit herausstellen wird,- ins Fluchtfahrzeug zu werfen. Und weg ist er,- dem Meister (des Bösen) hinterher; sie pflegt ja „schneller zu reisen“. Hatten Sie Gelegenheit, ihren genießerisch- wollüstig einstimmenden Blick zu bemerken,- als er überraschend dem sie zur Hinrichtung geleitenden Helfers-Killer (der dilettierenden Bösen-Schloßherrin)- seinerseits den Garaus machte? (genießerisch „das hätte ich Ihnen ja gar nicht zugetraut!“) – Aber das war noch Notwehr.

            Zeit für den Show-cutdown. Der Böse kehrt an den Ort der Tat zurück, das macht ihn verwundbar. Per Autostop gelangt lonesome Johnny (das einmal an der Schwarzmagischen- naschen zählt nicht) in die sylvanierhaften Pyrenäen- Mauerreste,- rechtzeitig über Grüfte schreitend, um beim letzten Beschwörungsritual als Mäuschen dabei zu sein: wir sind schon gespannt (wie die ganze Zeit zuvor) wie sich das Böse, sataneske Luziferwesen (der „Lichtträger“, siehe Lux) schließlich wohl manifestieren wird (im geheimen Schauer). Fachgerecht wird Johnny unter den Stiefel gekehrt zum bloßen hilflosen Zuschauer degradiert ( ein wenig lächerlich in einer Halskrause steckend). Der siebte Kreis wird diabolisch (mit Benzin) entzündet (man beachte die Thermoskanne auf dem Tisch), alsbald der Willige weiht sich: und wieder, ein grauslich flammendes Fanal, versagt die letzte Machtverfügung, nahe der Vollendung, zur Inkarnation. Jämmerlich winselnd windet sich ein doch nicht allmächtig- und unverwundbarer (Hitlers-) Jünger (im Reichstagsbunker): und Johnny, der längst das Geheimnis, erlegen, für sich selber zu besitzen + nachzureichen beschloß,- nimmt sein Vermächtnis an sich – und schießt (rechte findbare Zeit! (sic!) des hinreichenden Werkzeugs) - seinen Widersa-cher, in Mischung von Mitleid und zur Sicherheit, ins unwiderrufliche Jenseits – hin-über. Fünftes Gebot - Venceremos! – ein Teil, ein letztes Detail, fehlte – aber zuvor – im Fahrzeug, der Blonde Engel, verführerisch grün, nichts begehrend – außer Dir, und außer Sich. Sie ist wieder da, wie durch Wunderhand – nimmt sie seine Brille, er erliegt ihr, und vermählt sich in Innigstem Kuß – wem? (dürfen Sie raten).
            Einstellung: Vor dem lodernden niederbrennendem Flammenturm, Schauspiel seiner letztendlichen Tat und Entscheidung, im diabolischen Koitus, im infernalischen, verstandraubenden Sinnesakt, durchdringt und umfängt Johnnys Samen der – Teufelin’sche, begierig und höchste Befriedigung und letzte Wollust aus dieser seiner letzten Hingabe und Vermählung – mit dem Bösen selbst- zu saugen. Wen Johnny da fickt und von ihm gefickt wird: ist die anzügliche und verlockende äußere Larve des Leibhaftigen selbst – (wieder einmal vermählt mit der brunstfeindlichen Sinnesweib- Ikone).
            Aber: nichts besser symbolisiert denn auch die letztlich grundlose und absolute verzehrende Hingabe und Aufgabe des eigenen Willens – an das, was woanders (von anderer Seite aus) mag das Böse genannt werden und so erscheinen. Vor loderndem Höllenfeuer ergibt sich Johnny der Liebe zum weibsbrüstlich Teuflischen,- und dieser, diese, dieses – scheint es recht herzlich verzückt befriedigend vollendet bösäugig zu genießen – diese Seele ist gewonnen sein!
            Folgt noch ein müder Abspann, der uns den Nachklang extrahieren läßt, während uns bisher einträufelt, was beabsichtigt war. Noch einmal Spanien, die aufgelöste Druckerei der Brüder: das fehlende Glied, des neunten Buch-Druck-Symbols: Böse ist, wer Böses tut – und mag er sich auch noch so harmlos scheinen – zurückhaltend lächeln - und Brille tragen. Das Böse fragt nicht nach KörperKilos – und es pflanzt sich in Taten fort, von dessen Same zu Samen.

            Böse ist nicht, wer in seinem Namen rethorisiert, zur Luststeigerung – als frivoles Vergnügen der Reichen, und absurd lächerlichem Daseinskitzel. Um wahrhaft böse zu sein, genügt es auch nicht, den Willen zum Bösen zu pflegen. Das ist die Lehre des Films,- Polanskis,- dessen Werk ein lebenslanges gefühltes Studium der Ausein-andersetzung mit dem früherfahrenen Bösen ist (bitte seine Biographie zu beach-ten!): IST : nicht das Dekorum macht das Böse, sondern – in Umkehrung eines uralt beliebten Satzes von –Erich Kästner diesmal : an ihren Früchtchen sollt ihr sie er-kennen – „Es gibt nichts Gutes, außer man tut es“. Gilt auch anderwärts.

            Und hat es was genützt? Spüren wir nicht alle, wie reine Unschuldsengel wir eigent-lich‘ sind?
            Wie mag Johnny sich hinterlassen? Fühlt er wohl schon, einen Rubikon überschritten zu haben? – Unsere Taten bleiben ; und, wie leicht, gewinnen sie Macht über uns. Erlösung, ohne zu wissen wie sie zu verdienen, gibt es; Verdammnis allerdings, unbemerkt, auch.

            In einem dieser letzten vier Wörtern steckt das Geheimnis des Films. Finden Sie her-aus, in welchem. Das ist der Teil des von Polanski für Sie aufgegebenen Rätsels, das er nicht vor Ihren Augen für Sie aufgelöst, und zu einem für Sie befriedigendem Ende geführt hat. Seien Sie so nett, nachdem er sein‘ Teil für Sie getan hat,- tun Sie Ihr’n Teil für Ihn. Sie sind es ihm ...schuldig.

            Wieder einmal: ein hervorragender Film, der zeigt, wie nah dieser der Kunst mitt-lerweile kommen kann.

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              Edelschnulze und Frauenfilm. Gehört alles dazu (bis auf Klimt, der nichts dafür kann): Kostümmaskerade und Jugendstil, als es in einem Teil der Welt noch keine Arbeiter gab, außer als Appelremineszens für Gutmenschigkeit (naja die böse Bedürftigkeit). Alles ist üppig: die Frauen, die Schönheit, der Gemüsegarten der Hüte, der Gefühlssaft, der symbolische Regen, Landlordtrostlosigkeit, die Andeutung der Tiefe, das Tragikdrama der obsiegenden Todeskrankheit in der Ausweglosigkeit eines berechneten, sich verselbstständigenden ( -sollenden) Beziehungsdreiecks. Geigenwiege, wie immer Andante, barocke demente Üppigkeit Venedigs und des bröckelnden Putzes des selfmade-wo-man, die Palazzidroschken der ungesichtigen Superbs in London. Welcher bereits verrentete TM läßt sich sowas einfallen? Soll man da in Gefühlen schwelgen müssen? Wie reichsein und ein wie versinnkrümmeltes Leben muß man haben, um sich in diese Gefühle setzen zu können? „Das ist zwischen uns doch nicht nötig“.

              Treten wir dem edlen Egozentrismus auf die Füße, der sich solche Wahrnehmungswelten leistet dieser hohläugigen emotionalen Selbstverliebtheit. „Angola könnt ick mir dotsaufe“. Emotionsproletarier aller Länder vereinigt euch. Bei solchen Schnulzen geh ich zur sauer abgesungenen Internationale über und stoße ebenso nochlieber mit Karl Marx auf und ab und an. War dies weichliche Sich-Suhlen in pseudodramatischer Romantik das Geburtstagsgeschenk eines Regisseurs an sich selbst zum Siebzehnten-?

              Wer am Ende dieses Films ein Taschentuch braucht, sollte lieber gleich ins Wasser gehn- das Dasein, das mit hoher Wahrscheinlichkeit in erübrigter Fortexistenz des Weiteren über ihn zusammenschlagen und unter seinen/m Wogen begraben wird, kann sich in seinen Auswirkungen nur als verheerende Sintflut erweisen. Allein ein Schluckauf ist schlimmer. Prösterchen.

              PS noch ein Manko angemerkt: es gibt nicht einmal anständigen Sex, nicht - einmal eine Magermilchjoghurt-Version davon. Wär wenigstens noch eine saftige Porno-Alternative anwählbar. – Aber ach, ich vergaß: Edelmenschlichkeit solch einsamintelligibler Höhentiefe sieht stehenden Auges auch weit über solche Niederungen, den Blick fest ins Ferne verhaftet – hinweg wie über alles, was nicht sie selbst ist, und wie sie mit sich beschäftigt.- Hoch lebe Alfred Kerr, der ja anfangs nicht ahnen konnte, das der Daseinszweck TMs die Nazis (und nicht der Tod in Venedig) waren, als geborenem Spätentwickler (aber dann!!).
              -Mahlzeit! bin ich /bin angesäuert.

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              • Mal ehrlich. Das war ganz schön schlimm.

                Der Regisseur mit dem einen Hit (warum der eigentlich? Der „Hit“?). Dieselbe Erfolgsbesetzung. Drumherum irgendne Geschichte gestrickt. In der HighTech-Küche aus der tiefgekühlten McCampbells-Dose kurzfristig in die Mikrowelle und mit beigelegt kaputtem Dosenöffner lau serviert : vollkommen lieblos. Und es haut hin: Millionen davon vertickt.

                Hollywood brutal: Wär ich ein Klo, wär ich jetzt verstopft. Mal langsam: was war die Idee-Absicht dahinter? Kann mir jemand helfen : Das soll wohl sein, das die Julia-Braut nicht weiß, wessen Pudels Kern sie ist, und daher jedem Identitätsstifter nachläuft – bis vor den Traualtar, um doch noch zu merken: da steht einer gemeinsam, der ist nicht sie. Ab-Kniff. - Jener Journalist dagegen, der seinen Job verliert, weil er die Fakten (ein)mal übertreibt und von seiner Chef-Ex (mit Heirat!) stante pede gefeuert wird,- deren Neu-Mann sein bester Freund ist (sie eigentlich ja auch, wie sich später vorschnell herausstellt) – von Anfang an: stimmt nichts,- aber auch gar nichts, weder in sich, noch sonstwo, noch jemals. „Journalismus ist Literatur in Häppchenform“ –Weisheit - - Drehbuchdrosseln anscheinend auch, fällt nicht weit von diesem Stamm – der Literatur oder des Journalismus, was nu? -

                Kein Journalistenleserhahn wird nach einer gegenstandslosen Kolumne krähen. Keine Oma wird einen unbekannten Kolumnisten auf offener Straße anrüpeln, weil er derart nicht einmal interessant genug für eine Suffrageten-Gegenaktion ist. Keinen Skandal wird es geben. Warum auch? Kein Kolumnist wird für einen a-politisch irrelevanten Artikel gefeuert. Kein pulsfühlender Journalist aus New York wird deswegen ohne jeden merklichen JetLag zeitweilig in ein Kuhdorf umziehen. Kein Artikelopfer wird sich samt Freunden, Verwandten und Bekannten unausgesetzt ausgiebig mit genau dem Haß-Journalisten beraten und ihn am Familien- Stammtisch willkommen heißen und mit offenen Antwort-Armen aufnehmen, ihm seine intimsten Crasher-Videos zur Auswertung ausleihen und in einem fort um sich herumschnüffeln lassen mit äußeren Gesten, wie man lästige Fliegen scheucht, zugleich man genau weiß, das er den nächsten irrelevanten Rachfeldzug-Ranküneartikel giftschmiedend plant und Munition „recherchiert“ (warum eigentlich?!) (‚in einem Rechthabe-Artikel den Arbeitsplatz „auf die Titelseite“ zurückzuholen‘). Niemand wird sich für diesen irrelevanten Revanche-Artikel interessieren. Die Welt versteift sich nicht auf die Zweitauflage der umwerfend belanglosen Tatsache, das jemand beinahe nicht dreimale geheiratet hätte. Dieser Fakt ist äußerst belanglos allerhinterste Reihe. NIEMAND interessiert sich dafür - nicht mal im Film. Aber wie kam es bloß ins Drehbuch?
                Kein Großstadtjournalist wird plötzlich mit allem Kuhdorf gut Freund werden, als sei er schon immer zum Kleinstädter geboren. Keine dort am Straßenrand liegengebliebenen Ex-Bräutigame werden allesamt herzig plauschende Ex-Freunde bleiben gar immer noch verliebt oder ihre wahre Berufung im analogen Vorzug des Keuschheits-gewährenden katholischen Priesterzölibats in Folge entdecken. Kein betrunkener Daddy wird im Van deplaziert, während spinnefeind-Paar die günstige Gelegenheit ergreift , im Cabrio spazierenzufahren. Kein unausstehlicher Spinne-Feind wird auf diese Art näherkommen noch gar innerwertige Substanz entdecken noch gar näherkommen noch gar verlieb-lichen können. Da stimmt was nicht. Kein Kooperationspakt wird geschlossen sein und kein Hochzeitskleid auf diese Weise gemeinsam ausgesucht. Kein Mamboabend darf so nicht stattfinden Aloha Ne. Kein Bräutigam wird nicht hingucken, wie sich Stuntman und Double (warum eigentlich?) zärtlich käuen,- niemand wird wiedergeküßt werden (warum eigentlich nicht?) und niemand wird Ursache haben, unwütend zu werden (warum auch, wenn nichts passiert?) und nicht faustrauchend davonspazieren. Keiner wird niemals wieder nicht heiraten und „keinem Truck wird hinterhergerannt“. Nichts davon wird passieren. Nichts davon ist je passiert. Nichts davon kann je passieren. Das einzige, was möglich war und passiert ist und sehr wohl wieder passieren wird, ist, das Hollywood uns zum gandenlosesten Verscheißern den unzusammenhängendsten Unsinn wieder-nicht vorproduziert und wieder-nicht banalste und inkorrigible Erfahrungstatsache werden läßt (man glaubte es sonst nicht), - - sondern gottseidank Geschmacks-Orientierung genug besitzt und beweist, auch nicht die dümmsten und abstrustesten Idee-Ungereimtheiten gewissenlos zu inszenieren und den Leuten damit fürchterlich -, aber wirklich fürchterlich auf die Eiersenkel zu gehen,- bis man geradezu nicht heulen müßte, um soviel unsinn-liches Unterniveau nicht so weh zu tun, wie es eigentlich tut. So ein Publikum gibt’s nicht. Und es zahlt doch. Noch drauf dazu.

                - Julia Roberts ist Julia Roberts. Sie hat ihre Haut abermals zu Markte getragen,- und ihre Haut steht ihr nunmal gut. Dazu der charakteristisch wiegend-schwappende Watschelgang einer unschlüssigen Ente oder einer seefesten Matrose auf Landgang: ich sympathisiere ihn sogar, ich mag dies leicht burschikose,- Landpomeranzenartige. Zweifellos ist sie eine wundervolle Zicke, mit reizbarer Figur und unwiderstehlichem, herzerfrischend natürlichem Lächeln,- zwischen breitem Grinsen und Mona Lisa. Ich mag sie, und jemand die sich traut, vor allem Publikum den Entenschnabel zu geben. Das war toll! Ernsthaft. Find ich gut, für ne Hollywood-Matrone, Courage punktet. Aber sie hat KEIN Gespür für irgendwelchen Drehbuchquatsch noch irgendsolche Qualitätsbehaftung. Sie ist eine erstklassige Persönlichkeit für stets zweit- oder sogar drittklassige Film-chen – künstlerisch wertlos garantiert ohne jede Neben-Nachwirkungen. Ausnahme vielleicht E. Brocovich und Neben-röllchen in Ocean 11 , 12– aber nicht zB das ‚legendäre‘ Pretty woman (warum eigentlich (legendär)?). R. Gere: läuft da wirklich irgendwas Chemie zwischen den beiden? Ich seh da nur eine kalte Mundduschen-Spülung. Erklärt mir’s einer, wenn er kann? Tut mir leid, vielleicht weil ich ein Männliches bin: aber was läuft da eigentlich zwischen den beiden – nicht? Ein wirklich selten uncharismatischer Wachsfiguren-Darsteller,- ohne jeden Esprit oder Ausdruck oder irgendwas, was ich mit Schauspielerei, das doch ein Aktivum in der Wortwurzel bedingt, verbinde.

                Mein Gott, ist das alles – was denn? war da was? – belanglos. Bis auf die Roberts. Die könnte wahrscheinlich auch die Lottozahlen vorlesen,- und man hätte das Gefühl, in einem Film gewesen zu sein.
                Aber wenigstens: hätte man sich da noch mit einem Inhalt auseinandersetzen und sich seine Gedanken um ihn herumspinnen und nachträumen können. So war das wieder nicht. No sense. Nonsense. Gar nichts. Nichts. Nix Kacka. Ach wie dumm – /weg und aus dem Ruder gelaufen. In jeder Beziehung unpassend, doof und falsch. Nur Julia Roberts nicht.
                Ich würd die zu gerne mal in einem guten Film sehen.
                Ein Glück, das uns bankrotteurem Publikum vielleicht niemals beschert sein wird. Schade drum: sie hat einfach kein Glück mit Männern – wenn sie Regisseure und Filmleute zu sein scheinen. Hoffen und wünschen wir‘s ihr wenigstens im Privaten. Glück in der Liebe, Pech im Spiel.
                Wir schließen mit der Aderkompresse, die zugleich auch das tatsächliche Sinn-, Haltungs -, und sonstige temporäre Ende des Films wiedergibt : zum Finale, dem Höhepunkt der nunmehr gewonnen Kulminationsweisheit : das sie endlich das Manko ihrer angeblich fehlenden Selbstbestimmung, wie sie ihre Eier mag, eingesehen- und behoben hat,- macht sie ihm, als Beweis der gewonnenen Eigenständigkeit, vor ihm niederknieend - „ willsu mein Mann werden?“-, einen Heirats-Antrag : indem sie ihm, Wort für Wort, wiederkaut, Satz für Satz, was er ihr im Film bei diversen Gelegenheiten als seine Vorstellungen einer wahrhaft authentischen Individualitäts-Unabhängigkeitserklärung vorsouffliert hat – Buchstaben für Buchstaben.

                • 6 .5

                  I. ist Richtung Batzmann verzogen
                  II. Eine extraterrestrische Lebensform-Expedition landet auf der Erde und entnimmt im Himalaya eine DNA-Probe. Gefühlt wenige Jahrzehnte später kehrt sie zurück, ausreichend modifiziert und in einer Art lokal angepaßt biodiversem Weltraum-Anzug (aha, das war’s) : denn sie möchte sich– in direktem Kontakt auf Augenhöhe - selbst überzeugen, bevor sie ihren naheliegenden mitgebrachten Urteilsspruch fällt: denn doch gilt 'Eine Rede ist keines Mannes Rede, du sollst sie billig hören beede'. Von daher lohnt sich von außen gesehen der ganze SchnickSchnack, um die Gestalt „die Sie nur erschrecken würde“, dem geschmacklichen Fassungsvermögen der Unterfehlentwickelten anzupassen.
                  Aber selbst die Chance dieses weitmöglichen Entgegenkommens wird von den gewaltirritierten Postprimativen nicht genutzt: sie verweigern jeglichen gleichberechtigten Austausch, und mit ihrer prähistorisch gewöhnlichen unilateralen Verhandlungsauffassung des Dein-Auge-Um-Deinen-Zahn- um-Zahn‘ versaubeuteln sie sich im Handumdrehen, was eh zum Schlechtesten nicht zu verhindern war: & der menschlich immerhin anfällige Auto-Alien-Organismus, der sich gewollt doch wohl durchaus aus Eigenem aus der Affäre hätte ziehen können,- nimmt schließlich lediglich die Geste des guten Willens einer schmucken Bio-Sachverständigen, die zudem sich noch seiner Heilmedizin bemopst, wohlwollend zur Kenntnis &mit auf den Weg.

                  Kaum ist sie feierabendlich nach Zuhause gekehrt, beabsichtigt er - ein Gleiches, und sammelt nur noch schnell unterwegs ein paar weitere Urinproben der speziellen Öko-Nische (im Sonderversum) zusammen (gibt es davon doch nur ein paar kosmosweit gestreute relevante Existenzpodien, die naturreservatlich entsprechend wertvoll gehalten – und geschützt- sind, so das es gar zu leger gemeint wäre, eins davon koppheister gehen zu lassen).. Kurz, spielt der quere Mensch nicht mit, ist er raus aus dem Spiel; und Klaatu trifft seine Wahl.

                  Alles schnurt (fast) nach Plan. Da aber unterwegs der unvollkommene menschliche Körper ein Pannenleck bekommt und einen Boxenstop benötigt, rezitiert er telefonisch seine Medizinquacksalbaderin herbei, welche als überbringendes Kurierpersonal ihn fürderhin – trotz familiärem Bypack - der Chauffeursbequemlichkeit halber in Dienstwagenfahrgelegenheiten begleiten darf; und aus dem Begleit-Service entwickelt sich unvorhergesehen eine darüber hinaus menschlich evaluierbare Lehr-Einheit. Nebenher wird zugleich ein bißchen humaneske Vergeblichkeit angesichts göttlich versiertem KnowHow-Suspense‘ demonstriert ; ein launiges good for the goods, bad for the bads –Gleichgewichtstremolo. - Bemerkenswert dahinein der achtbare Moment, dem wir eine dankbar belohnte Anerkennung bewahren: >(verzweifelt, flehentlich) “Aber d a s sind n i c h t unsere Führer...!“< (zum Tele-Reigen Merkel- Weißes Haus- Putin) „-Wenn Sie wollen, bringe ich Sie zu Einem“ : also zu einem der, glückliche Fügung, zufällig oder wie auch immer unkompliziert erreichbaren Nobelpreisträger (John Cleese) im näheren Nachbarschafts-&Bekanntenkreis, welcher dann anstelle der disqualifikativen herkömmlichen Führungselite goodwill – und wesentlicher auch eben: Befähigung dazu – demonstrieren darf (sogar vorn an der Tafel) ...- („- Ich habe unendlich viele Fragen-!“).

                  Als schließlich klar wird, das die Menschheit zwar problematisch – aber eben auch, als schwieriger Sprößling, dennoch Lieblingskindqualitäten – aufweisen mag, besinnt sich der Allmächtige, sein no risk-no fun-Programm /mit der Menschheit selbstüberlassen am Steuerdrücker: „kurz vor dem Abgrund- links- die-Kurve-kriegen“-Konzept /- doch noch konsequent durchzuziehen; er drückt lastbutnotleast den Notaus-Knopf der bereits partikulär eingeleiteten Artbereinigungsmaßnahme, und „der Mensch“ darf, so steht zu vermuten, ein allerweiter letztes Mal, diesmal jedoch mit gebotener Ernsthaftigkeit und Zurückhaltung, den letzten Versuch wagen, nachdrücklich verwarnt : bitte (sonst knallt’s) sorgfältiger mit der Erde umzugehen: denn: „sie gehört nicht ihr /uns“, sondern hat noch ein zwei Liebhaber-goodfriends da draußen. Und wenn wir uns zu weit aus dem Eisfenster lehnen, Esel, dann fährt jemand anders Brunnenschlitten für uns – bis wir den Krug ohne Deckel&Boden nasevoll haben mögen. Hört euch meine Worte. Wahrlich hugh, Klaatu hat gesprochen. Eingetragenes Wahrenzeichen. Made by c/o Evolution. Handle With Care Upside down. Wer die Hose nicht voll hat, muß fühlen. Arrivederci . Also. Bis demnächst.

                  III- Resumee: Was soll daran Jesus-Ökolatschen tragen? Klappt denn das alles nicht? Ist die CGI zu müsli? Sind die Lichtschwebe-Plasmakugeln aus konzentriertem Blaubeerschaum mit Vanille-Schauer als akzeptable Raumschiffe zu unterdimensional gegenüber einem respektierlichen Haufen passend zurechtgebogener Stahl-&Kunststoffelektronik? Nennen Sie das bequem reisen, ständig weit unterhalb Lichtgeschwindigkeit, im Bummelregionalweltraumzug, gemächlich einen Stern nach dem Nächsten vorüberzuschaukeln? – Das soll argumentative Schwäche ohne Schauwerte sein?- aber nicht doch: das ist kopfnussiger als ein phantasiemückernder Klingonen-Blaster im Kopf-an-Kopf-Gerenne mit einem ascotsemigleichen Enterprisepferdchen. Und ‚Gort‘ ist zu peinlich-dusselig? – Ach herrje; da ist eine Men-in-Black-Ultimoprotze für die Große-Herren/Kleine-Jungsabteilungs-Hosentasche wohl eindrücklicher? Oder darf’s lieber ein herkömmlich wolkenverhangener Emmerich–Independance-Klotzbrocken sein? – mein guter Mann: lassen Sie doch einfach mal etwas Potential spielend nachwalten, an Nebenschauplätzen, und konzentrieren Sie sich dafür auf das mitgebrachte Kernkeulenmus: und da war doch durchaus annehmbar kein Mangel, an Wesentlichem. - Da irre ich mich aber, das kennen wir doch alles schon, wir wissen doch längst, das die Erde zum Teufel geht? – Bravo! Dann ist ja soweit alles erledigt, Film aus, ab ins Bett, morgen gibt’s dann n’ Krimi, mal sehn, ob Sie da die Lösung ebenso fix raushaben. - Sie sind eben doch wohl exquisiter als ich. Ich habe mein Pausenbrot immer in der Tasche. Sie aber gehen auf Reisen mit nur einem Gepäckstück: wohlversehen prall in der Gesäßtasche,- und wenn Sie Etwas‘ bedürfen, besorgen Sie sich ein Geschäft, das es Ihnen macht, dafür. So reist sich’s natürlich am Leichtesten, obenhin, und Bequemsten: elegant; wenn’s reicht, was da hinten herum drinsteckt. Es darf nur nicht unterwegs zur Neige gehen. Denn stellen Sie sich vor: ohne einen nackten weiteren Heller – mitten allein in Singapore, wie auf irgendeinem so gotverdammten öden Planeten mitten im Weltraum. Da wären, bis zur Rückkunft, eine Menge Teller zu waschen und auszubügeln. Nein nein, ich bleibe dabei: lieber mit selbstgeschmiertem Pausenbrot unterwegs. Ist zwar nicht so elegant, und macht auch nicht soviel her: aber selber essen macht fett. Oder wie war das? Egal: ich meinte nur: mein Snack auf den Stufen von Irgendwas reicht. Es muß nicht immer drinnen sein. Rucksack-Tourismus geht 2.Klasse auch; ohne Knete,- und die Sehenswürdigkeiten und Kalorien sind dieselben: auch ohne teuer draufbezahlte Bewirtung. Aber wenn man tatsächlich so reich ist? – na denn: gratuliere. Dann brauchen Sie in Singapore ja niemals eine Nachdenklichkeit verschwenden..

