craax - Kommentare

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  • 5
    über Rocky

    Auf die Fresse - Rocky Stallone
    Eine Entwicklung vom Tellerwäscher an

    Dies war das Rocky I-V–Wochenende. Der Eindruck:

    „The Italien Stallion“ – nicht umsonst die Umlaut-Remineszenz.
    „Sly“ war 28, arm und arbeitslos-einfacher Familienpapa, als er (selbst) auf die Story kam und schrieb – und durchsetzte, das er die Hauptrolle übernahm. Rockys Traum ist – oder war – Stallones Traum, bevor er Rambo wurde. Sympathieretter: seine Karriere zerbröckelte dann allmählich. Rocky war sein größter Erfolg. Und was ...träumte ihm?

    Einer jener Körperfilme, die so mit Conan der Barbar, der Schwarzenegger-Ära, einsetzten. Der Körper war das Filmprogramm, nach bescheidenen Johnny-Weißmüller-Anfängen,- und Stallone hat sich redlich geschunden und gequält, um seinen Körper echt Rocky sein lassen können zu dürfen. Aber es handelt sich um eine Abart des american dream : in dem nämlich nicht nur jeder Amerikaner, sondern auch bloß bestimmte amerikanische Körper „es schaffen“ können. Die Möglichkeiten eines Körpers (abgesehen davon, das ein normaler Bestandteil dessen üblicherweise auch ein Gehirn ist) sind allerdings begrenzt. Da gibt es als Hauptargument neben kreatürlichem Ausdruck (gar Schönheit) doch auch Muskeln, Fäuste, und Aktion. Und wenn man also von normal-durchschnittlicher Hirntätigkeit abstrahieren will, unter dessen Gürtellinie man zu bleiben hat,- kann man sich noch bis zur Obergrenze des Willens als Zugehörigkeitslimit hochversteigen. Damit ist das Ausdrucksinstrumentarium allerdings auch schon komplett : Muskeln und Willen.

    Wenn man beim Willen noch die Höchstgrenze zulässig überschreiten will (etwa wie der Toleranzabzug beim Geschwindigkeits-Blitzen oder die geduldete Konto-Überziehung) landet man in der Vorstellungswelt eines Vierzehnjährigen von Sternenzugriff und Größenrausch und Aufhebung jeder physiko-realen Limit-Schranke, die uns Sterbliche in Grenzen bannt: der Superman-Sehnsucht, das einem Nicht-mehr-ganz-Kind gemäß und erlaubt und sympathisch- sogar fördernd ist (weil es seine Ziele moralisch positiv abstecken- und abrunden hilft): einem Dreißigjährigen allerdings steht so eine pubertäre Haltung nicht mehr recht angemessen ins zerbombte Gesicht. Nur noch in einem Amerikanischen Traum, welcher eine Art fixe Idee für verschaukelbare Erwachsenwerdens-Resistente ist. Rockys IQ wurde dieser Erwartens-Hürde angepaßt: ein Herz aus Gold und ein Wille aus Stahl in einem standby-hirnigem Körper. Jener Wille, der in einer Welt, die innerhalb dieser Grenzen angesiedelt ist,- eben so weit kommen kann, wie es möglich ist : wenn es keine Möglichkeit des Aufgebens,- nur des Totgeschlagen-Werdens alternativ,- gibt. –
    Soweit, wie eine Welt, in der es keine erlaubte Niederlage gibt (denn Du kannst, was du müssen willst!), also reicht, erstreckt sich Rocky‘s Welt. Triumph des Willens. Nicht eben buddhistisch.

    Es mag eine Menge,- vielleicht sogar die der meisten Menschen geben, die in dieser (Rockys) Welt leben, und scheinbar gern leben (der Erfolg gibt ihnen recht). Diese müssen sich, da dem Supremat des Siegers (etwa nach einem Kriterium wie: „Ich bin der Größte“ – oder Stärkste- oder Schönste) notwendig-logischerweise viele Niederlagen zuortenbar sind (oder wieviele Weltmeister gibt es auf jeden Anwärter?-),- damit abfinden, - das wenn sie eben nicht einsame Spitze sind, nunmehr das bedrückte Fundament, auf dem die Spitze thront, zu bilden - haben. Es formt sich so ganz natürlich eine auf einer Ecke balancierende Raute. Die Diagonalen und sonstigen mathematischen Relationen innerhalb dieses geometrischen Körpers würden in Schwerelosigkeit von natürlich relativ-ausgewogenem Gegenbezug sein; tritt aber, wie nicht anders sein kann(?), notwendig Schwerkraft hinzu, erhält simultan jeder einzelne Punkt innerhalb der Konstruktion seine einmalige Ausrichtung nach absoluten Maßstäben, erhält sein Nord und Süd, sein Schräg-rechts oder Mittig-Links oder mehr oben oder weiter unten nach Maßgabe der Kraftlinien, welche sein Inneres durchfließen,- und so, wie Eisenfeilspäne um ein Magnetmuster sich anordnen, jeden Punkt des inneren Vierecks-Bestandes nach dieser Kraft-Ordnung richten - vom alleruntersten Spitzen-Ruhdruckpunkt– zur gegenüberliegenden, ganz weit dort oben in leicht schwankender höchster-, sturzgefährdetster Extremspitze hin gemäß dem Diktat der alldurchwirkenden: - ich bin die Stärke, ich bin das innere Gesetz, ich bin die - SCHWERKRAFT – .
    Wer die Massenanziehung akzeptiert, weil er wollen muß (und wer entkommt ihr schon auf Erden?), der akzeptiert diese Festlegung der absolut bestimmten Örtlichkeit innerhalb der Gruppe, sein Ost und sein West, sein Oben und Unten.

    Das ist Schicksal. Das zu akzeptieren, - amerikanisches Gemein-Schicksal. Wer den amerikanischen Traum generell als sein Lebensprinzip akzeptiert,- akzeptiert damit also höchstwahrscheinlich sein eigenes mittig gelegenes Schicksal,- oder gar -Versagens-Schicksal, wenn ausschließlich der oberste Pyramidenspitzen-Ort der Leitstern -, das Leitplanken-Ziel,- die Leitideologie,- der Leithammel ist. Man muß ja nicht nach diesem Stern greifen! Dies bleibt ohnehin dem oberen spitzenzugewandten nächstbenachbarten Sahne- Drittelchen nur realistische Vorstellungsmöglichkeit; Für alle anderen bleibt der Weg, statistisch verifizierbar, zu lebenslang. - Und manchmal, manchmal geschieht das WUNDER – immer wieder, da die Spitze, sich zwar ständig neu ordnend, doch immer stets auch vorhanden bleibt (stellen Sie sich ein Viereck ohne Ecken vor!) ,- ein Weg durch die Gassenmenge sich auftut,- wie ein Fettklümpchen nach oben dringt oder dem Gesetz von spezifischer Dichte und Wichte gehorchend – ein unscheinbar-beliebiges Ex-Körnchen,- innerer Bestimmung höherer physikalischen Wichte folgend, sich aufhebt und anhebt und emportaucht zum vorbestimmten,- ihm allein zugehörigen Platz – dem des leichtest wiegenden, innerlich am porösesten gestalteten Teil des Ganzen, dort nach oben,- in singuläre Exklusivität - schwankende Spitze des Zuoberst Gekehrten. Wie atemberaubend -! Was für ein Abenteuer -! Tausende träumen davon – porös-, gar das Poröseste zu sein. Doch nur eines, ein seiner Durchsichtigkeit selbst kaum inne sein müssendes Teilchen,- kann nur dieses eine ganz aller-einste auserwählte Teilchen aus dem Gänzlichen sein. „Das“ Schwerste, „das“ Krümmste, „das“ Blondeste, „das“ Stärkste – komisch, seltsam, bezeichnend-?...das es dieses Gewusel und Gewirre-, dies Flirre und Gezerre um „das“ Klügste oder „das“ Sanfteste oder „das Gutartigste“ nicht gibt oder nicht zu geben scheint? ...Unverstehbare und verwirrende mysteriöse und geheimnisvolle Welt, und doch so schön. -

    Aber sie ist voller Undurchschaubarkeiten, manche müssen unerklärlich und unerwiesen einfach hingenommen werden.- Was bleibt, ist die massenhafte Existenz der dicklichen Mitte – oder etwa noch weiter abwärts. Ein Ort hier ist im Gedränge -, wenigstens niemals einsam. Man schaut, eingedenk seiner Beschwerlichkeit, heimwärts, Engel,- gen oben linsend, ob ein Spalt sich auftäte, der im Geriesel und Gerinsel ein wenig aufwärts weisen-, lüpfen drücken-, sich ab-stützend empordienen könnte –Druck von allen Seiten ist hier stets die Gegenwärtigkeit. Man gruppiert sich um und rührt und rutscht ein wenig von der Stelle und auf der Stelle, und hält doch stets die zugemessene Region – Fluch der Physik innerer Trägheits-Dynamik und Bestandteils-Bestimmung,- des Gehorsams gegenüber dem Gesetz. Wer Anziehungsbindung akzeptieren muß weil er Schwere spürt,- dem bleibt wenigstens der Blick nach oben, und der Traum – wie es sich dort wohl sein und leben ließe. Wie fühlt es sich wohl an, wenn man porös genug dafür ist?

    Er tröstet sich und er muß sich trösten lassen mit dem Bild des Königsglanzes vor Augen – einer Dynastie, der er selbst angesichts seiner Beschaffenheit nicht zugehören kann außer im -, wenn pflichtschuldigst erfüllt -, fernem Bewunderungszoll von erprobter Wichte UNTEN nach vorgestelltem lichtem Glanz OBEN. Wer sich eine Welt in Hinsicht auf Erfolg in ihr in seiner Vorstellung gehorsam erschafft (weil erschaffen muß, siehe oben), erschafft in Wirklichkeit (es ist nicht anders möglich) eine Welt einsamer Spitzenstellung und vielem umgebenden – untergebenden - Kroppzeug. Wer den Top of the - Kings of armour – akzeptiert : akzeptiert in Wirklichkeit eine Welt der tausendfachen Mittendrinne-Untertänigkeit, gegen dessen erdrückende Realität ein singulär expressives Königs-Schicksal kaum ins Gleichgewicht fällt.
    Denn die Könige sind in Wahrheit für die inneren Schaubedürfnisse des Volkes da wie Leuchttürme und Orientierungspunkte, und nicht umgekehrt. „Die Königs-Erwähltheit ist das Opium des Volkes“, mit dem Karl-Friedrich frei zu reden. (Der Boß selbst allerdings erlaubt sich, die Sache umgekehrt zu betrachten). - Wer mit genügender Zahl anderer zusammen an den Chefetagen-Modus prinzipiell glaubt: installiert eine um so unentrinnbarere Käfig-Existenz nach der Gesetzlichkeit der Schwerstkraft für allen mediokren Rest. Man sieht, ich glaube nicht an den amerikanischen Traum,- ich halte ihn für unmoralisch. Präsident der Usa könnte ich mit dieser Einstellung kaum werden, nicht mal Konzernchef, nicht mal Abteilungsleiter, eventuell Vorarbeiter-? Da das Zauberwörtchen, das alle Türen der unteren Etage aufschließt, darin vorkommt, vielleicht. –
    Aber die USA sind keine Chimäre,- Präsidenten und Weltmeister im Mittel- und Schwergewicht auch nicht: sie sind eine Realität.

    Rocky ist wohl, so unglaublich es klingt, ein Abbild nicht der, aber einer tatsächlichen -, einer inner-äußerlichen, einer wie’s scheint vorhandenen Realität. Rocky ist kein Traum. Und damit auch nicht einmal ein schlechter. Für einen, den es also nicht gibt, kein schlechter Traum, denn den es nicht gibt, ist nun einmal keiner. - Und wollen wir also hoffen, das es so ist.

    Wenn es so scheinen sollte, das es ihn doch geben sollte, das es ihn gibt : wollen wir von Herzen träumen, das wir noch einmal mit einem blauen Irrtums-Auge davon gekommen sein werden.

    II
    Viel spricht allerdings dafür, das es nicht so ist ( das wir uns also irren, das es ihn nicht gibt, den amerikanischen Traum). Vieles spricht dafür, das Rockys Traum geteilt wird. Viele Menschen, die den Film sehen, und sich anrühren lassen von seinen Sehnsüchten und Triumphen, teilen genau diesen Traum. Viele Menschen, die glauben, das man die Mißerfolgs-Möglichkeit mit Fäusten zerschmettern,- ihr so entrinnen kann, glauben weiterhin an den Circus Maximus (so heißt in der Tat eine Box-Arena im dort angesiedelten Film-Kunstvokabular) - und eine in seinem Bannkreis nieder-ringbare Lebenskrone. Auch Neandertaler (von denen es so wenige nicht gab noch gibt...) müssen, um sich in diesen all-gemein- amerikanischen Traum teilen zu können, eine faire Chance zum Weg an die Spitze sich weiterhin glauben und sich bewahren können: für diese Sub-Spezies ist Rocky installiert und zuständig. Begeben wir uns damit zu seinem sympathischsten Aspekt.

    Der erste Teil des Rocky-Quintetts (mittlerweile soll es sich ja um ein,- mittels Heirat zur linken Hand - konkubinatisches Sextett handeln) – gefällt mir persönlich weit am besten. In ihm, dem Beginn der Reihe ( die erst daraufhin nicht umsonst eine wurde) ist am wenigstens Anspruch auf Allgültigkeits-Ideologie und Rocky am real-menschlichsten, einem realen Menschen und keinem Strategie-Produkt am ähnlichsten: zwar kein oberfixschlaues-, sondern sehr schlichtes Gemüt,- aber mit dem Dampfhammer-Grove- Drive, einem glaubwürdigen persönlich-bescheidenen Traum von Lebensversuch- und –schicksal,- und legitimen Herzschmelz-Ambitionen – und schließlich eingesegneter individuell realistischer Erfolgschance. Noch kein ausgreifender „Gesellschaftsvertrag“, sondern ein einmalig authentisches Lebensschicksal. - Das geht in Ordnung, weckt Sympathie und zunickendes Einverständnis und vereinigt ein anfeuerndes Publikum dahinter wie ein Mann. Mit diesem eingehegten zumeßbaren Triumph- Traum mag man mitfiebern und einverstanden sein. Dieser fiktionäre Erfolg sei auch Stallone, dessen persönliches Traumschicksal es realiter war, gegönnt. Schade, das er bei diesem Hungerbefriedigungserfolg nicht stehenblieb; das er höher und immer höher seinen Jugendsublimierungs-Weiterwahn hinaufzustapeln-und zu -schrauben -wußte und –mußte : wachse-oder-weiche-Wahn,- zu einem Kontinents-, schließlich weltergreifen-meinenden Anspruchs-Kontext der !Erfolgsverabsolutierungs-Maschinerie der einzigen Durchsetzungslegitimation im Äußeren. - Dem Tanz ums Goldene Kalb. - Das reich bezahlte Kalb ist dabei nicht das Goldige /des Reichtums selbst, welcher für Rocky genugsam auf seine wahrhaft minore Bedeutung : als bloße äußere Rückstau-Projektion der Umwelts-Gloriole für Helden und den ebenso wähnlichen Horizont des häuslichen Rocky-Umkreises (ohne doch diesen selbst zu korrumpieren) zusammengestaucht wird (Rocky zu seiner Adrien :„...nicht an die Dinge glauben, die man ersetzen kann: Häuser, Reichtum, Autos...“) ,– ... sondern den eigentlichen Kälbchenwahn des ERFOLGs an sich-, den pubertär-bedürftigen Glauben des An-Sich-selbst als Besten... und dieser Glauben ist an SIEGes-Heil gekoppelt: an den auserwählten einen Platz an DER SPITZE, den einsamen, elitären, unikaten Platz dort, der alle und den ganzen Rest der Welt auf nachfolgende Ränge verweist und notwendig verweisen muß. Rockys Glauben macht einsam. Er läßt gerade noch genug Platz für ein gewisses Paulies‘(in Maßen), einen Trainer und Schwergewichtsfreund und ein Söhnchens‘ und ein Weibchens‘ und sonst -, höchstens noch -, geschätzte Rivalens-Gegner (wir reden nicht von Feindschaft, die nichts für einen Rocky ist. Er ist mit seinem erwählten Päckchen auch so genug beschäftigt und ausgelastet -). - Denn es geht in Wahrheit und letztens um den TITEL. Und den Titel kann nur der Eine-der-Wahre (Rocky) tragen. Rockys Welt ist, all seinem Sympathie-Werbungskosten- Einschlags-Eintrag entgegen, eine zutiefst UNSOLIDARISCHE. Rockys Stärke ist die Konkurrenz. Rocky arbeitet nicht mit -, sondern gegen die anderen, der Rest (bis auf Abgezählte) sind Mitläufer, Zuträger, Jobkonforme, Bewunderer zweiten oder darauf folgender Ränge – die Richtung ist klar,- denn es gibt sie ja, die Gerichtetheit (nach oben gegen unten). - Wer mit Rocky mitfiebert, hat anders ein Faible für den devoten Hundeblick von unten nach oben, der insgeheim davon träumt, auch einmal Leitwolf sein zu können,- um alle auf ihre Plätze zu verbeißen dürfen. Es ist wohl der Traum der stets Verbissen-Wordenen – und Verwiesenen – vom einmal einst Zurückgebissen-haben-werden-können – aber bisher und stets (und weiter) ...nur im amerikanischen Traum, von freier Konkurrenz- und Siegessage.

    Die Unterzugeordneten haben dabei stets- und machen ranggemäß Sitz auf vorgemerkten Parkplätzen (mit zeitlich unbegrenzter und vorausüberwiesener Nummernschild-Reservierung) in dieser Welt: die, die sich eben von Natur aus oder Kindsbeinen an einfügen-, unterordnen können, weil sie ein Oben akzeptieren, das nicht für sie ist, nur sein könnte. Rockys Welt ist die Arena des Hahnenkampfes und der Hühnerhof-Hierarchie. In dieser Welt sind Verhältnisse erst dann geklärt, wenn die Rangfolge aus- oder vielmehr niedergekämpft feststeht. Bis dahin gibt es leider keine Ruhe, innerlich. Die Rocky-Innenschau braucht hier und vor allem nur eines: Gewißheit. Who’s best? - und sie glaubt, das man die Besten-Frage über die Einhand-Liegestützen-Frage ausreichend klärend diskutieren kann. Wer die meisten Beugungen schafft, und die meisten Abschläge einstecken kann und doch Kopf und Herz oben behält,- darf,- muß vielleicht nicht unbedingt,- darf jedoch auch sanktus‘salbter Thronkandidat höchster Weihe sein (schon gut,- die Simplergestrickten wissen, das es auch den ausweglosen Cleverprimat gibt). Und doch rechtfertigt ‚Rockys‘ eigener auch den prinzipiellen Glauben daran, das ebenso die, welche nichts denn nur ihren Körpermuskelschmelz (ohne gleichen-der Gehirnakrobatik-) haben, zumindest theoretisch wenigstens gleichfalls Königs sein werden – dürften, wenigstens in der Theorie obwohl- Rocky-! Rocky ist somit ziemlich archaisch strukturiert,- eine Reminiszenz an die Frühzeit der Menschheitskultivierung,- und damit für viele eine uralte Bastion (letzten) Trostes. Viele mögen an die Moderne nicht glauben. Viele fürchten, an die Moderne glauben hieße, an Manager, Politbarone,- an Funktionäre, an Bürokratenschimmelhengste und Aktienfüchse zu glauben und den somit beglaubigten Führungsanspruch,- denen die meisten der Beherrschten (gottseidank) jedoch nur Menschheitsabdankens-Qualitäten zumessen mögen : der Welt der Bonzenblöße und aller Perfide-Wasser-Gewaschenen. Dann lieber immer noch ein schlicht- gediegener Rocky. Simpel aber aufrecht. Eine Dampfhammer-Nostalgie, die Durchsetzensstrategie-Sehnsucht des Aller-Einfachsten, des Nachprüfbaren, des Verifizierbaren – wo im Modernen doch alles außer dem Füchsischen oder Verklausulierten versumpft und steckenbleibt und versackt -, und nichts mehr zur verdienstgemäßen Entscheidung kommt – alles im Kreise, und im schiefen dazu, läuft. - Rocky ist die einfache Sehnsucht nach Gerechtigkeit, nach Übersicht, Durchblick und Verdienst. Rocky ist eine äußerst überschaubare Welt. Rocky ist eine prästabilisierte Weltharmonie, in der das Gute und Rechtmäßige prädestiniert den Sieg erringt. Rocky ist so einfach. Einfach Rocky. Rocky ist die Sehnsucht zurück in die Welt der Ewig-Dreizehnjährigen, in der Siege noch mit den Fäusten (oder Messern? oder Pistolen? als Faustverlängerung) erringbar scheinen und bleiben. Rocky ist der Traum von einer verstehbaren und einverständigen Welt. Rocky ist ein Traum von einem Mann. Der Mann ist ein Amerikaner, ein einfacher Amerikaner, ein einfacher amerikanischer Mann. Der amerikanische Traum des Mannes ist einfach. Von der Einfachheit einer überzüchteten Simplizität.
    Von der Simplizität eines überforderten Einzelnen vor einem komplexen Gefügeganzen. Aber es gibt ja den Königsweg des Erfolgs, und selbst Rocky zeigt ihn.
    Rocky zuvor ist etwas ratlos, aber hat ja immer noch seine Fäuste, um sich zur Not den Weg freizuschießen.
    Rocky bedeutet also alternativ eine überforderte Welt. Wer Rocky einsame Spitze findet: dürfte im Umkehrschluß von dieser realen, vorfindbaren Welt überfordert sein – und einen berühmt-berüchtigten „-A-dri-ien...-!“- Schrei simpel nach Gerechtigkeit auf der Lippe kitzeln spüren.

    II
    Der erste Teil von Rocky ist (mir) noch sympathisch und glaubhaft. Kritisch wird es spätestens dann, wenn das Rocky-Prinzip sich aufmacht, und „morgen die ganze, Welt“ sich einzuverleiben und virushaft in angrenzende Lebensanspruchs-Bereiche hinein sich auszubreiten. Endgültig überspannt (in Rocky IV ?) findet sich dann der Bogenfaden im plattgewalzten Kaltkrieg (und Final-Sieg) des american dreamway of life gegen den hünensymboliden Weltkommunismus: hier hat the Rock endgültig sein abstecklich-zumeßbares homefield überschritten und die Binnenzollgrenzen des noch tolerierbar umfriedeten Geschmacks und tiefhängenden Anstands verlassen. – Würde er nicht gerade von zuvor eingeheimsten Sympathien sich noch nähren und verzehren können (handelte es sich hier also etwaig vorgestellt um eine erste Ausgabe der Serie) – wahrlich die Vorstellung wäre völlig unerträglich und pronto-disqualifiziert: es hätte garantiert keine weiteren-zwei Fortsetzungswünsche gegeben. Hier sind die Grenzen der gültig (und gütig) erlaubten Weltweitsichts- und -sehnsüchte der gedrückt-Pubertierenden-Ära endgültig geschmackvollverlassen und überschritten: hier muß dem Ideologie-Anspruch ein entschieden brüsk-finales „Njet“ entgegengeraunzt- und –zugeschnauzt werden. - Das - geht - nicht - mehr. -Ein Klischee jagt das andere. Die endgültige Weltsicht eines GeorgeZweimalDu(wert)Bush (die des Reagan war diejenige eines intelligiblen Intellektuellen dagegen!) -. - z.B. Gorbatschov wird zu einem -- man mag sich gar nicht vorstellen, als was und zu was er, eine historische Tatsache, hier gedacht und wegmutiert wurde. Die blonde Kampfesrobot-Maschine: die Mercedes-Überwachungsspitzel: die heruntergezogenen Mundwinkel des beliebigen Wachschiebe-Soldaten: die Hünenhühnergattin, einer James-Bond-Imagination frevelhaft entsprungen; der perfekt solidarische Bevölkerungs-Querschnitt-Jubelabteilungsblock : nicht etwa gerade die humankonvenible Welt eines Tolstoj-, Tschechov-, Gogol- und Nabokovenvironments. Diese vorgestellten sind, allerdings, nur selten Teil der Welteroberungssuggestionen eines Vierzehnjährigen. Nicht jeder Russe ist dermalen ein Nabokov: aber auch nicht mancher Russe ein Ivan Drako. Drako ist so real wie Super- oder Batman. Das darf einem Erwachsenen, selbst einem Stallone, nur in revitalisierten Grenzbereichen passieren,- einem Grenzbereich, in dem sich Rocky Teil Eins und Zwei gerade eben noch legitim ausbalaciert bewegen können und ausgehalten (geduldet) sein mögen; in Teil III aufwärts kulminierend IV - allerdings – NICHT MEHR . Hier ist die Toleranzschmerzschwelle endgültig –überzeichnet wie ein ungedeckter Scheck. Ich fürchte (ohne es zu kennen) in RAMBO demzufolge xx (Pleite) - (aber man wird ja sehen).

    Nun wird’s Zeit für’s Fazit: bis zu diesem fünftem Teil sich kontinuierlich steigernd hinauf (oder hinab) - darf man also in Rocky einsteigen?: nun ja mit Schmerzen, nur zu. Wird wohl Teil der Filmlegende schon geworden sein. Die Emotionalität ist süßlich, das Strickmuster (etwas zu insistierend wiederholbar) zu sehr das stets gleiche: anfänglich schlichteste Bescheidenheit, vermessene Herausforderung, abwehrender Unwille, einsehende Ergebung, keuchend- glaubhaftes absolutes Härte-Training (nur deswegen funktioniert der Film: der Schweiß wie die Muskeln sind e c h t , das Blueberry- Italo-Western-Prinzip (lang leben Django und SpencerHill, ebenso vorgesetellt-authentische, aber humorvolle!- lustige unverbissene amüsante Jugendwahn-Strolche-!!) - ) - , - also die Trainings- Härteszenen (die eigentliche Quintessenz des Rocky- Universums- Anspruchs),- und schließlich: das zu weckende Tier!, das zusammengeprügelte -, geweckte -, und dann sich zum traumhaften Veitstanz erhebende Tier, das in jedem Vierzehnjährigen steckt,- und das Die-über-Vierzigjährigen klug (genug daran) tun, auswärts unter güteversiegelten Verschluß zu bringen- und –hermetisch approbiertem Verschluß zu käfig-halten.