                  • 2 .5

                    Dämlicher Film mit überforderten Schauspielern; oder befände sich bei solchem Tiefflug etwa jeder Schauspieler in Zeitlupe?

                    • 5

                      Rundgelungene Weltbildgeradenagelei für schlichte Gemüter. Jeder Stoß - ein Franzos‘! Herrliche Zeiten! W.
                      3 Punkte für den Schneider

                      • 5

                        Besser so ein Film als keiner?
                        ‚Niemand kann fünf Minuten reden, ohne den Grad seiner Unwissenheit zu verraten‘ (alte chinesische Weisheit).

                        Es ist schon wunderlich (für mich), das >Forest Gump< Tom Hanks dieses Angebot akzeptiert hat. Worum geht’s? Um die Geschichte eines (bis dahin) ‚unbedeutenden‘ Kongreßabgeordneten,- der plötzlich eine Art politische Erweckung erlebt, als die Russen in Afghanistan einfallen, um mit modernen Waffen eine mittelalterliche ‚Bevölkerung‘ fortzubomben, zwecks Eingliederung dieses kargen Landes in ihren hungrig-wankenden Machtbereich. Der unauffällige Abgeordnete, im Getriebe an der richtigen Stelle plaziert, schleust gegen jede Menge internen ahnungslosen politischen Widerstand jede Menge moderner Abwehrwaffen ins Krisengebiet und hilft der islamischen Wehrbevölkerung mittels einer versteckt multinationalen Abwehrkoalition, darunter sogar heimlich-israelischer Beihilfe, die russischen Aggressoren (richtig zynisch übel: die Killerhubschrauber-Besatzungen, mit deren Schicksal man echt kein Mitleid haben kann) zu vertreiben. Höhepunkte des Films sind Flugkörper-Abschußszenen, bei denen zu vollmundiger Hype-Musik -explodierende, -brennende und sich auflösende Helikopter und Düsenflugzeuge vom Himmel krachen (tiefe Rachesättigung) und böse Panzerkriechechsen zerstört werden.

                        Die Perspektive des Films zeigt die Guten, welche die wohlige Demokratie aus dem Herzen heraus liebhaben (Hundegeschichte!), im Hintergrund bei der Arbeit. Wie der später ebenfalls nachfolgend zu erweckende Abgeordneten-Vorgesetzte in einem Flüchtlingslager unter dem Jubel der zuhörenden kampfbegierigen Mudjaheddin-Kandidaten bestätigt,- wird Amerika stets immer (wie bisher) auf der Seite der Guten befindlich behilflich natürlich vorhanden sein. Schon bemerkenswert! – man merkt diesem Film an, das er ganz aus dem Vollen schöpft, und nicht der geringste Zweifel an dieser feststehenden Wahrheit die Selbstverständigungs-Gewißheit dieser Überzeugung je angekränkelt hat.

                        Tom Hanks ist der bisher in der Sache ahnungslose Abgeordnete, der mitten aus dem Nichts sein Weckungsklingelerlebnis hat. Aufwachen! Werkeltags! Ein bißchen hilft eine besonders stinkreiche Freundin aus Texas nach,- die ihm in diesem Punkt Sweet Jesus folgsam auf die Sprünge hilft. Danach wird der immer tiefer nicht nur in Whiskeygläser einblickende Ch.Wilson allerdings ein berufener Selbstläufer. Jenes Flüchtlingslager zieht diverse festsitzende Schrauben locker an. Impressionen von Kinder ohne Arme und von schwersten Verbrennungen gezeichnet, durch als Spielzeug getarnte Bomben verstümmelt, die gewollt nur schwer verwunden,- nicht töten sollen (um die Eltern durch den Pflegeaufwand vom Kampf abzuziehen und anderweitig durch Mittelbindung die Verteidigung zu schwächen),- von schrecklichen Kriegserlebnissen aller Art, welche die Bewohner des Lagers ihm (mißbraucht rührselig –d.A.) berichten,- bringen den Abgeordneten zur Erkenntnis: hier muß nachgeholfen werden. Die die wehrlose Bauernzivilbevölkerung terrorisierenden und völkermordenden Ausrottungs-Helikopter sind das Problem. Alle Mittel sind recht, um wirksame Waffen gegen sie – die selbstverständlich zum Glück längst verfügbar und entwickelt sind - an die Seite des Widerstands zu bringen – und das Geld (vor allem) für sie (die Waffen, die Ausbilder, den Kampf) muß locker gemacht werden. Der Film zeigt den heroischen und erfolgreichen Einsatz eines normalerweise eher von der künstlerischen Zunft vernachlässigten, unbeliebten Zielobjekts als Gegenstand würdigen Honours: den des aufrechten, wohlgesonnenen, orientierten, selbstlos humanitären, patriotischen und gerissenen politischen Fuchses und Strippenziehers im Hintergrund. Der unauffällige, moralisch eher ausgesprochen laxe statt sittenstrenge Kongreßabgeordnete (mehr als angedeutetes Alkoholproblem, nackte Stripperinnen wohlgefällig im Whirlpool, diverse gängige Frauenverlustierungen, einmal wird sogar eine beunruhigende Untersuchung wegen geschnupften Kokains auf den Kaimans letztlich triumphal abgeschmettert wegen des „legislativ unwirksamen Auslandsbodens“,- der also beileibe nicht als ein Heiliger dargestellt wird,- erweist sich (im filmischen Umfeld gerade doch als ein unscheinbarer Solcher im innersten Kern des rechten Flecks, wo das Herz zu sitzen kommen hat.

                        „Russen kalt machen“ ist eine beliebte Selbstverständigungsfloskelbasis für diejenigen, die Seite an seiner Seite mit im Hintergrund an der Vertreibung der bösen Aggressoren durch Waffenlieferungen im Namen des Guten - an die unschuldig überfallene, wehrlos ausgelieferte & massakrierte, dennoch heroisch kampfwillige afghanische Landbevölkerung gegen die ewige Lohnaggressivität des Bösen kämpfen, welches man am Besten und effektiv mit Stinger Boden-Luftraketen niederstreckt. Ein schlagendes Argument an einer Stelle der Darstellung ist die Information, das von zehn des afghanischen Widerstands abgefeuerten derartigen Raketen 7 (Sieben) einen sowjetischen Flieger vom Himmel holen! – tiefe Befriedigung und Belohnungs-Überzeugung auf Seiten des in einem getäfelten, aufwendigen Beratungszimmer im kriegsabstinenten unbehelligten Amerika versammelten Ausschusses. Der Erfolg des Charlie Wilson gipfelt in atemberaubenden Zuschlagszahlen: erst fade fünf, dann zehn, dann vierzig,- achtzig, noch mal dreißig, schließlich fünfhundert Millionen Dollar – „und die Saudis verdoppeln jede bewilligte Summe noch einmal“,- also eine Milliarde -!- Dollar!- für den Krieg,- das ist ein grandioser Erfolg! Eine rauschende Wiederwahl-Party dazu verbreitet Feststimmung: Lohn der Tugend ! - es gibt eben doch noch Gerechtigkeit auf Erden – (was Wunder, wenn der Papst auf der Seite der Christlichen Kirchengeburtshilfe steht) - und daneben auch,- für diejenigen, die ihn herzhaft unterstützend stellvertretermitkämpfen wollen- : den gerechten Krieg.

                        Unerträglich wäre dies dem nicht restlos besinnungslosen Zuschauer wohl,- würde nicht eine kleine Szene zum Abschluß doch zeigen,- das „Charlie Wilson“ nicht ganz von allen guten Grübel-Geistern verlassen auf der Leimrute nur angedacht und nachgefertigt wurde: es geht, vor geleertem Saal, nach dem (gewonnenen) Krieg (je nach Seite, von der aus man hinguckt, hier derjenigen des titelstiftenden Abgeordneten), um eine lumpige zu bewilligende Million für den Aufbau von Schulen (einer Schule?) im kriegszerstörten Land. Charlie Wilson kämpft wieder gegen eine Mauer der Ignoranz, welche diese bloße bitter nötige Million nicht multipel nutzbringend bewilligen möchte. Sein Argument: die Hälfte,- die Hälfte! der zur Disposition stehenden Bevölkerung sei unter vierzehn! – das Gegenargument: „aber wir haben ihnen doch schon geholfen, den Krieg zu gewinnen!“ – darauf nun wieder: „ABER wer von ihnen weiß das schon?!- wie bekannt meine Herren, war das eine verdeckte Schützenhilfe – Amerika war und durfte nie offiziell kriegsführend daran beteiligt sein! So ist das mit uns Amerika eben : es kommt und hilft heimlich, und wenn die Kastanien aus dem Feuer sind, zieht es sich stillschweigend zurück und niemand weiß gebührend davon außer schlechter Presse. Sie wissen das, weil sie nur die Zeitung aufschlagen müssen. Aber dort hat niemand das Geld für ein Zeitungsabonnement, um in Ihrer NewYorkTimes sich zu informieren und die Wahrheit nachzulesen!“ Das allerdings -, sind bemerkenswerte Argumente der Art, wie sie in einem nachdenklichen Geist, der sich tiefer darüber zu orientieren geneigt ist,- wohl wert sind, einzuträufeln. Vielleicht ist ja doch nicht alles zu spät – man soll die Hoffnung nicht aufgeben, das die enthüllende Kraft echter Sachschräglagennot sich nicht vielleicht doch eines Tages durchsetzt- im Geiste.

                        Nur das Tom Hanks sich in den Dienst der Sache gestellt hat,- Ordensfeier des Mannes, „der die Weltgeschichte geändert hat“ (denn diese Story wurde einer „wahren Gegebenheit“ nachgeformt) – zu Beginn und noch einmal (kapiert?!) zu Ende des Films,- das Tom Hanks dabei mitgemacht hat,- wundert mich ein bißchen. Die Wahrheit ist natürlich, das Schmetterlingsbomben und Kampfhubschrauber teuflisch und grausam schrecklich sind ; aber wer nur (in diesem Fall) die sowjetischen Kriegsmittel – furchtbares Wort- fest im Auge hat,- vergißt glatt eine restliche Hälfte derjenigen, die sich noch auf dem Planeten so finden, und ihrem Einsatz entgegenschlummern. Hat man sie erst, wird sich schon ein böser Bube finden, der verdient, das man sie gegen ihn einsetzt; das Angebot, es tun zu können, ist doch zu verlockend, wenn sich mit jemand ein echtes Problem auftut, woran in der Historie nie Mangel war. Wie wär’s nun mit Gaddafi? Die Löblichkeit des ausgebufften Hintergedankens des Waffenverbreitungs-Embargo (hier kaum andeutungsweise denkbar)? Warum auch? Waffen erhalten und verbreiten sich selbst, indem sie ihrer Aufgabe nachgehen,- und sind das Einzige auf der Welt, das immer stärker und unzerstörbarer wird,- während sie sich verkrümeln, vernichten, explodieren, in rauchende Trümmer -Einzelheiten mitsamt ihrer Umgebung sich auflösen,- bis nichts mehr übrig bleibt,- außer: wie zwei durch ein Wunder aus dem Nichts auftauchende ersetzende neue Waffen,- für jede eine im Dienst vernichtete. Da möchte man allerdings an die (sic!) biblische Geschichte der wunderbaren Brotvermehrung denken: das einzige Beispiel eines solchen wundersamen Multiplikationsgelingens in der menschlichen Geschichte (außer der eigenen Anzahl pro Nase), das wissenschaftlich verifiziert und belegbar ist.

                        Natürlich sind diese sowjetischen Waffen (oder eines jeden Gegners) schrecklich: dieser Ansatz der Gedankenkette stimmt schon,- und niemand wird sie widerlegen. Schade, das ein solcher in Amerika richtig begonnener Gedanke leider,- überaus ebenso schrecklich wie diese Waffen,- nach der Hälfte seiner Vollständigkeit ziemlich abrupt abgebrochen und nicht zu Ende geführt ist. DAS ist die schreckliche Wahrheit und Verstümmelung der an sich lobenswerten Sache: eine halb durchgeführte Erkenntnis ist schlechter als gar keine,- denn es gibt dem Halbwissenden das in Sicherheit wiegende Gefühl, Bescheid zu wissen,- ohne ihm den Stachel, sich redlich ernsthaft – ganz- schlau zu machen,- zurückzulassen. Wer halb weiß, glaubt zu wissen,- und weiß doch so gut wie gar nichts; und das ist dumm,- der Uninformierte weiß in der Regel um sein Manko, Gefahr erkannt, Gefahr gebannt. Das andere ... ist leider bedauerlich.
                        Lieber ist mir jemand, der sich seiner Schwäche bewußt ist; denn er ist leicht zum Ziel zu bewegen. Jemand, der halb weiß,- muß in der Regel an den Start zurück, um genügend Anlauf-Schwung zu sparen, die Hürde zu überwinden und nicht zu reißen; aus dem Stand, direkt vor dem Hindernis, dieses zu überspringen, ist mehr als selten. Die Wahrheit ist: eher geht ein Halbwissender voll vor die Bande,- als ein vorbereiteter Unwissender längst in der Akademie des Nachwuchsprogrammes gelandet ist und seinen Doktor in der Tasche hat. Seien Sie nicht stolz darauf, etwas zu wissen. Wenn Sie das Nötige nicht beherrschen: preisen Sie sich, wenn Sie ungebildet sind.
                        Nichts auf der Welt ist so gefährlich und unliebsam wie ein gesundes Halbwissen – und am abträglichsten (und geschmacklos widerlichsten) dann,- wenn es auf das, was es „sicher weiß“, Stolz und Fortführung abweisende Argumente entwickelt.
                        Diesen Bärendienst hat Tom Hanks der Sache erweisen helfen – derjenigen scheel angesehenen guten, die nicht gegen sowjetische Waffen in bösen Händen -, sondern gegen Waffen in jeder Hand ist, weil Waffen böse Waffen sind und stark auf schwache Hände färben, deren sie sich bedienen. Hitler? – sagen sie das einem vierjährigen deutschen Kind, das selbst oder dessen Mutter in einem Luftangriff gegen eine deutsche Stadt umgekommen oder verstümmelt worden ist.- War diese Bombe „gut“,- weil sie von zweifellos „Guten“ in einem gerechten Krieg gegen das zweifellos „Böse“ eingesetzt wurde und es besiegen half? Wer oder was war böse? Das Kind, weil es „deutsch“ war oder polnisch oder russisch, und sein Vater es hätte pflegen müssen sollen statt kämpfen oder wenigstens die Schnauze voll haben? Fällt ihnen was bei? Denken darüber ist nicht schlecht : nur denken Sie gründlich darüber nach, und stoppen nicht bei der Hälfte, weil man es Ihnen sagt – oder weil nichts weiter zu Ihnen darüber danach gesagt wird. Die Sache ist wichtig : denken Sie bis zu Ende.
                        Und entdecken Sie, wo alle Waffen herkommen -, nicht nur wem und warum sie ihm schaden, sondern wem Sie warum nützen. Haben Sie beide Seiten der Medaille erkannt,- wägen Sie. Aber erst dann. Nur eine vollständige Wahrheit ist eine gute Wahrheit. Ein Halbwahrheit ist eine Waffe,- schrecklicher wie ein Kampfhubschrauber: denn es hilft hundertfach diesen Schrecken wahrhaft erhalten,- für alle (menschliche) Ewigkeit.

                        Ein Film wie im Auftrag und finanziert durch die Waffenindustrie. God bless America/s Wirtschaft. Wohlstand schaffen mittels Export-Waffen. ‚Wir haben, was ihr braucht‘. Wo die Raketen geblieben sind, wissen wir. Wo ist die Milliarde geblieben ? In guten Sachen wie Arbeitsplätzen! (bei McDonaldDouglas). ‚Wir haben, was ihr braucht‘! Braucht jemand einen Arbeitsplatz? - Ein wirksames Mittel hat seinen Preis, wie bei Medikamenten. Oder Schulen.

                        Oder Gewissen.

                        Die Weltmacht trägt mehr als schwere Verantwortung. Sie muß auch schlau sein. Das hat im alten Rom schon nicht geklappt.
                        Adel vernichtet. Trau schau wen.
                        Und sei früher schlau. Die Lehrzeit ist vorbei. Ab jetzt ists ernst. Keine Fehler mehr. Sonst bumm. Glaubst du, die Römer hätten im Falle die Bombe gegen die Wandalen eingesetzt?
                        Aber sicher...

                        Paß auf, wenn du Römer bist. Und du hast die Bombe. Wie gesagt: sei früher schlau. Denn auch die amerikanische Luft muß den ganzen Schlick wegatmen. Da helfen keine Pillen: gegen den Nürnberger Trichter.
                        It’s not love that will bring us together. (Hope) it’ll be the bomb.

                        Ist das alles so schwer zu kapieren? Auch für die Waffenschmiede?

                        Ohne Lunge oder ohne Hirn? ...Ohne Waffen! Ohne Macht?

                        Tatsächlich ein gelungener politischer Lehrfilm. Weil er zeigt, wie dämlich und hoffnungslos flach es in Wirklichkeit ähnlich läuft („nach einer wahren Begebenheit“) – in einer Wettlaufsache um Leben und Tod willen. Ein guter Anlaß, sich schlauer werden zu lassen – als dieser denkbar zu kurz geratene Film.

                        • 9

                          Wie beginnen? – man könnte kurz den Verlauf der erzählten Geschichte skizzieren, doch mir ist es lieber – nein ich befehle – das Sie auch das erste Sterbenswörtchen erst dann zu sich nehmen, wenn Sie diesen Film aufge-nommen -, sich haben gefangennehmen -, von ihm haben überschütten -, ihn in sich eingesogen gefühlt haben. Denn es ist ein durchaus selten verdientes, würdiges Erlebnis; es ist großes Kino.

                          Es gibt schwerlich Geschichten, die nur – nun ja, im Zentrum ihres Fokus – nichts als zwei Menschen stehen haben. Nicht das also nur e i n e solche erzählt wird: eigentlich – denn so reich geht es hier nun einmal zu – werden gleich zwei geliefert, wobei aber genaugenommen die eine nur ein Ornament auf der anderen ist. Die eine ist die einer hingebungsvollen, warmherzigen, gefühlssicheren Krankenschwester, deren Herz der großen Liebe bereit stehen könnte, wären die zeitlichen Umstände – Italien, welches mit den abrückenden Deutschen den Faschismus abschüttelt und eine jungwiedergeborene Welt entdeckt (Kompliment, diese Befreiung von ei-nem globalen Alpdruck fühlbar zu machen!) – wären diese Umstände eben so, diese Liebesoffenheit eher zu fördern, als alle anknüpfbaren Bande nicht, so oder so - gleich wieder aufzulösen, oder gar grausam zu trennen, das sie sich für einen Unglücksboten hält, in dessen Folge alles zerstört wird, was sie vertraulich berührt.

                          Ihre Geschichte, von der ewig gültigen Macht der Liebe auch derweil des Krieges, wird ausgewogen von einer, welcher scheinbar günstigere Zeichen winken: denn sie beginnt in (Noch-) Friedenszeiten, nah der Wüste Nord-afrikas, in den engeren und längeren Weiterungen einer geographisch- archäologischen Expedition, deren halb-dutzend Mitglieder (abgesehen der einheimischen Helfercrew) eine übernational zusammengewürfelte Gemein-schaft ist: Briten, Ungarn, Deutsche, Kanadier. Einer von ihnen ist Graf László Almásy, der Ungar. Sie sind mei-nem Wunsche doch bereits gefolgt? – dann wissen Sie, das dieser Welt- und besonders Frauenscheue jungge-sellen-kratzbürstige, wohlgestalte Wüstenwolf genau aus dem Material ist, das auf romantische und bisher unbe-troffene, unverwundete Frauenherzen, selbst wenn sie relativ frischverheiratet aufs papierne (einjährige) Hoch-zeitsjubiläum zusteuern sollten,- unwiderstehlich wirkt.

                          Für magische körperliche Anziehung, die vom ersten Augenblick an da ist, werden gute bildliche Klausulierungen gefunden; man spürt den bedrohlichen Sog, der von der bloßen Gestalt im Sand direkt ins Innere mündet. Es kommt, wie’s kommen muß: während der Gatte an patriotischen Pflichten teilhabend sich abmüht, erliegt die Gattin den Hormondiktaten, und das Unvermeidliche ist unvermeidlich. Diese Liebe hat das tragische (Un-)Glück, das romantische Romea-&Juliostadium nicht zu überschreiten. In einer europäischen Nicht-Haremswelt ergibt sich immer Gelegenheit, dem brotschaffenden Mann die ferne Frau an ihrer empfindlichsten Stelle zu packen; und nach langer, von Aufregungen und Lebensintensität prall gefüllter Initiation ist es, zurück in Kairo, dann so-weit: der lang hochgeschwellte Damm bricht, Leidenschaft hinterdrein, und es muß ziemlich bravourös gelungen sein; denn nun kommen sie voneinander, trotz aller Versuche und redlichen Bemühungen, nicht mehr los. Sie sind aneinander gefesselt; und ihre Herzenssehnsüchte, mehr als ihre Körper, füreinander bestimmt. Wer diese schmerzliche Schicksal schon litt (ich fürchte, da antwortet mehr Resonanz als ich wünschte) wird wissen, wovon ich rede.
                          Zwar ist Frieden; und doch nicht. Der (liebende) Gatte hat bald alles spitz, leidet aber still geheim; die Liebenden (zumindest aber -Begehrenden) leiden unter der Lüge der Verheimlichung und des Verrats. Die Welt leidet unter der Vorbereitung des Krieges. Unter der Belastung zerbricht die äußere Nicht-Beziehungsform; nun leiden Lie-bende und Nicht-Geliebte getrennt, jede/r für sich. Alles in allem führt Liebe offensichtlich zu konträr-desolaten Zuständen ; „wie soll man jemanden, der zuvor noch niemals hier war, Gefühle erklären, die einem ganz normal vorkommen?“ Liebe scheint in jedem Einzelfall eine große Überraschung für diejenigen, die sie überfällt, und schwer, sich mit ihr zu arrangieren. Es scheint in diesen Zeiten, wie ein Haus zu bauen, ohne je eine Maurerkelle in der Hand gehabt zu haben.

                          Geliebte und Geliebter müssen nun – sie beschied es so – fern voneinander auszukommen, wie es gehen will. Will es erzwungene Gesellschaftsbegegnungen, verlaufen sie dank offenbrachliegender geschundener Herzzer-rissenheit übel. So vergehen Wochen um Wochen, Monate um Monate, summierend Jahre. Schließlich, der Krieg tobt, längst, Deutsche in Tobruk, der ganze Schlamassel, dazwischen, und wieder ferne, kommt es zur Klimax: in Steno: ein Flugzeug-Rendezvous endet mitten in der Wüste in einem Suizid-Kommando, angezettelt vom eifer-süchtigen Ehemann, der letztlich die Gefühlsbereinigung der beiden knapp (wenn sie auch hinlänglich übel ver-letzt wurde) Überlebenden ermöglicht. Sie gesteht, während er sie auf den Armen in den Schutz der gemeinsam entdeckten prähistorischen Höhlenbehausung trägt, ihre wie selbstverständlich stets bewahrte Liebe, die sein Narbengeflecht über einen Atemzug hinweg als blühende Frühlingslandschaft enttarnt. Er zieht los, der Trans-portunfähigen Hilfe aus der mehrtägig entlegenen Zivilisation in die Wüste zu holen; sie bleibt hilflos, mit wenigen Subsistenz, zurück. Von den Engländern wird der Ungar für einen deutschen Spion gehalten; sein Hilfsersuchen wird, ungläubig, abgewehrt, er selber renitent interniert. Er flieht, kehrt mithilfe von Deutschen unterwegs zurück, denen er Kartenmaterial für Flugbenzin eintauscht; findet sie jedoch - tot; will sie im Flugzeug aus der Wüste, wo sie nicht begraben zu sein wünschte, ihrem stattdessen geliebten Kindheitsgarten heimbringen; wird von Deut-schen im englischem Fluggerät abgeschossen; erleidet beim Absturz schwerste Verbrennungen; von Nomaden am Leben gehalten; in ein englisches Lazarett geliefert; leidet, zu Tode siech, derweil an Amnesie, welche von allmählich zurückkehrenden bruchstückhaften Erinnerungen durchlöchert wird, denen wir folgen; landet in der Pflege ebenjener barmherzigen, jungen mobilen Krankenschwester, die nach tragischen persönlichen Verlusten die Gelegenheit eines verlassenen Klosters erkennt und ergreift, mitsamt dem transportunfähig Sterbenden zu-rückzubleiben und Abstand zu letzten Ereignissen zu gewinnen. Im dortigem bereits feindfreien Refugium, in dem sich allerdings flugs weiteres menschliches Kriegstrümmertreibgut verfängt z.B. in Gestalt zweier frei campieren-der soldatischer Minenräumer (einer davon der prinzengleiche Sikh, in den sie sich verliebt) sowie eines etwas undurchschaubaren Widerstands-Kontaktbeauftragten entwickelt sich die alternierende Erzählweise des Film-konvoluts; abwechselnd Gegenwart, konfrontierend oder mündend an Vergangenheit, wie beschrieben, an ge-schickt angelegten Verknüpfungspunkten – Farben, Formen, Geräusch-Taktgebungen – ineinander übergehend.

                          Was ist, abseits der geschilderten Fadenscheinbarkeit, nun das Besondere an diesem Film?- sicher einmal die Qualität der Geschichte selbst; dann die außergewöhnliche Leistung der Darsteller, allen voran : unvergleichlich: Juliette Binoche, in der schönsten, glaubwürdigsten, bezauberndsten, natürlichsten, zum Verlieben reinen Gip-felleistung ihrer Karriere als barmherzige, lindernde und tröstende Pflegerin Hana; aber auch Ralph Fiennes, William Dafoe, Kristin Scott-Thomas Colin Firth, oder J. Prochnow agieren grandios; oder ist es die Dichte und Gelungenheit des Dreh-Ortes- und –Buches,- und die einmalige Zusammenkunft aller Konstellationen im richti-gen Moment? – Man hat, wie bei Casablanca, das Gefühl, das eben einfach alles endlich stimmte: innen und außen, Zeit- und Ortsschau, Leute und Umstände,- zumindest: das Ergebnis ist ein glückliches, ein phantasti-sches, ein ganz gelungenes, großes Gefühlskino, über das üblichste- und doch schwierigste Sujet der Welt: eine, oder wie gesagt, eigentlich zwei Liebesbegegebenheiten, zwischen, unendliche Variation-en, zwei Menschen, einer Frau, und einem Mann,- oder einem Mann, einer Frau : einer großen Geschichte, verhindert im Kleinen, und einer kleinen Geschichte, verhindert im Großen,- und doch, letztlich, beide erfolglos-erfolgreich: denn es kommt auf das Leben an, das jedesmal der Tod beschließt. Dann bleibt, was war: und das ist immer nur das: was gewesen IST.

                          Die Liebe war, und indem sie war, IST sie: das ist, was bleibt, während Harry, dankschuldig der barmherzigen Seele, die sich seines Vermächtnisses zu Willen war, in Trost, Schlaf, Dunkel und nie endenden Flug, über die Wüste hinweg und hinaus, hinüberdämmert : und wir sind dankbar, wenn, einmal, wieder, das Schwierigste von Allem gelang: die Geschichte zweier Menschen zu erzählen, eines Mannes, und einer Frau,- oder einer Frau, und eines Mannes, die sich verstrickten, unvorhergesehenerweise, und im Grunde wider Willen, hineingezwungen bestimmt : in eine Liebe,- deren Geschichte, die schwerstzuerzählenden, wiederzugeben war: nicht hier,- aber in diesem Film. Sehen Sie also an.
                          Doch Sie hörten ja auf mich; will ich annehmen? sonst aber fix!

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                            Verdammt, der Film ist gut!
                            Einmal ein Film, in der das Genie kein Klischee ist, sondern ein Mensch – ein echter Mensch – und trotzdem ein Genie.

                            Nicht das Genie in seinem Glorienschein – die dunkle, die Schattenseite des‘. Bis zum Schluß enthält uns der Film die Lösung vor: blicken wir hier nur auf ein besonders schwieriges und problematisches Stück Mensch? Gibt es hier überhaupt irgendetwas Besonderes, „Geniales“, das alle Menschen ständig in diesem Film beschwören, von dem Glorienschein vergangener Zeiten, als der Professor „jung“ (jünger als „dreiundzwanzig“ war, seitdem es bergab ging) und immerhin ist er ja nun schon Mitte sechzig,- also schon etwas verblaßt, das Genialische.

                            Ist in dieser verqueren Umgebung – außer dem Problem- noch etwas anderes zu entdecken? Das ist hier die Frage. Man sind die ganze Zeit nur die Nachtseite – und das ist die Stärke des Films, und hier trifft es uns : er zeigt uns das Genie dort, wo auch wir in unserem Leben – sicher – immer mal wieder Kontakt mit einem solchen haben (haben Sie nicht? –sicher haben Sie). Nämlich: nicht auf einer Pressekonferenz, von unten im Publikum. Nein, sicher hatten Sie schon hin und wieder mal enorme Schwierigkeiten mit einem Stück Quermensch – nicht völlig unwahrscheinlich ausgeschlossen, daß dort ihre verborgene Talentprobe des Kontaktes mit dem Vielberufenen stattgefunden hat. Denn die meisten Genies – wissen nicht einmal, das sie eines sind. Irgendwann dann mal schon, sicher – aber ab dann wird es in der Regel rasch langweilig. Die Zeit davor ist interessant – und in der Regel völlig unerkannt (auch in den Büchern).

                            Erfreulich, das ein filmisches Erzeugnis – Klischeetransformator-Konserve per se & in nuce - das Wagnis unternimmt, die besonders schwierige Nagel- und Talentprobe zu riskieren. Steckt in diesem Heuhaufen ein Negie? –Stochern wir doch mal. Zum Vorschein kommt jede Menge dreckiger Unterwäsche, leere Blechbüchsen, zerknüllte Fahrkarten, - Strohhalme natürlich – Bindfaden benutzte Kaugummis und Kondome,- unbrauchbares Zeug und Schund und Kitsch und Müll – und ein problematisches Stück Mensch, eine junge kratzbürstige Professorentochter allemal, die Angst hat – von ihrem Ausnahme-Vater die Gene – die Anlage zur Verrücktheit (Mastermind „- Beautiful“ läßt grüßen!) geerbt zu haben – denn wie nah liegt das doch zusammen, Wahnsinn & CoKG! Ach wie erfrischend – wo dieser andere Film kein Fettnäpfchen des : “Und schauen Sie hier links bitte, genius profanis, bitte: kein Buchstabensalat, NICHT füttern!“ – ausläßt, läßt uns dieses Stück Film dagegen erfreulicherweise längst, lange, im Ungewissen & in der Schwebe: gibt es hier überhaupt etwas zu gucken – und zu entdecken? Man sieht nur Schwierigkeiten, Plagen, Übel- und Mißstände – es geht, wenn es wäre, nicht besonders gut damit, ein Genie – oder im Dunstkreis eines solchen – involviert zu sein. DAS ist das Gute an diesem Film: er zeigt das Genie, bevor es eins ist – denn was danach kommt, geht uns (Normalos) sowieso nichts mehr an.

                            Das Genie ist nur solange (interessanter) (oder beziehungsreicher) Teil von uns, so lange es zu uns gehört – unserer Sphäre angehört. Danach ansonsten :(siehe oben – „bitte das Ausstellungsstück nicht berühren!“) – Dieses hier ist noch kein Ausstellungsstück – und man darf es berühren. Kaum zu glauben, das in all dem – auch noch ein gutes Stück Mensch steckt. Und zwar eines, dem es nicht besonders gut geht damit, das es „anders“ ist . Sehen Sie, lauter Klischees: man weiß doch, das es „für Genies“ nicht leicht ist. Und für das Umfeld, zumeist, auch nicht. Angenehm also: hier wird durchexerziert, das es „nicht leicht“ ist – und es wird dadurch, und erst seitdem und bis dahin,- so lange wir nicht wissen & sicher sind: sind das nun stinknormale Schwierigkeiten, so wie sie jedermann mal hat („der eine schwierige Phase /Zwei Jahre hinter sich hat“) – oder sind das etwa ganz unerheblich in diesem Sinne „besondere unübliche Schwierigkeiten“? – Dies ist das ergreifend Angenehme an diesem Film: hier wird ein echtes Genie gezeigt, wie es leibt und lebt – aber das Sockel-Postament fehlt so derart, das wir fast nicht erkennen können – bis zum Schluß, - ob und das es sich um das Berühmte- **GENIE** handelt. Denn geben wir es zu: ohne seinen Sockel sind wir der Aufgabe, ein Genie zu deduzieren, fast maßlos überhoben : wir checken es einfach nicht.

                            Die Filmleute hier haben es aber: und deswegen : schaut’s euch ruhig an. Für mich: zählts zum Besten zum Thema, was ich je gesehen hab. Vielleicht, wenn ich so im Geiste nachzähle, sogar das Einzige – seit Frankenstein.

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                              Das Schlimmste zuerst : im Verlaufe des Films, tatsächlich, wandert der männliche Protagonist des Films (in zwei Rollen unterschiedlicher Lebensalter: xxx & Ralph Fi-ennes)-, also dieser „Michael Berg“ wandert den Leidensweg des Golgathas eines ganzen Volkes nach: tatsächlich, Stacheldraht, die hölzernklobigen Stelzenwachtür-me, die zugig gezimmerten Lattenbaracken, Stockbett an Stockbett, faulige Stroh„matratzen“, ein Gang, rechts und links hinter mannshohem Drahtgeflecht zu-sammengebundene Schuhpaare, deckenhoch, Meter um Meter, Pfosten um Pfosten, ein Gehrost zu Füßen, dann gemauerte Kammer, fensterlos, schwere Türen, zuletzt ein kahler leerer Raum, schwere gußeiserne Ofenklappen an der Wand, noch eine, je ein Segmentbogen oben – Schornsteine die rauchten und rauchten und rauchten pausenlos, schwarze Milch der Frühe wir trinken sie morgens wir trinken sie mittags wir trinken sie abends wochen– monate- jahrelang... darein der Protagonist, allein, wintersklamm, darüber lastende Jahre auf zustaubenden Resten der Überbleibsel...

                              Ein Film also, der Auschwitz in seine Dramaturgie einbaut. Dies erfolgt in der Kino-landschaft nahezu unbemerkt. Ein Film der sich das traut,- eher zu-traut,- muß eini-ges aufbieten. Kann der das?

                              Das ist die Frage. Zweifellos steckt gute Absicht dahinter,- und eine ehrlich gemeinte Herangehensweise. Doch das ist nicht genug. Bestimmte Bilder nutzen sich bereits durch einmaliges Sehen ab. Es ist Vorsicht im Umgang mit Einmaligkeit geboten, wenn sie bildlich ist. Manche sind unitär – wie diese Raum-Erinnerung des dunkel-sten Kapitels europäischer (deutsch... initiierter) Geschichte. Durch Auschwitz geht nicht einmal der Wind ohne seinen Atem anzuhalten und/oder flaniert man nicht ein-fach so. Wer das sich traut, übernimmt Verantwortung – für die An-Blicke, die er aus Kollektivbesitz (-mahnung) sich aneignet,- womöglich für Privatgebrauch, für Instru-mentierung, für Nutznießmachung. Wer sich in den Besitz dieser Bilder, die Allge-meingut sind oder doch sein sollten, setzt, muß peinlich auf die Anteilsrechte achten, und jeden Verdacht von sich weisen, sie anders als um der Zwecke und des Sinns der Allgemeinheit wegen zu verwenden – nicht der Hauch eines Verdachts der ei-gennützigen Selbstinstrumentierung darf auf ihm verweilen.

                              Das ist natürlich ein Hammer von Anspruch,- so könnte es leicht dazu kommen, das diese Bilder n i e gezeigt werden und verschwinden,- mit den Baracken, deren Holz schon morscht und fault. Das Kuratorium wird sich einiges überlegt haben. Ist das Anliegen dieses Films gerechtfertigt- (durch sein Können)? – es muß letztlich, nur an Anhaltspunkten, zu dieser Überzeugung gekommen sein. Nun, vor der Verfügbarkeit des fertigen Ergebnis, fragen wir uns dasselbe. KANN der Film DAS?

                              Auschwitz taucht in keiner Besprechung des Films auf. Man fragt sich eher, ob K. Winslett und der Regisseur, zur Drehzeit des Films verheiratet, mit den doch recht freizügig intensiven Sexszenen des Films privat gut zurechtgekommen sind (dem Einvernehmen nach wurde diese Problematik passabel gehandhabt). Gehen wir also zu Wichtigerem über: kann der Film das (andere), so das er das darf?

                              Es geht nicht direkt, so a la >Der Pianist< von Polanski, um das Procedere des Holo-caust. Der ist zur Spielzeit der Handlung schon Geschichte. Westdeutschland, 1958: ein fünfzehnjähriger Schüler lernt eine mittelalte Frau kennen und eine intensive kör-perliche Beziehungs-Leidenschaft entwickelt sich. Eines Tages ist sie spurlos ver-schwunden. Wenige Jahre später, als Jurastudent, entdeckt er sie vom Beobachter-podium eines Kriegsverbrecherprozesses wieder – als mitangeklagtes weibliches SS-Lagerwacht-Personal, konkret anläßlich der Häftlings-Selektion über Leben und Tod - und während eines ‚Todesmarsches‘, bei dem dreihundert in eine Kirche ge-sperrte Frauen-Häftlinge nach einem Luftangriffs-Feuer umkamen. Im Moment der Kulmination des Prozesses, als seine ehemalige Geliebte sich offensichtlich zwar nicht schuldlos, doch eher weniger unmenschlich als ihre Wacht-Kolleginnen von diesen zur hauptbelastet Verantwortlichen stempeln läßt, wird ihm anhand einiger erinnerter Indizien klar: Hanna Schmitz ist Analphabetin, und läßt sich aus ver-schwiegener Scham darüber – statt es zuzugeben – lieber in eine lebenslange Haft-strafe sündbocken, statt eine (relative) „unschuldserweisende“ Schriftprobe abzuge-ben. (Nebenbei nimmt sich der überambitionierte Rgisseureur ein weiteres abendfül-lendes Programm der gesellschaftlichen Sündenbocktheorie vor : diese für solche Schultern zu unförmige Last-Unbescheidenheit weits auf das größte Manko des Films). Das Weitere: er schickt ihr, hochambivalent hin und hergerissen (ein weiteres „Gleichnis“) zwischen ehemaliger leidenschaftlicher Liebesabhängigkeit und neuent-deckter Abgestoßenheit aufgrund ihrer Verbrechen,- selbstbesprochene Audio-Kasseten samt Recorder ins Gefängnis – mit Aufnahmen diverser, ehemals schon von ihm ihr (vor dem Liebesspiel) vorgelesener verschiedener Bücher der Weltlitera-tur. Anhand dieser Aufnahmen bringt sie sich heimlich durch Buchvergleich aus der Gefängnisbibliothek Lesen und schülerhaftes Schreiben bei. Nach zwanzig Haftjah-ren soll sie begnadigt entlassen werden, die Verwaltung kontaktiert ihn per Eingliede-rungsbeistand als einzig nachweisbarem Außenkontakt. Ein zaghafter Kontaktver-such schlägt seine Hoffnung nieder, sie hätte mittels des Aktes des Schrifttums noch ein anderes, zusätzlich „Kultur“-Bezügliches darüber hinaus erlernt, und „ihre Tat“ (mehrmals vorzitiert: „Wir sind nicht das, was wir fühlen oder denken, sondern was wir TUN“) - bereut. Hanna Schmitz ist auf ihrem individuellen Prozeß der Erlernung der Kultur noch bis zur Gesellschafts-Reue nicht vorgedrungen. Michael Berg verläßt sie desillusioniert ratlos. Wenige Stunden später und vor ihrer Entlassung erhängt sich Hanna Schmitz in ihrer Zelle, einen Bücherstapel als Aufstiegshilfe benutzend. Der Mann, lebenslang verschlossen, zeigt seiner aus einer (an seiner Verschlossen-heit) gescheiterten Ehe stammenden jungerwachsenen Tochter das Grab Hanna Schmitz‘ und erklärt ihr, zum ersten Mal, seine Herkunftsgeschichte mit ihr, und schließt damit das formale Erzählgerüst des Filmaufbaus.

                              Man sieht, der gebrauchte Handlungsstrang ist schon ein spezifischer (deutscher), und auch einer des nazischen Holocausts. Dennoch ist das Problem verschoben: denn nicht der Holocaust steht im heimlichen Zentrum des Films,- sondern eine Me-tapher(-nsprache). Es hebt gleich an, wenn der Geschichtslehrer (am Gymnasium des Deutschschülers) „das Heimlich-Verschwiegene“ geradezu zum kulturellen Grals-Hort des Westens und des Abendlandes insgesamt macht und hocherklärt – „das, was – aus verschiedensten, persönlichen oder kulturell bedingten Gründen – niemand wissen und nicht ausgesprochen werden darf“. - Oder wenn, der Sohn ist schwer akut Scharlach- erkrankt aus der Schule heimgekehrt,- der „Vater“ anläßlich der Frage einer Arztkonsultation abschlägig erklärt : „Wir werden das jetzt nicht dis-kutieren.“ (Punkt, kein! Ausrufezeichen.) Das alles soll nachkriegsdeutsch (und wie-der noch mehr als das - soziokritisch : sein : autoritätsstrukturell, bigott, verheimlicht, uneingestanden, verdrängt, restriktiv, krank, verkrüppelt, in Verbrechen mündend. Nur ein Problem dabei: man merkt dem Regisseur an, das er diese Gesellschaftskli-max nie erlebt hat. Nur davon gelesen. Ich nicht. Ich habe es erlebt. Und es (an mei-nem Ort) war anders. So wie hier: steht es nur nahegelegt in den Geschichtsbüchern.

                              Wie war es dann? – muß wohl an anderer Stelle (subjektiv) dargelegt werden, lassen Sie uns uns hier auf den Film beschränken. In der Metaphernsprache des Films wird -Alphabetentum, also das Beherrschen des Schrifttums, zum Synonym der ange-knüpften Beherrschung des kulturellen Konsens, der Kulturisation, ja der eigenstän-digen moralischen Stellung und Lebensprogression überhaupt. Wer lesen und schreiben kann, bringt und entwickelt seine persönliche Moralitätsbefähigung ein zum angemessenen zeitgenössischen Ausdruck. „Das BUCH“ (und die Fähigkeit, es zu nutzen, also Lesen) als Ausdruck der moralischen Eigenbefähigung des Men-schen, des Sapere Aude, des Mutes, sich des eigenen Verstandes zu bedienen, und sich aus seiner ansonsten „selbstverschuldeten Unmündigkeit“ zu befreien. Das ist der zentral gemeinte Tragbalken des Films: weil sie nie gelernt hat, sich der eigenen LesSchreibfähigkeit – „moralischen Eigenwerte“ - zu bedienen, rutscht Hanna Schmitz unbedarft auf ewig schiefer Ebene immer tiefer ins Unmoralische, schließlich unausdenkbares Verbrechen ab: und hat keine Möglichkeit der Verifikation für sich selbst, zu diagnostizieren, wo sie sich moralisch (schließlich) befindet und wiederfin-den muß: in Nazi-Simultanität, bei aller (persönlich unbedarft gefärbten) Unschuld. Sie hat keine Vorstellung ihrer Schuld. Sie geriet nolens volens unters Wachtperso-nal der SS: nämlich als sie bei „Siemens“ unfreiwillig befördert werden sollte,- wie um einiges zuvor im Film, zur Zeit ihrer Schüler-Liebschaft, als sie als Fahrschein-Kontrolleurin arbeitete: denn dort anläßlich einer weiteren unerbetenen Beförderung ins Angestellten-Bürodasein (ihrem schamhaft verschwiegenem Analphabetentum unmöglich) – verschwindet sie wie schon damals - einfach. So, die Analogie, war es in ihrem Hitler-Deutschland auch: aus Scham, ihr Nicht Lesen-Können zuzugeben,- eskapierte sie und heuerte bei der SS an, weil es dort „Arbeit“, in der „Sicherungs-branche“, gab. Und so weiter erklärt sich die Absicht des Films.

                              So weit zum Plot. Stellen wir, zum letzten Mal, die Gretchenfrage: klappt das alles? – Ein letzter Schlenker: der größte Durchhänger des Films ist wohl die Besetzung der Hanna mit Kate Winslett. Das ist nicht ihre Schuld,- und sie macht ihre Sache durch-aus ‚gut‘,- eine „große Rolle“. Hier wird die Grenze des Starkinos sichtbar. Der (be-kannte) Star legt die Möglichkeit des Films fest und begrenzt seine (unverbrauchte) Aussage,- durch Image-Bekanntheit. Würde niemand Kate Winslett – ob er sie mag oder nicht – kennen, hätte Hanna eine Chance gehabt, sich als das durchzusetzen, was sie sein möchte und sein muß. So gelingt es ihr nicht, und sie hatte auch nie-mals diese – mehr als faire, ja gerechte, ja geforderte Chance. Ich weiß nicht, ob es zu stark ausgedrückt ist: Kate hat Hanna umgebracht. Es funktioniert nicht. Es ist nicht Winsletts Schuld. Was machbar war, hat sie getan (eindrücklich ihre Wand-lungsfähigkeit von der immer noch ansprechenden Mitdreißigerin zur gebrochenalt-gebeugten ‚Lebenslänglichen‘,- ein entschiedenes Hoch der ‚Maske‘-, des Visagi-sten-Teams).
                              Jedoch die Winslett: ist einfach immer noch zu naiv, zu ungeschoren, zu sympathisch (selbst bei gespielter Härte und Abweisung und Kaltblütigkeit) und traulich genug, um anders glaubwürdig eine durch’s derartige Fegefeuer eines (nicht unverschuldet ge-blieben) durchwirkten Weltuntergangsfeuers wie des‘ Nazideutschlands - gegangen zu sein. In Wahrheit wäre diese Figur zutiefst gespalten abgründig: und diese Tiefe ist bloß angedeutet, und stützt sich auf Behauptungen. Das, mit Verlaub, hat Winslett nie erlebt – nur gelesen. Ihre persönliche Tragödie reicht nicht hin, eine Hanna zu geben: das sollte sie beleibe nicht bedauern,- oder bereuen. Eine Unbekannte, Un-vorbelastete hätte dieses Schwarze Andeutungsloch vielleicht vorgeblich (fiktionär) füllen können: aber im gegebenen Falle war das bereits, längst, unmöglich : denn unser Unbewußtes füllt diese Lücken zwanghaft für uns, ungefragt, unentrinnbar, auf: im Hintergrund von Hanna versinkt, z.B., ein recht großes, nicht unbekanntes ande-res Imgae-Vehikel. Das darf, in solchem beabsichtigtem Falle, unter keinen Umstän-den, nie nicht passieren. Hier ist Unkenntnis Voraussetzung. Das war keineswegs,- ob gewußt oder nicht. Fehler. Nicht der Winslett. Des Ehemanns, der beabsichtigte, Künstler zu sein : sehen Sie, so schwer, und unwägbar, ist das, der Gelingenspro-zeß. Fallen überall,- all.

                              Auschwitz also: darf das sein? – Sagen wir so: der Film ist nicht schlecht, und eher nicht-mißlungener als andere Produktionen des Hauses. Als Film des amerikanisch generierten Kinos hält er das Niveau,- ist vielleicht sogar etwas besser als durch-schnittlich. Jedoch, um sich das zu trauen, was er sich (zu)traut : auf keinen Fall.
                              Dazu ist die Mystik zu verquast,- die Analogie(nschaften) zu hinkend, die Durchfüh-rung zu unbeholfen, und wabbelig. Wieso steigt die Hanna zum Beispiel schließlich ausgerechnet auf die Bücher hoch zum Schafott? – Sie mögen das für unwichtig halten: ich halte es für, mindestens, ungeschickt und ungenau,- eine mißliebig auf-gefallene und mißlungene Irrvariation; in solchen Details muß die Bildgleichsetzung „stimmen“, will sie sich nicht verhaspeln und ihre Legende verdunkeln. Solche Wider-sprüche müssen vermieden werden,- ist das Versteckspiel doch eh verschwiegen genug.

                              Darf der Film Auschwitz gebrauchen? Ja, er darf. Nicht, weil er in der Lage wäre, es zu können. Sondern weil Auschwitz verschwindet, und besser als eine falsche : wäre zwar keine Erinnerung; aber ganz falsch ist sie nicht, nur nicht in dem Maße gelun-gen, wie sie sein sollte. Es ist eine ungeschickte, unförmige Erinnerung: aber in ihr ist etwas, was niemals zum Schweigen gebracht werden kann (hoffich), und was die Kraft hat, die Irreleitung zu unterdrücken und beiseite zu schaffen. Einige der im Film gebrachten Gegenstände werden die Kraft haben, den Film, der sie instrumentieren wollte, auf Dauer in den Hintergrund zu drängen, und für sich selbst zu überleben: der Film wird verschwinden, diese – unbeabsichtigten - Bilder werden bleiben. Der Film ist nicht eindringlich, eindrücklich genug: er ist kraftlos, er wird sich auflösen. Ralph Fiennes gibt sein Übliches. Winslett mehr als das, aber sie ist Gefangene des Systems, und dies verhungert notwendig innerhalb seiner akzeptierten Grenze. Der Film war nicht mutig genug : mehr zu sein als ein bebildertes Geschichtsbuch eines ungeschicken Deuters. Wenn Film nur das könnte, würde er spurlos vom Erdboden verschluckt werden. Er k a n n (in der Hand des Könners) mehr als das: er kann Indi-vidualität erwecken, eigenständiges, nicht geborgtes Leben. Die Weisheit des hier Gebrachten ist geborgt. Warum die Abbildung Auschwitz‘ erlaubt? – weil Auschwitz stirbt, und Vehikel sucht: in denen es sich in die Zeit hinüberretten kann, über die seine hinaus. Der Film wollte es gebrauchen: nun wird er, so ungeschickt er ist, von ihm genutzt. Ja, er darf das. Nicht weil er ihm auch nur im Ansatz gerecht werden könnte: sondern weil er die Kraft NICHT hat, es – trotzdem– NICHT ZU ZERSTÖ-REN.