    So lange die Welt meint, Armeen zu bedürfen, mag es Rocky-Motivationswellen zur Animation der kaum-volljährigen Kämpfer geben zu sollen (ich würde liebendgern auf all dies verzichten – können, müssen und dürfen-) – aber immer noch ist es wohl nicht so weit ? so weit? - Ich empfehle, dieses Entfesselungselixier maximino sehr sorgfältig verschlossen in druckgesicherten Gasflaschen – besser Massivstfässern – aus Edelstahl – verschwindend zu halten. Dies wird wohl staatlicherseits nicht erlaubt sein und gelingen. Bis zum endgültigen überflüssigen Verschluß hoffe ich, für euch, das Rockys Dr. Jeykill niemals den in ihm verschlossenen Rambo- Mr.Hyde als betörendes Flaschengeist-Odeur – herausläßt... ; ich weiß, ihr glaubt an den amerikanischen Traum. In diesem schlummert, ganz versteckt, ein möglicher, noch nicht erschienener, aber verhüllter amerikanischer Alptraum. Gebe Gott, das ihr niemals gegen den veritablen Rocky-Glauben antreten müßt, um ihm die Titelsucht auszutreiben. Gebe Gott, das es nicht dahin kommt. Wenn wir darauf verzichten, vierzehnjährig zu bleiben, dürfte es gewiß ein abwendbares Schicksal sein. Wenn genügend viele Zwanzig-, Dreißig- und Vierzig-Plus-Jährige ihr realentsprechendes Alter erreichen suchen und verwirklichen,- und auch nur ein wenig über Rocky lächeln,- und das Schwarzenegger-Zwinkern in seinen Augen vermissen, denen wahrhaft der Humor fehlt : jenes: Sich-nicht-zu-ernst-Nehmen- ; - wenn es nur genügend Leute gäbe, die über oder mit Rocky lieber gern lächeln und lachen würden,- und nicht nur mit ihm erbeben möchten,- wenn es nur genügend Menschen gibt, die Sly Stallone und seine Version des amerikanischen Traums etwas reichlich überkandidelt- und –verdreht,- und der Weltsicht eines Erwachsenen nicht- überhaupt nicht angemessen finden (- dann aber, bitte,- im Erwachsenen-Leben auch die Konsequenzen ziehen!), - wenn es genügend Leute gibt, die finden, das es Rocky eben etwas zu sehr an Selbstironie und herzhaftem Humor fehlt,- und an etwas-zuviel-des-Guten von Kitsch-Rührseligkeit gebricht,- wenn es diese genügenden Nicht-Prä-Adoleszenten,- sondern darüber Hinaus-Gewachsene gibt,- dann, liebe Leute, dann und nur dann, müssen wir nie gegen Rocky im realo-fight antreten – und dann unbedingt gewinnen müssen – weil sonst die ganze Welt,- der wahren Träume,- im totalen Arsch ist.-
    Denn Rocky ist kein wahrer Traum. Rocky ist ein amerikanischer Traum.
    Rocky ist eine mythische Idee. Rocky ist eine Legende im Film-Universum. Sorgen wir dafür, das er dort bleibt und bleiben können soll und bleiben muß. Machen wir den Amerikanischen Traum überflüssig. Verzichten wir auf die Welt der alleinigen Champiosse. Es gibt genügend Menschen. Für Alle ist und muß und darf nicht anders als ebenfalls gleichberechtigter Platz sein. Die Welt ist nicht der Spitzenort für Könige. Die Welt ist der Ort des,- und für den Menschen. Die Welt ist ein menschlicher Ort. Noch nicht ganz: aber so sollte es sein. Dafür: müssen wir, ein jeder von uns, den inneren Rocky-Schweinehund abdanken. So schwer es fällt. Diesen Ringkampf kann ein jeder in sich bestreiten,- und kann dabei Rockys Durchhaltebravour wahrhaft beweisen,- ihn in sich zu besiegen und einmal überflüssig zu machen. Denn wer es einsieht und Rocky besiegt,- den Champion,- ist der wahre Champion. In diesem Sinne: auf das, was den wahren Rocky ausmacht, den echten – Den in Wirklichkeit,- der Erwachsenenwelt. Auf Uns – Champus‘ für alle! - Und das heißt nicht, dem billigen Profan-Bündnisübergewicht der Millionen Kellerasseln gegen den einen heroischen König-der-Löwen (des Dschungelrambos!) beizutreten -,- sondern einer konkurrenzlosen Senatsversammlung von Königen, die gemeinsam ihr vereinigtes Reich regieren. Die Welt hat Platz für alle: wenn ihr den ersten Rocky nicht aufkommen laßt. Dafür müßt ihr allerdings, jeder für sich, zuerst den Rocky in euch entmachten,- das heißt herausfordern und um den Titel bringen. Dann könnt ihr verzichten,- jeder für sich. Und gegen die vereinte Macht so vieler, abgedankter Rockys,- kann einzelne Titelambition nicht aufkommen. Und dann begießt nicht nur Einer den popligen Rest mit Champus aus seiner höchstselbsten Flasche: sondern jeder hält sein Glas in der Hand. Noch besser als e i n Rocky ist : v i e l e Rockys! Warum so schwer der Glaube daran? Weil er so viel schwerer zu verwahren ist, als sogar tatsächlich Weltmeister zu werden? Was ist schwerer, als einen Weltmeister zu machen? Viele Weltmeister machen! Das ist schwer. Das ist so schwer, das kaum jemand daran glauben mag. - Der Tapfere ist am stärksten allein.- Also warum nicht das Schwerste: den Mut die Welt herauszufordern! Das ist es: den wahren Rocky machen! Wozu reicht es bei Dir?
    Wozu reicht es bei dir?
    Dich berieseln und „Weisheit in dich einträufeln“ zu lassen? Oder selbst aktiv zu werden?
    Rocky hat selbst gekämpft. Mach es ihm nach. Tu es selbst. Dann - d a n n bist du Rocky.

    Rocky ?V
    Die in den ersten beiden Teilen von Rocky angelegte, aber noch in Schach gehaltene Tendenz zur VerabsoluTierung des Ich gewinnt in zunehmenden Folgen, legitimiert durch den äußeren Erfolg, wie sichtbar an Substanz in Stallones Selbstkonzeption, und manifestiert sich schließlich in Ausgabe ?V vier in vollendetem Größenwahn, dem unumschränkten Glaube des Ich, das alle Realitätsgrenzen verabschiedet und endgültig hinter sich gelassen hat. Das realitätsbindungslos gewordene Ich, das seine Fiktionen im Glauben an sich absolut setzt, endet schließlich in Gefahr für die Umwelt,- ob in Hitlers Eigenperspektive unrealisiert oder im erst halbvollendeten Realitätserlebnis der Bekehrung eines unwilligen americandream-ungläubigen kommunistischen Restwelt-Blocks durch freiwillige Selbstbekehrung in Rocky vier. Hier wird eine Kinderfabel gesungen: der böse Osten (beispielhaft für jeden möglichen anderen Gesinnungsrest der Welt, der vom rechten einzigen amerikanischen Pfad abirrt) wird bekehrt durch das gleißend-heroische marienleuchtende Beispiel des individuellen Tapferkeits-Erfolgs und dahin zur Einsicht gebracht, das der an das Individuum appellierende amerikanische Traum, der die Freiheit zugleich in sich bedeute und mit sich bringe,- den gegenüberstehenden kollektiven Schafs-Gesinnungsblock: sogar im Guten: überwinde und, bis hin selbst zum Oberfunktionärs-Bösen (dämlicherweise auch noch in Gorbatschovs äußerer Erscheinung visioniert) missionarisch überwinde, - wobei die Überwindungskraft schließlich auf die ausgeübte Gewalt im Boxring beschränkt bleibt. Rocky macht in dieser Vision, durch belehrte Einsicht: wozu der Glaube an das Individuum führen kann, (das jedem herdenzwingenden Blockbilde-Automatismus überlegen ist),- in zujubelnder Überzeugtheit den dritten Weltkrieg überflüssig. Der hart errungene und mit schwerer Prügel bezahlte Triumph Rockys bezeugt im obersten Gerichtsstuhl der Geschichte die Überlegenheit der individuellen amerikanischen Freiheits – und Individualkonzeption über jeden kollektivistischen Fabrikgesinnungsproduktions-Glauben,- da helfen auch keine unfairen Einspritzungen unterhalb der Gürtellinie. Der durch den Individualismus begünstigte Wille und die Freiheitskonzeption im Einzelnen siegen und besiegen jede Herden-Viehfältigkeit des unfreien-, in die Voraussetzung der Selbstaufgabe eingebundenen Kollektiv-Ichs. Rocky, in einer Einfalts-angenehmen Weltvision hier, bekehrt den kommunistischen Gesinnungs- Einheitsblock des gesamten Ostens, um Geschichte zu schreiben. Höher kann man die Hybris der vierzehnjährigen Weltkonzeption nicht treiben. Der Erfolgsglanz von Rocky in der Kunstwelt Hollywoods hat Stallones geistige Ich-Konzeption endgültig Bomberfleisch geworden in den Ruin getrieben.

    Danach kommt nur noch -, sollte der unbekehrbar und unbelehrbare undankbare trotzdem-nicht-hören-Wollende kommunistische oder sonstwie-gesinnte-Restwelt-Block in seinem trotzigen unamerikanischen Wahnwiderstand verbleiben,- nur noch die finale Rambo- Lösung. RAMBO ist die Vollendung der in Rocky angelegten, angekündigten und sich vollendenden Welt-Missionierungs-Aufgabe, - in Notwehr natürlich, versteht sich. - RAMBO ist die Fortsetzung von Rockys „friedlicher“ Körper-Missionarsgesinnung, - mit anderen Mitteln, - denn Wer nicht amerikanisch hören will, muß nach amerikanischem Recht doch fühlen. - Nach Rocky bleibt dem verabsolutierten Ich nur noch die Rambo-Steigerung. Stallone hat es dem amerikanischen Traum vorgemacht. Mal sehn, obwann dieser bereit wäre, zu folgen.

    Kunst ist eine visionäre Konzeption. Die stammelnden Kassandra-Unkungen der Kunst haben eine fatale Tendenz, die visionär erschauten Wirklichkeiten von morgen vorauszubedeuten (Debatte der Mediengewalt). - Gebe Gott,- das hier nur ein Geistig-Vierzehnjähriger ins zu freie Drogen-Halluzinieren geriet ( „jener berauschenden Hollywood- Erfolgsdroge“) und das es sich bei Stallones Stammeleien nicht um ein verpflichtetes-, sondern ein ins Vollkommene restlos verabschiedetes Ich handelte, das etwas zu verantwortungslos über die dem Ich gebotenen und gezogenen Grenzen einmal schlug.- Die Gefahr ist gleichwohl da. Wird sie nur einer genügender Zahl von Begegnenden erspür- und ersichtlich,- ist sie gebannt. Ist aber die Erweiskraft dieser Vision, im Kinderglauben an Erfolgs-Legitimation, manifest im Glanz und monetärer Rendite des Hollywood-Ruhms, - so stark, das sie genügend Schneeball-Massen-Effet im zuschauenden Publikum gewinnt, um lawinenartigen Charakter anzunehmen,- so winkt Land-Unter. Wir Deutschen haben so etwas schon mal erlebt. Selbst ein ganzes millionenfach potenziertes Kollektiv kann unter Gesamt-Psychose geraten. Rocky vier und fünf, die Hybris des Ich,- stellt die Diagnose-Frage zur geistigen Volksgesundheit der amerikanischen Selbst-Befindlichkeit. Glaubt sich das amerikanische Volk selbst die Gretchenfrage des Amerikanischen Traums, wenn sie sich selbst frei gestellt wird? Ist die amerikanische Gesinnung kernhaft gesund?-

    Zur endgültigen Antwort kam es durch den rechtzeitigen Abbruch des Kalten Krieges,- Gott sei’s trotzdem gedankt dafür,-(vorerst) nicht. Vorschneller Optimismus ist gleichwohl nicht angesagt. Die Geschichte ist zäh und hat langen Atem in der Gewohnheit, auf der Beantwortung von Fragen, die sie einmal gestellt hat und nicht ohne Grund stellt so, zu bestehen. Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Die amerikanische Hybris-Frage hatte und hat noch genug Gelegenheit, zu verhärten. Frage ist, ob sie sie in diesem Sinn genutzt hat. Die Zukunft wird es erweisen. Man kann auf den 11.09. mit technischer und moralischer Hochrüstung antworten. Der vorher latente Rocky hieße dann in Rambo ausarten,- jedenfalls was die moralische Seite der Angelegenheit betrifft (der Rest ist Sache von Mac Donnell /Douglas).
    Nur Kinder glauben, daß das, was man heute für wahr hält, nicht morgen wahr wirklich sein wird. Der Gedanke ist der Vorgriff auf die Wirklichkeit. Nur Kinder glauben daß das, was in Hollywood projiziert wird, harmlose Befriedigungen des reinen Spiel- und Unterhaltungstriebs nur von heute sind, ohne latentes Lauern für das Morgen. Nur Kinder glauben, daß das Fieber, das durch Rocky ( Eins Zwei Drei- plus, steigend) als erzeugt erwiesen ist,- eine gesunde Selbstheilungs-Reaktion auf eine bloß äußerlich verursachte Infektion ist. - Nur Kinder können glauben, das Hollywood von harmloser Funktion ist. Hollywood ist die Selbstdiagnose der amerikanischen Autoimmun-Reaktion auf sich selbst. Sehe ich Rocky, - anfängliche Witterung aus harmlosen Anfängen,- bekomme ich Angst. Nicht umsonst,- nicht umsonst drehte Stallone nach Rocky den Rambo. Stallone ist das persönlich individuelle Fieberthermometer des Amerikanischen Traums, und der Amerikanische Traum ist die ideele Formulierung der sichtbaren amerikanische Neurose.

    Beruhigend ist, das Stallones Karriere zunehmend stagnierte. Die nationale geistige Volksgesundheit schien Stallones überventillierendes Identfikations-Angebot denn schließlich doch nicht annehmen zu wollen. Aber Mißtrauen bleibt angesagt. Zelluloid ist geduldig, vor allem in Digital-Version-, es bleibt Zeitbombe genug zurück für die Zukunft. Vielleicht kommt doch einmal der rechte Augenblick, wo man Rocky noch zuerst-, dann Rambo-, zum endgültigen Nutznieß und Gebrauch, hervorholen füglich kann, - und gerade zupaß kommend scheint, über solche Reserven verfügen zu können. Nietzsche und Bismarck und Wagner und Karl May enthalten Bestandteile, die man auch fürder einmal gut brauchen konnte und gelegen kamen. Rocky und Rambo bestücken das Arsenal der amerikanischen Selbstfindungs-Historie und stehen nicht nur zu momentaner Verfügbarkeit. Marxens Wortdressuren sind historisch widerlegt (?)-, der Amerikanische Traum und sein angezweigtes Vokabular,- bereits noch nicht. Rocky ist eine solche erkennbare Vokabel im Gestammel dieses fiebernden, amerikanischen Versuchs, sich durch den Dschungel der Geschichte zu schlagen. Hoffen wir, das er es nicht einmal mit Rambo-Mitteln tun muß oder meint tun zu müssen. Auch die nazistische Psychose begann scheinbar harmlos mit Leuten wie Oberbürgermeister Karl Lueger, der sich stolz als Exponent der Avantgarde fühlen durfte,- der verheimlichten Mehrheit. Hoffen wir, Leute und Zukunftsgenossen, daß das Fieber fällt und der Patient, ohne weitere äußere Krise, von selbst genese und in den Kreis der Gesunden zurückkehre,- ohne weiteren Eklat. Ein Bush ist ein Symptom. Ein O‘bama aber auch. Wir, der abgekoppelte und auf Gedeih und Verderb ausgelieferte Rest der Welt, sollten das amerikanische Fieberthermometer, und also auch den Skalenschlag in Hollywood,- im Auge behalten. Er ist die Höhe des Quecksilberfrosch-Kletterns in der Glassäule. Er weist voraushin auf unser Schicksal.

    Aber wenn erst ROCKY-, dann RAMBO, durch den geschichtlichen Dschungel der Auseinandersetzung der Weltanschauungen marschieren, - dann Leute-, denkt dran, „Zuerst hat‘s Charlie euch gesagt-“, sind WIR nicht Rambo. Wir erleben die Sache aus der Perspektive der andern. Wir sind die Anderen (Mitspieler) in RAMBO. Denn der Amerikanischen Traum ist vor allem der Traum von Amerikanern für Amerikaner. Im Amerikanischen Traum ist an der Spitze nur der eine Platz für den Einen. Für die anderen ist ein Logenreservat vorgesehen womöglich mit Betonschuh im Fundamentbereich, - zuunterst dieses ebenfalls abonnierten Spitzen-Platzes. Denkt dran: im Rambo-Film seid ihr der vorgesehene Cast außerhalb der Rambo-Perspektive. Allerdings dürft ihr eben auch überhaupt mitspielen und einen Teil von Hollywoods Glanz ausmachen. Ein Teil von Rambos Ruhm strahlt auch auf euch herab. Eben derjenige, den die anderen Mitspieler-Rollen in RAMBO beizutragen haben, laut Skript des Regisseurs.

    ‚Um hervorragendes Mitglied einer Schafherde zu sein, muß man vor allem ein Schaf sein‘ A. Einstein. Schafe sind bekannt für ihr geduldiges Mittrotten – bis zum Ende des Wegs. Und tschüß.

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      Video-NoSex, Lügen und Soderbergh
      Der Film hat ja einen gewissen Ruf als etwas Besonderes. Stimmt wohl. Wenn Sie mal eine ganz außergewöhnliche Ballung jener berühmt-berüchtigten Prüderie dieses Weltteils, den man die Vereinigten Staaten von Amerika nennt, erleben (oder versuchen einfühlen) zu wollen: immer ran. Vielleicht schielen Sie danach ein wenig, aber sonst ist keinerlei Neben- oder Nachwirkung zu befürchten; Sie werden vermutlich eh vorher wegnicken.

      Also, es soll von Lebenslüge (und warum nicht gleich einer ganzen Gesellschaft) gehen, die entlarvt wird. Als therapeutischer Nieswurz dient hier der Sex, hu! (in diesem Huh steckt der ganze Film); Sex, oder vielmehr, die Diagnose seiner Anamnese - als Therapie dient Ehrlichkeit, mit der sich alle Lebenslüge auswürgen /reinwaschen läßt. Wie gesagt, so soll es gemeint sein; wenn es denn nicht doch etwas sehr langatmig sich hinziehen würde, bis endlich die befreite Kameralinse die Hände, und Aufnahmerichtung, von Gefilmter zum Gefilmten hin -, wechseln darf (und das einzig Tröstliche: immer a u f Andie McDowell, die ewig unnachgiebige eiserne Schnuckel-Jungfrau. Sie ist, wie täglich stets, der einzige erkennbare Groundhog-Grund für sowas weit und breit). - Ok, meine Äußerung ist )subjektiv )unbelegt und )naßforsch, und die Liebhaber des Films (finden sich ja offensichtlich ne Menge) mögen mir verzeihen; vermutlich nicht.

      -Ich kann mir gar kein Publikum ausdenken, das dieser Film anvisiert – oder das etwas, irgendetwas, davon profitieren könnte – nicht mal spaßeshalber (für Erwachsene ist das Thema zu unreif ; für Kinder ist zuviel vom einzigen Erwachsenen-Anathem die Rede). Das ist alles so zäh grenzenlos öde, trocken, und daneben – und stimmt vorne und hinten nicht einmal ansatzweise. Was erzählen die uns da nur, auf Video?

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        Schauspiel(er)-Sahne. Schönes Flair. Dreißiger Jahre zum Anfassen. Ausgezeichnete Musikunterstützung. Schwermütige, langsame, bewegende Bilder, Gefühle, und Er-zählmanier. Für Selbstgenießer.

        Wer das nicht tut: wer sich nicht nach innen genießt, sondern von außen Anlaß braucht und sucht, sich zu legitimieren,- muß leider Abstriche vornehmen. Die Story: möchte wohl, kann sie aber? - Ist es wirklich ein Vorteil, wenn alles, aber auch alles voraussehbar ist? -(Zuallererst und zuletzt das Ende: man wartet förmlich die ganze Minute darauf, das Jude Law endlich losschießt, und man wartet bis zur Ungeduld darauf, das der Niedergestreckte endlich an Sohnes statt den (Pluspunkt) Photographen-Manie-Killer be-schießt oder der Sohn endlich ausspricht: „...dann antworte ich Ihnen: er war mein VATER- “ - ; diese ganze Fadenscheinigkeit für Pazifismus und den Niedergang der waffentragenden Menschheit hat leider Kanzel- Plädoyer- Charakter, wo die eine Hand auch das gibt, was die andere nimmt...
        Es ist schön, Paul Newman! und Daniel Craig und Andy Garcia beim Spielen zuzuse-hen,- und auch die nostalgischen Automobile und Bekleidungen zu genießen. Alles andere ist zu gewollt und absehbar. Trotzdem: was ab s e h bar ist, sind zumindest : schöne, ätherische, ästhetische Einstellungen. Die Geschichte (ohne das hier Spannung obenan stehen müßte, überhaupt nicht) ist schwach. Die Bilder – Gemälde eher – wirken für sich, und kommen zur Not, so weit das gehen kann, sogar ohne diese Stütze aus. Mittels der Qualität der Durchführung: kein schlechter Film. Man hätte ihm auch etwas Durchführ-Wertes gewünscht. So ist er aber leider weit davon entfernt, mehr zu befriedigen als das bloße Auge. Wenn Ihnen gegeben ist, Ihren potentiell schlummernden Verstand eingerollt zu lassen : genießen Sie ihn – trotzdem.

        Er ist die gut vertuschte Langeweile eines Drehbuchschreibers.

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          (...)
          Das Wirkgeheimnis ist wohl : der kleine Junge (hervorragende Leistung Haley Joel Osments, s.o.). Der Kind-Faktor, der alle Beschützerinstinkte weckt, entfaltet seine volle Wirkung. Darüber hinaus aber kann man noch eine tiefere Wurzel bloßlegen:
          Kinder sind auch Menschen. Und zwar vollwertige, erlebnisbefähigte Menschen, tatsächlich. In diesem Werk werden sie ernst genommen: es sind keine ‚kindischen Probleme‘, die mit ihnen umgehen, sondern große, ernste, manchmal ernstere, als wir, die Erwachsenen, sie haben.
          Zwischen Problemen der Kinder und der Erwachsenen gibt es nämlich einen großen Unterschied:
          Wir („Große“) sind Damen/Herren unseres Geschicks, mehr oder weniger (un-begabt), aber doch selbstfrei-, Kinder dagegen sind ausgeliefert : der Meinung der Über-Groß-Vorgesetzten, die über ihr äußeres und oft dazu inneres Erleben - entscheiden & ihnen ihr oft genug tragisches Schicksal vorschreiben sich eingeengt zu gestalten. Schätzen wir die Dimension ihrer Konfliktstoffe nicht richtig ein, sind es unsererseits eben Peanuts, und haben es gefälligst sein, wie w i r (Große) sie dafür halten. Für das Kind muß das nicht so sein. Gar nicht. Nur für uns. Uneinfühler. Daumenheber oder –senker. Bestimmer. Diktatoren. Schicksalslenker.
          Wieviele verschwiegene Weltuntergänge,- in Schulhöfen, wie dargestellt auf Kindergeburtstagsfeiern, im weiteren Umgangskreis, in prekären Familiensituationen,- wieviel erschütternde ausgelieferte Werdens-Dramen spielen sich wohl unerkannt ab,- werden nie offiziell ans Licht gehoben,- bekommen nie ein Imprimatur - gesehen zu werden?

          Hier wird eine „kleine Kinderwelt“ in Übertragung mal ernst genommen (oder bietet die Chance, in einer Parabel entdeckbar zu werden) – nämlich das auch kleinen Menschen große, ernste Schwierigkeiten -, ja wirklich : in schwersten Aufgaben zu bestehen aufgegeben sein kann – viel zu schwer für so zarte, junge, zierliche Schultern. Wie erdrückend es wohl mitunter sein kann, diese rosigen Zeiten der Kindheit zu überdauern – ahnen wir es hier? Ich finde, das ist meine wertvollste Perspektive des Films. Ich sympathisiere je mit stillen Helden im Verborgenen und (echter) Kämpfe, welche nie Bekanntheitsgrad erlangen. Ich halte es nicht für unmöglich, sondern wahrscheinlich,- das die durchschnittliche Kindheit größere Heldentaten birgt als später vielfaches Erwachsenendasein. Was WIR schon Heldentaten nennen!

          Im Übrigen funktioniert der Film gut. Wie immer ist B. Willis ein Genuß – (das „Bruce-Willis-Phänomen“: wenn man sich denn erst einmal -andernorts- an ritualisierte Gewalt als "hard-"gesottenes Kunstmittel gewöhnt hat). Bruce-Willis-Charaktere sind gottseidank mit genügend Humor, Selbstironie und Eleganz ausgestattet, um die Här-d-e von Gewaltexerzitium in 98 % der Filmminuten aufzufangen und abzufedern und dem voyueristischen Instinkt-Faszinosum unserer Neandertaler-Natur ein genügend feigenblättriges Deckvolumen zum Versteck anzubieten,- so das es nie ganz delektierlich wird, sich selbst als auf Bildzeitungs-Niveau befindlich entlarven zu müssen. Kurz: „Bruce -Willis- Härtefaktor“ geht unter soziokulturellen Maßstäben noch durch, ohne das wir glauben, uns beim nächsten Satz grunzen zu hören. Ehrlich: Willis ist cool, und eigentlich sieht jeder : ein Teddybär. Bloß eben ein durchsetzungsfähiger (wenn auch kleingewachsener), einer, dem niemand in die Suppe spuckt oder die Glatze tätschelt (was wir für uns ja auch wünschen).