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                                Demolitian man waschechter Stallone
                                Ts ts ts. Eine Herausforderung nach der nächsten. Try it:

                                Erstens Die völlige? Humorlosigkeit des italienischen Hengstes. Absolut auch nicht die mindest unumgängliche selbstironische Distanz, wenn man eine solche HaudraufundSchluß-Klamotte vom Stapel läßt. Zu Stallone fällt einem einzig der bekannte Bizeps-Witz ein: man muß es nicht nur hier haben (tippt rechten Bizeps ), sondern auch hier (hebt Finger und tippt linken Bizeps). Ich hab in letzter Zeit genügend in diese Kerbe gehauen: ist es wenigstens gute (-„gute“) Unterhaltung (-„Unterhaltung“)? Mannomann, schwer zu sagen was Kluges zu. / Die Vision einer friedlichen Gesellschaft: Friede Freude Eierkuchen, wie langweilig, geradezu freudlos. / Küssen: unhygienisch und antiquiert. / Waffen im Museum, hinter Zuckerglas. / Polizeichefs, wenn der Computer aufgeschmissen, völlig hilflos. / Friedliche Deppen: böse Buben. Die müssen nicht schlau sein: böse genügt vollkommen.
                                Denn schließlich gibt’s nur Gute Gewalt und Böse Gewalt und Deppen, die aus Harmlosigkeit friedlich sind und von den GuteGewalt-Typen beschützt werden müssen (weil sie selbst dazu zu dummfettigfeig sind). Fertig ist der Früchtchenwelt-Cocktail. Früher war’s doch besser, als Das Gute und Das Schlechte überschaubarer unterscheidbar waren.
                                - Ich weiß nicht, woran es liegt, das ich das Gefühl habe (anders als bei Schwarzenegger oder Bud Spencer und ähnlich kategorische Muskelsuperzwerge-),- das Stallone über Hauptschule nie hinausgekommen wäre, auch wenn er’s ernsthaft probiert hätte. Es ist einfach dieses völlig geistlose, diese vollkommene Dummie-Ideologie,- die sich über jede Form von Hirnbrauchergebnis-, wie es einem eben nur bei absolutem Denkstillstand begegnet,- genau lustig macht und exakt die völlig inadäquaten neben-der-Spur-Anmerkungen anzubringen pflegt, die anzeigen: hier erleidet sich akuter Denkstillstand (mit Ausnahme vielleicht des Reflexzentrums). Die Doofheit hat so eine gewisse Art,- einen Geruch gleichsam,- auf die Gegenwart jeder Sinnbemühung mit einem gewissen Etwas von entblößender Gereiztheit zu reagieren, welche anmarkiert: hier paßt etwas nicht,- und wird es niemals nicht,- nicht zusammen. E-Enzephalogramme und Stallone sind auf ewig geschiedene Dinge.

                                Es sind die Kleinigkeiten : die höchste Form von spaßiger Hintergründigkeit, zu der sich diese Art Weltbegriff hochschwingen kann, sind etwa die ‚drei kleinen Muscheln‘, oder dieses nette Apercu zu Schwarzeneggers Präsidentschafts-Schaft . Ansonsten ist diese Welterkennung einfach rundum schlicht mit sich einverstanden: wie es der Status Quo, der‘s im Sternzeichen der mentalen Reglosigkeit ausmacht,- immer ist. „Ihr müßt einfach ein bißchen dreckiger werden, an die Adresse der Hyperadretten, und ihr etwas sauberer“,- an die etwas luschig Verlotterten-: im Grunde nette „Land of the free“- Anarchist-Individualisten. Kann Lust auf ein gesundes BesäufnisKiffenundKloppen denn Sünde sein? Alles im richtigen Lot außerRandundBand und dann wieder klar auf der AndreaDoria: nämlich wie es in LA in den 19achtzigern war. Das bißchen Mord und Heroin und Korruption zeigt doch nur, das alles ist, wie es sich eigentlich gehört: wie es ist nämlich (‚Hegel‘sche Existenz als genügender Qualitätserweis des Realen‘). Die eigene Welt als das Höchste der Gefühle und des Möglichen. Ich kann gar nicht sagen, wie dämlich ich das finde, es entwaffnet mich geradezu in dem Ausmaß der Zugabe der frank und freien-, klipp und klar- schamlosen Totalaussage: „Ich bin ein kompletter Vollidiot + fühle mich völlig wohl dabei, + begehre auch im Mindesten nicht etwas anderes zu sein oder je werden zu wollen. Idiotie ist sexy !, und ich masturbiere für mein Leben gern so völlig-einverstanden + eins mit mir. Ich liebe mich, einzig wie ich bin, und was ich im Spiegel erkenne, ist ein großer Haufen Muskelmasse : + ich bete jedes Gramm darunter an. Und da Muskeln nicht denken können: fehlt auch nichts weiter, und was nicht für mich ist, wird wohl also gegen mich sein, + darf folgemäßig auf die Fresse gehört ham‘. Sei mir willkommen Welt – nur, verlange nie das Abitur von mir“. Und die Welt weiß, was (wie wenig) ich dabei vom Abitur halte. Aber selbst das dürfte zu erwarten zu hoch gegriffen sein.- Pyromanen können eine gewisse Qualifizierung der im Bilderstreifen vorgenommenen Feuerwerke vornehmen. Diese Bilder könnte man,- für den der drauf steht, im gewissen Sinne gelten lassen. Aber wohlweislich, was Arnold Schwarzenegger im Terminator (komisch-klugerweise) getan hat: niemals den Mund aufmachen,- um den Zauberkreis nicht zu durchbrechen! Das, SlyS. SS (dabei: wie schmuck und kleidsam übrigens an SS-Uniformen erinnernd),- das, Schweigegebot,- hast du bei weitem nicht chic genug gewahrt: „niemand kann fünf Minuten reden *in deinem Fall genügten fünf Sätze* ohne den Grad seiner Unwissenheit zu verraten“. „Oh hättest du geschwiegen...“ (und dich mit deiner demolitian-Mission begnügt).... aber „Auch, wenn du geschwiegen hättest....“ Alter Asterix-Witz (je gelesen?) .

                                Sly, Sly Stallone – auch wenn du dich in Hollywood beweg(te)st: ein gewisses Untermaß an kulturellem Bezug und Einbindung-, an zivilisatorisch-kognitivem Standard – und der hängt billig genug herunter- darf nicht unterschritten werden. Und ich habe Rambo noch nicht einmal zu mir genommen. Ich fürchte, es ist noch grausam übler als dieses. Man kann nicht mal lachen darüber: es ist einfach zu schlimm – dämlich und humorlos. Mensch Stallone – du bist auf dem Weg, einen neuen Standrad zu setzen und sprichwörtlich zu werden. Tu’s lieber nicht. Tu’s nicht. Du hast es -, jetzt 2011 wo ich schreibe, schon getan. Zu spät, dein Leben war. Ich hoffe, das Sportcoupe-Dasein war’s wert. Tropf.

                                PS was zum Theaterdonner had Sandra Bullock to do dans cette galeere? (in jeder Hinsicht fehl -)

                                • 7 .5

                                  Thriller, der versucht, Krimi und Physik zu vermischen.

                                  Wer vorschnell unter der Berufung auf die physikalische Unmöglichkeit der linearen Zeitabwicklungs-Umgehung (sprich Zeitreise) denkt, sich an Handlungsablauf- und -konstruktion der Spannung dieses Films vorbeimogeln zu können, begeht an sich einen schweren Tort.

                                  Natürlich ist diese Unmöglichkeit der Physiküberwindung reallimitierender Fakt. Aber nicht sie ist in erster Gegenstand der Dramatik des Plots.
                                  Gehen wir die Sache anders an.

                                  Haben Sie sich schon einmal gefragt, ob sie – wenn Sie sich oder Jemand sonst sich anders verhalten hätten,- viele Dinge anders gekommen wären? – Manchmal, bei ganz wichtigen Dingen, kommt man nicht umhin, sich diesen Gedanken anzugeben. Was wäre gewesen, wenn Georg Elser bei seinem Attentatsversuch auf Hitler bei dessen Auftritt im Hofbräu-Keller am 8. November ‘39 erfolgreich gewesen wäre? Oder Stauffenbergs Bombe am 20 Juli? – Was, wenn Kennedy damals nicht in Elmstreet abgebogen wäre? – Oder jemand zwanzig Sekunden vor der Kollision des Eisbergs jemand im Steuerhaus der Titanic diesen entdeckt und das Steuer herumgerissen hätte? – Wenn Sie jemals eine wichtige Person in Ihrem Leben verloren hätten,- was alles (meist zum Schlechteren) verändert hat,- denn nur dann, - wenn wir verletzt wurden,- rückt diese Frage in die richtige Dimension: wäre es verhinderbar gewesen?

                                  So gestellt ist die Frage noch eine der physikalischen Zeit. Aber eng daran gekoppelt – in unserer Herzgegend- erstreckt sich ein vages Feld von Vermutungen, die unseren Willen beeinflussen : wenn wir vor einer wichtigen Entscheidung überlegen, welche Konsequenzen sich jeweilig daraus ergeben,- wenn wir vorausdenken, - Zukünftiges vorerschaffen-, wenn wir später dann, vergleichen, das, was wir ausgemalt haben, mit dem, was tatsächlich daraus wurde,- denken wir dann manchmal nicht daran,- was geschehen wäre, hätten wir anders entschieden?
                                  Können von unseren Entscheidungen Leben abhängen, manchmal Wichtigeres, denn nicht immer ist uns unser Leben das Höchste? Hängen manchmal von unserem Wollen das Sein oder das Nichtsein der kostbarsten Dinge, die in unserem Leben eine Rolle spielen, ab?- Haben wir die Möglichkeit, mittels der entschiedenden Wichtigkeit unseres Tuns über Sein oder Nichtsein unserer Herzensdinge zu bestimmen? – Vielleicht banal : natürlich bestimmen unsere Handlungen unsere Zukunft. Aber wenn wir verletzt wurden, wenn furchtbare Dinge geschehen: haben wir die Kraft, Furchtbares zu verhindern, wenn wir uns genügend anstrengen?
                                  Können wir den Lauf der Dinge aufhalten? Können wir ein schreckliches Schicksal abändern? Lohnt es zu kämpfen, oder ist alles Kismet und Ergebung? Lohnt es, zu erwachen, und sich der Einmaligkeit des Augenblicks der Gegenwart zu stellen,- oder genügt es, Dienst nach Vorschrift zu machen und sein Leben abzuleben, wie zumeist? Theoretisch einfach? Warum dann praktisch so schwer und dermaßen selten? Warum bestehen fast alle Leben fast überwiegend ausschließlich nur aus Gewöhnung? Warum werden so selten freie Entscheidungen getroffen? Warum folgt immer eines aus dem anderen? Warum läuft niemand Amok und lehnt sich auf, gegen die Zwangsläufigkeit der Verpflichtungen? Warum k ä m p f t niemand?

                                  Doug hat es in der Hand: zwar wird nirgendwo gesagt, das er, als er vor den verstümmelten Resten der Leiche einer bildschönen jungen Frau steht, das es sich (anzunehmen) um seine zukünftige unversehrte Liebste,- Ehefrau und Mutter erst zu produzierender Kinder handelt ; aber vom ersten Moment an, als sie noch lange nicht lebt, knistert es bereits spürbar zwischen den beiden (und dem beifälligen Charme des Zuschauers). Diese Leiche ist beileibe nicht die einzige: der Film beginnt mit beklemmend realistischen Szenen im Vorfeld eines Terroranschlags. Frauen, Kinder, eine Marineeinheit, quicklebendige lebensfrohe Personen, viele Attribute, die es schwer machen, den Gedanken zu ertragen, das sie alle sinnlos sterben,- aus ihrer liebevollen Gegenwart mit Gewalt gerissen, gleich ermordet,- erschütternd: die Vorbereitung eines fast unerträglichen Schmerzes: das mitansehen zu müssen,- wird mitunter schon allzusehr voyeuristisch-akribisch ausgemalt; die ins Hafenbecken fallende Kinderpuppe,- der bald (das innere Geistauge sieht es) das Kind folgen wird,- zerfetzt zerrissen verbrannt – das alles läßt uns die Folgen menschlichen Tuns vor Augen führen und wünschen, das es eine Möglichkeit gäbe, dies Tun zu verhindern – oder zu ändern. Gäbe es eine Möglichkeit, dies schreckliche Attentat zu verhindern,- und die ganze Geschichte einen anderen Verlauf nehmen zu lassen?

                                  Zu Beginn des Films ist keine Rede davon. Etwas Gräßliches ist passiert, als Special Agent Doug(las) Carlin zum Tatort gerufen wird,- Mimik (v. D.Washington) und unterlegte Musik lassen einem wirklich das Blut in den Adern gefrieren und den Zuschauer mit dem Geschehen verschmelzen: sein Wissen um die Tatsächlichkeit solch vorkommender Dinge läßt ihn eine freiwillige Empathieleistung erbringen und mitfühlen. Für einen Augenblick lassen wir die Nähe der Opfer,- die es in der Welt um uns herum und in der Geschichte zu wechselnden Zeiten wirklich gibt, an uns heran. Wer sich vor der Beklemmung erzeugenden Wirkung der ersten Film-Einstellungen wirklich entziehen kann,- sollte sich überlegen, warum er überhaupt ins Kino geht,- denn, wenn ein Illusionist seine Sache wirklich gut macht, sollte man bereit sein, seiner Kunst Entgegenkommen – und Anerkennung zu zollen. Die Anerkennung des Zuschauers besteht darin, das er sich täuschen l ä ß t ; das er sich gefangennehmen und an der Hand dessen, der ihn führt, in die Fiktion hineinnehmen läßt. Macht der die Sache schlecht, kann man immer noch eskapieren. Ich denke aber, ein jeder
                                  wird bereitwillig zugeben, daß das Eingangsszenario, das Tor des Films, gelungen und beklemmend ist.
                                  Außerdem ist es von Jerry Bruckheimer. Der Mann mag ein Filou sein, aber er ist ein Profi; und wenn er ja sagt,- kann man darauf schon etwas geben. Sagen wir also (geben Sie’s ruhig zu), dieser Einstieg ist gelungen.

                                  Die übliche Szenarioentwicklung in gewohnten Bahnen, Tatortuntersuchung, Geschehnisrekonstruktion etc. geht so lange gut,- bis Doug Carlin, der seine Spürhundqualitäten genügend unter Beweis gestellt hat,- außerplanmäßig zu den Ermittlungen einer Sondereinheit zeitweilig hinzugezogen und in eine große mit technischem Inventar vollgestopfte Halle geführt wird, wo ein Halbdutzend Männer (und Frau) vor einer Bildschirmwand hocken.
                                  - Abgekürzt : Doug sitzt in der Steuerzentrrale einer zeitprotokollierenden neuartigen Überwachungseinheit, die erste kriminalistische Gehversuche startet.
                                  Wir sparen die rudimentär versuchsweise angeführte wissenschaftliche Hintergrundbegründung des Vorgangs, der von energieintensiver Raumzeitkrümmung mittels Wurmlochtechnik – praktisch durch einen gefalteten Hyperraum hindurch- in der Lage sein soll (aber auch nur dazu: ) - optisch zu verfolgen, was vor genau vier Tagen oder 96 Stunden (auf diese Zeitdifferenz ist die Maschine justiert) geschah. Kein Eingreifen, kein Vor- Und Zurückspulen: nur Universalität des etwa stadtgroßen Schauplatzes, denn : nur in einem begrenzten Radius um den Aufstellungsort des aufwendigen technischen Geräts herum (und einem enormen Energieaufwand, der auch schon mal halb Kalifornien bei Kurzschluß flach legt) lassen sich Ereignisse in diesem Zeitkegel beobachten – ohne Möglichkeit des Eingreifens (denken die Betreiber, bis dahin).

                                  Dougs Spürnase, die zeigen soll, wo zu suchen ist,- bewährt sich. Wir sprachen schon von der Leiche der Zukünftigen. Doug wurde auf sie gestoßen, bevor er zur Techno-Truppe stieß: sie starb, als vorgetäuschtes Unglücks-Opfer,- bereits vor der Tat,- müßte also womöglich zum Täter,- wenn dieser auch die Fähre sprengte, führen können – und ist die heißeste vorhandene Spur. Doug und Crew also beobachten die junge Schöne in ihrem Heim (dabei kann man ihr, wir sind schließlich im Kino, auch schon mal beim Duschen zusehen) in der Hoffnung auf einen Hinweis – und der Täter ruft an.

                                  Er will ihren alten Geländewagen kaufen, den er mit der vorbereiteten Bombe an Bord der Fähre parken will. – Wir brechen die genauere Ermittlungshistorie hier ab: sie tut, so gut sie gemacht ist, nichts zur Sache, - denn die ist im Grunde,- neben dem Jagdinstinkt gegen den Täter, die zart sich anbahnende Emotionsfokussierung des Special Agent an die junge, in dieser Rekapitulation der Vergangenheit noch quicklebendige Frau; und sie ist ergreifend schön, lieb und nett,- und ein Jammer, wie der Täter es tat (in einigen zwei Tagen und x Stunden tun wird)-, sie mit Diesel zu übergießen,- ihr die Finger der rechten Hand (warum nur?) mit einer Gartenschere abzwacken-, und in Brand stecken wird. – Aber noch ist von all dem nichts zu sehen, denn, obwohl sie tot ist (und mittlerweile schon ihr Begräbnis mit selten schöner Grabrede von Gottes macht über die Zeit und die Ereignisse erfolgt)- ist sie doch lebendig: Doug sieht sie agieren – in lebendiger Vergangenheit. Doch etwas irritiert ihn, und das ist, das sie irritiert ist. Sie fühlt sich unsicher und notiert in ihrem Tagebuch, das sie sich beobachtet fühlt – Doug ist der einzige, der spürt, das sie spürt, das aus der Zukunft her sich Augen auf sie richten,- obwohl sie in der Gegenwart keine entdecken kann,- eine Möglichkeit, welche die anderen Teammitglieder als „technisch unmöglich“ kalt läßt.

                                  Es kommt, wie’s kommen muß. Doug, sich mit der Ohnmacht nicht abfindend, setzt durch, das der versuch gestartet wird, ihn per winzigen Handzettel, der in die Vergangenheit teleportiert wird, zu warnen. Der Versuch gelingt gleichzeitig und doch nicht. Der Zettel kommt an, wird aber von einem Kollegen abgefangen, so das ihn Doug – in der Vergangenheit- niemals zu Gesicht bekommt. Alles, was er sah, war eine mysteriöse Nachricht am Klemmbord der jungen Frau in ihrer Wohnung, als er den Tatort untersuchte: viele blutige Mullbinden lagen dort im Abfalleimer des Badezimmers: „U can save her“. Als er den merkwürdigen Satz bei den Erstermittlungen las,- stutze er; eine Botschaft? Unmöglich – wird eben alles erst von einer bestimmten Perspektivensicht auf die Dinge nur. Die Dinge, in ihrer Existenz, sind nicht unmöglich: unser nachvollziehen-scheiterndes Verständnis ist es. Dinge sind nur unmöglich in unserer Vorstellungskraft: in Wirklichkeit sind sie oder sind sie nicht. Und wenn sie nicht sind, sind sie gar nicht; spurlos; nicht vorhanden. Im Grunde gibt es wirklich nur die Dinge (oder das eine Ding), das ist. Der Rest ist interne Angelegenheit des menschlichen Geistes – erinnern Sie sich? Falsche Dinge – und falsche Entscheidungen – macht erst der Mensch möglich und borgt ihnen eine Schein-Existenz. Und ach, könnten wir doch die falschen Dinge vermeiden...
                                  (ganz so abstrus ist die innere Wahrheit des Films eben doch nicht . Sogar sehr, unabstreitbar,- plausibel. Nur die Physik ist krude,- aber ich denke nicht, das der Produzent die Copley-Medaille gewinnen wollte).

                                  Also, sandte eine nachricht (an sich selbst bereits in die Vergangenheit,- welche ihn verfehlte. Er weiß auch, das eine mysteriöse Verbindung zwischen den Zeitebenen herrscht; denn sie bemerkte ihn resp. einen Lichtstrahl, den er ihr die energieaufwendig aufrecht erhaltene Raumzeitkrümmung entlang zusandte,- worauf in der Stadt kurzfristig die Stromversorgung zusammenbrach. Immerhin weiß er nun über die wahre Natur des Experiments, an dem er teilnimmt, Bescheid. Und sie rücken dem Täter näher auf den Pelz: bei einer Verfolgungsjagd per Auto, bei dem der Hummer, der von Doug gesteuert wird, per Mobilem Zeitverfolgungs-Gerät (einer Art Taucherbrille,- wirklich süß), folgt ein Auto in einer zeitversetzten verfolgungsjagd einem anderen – das dieselbe Strecke vier tage zuvor zurücklegte. Die Spur führt, deswegen die Mobil-Version, außerhalb der eigentlichen zuständigkeit des zeitkegels (der stationären Maschine), das beschert uns eine selten gesehene Autocrash-Szene nach der anderen. Aber immerhin mit Erfolg: Doug spürt den Stützpunkt des Täters außrhalb der Stadt auf – eine (in der Gegenwart verlassene) Alligatorfarm am Flußufer (der Mississippi vermutlich, da die Stadt New Orleans ist). (Das führte übrigens dazu, da Cathrina wenige Zeit vor den Dreharbeiten hier durchfegte, das die Filmcrew einige möglichst geschickt getarnte Szenen der verwüsteten Wohngegenden – welche ein impressives Drehortgelände abgaben,- in den Plot mehr oder weniger angeflickt,- einfügte.).

                                  Dieser Zweitwohnsitz des Täters tauchte demzufolge dann auch nie wieder auf. – Aber der erste gehörte wohl von Anfang an zum Drehbuch: und dort entwickelt sich nun handlungsrelevante Evidenz. Zur zeit (welcher nun) – der „Zukunfts“-Gegenwart – ist das Haus eine Ruine und leer; nur Spuren einer Benzin-Verbrennung auf dem Betonboden der Garage zeugen von schrecklichen Vorgängen. Bald darauf wird der (militärisch-verwirrte) Terror-Attentäter, der glaubt im Namen der Freiheit zu handeln, nach einer wild angedeuteten Verfolgungsjagd per Luftkissenfahrzeug über die Bajous, geschnappt. Beim Intim-Verhör durch Doug kommen kryptische Dinge über Gut und Böse zur Verhandlung. Denn, das Wichtigste ist ihm, dem Täter bereits gelungen: das Attentat hat stattgefunden,- das Böse ist existent. Doug protestiert; er will, daß das Böse nicht existent ist; er will es verhindern. Er sieht, das eine verbindung zwischen vergangenheit und Zukunft besteht, denn, die junge frau, in der er längst (weiß er es?) heimlich verliebt ist, liegt ihm am Herzen; er kann ihren Tod (der in der vergangenen „Gegenwart“ erst bevorsteht) emotional nicht akzeptieren. Ist das nicht schön? – die Konstruktion dieses Plots? - Es kommt, wie’s kommen muß: noch zwölf Stunden rücken die vorhergehende Vier-Tages-Frist vom Erreichen des Katastrophen-Eintrittspunktes heran, als Doug, aus dem Future.Projekt nach Dingfest-Machung des Täters bereits wieder ausgesondert,- einen gewonnen Überzeugungs-Freund aus dem Projekt für seinen klammheimlich nnach feierabend ausgeführten Plan gewinnt (die Büro-Angestellten gehen um fünf nach Hause wie in einer Verscherungs-.Rentenanstalt): und Doug nimmt in der Teleportatationskammer , die von den Erbauern der Maschine wohlweislich bereits vorgesehen wurde,- Platz, um sich diesen Zeitraum – dreieinhalb Tage nach dem Attentat,- einen halben vor ihm,- zurückversetzen zu lassen,- eine philosophisch verzwickte Angelegenheit, an deren logische Konsequenz (so entsteht zum Beispiel der doppelten Anwesenheit seiner Person, einmal wissend, einmal unwissend, in der „Verrgangenheit“),- man besser nicht allzuviel nachdenkt. Als Auftauchensort wurde die Intensivstation eines Krankenhauses gewählt; da der „EMP“ eine Wiederherstellung des elektrischen, durch die Zeitreise „abgeschalteten“ Nervenapparates der biologischen Einheit „Mensch“-Doug, verlangt. Die Reanimation gelingt programmgemäß; wenige Minuten später macht sich ein sichtlich erfrischter Doug auf den Weg, das Schlimmste im Eintritt des Lebens seiner jungen Frau – und fünfhundertvierunddreißig Terroropfer, die noch nicht wissen, das sie sterben werden (im Gegensatz zu ihm,- zu verhindern.
                                  (zugegeben, an dieser Stelle wird der Plot etwas sehr riskant) und erreicht die dünnste Nahtstelle des Films). Denzel Washington spielt souverain darüber hinweg.

                                  Als Special Agent mit Zukunftswissen ausgestattet weiß er um die Unterschlupffarm des Täters; er verschafft sich (wir sind in Amerika) ein Schießeisen und rast mit Krankenhauskilt und einem Rettungswagen ungehindert quer durch New Orleans, mäht das Gartentor nieder krachend in die Garage,- und hindert den gerade die Gartenschere ansetzenden Täter daran (denn sie hat ihm eben eine tiefe Kratzspur mit ihren Fingern durchs Gesicht verpaßt, woraufhin diese blutig – von seinem Blut, das ihn identifizierbar machen könnte – ist),- sein Vorhaben auszuführen Es kommt zur spontanen Schießerei (denn wir sind in Amerika). Aber: zum zweiten entscheidenden Mal (nach dem Auftauchen der teleportierten Nachricht) wurde erkennbar ein in der Zukunft mündender Handlungsstrang – Ende einer Kausalkette – durchbrochen – und diese v e r ä n d e r t .
                                  Als er, der Täter flieht bereits gen Zündungsort der Bombe,- seine – immer noch lebende, mit Benzin übergossene, dem Tod entronnene, relativ unversehrte Braut birgt und von den brennenden Trümmern des explodierten Barackenhauses fortschleppt,- kommt es zu einer ganz kurzen ergreifenden Bildeinstellung im Film: ihre Hände,- die er auf ihre Brust legt,- sind ganz und heil, die Rechte ist unverstümmelt – ein Anblick, dem sich wohl kaum ein Zuschauer ergreifend entziehen kann.