          Nun aber: ist dies ein Perspektiv- oder ein Rollen-Wechsel, eine neue Facette seines schauspielerischen Gebahrens: Bruce Willis als dezent einfühlsamer Kinderpsychiater,- und es funktioniert, excellent durchaus. Das Talent ist eben wohl doch da.. Alles weitere fügt sich ebenfalls zusammen: siehe oben O. Schneekloth, stimme zu. Absolut beeindruckend und beängstigend : die Darstellungsleistung des Gesichtsausdrucks der entlarvten Giftmörderin: das ist alles, was Filmkunst sein kann,- ihre Gestaltungsmöglichkeiten,- in der kürzesten preisverdächtigen Leistung einer Nebendarstellung paraphrasiert,- in nuce.
          - Vor allem dann der Zuckereffekt: die überraschende Schlußauflösung,- wenn sich das Puzzle- genau im richtigen Tempo- zusammenfügt, die vielen kleinen Hinweise: die Eiseskälte in kritischen Filmmomenten (für dieses Erregungsecho müssen im Nachhinein in „Hollywood - 2012“ schon Autoscharen-abstürzende Kontinentschollen auseinanderbrechen), das Regeln der Mutter am vermeintlich defekten Zimmertemperatur-Thermostaten,- der einsame Video-Vergangenheitskonsum der Frau, die ständig verriegelte Kellertür, ihre angedeutete Versuchung zum „Ehebruch“, zerschlagene Geschäfts-Fensterscheiben, der davoneilende ignorierende Liebeskonkurrent-, das ist natürlich das Salz in der Suppe. Ich mag es, überrascht zu werden, vom Film auf der gleichen Höhe im beabsichtigten Erzählflusses gehalten zu werden,- nicht schneller,- aber auch nicht langsamer zu sein als die Entwicklung des Plots: für mich die seltenste Perle des Filmhandwerks; und dankbar bin ich, wenn ich sie erleben darf. Ein Film kann natürlich auch dann gut sein, wenn seine Entwicklung und sein Ende, wie üblich, längst absehbar ist; aber schöner ist es natürlich s o. Wann hat man das zum Genuße schon: eine perfekt austarierte Balance im eigenen Tempo. Und natürlich wird hier n i c h t das Ende verraten, das man nicht nennen könnte ohne dem Film seine Daseinsberechtigung zu nehmen, was nicht gemein - sondern ein Akt der Barbarei wäre - gehört er doch zum schönsten und stimmigsten, was Filmkunst zart vorbereitet zu bieten hat,- und stand auch am Anfang einer ganz eigenen, weit ausschlachtbaren Ideeentwicklungslustreihe in Hollywood,- vom Feinsten, und verdient. Also ein Kompliment an alle: Regisseur, Drehbuch – vielleicht sollte man hier auch mal den perfekten Schnitt des Films, und alle, die zu diesem eigenständigen, weithin unterschätzten Abschnitt der Filmproduktion, beitrugen, erwähnen. Eine reife Leistung. Meisterlich.

          Herausgekommen ist eine gelungene Erzählung, auch als Werk der Filmkunst-Unterhaltung. Man sollte doch langsam akzeptieren: das Kino ein Kunstmedium sein kann. Oder ist an der Judenbuche, Goethes „Märchen“, Hoffmann’s Erzählungen oder Edgar Allen Poe irgendetwas auszusetzen – oder auch andersartig Überlegenes? – Ich persönlich sage nein. Was diese konnten oder wollten, ist für mich auch hier enthalten. Und das heute, nicht erst in hundertfünfzig Jahren, wie die Beatles auch schon 1968 gute Musik machen konnten. Es lebe die Kunst. Jetzt! Dankeschön. Mahlzeit. ( - Na klar, es geht immer noch höher). (-Aber soll man nur die absolut höchste, unüberbietbarste Kunst gelten lassen, nur die großen Symphonien? – dann müßte man ja schon den halben Goethe und den vierfünftel Schiller weglassen, Die Ansicht von Delft, den Moses von Michelangelo und Donatellos David ebenso – ganz zu schweigen von all den Madonnenbildern der Renaissance und 9 Zehntel mehr der Weltkunst ... seien wir doch großzügig, die Welt strahlt mehr, wenn man alle Tage, auch die weniger als ganz perfekten zuläßt. Insgeheim birgt das Leben dann: mehr Genuß. Wir haben nicht soviel zu verschenken, also nehmen wir, was wir kriegen können. Wenigstens halbwegs. Auf das Leben. Und auf die Geister. Rufen wir. )

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            Deutscher Versuch eines Fantasyfilms. Das heißt, Provinz.

            Das Problem dabei ist nur: ein britischer Regisseur, internationale Schauspieler (müssen keine guten sein)(wie zum Teufel kommt Jennifer Connelly dazwischen?), (teil)amerikanische Produktion : wie kommt bloß dieser national-beschränkte Ausdruck zustande, das man fast glaubt, in einem Dorf in Oberbayern wäre als Gute-Nacht-Geschichte für den Sennersjungen versehentlich das Decamerone angeschafft worden,- und Oma würde am Bett abends die Brille zurechtrücken und das vierte Buch in ihrem Leben aufschlagen?(ja richtig so herum)- Und nun geht‘s los.
            Gräuslich. Schlimmer als Rotkäppchen 2011.

            Ach ja, noch was: derselbe Regisseur hat Wings of Dove – Flügel der Taube verbrochen (hinterher erfahren). Als ob man’s nicht ahnt, das sowas von sowas kommt. Man weiß nicht, wie es funktioniert, das man erkennen kann (denn andererseits auch einem begabten Künstler geht mal was daneben, aber das riecht anders als elementare Talentlosigkeit-) wenn einer kein Händchen hat,- aber hier ist ein solcher, frappanter Fall: der Typ hat einfach keine Ahnung, und es ist egal, wie begabt die Vorlagen sind, die man ihm an die Hand gibt: er wird doch alles, mit mehr oder weniger Mühe, die er sich macht, ruinieren.
            Weil er doof ist.

            Die Gute Nachricht: die meisten Userstimmen findens schwach. Es gibt doch noch eine Gerechtigkeit.
            (Es stimmt ja, das oft auch die besten Werke oftmals zu Beginn nicht als das erkannt werden, was sie sind: am sichersten stimmen die Relationen im Mittelfeld. Weichen die Wertungen hiervon ab, wird es- oft in beide Richtungen– unheimlich. Überdurchschnittlich viel Beklatschtes entpuppt sich im Laufe der Zeit als Mißgeburt,- und überdurchschnittlich wenig als Ungenügend fortgeschicktes erweist sich endlich als Kindesstolz: es stimmt nur dahingehend, daß das wahrlich Kostbare – ob erkannt oder nicht – auf jeden Fall immer s e l t e n ist.
            Aber es gibt doch noch die beträchtliche Restmenge : Müll , erkannt, der bleibt – zum verrotten. Es wird noch eine Menge Tinte den Bach heruntergehen...

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              Tarsem Singh heißt der neue Stern am Psycho- Kino. Bis jetzt sah ich zwei Filme: The Fall und nun: The Cell.
              Das Haltegerüst der äußeren Handlung ist – sehr zur Bekümmerung unterhaltungswütiger Passiv-Gucker- schnell erzählt. Ein Psychopath ermordet Frauen, sieben schon, indem er sie entführt, um in einem in abgelegen ländlicher Industrieruine in einem raumgroßen Glaskasten, der nach 40 Stunden sich automatisch mit Wasser füllt, sie zu ertränken und dabei zu filmen. Später taucht er die Leiche in ein Bleichmittelbad, um ihr ein puppenmäßiges Äußeres zu verleihen, schafft sie in den Keller seines schäbigen Siedlungshauses, um sich dort mittels verschiedener mechanischer Einrichtungen (so hängt er sich an durch die Haut gezogenen Kettenringen freischwebend auf, um ein Gefühl der schmerzerfüllten Schwerelosigkeit dabei zu erleben) sexuell zu erregen und zu befriedigen. Wenn das psychopathisch klingt : so soll das garantiert auch bloß einen gelungenen Einstieg in die Welt eines Serienkillers illustrieren.- Noch ein kurzer Rest Erzählstrang bleibt: das FBI kommt, kurz nach der Entführung eines neuen Opfers, der Identität des Täters durch ein auffälliges am Tatort gefundes Albino-Hundehaar auf die Spur. Während die innere Schizophrenie des Täters endgültig durchbricht, und seinen Geist für immer verschluckt,- kann die kurz darauf erfolgte Festnahme sich nur noch des geschundenen, komatösen Körper des Mannes bemächtigen. Derweil weiß der leitende, engagierte Beamte der Ermittlungen – der auch alle Beweise der eindeutigen Täterschaft anhand der Einrichtungen wie aufgenommenen Sterbevideos der bisherigen Opfer im Keller sicherstellt (‚who’s done it‘ ist also offensichtlich nicht das Filmthema) -, das dessen irgendwo?? eingesperrtes letztes Opfer im Todeskäfig steckt, der sich in ca. zwanzig Stunden automatisch mit Wasser füllen und das unlokalisierbare Opfer des Killers quasi posthum umbringen wird; die Uhr tickt; w i e kann man es finden,- durch wen oder was oder wie das Geheimnis bekannt gemacht werden, so das dessen rechtzeitige Rettung möglich ist?

              Hier beginnt die eigentliche, innere Story des Kunstwerks. Denn Singhs Werk ist das: vollwertige Kunst.
              Man hat auf Vernissagen (tierische wie menschliche) Körperreste ausgestellt: „Fleisch“. Der Schock hat funktioniert: es gab Skandal genug. Ist das – Schockieren - noch Kunst? Oder der Gipfel der Geschmack- und Instinktlosigkeit? – Kunst ist die Sicherung und Rettung des Guten und Schönen in einer dieses ignorierenden und verneinenden Welt. Beuys‘ „Fettecken“ und Kaninchenbälger erfüllten den gleichen Zweck: z.B. Beuys (u.a., in einer dominanten Ästhetikrichtung des zwanzigsten Jh., welche seit dem Expressionismus tief Luft holte) brachte die angenehme Wohnzimmeratmosphäre der Kunst zu den Schlachthöfen der Wirklichkeit zurück: der Stukaflieger endete als Bäumepflanzer (zur Demonstration einer künstlerischen Absicht), der Künstler kehrte zum vernachlässigten und leidenden, gefährdeten Leben zurück und verließ (wieder einmal) die Elfenbeinsphäre. Goyas infernalische Kriegsskizzen vollbringen dasselbe,- oder Füsslis Dämonen-Mahre. Immer gab es Künstler, die nicht das Schöne, - sondern die Realität (die immerhin auch auf eine eingeschränkte Weise wahr ist),- zum Gegenstand ihres Ausdrucks machen. Diese Kunst ist bewußt nicht schön, sondern will schrecklich sein: sie will nicht länger als Spielzeug eines denunzierten Amüsierbetriebes funktionieren,- sondern den Menschen ein vehementes, ultimatives „Erwache!“ entgegenschleudern. Sie errichtet keinen (schöneren, „höheren“) Gegenentwurf zur abträglichen Lebenswelt,- sondern speist aus dieser heraus den Kunst-Aufnehmenden mit Gedanken, die zu einer solchen höheren, schöneren, besseren Welt in Folge führen sollen: die Welt, nicht das von ihr abgespaltene und gesonderte Kunstwerk, soll verschönert sein,- durch die eigene geforderte Hand (und Idee) des Aufnehmenden, nicht durch die vorgaukelnde dessen, der als Künstler – „bloße“ Kunst erschafft, das bedeutet in diesem Sinne, gewissermaßen zu Unrecht vorwegnimmt. Der „schöne“ Künstler verwirklicht Schönheit imaginär in einer unschönen Welt; der „gute“ Künstler ist bemüht, zur Entstehung einer schönen Welt beizutragen, indem er sie – in Wahrheit- zuvor schön zu werden (sich zu verschönern) zwingen will, um dann das verwirklichte Schöne in ihr aufzufinden und vorzuweisen. Der schöne Künstler imaginiert Schönes; der gute Künstler imaginiert nicht, sondern treibt die Welt (seiner Absicht nach) an, sich selbst zu verschönern: er verzichtet darauf, „zu lügen und zu betrügen“. Der hier „gut“ genannte „Künstler“ ist also ein erzpolitischer Mensch. Er will die Welt verbessern,- und sie hat es nötig. Der als „schön“ bezeichnete ist dagegen überzeugt, das er bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag warten würde, würde er die Vollendungs-Besserung der Realität abwarten; er erschafft das Schöne, wo und wie er es findet, und jetzt,- auch ohne Legitimation durch Wirklichkeitshintergrund. – Beiden geht es jedoch um das Schöne : der eine hat es in sich und bringt es (für sich) nach außen,- der andere hat es ebenfalls und ist beschäftigt, „alle“ dazuzubringen, es „gemeinsam“ zu erschaffen. Die schöne Tat und die dem Schönen geltende Absicht: beides zählt, denn es beruht auf der tasächlichen leibhaftigen Anwesenheit der Schönheit im jeweiligen Künstler (und auch ihren Beobachtern) – das Kunstwerk selbst dagegen ist der verschieden wählbare Weg, der Ver- und -Übermittlung. Es hat keinen Sinn, das eine gegen das andere auszuspielen. Natürlich ist der David, als idealisierter Kunstausdruck, schön; und natürlich „beabsichtigt“ eine „an sich“ unschöne Fettecke von Beuys „Schönes“,- welches aber erst im Geist des Betrachters (vielleicht) diesen Schönheitsfaktor annimmt,- wenn sie als Auslöser für Beuys‘ Absichten, welche kunstvoll schön sind, erkannt wird. In beiden Fällen geht es um Schönheit; nur einmal um „äußere“,- und einmal um „innere“ Schönheit. Jedoch Schönheit ist Schönheit; und ob Beuys schön ist, wird in Beuys Absichten,- im Innern von Beuys- und seines Betrachters- entschieden. Viele Menschen haben sich überzeugen lassen: Beuys ist schön -
              (wenn man ihn zur Kenntnis nimmt). Andere finden’s gräßlich: denn sie sehen nur, was vor leiblichen Augen d a ist,- nicht das, was durchaus zu Recht – beabsichtigt und hinter das innere Auge in den Geist des Betrachters hinein verlegt wurde.

              Tarsem Singh ist Künstler der letzteren Art. Heißt nicht, das er allein ‚beabsichtigt‘ (womöglich ohne handwerklich zu ‚können‘, was Traditionalisten immer ein -, wo-möglich d a s -, hervorstechendste Qualitätsmerkmal bedeutet), denn zweifellos ‚k a n n‘ Tarsem Singh, wie Picasso der hochgehaltenen Legende nach auch ‚gekonnt‘ hätte (‚Historienschinken‘ malen); ich glaube, wir brauchen diese Epoche der Rechtfertigungsversuche nicht wiederhervorkramen und erneut beleben. Singh kann: und dies ist in der Tat sein beeindruckendstes Talent. Wie setzt man Schmerz in Bilder um? – Ein Bild erscheint vor Augen; ein Schmerz innen. Wie bringt man einen Menschen durch pure optiko-akustische Signale dazu, die Empfindung von Schmerz wachzurufen und synonym anzukoppeln? – das ist eine schwierige Aufgabe, denen sich die meisten Filmemacher nicht einmal ansatzweise stellen. Für sie ist die Erzeugung der Schmerzparabel simpel (und wie abgenutzt, bis zur Unwirksamkeit, ist sie mittlerweile): sie zücken eine Waffe,- verletzen Fleisch, verspritzen Kunstblut,- und glauben, der Zuschauer empfinde – angemessenen beabsichtigten Schmerz,- sowieso nicht,- Schrecken – kaum noch – Empfinden – in Wirklichkeit gar nichts. Der moderne Zuschauer hat soviele Wunden, Verletzungen und Blutspritzen gesehen („Splatter“ heißt der gängige Ausdruck),- das ihm : nur noch Symbolbilder -, ansonsten rein gar nichts mehr erscheint. Das außen randvoll mit Signalen gestopfte, überlaufende (sinnliche) Auge sticht genau entgegengesetzt dem Inneren ab: in diesem, dem geistigen, dem empathischen, herrscht völlige Funkstille,- Totenruhe, Erschlaffung, friedhofsbleierne Müdigkeit : so turbulent mittlerweile die Action ist, der abgestumpfte gewöhnte Zuschauer empfindet – in Wirklichkeit und Wahrheit – n i c h t s .

              Allein ein leichtes Kräuseln beunruhigt noch die Oberfläche. Der in Bilderflut gesättigte Zuschauer braucht schon die allerstärksten Drogen, um überhaupt nur noch irgendetwas, einen gewissen rudimentären Ruinenrest von Gefühlsgebundenheit an das, was er sieht, zu spüren, und seine Empfindungswelt mit den gezeigten Bildern zu synchronisieren. Sein innerer Sinn ist taub und gefühllos geworden, wie ein narkotisierter Patient, der operiert werden soll. Der Zuschauer allerdings wird an seiner Seele operiert; zuvor, in Stummfilmzeiten, ohne unnötige Betäubung; heute setzen wir schon unsere Kinder der paralysierenden Behandlung durch eine Bildflut aus (eine immer perfekter scheinende virtuelle Realität)- die jede mögliche wahrheitsgemäße Ankopplungs-Synchronisation durch das, was Augen- und Gehörsinn uns anliefern,- systematisch entkräftet und abstumpft. Der Zuschauer genießt (wenn überhaupt) nur noch s i c h ; in den Genuß einer ihm verbundenen Wirklichkeit (für welche die Sinnenwahrnehmung geschaffen wurde) jedoch nur – per servierendem Medium- noch ausnahmsweise. Der überfütterte Mensch amüsiert sich zur Unspürbarkeit,- vielleicht sogar zu Tode. Die Gefahr besteht: das der verfilmte Mensch Anspruch und Realität immer weniger, je mehr er sieht,- (und Film- zu seinen Lebenswirklichkeiten werden),- nicht mehr angemessen auseinanderhalten kann,- und zuletzt im entscheidenden Augenblick tragisch ... verwechselt.

              Ok, das ist eine politische Diskussion. Zurück zu Tarsem Singh: er probt, wovon andere Regisseure träumen: er erzählt eine innere Geschichte, einem inneren Sinn. Dazu müßte er eigentlich das Kino neu erfinden; er tut , was er kann,- und erstaunlich ist, wie weit er auf diesem unmöglichen Wege (wie alle Kunst) reüssiert. Tatsächlich bewältigt er eine Menge.

              Tarsem Singh ist opulentes Bilderkino. Wo normalerweise die Fetzen fliegen und Bilder fluten: setzt er noch eins drauf. Seine Schaubilder und Visionen sind noch abgedrehter, bunter, ästhetischer, farbgesättigter, künstlich- und künstlerischer,- weicher, härter, beweglicher, meditativer, visionärer als die der allermeisten Konkurrenten: man sieht, das er ein aufmerksamer Schulbankdrücker und durchaus in der erfolgreichen, animationswirksamen Werbung angekommen und erfolgreich aktiv ist. Aber er ist mehr als ein handwerklich perfekter, erstaunlicher, verblüffend frappanter, aufmerksamkeitserweckender Werbeclip-Produzent: er stellt seine unzweifelhaft bewiesene Gabe in den Dienst eines Gedankens,- einer Geschichte: und damit erwirbt er das Graduiertendiplom zur Kunst. Er will sich nicht nur in den Geist seiner Zuschauer einschleichen, um ihr Portemonnaie, wie seine Werbe-Kollegen, zu öffnen: ist er dort angelangt, im Innern des Zuhörer-/schauers,- öffnen sich seine Lippen und eine Geschichte hebt an zu erzählen; und diese Geschichte ist wert, gehört zu werden. Singh ist Künstler, ein bemerkenswerter Künstler. Und, um wieder bei Beuys zu landen, er vereinigt die Sahnehäubchen beider Traditionen in sich: er bringt Fleischbeschau-KinoKunst zum Nachdenken; und er gießt es in weitreichend gelungene ästhetische Form. Er vereinigt die Gegensätze; dies ist eigentlich Merkmal ‚klassischer‘ Kunst,- und diese wird allein dann dazu: wenn es ihr gelingt, vollkommen zu werden. Ob sie das ist,- entscheidet allerdings der Publikumsgeschmack; denn nicht allein die Absicht zählt – wie gesagt,- das Publikum muß honorieren- und beistimmen.

              Kehren wir vom ganzen Singh zum Detail seiner Lippe zurück: was für eine Geschichte erzählt sie? – wer sich auf sie einlassen mag (und das ist ein unangenehmes Sujet), muß bereit sein, sich berühren zu lassen: und da kommt wieder Beuys Fettweg ins Spiel. Es geht um die Mentalität eines Serienmörders; Und der ist, nach Singhs Dafürhalten,- nicht irgendwo im fernen Minnesota, zu einer ganz bestimmten Jahreszahl, einmal aktiv gewesen (once upon a time), - sondern heute hier und überall. Die Moderne ist es, die offene Zukunft – die gefährdete Zukunft. Geht die Sache der Meta-Mega-Zivilisation schief, sind wir alle die Serienmörder,- von denen im Film die Rede ist. War Hitler krank? War er allein der Faschismus? Hat er isoliert die Welt in Brand gesteckt? – nur Dummies glauben so und zücken den zeigebreiten Zeigefinger: „Nicht ich, Adolf Hitler ist es gewesen!“ (Kipphardt). Hitler hatte eine (Un)Menge Helfer – nicht zuletzt die komplette Hälfte eines neurotisierten Volkes, das ihn wählte, und Reue nahm bis zum Ende nicht überhand, sondern schmolz dahin wie Schnee in der Sonne bis zum heutigen Tag. Die meisten wären für das Ausmaß der Dimension des Verbrecherwillens Hitler nicht f ä h i g genug; womit wir wieder bei den Absichten wären. Das Können zählt? – Hitler "konnte"- seins. Viele, die wollten, was er wollte,- waren nur nicht begabt genug, sein Werk so in Tat umzusetzen wie er. Hätten sie es vermocht –

              Singh schlüpft in das Innere – so weit es gehen mag – eines Serienkillers,- und ist bemüht, einen ähnlichen Sog zu erzeugen wie „Sieben“ oder „Das Schweigen der Lämmer“. Ein wenig, gegen Ende, stolpert de Geschichte; aber das Unmögliche gelingt auf weiten, wenn nicht allen entscheidenden Strecken (bis auf einer, dazu später). Er versucht, uns einen Vorstellungsweg in das Grauen hineinzubahnen; wenn auch aus immer spürbar bleibendem klinischen Interesse -
              (was nicht schlecht sein muß, ganz im Gegenteil). (: Denn: das Grauen zu verstehen ist wichtiger als das Grauen zu erleben. Singh ist ein Aufklärer, kein Napoleon. Die Welt ist eh überfüllt mit Erleben; es kommt darauf an, sie (richtig) zu interpretieren, um sie (richtig, nicht nur überhaupt), zu verändern- um K. Marx zu befremden). Verstehen bedeutet, Zukunft positiv veränderbar zu machen. Das wollen Aufklärer erreichen: aus der Fülle der eh ablaufenden, unvorhersehbaren Geschehnisse heraus : Berechenbarkeit herzustellen. Wer weiß, was geschieht, kann versuchen: die neuralgischen archimedischen Punkte zu berühren.

              Singh will also das Innere der Welttriebtäter soweit verstehen, wie dazu nötig ist; wofür man bereit sein muß, sich auf ihr Grauen einlassen. Ein paar äußerliche Tricks: Medizin-psychologische Wissenschaftler haben in seiner Kunstwelt einen High-Tech-Weg gefunden, zur Behandlung von Komapatienten zwei Psychen auf technologischem Weg miteinander zu verbinden: den Geist von dem einen zu dem anderen begehbar zu machen (als ob wir wirklich keine Sprache hätten). In Singhs visionärer Welt liegen die zu koppelnden Geister (Singh benützt eine Kindeskoma-Patientengeschichte, uns mit der Mechanik vertraut zu machen,- auch schon einige Befürchtungen zu wecken),- in einem Klimaraum paralysiert in einem äußerlich inaktivierten Schwebezustand nebeneinander und kommunizieren per Kabelverbindung – von reinem Geist zu reiner Vorstellung – miteinander. Nun kommt der/das BÖSE ins Spiel.

              Die Zeit, das Entführungsopfer zu retten, verrinnt, der Täter selbst liegt im Koma. Der beratende FBI-Mediziner hat die Idee: ihn dort, in seinem weggetretenen Geist aufzusuchen, um Information des Handlungsorts zu erforschen. Der Plot ist gestellt. Eine Wissenschaftlerin macht sich freiwillig auf den Weg in den Geist des kranken Killers hinein – in das Innere des Wahnsinns. Als Film: wirft das erstaunliche Dividende ab.

              Die Welt, die sie betritt, ist fremd, irreal, und krank – eine Vorstellungswelt, in der keine Gesetze der Physik und sonstigen Wirklichkeitseinschränkungen gelten. Singh bahnt diese Irrealitäten wie aus dem Innern einer Traummöglichkeit in gebannte Bilder: schwerelose, dämmernd, schillernd, wabernd, dauernd verändert. Es gibt keine festgefügten Haltepunkte: frappant, wie weit diese (erst einmal darzustellende) Fließ-Welt den Halt des Gewohnten verliert und in Bewegung gerät. Hier kommt Singhs Talent als Werbefilmer voll zum Einsatz. Ich will keine echten Spoiler setzen: bitte schaut euch diese Bilder selbst an und genießt sie – eine Explosion an Phantasie (eher Phantasmorgien). Die von der Maschine eingeschleuste Frau erscheint im Kopf des Monstrums, und wird dort natürlich bemerkt: d e r bemerkt sie – und tritt natürlich mit dem Fremdkörper in Kontakt. Wer oder was tritt ihr gegenüber?! ?

              Zuerst C. als Kind : und dieses ist bereits gefährdet, doch noch nicht mutiert: berührt (von „Krankem“) aber noch nicht vereinnahmt. Bei der heimlich beobachteten 'Hinrichtung' eines Pferd"wesens" – wir bewegen uns hier (mit ihr) in den Gefühlen des Kindes- rettet er doch die Nichtsahnende, bevor er panisch verschwindet. Bei der Verfolgung des 'Kindes' gerät sie immer tiefer in die fremde Person hinein – und begegnet dem Monster. Erschreckt flieht nun sie,- mittels der technischen Apparatur. An diesem Punkt stehen wir ungefähr da, wo auch die Gesellschaft steht (die nur sanktrionierend ignorierend sich abwendet). Wo es Opfer gibt, gibt es Monster. Wo es Monster gibt, gibt es die technische Rettungsapparatur der Polizei. Diese versteht das Monster nicht, sondern will es nur erlegen. Ist es geschafft: warteschleift sie auf das nächste Monster, das sich unfehlbar nicht lange missen läßt. -Niemand von uns will wissen, wie ein Hitler im Innern funktioniert und es dort aussieht (um die Ursachen, auch für Künftige, evt. zu beseitigen fähig zu werden). - Wir wollen ihn bloß nicht in unserer Mitte auftauchen, haben und sich betätigen sehen.
              Wir alle meiden den inneren Kontakt mit dem Bösen – also ohne die Gründe für seine Entstehensbedingung -, ja seine serienmäßige Produktion systematisch aufzusuchen und auszuräuchern. Wir alle Hindern Hitler bloß am Tun – nicht am Entstehn. Das ist die Krux.

              Singh tut jedoch den nächsten Schritt: es nützt nichts,- will man das Opfer noch retten (und das ist die Menschheit einer –Augen zu !- zukünftigen Weltkatastrophe),- muß Carver – so heißt das Monstrum – der Ort seiner Verbrechenszubereitung entlockt werden – und damit muß man Zugang zu seinem Vertrauen, zu seinem Einwilligen-, zu IHM gewinnen.
              Die vom Erstkontakt verschreckt geflüchtete Wissenschaftlerin (J. Lopez in ihrer bisher mir bestbekanntgewordenen Rolle) erklärt sich zur Fortsetzung bereit. Erneut macht sie sich gutwillig auf den Weg in Carvers Geist – der äußerlich völlig paralysiert körperlich ruhiggestellt – „scheinbar ungefährlich“ wie sie daliegt – und gerät, um es abzukürzen, nach weiteren Begegnungen mit der noch schizophren gespaltenen 'unschuldigen', vatermißhandelten Kindsgestalt Carvers – doch in die Gewalt des reaktiv 'schuldig' erwachsenen, mutierten Kill-Monsters-Carver, der nichts Menschliches mehr hat, sondern sich als Gott fühlt,- der er in seiner Welt ja durchaus ist, wie jeder von uns in seiner eigenen. Carver jedoch unterwirft sich die äußere Welt anders als wir: er verzichtet im entscheidenden Punkt, ihrem Gebot (nach soziokonformen Verhalten) nachzukommen - wo wir uns unterwerfen, und dieses Gebot beachten. Wir tun es, weil wir es unbesorgt tun dürfen, ohne gewohnheitsinkarnierte Strafe fürchten zu müssen; Carver tut es nicht : weil sein unendlich brutaler Vater ihn bereits als Kind in jeder möglichen Form dem Schmerz – der Bestrafung, der Mißachtung, der Demütigung, der körperlichen Züchtigung, der Vernichtung als eigenständige Person – zerbrochen, umerzogen hat. Diese Parabel funktioniert, und macht den Wert des Films aus: Carvers Person wurde von einer allmächtig böswilligen Vatergestalt systematisch verkrüppelt und vernichtet: und mit nicht nur psychogenen,- sondern rein physischem Prügel-Schmerz, und Angst vor diesem, erfüllt. Carver hat Angst-, i s t Angst, pure Angst, und Angst vor Schmerz und Strafe, und wird in dieser Angst: zu bloßem übrigen Schmerz. Singh dringt in das Innere einer pathologischen, allgemeingefährlichen Schizophrenie so weit vor wie kein Film vor ihm – mit einer Leuchte in den Händen, die in verständliche Bilder umsetzt ; in anderen Filmen wird besser die Angst (vor dem Tabu in uns) wiedererschaffen,- aber nicht der Zugang zu ihm.

              Die Wissenschaftlerin wird von Carver (dem Monstrum) überwältigt und „übernommen“- alles „im Traum“. Der FBI- Jäger nutzt gewahrwerdend, einen dritten Steckerplatz, um sich beizugesellen, und die Dinge wieder gerade zu rücken; auch er landet im Innern des Carvers und gerät ebenfalls ins seine Fänge. Beeindruckend fand ich, wie die Brücke von einer künstlerischen Darstellung der Folterung des Heiligen (?Sebastian?) aus der christlichen Mytho-Ikonographie, (welches als PinUp in der realen Wohnung des Häuschens des Killers an der Wand geklebt war),- in ein Inneres Erleben der durch dieses Bild ausgelösten Visionalisierungen des Gehirn- und Tatkranken geschlagen wurde. (Soll ich es sagen?) – dem FBI-Agenten wird also auf der Folterbank der Darm, Stück für Stück, aus dem Leibe gewunden, und auf eine Art Bratspieß gewickelt („Denken Sie immer daran,- nichts von dem, was Sie erleben werden, ist real!“) (eben: leider doch: Hitlers innere Welt k a n n , unter Umständen, wie sie es tat, zur äußeren Realität mutieren!,- das Gedankengefühl i s t der Vater der Tat!). -Da er weiß, das er visioniert, überzeugt der in aller Seelenruhe (trotz eingebildeter Qualen) festgespannte FBI-Hero – die in der Fremdvorstellungsrealität gefangene und nutzbar gemachte Wissenschaftlerin (welche in Carvers Willensunterworfenheit ihm dient) davon, ihre wahre Identität – als die freie Person, die sie eigentlich ist – wiederzufinden,- und „sich“ von „ihm“ (Carvers Zwangsvorstellungen) – zu befreien – grandios, wie es gelingt, einen so doch recht kompliziert anmutenden Sachverhalt ganz simpel, und nachvollziehbar, in Singhs Darstellung anschaulich zu machen. Klingt kompliziert,- ist es aber nicht. Und das Schönste ist: es funktioniert.

              Wieder sind beide frei (aus Carver entkommen),- das heißt, aus ihrer virtuellen Realität (im Ghost of the machine) in ihre realen Körper zurückgekehrt. FBI-Hero hat unterwegs (in Carvers Intimsphäre) den entscheidenden Hinweis auf den möglichen Aufenthaltsort des Opfers aufgeschnappt; er brennt darauf, es zu retten, und eilt davon; die Wissenschaftlerin, die Carvers abgespaltene, schuldlose Identität als rein mißhandeltes Menschenwesen erfahren hat, möchte jedoch ihr Versprechen einlösen, ihn,- das heißt dieses ewig mißhandelte gefährdete Kind- „zu retten“ aus der absoluten Verfügungsgewalt des vom bösen Vater übernommenkopierten (gleichwie zerstörten) Carvers: sie will den verfolgten, unschuldigen, unendlich leidenden Carver aus den Fängen seines zum Bösen mutierten Ich-Anteils, der "gut"/ „böse“-Spaltung Carvers, befreien: denn sie erfuhr mitleidig auch dessen Schmerz. In einer- als einzig nicht ganz gelungen Allegorie des Films – Szenerie kehrt sie selbstwillig (in einem eigenmächtig verantwortetem Sabotageakt gegen den Willen des übrigen Teams-) angeschlossen, (das heißt nicht s i e dringt in s e i n e n Geist-, sondern e r erhält die Möglichkeit, es in den i h r e n zu tun) – in die Verbindung zurück, kämpft gegen Carvers eindringenden Geist auf ihrem eigenem Terrain, befreit den Jungen (Carver) durch ihre liebende Aufnahme und Verzeihung in sich von Furcht und Angst - vor der Macht des bösen Carver und hangelt sich in einen schiefsitzenden Haussegen hinüber: während FBI-Hero das reale Entführungsopfer in letzter Sekunde flmgerecht rettet,- befreit sie in einem Annahme-Taufakt das endlich verstandene, "geliebte" Kind vor seiner späteren Schuld-Ausweglosigkeit durch Böse-Ausschließlichkeit. Die Kindsgefährdung 'stirbt', und damit entschwindet die Begründung für den bösen Carver mysteriös auch (schön wär’s, wär’s möglich) - und das Böse, durch liebende Annahme, Entgegenkommen, und Verständnis, auch. Vielleicht wird diese Kopllung in filmischer Umsetzung hier nicht ganz deutlich; sei's drum, wir verstehen.

              Wäre, beim abschließenden Pflichtschmalz-Showdown (der auch dadurch nicht besser wird, das die beiden rituell füreinander Bestimmten sich für immer trennen - statt zu kosen),- ...wäre hier, irgendwo, erkennbar geworden (man sucht nach einem Hinweis),- wo und wie DasBöse– wie die Möglichkeit zum vergebenen Guten – abgeblieben wäre,- um zum Beispiel in IHR als Carvers inifziertes Vermächtnis-Implantat unvermutet wiederaufzutauchen,- die Weltparabel-Züngleinwaage wäre (da DasBöse ja tatsächlich noch in der Welt weiterhin wütet) im Lot und formstabil geblieben. So allerdings hinkt die Metaphorik des Films (für mich) einem etwas unvollständigen Einschluß entgegen: denn weder ist Carver - der Böse wie der Gute – geheilt,- noch gerettet, noch ins bloß Mögliche verbannt -, oder sonstwie noch vorhanden,- sondern bloß "entfernt" neutralisiert gestorben aus dem Spiel (scheinbar) genommen: wie Hitler. Brauchen wir, da Hitler tot ist, nie wieder einen wie ihn zukünftig zu fürchten? Hier stimmt etwas nicht. Oder ich habe es bloß nicht verstanden. Schade. Ein etwas hinkendes Ende eines sonst grandiosen Films, der, von der Story her, nicht zu schwach, sondern solide,- aber von den Bildern her auf kerngesund überwältigenden, muskulös-wie-Schwarzenegger gesunden beiden Beinen steht. Jedoch ist nicht aus dem Kopf zu vertreiben : W o ist die Möglichkeit des Guten / wie des Bösen – bloß geblieben? – Einfach per Abort aus der Welt entfernen - unmöglich, was soll denn bloß aus ihr werden ohne sie? Ein Kaufhauskatalog?
              Die Welt ist nicht fiktional. Das, allerdings, ist das Problem des Films.

              Trotzdem schön, ihn zu sehen. Denn hier wird viel, mehr als anderswo, geboten fürs Geld. Gratuliere. Singh hat sich bereits ins akreditierte Gedächtnis eingeschrieben. Dieser Film wird nicht so schnell vergessen werden. Und sein Ruhm wird wachsen: bis er verstanden sein wird (ich habe da so ein Gefühl) (das dies noch nicht geschehen sein -, aber eines Tages passieren mag). Tarsem Singh – merken Sie sich das, durchaus.

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              • 7

                Zombiekomödie. (?) Nur aus einer gesunden Portion guten englischen Humors zu entwickeln. Hintergründig mehrbödig. Urkomisch. Jede Menge Zwiefachsinn: das erträumte AusdemWeg-Räumen von lästigen Schwiegervätern. Widerwillige Verhältnisse zu Arbeitswelten. Das Erleben alltäglichen menschlichen Surrounds als eine Zombie-Illustration. Sehnsüchtig anarchistisches Verscheißern von pflichtgemahnender Anspruchserwartung der Umwelt an „Ziviltugenden“ (was für ein (deutsches) Wort) wie „Ordentlichkeit“, „Pflichterfüllung“, „Engagement“ und „Zielstrebigkeit“, wo man viel lieber in einer vernachlässigten Wohnung sich mit besten Kumpels direkt nach dem Erwachen zum Computerspielen aufs Sofa hockt.
                Kommen dann die echten Probleme, kann jeder zeigen, was wahrhaft in ihm steckt. Aus Vorzeige-Angepaßten werden feige Vollidioten, und aus Loosern geblütige Helden. Um den wundersamen Wandel zu bewerkstelligen, müssen viele scheinbar normale, in Wirklichkeit absurde Dinge relativiert werden - und umgekehrt, scheinbar völlig unrechenfertigbare Reife-Mängel als merkwürdige (mit geheimen gutem Grund) gebrandmarkte Verweigerungshaltungen rehabilitiert sein.
                Das geht nur very british: die halbwach-morgendliche automatisierte Einkaufstour mitten durch Desaster-Stadt,- das Begegnen der zwei Überlebenden-Banden genau nach demselben evolutionär begründbaren Organisationsmuster, das höfliche Einhalten von Etikette mitten im Untergang; das sind tief sinnstiftende und onto- wie -phylogenetische Überlebens-Strategien. >Keine Lage ist so schlecht, das man nicht darüber noch lachen kann<; Tanzen auf dem Vulkan und Pfeifen im Walde. Dieser Film macht vor, wie man anständig, als selbstverpfuschter Homo Sapiens Sapiens, dem Ende mit Würde und Anstand entgegenschreiten kann. Denn was zur Debatte steht, ist Götterdämmerung und Walkürenritt. „Die Letzten Tage der Menschheit“. Sodom und Gomhorra. Nach uns die Sündflut. Wenn der letzte Keks gegessen und dem Volk auch der Kuchen ausgeht,- oder, das Letzte Cornetto mitgebracht und verknuspert ist,- dann sehen wir uns zusammen noch einmal >Shaun of the Dead< an und lachen herzlich ein allerletztes Mal miteinander, über uns selbst,- zur Endabschieds-Galavorstellung. Der Letzte knipst das Licht aus, und zieht das kaschierende Zombie-Rollo runter. Mehr bleibt uns nicht. Mit Würde vergehen. Und darauf hoffen, das ein Bus mit Militär kommt, und die Lage klärt. Allerdings gibt’s dann vielleicht auch nicht mehr viel zu lachen. Egal. Die Menschheit überlebt. Und offensichtlich, instinktives Händchenhalten, geht’s nun nur noch ans Kindermachen. Aber da ist der Film, wenigstens der lustige Teil, auch schon vorbei.

                Ach nein: wie es heißt, soll noch ein weiterer Teil der „Cornetto-Trilogie“ folgen. Wir sind gespannt: denn für >Hot Fuzz< (Heißer Furz) gilt dasselbe wie das hier Gesagte: das Entlarven aller scheinbarer Bürgerlichkeits-Intimität als mit Kloaken unterminiert, die man nur um den Preis faschistoid heimlicher Kennzeichen-Verhaltungen erreichen kann. That is the prize you pay : >Mißtraue der Idylle< (André Heller). Das wird drastisch mit einer Menge Kunst-Ketchup und blutrünstiger Geschmacksverirrung klargemacht, die strikt an die besten Zeiten der verrückten Monthy Pytons gemahnen. All die Leichen im Keller: sind Konzentrationslager-Opfer.
                Diese Filme und Filme-Macher wissen genau, wie es nicht geht; immerhin schon mal was. Vielleicht das Letzte, was Kunst bleibt: Ungenügendes zu entlarven, da Homo ja im Grunde dann dem Pudel am nächsten kommt, wenn er in Erfahrung bringt, das er nichts weiß. Aber was bleibt dem Homo dann noch? Vielleicht zuletzt: ein Lachen.

                • 3

                  Ein hanebüchenes Drehbuch mit gekonnten filmischen Mitteln kombiniert.
                  „Signs“ bezieht sich nicht sowohl nur auf die Zeichen in den Kornfeldern,- sondern schließlich auch auf die übersinnlichen Vorausschau-Zeichen der sterbenden Frau, wie sich schließlich herausstellt (typisch Shyamalan).
                  Viele gute, ruhige, auch mäßig beklemmende dramaturgische Elemente, wohltuend minimalistische Effekthascherei, eher psychologische Spannungserzeugung als Effekthascherei. Leider klafft das un-geheure schwarze Loch der Logik zunehmend fraglich inmitten der Szenerie des Films, um dann in der Endabrechnung wie in einem Vesuv‘ischen Ausbruch das Pompeji jeder guten Absicht, dem Werk ernstlich wohlzuwollen,- unter sich zu begraben.
                  Hat niemand dem Regisseur gewagt zu sagen, das raumfahrende, böswillige Fremdintelligenzien nicht von Holztüren aufgehalten werden können sollten,- oder das Wasserstoff, auch in Verbindung mit Sauerstoff zu Wasser, keineswegs eine überaus seltene esoterische, kaum vorauszusehende Substanz im Kosmos darstellt? – Das ist so grob, das es nicht wiedergutzumachen ist.

                  Shyamalan lebt wohl in seinem eigenen Universum; hohe begabte Dramaturgie des Gefühls, gepaart mit einer offensichtlich kindlich bis kindisch entwickelten Intelligenz: frappant, wie dieses normaler-weise kollegiale Nachbarschaftsverhältnis in einer genialen symbiotischen Verbindung auseinander-klaffen kann.
                  Nicht umsonst haben Shyamalans Filme ein Faible für Kinder: er ist selbst ganz offensichtlich, in ei-nem guten Teil seiner eigenen Entwicklung, kaum darüber hinausgekommen. Trotzdem ist dieser Film nicht nur grottenschlecht : denn verriegelt man die Zufuhrlöcher der logischen Außenluft, bleibt ein atmosphärischer, in Maßen geschickter, stellenweise sympathisch spannender (obwohl nie gruseliger und den Puls niemals über Zimmertemperatur erhitzender) anregender Film, dessen Gesamtleistung, (sieht man eben von der hanebüchenen und haarsträubenden Logik-Rechtfertigung des Plots ab),- in Ordnung ist. Fazit: eigentlich gute Umsetzung einer der grottigsten Aufmacher-Auflösungen aller Zeiten.
                  Himmelhochjauchzend, zu Tode betrübt. Schizophren. Gespaltene Persönlichkeit. Der Geist eines Kindes im Körper eines Erwachsenen. Kann man da nicht noch einmal in einem Nachdreh die letzten zehn Minuten (doch wie??) umkehren, und eine bessere Erklärung liefern (Krieg der Welten: eine Infektion durch eine terrestrische Bakterienpopulation wendet das Blatt)? Wieso fragt man sich die halbe Zeit des Films, warum Aliens immer feindlich sein müssen, oder ob nicht eine friedliche Erklä-rung in Aussicht steht? Wenn es die „böse“ Variante denn sein muß : kann man dann nicht sinnvoll einige >harte< , wenn auch mehrdeutige Indizien von tatsächlicher gerechtfertigter Bedrohung aus-streuen, wie endlich der offensichtlich Schaden nehmende Hund? Wieso nimmt dieser ein böses Ende, wenn eine geschlossene Zimmertür den Alien zu blockieren ausreicht? Wieso muß ein Baseballschlä-ger, nebst einem Glas Wasser, schließlich die ultimative im Film eingesetzte Waffengewalt liefern zwischen zwei also wenn nicht gut,- dann böswillig konkurrierenden Fremd-Intelligenzien,- von denen die eine Atomtechnik,- die andere eine dieser sogar offensichtlich überlegene Weltraumtechnik be-herrscht,- die wohl aseptisch voneinander separierbar zu entwickeln sind? Fragen über Fragen,- die wohl nie eine Antwort erhalten werden,- weil es sie vermutlich niemals gab noch geben wird... schade.

                  Shyamalan hat ein großes Potential für sein nächstes Werk, wenn es nach diesem Tiefschlag (hoffent-lich doch) noch eines geben wird,- vertan: dem, ihm zuzutrauen, das er etwas Besonderes zu bieten hat : seinen guten Ruf und Leumund,- die Einschätzung, das es sich lohnt, ihm zutrauend Aufmerksamkeit entgegenzubringen,- auch wenn es zunächst hanebüchen unstimmig zugehen mag. Keine Schnitzer mehr. Der nächste Film muß von Anfang an funktionieren –bitte auch am Schluß. Keine bösen Über-raschungen noch. Shyamalan hat einen großen Vorsprung, wegen nichts, äußerst leichtfertig, kindisch leichtsinnig, vertan. Ein Fehler dieses Ausmaßes hätte nicht passieren dürfen, können und müssen,- ist im Grunde unerklärlich, da der Film nicht nur von einer Person herstellbar gewesen sein kann,- von wegen Betriebsblindheit,- und eine Vielzahl beteiligter Intelligenzien mit diesen ausgedehnten Logik-Minenfelder-Pannen konfrontiert gewesen sein muß, ohne in irgendeiner Weise sie bemerkt oder dar-auf aufmerksam gemacht zu haben. Peinlich. Eigentlich hätte das unmöglich so passieren können.

                  Letzte Woche stand in der Zeitung, das eine Bank in der Bilanzierung ein mehrere Milliarden Euro großes Fehlloch durch einen simplen Rechenfehler der Saldierung produziert hat, was völlig unglaub-lich ist, sehr zur peinlich berührten Freude des Finanzministers, der, einer neu eingerissenen Gewöhn-lichkeit folgend, dieses Loch zu stopfen im Falle ist. Der Steuerzahler begleicht alles.
                  In diesem Fall heißt der Steuerzahler Zuschauer. Nur: der eine muß, rechtstaatlich. Der andere kann, medienwirksam. Soll er? Wird er? Wird schon.
                  Denn der Süchtige lechzt nach Gefühl, nicht Sinn, oder Geist.

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                  • 7 .5

                    Endlich wieder einmal ein Film, der zeigt, was Kino kann und wofür es erfunden worden wäre,- gäbe es es nicht schon. Alles an diesem Film ist opulent – Besetzung, Story, Kostüme – und der Griff in die Vollen der großen Namen des Mythos.

                    Shakespeare,- was für eine Wahl ! von Mut, so nahe verwandt der Reue, bezeugt. Regisseur und Geschichtenlieferant trauen sich hier Einiges zu. Sicher -, natürlich ist dies wieder einmal keine historische dokumentarische Studie – natürlich nicht. Dies ist eine Filmwahl,- die nicht wenig verlangt,- und der Witz ist : sie bringt es.

                    Ein Film anhand von Shakespeare? Nun er benutzt einige festwurzelnde ‚Klischee‘vorstellungen über das „Elisabethanische Drama“, um sein eigenes Spiel damit zu treiben und aufzubauen. Dies ist ein Spiel mit dem Feuer: denn der Zauberlehrling, der sich leichthin darauf einläßt, muß damit rechnen, von den buchhaltenden Bescheidwissern der Zeit von nun an gemessen zu werden und sich messen lassen zu müssen. Shakespeare ist eine Ikone, die manchen lieb und wert ist und ihre Gralshüter in allen möglichen Ecken und Winkeln der Community aufzutreiben weiß: und all ihrem Befund muß der Film sich stellen; sowohl dem leichtfertigen Werkeltagsublikum, das wie zur Premiere des vom jungen Autor schließlich dem Leben abgerungenen Kunstdramas namens „Romeo und Julia“ ins Globe strömt -, wie auch demjenigen, der womöglich Marlowes „Faust“ den Hervorbringungen Shakespeares an die Seite zu stellen weiß,- und seinen Standpunkt in der einschlägigen Diskussion verorten kann, in der „Shakespeare“ in Wirklichkeit das Pseudonym eines hochadligen, im Hofmilieu kundigen-, der dubios-halblegalseidenen Teilhabe an der Randgesellschaft der fahrenden Künstlertruppen verbotenen,- Mannes von Stand war,- wie er etwa an der Person Shaftesburys eventuell festzumachen wäre. Nach dieser Theorie bezahlte ein derartiges hochdramatisches- und -ambitioniertes Genie eine halbseidene Schmierenkomödianten-Existenz namens William Shakespeare aus Stratford on Avon dafür, als seine Deckadresse und Briefkastenfirma für die eigenen unstatthaften dramatischen, hochpolitischen Hervorbringungen zu figurieren – da ihm, dem Original, eine Teilnahme an dieser asozialen, komödiantischen Unterwelts-Existenz von Stands wegen genauso verwehrt war wie der theaterbegeistert-verbotenen -, trotzdem ungehorsamen unkeuschen Viola im Film zu der Zeit, als Frauenpräsenz auf der Bühne noch gleichbedeutend mit Zurschaustellung öffentlicher Unzucht war.

                    Das, heutzutage unvorstellbar, wo ganze Industrien von der Ausbeutung (auch) weiblicher erotischer Anmut und Schönheit und Grazie leben und sich (nicht eben übel) nähren,- ist keine Fiktion, sondern geschichtliche Tatsache.
                    Wer darüber Bescheid weiß, über diese fern schillernde verschollene Welt der Molieres und Ben Johnsons,- über Corneille und Racine (bald), über antike Chöre und liturgische Dramen, in Italien, die Opera buffa, Harlekins und Papagenos,- über Bartholomäusnächte (Marlowe!) und PhilipII,- über den Dämmer der Neuzeit in dieser quecksilbrigen Vitalität der hochpulsierenden Renaissance,- für den also Geschichtskenntnis mehr ist als nur ein Tusseaut’sches Wachsfigurenkabinett und eine Requisitenrumpelkammer,- (etwa zu besichtigen in „Nachts im Museum“),- auch dieser wird früher oder später Kenntnisnotiz von „Shakespeare in love“ erhalten und auch ihr Auffassungsresultat wird sich herumsprechen – weil nichts so sehr abgestraft wird wie schamlose Lüge und Unwahrheit in Eigeninteresse.

                    Damit, liebe Freunde, meine ich nicht: die geschichtliche Exaktheit oder ‚Wahrheit‘ (was soll das übrigens sein?) noch attitüdenhafter Ausstattungs-Prunk,- (dafür, ich wiederhole es, ist Kino – so wenig wie „Kunst“, NICHT da -), sondern der Geist der Wahrheitswahrscheinlichkeit, der über den Wassern schwebt und im Spiel sich regt und spürbar wird. Wer den Namen Shakespeares in den Mund nimmt, beschwört, wenn er Schindluder treibt, einen Sturm herauf (der sich mit einem gleichnamigen Stück, lieber Prospero, messen kann). Nein, SHAKESPEARE heißt: in seinem Geiste handeln,- nicht dem Buchstaben nach – denn Shakespeare ist Geist, ein großer, ständiger Menschheitsbegleiter seitdem. Wer diesen Namen vom Boden der Geschichte aufnimmt, riskiert etwas.