                                  Ab hier ist alles möglich. Vertrauen wächst schnell, und so schafft er es, seine völlig irritiert- verstörte,- eben noch Todesangst ausgestandene befreite davon zu überzeugen, das er „der Gute“ ist. Zu (glaubhaften) Erklärungen ist keine Zeit; er erklärt ihr, das ein zu verhinderndes Attentat in etwa anderthalb Stunden ‚Entfernung‘ stattfinden werde. Alle teile des zuvor aufgebauten Puzzles stürzen nun in einem riesigen Domino-Efekt zusammen und nähern sich dem endgültigen Höhepunkt :der möglichen Rettung der Fähre vor dem Anschlag?-

                                  In der Wohnung der Frau wird Doug’s Schulterdurchschuß – der günstig völlig schmerzfrei zu verlaufen scheint - verarztet. Die blutigen Mullbinden im Abfalleimer enthalten sein Blut. Die Fingerabdrücke „überall in der Wohnung“,- die ein Ermittlungsbeamter (nach Dougs Ersterkundung der Opferwohnung) im Zuge des Routineprozederes fand,- stammen von dieser Gelegenheit. Im Vorübergehen ordnet Doug selbst die verstreuten Magnet-Buchstaben der Klemmtafel zur später mysteriösen Nachricht an sich selbst an: „U can save her“. Dann aber: a man has to do what a man’s got to do. Die Polizei ist eh unnütz, noch eine Stunde bis zum Attentat,- bis die „den Vorgang aufgenommen haben,- ist längst alles vorbei“. Doug muß da wohl selbst durch,- und
                                  -kurz gesagt, er – oder vielmehr sie beide, dennn die junge Frau ist emanzipiert und begibt sich auch noch unnötigerweise in Gefahr - schaffen es, gemeinsam (Sie haben zweifellos nie daran gezweifelt) was sie im Übrigen noch näher aneinander bringt (denn sie hat mittlerweile mitgekriegt, während er ihr vorsagte, was die anrufende Freundin gleich auf den Anrufbeantworter sprechen wird,- das er ein wenig ‚magisch‘ strukturiert ist.). Kurz, sie braucht nicht lange zu kapieren,- der Täter allerdings auch nicht. Als der mitkriegt, das sein erster Plan gescheitert ist (wo Doug um sein Zukunftswissen einen gewissen Standortvorteil gehabt hätte),- ändert er ihn und denkt sich flugs eine neue Variante aus, um sein Ziel auf anderem Weg zu erreichen. Die Fähre ist immer noch in Gefahr, wenn auch der „erste“ Anschlag nicht mehr stattfinden wird. Aber wird ein anderer, ein „zweiter“,- stattfinden?-
                                  Der Täter befindet sich nunmehr an Bord und bewacht sein Bombenfahrzeug; offenbar ist er bei Fundamentalisten auf die Grundschule gegangen oder hat einen Fortbildungskurs in Selbstmordattentaten „Wie mache ich es richtig“ besucht. Die junge frau wird gleich kassiert und wie ein Bündelchen verschnürt neben der Bombe plaziert. Alles umsonst? Läßt sich die wesentliche Zukunft doch nicht ändern? – Ein Statist kommt gerade wieder zur rechten Stelle; dank sei Hollywoods Requisitenkammer,- in der immer einer über ist,- mit Fährpersonal-Uniform bitte. Die kurzzeitige Ablenkung des Schieß-Tods wird von Doug benutzt, stilvoll in die Situation zu grätschen,- wird aber auch Zeit, nur noch wenige Sekunden.
                                  Keine Zeit für lange Erklärungen,- nachdem der verrückte, nicht nur unsympathische Militäro (übrigens ein durchgeknallter, offensichtlich nazi-verehrender Weißer) endgültig elimniert ist,- Dutzende anschlagender Pistolenbeamter die tickende Autobombe umstehen und zur Aufgabe auffordern,- noch dreißig Sekunden,- stürzen sich die beiden – „Gas geben!“ mitsamt Autobombe, Kleinwagen kickend, von Bord,- absaufend,- er befreit sie von ihrer Lenkrad-Fessel,- die Fähre bügelnd obendrüber,kochendes Wasser,- ein furioses Finale, tolle Aufnahmen!,- entkommt sie durch ein Loch in der Windschutzscheibe, während er noch das Problem seiner duplizierten Anwesenheit durchdenkt und glänzend löst. (wie könnte er denn sonst auch dieses Schlupfloch nicht finden,- kurz er -, und sie denkt, er- ertrinkt. Was sie noch nicht weiß, ist, das die Zeit immer ein As im Ärmel hat.

                                  Sie wird, „irgendwie in die Angelegenheit verwickelt“, aus dem Wasser gefischt, und zur späteren Vernehmung in irgendeiner Ecke zum Trocknen aufgehängt. Alles soweit besser als zuvor, die Bombe platzte unter Wasser,- die Fähre relativ unversehrt, die Menschen heil und gerettet ihrem eigentlichen Schicksal entkommen, ohne das sie etwas von ihm geahnt hätten, ihrem Tod, die Absperrgitterumklammernde greise Mutter, die in der Erstversion der gräßlichen Handlung mit ihrer Verzweiflung „wo ist meine Tochter? Meine Tochter war an Bord!“ alleinzulassen war,- nun kann sie sie in die Arme schließen,- die Kinder gehen unversehrt von Bord,- das mag süßlich scheinen, ist es vielleicht aber nur den Fatalisten, die ein hartes Schicksal gelehrt hat, an es zu glauben. Alle anderen könn(t)en Hoffnung schöpfen und ein gewisse Zuversicht und Handlungslust verströmen, vielleicht sogar Glück über ein abgewendetes Unglück, das zu verhindern gelang,- verspüren.
                                  Und denken: man kann gegen die unglückliche Zeit etwas tun. Man kann das Böse abwenden, wenn und indem man handelt: den Lauf der Dinge zu verändern. Banal? Der Film zeigt, das es banal ist, nichts zu tun, und den Dingen ihren Lauf zu lassen und sich ihnen hinzugeben. - D a s ist das Fanal.

                                  Nur sie ist natürlich tränenüberströmt. Sie hat gehandelt und was hat sie davon? Ihr Liebster ist tot, ersoffen, explodiert. (Sie hat noch nicht realisiert, das sie sonst demnächst eine echt schwere Entscheidung, zwischen zwei Männern, treffen müßte),- aber wie Menschen so sind: noch, in ihrem Unglück beweint sie, was eigentlich ihr Glück sein müßte. Ihr Retter, ihr Held, ihr Symphat mit mysteriosem Zorro-Effektappeal – und so sexy bepackter Oberweite (Körbchengröße?) (- schließlich mußte sie ihn ja verarzten,- und hatte er sie zum Abschied nicht einmal auf den Mund gestippt-küßt?)- nun sie sitzt also zurückgelassen übriggeblieben mutterseelenallein /doch Tatsache lebendig/ mit unverständigem Interna-Wissen über eine abgewendete Katastrophe – da... kommt wer als Vernehme-Beamter auf sie zu? Sie faßt es nicht, dumm aber glücklich, und nach all der Aufregung darf man sich ja auch ein Päuschen des Herunterkommens gönnen: und glücklich vereint (es hat wieder sofort gefunkt, diesmal bei ihm, der sie ja zu diesem Zeitpunkt noch nie gesehen oder irgendetwas je von ihr gehört hat – im Zuge zukünftig ausfallender Nicht-Ermittlung, da sie ja als Leiche nicht vorliegt),- und bald darauf vereint im Auto – Heizung angemacht „gleich wird Ihnen warm“ – stellt nunmehr sie ihm die Schicksalfrage, die sein Alter Ego wenige Stunden zuvor ihr gestellt hat: „Wenn etwas sehr Unfassbares sehr sehr wichtig wäre zu verstehen,- würden Sie es glauben?“ „Ich würde es versuchen“. – Gleiche Antwort wie zuvor, die zwei verstehen sich.

                                  Nun können die beiden aber wirklich in Ruhe in die Flitterwochen fahren, und der Zuschauer mit ihnen. „Es ist vorbei“. Aber es war schön; ausgezeichnet; und spannend. Und die Physik, sie tut hier wirklich nicht das Entscheidende zur Sache, sie ist bloß Mittel zum Zweck. Seien Sie kein Buchhalter! Sie bringen sich bloß um einen günstigen psychologischen Effekt und Standortvorteil und um einen Thriller der Sonderklasse,- wenn sie das herausbügeln. Die äußere Wahrheit mag bullshit sein; aber die innere, als Metapher, stimmt. Glauben Sie es nur.

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                                  • 8 .5

                                    Befriedigt stelle ich fest, das in den Reviews der Zuschauer in der Regel der Film die gebotene beeindruckende Resonanz gefunden hat. Auch Anthony Hopkins wurde gebührend gewürdigt. Zwar wird nicht immer klar, warum dieser Film so gut ist, aber wenigstens vermag die Dampfhammer-Pressgewalt das Zimmertürchen des geistigen Boudoirs des Publikums doch einen Spaltbreit aufzuzwingen. Immerhin.

                                    Äußerlich geht die Geschichte – seht sie euch gefälligst selbst an – um die psychologische Beihilfe eines einsitzenden Serientäters, die Mordreihe eines aktuell wirkenden, zu identifizierenden Killerkollegen zu beenden und sein letztes Entführungsopfer rechtzeitig lebend zu konservieren. Gemäkelt wurde von Zuschauerseite wie immer an fast allem (um schließlich doch eine widerwillige Beeindrucktheit durch die filmische Umsetzung zuzugeben): das zum Beispiel ausgerechnet ein weiblicher FBI-„Azubi“ zur Rekrutierungs-Animation des Profitäter-Altmeisters losgeschickt wird...
                                    in Wahrheit fügt sich das alles natürlich psychologisch stimmig. Begabung ist entweder da oder nicht da und wo nichts ist könnte auch nichts aus- oder weitergebildet werden. Offensichtlich ist Clarice -Jodie Foster durch ihre grundlegende Persönlichkeit gerüstet genug, um das Duell mit dem Psychopathen gedeihlich aufzunehmen. Und so beginnt sich ein faszinierendes Puzzle aufzubauen.

                                    Selbstverständlich ist ein dem Allgemeinpublikum verständlicher-, es in seinen Spannungsbann ziehen sollender Film nicht geeignet, den >wahren Untergrund< einer Kannibalenbestie aufzudröseln. Natürlich bleibt Hannibal Lecter, durch die Darstellung Hopkins‘ (der eine dankbare Rolle hatte), eine mittlerweile zur Ikone aufgerückte Metapher in der Symbolisierung eines sonsthin auf weite Strecke verschollenen Bösen. Im Grunde ist er nett. Er erliegt dem Charme der kühlen selbstbewußten Gerad- und Furchtlosigkeit der jungen Fast-Agentin mit den wahrlich starken Nerven genauso wie der Zuschauer, verguckt sich offenbar ein bißchen, und schenkt ihr zum Abschied ganz ohne Grund sogar Beruhigendes per Telefon: „Besuch auszufallen. Welt interessanter mit ihnen.“ Wie, gesagt, nett von ihm. Nein, er ist nicht wirklich schauderhaft. Er hat ordentlich mitgeholfen, lächelt über ihre fiesen Tricks, ihn zur Mitarbeit hereinzulegen,- und ist seinerseits fies nur zu anderen – den berühmten Hollywood-Statisten, die ja bekannterweise nicht von menschlichen Eltern sondern Drehbuchschreibern stammen, welche ihr Publikum, das ebenso dubioser Herkunft sich rühmt, zu amüsieren und animieren wissen. Ein Bösewicht, der nur eben immer anderen was tut, ist schon gradweise wirklich wieder zu ertragen. Und das wird der Zuschauer ja auch brauchen, soll er denn im Sessel andererseits sitzen bleiben. Hannibal Lecter ist also ein Versuch, dem Bösen vom sicheren Hochsitz aus bei seinen Unternehmungen zuzuspähen, ohne selbst auch nur – hinter zentimeterdickem Panzerglas mit Lüftungsbohrungen gesichert – in Gefahr des Handlungseinbezugs hineinzugeraten in allzu hautnahen Kontakt – auf Messers Schneide.

                                    Nun sehen wir uns den Bösewicht mal etwas näher an. Kein Kettensägen-Massaker sprotzt herum: Angst wird dubioser erzeugt. „Gehen Sie auf keinen Fall zu nah an die Scheibe. Nur weiches Papier. Sehen Sie, was er der Krankenschwester im kurzen Augenblick getan hat (Zunge). Sein Puls ging in keinem Moment über 85. Der da hat sich umgebracht. Er hat nur mit ihm geredet.“- Mythisch dubiose Fernwirkungen fast schon newtonsch‘-biblischen Charakters. Die Gesichts-Ledermaske, mit den dekorativen Spangenzähnen wie ein zugenähter Schrumpfkopf. Die pomadisiert angefettet geklebt liegenden Haare. Hopkins irrintelligenter Blick,- andererseits hätte er BrunoGanz‘ Rolle in >Brot und Tulpen< a loce bella Venecia glaubwürdig übernehmen können.- Die sonore schneidende kalte unbewegte Stimme. Eine wahrhaft flamboyante Darstellung: phantastisch. Diesem Lecter mag man nicht einmal im Film wirklich geheuer begegnen – nun stellten Sie sich das Ganze in Wirklichkeit vor. Und dort gab es Schlimmeres. Fragen Sie das jüdische Volk; es hat das Furchtbarste gesehen, und erlebt, und ist immer noch weitgehend stumm. Wer das Grausamste erlebt hat, muß nicht unbedingt dabei gewesen sein, manchmal wurde nur die Zunge bewahrt, und der Rest verfiel dem Wahnsinn oder war nahe daran. Fragen Sie Nelly Sachs, dies zarte jüdische Mädchen, oder Kafka.

                                    Aber bleiben wir bei der anderen Seite der Medaille, bei den Hannibal Lecters. Manchmal hat selbst Otto Normalverbraucher das Bedürfnis, sich mit den üblen Seiten der menschlich abgewandten Seite des Mondes zu beschäftigen. „Ach ja, da gibt es doch das Böse...“ schauen wir einmal, uns ist so gruselig heute. Und dann kommen so Filme zustande. Immerhin, ich klage nicht: man muß nehmen, was man kriegt. Und besser wenig als gar nichts. Immerhin ist das Thema präsent.

                                    Ab und zu beschäftigt sich also der alltägliche Geist mit dem allzu Unrechten, was so vorgeht und passiert auf der Welt. Das wird dann eindrucksvoll präsentiert. Ich meine damit nicht die Leichenbeschau und Photos teilabgehäuteter Opfer, oder herzhafte Bisse ins Gesicht und blutverschmierte Münder, und abgezogene Gesichtshaut-Masken, um unidentifizierte geheime Fluchttunnel zu ermöglichen aus einem Heer von Beamten, die unglücksseligerweise im Behandlungszimmer selbst, das zwei alternden Beamten im Ruhezustand überlassen wurde, welche schläfrig das Wunschdinner zu servieren haben,- rechtzeitig fehlten (jedoch zum Glück für den programmgemäßen Ablauf des Drehbuchs). Tja meine Herren, Pech gehabt. Mit Drehbuchschreibern ist eben nicht zu spaßen. Haben Sie das Unglück, ein Hollywood-Statist zu sein,- um so beklagenswerter für Sie. Aber seien Sie ruhig: es tut nicht weh. Nur in Wirklichkeit, aber dort befinden Sie sich Gottseidank ja nicht, sondern in Hollywood.

                                    Immerhin versucht auch ein Filmteam, zwecks Reizung des zuschauerlichen Geldbeutels (u.a.) einen guten interessanten spannenden Film abzuliefern. Hat es ja auch. Erklären wir doch einem Colosseums-Publikum, warum es an seinem Tun Geschmack findet. Das es ablasse? Iwo, never change a running system. Aber zu fürchten ist nichts: wie Harry Potter sagt: etwas wissen zu tun und etwas tun wissen sind zwei ganz verschiedene Paar Schuhe. Und so braucht niemand in und um Hollywood Angst zu haben, auch wenn das Geheimnis versehentlich gelüftet würde. Ein Publikum ist erstaunlich resistent. Es würde sich kaum aus dem Sessel erheben, wenn die Wirklichkeit aus dem Bildschirm in seinen Fernsehraum hineinschwappte. Seine letzten Augenblicke wären wahrscheinlich unbeeindruckt einem: „jaa, wahrhaft grandios, wie echt!...“ geschuldet. – Aber nun zurück.

                                    HannibaL, der hochdekorierte Bösewicht, den alle nur mit Dr. Lecter anreden (die Etikette!) genoß seine Leber mit Favabohnen und einem ausgezeichneten Chianti, und, als intimer Kenner des Bösen Manitou, wäre er durchaus in der Lage, die entscheidenden Hinweise zu geben. Aber gar so leicht spielt er nicht gerade mit Katze und Maus. Die Probandin soll sich gefälligst schon etwas anstrengen, um sich die Sporen in die Weichteile zu verdienen. Nur durch absolute wahrheitsgemäße Offenheit – Quid pro Quo- kommt man der Sache, Zahn um Zahn, auf den psychoanalytischen Grund. Und dieser mysteriöse Titel? ‚Schweigen der Lämmer‘? Die zuschauergerechte hausbackene Biederkeit des zurechtdomestizierten Bösen in der Kultiviertheit der Frankenstein’schen Dichterakademie kommt wieder recht eigentlich zu Ausdruck: schließlich wird hier das mittelkindliche Trauma des „Guten Menschen“ durch den Absoluten Herrscher des Alternativreiches bloßgelegt. Auf der Farm wurden Lämmer geschlachtet. Das flüchtige Kind versuchte eines zu retten –vergeblich. Nun wird es immer wieder einmal vom halluzinierten Schreien der Lämmer durch die Jahrhunderte aus nächtlichen Alpträumen hochgeschreckt – und versucht statt dessen ebenso verlorene Menschenseelen zu retten, um sich zu absolvieren. Soviel zu den Guten, wozu Hannibal befriedigt nickt. Diese Erklärung genügt ihm und findet sogar offensichtlich seine Zustimmung. In einem anderen Leben hätte er genauso gehandelt. Das Schicksal wollte es nun nicht so, aber es gibt wenigstens Wahlverwandtschaften. Sie muß dem Tiefsichtigen dann versprechen, wenn er ihr zum Profi-Durchbruch verhilft, zu berichten, „ob die Lämmer nun schweigen“. Als einzige letzte Gegenleistung. Das Märchen mit der Milzbrand- Ferieninsel hat er ihr sowieso nie geglaubt (und auch nicht krumm genommen). So nett sind die Menschen.

                                    Aber bis zur Erlegung des Jagdziels ist es weiter ein bißchen hin, Clarice-Jodie hat schon noch einiges durchzumachen. Keine Bange,- in Hollywood ist es nie niemals ernsthaft erschütternd zum Fürchten, nur kitzelig,- alles geht schon glatt, Ende gut, alles gut. Der Täter läuft also immer noch frei herum und drangsaliert sein Opfer, von beklemmender Welt-Abgeschiedenheit, absoluter Macht anheimgegeben,- wie man es zuletzt in der Ledermaskengefangenen-Szene im Keller des abgefeimten Musikalienhändlers in PulpFiction gesehen hat (wie gesagt, in Hollywood ist man einiges durch, an Abgebrütheit, man sieht die Realität förmlich fadenscheinig durch-, die Hand aufs Kinn gestützt,- grübeln). Nichts Neues unter der Sonne-?

                                    Im Keller, ein tiefer trockener Brunnenschacht, darin das terrorisierte Opfer, derweil sein transvestitperplexer Täter aus Opferhäuten sein Kostüm sich näht. Kranker geht’s nicht. Doch geht es. Aber daran wagen wir den Zuschauer nicht zu erinnern, er könnte sonst den Spaß verlieren oder mißverstehen. Schließlich müssen wir erst noch das aussichtsreiche Happy End zustandekriegen, damit der Zuschauer auch heute Nacht wieder ruhig einnicken und den Schlaf der Gerechten träumen kann. – Das Opfer will also befreit sein. Jodie, durch ihren echten Schafsinn geschärft, spürt im Alleingang den hypernervösen und gefährlichen und ernsthaft gestörten Triebtäter auf. In dunklen Kellergrüften kommt es zum Showdown. Nachtsichtgerät und Wumme versus. Knallbeng. Ente tot, alles tot, die Polizei backt eine Hochzeitstorte zum bestandenen Proletariat. Gesellenmeisterstück, Abschlußnote: 1a. Der wortkarge Gentleman-Chef, fast so wortkarg wie die gewaltig griechische Jodie von der marmornen Statur einer unterlegenen Göttin, verabschiedet sich ob des ihm ungelegenen Trubels. Im Händedruck liegt wohl so etwas wie eine von Hannibal angedeutete Kopulation , ähnlich dem seinem einen zärtlichen Fingerstreich, bei Übergabe des Dossiers, aber das ist nun wirklich selbst für so abgebrühte Typen etwas zu vage.
                                    Am besten gefällt mir die Abschiedsszene des Films: Haiti, für diejenigen die es nicht wissen wollen (eine verborgene Hommage des Regisseurs). Des rührend besorgten Hannibal Lecters Lieblingsfeind, sein sadistischer, profilsüchtiger, schleimiger Gefängnisdirektor-Vorgesetzter, der sich in acht Jahren wirklich ein redliches Hühnchen zusammenverdient haben mag,- kommt gerade recht zum Abendbrot vom Flughafen, leicht nervös, was es wohl serviert geben mag, ins Unterschlupfdomizil, Hannibal, locker, immer in unserem Sinn auf Gerechtigkeit bedacht, schlendert hinterdrein. Der Rest wird nach bewährtem Muster der Phantasie des Zuschauers überlassen.
                                    Keine Sorge: so schlimm, wie Sie es sich vorstellen, wird es schon nicht werden. Dafür wird Hollywood sei gedankt schon gesorgt. Mahlzeit.

                                    Nur vor einem nehmen Sie sich in Acht:
                                    Hannibal Lecter könnte fast schon nicht mehr zufällig ein Deckname einer dem Autor bekannten wirklich lebenden Person sein, nur das diese nicht einsitzt, und die ich schon seit Geraumen beobachte. Trügliche Zeichen verdichten sich dahingehend, das diese halbverborgene Existenz ein konkretes Ziel ins Auge gefaßt hat, auch wenn meine Bemühungen bisher gescheitert sind, ganz Genaues über ihr aktuelles Vorhaben in mitteilungswerte Nähe zu bringen,- konkret und beweiskräftig genug, die Polizei zum Einschreiten zu bewegen,- so halte ich es doch für an der Zeit (da zuviel auf dem Spiel steht und das Wohl nicht nur von Einzelpersonen betroffen ist) - meine allgemeine Warnung auszusprechen und die bisher gemachten indirekten Ergebnisse mitzuteilen. Dies ist alles andere als ein Witz und ein ernstgemeinter Rat. Er lebt, zeitweise, nicht so fern wie ich zuerst dachte von hier (die Liste seiner Aufenthaltsorte mit zeitlicher Verweildauer folgt) und nennt sich mit Namen

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                                    • 9

                                      Es dürfte sich ja wohl mittlerweile herumgesprochen haben, das ein Film von Terry Gilliam nicht unbedingt gerade der ist, wo ein Durchschnittsbesucher von Spider– oder Superman einkehren sollte. Ohne Zweifel schafft dieser begnadete, ja mittlerweile wohl legendäre Regisseur Kunstwerke, die exorbitant weit über dem Durchschnittsniveau dessen stehen, was für gewöhnlich auf der Leinwand sich (alles nicht) ereignet. Terry Gilliam ist ein Genie; ein begnadeter Künstler; ein Ausnahmetalent; ein Revolutionär; ein Wundertäter; ein Geschenk an alle, die Phantasie lieben und an die heilende Kraft der Kunst, in einer verkommenden, verranzten Welt (die unglaublich nichtig, hirn-&stil-los zugrundegeht: wäre zu aktiv: verf l a c h t -) glauben.
                                      Die Welt von T.G. ist erbarmungslos ehrlich; und es ist eine, die sieht, was ist, und kein Blatt vor den Mund nimmt.

                                      Unnötig zu sagen, das das, was wir da sehen (doch noch zu sehen kriegen), ein Ding eigentlich der Unmöglichkeit ist. Denn wie - kreiert? - man einen Film aus etwas, das erst halb fertig ist, und sich auch (fast) denkbarunmöglich auf keine Weise mehr komplettieren läßt (weil, im Gegensatz zur Menschen-Welt, - NATUR etwas ausweglos eineindeutig Endgültiges ist,- in Bewußtseins-Dingen, wenn man so will, eine Sackgasse)? (Nichts gegen dich, zahllose herrliche Natur, aber gegen das Bewußtsein gehalten hast du eben keine Wahl - und was soll es machen, wenn du ihm so einen eindeutigen Bescheid zustellst?- es schummelt!).
                                      Terry mußte sich also schon (wieder mal) etwas einfallen lassen, um die Physik zu widerlegen und den Anti-Gravitations-Rückwärtsantrieb zu erfinden. Dafür, das das eigentlich nicht geht, kommt sein Gefährt noch recht gut vom Standfleck - und läßt uns wieder einmal vemissen, wie das >in echt< fertiggestellte Projekt wohl ausgeschaut hätte. (was hat er denn im Grunde wirklich >fertig< hinbekommen? -: Brazil; 12 monkeys; König der Fischer; den Folteramtsknechtangestellten in "LebendesBrian"; bei den meisten anderen Sachen war er entweder auf Trip, hatte Schnupfen, oder in den üblichen "Kampf mit der Materie" verstrickt, der immer dann heikel wird, wenn die Vorstellung eines Einzelnen der Verwirklichungsbeihilfe Anderer (mit je eigener oder gar keiner Phantasie) bedarf. Aber auch das ist noch wunderbar an Terry Gilliam : er beflügelt uns so, das wir auch da, wo e r es n i c h t tat, uns Vorstellungen davon machen (UND vorstellen) k ö n n e n , wie er es wohl gemacht /gewollt HÄTTE - wenn es i h m denn vergönnt gewesen wäre. Und das ist schon wieder ein (eigener) Film für sich,- der doch auch irgendwiederum ihm,- zu ihm gehört. Capisce?
                                      Pardon, das ich gerade nichts weiter zum hintergründigen Metaebenen-Parnassus (der Erlösung der Welt durch die Phantasie) sage. Muß man bei Terry nicht. Er spricht derweil für sich selber; und wird das.