                    Das Aufnehmen hat hier, wie im Kino dieser Zeit anders nicht möglich,- etwas von Auf-Klauben. Shakespeare ist heutzutage ernste, >große< kanonisierte Kunst; Kino hat diesen Geruch immer noch nicht und arbeitet daran (durch die erlesene im Lauf der Zeit keusch anwachsende und sich züchtig vermehrende Zahl künstlerisch wertvoller Aussageprojekte auf Leinwand),- diese Schallmauer zur auch möglichen Ernstnahme-Geltung erst zu durchbrechen. Noch gilt Kino als das, was Bühnenkunst zur Zeit „Shakespeares“ war : ein anrüchiges halbseidenes Genre, von Predigern erfolgreich befehdet (und doch aussichtslos),- von seriösen Leuten mit zu bewahrendem Ruf vorsichtig umgangen und gemieden -, eine soziale Duldungsgeste der Macht gegenüber dem Ruhigstellungsbedarf des Volkes, das ewig für Brot und Spiele leben muß, da es von den Bestimmungsquellen seines Schicksals abgeschnitten ist und morphinösen Ersatz dafür geleistet haben will und gewährt bekommt -, ein ausfasernder armutsbedrohter unterer Randsaum der Gesellschaft nach dunklen Gefilden in Richtung Abschaum hin -, zu Shakespeares Zeit war >Shakespeare< keinesfalls kanonisierter Dichterkanon : der „Dichter“ selbst war kaum erfunden und kämpfte einen zukünftigen Überlebenskampf a la Tasso um Anerkennung genauso, wie heute immer noch das Kino um Anerkennung auf seine Geltung als Kunst kämpfen muß. Diese Verwandtschaft der Genres schafft innere Verbundenheiten und entbindet Potential: und siehe da, der Film nutzt es – nicht -auf und nicht -ab,- nur einfach: spielt auf gleichwertiger Ebene ein anmutiges Spiel mit ihm. Und er tut es gekonnt.

                    Die geschichtliche Exaktheit ist natürlich in allerhöchster Besinnung herzlich egal dabei – aber einige Etagen tiefer wiederum auch nicht so herzlich,- das die Identifikation nicht mit dem Geschichtsdetail Shakespeares >in sich< -,- sondern mit unserem Legendeninventarium (des Mythos Shakespeare >an sich< und >IN UNS<)-, gefordert möglich und unverletzt wird. Diesen Zwiespalt überbrückt der Film phänomenal: die „Rose“-, das „Globe“,- Theaterarchitektur,- hölzerne Galeriekonstruktionen und kostümhafte Darstellungstreue (nur etwas zu muppetmäßig: Königin Victoria-Lisabetha),- Enge der ungepflasterten bevölkerten Gassen mit taufrischer Mistdüngung und unversehenen Nachttopfgüssen von oben,- rauhen Sitten und komödiantenhafter Hingabe und Konkurrenz,- sind herrlich und voller schauspielerischer Lust und Unmittelbarkeit getroffen und nachgestellt-, -inszeniert; mit liebevollem Blick aufs Detail und nicht gekleckert,- sondern geklotzt. Der Film fürs Auge setzt Requisite ein wie es sein muß – ungespart! Der Mythos der Epoche der hochschwangeren Renaissance mit der Neuzeit im geschwollenen Bauch wird liebevoll getroffen und der Geschichte unangestrengt unterlegt; sie bildet ein solides Parkett und ein Hintergrund-Bühnenbild, auf dem eine Komödien-Instanz im dichterischen Geist der Damaligkeit aufblühen und sich entfalten kann.

                    So blüht auf eine -, und hier beginnt nun eine von Geschichtskorsett (dezent- wahrhafte, nur scheinbar übertriebene) abweichende Kultur subjektiver individueller Erzählkunst sich zu entfalten: am Aufhänger um die gleichzeitige romantische und dramatische Entstehung von Romeo und Julia,- einer der wohl eher nicht unbekanntesten und unbegabtesten künstlerischen Liebesentwicklungs-Gaben der Kunstgeschichte.

                    Nicht ungeschickt wäre es gewesen, den heiklen Namensgeber aus der Titelgeschichte herauszuhalten und stattdessen einen aus dem Umfeld dieser – zur Not auch Romanze – zu wählen.

                    Romeo wird also hier zu Shakespeare, unter dessen Autorschaft das Stück nun einmal notorisch ist; und wenn er es geschrieben hat, was läge näher, da er ja mit den Detailfakten der Abwicklung genügend Vertrautheit beweist und diese Kenntnis irgendwo herstammen muß,- ihm diese Kennerschaft konkret festgemacht anzulasten im eigenen aktuellen Erleben ,- und darum herum-, eine Dichtung zu stricken: Shakespeare als Romeo,- fehlt nur noch eine glaubwürdige Julia: und schon haben wir Werthers Leiden,- in echt, wie Charlotte Buff,- durch den Literatur-Mythos geistert,- bis zu Wiederbelebungsversuchen a la „Lotte in Weimar“ von Thomas Mann – nun aber Shakespeare im ‚Rose‘,- a la John Madden. Shakespeare spielt sich selbst – und erarbeitet eigenes Herzblut fiktional in Bühnendramaturgie um, indem er aufschreibt (manchmal wörtlich) was er erlebt – und gesprochen und verhandelt wird – zwischen ihm und seiner Liebsten – Shakespeare in Love,- das ist herzergreifend und kann doch auch kein gutes Ende nehmen,- zumal bekannt (oder eher unbekannt) ist,- das der Dichter späterhin unbeweibt starb – und wohl zumeist auch lebte (von einem ganz frühen legislatorischen Fehltritt abgesehen). Aber man weiß so wenig: so ist viel Raum,- für äußerliche Gestaltungsfreiheit: man darf sie nur nicht mißbrauchen,- durch Kitsch.

                    Genau das tut dieser Film,- so spielfreudig und turbulent-aufgeregt (eher angeregt) er sich gibt,- NICHT (Gottseidank!). Er schlägt, bei aller Burleske, kaum unerlaubt über die Stränge. Seine liebhabenden Macher und phanatsievollen Erdenkens-Konstrukteure erweisen Geschmack : nicht abgestandene Sentimentalität,- und auch nicht ranzige Schwüle a la Wagner: nein, die Waage wird von allen Beteiligten gehalten und wohl dosiert im rechten Augenblick zurückgenommen: die Schminke sitzt zwar dick,- aber eben nur äußerlich, niemals innerlich: und darüber könn(t)en echte Tränen kullern: denn Shakespeares Dramen selbst sind nicht ausgedacht: sie sind echt und ursprünglich vorhanden : und die innere Wahrscheinlichkeit bleibt unangetastet. Wer einen reinen Süßschmalz a la „Notting Hill“ oder Titanic wünscht: wird eher mager fett werden; wer von „Romeo und Julia“ herkommt, einer Geschichte ohne Happy End (die eigentlich nicht einmal unbedingt NUR ein Liebesdrama beschreiben will),- (sondern einen Versöhnungs-Versuch der aufruhrgespaltenen Menschheit mit Androhung des Liebes-Endes als winkendem Zaunpfahl),- der wird eher zufrieden sein. Dies ist kein Kitsch, sondern augenzwinkerndes Spiel mit dem Ernst; etwas moderner als noch bei Shakespeare meinbar.

                    Ich verzichte wie üblich auf die Wiedergabe des Inhaltsresumees. Die Eingangsszene mit den schmauchenden Stiefelsohlen setzt gleich ernste Akzente: wir sehen, es ist nicht nur komisch gemeint; aber so ernst dann auch wieder bald nicht,- auch der Protagonist, der dann wie auf Kohlen durch Londons Gassen humpelt und seine Füße gern in Tränken badet,- erntet Lacher,- und zeigt, das die Lebenslage „hoffnungslos, aber nicht wienerisch ernst ist“; statt jener „berlinerischen“ Abwandlungs-Variante. „...Es ist ein Wunder“-; eine der zahllosen Nettigkeiten und hoffnungsspendenden Gestenlust des Werks. Shakespeare beim Psycho-Quacksalber, für vier Pennys; und dann das Katz- und Maus- Verkleidungs-Verwechslungsspiel; als ein seltenes Un-Zuendegeführtes fällt mir gerade die übel-offengelassene Rolle des angebenden kleinen Denunzianten-Mickerlings bei; das wurde etwas zu ungar zu Tisch gebracht und serviert. Alles andere wird stimmiger und stimmiger: wie zum Beispiel das Marlowe eben doch nicht auf Shakespeares Geheiß ermordet wurde (Amadeus läßt grüßen!) - und geschickt schließlich auf die endlich fadenverbindende, kulminierende dramaturgische Höhepunktsszene sowohl des Films - wie des in diesem spielenden Bühnenstücks hinzugearbeitet : 1.Geoffrey Rush und Gwynneth Paltrow spielen 2.als Shakespeare und Viola 3.Romeo und Julia 4.aber doch in Wahrheit sich selbst. ?. Moment? – jetzt fehlte nur noch, das die beiden während der Dreharbeiten 5.etwas miteinander gehabt hätten: mein Gott, wär das schön-, ein flottes der Geschichte humoriges Quintett gewesen. (Eigentlich Sextett, der Zuschauer käme mit seiner Geschichte 6.,weswegen er lachen oder heulen dürfte, noch dazu). - Aber soviel Romantik gönnt uns das Leben,- von dem die Kunst immer nur ein Abklatsch ist, bekanntermaßen nicht. So greift auch schon eine hölzerne Elisabetha ein (im Grunde Leichenrollebelebend: Judie Dench),- und erteilt wie ein donnernder Deus ex machina ein göttliches Ja-Wort aus machtvollkommener Absolutheit: der förmlichen unwidersprechlichen Tatsachengerechtigkeit. Schön,- wenn weltliche und höhere geistige Macht so harmonisch zusammenfallen,- da fühlt man sich doch gleich besser aufgehoben in seinem wankenden Lebensschiffchen. Wieder wie herrlich: die Pfütze, die jugendlich hoffnungsvollen Hofsprößlinge, die jene Geschichtchen gut Bescheid wissen und etwas zu unflink memorieren, - die orientiert-wissende, resignierte Frau in ihrem murmeligen „...zu spät!“. Ist das nicht herrlich -witzig?
                    Ach, ein handfester, üppiger, greifbarer Film- da hat man was in der Hand! Die Oscars hauen, einmal, vom Handwerklichen gesehen, schon hin.-
                    William und Viola dürfen sich noch einmal küssen,- dann geht reitet fährt resp. schwimmt jeder seinem einzelnen Schicksal entgegen: und wie gelungen die letzte Einstellung des Films, den endlosen Strand hinauf in die fernere Unerkennbarkeit, aus und in die Geschichte heraus-hinein-heraus, zu Worten : ‚unvergessen‘, doch „...einem neuen Leben entgegen“! ...-.

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                      Edward Hopper auf Film
                      Wohl wenige Menschen dürften je in den Genuß kommen, von der Grundproblematik, die Somewhere erzählt, ganz ruhig,- tatsächlich geplagt zu werden. Stellen Sie sich vor, Sie hät-ten alles, was das Herz – das Herz? – begehrt ,- oder den meisten Menschen so scheint zu tun -, kurz also, Sie hätten, was immer Sie von anderen Menschen zu erhalten für möglich erach-teten: Geld – egal wieviel, genug ; Sex, wann, wo und wie immer Sie wollten, solange es sich eben nur um Sex und nicht um Zuneigung handelt(e),- Anerkennung bis hin zum Ruhm,- Mu-ße bis zur Langeweile: was füllt dann Ihr sinnvoll Leben aus? – wie gesagt, wenige dürften sich über diese Art Problem bisher ernsthaft angemessen Gelegenheit, Gedanken zu machen, gehabt haben.

                      Man kann vermuten, das Regisseurin Coppola als Tochter eines Berühmten und nach einem Indizienprozeß anhand von Lost in Translation geführt – wohl zu den Erwählten sich zählt, welche von einem um sie gezogenen Bannkreis solcher Spurweite berührt werden. Dabei ge-lingt es ihr hervorragend, ihre vorgeführten Megaberühmten jenseits ihrer Unerreichbarkeit sehr in ihrer verletztlichen Menschlichkeit unheimlich genau zu porträtieren: im bloßen einge-schwitzten Schlotterhemd des Stars (dessen Darsteller übrigens, einziger Kritikpunkt der gan-zen Angelegenheit, doch etwas zu dürftig blaß und konturlos uncharismatisch für die Rol-lenerfordernis daherschlurft,- ganz im Gegensatz zu seiner Tochterrolle, die annähernd per-fekt besetzt ist); seine star-berühmte („Wie schaffen Sie das immer nur, so gut auszusehen?“) ungepflegte, bartstopplige ja vernachlässigte Äußerlichkeit, die stets verkehrte Wahrheit im Idol der eigenen Wünsche, die ihm aufgelastet werden, für alle zu tragen ; dazu auch das völ-lig durchschnittliche Klaviergeklimper des Jedermann-Möglichem, das er später im Beisein seiner Tochter daherfingert: Demonstration der Unbemerklichkeit. Der unscheinbare Wohn-lichkeitsapeal der angesagten Appartementfolge, die er im einschlägigen Inn-Hotel für Super-stars, die längst alles haben und gewöhnt sind, bewohnt (man vergleiche die bewußt schäbig gehaltene Zimmertür mit dem palastartigen Tordiwan zur Fürstensuite samt Privatswimming-pool, die ihn in Mailand erwartet). Es sind die Details, die diesen Film kostbar machen,- zu-mindest für die wenigen Eingeweihten: das Fleetzen auf dem (naja Gammel- ist zuviel gesagt) Sofa, mit dem vorletzten Uralt-Freund (oder einem Benicio DelToro im Aufzug) (ja, Bono treffen, das ist so langweilig-unspektakulär, es gähnt einen geradezu die Öde an) : alles das sieht so aus, als wünschten sich die Superexklusiven nur eins: ihre Normalität zurück,- denn, vor seinem Diener ist niemand ein Held, nur sie bemerken und wissen es (von sich und unter-einander, ohne sich helfen zu können) : die Fassade ist Schein, was bleibt, ein elender Haufen Mensch – nur unberührbar, wie die nackte Schön-Berühmte, Neben-Insassin einer anderen Zelle desselben Kerkers, mit bloßen Brüsten, schöne junge Männerhände an ihrer Frisur, so unerreichbar, unberührbar dasitzt wie eine Sirenen-Medusa, und weiß, das all ihre Schönheit nur ein völlig durchsichtiger Schatten ist, durch den hindurchgegriffen wird: da und doch nicht da, schön für alle und niemand, allein, unendlich: gefangen in sich, traurig, wie zum Tode bestimmt und verurteilt. Einer der schonungslosesten Filme über die Belanglosigkeit des Ruhms, der, das darf man ehrlich gestehen,- einmal, unter solchem Seziermesser, keinen heimlichen Sozialneid enthüllt oder gebiert,- sondern tatsächlich: bedauernswerteste, blödeste, ödeste Leere: Abwesenheit von jeglichem Sinn.
                      Der scheint manchmal durchaus auf : über den Fernsehbildschirm des Rückseite-Des-Mondes-Bewohners flimmern Ansichten des späten, bedürfnislosen, erfüllt scheinenden Ghandi- Mahatmas, ein paar Sekunden nur: genug, einen schwelenden Kontrast zu entdecken. Wie anders, wenn der Berühmte, allein auf seiner poppigen Luftmatratze im Blau des Hotel-Openair-Pool, umringt von Leere, in Postkartenfarbidylle unendlich langsam seitlich aus dem Bild schwappt; solche Einstellungen sind, Verzeihung, genial,- zumindest unendlich gut ge-lungen. Eine große Reihung illustriert die – nicht Langeweile, wie ich las – sondern Leere und Sinnlosigkeit des Parias, der König Krösus gleicht, dem verflucht alles zu Gold wurde, was er berührte (und verhungerte): der Ferrari , sein Lieblingsspielzeug, mit dem er Runde um Runde im Kreis, ohne anzukommen, auf einer Wüstenrennpiste inmitten der Wüste dreht, zu Anfang; die GoGo-Girls-Sexanimierdamen mit ihrer (bezahlten) Privatshow, die dem Unamüsierbaren zum friedlichen Einschlummern verhelfen müssen (statt einer aufregenden Nummer); die Übersättigung mit wohlfeilstem Sex angesichts zahlloser Damen, die sich ihm frei und lie-besüchtig anbieten, indem er sie nur anzutippen braucht: Du -!, ewiges Trinken ohne Löschen des Durstes; das Essen, das zu jeder Tages- und Nachtzeit in der Hotelküche beliebig abrufbar ist, ohne Einschränkung, ob Hummer oder Mirabelleneis; ein Wunsch, der nur genannt zu werden braucht,- und zwar jeder denkbare,- um schon in Erfüllung zu gehen; eine immer gleich tonlos freundliche Stimme am anderen Ende der Leitung, die jede Äußerung in voll-kommener Erfüllung, Gewährung und Nachgiebigkeit entgegennimmt, auch das Auschecken aus dem Paradies, was in Wahrheit völliger Gleichgültigkeit so nahe wie nur möglich kommt; denn wen interessiert es, ob dieser Himmelsstern dort für immer funkelt, wiederkehrt oder verschwunden bleibt oder nicht?- - Gewährung: entwertet jeden Wunsch; und hier sind alle erfüllt bis zu einem Maße, das keinen mehr übrig läßt. Diesem armen Mann sind die Wünsche genommen, alle Wünschbarkeit, und es wird ihm auch kein Ersatz geboten,- und dem Zu-schauer schon gar nicht eine Lösung; so eine bietet sich scheinbar an,- wird jedoch, offen-sichtlich, ungehört – oder unwahrgenommen – verhallen.

                      Der Star hat eine Tochter aus einer lange gescheiterten Beziehung mit einer Frau, die ihr Da-sein unter ähnlichen Umständen fristet. Sie, die Elfjährige, eine aufgeweckte, begabte (Eis-lauf-Kunsttanz), intelligente, natürliche, unverkrampfte, selbstbewußte Knospe kurz vor der Blüte verbringt einige Tage außer der gewohnten Reihe bei ihm, da ihre Mutter sich eine Auszeit verordnet. Berühmter Vater (der übrigens noch jung, Mitte Dreißig scheint, Holly-woods Jugendtraum) und Tochter verbringen ihre ziellose Zeit miteinander,- und schnell wird klar, was diese Beiden einander zu geben hätten: wieviel Liebe wird, mit einem selten wie kaum je auf Filmrolle gebannten lakonischen Understatement, in einer unkommentierten, un-endlich vielsagenden Szene des Bereitens eines gemeinsamen üppigen Frühstücksmahls durch das Mädchen, während der unbeschäftigte Vater noch in der Klappe pooft ,- sichtbar – man vergleiche diese Szene mit der ähnlich gestalteten, in welcher der Megastar sich selbst ver-sorgt: Spaghetti mit Ketchup,- nur ein hartgekochtes Ei könnte noch frugalere Kochkünste – und entfremdete Selbstentblößung in Geste fassen.
                      Nirgendwo wird hier ein ausgesprochener Zeichenhammer geschwungen: der Zuschauer denkt (oder sollte und muß es tun, denn die Regisseurin weigert sich demonstrativ standhaft- konsequent) sich alles selbst,- muß das Puzzle eigenhändig zusammensetzen: denn kein Anruf in der Hotellobby genügt bei ihm, damit jemand Freundliches vorbeischaue und die Drecksar-beit für ihn erledige, und das - läßt die Regie dann aber nicht unabgehakt,- scheint als Produkt ihrer doch sehr wohl vorhandenen Berechnung und Einflußnahme : schon ein Glück. Wie herrlich ist es, niemanden zu haben, der für einen sorgt! nicht im Paradies zu leben! unsere Hölle mit allen zu teilen! – denn schlimmer, als sich mit allen zusammengeworfen verdammt zu sehen, ist: verdammt in einer Einzelzelle zu Grunde zu gehen.

                      Es müßte bei der Einzelzelle nicht bleiben,- denn in einer leicht übersehenen, und doch zen-tralen,- vielleicht der zentralen Szene des Films klopft, ganz leise anfragend, ein möglicher Ausweg an, der jedoch ungenutzt verstreicht (obwohl er ebensogut , wenigstens noch eine Weile wund lang, Zeit zur Erledigung hätte)(allerdings nicht ewig): als, gegen Ende des Films, nach einem weiteren vom Schicksal durch Ferrarimotorschaden gestundeten glückli-chen gemeinsamen Tag,- (die Titelbildgebende Liegestuhlszene!) – Papa die Tochter doch noch zum exklusiven „Feriencamp“ bringt (inklusive Privathelikopter!),- „bringt“, man könnte auch sagen, Abschiebung geschehen läßt) (denn hier tut kaum jemand etwas, alles „ereignet sich“),- also hier, zu zweit im Ferrari (es könnte auch ein Opel Passat sein),- läuft wieder einmal, wie nur in diesem Film, eine unspektakuläre Katastrophe, wie selten im Kino, unter ab : Töchterchen schluchzt, fast unmerklich. Papa merkt’s doch und sagt, was denn? – und Tochter antwortet: wer weiß, wann Auszeit-Mami wiederkommt,- und du Papi ist doch sowieso immer unterwegs weg : ich sage: selten habe ich eine Tragödie so ehrlich gefühlt, wenn sie von der Leinwand herunterwollte und zu mir herabflehte. Und das Schönste ist: sie wurde nicht zerredet, oder überbewertet, und zu einem Showdown degradiert,- sondern durfte im Stadium des Halbdunkels verbleiben, und von dort ganz ihre Magie entfalten. Denn alles was passiert, ist, das sie sich anlehnen darf, und er ein paar belanglose beruhigende Worte sagt – wie es im echten Leben auch passieren würde. Man darf Rätselraten,- wieviel interner Coppola hier tatsächlich drinsteckt. Auf jeden Fall: es ist echt.

                      Und das ist, was diesen Film zu einem Kleinod macht. Er kommt nur scheinbar aus Amerika,- genauer Hollywood, dem Mekka des schönen Scheins und der Bilderbuchkulisse (man be-achte die Palmen): auch dort leben Menschen, einsame Menschen.
                      Sofia Coppola, die mir als Regisseurin tatsächlich besser gefällt als ihr Vater (??!),- versteht es, ihr Handwerk unendlich vielsagenden Understatements an sparsamster Andeutung fühlbar zu machen: etwa zum Schluß ,- nein, lassen Sie mich vorher noch das bemerkenswerte Gitar-renspiel des alten Angestellten erwähnen, der – soll ich Ihnen ein Lied vorsingen – Ja, einen bescheidenen Akt der Tonwiedergabe auf verstimmter Gitarre verschafft, und dadurch, durch dessen hingebender Ehrlichkeit, einen der Größe und Magie ,- und jetzt, zum Schluß: wenn der Star auscheckt, aus Los Angeles, und die Stadtautobahn herauscruist, im Ferrari, unter all den Familienschlitten und unspektakulären 4Wheeldrive-Geländewagen, einer unter vielen, verborgen in der Anonymität des Fahrzeugblechs, - allein die grünen Autobahnanzeigen die Namen der Jedermanns-bekannten Orte anzeigen, die Traumziele, deren wahrer Platz auf Er-den , unter keinem Nirgendwo-Himmel, hier erwiesen wurde,- wenn der protzige Motor heult sein Lied unter die Normal-Pe-eSser mischt, um sich kaum merklich darunter zu verlieren,- wie im Chor,- wenn die Straßen – die Route zum Feriencamp? (das Fragezeichen ist echt) unspektakulärer werden, Land auftaucht, wenn die Lösung der Regisseurin kaum angedeutet, nicht mal ansatzweise außer im Ansetzen eines beginnenden Lächelns des Stars eintreten will, als er, einzwei Sekunde lang aus dem Blechboliden steigt, in der Einöde, der Schlüssel sehr achtlos steckenbleibt,- der Mann die Straße weitergeht,- da bleibt zurück: oder kommt entge-gen: ein ehrliches Statement eines tatsächlich existierenden, sich anbietenden Menschen gese-hen zu haben: ein schöner Film. Die ihn gemacht hat der lohnte es sich sicher zu begegnen. Ich wünsche ihr Gutes: das ihr, zum Schluß, jemand begegnet wäre, der ihr entgegenkommt; ob Vater, ob Tochter: das zweie erkannten, das Menschen da sind, dort in der Nähe: das man sie nur nicht fortlaufen, ihrer Wege, lassen muß; sondern sich hingesellen,- sie nicht entkom-men lassen darf: denn das Schicksal führt uns stets voneinander weg: wir müssen es korrigie-ren. Tun wir es. Tun ist, was getan werden muß. Sonst geschieht nur.

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                      • 4

                        4 Punkte davon 3 für die Optik
                        Der Sommerfilm 2011, und die brave Würdgern-Griffelzunft schwaffelt was von „Rocky, Familienkino, Charmbolzen Hugh Jackman, überraschungslos gute Unterhaltung, vom Outsider zum Weltmeister-Story“. Mein Eindruck:
                        Belanglos zu vergessen. Der Protagonist ein rechter Widerling, dessen selbstverliebte (und -gerechte) Eigen-Idealisierung im (zutreffenden) Charme Jackmans gut codiert ist: also wer seinen Augen nicht traut, wird den Protagonist schnell nicht mögen. Unsozial, isoliert, unüberlegt, vorschnell, leichtfertig, nachlässig, überschuldet, vor eingegangenen Verpflichtungen eskapierend, bettschwer, stellt sich her-aus, das die Mutter eines auf solche Weise zustandegekommenen Sohnes, den er nie gesehen noch sich je gekümmert hat,- gestorben ist, woraufhin er schleunigst das zufallende Sorgerecht (müßte es eigentlich nicht –pflicht heißen?) für hunderttausend Dollar an den Stinkreich- Ehemann der adoptions-wütigen Tante (natürlich heimlich hinter deren Rücken) verscherbelt. Vorbildlich: ein echter Identifikati-onsfigurin und Sympathieträger.
                        Logisch gut eingebunden paßt dazu, das er seinen marktgängigen Sohnemann dennoch zu einem letzten mehrwöchigen Junggesellenabschied mit auf Tour (im Lkw durch die Jahrmarkts-Landschaft) mitnimmt. Cheeseburger aus der Tüte (oder eben dann -Burritos) und ein anlernlicher nächtlicher Schrottplatz-Bruch zwecks Teileklau - oder eine „Krankenhausreif-Prügelei“ inbegriffen: und der coole Elfjährige hatte oder hat nie kein echtes Problem mit irgendwas,- vorher oder nachher, sondern freut sich allein übers Nachts-Lange-Aufbleiben. Dazu gibt’s selbstverständlich noch eine verständnisvoll bildschön zuwartende Lady für den zukünftigen Tellerwäscher-Helden ... alles klar?
                        -also: die Story ist komplett familientauglich getrimmter Hirnaus-Bockmist, emotional unwahrscheinlich, irrelevant erstunken und erlogen und könnte so in Wirklichkeit nie oder auch nur annähernd funktionie-ren oder sich ereignen. Ein oberflächlich orientierter angepaßter Drehbuchschönling-Lieferant hat sich da etwas (mühelos) aus den Fingern (dem Finger) gesogen, was Studiobosse angrinst, weil es zwecks optimaler Anpassung an Wunschträume (egal um welchen wahrhaften Preis) nach Kohle riecht und alle Geschmäcker leichtfertig bedient – der kleinstmögliche Nenner als größtmögliche Lüge. Dazu ein glatt-gebügelter, faltenloser Regisseur, der ohne jeden Skrupel ja auch nur die Fähigkeit dazu geboren wur-de („Nachts im Museum1+2“ läßt grüßen, ein ewig Dreißigjähriger), von solidem Handwerk, abge-schmeckt mit enormem Buget : fertig ist, im Zeitalter CGI und Blue Screen, die Laube.