                                      • 7 .5

                                        Da werd ich mich in die Nesseln setzen. Ich hole ein wenig aus.

                                        16 oder siebzehn war ich, als ich - einige Jahre nach seinem Erscheinen – das namengebende Buch las : eine wohl beeindruckende Zeugenschaft. Es hilft, über historische Rahmenzuordnungen zu verfügen – etwa das wann, warum, und zeitliche Entwicklungsszenario des U-Boot-Krieges (und 1941/42 waren die fetten Jahre dieser „Waffe“,- vom deutschen Standpunkt aus gesehen). Übrigens: Buchheim als Alt-Nazi abzuqualifizieren,- zeugt von ungeheurer Blickverengung des ewig blinden Flügels der Linken. – Nach dem Buch: kam der Film. Die ersten Zeitungsnotizen zum Großprojekt nahm ich als zwangsrekrutierter deutscher (Ex-) Mariner zur Kenntnis: Was ich dann zu hören – und zu sehen- bekam ,- entsprach so gar nicht den Vorstellungen, die ich von einem Antikriegsfilm nach Maßgabe meines damaligen Zuschnitts hegte. Irgendwann in den Achtzigern sah ich dann das ganze Produkt. Nun habe ich es „revisted“. Und im Internet Reaktionen protokolliert.
                                        Bewertungen: durchgängig höchste ‚Punktzahlen‘. „Anti-Kriegsfilm“. Das Ende ohne jeden patriotischen Schmuh. Darstellung der abschreckenden Realität des Krieg-Details. Internationaler Megaerfolg. Perfekt inszeniert. Hochkarätige Darstellerriege. Teuer. Schwierig. Spannend. Dreckig. Furchterregend. Animalisch. Realistisch.
                                        Genau das ist er nicht: realistisch.

                                        Buchheim selbst hat das als wesentlichste Kritik des Filmprojekts reflektiert. Der Alltag war nüchterner. Die Schreckenszahlen sprechen für sich: weniger ist mehr. Angst, die in den Knochen und Winkeln lauert, ist zermürbender und nagt mehr, als ausbrechende laute, wirre, turbulentkrachende Panik. Das ist das Manko des Films: zu laut und schrill und aufdringlich zu sein. Eine Ausnahme jagt die nächste: und genau dadurch geht die Authentizität verloren. Die Angst hat keinen Raum, Luft zu holen. Der Zuschauer fiebert: und bekommt im Wahn nichts von dem mit, was wirklich angsterregend ist, im Krieg. Er wird zum Tier: das instinktiv kreischt,- und dessen Furcht erregt wird. Ist dies das Furchtbarste am Krieg: die Instinkte toben zu fühlen? –Sollte es für Sie so sein: steht Ihnen das Schlimmste noch bevor. Freuen Sie sich drauf: Sie haben noch einiges zu entdecken,- und das doch schließlich auch, im Laufe des nächsten Jahrhunderts (hoffen wir’s) im Kino ebenfalls. Denn wir stellen ja doch die Prognose : daß das bildgewaltigste Medium allmählich erwachsen wird, und die Kraft des Gedankens für sich reklamiert. Das Boot aber, in vorliegender Form: ist Bilderschau,- ein reiner Bilderbuchkatalog, zum Umblättern – mit winzigen Untertiteln,- etwa: U-Bootturm bei schwerer See. Immer gehen die Wellen hoch: und spült alles, was höher als das Schanzdeck die Furcht emporreckt,- über Bord.

                                        Denken Sie nicht, das ich Kopfkino will. Will Ausgewogenheit: wie‘s wirklich ist. Ich erkenne nicht an: daß das Boot ein realistischer Film ist. Es ist meilenweit davon entfernt. Es ist reines Kintopp. Es ist so weit davon entfernt, ein Antikriegsfilm zu sein,- wie Apocalypse Now,- der auch oft als solcher genannt ist. Tut mir leid, Marlon: Das Grauen, das Grauen: findet woanders als auf amerikanischer Leinwand statt. Oder etwa- gerade nicht?

                                        Truffaut sagte: es kann keinen echten Antikriegsfilm geben, weil die Bildgewalt des Kinos jede Echtheit in Spektakel verwandeln wird. Viel mehr ist dazu nicht zu sagen.
                                        Das Boot war damals neu: der Zuschauer gewöhnte sich gerade an visuelle Effekte, die an Echtheitseindruck nicht mehr an gartenschlauchbespritze Curd Jürgens’se oder Humphrey Bogarts' vor der Kamera mit gefilmter stürmischer See auf Hintergrund-Projektion erinnerten. Insofern war Das Boot innovativ: ein Augenschmaus. Doch Pazifismus geht (zumindest nach dem Ersten Eindruck) alsbald nicht mehr durchs Auge in die Seele: sondern durchs ebenso notwendige Hirnportal. Nur dieses schützt vor Mißbrauch. Ein „Pazifismus“, der allein durchs Auge gefüttert wird, ist genauso anfällig (für Mißbrauch) wie der übelste Hero- oder Militarismus. Zur Kühn-&Kühlheit der zurückgenommenen Beteiligung an seelischen Prozessen gibt es keine Alternative. Im Rummel geht jede Nachhaltigkeit verloren: und verblaßt zu einem rauschhaften Eindruck. Bilder entfernen sich wie ausgeschüttetes Adrenalin mit ihrem Verschwinden aus dem Blut. Was bleibt, ist flüchtig. The Day After: auch so ein verpuffendes Produkt. Hat dieser Film wirklich je jemand gegen Pershings mobilisiert?

                                        Was wollen wir unter Antikriegsfilm verstehen? Jemanden, der, nachdem er ihn gesehen,- mitgekriegt hat, das Krieg irgendwie eine unangenehme Sache ist? (Tut mir leid, auf die Verstärkung dieser Leute kann ich verzichten). Antikriegsfilm heißt: das jemand, der ihn gesehen hat, sich vorstellen kann, was ‚Krieg‘ außer einer Namensbezeichnung mit fünf Buchstaben ‚real‘ bedeutet – welches über die Plattitüde eines am nächsten Morgen verflogenen aufbauschenden Eindrucks hinweggeht. Antikriegsfilm – das bedeutet, ein echtes Schicksal, ein Gesicht, eine Realität bohrend nicht mehr zu vergessen – wie mein Schicksalsbild Onkel Pauls, der kriegsversehrt wortlos schweigend in ein Nachkriegs-Tante-Emmaladen-Schicksal hinüberhinkte, als er als einer der überlebenden Ubootfahrer aus dem zweiten Weltkrieg zurückkehrte – immerhin.

                                        Zum Abschluß nach diesem Bettnässer-Film, der bedeutend Anderes ‚bedeutet‘ als sein Ruf: ich sah in meinem ganzen Leben einen einzigen Film, der für mich als Antikriegsfilm (wenn man von >Rückkehrer<-Schicksalen absehen will) funktioniert : in dem die, so wie ich es empfinde, für mich wahren Schrecken des Krieges transportiert werden (zugegeben, von sehr subjektivem Geschmack): ‚Die Brücke‘ von Bernhard Wicki ,- von 1959. Vielleicht, weil der Schrecken damals noch so frisch war – und nicht zu einem allmonatlichen Medienereignis verkommen.
                                        Weil die Angst etwas mit Respekt zu tun hat und trockenem Hals, der nicht recht sprechen,- nicht einmal schreien gelernt hat.
                                        Das Boot reißt das Maul ganz schön weit auf. Dieser Hals ist gut befeuchtet. Alles an diesem Film ist regelrecht durchnäßt.
                                        Aber nicht, weil jemand hier je in die Hosen pullerte.
                                        Das würde hier höchstens aus Aufregung passieren.
                                        Nicht aus Angst.
                                        Dieser Film hat vor Angst keinen Respekt. Und deswegen behandelt er sie so furchtlos: ohne Berührungsangst. Und Tiefe. Nur als Showeffekt.
                                        Krieg als Event.
                                        Und deswegen funktioniert das mit der Abschreckung nicht.
                                        Denn solange Der im Kinosessel selbst auf dem Trockenen sitzt: und nur das A u g e, nicht das Hirn,- wie das Kaninchen auf die Schlange starrt,- solange nur das Auge glotzt und das Gehör klotzt: solange, ist unter der Haut : Faszination,- und nicht Ver(wein-)krampfung zu spüren.
                                        Solche Filme machen keinen Ekelabscheu vor Krieg: sie stoßen auf die Weise ab, wie Kinogänger in Scharen wegen des Nervenkitzels zu Gruselfilmen zusammenströmen. Solchen Filmen könnte man alle paar Tage gebannt zusehen und folgen – stundenlang. Antikriegsfilme sind, meinem Eindruck nach, „Reality“-Gruselfilme im Military-Look. Sehen Sie: auf solche Weise "stoßen" diese Filme "ab" - ziehen, reizend, an.
                                        Und genau so funktioniert das nicht.
                                        Erst wenn die Anführungszeichen bei „Reality“ guten Gewissens wegzulassen sind : wird man von echten Antikriegsfilmen reden dürfen. Bis dahin bleiben wir bei der Wahrheit : ansprechende Unterhaltung auf hohem Niveau mit Durchkitzelfaktor. Und wer das mit Realität verwechselt, darf bei der Bambi-Verleihung mit dabei sein.

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                                        • 8 .5

                                          Wieder so ein kleines unbeachtetes Juwel am Wegesrand. The Eye hat nicht viel Wellen geschlagen – dabei ist es ein wundervolles, pralles, beziehungsvolles kleines stimmiges Uhrwerk, an Beobachtung und schönen Bildern, -Stimmungen, Präzision und spürbarer Zuneigung – über die Gebundenheit der Liebe, in all ihren Formen, besonders einer. Und aufgepaßt: es handelt sich nur scheinbar zunächst um die Liebe zwischen (Hai-Fisch & „Schütze“- „Sternbilder“-) - einem Mann und einer Frau (das sich anbietende Allround-Vehikel für Botschaften zwischen Erwachsenen, die sie so wichtig zuerst nehmen) –. ‚Eigentlich‘ geht es mehr um die Liebes-Verantwortung der Welt für das Einzelne, das sie aus sich gebiert,- wie auch das rückgewendete Liebesbedürfnis des Einzelnen ihrer Über-Macht gegenüber, vor dem es Schutz und Geborgenheit sucht – und braucht. Das kommt Ihnen verquast vor? – Man muß genau beobachten. Es sind die Details, die auf bestimmte Weise ineinanderpassen. Von sprechenden Namen, wie „Lucky“, wie The Eye interior genannt wird, dem hellsichtigen Blinden (der nicht nur geheiratet-, sondern sogar geliebt wird, weil er unfähig geglaubt ist, ihr „wahres Gesicht zu schauen“ - der raubmordenden Waisenfrau, die ihren verschwundenen Vater („als sie neun war“) zu Weihnachten verloren hat und seitdem unbegegnet schrecklich vermißt,- der herumgeisternd eingebildeten („verlorenen“-verlassenen) Tochter des Beobachters, der sich selbst verlassen glaubt (per Evolution?),- der autoritären „Erziehungsanstaltsausbilderin“, die den Kindern das selbstbehauptende Überleben beibringt („zeige niemals einem Mann dein wahres Perücken-Gesicht, wenn du nicht mußt“) und deren geharnischter Reaktion auf die Feststellung ihrer eigenen Verlassenheit,- von der Kneipen-Station „am Ende (um nicht zu sagen Arsch) der Welt“,- am Ende der Träume. : Wenn man ganz im Alltag angekommen ist, und sich fragt, was man dann tun soll, im „leicht zu erhaltenden Haus“, wenn man darin erwacht,- nutzlos, und eigentlich alles zuvor verloren hat : Vater, Kind, Ehemann, und, am Schlimmsten, den magischen imaginären „Beschützer“, von dem man sich doch immer wieder behütet fühlte (und manchmal tatsächlich war) (schließlich riskiert er im Schußwechsel mit der weltlichen Gewalt – und das als ehemaliger Geheimdienstler – eine ganze Menge,- bishin zu eigener Gefahr). Apropos - warum schießt sie, eine Weile lang, auf ihn? Weil er ihr erkennbar nicht die ganze Wahrheit gesteht und womöglich schadhafte -Spiele spielt ? - Aus mörderischer Angewohnheit? - Warum (und wie) hat er das alles zuvor geahnt, und die Pistole bedacht mit ‚Blankets‘, Platzpatronen, geladen? Warum muß sie im Augenblick der Berührung glücklich seufzend alsbald versterben? Und was soll das andere unglückliche Friedhofs-Kind von der Photographie am Ende? – Versuchen Sie es herauszufinden. Es macht durchgehend Spaß und lohnt sich. Es ist schon eine Liebesgeschichte; aber niemand ist, wer er scheint. Warum nickt die harsche Erzieherin mit der verkniffenen Träne letztes Einverständnis, vor aller gemeinsamen Flucht aus der letzten Kneipe, in der die großträumende Abräumerin zum Schluß ganz banalen Tagesdienst verrichtet, warum erkennt die sie zuvor in dieser Gestalt nicht? Warum, warum-? – Sie können diesen Indizienprozeß beiseite lassen und sich ganz auf die gebotene, angenehm- warm verschreckte Bilder-Geschichte konzentrieren, und eine „Reise in abhängige Besessenheit“ unternehmen, die von dem Verlieben eines Detektivs in das zuerst nebensächliche Objekt seiner Observation handelt, die bishin zu rasender Eifersucht und schuldhaft-versehentlicher Tötung des Nebenbuhlers (in der Liebe der heimlich Verehrten) handelt; bis er schließlich seine zurückhaltende Schüchternheit überwindet (nachdem er sich so lange, manchmal krampfhaft, manchmal beinahe-erwischt) – entzogen hat und schließlich den ersehnten Kontakt herstellt und zuläßt,- und geradezu herbeizwingt. Warum ist die Zeit nun reif, für beide? Warum-? – liest er ihr ihr Horoskop für diesen Tag? warum- - all das haben Sie einige Jahre Zeit herauszufinden. Es muß nicht heißen, das Sie an diesen Film noch denken (oder selbst ihm je zuvor oder danach begegnen) werden, wenn dies geschieht ; aber wenn es geschah, wie das Horoskop verspricht, von Sternzeichen zu Sternzeichen, und sie es erlebt haben,- und dann noch dieser wundervollen kleinen Preziöse von Film dazu begegnen, und sich erinnern, wie es war und ist,- und sich wiedererkennen,- das ist schon was, ganz zurückhaltend, Feines. Der Film hat auch Schwächen; manchmal ist er nicht ganz deutlich genug. Aber das macht nichts; denn in seinen Bildern und Roadmovie-Impressionen steckt die Kraft, genug anders zu ersetzen, was dem Unwichtigsten an einer Geschichte – dem Denkbaren nämlich – abgeht. Er funktioniert auch so, Kraft seiner Erzählung-en, der liebevollen Legenden, und Gesichter. Ganz stark : Ewan McGregor (etwas zu j u n g geraten für die Rolle, was die Bedeutung der Hingezogenheit etwas zu falsch in Richtung s e x u e l l e r Obsession verschiebt) und das makellose Ebenbild Ashley Judd‘s- eines der am sehnsuchtsvoll zu beobachtenden aufeinander hingewiesenen, zueinanderziehenden Paare der Filmgeschichte. Es gibt viele Kino-Romanzen, die hart am Kitsch vorbeikratzen: hier, in aller verletztlichen, und manchmal blutritzenden entbehrten Entfernung, wo trotzdem der eine immer in der Nähe zu finden sein wird, „um aufzupassen“ oder -zu bedürfen,- ist nicht viel von Triefe zu erspüren: dafür aber eine wundervoll formulierte spürbare Verbundenheit, wie es sich ziemt, zwischen Ur-Zeuger und Ur-Gezeugtem, geschaffen, sich selbst (immer wieder, mit dem begrenzten Menschen-Vorrat, anhand zerknitterter wiedererkennbarer Photographien,- der einem Leben erreichbar ist-) zu begegnen.

                                          (Ganz banal übersetzt: „The Eye“ ist der beobachtende „Gott-Vater“, der sein „observiertes Objekt“ verborgen beobachtet. Sie ist das Erziehungsanstalts-Kind, das mit neun erkannte, das es keinen Gott gibt, und in der harten Schule selbstbezogener Verläßlichkeit aus eigener Kraft das äußere Überleben lernt. Auch die Liebe wird benutzt: zur egoistischen Selbstsicherung. So ist Liebe Krieg: Vernichtung im Deckmantel der Liebe, bei dem anderen gehörende Kostbarkeiten die Besitzer wechseln: unrechtmäßig gestohlen werden,- und sogar tötlich Verletzte zurücklassen. – Gott sieht alles, kann aber nicht eingreifen. Sie lernt einen Blinden kennen, von dem sie das Äußére ihres Egoismus (den sie mit Perücken vor anderer Entlarvung kaschiert) unidentifizierbar glaubt: sie glaubt, sie sei (in ihrer Schlechtigkeit) vor seinen unfähig liebenden blinden Augen sicher. Gott ist eifersüchtig auf ihre fehlgeleitete Liebe: denn er will in seiner, nicht in fremder, ebenso blinder Gestalt geliebt : nicht verwechselt sein. Er verhindert dieses Verrennen in eine Erkenntnis-Lüge: niemand kann den anderen dauerhaft mit der wahren Liebe verwechseln,- sie stirbt, an der Wahrheit, das der Mensch, jeder Mensch, nicht „gut“ sei, indem die Verliebtheit gewahr wird: dieser andere, „gut Geglaubte“, ist in Wahrheit – auch nur ein Mensch, wie man selbst, nämlich von Übel geplagt- und –verhaftet. Sie allerdings glaubte in ihrer eigenen geschlagenen Blindheit ( man studiere alle bemerkenswerten Sätze, die sie als Heiratswunsch-Begründung ihm sagte,- zum Beispiel : „und natürlich wegen deines Vermögens“!) noch durchaus an diese Liebe, als der göttliche Sendbote Tod zuschlug: schmerzvoll. Übrigens schießt /zielt er aus dem Glockenturm einer Kirche auf das sich von ihm zu sich (ihrer Heiratsverbundenheit) entfernende Duo. – Sie verliert ihr Kind: ebenfalls ein >Sterbliches<, das nicht mit Gott verwechselt werden darf. Während sie schwer verletzt genest, streift er ihr ihren eigenen Ring an den Finger: Leiden schafft Gott-Verbundenheit. Sie flieht durch das Land, stets verhaftbar durch die äußere Gewalt, der „Polizei“: denn der Egoismus ist in der Soziatät ein verfolgter Verbrecher, der leiden schafft, und verursacht. Gott läßt sie, in „Schutzengel-Version“, in besonders kritischen Situationen des Nicht-Mehr-Davonkomme-Könnens, aus eigener Kraft,- doch frei entwischen: „Glück“ oder „Zufall“ oder Schicksal,- auf jeden Fall „behütet“. Schließlich sind ihre Kraft und ihre Träume abgestumpft: sie landet in banaler Wirklichkeit als unbedeutende, auswechselbare Bedienerin im Alltags-Dasein, und hat sich aufgegeben. Nun, wo sie zu keiner weiteren Verwechslungs-Illusion mehr kaum Kraft aufzubringen hat,- ist die Bahn frei, für Gott, sich als der, der er ist, zu erkennen zu geben,- und erkannt: und um seiner selbst willen geliebt und angenommen zu werden.- Er sucht und stellt den Kontakt her; noch ein wenig Brimborium, mit der Professorin, die den selbstbehauptenden Egoismus (und die Traum-Hoffnungen des Jung-Wesens) erzeugte: das annähernd bescheidene, hoffnungslose, selbst-lose Diener-Wesen erkennt sie nicht als die starke, selbstbezogene mordende Bestie, die sie zeugte; allerdings erkennt sie – und gesteht sogar, wie der Egoismus, im Prinzip: Gott sein Recht, auf ihre Seele, die sie zuvor ver-formte,- zu. Die Schergen sind sowieso blind,- und wissen von nichts. Sie fliehen; in seinem bescheidenen Zuhause am Arsch der Welt erkennt und erinnert sie sich an all sein verhuschtes, bis dahin unbemerktes Auftauchen in all ihren Lebens-Stationen; sie will sich noch immer ihrer Verpflichtung entziehen. Gott ist nicht so leicht umzubringen, und nähert sich wieder; sie erkennt sein unsterbliches Wesen und ihr Nichtentkommen-Können und gibt sich endlich hin und geschlagen; in diesem Augenblick (beinahe) stirbt sie, denn man kann Gott nur berühren nicht bewahren; im Augenblick der Erkenntnis stirbt Gott,- und muß neu geboren werden,- in neuer Erkenntnis. Niemand, im Besitz eines Gedächtnisses, kann kraft einer einmaligen Erkenntnis Gott für alle Zukunft für sich besitzen. Die geschaffene Erkenntnis vergeht, im Vergessen, im Tod, im Nichtmehr-Gültig sein; die Kreation des Lebens vergeht, im Einzeln-Geschaffenen, das stirbt. Gott trauert seinem Geschaffenen nach; doch das Geschaffene ist im Einzelnen nicht ausgestorben; das Leben erneuert sich, in fortpflanzendem Erhalt, ständig. Als Liebender-, als Liebende können wir uns die Liebe stets neu erobern, solange das Leben währt; solange unser Leben währt. Wir können nicht nur einmal lieben; unser Leben reicht für eine Reihe von Lieben. Wir lieben im Geschaffenen nicht das vorübergehende, sterbliche Einzelne; wir lieben „im Grunde“ Gott, das Unsterbliche des liebenden Gottes,- der Gottes-Liebe. Diese, die ihr jedes Einzelnes erkennt, registriert, beobachtet, „liebgewinnt“, vermißt, kehrt sich von einer Einzel-Heitr, anhand seiner Photographie-„Kartei“,- zum nächsten Einzelnen, mit welchem er Kontakt aufnimmt : und auch die Photographie unseres Lebens,- unserer Beziehungs-Fähigkeiten,- wird mehr als e i n Gesicht-, e i n e Möglichkeit, einen bestimmten Menschen zu lieben vielmehr ein mögliches Dutzend -, enthalten. Wir könn(t)en – und tun es – mehrere lieben; aber nicht unendlich viele,- wie das Leben eben hinreicht, eine ganze oder auch eine halbe Handvoll -, oder eben zwei,- wie es angehen will ; aber ungefähr so viel, wie auf Gottes Photographie, unseres Lebens, Platz finden können, nebeneinander.-
                                          Viele Neben-Deutungen bleiben unerwähnt: das herauszufinden,- und genüßlich zu ent-buchstabieren,- bleibt immer noch viel Lust und Freude: an diesem Film. Viel Spaß damit.

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                                          • 5

                                            Regisseur/in: deutlich erkennbar eine Frau. Natürlich unterscheiden sich Männer- und Frauenfilme voneinander, oder soll man sagen, die Perspektiven dieser unterschiedlichen Weltwahrnehmungen,- die immer –deutungen sind. Obwohl der Film ein äußerlich bewegtes Schicksal erzählt, geht es, wie ich finde, um die Wirkungen, die dieses äußerlich Bewegte im Innern der Person, hier der jungen Frau „Charlotte Gray“, hinterläßt. Es geht um die „Liebe(n) der Charlotte Gray“, eigentlich ihre Liebesfähigkeit(en).

                                            Starke Bilder: stimmt. Oberflächliche Wirkungen, abgekappt in der Tiefe, stimmt (meiner Meinung nach) auch. Künstlerisch also ist das Ganze weit davon entfernt, die gemeinte Wirkung zu erzielen: eine oft anzutreffende Last-Einschränkung der Bewegungsfähgigkeit, die einem Medium, dem zuviel aufgebürdet wird, eignet: künstlerisch also nicht vollkommen durchwirkt, wollte ich sagen (der Künstler, oder hier sollte man sagen, die Regisseurin, beherrscht ihren Gegenstand nicht bis ins Letzte und ist nicht zur vollkomnmenen Durchdringung vorgestoßen). Von daher bleibt die Wirkung der Gesamtkonzeption begrenzt. Sie ist gleichwohl weit davon entfernt, nur verfehlt oder mißlungen zu sein. Es bleiben eindrucksvolle Bilder und eine eindrückliche Metaphern-Geschichte.

                                            Tiefe satte herbstliche Färbung des Bildmaterials: viel Nebel, Weiß-Gräue und Feuchtigkeit spürbar. Das Realitätsgefühl wird schon durch diese Art der Belichtung (oder Beleuchtung?) maßgeblich beeinflußt. Das schafft Perspektive: eine Sicht auf die Dinge. „Artifiziell“: eine ‚schöne Perspektive‘.
                                            Die Geschichte, die erzählt wird, ist allerdings gar nicht schön,- sondern martialisch: der sich Krieg schaffende, im Krieg lebende, sich durch den Krieg bewegende – und Veränderung erfahrende - Mensch.

                                            Charlotte soll hier das Versuchskaninchen darstellen, das die Regisseurin in diesen Rumor aussetzt und alsdann beobachten möchte, was mit ihm passiert. Ich denke, das ist einer der eindrücklichsten Filme mit Cate Blanchett. Ihr charaktervolles ausdrückliches Gesicht erhält einige Gelegenheit, zugedachte Emotionen zu transportieren – aber auch hier gilt: zuviel dessen, was man einem nach Minuten und sonstigem Quantum begrenzten medialen Transportmittel aufbürden kann. Stellen sie sich vor, sie haben einen VW Käfer und wohnen in einem Zehn-Zimmer-Appartement (oder, dem Film angemessen, einem (gern auch verfallenden) südfranzösischem Chateau): Sie werden, egal wie Sie sich stellen, an der Aufgabe scheitern, mit einer oder zwei theoretisch erlaubten Fahrten- Ihren gesamten Umzug zu bewerkstelligen. Sie werden Ihr Kleinfahrzeug mehrmals,- oftmals bewegen müssen. Dann mag es gehen. Soll es auch noch anmutig anzusehen sein, dürfen sie es pro Fahrt nicht zu sehr belasten – und arg vollpfropfen,- bis nichts mehr, nicht mal mehr die Fahrer/in, gemütlich in ihren Sitz gekrampft verpreßt locker aussieht. Das geht nicht. Wenigstens die Person braucht Bewegungsfreiheit,- egal, wie es auf den Rücksitzen bis ans Schiebedach hinauf aussieht.