                        Und das ist das Beste: die >‘Bots<, das Design und Auftreten der Blechlinge, die so echt wie BBC-Dinosaurier durchs Bild stapfen- und –hämmern (wobei man sich etwas mehr realen Sicherheitsabstand wünscht, will man den Gedanken, das diese Getüme nicht über eigenen Sinnes-Wandelkontrolle verfü-gen, in der zerbrechlichen Menschenmenge, oder beim Training & Tuning, ernstnehmen).
                        Das ist die Entschädigung für das ansonsten lächerlich dümmliche oberflächliche Skript: die erzechten Bilder von Robot-Hünen, die CGI uns (immer noch zur überraschenden Täuschung gern entgegenge-nommen) beschert. Wir sind solcher virtueller Realität ja immer noch nicht gewöhnt und belohnen sol-che beifällig gelungene Täuschung mit unwillkürlichem Enthusiasmus, egal wie banal /blöde die Ver-packung ist, in der sie geliefert zustreunt.

                        Das konsumierende Publikum will eh nur einen Augenblick unterhalten sein, bevor es zur nächsten Ablenkung unmerklich übergeht: und diesen Zweck erfüllt dieses stromlinienförmige Kommerzprodukt voll und ganz, zur zeitnah resümierenden Reflektorlaune (die ich Kritik nicht nenne). Der Produktions-standard (das in jeder Beziehung Handwerkliche) dieses Films ist hoch: Cast wie technische Detail-Ausführung. Der ‚Kunst‘anteil beschränkt sich auf das Phantastische, das Zukunftserwartung individuell hinzutun möchte. Also: die unterdurchschnittlich unoriginelle Charakterführung und die überdurch-schnittliche optische Ausgestaltung ergeben im Durchschnitt einen gerade eben noch mittelmäßig er-träglich sichtbaren Film,- wenn man sich darauf einigen kann, das bloßes Hirn-Aus – und Augen-Auf ein durchlässig akzeptables Kriterium sind : so mag‘s gehen.
                        Man bedenkts und erschauts eh nie wieder.

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                          Once upon a time in america S. Leone, De Niro, Ein Meisterwerk
                          „Ich habe dir alles genommen, dein Geld, dein Mädchen. 35 Jahre hast du getrauert um deinen Freund.“

                          Die äußere Geschichte (die eher leicht anzugeben ist als die innere) ist schnell erzählt. NY Brooklyn Anfang der zwanziger Jahre. Ein paar vernachlässigte Jugendliche in einem jüdischen Einwandererviertel finden in einer Gang zusammen. Es ist Amerika ; es ist Prohibition. Möglichkeiten, auf die schiefe Bahn zu geraten, gibt es genug. Es gelingt; mit illegalem Schnapsausschank, und zusammenhängenden Nebenerwerben, und immer verschlungenen Frauen ins Geschehen: Abenteuer, Affären und Große Liebe.- Die vier Freunde, auf Gedeih und Verderb verbunden, stehen alles gemeinsam durch; nicht das „an die Spitze zu kommen“, ist –jedenfalls nicht De Niros- Figur Traum – sondern Freiheit und Unabhängigkeit – „keinen Boß zu haben“.- Die Prohibition endet. Die arbeitslos gewordenen Ganoven planen ersatzweise einen dem unwilligen Skeptiker aussichtslos erscheinenden Großen Coup -, und um das bedrohte Leben des Freundes zu retten, verrät er zur Vereitelung den Plan an die Polizei, es geht schief, drei kommen um. - Der unreiche Überlebende, dreißig Jahre später, wird durch eine mysteriös eingeweihte Einladung zurück an den Ort seiner Jugend und Träume und all dieser Geschehnisse gerufen. Es wird eine Reise in die Vergangenheit: voller Wehmut, von wundervoller Musik aufgefangen und ausgedrückt und getragen,- Vergänglichkeit, Wehmut und Schönheit an allen Ecken und Enden. Alte Freunde (Übriggebliebene), Gesichter, Bekannte, Orte, halb vergessene Einzelheiten, Erinnerungen. Fäden heben sich auf und finden ineinander. Jene Überraschung wartet am Schluß, ein ungeahntes Rätsel wird gelöst. Die Geschichte verliert sich in die Tiefen der Zeit, eine menschliche unter Abertausenden, eine ganz gewöhnliche und doch außergewöhnliche Geschichte, einzig, wie jedes Leben. In letzter Einstellung auf der Liege einer Opiumhöhle überzieht ein endliches -, sich weit ausbreitendes gelöstes Lächeln des wegwendenden Körpers De Niros mittelalt-verklärtes Gesicht, während er im Rausch versinkt : ein Lächeln, das ein GROßES JA! zum Leben bedeuten soll, und es so, wie es ist, willkommen – und gutheißt. Der letzte große Schlußakkord des ganzen, den Film überlang sich hingezogenen wehmütig lichten Molls löst sich, übertragen, in ein strahlendes endliches Dur auf.

                          (Eingefügt: Für Eilige, denen meine Kommentare insgesamt zu lang sind: nur zu, da haben Sie's eigentlich schon ; Sie müssen nicht weiterlesen.) Und das wird lang.

                          Damit sind wir bei der inneren Melodik des Films,- die ja die viel ausdrucksvollere und aussagekräftigere sein sollte. Denn wie arm sind doch die Werke, die das (wenige also), was sie mitzuteilen haben,- direkt und ohne Umschweife zur Sprache bringen und ab-erledigen, eher rein informativen-autorativen Charakters, einer Aussage etwa wie : Kannst du mir mal das Salz reichen? – oder : diese Farbe ist (gern blut-)rot. Fertig. Nein. Es stimmt schon: es gibt viele Arten des Ausdrucks, indem man auch nach dem Gewürzstreuer fragen kann; so manche Liebschaft zum Beispiel schon kann durch so eine Art, zu fragen, entschieden und beendet oder geschlossen werden... aber selbst das, eine so rein restriktiv eindimensionale Frage,- ist und sollte dieses Werk garantiert nicht, klar, von Anfang an nicht sein. So gewollt, ein Opus Magnum, ein Griff ins große Register, in die Vollen, das Ganze Programm, opulent, niemals bescheiden. Der Gestus dieses Werks ist groß, und ausladend, ohne je auch nur in die Nähe der Gefahr zu geraten, großmäulig zu wirken. Alles hier wirkt in vollkommener Funktion und Ausführung, von spartanischer Fülle, und rein nützlichem Ornament,- wie Mozarts (Ant)Wort lautet von Abwesenheit überflüssiger Noten (und, wer Mozart mit Ohren hört, weiß, wie geschwätzig das Notwendigste bei ihm gesagt wird, um ihm aufs Wort abzuwissen, was und wie er es meint. Jedenfalls der reife-, nicht der Nachtmusike-Amadeus.-)

                          Sergio Leone, ebenfalls, schuf dies Werk im höchsten Zenit, die Abenddämmerung war; denn dieses Werk wurde zum Vermächtnis,- von ähnlicher Rundheit, wie die letzten Sinfonien und das Requiem des anderen. Die innere Schlüssigkeit ähnelt sich dabei frappierend, und ist von ähnlicher – Apotheosekraft.

                          Natürlich wird hier nicht nur die Geschichte von ein paar Gangstern und Ganoven erzählt und ausgebreitet. Hier spielt sich kein Krimi ab, dessen Spannungsbogen sich mit der Entlarvung und Dingfestmachung des Täters oder der Tat entlädt – ganz im Gegenteil: der Bogen, der hier aufgespannt wird, steht seinem Höhepunkt noch bevor: nämlich dann, wenn sich die Tore des Kinos öffnen und sein dankbares Publikum in die Tiefe der glänzenden Nacht entlassen,- wo wieder ihr eigenes, zunehmendes Leben sie sanft und umschließend weich erneut in die Arme nehmen will : dieser Film ist eine Vorbereitung auf die Fortsetzung des eigenen Lebens, das den krönenden Höhepunktabschluß dieses Werks erst noch bringen, erschaffen möchte. Zur Fortsetzung des Films im eigenen Leben, geleitet uns Leone bis an die Pforte hinaus; dort wurde nur eine Einführungserwartung, eine Erklärung, eine Eröffnung gegeben – eine Spannung, eine Lust, aufs Einmalige, das noch vor uns liegt, und uns, womöglich, mit weit offenen Armen erwartet, erweckt. Aus diesem Film gleitet man sanft mit weit offenen, gefüllten,- bejahenden und geweckten Augen – empfänglich für die mindesten Farben,- Töne, Geräusche,- Empfindungen,- die kleinen Anmerkungen und Einzelheiten des Seins, die großen und die kleinen Momente, und die Größe der kleinen auch in ihnen,- das Gefühl für das Ganze, das auch im Einzelnen steckt und mit ihm verbunden,- in alles einverwoben ist.- Nicht anders nämlich erhält der große unspektakuläre Moment des Verzichts auf kleine Rache am Ende sein ganzes Gewicht und den ganzen Geschmack: weil De Niro/ Noodles nämlich nicht betrogen worden ist. Er konnte nicht betrogen werden. Denn er hat gelebt,- und es wird klar, das es ihm bewußt gelungen ist; und die Belohnung ist „Leben“ genug. Gewinner und Verlierer verlieren sich: Gewinner ist das Leben,- selbst,- und gelebt haben müssen beide so getan (haben): denn auch der Verlierer mußte, um erst verlieren zu können, zuvor am Leben gewesen sein; denn nur eine können nicht weder gewinnen noch verlieren: Tote. Der große -, der einzige mögliche Verlierer ist der Tod; und wer lebt, hat immer gewonnen, das Sein in seiner Pracht nämlich, egal, ob er/ der Betreibende „gewinnt“ oder eben nicht. Noodles, der nicht reich wurde, erkennt eben dies zum Schluß ; und so, er, weiter als sein Max-Gegenpol-, der immer dem nächsten Sieg entgegenhöherstrebte- und immer noch -bangt (und für den so die Möglichkeit einer Niederlage reel bleibt),- kehrt er, Noodles, ohne Groll und Haß – und Rache – belohnt, beruhigt und erfüllt seitwärts in die Nacht zurück und heim, die seine Nacht,- und sein Zuhause sind: denn er ist am Ende angelangt, er lebt,- lebt einfach, hat Ja gefunden, ohne Bitterkeit, ohne Wunde, unvernichtet und unbedroht, geheilt (und sogar endlich mit Kofferinhalt,- dem ihm-Zustehenden (wenn’s denn nichts Gestohlenes gewesen wär, Anm. d. A.) : heil, denn das Leben selbst ist die Lösung, und das GROßE DUR. Was für ein waghalsiger,- gewaltiger Schlußakkord.- Glücklicher Leone.

                          Was er uns hier gibt, ist ganz ganz große Kunst. Mit Betonung auf beiden,- ausgesprochenen Adjektiven. Dieser Film versöhnt: mit allem Häßlichen, allem Brutalen,- aller Gewalt, allem Verbrechen,- aller Ungerechtigkeit, allem Schandbaren, im Leben – wegen dessen Fülle, seinem Geschmack, seiner Helligkeit, Tiefe, Schönheit, Zusammenwirkens-Gehörigkeit. Nicht wenig wollte Leone hier geben: und er gibt keine Beschreibung (wie im Visuellen so oft),- er gibt die Dinge selbst. Wenn es ihm um Fülle geht: wimmeln hunderte Personen auf der engen, verkommenen Straße eines staubigen vernächlässigten Viertels,- das Licht ist dick,- die Hitze lastet, Gerüche und Gefährte und Geräusche und Geblöke und Gehämmer füllen die Luft und die Szenerie; es ist keine beabsichtigte Andeutung von Fülle,- sondern es ist voll,- Leben,- Bewegung. Die Leute streben wirklich ihren Zielen zu, und laufen nicht nur einfach durchs Bild, um Zeitkolorit anzudeuten und auszuführen. Alles ist ungeheuer authentisch und glaubhaft und dicht und wahrhaft,- und nicht wie in jenen skurilen Western der JohnWayne-Ära, wo Cowboys nach durchzechter Nacht mit den Köpfen auf den Satteln unter Sternen geschlafen habend,- mittels tadelloser Frisur und undurchschwitzter Hemd-Bügelfalte sich erheben zu neuen unglaubhaften Taten, das Dreieckshalstuch schräg keck auf der Brust. - Hier nur unglaubliche Liebe zum Detail: so weit ich es mir vorstellen kann,- und ich bin anspruchsvoll!– ich glaube alles, nehme jede Einzelheit ab. Das Lese-Klosett, die Wohnungen, die Einwanderer-Kneipe,- der illegale Schnapsausschank mit Sprit aus den Heizungsrohren (selbst das Stellrad!),- die Ideen,- Mentalität und Sprachmelodie der Leute: alles ist zum Anfassen real. Auch, wenn das Blut kocht und vergossen wird,- Gewalt angetan und Verbrechen zur Ausführung kommen,- „Al Capone“-haftes, die Anfänge der Mafia (die ja durch die Prohibition geboren und ins Leben gerufen wurde,- und demnächst umsatteln mußte): so kann, von innen her,- es anfangs gewesen sein. Kein Klischee autorasender ballernder Maschinengewehre (obwohl auch das einmal zitiert wird): die Menschen hier werden wirklich getroffen,- wirken verletzlich und auslöschbar.- Das ist natürlich erschreckend und schrecklich und abschreckend und verstörend: denn es ist echt.- Und umso echter,- als es nicht nur das gibt. Diese Verbrecher, die wie der Erlöser (die sie nicht sind) das Schicksal der ganzen Welt auf ihre schmalen Ganoven-Schultern zu laden haben (Leone will es so), sind in ihren schrecklichen Momenten furchtbar,- grauenvoll,- und hören doch nie auf, Menschen zu sein,- man versöhnt sich mit ihnen, immer wieder, wenn sie Engel sind und auch sein dürfen. Denn, Noodles, zum Beispiel: er ist derjenige, dem die wahre, reine, große Liebe (ohne Kitsch, und kaum erwähnt) zugewiesen ist ; auch er mordet, er vergewaltigt, hart, rücksichtslos, gefühlskalt, ungerührt; und doch wird sein Herz Jahrelang bewegt und geführt von einem reinen, hohen Gefühl der Hingabe an den Traum von eines Wesen Weiblichkeit, Stärke, Lieblichkeit, Willen und Entschiedenheit; egal ob diese Tänzerin es wirklich wäre, seine Erfüllung mehr als sein Stern, war, oder hätte sein können, glaubhaft.- Da steckt das Wunder dieses Films, in diesem Wörtchen: glaubhaft. Wie erreicht und verwirklicht Leone dieses Wunder bloß-? Es wird wohl sein Geheimnis bleiben,- von mir erwarten Sie es jedenfalls nicht.-

                          Es funktioniert eben einfach alles: Wenn die Details ernstgenommen werden,- einerseits nützlich, aber auch nicht mehr als halbe Miete.- Es ist vermutlich eine Frage der inneren Überzeugung: denn letztendlich ist Geschichte Interpretationssache,- trotz gegenteiligen Rufs,- den immer alle Wissenschaft gern zu ihrem Ruf verbreitet wissen möchte. Leone hat wohl einfach: den richtigen inneren Rahmen zur Verfügung, um die notorisch bekannten Tatsachen in ihn einzufügen und auftreten-, in Beziehung treten zu lassen : „zum Leben zu erwecken“,- wobei das Leben in diesem bewegten Kontrast,- der Bewegung eben selbst,- vermutbar steckte,- und die Bewegung ist menschlich. Leone weiß hierüber wohl Bescheid: dem großen Geheimnis, dem wir alle auf der Spur sind: was der Mensch denn sei,- wie er sich verhält, was ihn antreibt,- was ihn ausfüllt. Große Worte, immer wieder: „Mensch“ gar „Menschheit“. Aber man kommt nicht umhin: denn um weniger geht es nicht weder in großer Kunst, die’s sein will, noch hier (und hier ist sie’s, ob sie‘s will oder nicht). Es geht, leider (? Sagten Sie leider?) so, es geht um’s Leben, als Ganzes und Solches, hier, und Den Menschen, an sich,- wobei Max und Noodles, Eve und Deborah ein ganz schönes Päckchen zu schleppen haben: Stellvertreter eben. Und sie tun es so, eingeschränkt und unauffällig, das man es gar nicht merkt - erst hinterher,- viel später, viel zu spät, um der gelungenen Kunst noch am Zeuge flicken zu wollen. Die Illusion gelang : die Arbeitnehmer waren stellvertretende Einzelne, gute Schauspieler.

                          Verbrechen: Gewalt: Liebe: Leidenschaft. Mensch in Zwiespalt und Fülle. Die Gewalt ist brutal. So brutal, wie’s nur sein kann; nein, das heißt, hier wird nur aus beruflicher Angelegenheit gemordet oder verletzt (tatsächlich, es gibt Abstufungen (nicht selbstverständlich heute im Genre),- es wird relativ leidenschaftslos und kalten Herzens verbrechensbegangen; anderes wäre möglich,- es bleibt gottseidank unerwähnt, und nicht weiter ausgeführt, als zur Skizzierung der angedeuteten Absicht ausreicht; denn nicht um Nervenkitzelvoyeurismus ging es Leone je auch. Der Regisseur ist zivilisiert-kultiviert genug ganz und gar ein Künstler eher: nicht „Spannung“ war das Ziel, sondern Weisheit, in echt wirkender Verkleidung ; das merkt man, so spannend wie „das Leben“ oder der Tod ist,- welcher dazugehört.
                          Man kann eben kein Werk über das Leben drehen, ohne den Tod -; und heutzutage dito nicht,- ohne das Verbrechen und die Gewalt immerhin an prominenter Stelle zu erwähnen: denn „der moderne Mensch“ ist scheinend gewalttätig,- jedenfalls die neuere Geschichte ist es. Sicher,- auch eine andere Parabel wäre möglich gewesen,- ohne Verbrecher zu Helden zu wählen oder umgekehrt; es wäre vielleicht sogar angemessener gewesen,- denn gottseidank sind immer noch die meisten lebenden Menschen keine Chaoten und verzichten dankend ; und doch ist diese Frage hier rhetorisch und gegenstandslos geworden. Leone hat eben,- sicher publikumskitzeltechnisch-förderlich,- das Asoziale zu Protagonisten gewählt,- um die Geschichte vom Menschen zu erzählen. Vielleicht hat er so nur die Geschichte vom Menschen erzählt,- der sogar in jedem Verbrecher nahezu unausrottbar versteckt steckt und nicht ganz zum Verschwinden gebracht werden kann ; und hier auch tatsächlich nicht allzuweit verschwindet,- vielleicht weniger, als dem Moralisten lieb ist; doch das alles ist Nonsens,- weil der Film einfach so ist,- und vollkommen so ist,- und funktioniert,- wie er ist und es tut und bewerkstelligt : funktionieren,- und zwar vollkommen,- nämlich. Also läuft es und ist er rund. Basta.

                          In diesem Film ‚rundet‘ und mündet jedes Teil ins Ganze ein und in ihn hinein ab, und erzeugt jene magische Wechselwirkung, in der das Ganze mehr wird als seine Beiträger; und wieder zurückwirkt,- Goethe fällt mir ein, dessen Kunst ähnlich funktioniert, indem das Einzelne das Ganze zu repräsentieren vermag,- und umgekehrt; vielleicht kann man das „klassisch“ nennen,- wenn etwas so der Vollendung entgegenrückt. Hier ist es geschehen.- Die Verlockung ist groß, mehr Einzelheiten anzuführen,- und mehr Geschichten aus dieser Geschichte zu erzählen: doch vielleicht ist es besser, sich diesen Film einfach anzusehen,- was sage ich,- auf sich wirken zu lassen. Ich möchte auch ungern das erbarmungslose Schicksal des Zergliederers Meiner Freuden erleiden: und Sie nicht in einen dergestalten Untergang mit hinab ziehen. Also, zerpflücken wir nicht mehr dieses wundervollen Gefüges als nötig ist,- und zitieren wir nicht allzuviele Details vor den hohen Richterstuhl; so viele wundervolle Eigenheiten,- Sätze, Sprüche, Blicke, Gesten, Lustigkeiten, Ergriffenheiten gäbe es zu berichten. Der Betrunkene, dem die Uhr abgenommen wird; der Polizeipräsident; der Gewerkschafts-Held; die Babystation; das Autobad im See; die trockenliegenden Schiffe; die phantastische Opiumhöhle, natürlich; die wundervolle Abschmink-Szene (bravo!); der mächtige Brückenbogen überm Hudsonhimmel-Straßenstreifen,- und all das Leben in seinem Schatten; Penny’s Schürzen-Wäsche auf dem Dach und der korrupte Schutzmannsjäger ; das Guckloch-Brettl im Kneipenklo; die balettierende Mädchenblüte (Nebenrollen-Oskar!),- das früh benachbarte Hurenschicksal (verdammt wie lebensecht); ein bißchen dick aufgetragen die Diamantenüberfall-Popperszene; dito ein wenig: das Restaurant mit den fünfzig Gedecken (+ Orchester!), es sei, als Parabel, dabeigenommen und im Chor mitgeführt ; das unzählige jüdische Straßenleben; die Oldtimer, das Strandhotel; die Kneipe, ganz groß,- und das Licht und der etwas stickige Muff der Wohnungen. Der staunenswert leichtgängige Torflügel der Mausoleums-Gruft ; das Bahnhofsschließfach (selbst das: vollkommen perfekt),- der Handschlag der fünf einstmals auf dem Koffer, der besiegelte Pakt für’s Leben (zu brechen): wie glaubhaft,- wie tiefer – wahr,- genauso, wie der etwas undurchscheinliche, aber umso nachhaltiger wahrhaftige und immer, im Bedenken, einleuchtender werdende Konflikt zwischen den beiden Max‘ und Noodles‘, um die mehr den es geht: ‚Wachse oder Weiche‘-, oder den Ball flach halten - und sich am Rande durchdrücken statt ab durch die Mitte, und wie lebensecht immer wieder der Aufschub: „Gehen wir schwimmen?“- „Ja, wir gehen schwimmen!“ bis zum letzten nie gesprochenen Nein, das, angeboten, Noodles nicht annehmen kann und annehmen mag. Wie unausweichlich wird dieser Konflikt aufgebaut,- unterschwellig, wie wenig wird er thematisiert und in den Vordergrund geschoben,- und doch, wie wächst er stetig an und ein in das Beziehungs-Gewirr und –Geflecht,- und entpuppt sich schließlich als das Ende, von dem her sich der ganze Film und das ganze Leben und die ganze Philosophie des Werks erklärt: siehe eingangs,- ich wiederhole nicht. Denn hier beißt sich schließlich die Katzenschlange in den Schwanz: das Ganze hatte einen Sinn, den man ruhig tiefer nennen kann,- einen Tiefsinn,- der den Teufelskreislauf des menschlich irrtümlichen Wiederholungszwanges auflöst,- indem man den wahren unschuldigen Haupttäter- und –Mittelsmann des Lebens erkennt: das Leben, selbst, nämlich. Die wunderbare und unerklärliche, alles erklärende Tatsache der Einmaligkeit : hier und heute zu sein,- zu schauen -, zu fühlen -, zu schmecken -, Teilhabender -, Teilnehmer zu sein. Unschuldig schuldig zu werden und doch diese Schuld oder Unschuld niemals ganz zu verlieren : aufgefordert,- herausgefordert : konfrontiert damit : dabei zu sein freiwillig- oder unfreiwilliger : Teilnehmer: an der wundervollen Tatsache des Lebens, in dessen Vollendung der Abschied schließlich wehmütig glänzend bejaht nicht schwerfällt.

                          PS das Müllauto dann mit der Zerstückelungswalze und dem Kontrast der lebensfroh vorüberrauschenden Champagner-Gesellschafts-Morgana,- „Fall & Rise of the roman empire“,- sind nur eine- ähnlich wie im Text- überflüssige Insistierung - einer letztmaligen Wiederholung der Idee des GroßenGanzen, was der Film und das lebendige Sein hier werden wollen sollte. -
                          Unverzichtbar dagegen die tatsächlich letzte Schlußimpression des Films, sein Schönstes und Einprägsamstes: das unvergeßliche Lächelns-Fazit, des wegdämmernden Noodles, dem das Sein, doch im Rausch, in Seligkeit enden mag. Aber nur im Gleichnis des Rausch‘ erfühlbar : das –JA-...-. Da es immer ein Epitaph gibt.

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                            Tiger and Dragon >Crauching Tigers, Hidden Dragons<
                            Ang Lee ist nicht irgendjemand. Er ist jemand, der einen Bogen vom Brokeback Mountain zur fernöstlichen Kult-Metaphernwelt von Martial Arts spannen kann. Das ist schon unglaub-lich – und eigentlich phantastisch – genug. Was erwartet den Zuschauer in T&Dr,- oder bes-ser (nicht ganz so comicmäßig betitelt), in ‚Crauching Tigers, Hidden Dragons‘?

                            Mein erster Eindruck nach dem Ausklang der letzten Bilder: ich fühle mich wieder jung, wie teilweise als der Zwölf- oder Dreizehnjährige, der ich einmal war. Das könnte man als Belei-digung verstehen,- ist aber alles andere als das. Dreizehn: war die Welt unglaublich weit und offen,- voller Möglichkeit – und (enttäuschbarer) Hoffnung. Alle Träume des Lebens umstan-den mich; der Himmel war nah,- wie die Hölle näher. Erwachsen werden ist ein Näherrücken von Wänden,- zwar mit Fenstern darin,- jedoch: sieht man heute durch diese hinaus,- weiß man: den gerahmten Blick nach außen,- oder auch das Bewußtsein von Wand. Das Kind: nimmt Welt nur wahr. Der Erwachsene ist sich der Gegenwart von Räumen bewußt, selbst wenn er den Blick – durch das, was er als Fenster mittlerweile aufgefaßt und verstanden hat – vorzieht und beherrscht. Er nimmt wahr, an einem Ort bewahrt zu sein; das Kind empfindet die Welt, pur.

                            T&Dragon ist eine kindliche,- eine Traumwelt – doch deswegen nicht allein unerwachsen. Es ist köstlich, diese Welt zu betreten. In ihr können Menschen fliegen – und lieben. T&Dr findet Metaphern für Essentielles, das wir normalerweise als political incorrect in stille, verschwie-gene Ecken unseres Erwachsenen-Herzens verbannt haben. Hier (im Film) schämt sich keiner, ganz kindisch Tagträumen und kindisch-elementaren Gefühlsausdrücken nachzuhängen; es ist eine Welt von „unreif potenzierten“ Wahnvorstellungen,- von Super-Kämpfern, und unge-färbten, starken, und ehrlichen Gefühlen,- dabei völlig „unschuldig“ und „naiv“ – „kindlich“ eben. T&Dr läßt uns Wehmut empfinden : was uns,- an völlig zynisch unnaive, vollendet ab-gebrühte und fühllose Bösewichte, wie sie uns etwa in vollendet Travoltascher Verkörperung zur Anschauung gebracht werden, gewöhnt - verlorengegangen ist,- und wir dagegen einge-tauscht haben: eine entfermdete, kaltgrausame, illusionslose Welt, die jederzeit eintreten kann,- und in die wir jederzeit eintreten können. T&Dr dagegen ist anders: zwar wird „ge-kämpft“,- getanzt eher : doch bemerkenswert wenig Grausames geschieht,- kaum das Blut fließt (einmal wird ein Kratzer am Arm Michelle Yeohs verbunden) – das Blut ist nicht der Hauptdarsteller in diesem >Kampf-Kunst-Film<.

                            Es ist eine romantische Welt,- voller sich findender umkreisender Pärchen und Schwerter. Böse Hexen kommen darin vor (deren Bosheit vor allem aus Feigheit besteht, in der zum Bei-spiel ein ehrlich offenes Klingekreuzen durch heimlich wirkendes Gift ersetzt wird). Es gibt die Guten, die Schwanken, und die Übeltäter – und es gibt China. Drehorte wirken hier wie aus einem Märchen, direktimportiert. Die Wüste Gobi, Bambuswälder, oder vom Menschen geschaffene verzauberte Orte,- etwa eine mittelalterliche Kaisermetropole oder ein verwun-schenes Kloster Wutang – diese Lokale verströmen mehr fremdliche Zauberkraft als alle vi-suellen Effekte aus Star Wars oder Alien. Es ist ein Eintreten in einen unähnlich-vertrauten Ort,- der an die gewohnte Heimaterde erinnert – und in der doch ganz andere Gesetze herr-schen. Das Versteck des Freibeuterhäuptlings >Schwarze Wolke< etwa – ist dies nicht der >Innerste Ort<, in dem uns niemand finden konnte, verborgen im Unendlichen,- unserer Kindheit? Was atmet diese Szene nicht für eine Grenzenlosigkeit -, für eine Freiheit! Ähnlich groß muß, vor Urzeiten, die Welt für unsere Ur-Ur-Vorväter (und –mütter!) gewesen sein.

                            Denn dies ist keine raue verdammte Welt der Männer; es ist eine der Frauen,- Mütter sogar - und Männer (die noch Jungs sind und sein dürfen) ebenso.

                            Im Zentrum der Tiger- und Dracheneinwohnerschaft leben , neben der Hingabe an Körperbe-herrschungs- und Meditations-Techniken, starke Bezüge zwischen jeweiligen Männern und Frauen, die sich gefunden haben bzw. füreinander ‚bestimmt‘ sind. Niemand lebt hier für sich, oder unbeweglich im Status Quo,- alles bewegt sich auf ein Ziel hin oder wird unwidersteh-lich von ihm angezogen,- selbst wenn es Jahre- oder ein Leben – oder einen letzten Atemzug braucht, um es zu erreichen und mit ihm zu verschmelzen. Der Hauch einer anderen Kultur (als unserer westlichen) weht uns an. Bewunderung für ein uraltes zivilisatorisches oder bes-ser kulturelles Gefüge, älter als das Papier irgendeiner existierenden Verfassung auf der Welt, kommt unwillkürlich auf. Ang Lee schlägt eine unvermutete Brücke zwischen zwei Welten, die es ihm offenbar gelingt zu bewohnen,- als Teil des Westens ebenso wie des Ostens: ein Mittler, ein Läufer über das Wasser in unglaublicher leichter und reiner Berührung wie seine träumerischen Kämpen tun zuzeiten im Verlaufe der Handlung, wiegend in Bambuswipfeln.

                            T&Dr präsentiert eine phantastische –Märchentraumwelt,- die keineswegs desavouiert wird. Sie läßt es nicht zu ; wenn Sie ein Herz haben, das ich Ihnen wünsche sich zu nehmen. Wenn Sie es schaffen, sich auf diese märchenhafte Dimension zwischen den realen Welten einzulas-sen: derjenigen, die Sie aus Ihrem Alltag gewohnt sind,- und derjenigen, die aus Geschichts-büchern bekannt ist,- & derjenigen, die uns aus Legenden und künstlerischer Erschaffung verwoben umweht,-
                            wenn Sie Lust auf eine irreale,- und doch durch und durch wahre Welt, unseres Herzblinden haben,- starker Gefühle, wahrer Empfindungen,- wenn Sie Lust haben,- statt LSD oder einer halluzinogenen Droge sich von Ihrer bloßen Augenzeugenschaft verzaubern und Ihr Herz gefangen nehmen lassen zu wollen,-
                            wenn Sie Lust auf eine ursprüngliche, bloß imaginierbare Welt haben,- die womöglich realer ist, als wir sie tagtäglich (ohne viel Lust oder Hoffnung) bevölkern und bewohnen,-
                            wenn Sie wieder einmal die Welt reiner und unschuldiger – und zu großen Hoffnungen be-rechtigter Kindheit betreten,- und von innen her in ihr sich aufhalten wollen,-
                            in der gekämpft, aber nicht beiläufig oder grundlos >getötet< wird,-
                            wo Menschen sich darum bemühen, Wege zu finden oder zu gehen, um irgendwohin zu ge-langen oder schließlich anzukommen,-
                            wenn Sie einfach nur wieder einmal das reine unschuldige Blut der Kindheit, eingebettet in eine uralte viel größere und bedeutendere Welt kosten wollen,-
                            die Welt der Fremde, der Wildheit, des Wagemuts, der Treue, des Opfers, und der Liebe,- wenn Sie starke Gefühle in unverfremdeter Reinheit kosten wollen, wie Sie es als Kind taten,-
                            dann sind Sie eingeladen, mit etwas Glück, die Welt von Crauching Tiger, Hidden Dragon zu betreten.
                            Vielleicht sind Sie bereits erwachsen; dann wird ihr Genuß geschmälert sein.
                            Vielleicht aber sind Sie heimlich ein immer noch NieErwachsenes Kind, in irgendeiner ver-borgenen Ecke Ihres Herzens, geblieben:
                            Das wird sich dort heimisch und wohl fühlen,- denke ich. Wenn mich nicht alles täuscht.
                            Denn T&Dr ist kein ‚Martial-Arts‘- Bruce-Lee- oder 007- Film; die in der Tat für Dreizehn-jährige sind. T&Dr ist ein ganz anderer Film: für die (vermutlich zahlenmäßig geringfügige-ren) Dreizehnjährigen, die nach einem langen Leben immer noch in stillen verstaubten Höh-len in manchen fünfzig- oder achtzigjährigen Gestalten existieren mögen; ein Rückblick, ei-nes Weiseren, auf längst vergangene Ursprünge und Ausgangspunkte. Dies ist etwas ganz anderes: als der bloße Andeutungs-Beginn eines Weges. Dies ist der Rückblick einer langen Distanz, auf die ferne Nähe seines verschollenen Ausgangspunktes. Hinter Tiger&Dragon steckt ein langer,- kein kurzer Weg. Das ist wohl nur für die erkennbar, die nicht erst seit ge-stern unterwegs sind; für die anderen mag er bleiben, was er zuerst scheint: bloße, gute, ab-nutzbare Unterhaltung. Wenn ich einmal sehr alt sein werde: hoffe ich noch einmal diesen Film zusehen; und mich zu erinnern.
                            Und zu gedenken: wie unglaublich ausgedehnt der Weg eines Menschen sich strecken kann.
                            Und ich hoffe: noch einmal den Frühling meines Herzens, immer noch grün, zu spüren.
                            Das hoffe ich.
                            Ich hoffe, niemals so alt zu werden, um festgestellt zu haben : das diese Fähigkeit in mir ver-trocknet - ist.
                            Dieser Film ist ewig jung. Und ich wünsche Ihnen: daran teilhaben zu können. Denn in ihm: ist die Welt,- und ist der Mensch : frei, gebunden in Liebe, offen – und mystisch.

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                            • 7 .5

                              Auf den ersten Blick gibt es für unsereinen an solchem Film nicht viel zu rezensieren. Ein Thriller halt, simple Geschichte, eines Raubes, Spannung pur, Suspense; ist die erste Kenntnisnahme vorbei, ist es der Destillierwert auch. Scheint’s. Doch zwei drei Dinge lohnen im Auge zu behalten.

                              Wenn ein Fincher einen Film dreht, ist es mit dem simplen Nährknochen nicht getan, der klappernd in der Terrine liegen bleibt (wie die zu erwartenden Leichen am Ende), wenn die Suppe ausgelöffelt ist. Das Geheimnis eines guten Rezepts ist nicht in der bloß angebbaren Kalorienzahl enthalten, sondern in der flüchtigen, vergänglichen Art der Zubereitung, welche der Zunge erinnerbar bleibt. Der Ton eines Musikers ist nicht die Sinusschwingung der Luft, sondern wie ein Finger, ein Mund ihn formt und moduliert und Ausdruck verleiht. Ein Bissen besteht nicht allein aus den vier Aminosäuren, zu denen er im Magen zerlegt wird; das menschliche Gefühl seines Genusses besteht aus dem Geheimnis, wie er aufgenommen, und zu sich genommen,- bemerkt wird. Kunst, wie das Leben, ist nicht statisch, sondern ein Übergang zwischen zwei Zuständen. Und zu sprechen davon ist bloß, vom festen Boden eines solchen aus; außer man ist Dichter, und wird zur vernehmbaren Stimme, während man schwebt,- aus dem Off heraus, unsichtbar.

                              Finchers Geschichte ist banal; drei Raubgesellen, von simpel bis zu brutal, zwei Frauen, die sich wehrend um ihr Leben kämpfen; eine (ausgesprochen großzügig bemessene) Wohnung; eine klassisch-griechische Einheit von Ort, Zeit und Handlung; eine regendurchtränkte, schauerliche Nacht. Doch es steckt viel mehr hinter dieser Geschichte als eine Banalität.

                              Es ist die fragile und künstlerisch sehr schwer herstellbar zu machende Einstellung und Aufrechterhaltung eines unendlich feinjustierten und durch den Atemzug einer Stubenfliege erschütterbaren Gleichgewichts. Fincher gleicht einem Jongleur, der mit zwei, drei Bällen beginnt; dann einen verblüffenden vierten dazunimmt; dann einen fünften, sechsten...bis ein Wirbel von Bewegung die Frage nur noch offenläßt: wie lange noch? – bevor es zusammenbricht? –Nach dem Spiel die sechs Bälle vor sich auf dem Boden aufgereiht zu sehen und routiniert zu bemerken: damit wurde gearbeitet, so hat er es gemacht, sehen Sie, diese sechs,- ist einfallslos: denn man muß diese in Bewegung erlebt, &diese sechs Bälle in Aktion gesehen haben. Und wer gelangweilt tut: probierns‘ doch mal. Dort liegen sie. Nehmen Sie. Versuchen Sie. Und?

                              Was den beiden Protagonistinnen durch zahlenmäßige + körperliche Unterlegenheit (die eine ist noch ein heranwachsendes, wenn auch für ihr Alter ein bemerkenswert kühles und desillusioniertes „Mädchen“) – und durch ihre zunächste Gewalt-Unbereitschaft- abgeht,- gegenüber einem innerlich wie äußerlich wohlvorbereiteten Verbrecher-Trio unterschiedlicher psychologischer Grundausstattung (von relativ beherzt bis fühllos böse),- was den beiden zunächst „schwachen“ und überraschten Frauenspersonen fehlt,- gleicht ein Hochsicherheitstrakt-ähnlicher sog. ‚PanicRoom‘ in dieser Wohnung für Superreiche aus: er stellt das Gleichgewicht wieder her. Uneinnehmbar, von innen wie außen hermetisch abgesichert durch Stahl und Beton und Eigenluft und Stromversorgung und Direktverbindung zum Revier: nur dumm, das diese Leitung telefongesellschaftlich zum Einzugstag nicht bedarfsgerecht freigeschaltet ist. – Die Frauen sind in der Defensive: und diese magischen Kräfte des Verstärkungsmittels dienen nur rein in dieselbe Richtung: sie intensivieren allein die Abwehr,- ohne jede Einwirkung auf eigenbereites Zuschlagspotential,- und -Offensive.

                              Das allmählicher Hochschaukeln der gegenseitigen De- und Eskalationsmaßnahmen soll hier nicht nachgezeichnet werden. Hingewiesen werden muß aber noch auf einige atemberaubende und so noch nicht gebotene Kamerafahrten, namentlich diejenige welche die Eindringensvorbereitung sekundiert, durch mehrere Stockwerke und Mauern begleitend,- in Schlüssellöcher hinein- und wieder –hinaus,- durch Teekannengrifflöcher hindurch und zentimeterweise schlangengleich über Tischoberflächen hinweg, wie zuvor schon aus Kriechtierperspektive ins Badezimmer hinein: das ist schon revolutionär,- und symptomatisch für die sehr viel mehr als nur ablichtende „erlebbare“ Darbietungsweise des Films: hier wird innere und äußere Wahrnehmung verwoben, Gedanken-Gefühl und Bild-Kontext verschmelzen unnatürlich mühelos ineinander und werden sich gegenseitig zum Ausdruck: das ist nicht Abbildung, das ist Einbildung : nicht nur Ort, Zeit und Handlung werden eins,- sondern auch Zuschauer und Geschautes. Das ist mehr als das Gewohnte: hier wird Gewöhnliches in ungewöhnlicher Form gereicht,- ein fast immer sicheres Zeichen, das ein zweiter Blick hinter das Gewohnte lohnt und Ungewöhnliches enthüllen möchte, wenn ein Auge findig genug sein möchte, es zu entdecken,- worauf es hofft.

                              fortsetzen

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                                über Rango

                                Rango

                                 „Um Wasser zu finden, mußt du zuerst Dreck finden“<....
                                ...aber das kann ungeheuer spaßmachen! (Ganz ohne „Dr.“ Marx!)

                                 >Das ist es – K o n f l i k t ! Viktor – du hattest recht! Ich w a r undefiniert! – aufgepaßt Kinner Ich hab ‘ne Erleuchtung- - Kein Held kann im Vakuum existieren! Unsere Geschichte bedarf einer ironischen unerwarteten Wendung, die unserem Helden einen KON F L I K T beschert!-... - <

                                Praeludium im depp’schen Sprachduktus von Shakespeare-Zitation : punktgenau segelt Verbinskis farbenfrohes Sonneschirmchen nachdem‘s Malheur passiert ist vom Himmel und setzt sich auf den Rand des sekündlich vorbereiteten Storyglases, indem es unaufhaltsam nach bühnenreifer Einführung der balladesken Erzählung entgegen neigt und kippt-...-und kippt-...
                                Jedes Wort jede Note jeder Dialog sitzt bevor das schon im nächsten landet aufschlägt, verdampft entflammt und weiterführt.

                                 >...Psst
                                 „Paß dich an !“ „>Piuu - -<!“ „- - Ich p a ß m i c h a n ! ! - -Ich bin der geborene Anpasser! - !-“
                                 ... <
                                leicht gesagt – da muß wohl, um (unfreiwillig) selbst zu bleiben/werden, zuletzt als Held geendet sein (‚Versau’s nicht wieder‘) .

                                 „>Wer bin ich? ... Ich bin nichts ....Du kannst alles sein!...<“
                                 >> „Es geht nicht um dich ; es geht um die anderen.“<<

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                                II. Musikalisch geschildert & moderiert – da stimmt jeder Ton- von der eulenweisen, doch nicht athen’sch unverständlich lispelnden Mestizensombrero-combo: wird erzählt die Fama vom W E H E N D EN G E I S T D E S W E S T E N S , unter dörrender Sonnesengen, in dem nurmehr kostBar übriggebliebenes Naß allein zählt (wenn auch eine köstlich herausgezögerte Weile dauert zum erstgelangten Schluck), ...in jenem mythischen Phänomen von Rango, der Echse bescheiden selbstentdeckter Herkunft, des Weisen, des Helden (des Westens), des gloriosen Verteidiger der Witwen und Waisen, Vertreter von Gesetz und Gerechtigkeit, der Legende, dem wandlungsfähigen sChämelon, dem unscheinbaren Löwen-herzchen, das unter der verdunstend abblätternden gewitzten Hautrüstung des Wüstenbewohners doch endlich schlummert. Hier stimmt alles.

                                Von der Wiege bis zur maßgenommenen Bahre wird bündig in nuce die Geschichte allen persönlichen Menschengeschicks fabuliert. Kurz genommen ist es Gore Verbinskis Geniestreich und (mir, weiß schon) gelungenstes Werk, das immerhin in Konkurrenz zu behäbig-muntren Epen wie der plattendlosausgewalzt-gedünnten Karibik-Comedy steht. Aber hier ist alles stringent, knapp, bunt, schillernd, fintenwindungs- &zitatenreich (von ClintEastwood- bis Fear&Loathing achwas n i c h t s ausgelassen), komprimiert und rasch, abwechslungs-hakenschlagend, tempofüllig, gewitzt und unendlich komisch, ein Feuerwerk an (anspielungs- und eben‘enreichem) Witz + Verstand; ein Genuß und abwechslungsreicher Highnoon agiler Lust und LauneBeweglichkeit, ein pralles ShotOut, eine gezogene mundharmonike Kreuzung von Monthy Pyton mit Sergio Leone, R-Dj-ango /auch da natürlich. -Und ebenso weggeworfene Autoreifen, Industrie- &Abwasserkanäle, + eine ja Metropole inmitten der sonnenkreisenden urbanen Wüste, samt Os-cars. Alles drin; von Ökopest, modern gewandtelten Politbaronganoven, der leichtgläubigen Ausgeliefertheit der Menge, und einem bescheiden arglosen, ganz pfiffig durchschnittlich gewitzten bloß-leben-&dabei-sein-wollenden Individuum, aus gesichert eingeweckter Jugend urplötzlich in rauh-banale bloße Überlebens-Umwelt schicksalhaft verschleudert, zu persönlicher Bewährung oder Untergang, mit jenem einzig letztumwitterten missionarischen Ziel (kaum je gewußt traumwandlerisch) zur ‚and‘ren Seite‘ zu gelangen, mysthischer Fama, und jener garpersönlichen Begegnung mit dem wortkargen Unicurriculum Vitae, des golfhakenfischenden abenteuernden Geistes, dem ewig unerreichbaren Ideal, des Westens, der Vergangenheit, der Zukunft, und der Gegenwart,- und übrigens auch Deiner selbst.

                                Dabei hat alles so unscheinbar angefangen: „du kannst alles sein“, im sauber separierten A>g<uaterrarium unbehelligter aseptischer embryonaler Jugendunberührtheit; „alles“ möglich gestalten, wie der Mensch alles sein /lernen beliebig werden kann von Höhlenmensch zu Astronaut. Aber das Curriculum konkretisiert sich; alsbald im unverhofften ausgesetzten Hier&Jetzt, und die Geschichte, d e i n e Geschichte wartet unausweichlich Deiner; werd eine MannFrau oder stirb. Die Hitze dörrt deine spärlich verliehenen sieben Leben unbarmherzig weg, all‘ Vorrat verdunstet; dort hinten eine Stadt, verloren in der Wüste, deine Stadt; das Leben ist gefährlich, der Untergang lauert, hinterrücks, es ist tragisch ernst; das Terrarium, mit all seinen spielerischen Gefährten („Freunde? Ich sehe keine Freunde“-) nicht länger Illusion. Von einem Guru der unterwegs aufgeschnappte Tipp, eine angedeutete Richtung. Eine freundliche, skeptische Anhalter-in. Und so betrittst du unversehens, geboren ausgeworfen die Stadt (ein Kaff eigentlich), - d e i n e Stadt. Die wahre Bühne. Des Lebens. Wo sich das Deine abspielen, entwickeln, du auf- oder untergehen wirst. Die Gefahr ist niemals vorbei. Du lernst, Mimikri. Bald hast Du drauf, den Eindruck zu erwecken, wie - fast – an einen dringend benötigten Labsal-Stärkungstrunk zu kommen ist – wär‘. GÄB-s nicht – wieder mal- ein Feuerwerk von sich bald zuspitzenden, drohlichen, auftürmenden, überschlagenden Gelegenheiten ...legendär die hochriskante malerische Szene, wie er den Salon betritt, und durch-überlebt sich einführt, -und tatsächlich, wer hätte es gedacht, die nächste Anerkennensstufe erklimmt; am Ende winkt gar die Begegnung-, Top of the Pop Frau Fuchs zur Seite (interessiert aber nicht die Bohne), - mit also dem ortspotenten Bürgermeister, zuoberst des gelackten Who’sWho der eben noch im löchrigen Hemd nun rausgeputzt und immer noch GesindelSchurkendiener, dem allgemein freßoberst die Zukunft der Wüste obliegt und beförmlich anVERTRAUT ist. Aber da ist diejenigunsere Echse (zum Teil als wir anders) schon im Rang des Sheriffs wegbefördert besternt aufgehoben. Deswegen – w e i l sie es ist – handelt der Film ja auch zuerst von ihr und „nicht“ von uns, die wir bloß m i t reiten-, unter Tage m i tkrauchen-, oder Statisten einer Comedie-Aufführung begleitet zumeist sein dürfen. Trotzdem interessiert es unser alltägliches Getriebe.

                                - -
                                 >>„Auf Dreck-! !“ (auf den Balkon, Blick herunter)
                                „-Sehen Sie sie, Mr. Rango: all meine Freunde und Nachbarn..., ein hartes Leben ist das hier, sehr hart.
                                Wissen Sie, wie die Leute hier den Tag überleben? indem sie g l a u b en.
                                Indem sie glauben, eines Tages wird es besser; indem sie glauben,
                                dass irgendwann das Wasser kommt. Indem sie aller Wahrscheinlichkeit zum Trotz glauben,
                                dass der morgige Tag besser wird als heute.
                                Die Leute müssen an etwas glauben. Ja und heute – glauben sie an S i e .
                                Nehmen sie den, Mr. Rango (schiebt Marshallstern). Ihr Schicksal – erwartet sie.
                                --
                                Die Leute brauchen etwas, woran sie glauben können.“ <<

                                (AMOS Thurs- Sat. /Donnerstag – Samstag, TUCKER /Hold My Beer And Watch This KIPPY / Rest In Peaces)
                                - -

                                Es kommen vor wandernde (+ verdurstete, was nichts Gutes verheißt) Kakteen, dafür in der Wüste Ertrunkene, Godzillas Eye, eine lauschige Nacht unterm Firmament, die Wasserballon-Erdmännchen-kleinhängendenDiebe unter GeoffreyRushsBarbossa-Kommando, Flucht im Planwagen + Luftschlacht, eine Jailhouse-Lynchszene mit Matt Dillon, ....und finaler RattlesnakeShake, die Begegnung von Legende zu Legende, unversehenen Tag-Nachtwechsels, und ich wünschte, ich könnte dementsprechend prophezeien auch „das sei bald Geschichte und vergessen“. Die tatsächliche Strandpromenade steht noch aus, (Verbinski mag es seinerseits geschafft haben), Longdrink (endlich)schlürfend, nach einem ganz persönlichen Auf&Ab, „Reitend“-wir, unendlich liebreizend die Grimassen variierend- und ausgestaltend, menschlicher als menschlicher, und sehr vertraut mit seiner, im Größten (der Historie) wie kleinstdimensionierten (der im Individuum) Geschichte (oder umgekehrt?: im Kleinen, der Historie, wie Großen, dem Individuum, Geschichte?). Ja das ist, per Lagerfeuer, Legende, mittlerweile. Die große wie die kleine. Dem Sonnenuntergang entgegen oder auch dem Spaßbad; Hauptsache, du käm‘st (doch noch) gesund algemein zurügge pünktlich /zum Abend(b)rot sonst gibt’s was mit Bohnen.

                                Ich habe dieses Kompendium angewandter Philosophie nun zum vierten Mal zur bloßen erneuten Ergötzung und Erholung durchstreift; und jedes Mal wächst mein Erzwingen, die Höchstnotung aufzuwerten; nun ist endgültig das Lieblingsherz aufgenötigt abgetrotzt; dem unendlich liebevollen Detail, der galgendrohlich aufgeknüpfbaren Sangesbarden wegen oder dem silberbespornten Krummschnabel mit aller Lautmalerei oder der wahrheitsgemäßen EINEN Patrone oder der unendlichen Menschlichkeit der beobachteten Gesichter Optik und Reaktionen wegen oder dem Fett des Bürgermeisters dem Goldfisch + der Puppe + dem CastanedaGürteltier-, dem Intro über die Kreuztaucherbrillen-Wassermessaustrittrituale bis zum durchlöcherten Sheriff-Schild, der Musik + jeder aufeinanderfolgenden weiteren furcht‘los gesteigerten und treffgenauen Szene- nichtzuschnell nichtzulangsam nichtzuviel nichtzuwenig oder ichweißauchnicht -wegen? was-! 10 Punkte, + ins mittengerauschte Herz.