                                            Man merkt diesem Film an, und deswegen funktioniert er nicht, das er, der Käfer, bis an die Halskrause vollgestopft mit irgendwelchem Umzugsmaterial sich fortbewegt, von dem fortwährend lose Teile sich lösen und auf und an der Strecke liegen bleiben. Davon abgesehen, das trotzdem nur ein Teil des Haushalts, trotz aller Bemühung der gegenteiligen Anschein-Erweckung,- für die nächste Überfahrt im jeweilig verschiedenen Domizil, zeitweilig getrennt und unvereinigt, sich bewegt und der Rest zurückbleibt. Die Regisseurin wollte zuviel des Guten auf einmal mit einem Schlag für ihr doch begrenztes Vehikel transportieren: das ist das also, noch einmal ausgesprochen, das entschiedene Manko des Films.

                                            Ansonsten: schöne Bilder, reife Geschichte, eine für „Erwachsene“,- nicht etwa wie die von Hollywood-Großproduktion a la ‚Spiderman‘, welche Pseudo-Orientierung für pubertierende Dreizehn- bis Vierzehnjährige am Anfang ihrer moralischen Orientierung- und Erwachsenen-Lernphase bieten. Und jetzt, in medias res:
                                            Charlotte sitzt im Zug, Regen an der Scheibe. Voice-Over (gelungenes Kürzel, s.o.) zeigt: sie hat den Krieg überlebt (verschiebt manche Perspektiven, wenn man den Ausgang kennt! denkt an Brechts „Desillusionierung“) und erzählt : wie sie ihre von Wässerchen (noch) ungetrübte Leidenschaft erfährt,- kennenlernt, ein junges Mädchen einen jungen Mann, zufällig ist Krieg – noch außen. Beide werden, wie es Kriegszeiten so gehen pflegt, hineingezogen: er, als britischer Flieger, (1943) über Frankreich vermißt,- sie, gutwillig, verliebt, ambitioniert,- läßt sich anwerben für einen riskanten Job als hinter den Linien abgesetzte Agentin,- um nebenher ihn zu suchen oder seinen Verbleib zu klären. „Schöne Bilder“: wie sie trainiert wird als potenzielle Kobattantin,- eine „soldatische Grundausbildung“ zu absolvieren. Das alles soll Wirklichkeit 1943 erschaffen helfen; bleibt natürlich, außer als Remineszenz, nicht hängen; es ist alles zuviel. Schöne Kulissen: alte Häuser, Gärten Bauernhöfe, -Automobile,- Flugzeuge (mir immer wieder ein Rätsel, wo Filmleute das alles herschaffen) (verschlingt doch Unsummen). Egal, sie tun es. Der Mensch läßt sich seine beliebigen Illusionen schon etwas kosten.

                                            Charlotte, eben noch verliebt mit einem blonden Jungen, hinter den Linien aufgetaucht in einem kleinen südfranzösischen Provinzstädtchen in einer Tarnexistenz als Unterkommen suchende Pariserin, lernt Mut kennen: anhand der Resistance-Aktivitäten einiger Widerständler und junger auch „Kommunisten“ (einer von ihnen ist Gutsbesitzersohn),- welche Eisenbahnzüge mit Kriegsmaterial sabotieren,- und die ebenso wie sie junge Männer und Frauen,- sich ‚entschieden‘ haben : aus dem Zuschauer- und Wartezustand dem Leben gegenüber in ein aktives Stadium übergetreten sind, und ihr Leben buchstäblich „riskieren“. Vor allem ist da Julien : dem sie im Verlaufe ihrer zusammenschweißenden Notdurft-Aktivitäten, vom Leben auf eine sich selbst erschaffende Bahn gedrängt,- aus einer Reaktions-Notwendigkeit erfolgt die nächste,- näherrückt.
                                            Eine „deutsche Militäreinheit“, etwa Kompaniestärke, rückt ebenfalls ein und übernimmt die inoffiziele Kontrolle (von Vichy-Marionetten gedeckt) über das Resistance-verseuchte Gebiet; örtliche Kollaborateurs-Spitzel scheiden die Menschheit weiter in gut- und böse Daseins-Versionen (der abgefeimte- verlogene Verräter-Dorflehrer, dem man’s lange wünscht, kriegt sein Fett in vorgefühlter schablonenfertiger Form: eine weitere Schwäche der Undurchdachtheit- und des sich selbst zu Einfach-Machens-, dieses Films). – Charlotte also, ohne das es groß herauskommt, - verliebt sich, selbst ihr verborgen, mehr und mehr in die Charakterstärke des jungen, entschlossenen, mutigen, sich-selbst-riskierenden Julien und seines kantig-kauzig starken Vaters, des Besitzers eines verfallenden Gutes, in dem man auch ein kleines Juden-Brüderpaar, dessen Eltern von „den Deutschen“ verschleppt („in eins dieser osteuropäischen Arbeitslager...?“) wurden. – „Die Deutschen“ sind nicht die -, sie sind das gegenwärtige Böse (ohne n); ohne Gesicht, ohne Einzahl, unerkennbar- ein Major und ein Wächter-Gefreiter sind die einzigen identifizierbaren scheinbar Einzel-Wahrnehmungen. Ansonsten agieren sie als böse Masse,- als das Vorwärts-Rollen einer als böse empfundenen Maschinerie, die zum Beispiel nächtliche Feuergefechte, bei der ein Sabotagetrupp (diejenige von Charlotte und Julien) zusammengeschossen und massakriert wird, bewirkt- oder als anonymes Betreiben der Deportations-Maschinerie. Schade: nicht nur das Gute hat menschliches Gesicht... gerade da steckt der Teufel im anthropogenen Detail. Wer das Böse untersucht, ohne den unternehmenden Menschen zu untersuchen, - gelangt höchstens bis zu einem Klischee; allerdings ist dies fast stets der Fall,- immer noch im Film, so hier nicht anders,- warum also sich groß beschweren.-
                                            Der Akzent soll auf der Subjektivität Charlottes-, und nicht der Weltproblem-Lösung liegen,- warum also nicht?- Folgen wir also dem Film weiter auf einzeln‘ Charlottes Spur: sie rückt dem aufrecht Entscheider-Mutigen immer näher,- küßt ihn wohl auch einmal (zweimal) unbeabsichtigt: aus der Not eine Un-Tugendhaftigkeit machend,- die schönste, und wohl auch eigenständigste Szen‘-Idee des Films: als Julien, während der Militärs-Besatzerfuhrpark auf bloßen Ketten durchs Städele radebricht, exponiert sie beschimpft (- äußerst unglaubwürdig, daß das so in Wahrheit hätte durchgehen sollen) (Suchbild: wo ist in dieser verhaltenen Zuschauermenge der aktive Widerstands-Gefährdete versteckt?)*,
                                            * “unglaubwürdig“ s. Filmkritik oben : die „Ungewaschenheit“ Charlottes bei des hinterhältigen Lehrers Vergewaltigungsversuch sollte wohl bedeuten, das sie ihre Periode hätte, nicht bloß Seifengebrauchsmangel (trotz Kriegsknappheit) –
                                            - trotzdem also: als er knapp davor ist, sich durch seine unbeherrschte Courage in endgültige Schwierigkeiten zu bringen, stopft sie ihm in einer Adhoc-Aktion mit einem halbernst-leidenschaftlich getarntem Spontanitäts-Kuß das schimpfende verblüffte Maul – unter zustimmig schwiegsamen Beifall der Städtchensbevölkerung. Das zweite Mal einer heftigen körperlichen Annäherung geschieht ebenso (absichtsvoll), um sich aus einer einzeln bewachten Verhaftung durch einen angesichts demokritisch-hündischer Libido nervös-verwirrten Soldaten zu befreien. – Als Charlotte schließlich, man braucht nicht genau zu wissen wie, den Weg ins verhältnißmäßig zivilisiert geordnete, V2-bedrohte London zurückgefunden hat,- und ein tatsächlich vorkommensollendes Kriegswunder ihr ihren hübschen Fliegerling unversehrt zurückbeschert -, ist so viel mit ihr geschehen, das ihr so einfach ein unbedarft- unverhältnismäßiges Liebesglück nicht mehr innerlich zugänglich ist: sie „findet den Weg zurück nicht mehr“ – in die verhältnismäßig einfache Welt vor ihrem Frankreich-Einsatz – . Die Liebe(n)-sfähigkeit der Charlotte Gray (soll das ein sprechender Name sein?) hat sich gewandelt: sie braucht nicht mehr nur hübsche Locken und ein unschuldiges Gesicht, um zu lieben, sie ist mittlerweile dazu verurteilt, nur noch einhergehenden bewiesenen Charakter lieben zu können – wenngleichwohl der auch ein nicht minder ansprechendes lockigdunkles Gesicht des Julien hier, hat.- Sie tauscht also durchaus nicht unbedingt den Teufel gegen Beelzebub.- Mädchenziele könnten wohl beide darstellen.- Nun sitzt sie also, fast Schlußeinstellung,- im Zug (wiederum), „France, 1945, Peace“, und fährt doch zurück: und siehe da, der beim letzten Treffen, vor aufgeworfener Flucht, vom ebengleichem Untergang bedrohte Julien hat ebenfalls überlebt, und schneidet Efeu im vom ständig Unkraut-überwuchertem Heimatwesen: und sie stehen da, und können sich nun endlich wahrhaft, vom Glück bedroht, ernsthaft in die Arme nehmen und merken, wie sich das anfühlt. Ende gut alles gut, die Regisseurin meint, ihr Werk getan zu haben.

                                            Ist die Geschichte auch nicht vollkommen,- sie ist doch ernsthaft gemeint und hinterläßt genügend Eindruck, um hier und da haften zu bleiben: wohl wird mirs so tun die Erinnerung an die gelungene Szene jenes improvisierten Kußes, mit dem Charlotte Julien vor sich selber und der Verhaftung (oder Schlimmeren, der Gewehrlauf zuckt schon) rettet: allein deswegen (wegen solcher künstlerisch eigenständiger Metaphern) verdient ein Film, wenn auch nur in Teilen, in Erinnerung behalten zu werden. Das wäre eine solche Ikone. Manche (die meisten) Filme haben nicht einmal einen solcher Momente vorzuweisen. Vielleicht retten diese dreißig Sekunden diesen Film meinem Gedächtnis. - Und Ihrem? Ich hoffe,- denn er verdient es, glaube ich, doch,- auch Sie finden irgendwo in der Fülle der Atmosphäre oder Einzeleinstellungen des Films irgendwas, was geeignet ist, dem Ihrem (Gedächtnis) haften zu bleiben.
                                            Irgendwie wäre es schade um diesen ansonst ‚zu schönen‘ Film, der zuviel will und einbezieht, um zu wenig im Grunde, nur bei und wegen Charlotte und um Charlotte herum, - zu bewirken. Einen ganzen Krieg um eine junge Frau, die sich zu entwickeln gedenkt, zu stricken, heißt vielleicht doch etwas zuviel bemühen ; um ein Epos zu schaffen, muß man schon episch–homerisch denken: auch die Illias dreht sich ja nicht nur um Achilles oder Odysseus; sie ist ein Menschheitsgemälde. Kurz der Berg kreist und gebiert eine Maus. Wie es richtiger genauer und besser ginge, kann man vielleicht an Mathilde eine grosse Liebe sehen, welches in meinen Augen nicht nur gelungener -, sondern gelungen ist; exemplarisch; aber nun genauer herbeizuzitieren und zu vergleichen wäre vielleicht korinthenkakerisch. Deswegen belassen wir’s nun dabei und beschließen hiermit unseren Eindruck.
                                            Fazit: schauen sie sich diesen Film ruhig an. Er bietet keine Erleuchtung,- doch durchaus einige Momente. Das ist schon mehr,- als gemeinhin geboten. Wünschen Sie noch mehr serviert: finde ich es immer angemessen, sich selbst zu bemühen. Danach darf man sich das Maul zerreissen: wenn man um die unglaubliche Schwierigkeit, etwas wirklich Gutes zustandezubringen, weiß. Ansonsten sollte man mit Kuchen, selbst ohne Rosinenanteil in seinem Stück, zufrieden sein. Seien Sie dankbar: auch für das, was sie immerhin schon in diesem Film zu sehen geboten kriegen. Das wars. Schlußaus.

                                            • 6 .5

                                              Eine kleine aber feine „Low Budget“ – 7 Millionen – Produktion. Val Kilmer darf endlich wieder einmal zeigen, das er eigentlich Schauspieler ist. Offiziell läuft das Ganze unter Thril-ler,- na ja, sagen wir wenigstens Krimi. Aber wenn die nötige Grundspannung erzeugt ist, kümmert sich der Film ums eigentliche Einmachen seiner ins Auge gefaßten Konfitüre. Und das geht so: entscheiden tut sich der Film, der als knallharter Brutalo-Actioner beginnt, in dem Moment, in dem eine Verfolgungsjagd kulminiert: zwei Männer hetzen hintereinander. Der Verfolger zieht eine Pistole, schießt, der Erste stürzt leicht verletzt, im Parkhaus, wird eingeholt. „Scheiße, Lenny, ich muß dich umlegen,- du kennst die Regeln!“ Lenny fleht, kramt ein Bild seines Sohnes – der unwillige Revolver („Scheiße Lenny, du wirst quatschen, wenn sie dich in die Mangel nehmen!“- „kein Wort, ich versprech‘s dir, ich werd nichts sa-gen!“ - richtet sich auf ihn – und wendet sich unverrichtet ab. Der Schütze schnappt sich Len-nys Koffer, mysteriösen Inhalts, und hastet davon - .

                                              Ein ordentlicher amerikanischer Thriller hätte die Gelegenheit, abgebrühte Härte, ein für al-lemal, zu demonstrieren, kaum abgelehnt : schockieren hilft,- und treibt garantiert die Ver-kaufszahlen in die Höhe: denn das ist das, wonach Otto Normalverbraucher sich insgeheim sehnt: Tabubruch,- Ausbruch aus dieser festverriegelten fenster-lustlosen Durchschnittswelt. Diese billige (feige?) populistische Kapitulation mag sich dieser Film nicht leisten. Er setzt stur auf Gegenpropaganda: jeder glaubt Val Kilmer mittlerweile den knalhharten Typ. Und da kommt der einfach so her, nach gehabtem Anfangscoup, die Gefahr im Nacken, beäugt absi-chernd die mittägliche Landschaftsszenerie eines friedlichen öffentlichen Stadtparks mit Mit-tagspäuslern, Entenfütterern, einigen Kindern und einem Spielplatz, rund um einen kleinen vermutlich künstlichen See, offensichtlich auf ständiger Hut vor Verfolgern,- und verbringt dort in öffentlicher Tarnung der mehr oder weniger Echtzeit die nächsten zwei Stunden. Die Gefahr lauert unterschwellig überall – unschlüssig fährt die Kamera immer wieder musternd hin und her über irgendwelche aussteigenden, potentiell verdächtig aussehende Besucher und Neuankömmlinge,- und lauert, stets argwöhnisch, rund um eine Telefonzelle,- von der aus der mittelalte Mann – immer wieder Privatgespräche führt.
                                              Er scheint außer Abwarten wenig zu tun zu haben,- oder diese Stunden, die leicht die letzten in seinem Leben offensichtlich sein könnten,- damit verbringen zu wollen,- liegengebliebene offene Rechnungen seines Daseins ins Lot zu rücken. Seine eben jungerwachsen selbst Mutter gewordene Tochter in Florida, seinem Ruhestands-Traumziel : er ruft sie an, und versucht, schuldig abgerissene Fäden durch frühkindliches Verlassen wieder anzuknüpfen. Seine der-zeitige Freundin : räkelt sich zu dieser Zeit erst unwirsch faul aus den Federn, und interessiert sich nicht übermäßig begeistert für seinen – und ihren - in gleißende Nähe gerückten Ruhe-stand im Rentnerparadies Florida – außer, das dann – Geld?, womöglich viel Geld da ist? – „prima Schatz, ich freu mich“. Angesichts und bedürftig von etwas mehr Enthusiasmus tele-foniert er alsbald seine Ex-Frau an; nicht, wie die anderen, zum letzten Mal diesen Tag. Dazu kommen noch ein paar geschäftliche dringende Kontakte; dieser Privat-Krimi wird mit dem Telefon in der Hand,- und nicht einem Schießeisen, ausgefochten.

                                              Wer nun meint, das gereiche dem Thriller zum Nachteil, hat einerseits recht. Denn, was für ein Thriller kann so was schon werden? – etwas, für amerikanische Verhältnisse,- viel Besse-res. Der Zuschauer, gewaltbereit gewöhnt,- muß sich immer wieder gedulden, während ihm geduldig gezeigt, und andere beachtenswerte Dinge vorgewiesen werden, die man im Maße, wie Val Kilmer – oder „John“ sich lockert,- nach und nach ins Gesichtsfeld treten. Und immer klarer wird: John ist ein Ganove,- aber kein Monstrum,- wie er zuvor schon demonstrieren durfte, das er kein Killer ist. Ein kleiner einsamer Junge rückt ihm kesse auf die Pelle,- sucht Gesellschaft. John öffnet sich, ganz allmählich: dieser besondere Tag – gerechtfertigt für das Alles oder Nichts, mit dem er schließen muß - wird einiges verändern – sollte er überleben.

                                              Apropos: die meiste Zeit des Films über wird man das standardisiert gewohnte Gefühl nicht los, den letzten vergeblichen Stunden eines Mannes auf gründlicher Suche nach Selbsterfor-schung beizuwohnen – zu spät für mehr als reinen Erkenntnisgewinn. Wir wollen hier keinen deplatzierten Spoiler setzen; jedoch dieser Film ist für mehrere ungewohnte Gesichtsweisen gut. Wundervoll, wie immer wieder eine durch bittere Erfahrung festgeklopft gefügte ge-wohnheit enttäuscht und im positiven Sinne überholt wird; dieser Film ist so eine Art Reso-zialisierungsmaßnahme für Thrillergeschädigte Resignativ-Wahrnehmungen. Er räumt sozu-sagen den Keller auf, der wohltuende Entrümpelung schon lange, Ewigkeiten her,- nötig hat. Warum passiert das bloß so selten?- Oder: gottseidank,- das sich mal einer erbarmt,- und den gröbsten Mist beiseite schafft. Es tut wirklich gut: mit John und Antoine und dem Entenfütte-rer und dem Eisverkäufer und der Telefonzelle und noch ein paar mehr oder weniger gelun-genen Gestalten diese paar Stunden im Park verbracht zu haben. Ein Thriller, der für einiges und einige Überraschungen gut ist. Mehr wird nicht verraten. Ein paar Dinge die’s lange nötig haben, werden etwas gerader gerückt. Der Schlußsatz ist echt gelungen, wie der ganze Film, und hört da auf, wo andere beginnen; oder beginnt, wo andere aufhören; ist ja auch egal,- auf jeden Fall macht er’s, gottseidank, und das ist gerade gut so,- anders als die anderen : und wie man’s erwartet. Ich hätt’s nicht gedacht: was für eine angenehme Überraschung. Langweilig also, Handy statt Colt? – Nicht die Bohne. Besser, viel besser, als ich erwartet hatte: denn meine Erwartungen wurden beständig enttäuscht, und das hält die Spannung,- na ja, besser noch: Aufmerksamkeit wach. Sehen Sie: schon wieder ein besser. Das ist doch fein: nicht gut, aber besser. Weiter so, Val; und ich finde schön, das du noch einmal zeigen durftest, wofür du in Hollywood eigentlich gut gewesen wärst – würden die Leute dort nicht auf ihren Augen und Ohren schlafen. Na ja. Zeig’s ihnen, Tiger. Ohne viel Hoffnung: es wär nett, dich noch mal so zu sehen, John. Mach was draus. Denn der schwierige Teil kommt noch. Kopf hoch: Gefahr erkannt, Gefahr gebannt. Jeder kann sein Teil und sein Bestes versuchen. Und hast du’s wirklich getan: wird vielleicht was draus. Good luck, fellas.

                                              • 4 .5

                                                Unfreiwillige urkomische Katholiken-Parodie. Das Beste zum Schluß, als „Lu-t-z“ himself kommt, den unwirschen Faust zu holen („hab deine Eier in meiner Hand, Kleiner!“- „Schei... daneben!“). – K ä m e mal jemand auf die Idee, ihm Weibsgestalt zu verleihen, könnte man ihn „Luczy“ nennen (und sein Sohn – jaja, auch vom Teufel kennt man nicht alle Sünden! - könnte eine Töchterlein-Rolle übernehmen). Mit Gott hat man allerhand auch das ja schon probiert(...>Dogma<), aber d i e s e Nagelprobe steht noch aus, obwohl Gabriel (wie immer großartig, Tilda) knapp davor war.
                                                Jetzt durfte Keanu schon dreimal ran, als menschlich versuchter Anwalt des Teufels, als mehrdimensionaler VanHelsing zwischen allen Fronten und Stühlen (hier), & als diviner Filius mit Erlösungsanspruch himself (Matrix). Hat der Mensch denn gar keinen Ehrgeiz? Zeit, an die Karriere zu denken. Was bleibt noch? Ich an deiner Stelle, Keanu, würd schon mal anfangen, mir einen Bart stehen zu lassen. Glückauf. dein Willie.

                                                • 9

                                                  Unmerklich gleiten wir in diesen Film. Ein Übergang von diesem außen, der Straße, dem Kino, in den Sessel, in das Entstehen der Bilder – kein Bruch, kein Stolper, nicht einmal ein leichtes Holpern. Der Film setzt den Weg, nicht zu unsanft, nicht zu gepflegt, fort, von dem wir kamen, in diese Bilder, diese Geschichte, die langsam vor unserem Auge anfängt, sich zusammensetzen.

                                                  Erste, einzelne Szenen, Perspektiven. Eine lange, endlos breite, fast verlassene Promenade, ein Drahtzaun. Kalter Wind, Wind, es ist späte Jahreszeit, man spürt es am Licht. Dort stehen zwei zusammen, hundert Schritte von anderen entfernt, da geht jemand, von ganz hinten löst sich eine Gestalt, trägt einen langen Gegenstand, eine Flinte? charakteristisch biegt sich am Ende ein Stück fort – eine Gitarre? – Sie kommt näher, die Gestalt, ein junger Mensch, nähert sich einigen anderen, einzelnen, „willst du sie kaufen? Fünfzig Dollar! vierzig-“ ein verzweifelter Junkie, ein junger Mann, niemand kauft sie, niemand will sie.

                                                  So beginnt der Film. Doch man muß diese Bilder gesehen haben. Man könnte eine Szene, die dem Wortlaut dieser Beschreibung entspricht, auf hundert Arten drehen – aber nur ein oder zwei oder höchstens drei, die man glauben würde, wenn man das Gefühl haben sollte: so ist es. ROBERT DE NIRO ist mittlerweile ein Markenzeichen. Egal wie, er es macht, er kriegt es hin – bevor er überhaupt die Szene betreten haben muß – das man mitten im echten Leben ist,- so wie es ist. Es ist magisch. Er macht das Surren der Kamera, das sonst immer zu hören ist, vergessen.

                                                  Ein wundervoller Film. Ein bedrückender, ein gespenstischer, ein verzweifelter, ein angstmachender, ein deprimierender Film. Und doch nicht, nein, das Gegenteil davon: ein wundervoller, ein optimistischer, ein heilender Film, einer der zeigt: das Leben kann noch so beschissen sein: es gibt einen Weg – wenn man tapfer genug ist, ihn zu suchen und an ihn zu glauben. Es ist die Geschichte vom verlorenen Sohn oder Vater – es ist eine Geschichte zu Tränen zu rühren – eine Geschichte ohne Pathos, ohne falsche Akzente, so wahr, wie du und ich sind. Ich kannte einen, der genau so war. Ich nenne Robert de Niro in diesem Film Peter nach ihm.

                                                  Wie filmt man Realität?- so wie hier. Wie benehmen sich wahre Menschen? Nicht wie im Film. Wie reden sie? – Vielleicht nicht genau diesen Satz – aber sie gucken so, sie schneutzen sich so,- sie sagen die ähnlichen Sachen so ähnlich, betonen sie so. Und die Welt sieht so aus, genauso. Genauso heißt genauso. Das steht einfach so irgendwo so rum wie hier, die heruntergekommen, verlassenen Häuser – Versteck für Ratten und Junkies und Obdachlose und Leute, die nichts zu verlieren haben. Irgendwo dazwischen ein Strandcafe, Leute drin wie du und ich (wenn wir eine Geschichte haben und nicht in Rosenbetten auf die Welt gekommen sind),- und hier und da eine Menschenseele.

                                                  Robert ist Cop und heißt xxx. Er tut seinen Job und tut ihn gut. Mit seinen Kollegen kommt er gut klar. Er wohnt in einem Mietshaus, mit eine Mitvierzigerin zwei Stockwerke tiefer hat er sich angefreundet und ein vorsichtig vertrauter werdendes Verhältnis. Jeden Abend nach Möglichkeit holt er sie in dem Kino, wo sie beschäftigt ist, von der Arbeit ab. Eines abends klingelt das Telefon, niemand meldet sich.

                                                  Wir wissen, wer dran ist. Am andern Ende der Leitung zittert und zögert der Junkie, sein Sohn, wi wir bald erfahren werden, dessen Mutter er vor Jahren verließ, als der Sohn acht war, und den er seitdem nicht mehr sah. Er hat soeben, in Notwehr und unter Drogen, einen Dealer mit dessen Messer erstochen, der ihn seinerseits bedrohte. Dieser Sohn steht knapp vor dem Abgrund, vor dem Nichts. Wir beginnen zu ahnen, woher die desolaten Wurzeln des Beginns der schiefen Ebene, auf die der Junge geriet, an kurz vor deren Ende wir ihn nun finden, ihren Anfang nahm. Die eindringlichsten und glaubhaftesten Szenen des Films setzen den Kontrast dieser verlorenen Existenz, zu der vergleichsweise kuscheligen und geborgenen gesicherten Existenz des Vaters,- die man vorher beileibe nicht glänzend oder auch nur gutbürgerlich hätte nennen mögen,- in Gegensatz. Was für ein Wechsel: kurz nach dem anonymen Anruf, als das Telefon wieder klingelt,- er ärgerlich reagiert,- wechselt plötzlich der Ton: seine Freundin von unten ist, sie hat Sehnsucht und sähe ihn gern, er geht herunter,- die menschliche Wärme des Vertrauens bei aller noch vorhandenen, unabgebauten Distanz zwischen den beiden wird spürbar: ihr jeweiliger aus vielen Jahren des Lebens in einer modernen Großmetropole angesparter Druckpanzer, den auch eine Bekanntschaft seit einem Jahr nicht so mir nichts dir nichts zum Schmelzen bringen und wegzaubern kann. Diese beiden in ihrer Vergangenheit verletzten Menschen sind vorsichtig auf einem Weg zueinander, und es ist zwar ein igeliger, ein verletztbarer, ein empfindlicher -, aber ein wahrhafter, ein rücksichtsvoller, ein wahrhaft interessierter ,- ein guter Weg. Eine alte Dogge und eine nicht mehr junge, nicht sehr ansehnliche Frau, von ihren jeweiligen Erfahrungen gekennzeichnet und vernarbt,- die zu alt sind für Illusionen: aber immer noch jung genug für einen Traum jenseits von Einsamkeit, von vorsichtiger Annäherung.-

                                                  Dagegen die skizzierte – und umso eindringlichere- Verlorenheit des Jungen: in einer verlassenen, verreckten Fabrik hausend, eine Sperrmüllmatratze auf dem Boden,- am Strand unter einem Vorsprung als einzigem Schutz gegen Wind und Kälte,- hockend, die Stunde, die Nacht verbringend, allein, ohne Traum,- ohne jeden Weg in sich,- verlassen, einsam, keinen Vater, die Mutter hilflos, verbiitert, keine Stütze, kein Leitstern, nichts – nur die Droge, ihren schwarzen Schleier des Trostes – für Minuten, eine viertel-, eine halbe-, eine Stunde, betäubt, entronnen, das Loch nicht gestopft aber zugedeckt,- dem Blick entzogen: ohne Worte, nur mit eingen wenigen,- aber wahrhaft eindringlichen und glaubhaften Bildern erzählt – nahegebracht. Man kann das Elend und die Realität ohne Lüge aufnehmen: wie, weiß man erst, wenn man es sieht – vorgeführt bekommt. Diese Realität ist spürbar, man weiß, das es sie gibt; sieht man sie, weiß man, das es sie ist. S o - ist es.

                                                  Wenn es dem Vater nicht sonderlich geht: dem Sohn geht es richtig schlecht.

                                                  Die Dinge entwickeln sich. Die Filmgeschichte soll hier nicht nacherzählt werden. Die Verwicklung kompliziert sich, als der Partner des Erstochenen, ein brutaler motorradfahrender Kleingangster ein Exempel zu statuieren beschließt, um seine Glaubwürdigkeit als harter Brocken, „der seine Leute beschützen kann“,- nicht zu verlieren. Wir erfahren von der Existenz einer Freundin des abgestürzten Junkies; lernen seine Mutter kennen; die Polizei findet die in den Fluß geworfene Leiche und nimmt die Fahndung auf; Killer- Dad leitet die Ermittlungen. Die Hinweise verdichten sich auf den Täter; der Name des Sohnes fällt. Der Vater, seit Jahren ohne Kontakt, ist gefordert, erschüttert, ratlos, hin- und hergerissen; ihm wird der Fall abgenommen und auf seinen Freund-Kollegen übertragen. Der Rächer-Ganove setzt die Freundin des Gejagten unter Druck; sie hat ein Kind. Wir wissen nun, wer der Vater ist, und warum er, der selbst seine Mutter um Dinge erleichtert, die er in Rauschgiftkonsum umsetzen kann,- das Geld ausschlägt, das sie ihm anbietet, um aus der Stadt verschwinden zu können, obwohl sie selber arm ist; arm, aber immer noch reicher als er.
                                                  Nach dem Besuch des Gangsters bringt sie ihr Kind in Sicherheit – beim Großvater im Polzeidienst, der nun von seinem Enkel erfährt,- wie er vom Dasein seines Sohnes, nach Jahren, erste Informationen und Kenntnisse erhält,- den er aus seinem Dasein blendete, selbst verletzt, selbst traumatisiert durch den Verlust seines Vaters und seiner Familie, als er acht Jahre alt war,- was er nie verwandte,- und ihn so verletzlich machte, das er selbst seiner Zeit mit Flucht reagieren mußte. Die Dämonen der Vergangenheit erheben sich: vor seinen Augen zuerst, erst jetzt,- die Hilflosigkeit seines Kindes jagen sie seit Jahren unablässig, erbarmungslos, ruhelos, vor sich her, ausgepumpt.-

                                                  Wir begegnen der Mutter, einer hilflosen, überforderten, standhaften Person, vom leben gezeichnet,- aber nicht untergegangen: sie behauptet sich, zäh, in die Ecke gedrängt, liebenwürdig, soweit eine desolate Situation Menschen Liebenswürdigkeit lassen kann: sie möchte ihrem Kind helfen, weiß nur nicht wie. Ein Mensch in kompletter, vollständiger Defensive, geschlagen aber nicht endgültig besiegt,- und immer noch Mensch,- das heißt menschlich geblieben. Zwar würde sie gern helfen, wenn sie nur könnte,- und wüßte wie. Sie weiß es nicht. Der Drogenberater riet ihr, ihrem Sohn „keinen Cent, nicht einen“ mehr zu geben. Er will diesmal kein Geld. Er will aufhören. Er erstach vor wenigen Stunden einen Menschen – in Notwehr. „Wir rangen, dann war er tot“. Wir waren dabei, es war so. Er will ihre wenigen Dollar nicht. Er will ihren Glauben – an sich. Das er es diesmal schaffen wird – aufzuhören. Er weiß, er muß aufhören – sonst ist er der nächste, der stirbt. So oder so – erstochen in der Szene, erschossen von der Polizei – im Knast, ohne Stoff – ohne Zukunft – oder draufgegangen, während er drauf war. Ermuß aufhören. Er will aufhören. Er wird niemals aufhören nur sterben – wenn nicht jetzt. Er weiß, er ist kurz, ganz kurz davor – aufzuhören oder zu sterben. Beides ist unvorstellbar,- und doch führt kein Weg hin noch daran vorbei. So sehen wir ihn bei seiner Mutter – eigentlich ist es ein Abschied. Kurz bevor er, seit wann, wann je – aus einer öffentlichen Telefonzelle die Nummer seines Vaters anwählte – der auf dem Weg zu der bescheidenen Wärme seiner Freundin herunter war.

                                                  Die beiden werden sich wiedersehen. Die Ermittlungen bringen sie unbarmherzig Stück für Stück weiter zusammen. Der Fall wird dem persönlich nicht involvierten besten Freundes-Kollegen übertragen, als der Name des Sohnes als Hauptverdächtiger ermittelt wird – anhand des Täterfahrzeugs. Natürlich informiert sich der Cop über gewachsene Verbindungen über den Stand der Dinge. Der Freund, beim Versteck des Sohnes, wird von dem dort lauernden Gangster, der ihn mit seinem Ziel verwechselt, mit dessen bei einem Drogeneinbruch in eine Apotheke mitgehen gelassene Pistole erschossen, und kann fliehen – im Moment, als der Sohn zurückkehrt, der ihn auf dem Motorrad davonfahren sieht. Die Polizei hält ihn, den Sohn, für einen Polizistenmörder und eröffnet die Jagd auf ihn – und überwacht den Vater als Kontaktzielperson des Hauptverdächtigen, von dem sie weiß, das dieser seine Hilfe sucht, bzw. der Vater sie dem Sohn zukommen lassen möchte. Denn dieser ist hin- und hergerissen zwischen anfänglicher einfacher Polizistenmoral und allmählich wachsendem Eingeständnis von Zweifeln, eigenen Ängsten und Versagen: er spürt, er ist nicht unschuldig am Zustand des Täter-Sohnes, den er als hilflosen Achtjährigen ver- und sich selbst über-ließ. Als ein Sohn ihn tatsächlich noch einmal über Telefon kontaktiert,- vereinbart er einen anonym verklausulierten Treffpunkt aus ihrer gemeinsamen Zeit „von wo wir die Flugzeuge beobachteten“,- welche Information die Polizei, die, wie er weiß, mittlerweile sein Telefon routinemäßig überwacht,- nicht entschlüsseln kann. Er weiß, er muß den Sohn vor der Polizei finden und zur Aufgabe überreden, da diese ihn als Polizistenmörder nicht „ungeschoren davonkommenlassen“, d.h. exekutieren wird. Von seinem Chef zur Rede gestellt, stellt er seine Dienstmarke- und waffe zur Verfügung und ist vorläufig vom Dienst suspendiert. Er ist mittlerweile mehr Vater als Polizist. In seiner Wohnung kümmert sich derweil die Freundin, die eigentlich, geschockt von all den enthüllten Geheimnissen der abgründigen seelischen Vergangenheits-Verließe, Distanz zur emotianalen Verarbeitung einforderte, um seinen dem Großvater in Obhut gegebenen etwa anderthalbjährigen Enkel – die junge Mutter ist, verzweifelt und überfordert,- untergetaucht. Der Vater, um die Rettung seines Sohnes bemüht, schiebt den Enkel – wiederum- in die Sozialfürsorge ab, was seine Freundin, die diese Wiederholung der Fehler der Vergangenheit endgültig als Versagensbeweis für menschliche Verantwortungsbereitschafts-Übernahme nimmt,- zur vorläufig endgültigen Distanzierung in Form der Rückforderung ihrer Wohnungsschlüssel veranlaßt.

                                                  Vater und Sohn treffen sich unbeobachtet. Der Vater, nachdem er hörte, das sein Sohn nicht der Mörder seines Freundes zu sein behauptet, sondern den Dealerpartner des Erstochenen vom Tatort- seinem eigenen Drecksloch von Unterschlupf- flüchten sah, scheitert mit seinem Bemühen um Erledigung der Angelegenheit nach Maßgabe der Gesetze – „Sechs Jahre wegen Notwehr nur“ für den Sohn,- für den keine Gesetze der Welt und irgendeiner Gesellschaftsnorm „Sühne“ oder Heilung oder Geltung oder Ersatz für seine brennenden inneren Verletzungen oder Gefüge bieten können; sie leben einfach in verschiedenen Welten,- auf verschiedenen Planeten, selbst der nah voraussehbare Tod ist mittlerweile ohne Schrecken und Furcht und kalkulierbar geworden – einer Erlösung ähnlicher als einer Qual. Der Vater registriert mit Entsetzen, das er sein Kind weder erreichen noch retten kann – er ist hilf- und ratlos, während dieser wieder im Dunkeln verschwindet, während seine selbst für ihn falsch klingenden hilflosen Appelle verhallen.

                                                  Am nächsten Tag macht sich der suspendierte Vater-Cop selbst auf die Suche nach dem Dealer-Ganoven, der seinen Sohn versucht zu töten. Er sucht Orte innerhalb der Szene auf und stellt ihm eine Falle, und verfolgt ihn bis zu seinem Drogen-Versteck. Während er dort eindringt, wird er vom Gangster seinerseits überrascht und gestellt. Im folgenden Gespräch stellt sich heraus, das dieser es war, der seinen Polizisten-Freund erschoß – und er seinen Sohn, sobald er dessen habhaft wird, töten wird. Die Polizei, vom Vater vor dem Einsteigen ins Versteck alarmiert, kreuzt mit schwerem Geschütz und voller Einsatzbereitschaft auf. Als der Dealer den Vater im Begriff ist zu töten, krachen andere Schüsse – der Sohn, der dem Dealer seinerseits im Begriff war aufzulauern,- welcher nicht nur ihn, sondern auch seine Freundin und Sohn, den Enkel des Polizisten,- zu töten drohte,- verhütete im letzten Moment die Exekution des Vater-Polizisten durch den Dealer.
                                                  Während sich draußen die volle Einsatzbereitschaft der Polizei bereitmacht, mit Hubschraubern, Flutlicht und Scharfschützen, das Gebäude zu stürmen,- um den vermeintlichen Polizistenmörder- den Sohn – zur Strecke zu bringen, überlegt der Vater verzweifelt, wie er den Sohn einerseits zur Aufgabe und andererseits seine Kollegen von der Unschuld seines Kindes am Tode seines Freundes – und vor dem rächenden rücksichtslosen Zugriff bei Inkaufnahme der Tötung bei jeder falschen Bewegung durch seine Kollegen – schützen kann.
                                                  Der Sohn gibt sich längst verloren und will nur noch ein schnelles Ende statt jahrelange Verhungern ohne jede innere Halteperspektive im amerikanischen Knast. Vater und Sohn beginnen ihr letztes Gespräch im Angesicht des Todes. De Niros Kunst macht dies Gespräch gleichzeitig unwiedergebbar und zugleich glaubhaft. Es gelingt ihm, dem Sohn deutlich zu machen,- das er ihn niemals nicht liebte, sondern nur selbst so verletzt war,- das er nicht für ihn dasein konnte – und das er jetzt bereut, nicht ein besserer Vater gewesen sein zu können – und das er, jetzt, entdeckt habe, wie sehr er ihn liebe – da er immer und niemals aufhören würde, sein Sohn sein zu können – da er es sei, und er sein Vater – das diese Liebe existiere, weil sie beide existierten,- und das sie ihr nicht entkommen könnten,- und er flehe ihn an, flehe-, das er seinerseits nun nicht seinem Sohn und Enkel, das antäte, was er, aus Blindheit, ihm seinerseits angetan hätte. Der Sohn erkennt, das der Vater, den er immer nur scheu und aus der Ferne niemals hatte aufhören können zu lieben-, erkennt die Aufrichtigkeit dieses Bekenntnisses und kehrt in die Arme seines Vaters zurück – der im selben Moment den schußbereiten Scharfschützen hinter dem Visier auf dem gegenüberliegenden Dach entdeckt. Er reißt den Sohn herum,- und fängt mit seinem Körper die Kugel auf – welche ihn am Arm verletzt.
                                                  Die Polizisten stürmen das Gebäude. Der Vater schreit, schützend vor seinem Kind es mit seinem Körper deckend, was es tun und wie er sich verhalten soll. Der Junge Mann möchte man kaum sagen, der wieder zu einem zitternden Kind geworden ist, das seinen wiedergefundenen Vater nicht gleich wieder verlieren will – ob durch eigenen oder seinen Tod- tut, was der Vater vorsagt,- folgt jeder seiner Anweisungen,- und so gelingt es der Polizei nicht, ihrem vorbereiteten Drang zur Vergeltung und rücksichtslosem vermeintlichem – und doch auch verständlichen- Selbstschutz den inkaufgenommenen Weg – der Tötung des Sohnes „bei bewaffnetem Widerstand gegen die Festnahme“ – zu Ende nachzugehen. Der Sohn, vom Vater wie er selbst mit erhobenen Händen, am Boden knieend, weitgehend mit dem eigenen Körper bis zum letzten nervösen Moment der Festnahme gedekt,- wird unwillig abgeführt. Der Vater redet auf die Polizisten ein, das der wahre Täter, der ihren Kollegen erschoß,- dort hinten, selbst leblos, liegt.

                                                  Schlußeinstellung: Daddy-Cop, und der etwa zweijährige Enkel sitzen zu zweit am weit verlassenen, brandenden Strand. Offensichtlich hat der Großvater die Erziehung seines Enkels doch an- und auf sich genommen. Ihr Gespräch ist vertraut, und läßt auf eine innere Bindung schließen. Die Freundin des Polizisten ist nicht zu sehn, eine Versöhnung offengelassen- es wäre auch zuviel Unwahrhaftigkeit gewesen (wenn es auch möglich wäre,- aber das tut hier nichts zur Sache). In diesem minimalistischen Film der reduzierten nackten Tatsachen, die allein der Wahrheitsfindung zu dienen haben, wäre dies auch nur schmückendes, überflüssiges Beiwerk. Es ist, ohne sie notwendig auszuschließen,- in diesem Augenblick nicht notwendig, das sie da ist.- Enkel und Großvater, im Liegestuhl und auf der Lehne, zwischen Plastik-Sandspielzeug,- reden über Alltägliches, erste Wörter, die der Junge, an Aufnahmen aus dem „ersten Eheleben“ des Vaters erinnernd,- wiederholt. Sie reden über eine Reise. „Rei-se-“, übers Fliegen „Flieken“. Möchtest du fliegen? „Flie-ken“ mit Opa? „Ja“ mit Tonio und Opa? „O-pa, To-ni“ bald werden wir, ja, wir werden eine Reise machen mit dem Flugzeug, nach Key West möchtest du nach Key West (dem jahrelangen Sehnsuchtstraumfluchtziel des Sohnes) „We-st“ fliegen mit Opa und daddy und Toni möchtest du? „JA, flie-ken!“ --

                                                  Zum Abschluß zu sagen: den Sohn spielte ein junger Schauspieler namens Jason XXX. Er machte das so gut, das er neben Robert de Niro gleich bestehen kann, auch wenn dieser im Film (natürlich?) mehr zu tun bekommt.
                                                  Aber wenn dieser Film so gut ist:
                                                  Dann deswegen, weil beide Seiten des großen Gegensatzes ihren Teil voll einbringen und erfüllen. Die schauspielerische Leistung rundum ist grandios sie ist echt echt. Mehr als echt geht nicht. Und in diesem Film gibt es – dort – keine Schwächen. Der Film endet, wie er begann – ohne ein einziges Rutschen aus dem Film, der aus der Straße kam, heim ins Kino und dessen Sessel. Ununterbrochen war man unterwegs; und man ist gerührt und erlöst am Ende – und mag wieder, an ein -gutes glauben,- in all der Kacke, die deswegen fortbesteht – aber doch bestehbar bleibt, egal wie zäh.
                                                  So bleibt der Film wie eine Melange: er beschönigt nichts, er hält mit keiner Wahrheit hinter den Berg,- und er zeigt doch, das es die Möglichkeit gibt, mit all diesem, das nicht das Wichtigste ist, fertig zu werden- denn wir süren jetzt, was das Wichtigste ist, das – und -wenn es diesen drei gelingt – und gelingen möge – zusammenzubleiben, egal, wie schwer es noch werden mag, und es wird nicht leicht werden. Aber es wird machbar sein – wenn sie sich haben. Wird alles gehen. Und bleiben. Beieinander.

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                                                  • 5 .5

                                                    Ab und zu passieren Zeichen und Wunder: während viele Filme aus allen Ländern, gewollt oder nicht, in den unwiderstehlichen Sog der führenden Lichtspiel-Industrie der Welt geraten und mehr oder weniger aussehen – oder sich anfühlen wie Hollywood-Produktionen, bricht hier ein Projekt aus dem Home-Land mit der Regel: dissidentes Alternativ-Kino ganz nah dem Ursprung entschlüpft, wie ein frisch dem Ei entsprungenes Mäuse (oder Ratten?)-Baby.

                                                    Natürlich geht so etwas nur Low-Budget. Die Überraschung : es sieht gar nicht danach aus. Es funktioniert, weil der raffitückische Ansatz gleich eine Menge sonst benötigte Fragen,- und Antworten erspart. Worin besteht? – ganz einfach: auf dem Bildschirm zu sehen, ist schlicht ein im Besitz des US-Verteidigungsministeriums befindliches privates HomeMade-Video, aufgefunden, in einer Art Posthum, im Katastrophengebiet derjenigen Ereignisse, die es dokumentiert,- als Augenzeugenbericht.

                                                    Augenzeugenbericht: ist das Schlüsselwort. Das erspart, worum sonst kein Film herumkommt: eine >komplette< Geschichte zu konstruieren, mit Anfang, Mittelteil und Schluß, einleuchtende Charaktere zu erzählen, eine gott-gleiche allwissende Perspektive zu berichten, Schlüssigkeit und logischen Zusammenhang zu erweisen, Spannungskurvenarchitektur-Regeln gehorsam zu dienen, und Schritt für Schritt einen stringenten Handlungsaufbau zu bewerkstelligen.
                                                    Natürlich muß –„das“ – jeder funktionierende Film. Mittels dieses „improvisierten Ansatzes“ jedoch verändert sich das Grundgerüst der Filmregel: wir sind von der ewigen Beweislast- und diesbezüglicher Bringschuld befreit, und dürfen ruhig ein paar sonst übliche Erwartungsgewohnheiten brechen: zum Beispiel die des Happy-Ends (der Film hört an geeigneter Stelle, wenn er gebracht hat, was er bringen wollte,- einfach auf,- mittendrin). Mittendrin? Was wurde aus dem Monster? – Egal. Manhattan liegt in Schutt und Asche, jede Menge (80 Minuten) Terror wurde verbreitet, unsere übliche Alltagsgewohnheit-Wahrnehmungsperspektive zerstört,- und als Hinweis auf das doch nicht erfolgte Ende-der-Welt muß genügen, das es offensichtlich – nach diesen Ereignissen noch ein >Ministerium< gab, das solche Dokumente archivieren konnte; mithin der Ausgang des Kampfes letztendlich (im menschlichen Sinne) entschieden wurde (obwohl auch das Interpretationsspielraum läßt). Und genau das läßt diesen Film funktionieren: der Freiraum, den er schafft, indem er sich von sonst allherrschenden Korsett der Handlungsaufbau-Vorschriften befreit, um seine eigenen zu erschaffen,- und zu befolgen.

                                                    Bevor >Cloverfield< zum Actioner mutiert, dokumentiert er, gemein zu sagen, Yuppie-Alltag; gemein deswegen, weil reich und schön und erfolgreich in d e r symbolischen Mega-Metropole der Welt – welcher wohl?- nicht automatisch zum Yuppie stempeln,- will sagen, degradieren. Der jungenhafte Schönling ist zwar gerade als „Stellvertretender Vorsitzender“ nach Tokyo abkommandiert; trotzdem ist ihm der karrierepräzise Geschäftsmogul kaum abzunehmen (außer es handelte sich um Studiogelände d e s anderen Konkurrenz-Molochs der Welt, Los Angeles nämlich, wo solche unwahrscheinliche Konstellation nicht realitätsausschließend wäre). Wie auch immer,- eine Home-Party der Aufstrebenden Jungen und Schönen: die Frauen makellos, die Boys intelligent, sprüchegewohnt und urban. Bewohnen in der Entourage hochgelegene Appartements mit Blick auf CentralPark und Fifth Avenue, LowerManhattan zu Füßen, ausgebreitet (kostet gekauft-wie-besehen das eine oder andere Milliönchen). Gehen wie gesagt abendlich auf Verabschiedungs-Partys von Einem der Ihren: der hatte vor ein paar Wochen ein vielversprechendes nacht- und körperübergreifendes Techtelmechtel mit Einer-der-Ihren,- und stecken so richtig mittendrin im allzugewohnt bekannten persönlichen Durcheinander- &-Schlamassel; das übliche Tohuwabohu halt. Die zwanzig Minuten Intro (bevor es >losgeht<) sind nur scheinbar vertane Zeit; ganz im Gegenteil, subtil unter der Hand werden die Richtlinien des Films festgelegt,- eben vor allem die Atmossphäre der „Authentizität“ geschaffen, von der im Folgenden alles abhängt, quasi das Bedingungsgeflecht des Films,- und nebenher die Abarbeitung der Charaktere miterledigt. Da wären: das Alphatier (der Tokyo-er), sein Bruder, dessen Freundin, der beste Freund, der die Aufgabe der Video-Dokumentation aufgedrückt bekommt,- dessen erotisches Interesse an einer der Partygästinnen, und, im Überspiel-Modus, das Vorgeplänkel der Geschihcte zwischen Beth und Rob-, dem Verabschiedeten - & auch zugleich (eunem der) „Hauptdarsteller“ der Filmerzählung.
                                                    Nach zwanzig Minuten sind wir gewöhnt an: die technisch-emotionalen elementaren Beziehungen zwischen den Protagonisten, ihren wiedererkennbaren Realitätsbezugs-Grad (also wie wenig theater-künstlich oder ‚real‘ sie auf uns wirken / wollen, und das gelingt ihnen ziemlich gut) sowie auch an zugegeben recht mühsamen „amateurhaften Wackelbild-Status“ des Darstellungs-Outfits: war das wirklich so krass unhandlich nötig, um unsere „Sehgewohnheit“ zu brüskieren und uns „zu befreien“? – etwas weniger unkomfortabel hätte es, meiner Meinung nach, auch getan. ‚Sei es wie‘s sei, so ist es‘. Wer den Film schauen will, muß also dadurch, punktum. Sollte man es? Aber natürlich, alles in Allem: lohnt es sich.
                                                    Womit wird man belohnt? – zuerst einmal also: einer ziemlich fühlbaren Realität (wenn auch viele diese Yuppie-Perspektive wohl als integraler Bestandteil wohl nicht teilen wollen würden). Immerhin anzuerkennen: als möglicherweise irgendwo real doch akzeptiert. Dann eine Erschütterung: Gebäude-Schockwelle, Lichtflackern, Fernsehnachricht lokal (in der Weltstadt) : vom Dach aus müßte man die Ursache sehen können. Das unmittelbare Muster der Reaktionen: die Kamera, auf der Schulter Eines-der-Ihren,- dokumentiert: aus der Erlebens-Perspektive: nicht im Zentrum des Geschehens,- sondern einer Involvierung am Rande (gewonnene Freiheit)(der Filme-Macher).

                                                    (Unterbrechung)