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                                  Terrence Malick: The TREE OF LIFE mit Emmanuel Lubezki
                                  Sean Penn fährt Fahrstuhl, Brad Pitt zupft Unkraut, Jessica Chastain schwebt /an wegretuschierten Halteseilen/ unter Bäumen, Dinosaurier benehmen sich wie manche Menschen, Gott stellt aufwendig mysteriöse Aufgaben – warum?- und der Mensch dumme Fragen /aus dem Off dazu
                                  -Nu is aber gut, das war nur n kritischer Reflex all derer, die ihr Unverständnis /für komplexe Erzählwaisen oder öffentliche Spirituosität ins Netz zur Diskussion stellen. Das Ganze ist doch bingo,- echt nicht schwer zu kapiern, und wird sogar ständig wiederholt mit Worten bekauert,- zum Beispiel der Nonnen am Anfang, von Wegen der unfehlbaren Gnade und herrschsüchtiger Natur,- von Dulden und hinnehmen usw. + in kritischen Momenten stets noch mal, bishin zum skeptischen Tor des puren Glaubens, das es zu durchstoßen gilt,- zur letztendlichen kommunionistischen ultimativen Nirwana-Reunion, wo sogar Tote widerauferstehen- und gehen-gelassen werden können.
                                  Übrigens kann man diese Einführung in zwanzig Jahren weglassen, weil dann feststehen wird, das es sich bei TreeOfLife um ein absolutes Meisterwerk allerersten Ranges handelt, unbezweifelt im allgemeinen Konsens, wie heute so /und dermalen nicht zum Beispiel auch die vielgezogene - zu Recht!- Parallele Stanley Kubricks‘ „2001“ .- Genug davon + ERnsthaft jetzt: nochmal: von Anfang an und dafür richtig:

                                  Um es ohne Umschweife zu sagen: dieses Werk ist ein Meisterwerk. Zur schämlichen Tatsache, das bei seiner Welt-Vorstellung, in Cannes, es möglich war, das (teilweise) gebuht wurde: so weit zur desolaten Lage der urwelthaft-erinnerlichen Rezeption, wenn wirklich ganz große Kunst auf ein gaffgeiles, rudimentäres Publikum trifft, das glaubt, über alles Herr und Richter zu sein, das keinen über sich erkennt. – Darüber geht man hinweg und schweigt.- Malick selbst, der 67jährige Grandseigneur, der Ver-Schöner- und Be-Bilderung -, hier: der Grundtatsachen des Lebens,- erkennt solchen Richterstuhl offenbar durchaus an : ja, es ist eine – nicht zweistündige - sondern geradezu epische, lebenslange, unfaßbare, umfassende – Meditation und Grübelei, Klage und Ergebung über diese unentbehrliche und entbehrte, vermutete und unzumutbare Richt-Macht über dem verwunderten und verwundbaren Phänomen der Existenz / menschlichen Daseins. So viele Hypertrophierungen: doch wie hier abzuwägen?

                                  Der Plot (des Films wie des Lebens) ist mit zwei Worten oder Sätzen schnell erklärt: einer Mittelstandsfamilie in südlicher FünfzigerJahre-Usa wird der mittlere Sohn entrissen (wodurch ist unwesentlich, damit mögen sich unwichtigere Sujets befassen). Nach einigen Laufzeit-Minuten – aber was sagt das über die Film-Zeit aus, die ihre mögliche Relativität nutzt, sie buchstäblich zu Äonen zu dehnen – erhascht der Zuschauer die beiläufige Information, das dies im Alter von neunzehn Jahren, solchen Todes, geschah. (Das ist nötig zu erfahren, damit die Spannung des Zuschauers im Folgenden nicht unnötig abgelenkt auf das Wesentliche konzentriert bleibt: nicht auf das Wie Wann Wodurch, sondern das Warum). - - Bevor wir fortfahren: der hiermit also vollständig verratene Plot handelt von den Reaktionen, Erinnerungen, und ausgelösten Bewältigungs-Bemühungen der zentral um dieses Leben geordneten nächsten Angehörigenschaft: der Mutter, weiträumig gefühlt, des Vaters, geballter, und zumeist, der älteren Bruder-Perspektive, dessen subjektiv vorgerückte eigene Entwicklungs-Rolle vor allem von zwei Schauspielern grandios unter dieser Regie getragen ist: Sean Penn (lange hatte ich unwissend den Regisseur von Into The Wild im Verdacht), als dessen erwachsener Architekten-Repräsentant (der die väterlich-gesellschaftsautoritäre Machtdominante im Äußeren „erfolgreich“ und doch innerlich wund - assimiliert hat)- und einem natürlich bis dato unbekannten Jugend-Darsteller, dem -angemessen!- die allermeiste Screentime gehört (- wie wahr für uns alle, -gebührlich). Warum der Bruder? –weil Tote nicht erzählen können, eine Erzählung jedoch einen Erzähler braucht, und es hier um den Reflex des (Über-)Lebenden auf das eigene Seinsrätsel, mysteriös bedrohlich nahegebracht durch den umgeblich lauernden Tod,- die Bedrohung des Seins an sich durch den Tod an sich, und das Warum, und die schließliche Antwort darauf,- geht. –
                                  Das Beziehungs-Geflecht der Personen-Familie, ums Zentrum der Liebes-Mutter gruppiert, wird von Momentaufnahmen verlebendigt. Hier ist Emmanuel Lubezki (der „derzeit beste Kameramann“) in seinem gottgegebenen Natur-Talent-Element. Von geradezu unglaublicher Intensität gelingt dabei, wesentliche Stufen und Weichenstellungen menschlichen Erwachens in eine atemberaubende Vielzahl oft nur sekundenkurzer, an Eindringlichkeit, Bildkraft oder Komplexität kaum zu überbietende bewegte oder wie eingefrorene Verschlüsselungs-Sequenzen zu binden; man denke an – nur ein Beispiel - etwa an die Momentaufnahme des Zweijährigen auf dem Arm des mächtigen Vaters, der aus dem Fenster blickt, dabei reglos dem Kind, das bemüht ist, sich ebenfalls dorthin zu wenden, den Kopf beiläufig stets in die abgewendete Richtung zwingt, oder an das fortgewehte Herbstblatt auf dem Gehweg oder eine nässende Regentraufe oder die Sonnensilhouette der Mutter auf reinem Leinen beim Wäscheaufhängen, und Bäume, immer wieder Bäume; der frühe Baum auf Urerde (nach all dem endlosen Wachsen von Lichtgeburten und Staubsonnen-, Planeten und Zellartigem und ersten Grüns im Meerschoße) ; (Bäume) -am Flußufer des Urstroms (erkennen wir ihn dann wieder?) ; *-im Garten Zuhause; *-der Natur; *-und schließlich eingezwängt, zwischen nachäffender monumentaler Architektur, oder, sogar, unter Glas, in sie das Menschenwerk integriert, nachgestellt, in Nachahmung genommen, in einer Nachahmung selbst (nicht umsonst umrahmt zuvor und danach von anders-eigenen monumentalen Natur-„Architekturen“).
                                  Eindrückliche Bildfetzen ; kaum je Wörter, oder Sätze, sehr viel mehr Bilder-, Bildfolgen-, einen Atemzug lang, ein geräuschreduziertes Stakkato (bis auf brüllende Natur-Materie-Energie); insgesamt ein Sog in tranceartige Atmosphäre erzeugend, wo kein Detail unwichtig ist, und alles sich doch lang genug ausspricht, um klar und deutlich für sich in Erscheinung zu treten ; und, es ist alles untereinander verbunden, schafft Quer- und Längsverbindungen, wie der genannte, immer wieder auftauchende, bedeutungsschwangere, Baum an sich, der sogar zum Titel herüber verbindet.
                                  Kamerarevolutionär erhaschte Besichtigungs-Führungen (Lubezki!) wichtiger Eindrücke frühester Kindheit, Licht, Heim, Stoffe, ja Gerüche, die man wahrnehmen zu können meint,- der Ankunft eines Bruders, wortlos-gestenhafter „Entthronung“, und immer wieder: von Mutter-Zauber, der Zauber-Nabel, und dunkle Verhärtung des Vaters, der in seiner Vater- Gesellschafts- Natur- Welt allmählich fühllos verschmilzt und sich auflöst (vor seinem Scheitern in Härte - und - Wiederherstellung der Weichheit): als Hinderung persönlicher freier Entfaltung, schmerzhaft und schmerzerzeugend in tradierter Weitergabe. Kurz, der Plot also zum Schluße : dieser ältere Bruder, die meiste Zeit des Films (wie eine Reminiszenz an unüberwindbare letzte Bodenhaftigkeit aller Kunst, wenn auch die „Schwerelosigkeit“ hier weit vorangetragen ist) erinnert sich,- aber auch: die Mutter, in unfaßbarem Schmerz („wie hat sie es bloß überstanden?“) ,- und, knapp, doch ebenso verstehbar, der Vater.- Endlich zurück, hinter den Plot, zum (schwierigen, anspruchvollstem) Film. –.

                                  Gerade der Anfang, des Werkes, ist eine halsbrecherische Gradwanderung des geschmackvoll Riskanten, Zumutbaren, das sich auf Gebiete unversehens (zu)traut, einzudringen, wo konventionelle(re) Filme gerade einmal die sekundenfixe Sichtbarmachung eines markteingeführten- und beherrschenden Tabu-Symbols blind vorweisen: eine geschlagene Drittelstunde widmet sich der Film dem behutsamen und bild-urtümlichen Eindringen in den vorgestellten, als Außenstehender kaum zugänglichen Schmerz einer kindstrauernden Mutter, die bis dahin folgsam und gläubig, am Tod ihres Kindes ver-zweifelt, wie geradezu an allem, was zumeist als Grundfesten unserer Leben /doch erschütterbar angenommen wird. – An jeder Stelle des Films treten viele tatsächliche Verzweigungen auf: er ist dicht gewoben, wie ein Magnolia oder Mulholland Drive. - So kann man hierbei etwa zur – von weit überdurchnittlichem Niveau, wo Malick seinen Mund leiht – Predigt vor sonntäglicher Kirchgangsgemeinde weiterleiten, wo über Hiobs‘-, dem alles genommen wurde,- Unsicherheit vor Unglück vorgetragen wird, vor der auch Gut- oder Gerechtheit nie schützt; so wie bei Anlaß eines nachbarlichen Kindheits-Todes der Elfjährige sich fragt, ob dieses Kind denn „schlecht“ gewesen sei, um solche Folge zu gewärtigen, oder eigentlich zu rechtfertigen : denn dieser Film befaßt sich mit den Schlüssen, die zu ziehen sind, wenn nicht das Ausweichen in empfindungslose Stumpfheit vorzüglich wird. – (Malicks ganzer Erfolg hier beruht übrigens auf dem Sich-Trauen, Schlüsse aus Tatsachen zu ziehen, der Selbst-Entdeckung des Menschlichen, dem, um S i c h zu erkennen, eine ganze Welt zu erkennen aufgegeben ist. Dazu noch). Nur eine weitere Schleife : zum, wie erwähnt, „bösen Übel“: einer gewichtigen Nebenrolle hier, zumindest zu dessen götzendämmernder Herkunft Malick explizit ein Votum begründet, mit der ganz gelungenen feinstfühligen Dezenz, die das Air dieses Kunstwerks bewunderungswürdig begleitet und zum Genuß erhebt.) – Noch weiter : wie es nur wirklich großen Künstlern dermaßen gelingt, der Lebens-Ernsthaftigkeit dieser allüberall „verniedlichten“, in Wirklichkeit kaum je noch einmal im Leben so ernsthaft bitteren Entwicklungsstufe ‚des Jungen‘ so natürlich wahrhaft gerecht zu werden und sich anzunähern: aller Bitterkeit, die schon, vielleicht gerade, in der Kindheit zugänglich ist. Das alles schafft eine eindringliche, traumhafte, schwebende, auf das Allerwesentlichste konzentrierte und geradezu –eingedampfte, ‚lebensechte‘ authentische Atmosphäre. Dieser Film vermag die Grenzen zur Realität, in trancehaftem Duktus, wie selten aufzuheben. Er ist wahr. Er ist ungeheuer mutig. Er ist noch schöner. Doch weiter.

                                  Kubricks Knochen (dergestalte Assoziationen tauchen in den Reflexen, berechtigt, mehrfach auf), der himmelwärts wirbelnde Artefakt, der sich zum erhabenen Raumschiff-Reigen wandelt genial wiegentlich zum Straußwalzer : diese mittlerweile sakrosankte Ikone der Filmkunst tritt hier auf – in Form eines Dinosauriers, dem ebenfalls abseits vom Stereotyp gestattet ist, zur lebendigen Gefühlsregung erweckt zu werden: nicht nur, das ein Tier,- sodann noch ein solches, ur-fremd entferntes, „Reptil“, solche („humanlebendige“ Regung), bei Malick, haben darf-, und zuerkannt wird,- wie üblich nur in einer sekundenkurzen, geballten, aussageberstenden Sequenz. Die rauschende Bilder-Orgie, beim vorderen Altmeister, der irrlichternden Geschwindigkeits-Gerissenheit des Argonauten durch allen Raum, und Zeit, hin zum ewig schauenden Weltraum-Fötus, ins Wunder organischen Lebens und Bewußtseins, mündend, - zuletzt,- entspricht hier, zu anfangs, eine nicht rasende-, eher kontemplative, Reigenfolge unsäglich schöner Farb- und Bewegungsstudien, die sich zum Kosmos weiten: übrigens echte (!) Natur- „Wissenschafts“- Aufnahmen. Sagen sie Ihnen etwas? - Wie gesagt, ist das alles riskant und riskiert (doch vermieden) den Kitsch; denn es mutete (womöglich, aber eben nicht) der Nachfolgeschaft des Zuschauers, zumeist, zuviel an Folge-Willigkeit- und- Fähigkeit zu. Es ist zu bedenken, das hier ein Mittsechziger spricht (der sieben Jahre einer Lebens-Epoche daran wendete, davon drei im Schneideraum, ich ahne, wie beschäftigt); die meisten seiner Zuschauer, als typisches Publikum, jedoch gezwungenermaßen eine längst noch nicht so weit fortgeschrittene Reife-Altersmöglichkeit betreten haben dürften; denn Film ist das Medium, gerade von Brad Pitt,- von jedermann, der in der Regel wohl nicht nur jünger ist. (Übrigens Congratulations auch in diese Richtung: Pitt altert mit Würde, und betritt, wie sein Rollen-Vorschreiber, neue Ebenen der Charakter-Verdinglichung; eine weitere unausschöpfliche, reife Darsteller-Leistung, ein Ruhmesblatt!). (An dieser Stelle: natürlich das Gleiche, wenn nicht mehr noch, für die kaum erfüllbare, zugleich einfach-schwierigere Traum-Rolle der universellen „Mutter“(Jessica Castain).) Im Grunde gelten aber hier die Meriten der- Kameraarbeit, von E. Lubezki, die die Intentionen des Regisseurs manifestierte: und eine anspruchsvollere gibt es, diesenfalls, wohl nicht. –

                                  Der Film holt also weit aus, um die Mutter, den Vater, in ihrem Schmerz abzuholen dort, wo, vielleicht, ECHTE Mütter, und Väter, in solchem, abzuholen wären: im Moment der Erfahrung des Todes ihrer beider Kind. Darf ein Film sich trauen, in solche Intimität, die doch der Realität (in der es das gibt) abgeguckt sein soll, vorzudringen? - Kunst darf alles, wenn sie gelingt. Kunst ist dafür da, in solchen Momenten dazusein. Das Problem ist nur, dann DAZUSEIN auch. Da gerade das so schwierig ist: ist Kunst, zumeist, an gefahrloseren, stereotyp bereits eroberten Orten : und verliert damit ihren Anspruch, gerade das zu sein: statt Unterhaltung – Kunst nämlich. Das meiste, was gerne Kunst wäre, degeneriert zum netten, oder auch angenehmen, Zeitvertreib. Keine direkt verlorene Zeit, immer: doch auch bei weitem nicht so produktiv und intensiv, wie Zeit eigentlich, ein Kraftstoff, zur Fähigkeit in sich trägt. Man kann so vieles aus Zeit, und Kunst, machen. Malick traut sich, ihr das Höchste zuzutrauen: und er muß schon fast naiv genannt werden, sich so unversehens, und unmittelbar, ins Zentrum des Zuschauers zu wagen: dessen Weltanschauung, dessen Glauben, dessen Gefühl: vom Dasein selbst. Es ist schon fast vermessen. Er begibt sich ohne Umschweife ins Allerheiligste,- dorthin, wo sich fast niemand zu regen oder auch nur zu flüstern getraut. Er tut es, wie ein Kind, ein siebenundsechzigjähriges, und spricht, unbefangen, und siehe: wenn ihr nicht so werdet wie die Kinder. – Es mag einige, hoffentlich nicht Viele, geben, die dies Vorgehen als vermessen, und unangebracht, und also einfach mißlungen, finden: ich bin dankbar. Ich denke, viele Trauernde sind, in ihrer Zerrissenheit, alleingelassen, aus Pietät. Der Mensch ist ein Säugetier: er besteht aus Gemeinschaft, aus körperlicher Zärtlichkeit, und Gebundenheit. Er ist nicht allein in der Welt: er ist aufeinander (an)gewiesen. Ein Wesen, das seine Nachkommenschaft verliert: ist existentiell getroffen. Malick nimmt dies, diese unfaßbare Tatsache, zum Anlaß, sich zu nähern: und weicht der gestellten Sinnfrage nicht aus. Es ist entscheidend (wie immer) WIE man dies tut ; ob man es als erlaubt empfindet und empfinden kann oder nicht. Ich persönlich bejahe; nicht jeder wird der Kunst diesen Zutritt, ins Aller-Persönlichste, gestatten; denn viele Menschen ziehen, glaube ich, eine Grenze zwischen sich, oder der Welt, des Anderen, und der Kunst, die sie derart zur Künstlichkeit deklarieren. Die meisten leben privat; für sich inmitten des Öffentlichen. Der Künstler i s t öffentlich; und glaubt und beansprucht, das ALLES öffentlich ist. Es gibt, für ihn, kein Privates; alles ist Chefangelegenheit. Handelt es sich dabei um einen Menschen (und das ist, leider, der Künstler, jedenfalls, auch),- kann es dabei nur menschlich zugehen, und das hält, ebenfalls, einige davon ab, dem Künstler dort Zugang zu gewähren, wo ihrer Meinung nach, nur das Göttliche, und die Allernächsten, des privaten Kreises, Zugang haben –sollen dürften. Und dann- ein Fremder/s? Wie die Kunst, zu dem sie dann wird? – Es ist eine Grundsatzentscheidung: wem traue ich, Kunst, zu? – Wenn mir nicht: wie dann einem Anderen? – im Grunde ist es die Entscheidung: eigenes Leben (das in, von Malick unerbittlich konfrontiert, Tod mündet) der Kunst zugänglich zu machen, als Kunst zu betrachten, als öffentliche Angelegenheit gar,- und damit die Tatsache der Kunst, in Form von Künstlern, mehr oder weniger großen, zu akzeptieren : und damit diskutierbar zu machen. Das Öffentliche dringt allenthalben ins Private ein und vor: es kennt keine Scheu und keine Grenzen; das Private, genaugenommen, existiert nicht, sowenig wie Eigentum. Es gibt nur einen gesellschaftlichen Konsens: und der richtet sich gegen die Kunst, der Einmischung, Mein und Dein, vermeintliches.
                                  Es ist unausweichlich, die Kunst zu uns sprechen zu lassen, gerade an Punkten der Entscheidung: denn die Kunst ist die Stimme, der Menschheit, nicht nur derer, die uns bekannt sind und denen wir trauen und uns geborgen fühlen: denn wir ruhen im Schoß Aller, gar All-ens, und : gibt es nur Übereinkünfte, die das verhindern,- nicht förmliche Grenzen der Natur, die dem Auge, das sich, aus Not, öffnen muß, dann will, schließlich offenstehen, nachdem es lange (genug) geschaut hat. Um den Willen, (hin) zu schauen, geht es; nicht um seine (Ablenkungs-) Mußestunde.
                                  Vielleicht entscheidet sich daher Malicks Film: ob man es zuläßt, das diese Zutritts-Grenzen der Kunst als eingerissen betrachtet werden oder nicht : ob man sie für sich eingerissen hat, - oder noch-nicht. Wer dieses für sich nicht traut, für den steht das Leben vor dieser Aufgabe: und der Tod kennt diese Pietät nie: er steht, wie jene Raub-Echse, erbarmungslos, übermächtig, vor seinem Opfer – und entscheidet, gnädig für diesmal, oder noch-nicht, nicht-mehr. Das Nicht-mehr ist sinnlos: unter Lebenden, wenn auch nur aufgeschoben, statt aufgehoben. Der Punkt wird kommen; bis dahin jedoch ist unsere Sache das Noch-nicht,- oder wie hier auch, stets, Diesmal-nicht : der Tod betrifft, öffentlich, immer nur die anderen, Überlebenden; Mütter, Väter, Geschwister, und Zurückstehende: die sprechen müssen. Denn dies ist unser Los: sprechen zu können,- deswegen sprechen zu müssen,- oder zu dürfen.

                                  Gnade: zu dürfen. Kunst ist Trost, denn sie schweigt nicht, selbst in Momenten, des Unentscheidbaren, des Schweigens. Kunst macht den Anfang; sie bricht das Schweigen. Füllende Worte, die in das unendliche Schweigen tropfen, schaffen – Gemeinsamkeit. Denn sie schaffen zusammen einen Mund, der spricht, und ein Ohr, das hört. Beides gebührt dem Menschen, und beides, grundverschieden verbunden, ist menschlich : Sinne zu haben, und einen Sinn der reagiert – und schafft, wieder empfängt, und austeilt, zu Quelle - und Schöpfer wird: verändernd, nach Aufnahme, entstehend, dann regend. Empfänglich, empfangend, empfindlich, findend, besitzend,- dann spendend, lösend, zurück-gebend, verzichtend : teilnehmend. Die zentrale, kummulative Geste des Films ist die Auflösung : der sich öffnenden, lösenden Hände,- Baby-füß“chen“, zu anfangs, die ur-alte Greisenhand, von Menschenalter zu Menschen-Alter, berührt verjüngt, zum Schluß; was für eine Orgie, des Bildes, des Durchschreitens eines bestehenden Tors, nicht des Glaubens: sondern von Erkenntnis, des Darüber-Hinaus, mitten in offener Tatsachen-Wüste, zuletzt, um jenseits auf die Menschen, unseres Wissens, zu treffen, Unvergänglichkeit, solange wir bestehen; und nichts mehr braucht es, an Trost, nicht allein. Verzeihen Sie, wenn ich mich etwas diffus ausdrücke; denken Sie an die öffnenden Hände, der Ergebung, das genügt.
                                  Natürlich ein weiter Weg, den jeder, für sich, zu gehen hat; und er ist nicht abzukürzen, wie Goethe sagt: Minnorenitäten sind nicht zu überspringen ; Tatsache wie Imperativ, imponderabel, wie gleichenorts gern angeführt. - Genau darum geht es: Tatsache wie Imperativ, empfangen erkennen – dann spenden, unfreiwillig freiwillig : frei- willig.
                                  Das braucht seine unüberbrückbare Zeit. Malick nahm sich nicht wohl siebenundsechzig Jahre, um allein zu verstehen: doch wohl um auszudrücken. Auch das ist Lösen von einfacher, schwerelos sich öffnender Hand zuletzt: die Spende solchen geradezu - wundervollen Films. Er benötigt ein reifes Publikum, das, es kann nicht anders sein, zumeist weit davon ist: vielleicht muß man hoffen, ein Alter zu erreichen, das er erreichbar wird, berührbar wird für ihn. Je weniger unausweichliche Schmähung, aus Unverstand, hörbar wird: desto hoffentlicher stehen die Aktien, des derzeitigen Zustandes, der Menschheit. Denn wer hier nicht buht: und das ist der schwanke Urgrund, auf dem der Bau dieses Werks errichtet ist : ist der tatsächlich vorhandenen, eingebauten, auffindbaren Reife dieses Werks bereits, gegen jede Wahrscheinlichkeit, angemessen. Die Höhe dieses Films ist, in keiner Weise, leicht weder für sich, noch für ihn, zu erobern; doch er steht, unangefochten, und unanfechtbar, an seinem Punkt, wie wenige. Sehr.

                                  Wie wundervoll ist es, das Menschen Sinneswerke haben, können, zu schauen, zu hören; und Münder und Gesten, und Folgen, zu sprechen, zu bilden, wo viele wunschhaft gebärden - und einige vermögen, zu tun. Ein großes Geschenk, eines weiteren seltenen Einzelnen – an uns alle, für uns, in großer Nähe. Ein solcher Dank: der Teilnahme. Ja, für mich.

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                                  • Es ist doch klar, das ein Film, der irgendwie eine überdurchschnittliche Gewinnmarge einfährt, im Erfolgskonzept durchkopiert werden soll - schließlich werden Filme von Firmen mit dem Profitziel produziert. "Raubkopien gefährden Ihre lokale Filmindustrie". Film ist Geschäft mit Kunst. Die Zuschauer sehen (vermeintlich) die Kunst - die Hersteller sicher und notwendig das Geschäft. Müssen Sie wohl, sonst gibt's künftig keinen Nachschub mehr. Würden Sie sich, wenn Sie Tretminen herstellen, im Verkauf an Mahatma Ghandi wenden?
                                    Das Problem ist, das jeder Bereich menschlicher starker, womöglich unterdrückter Bedürfnisse sich zu einem (äußerst) lukrativen Unternehmen ausbauen läßt - je unerwünschter die Befriedigung dieses Grundbedürfnisses verpönt wird, desto gewinnbringender. Verpönen Sie prohibitionistisch jeglichen Alkoholgenuß, enden Sie bei Al Capone. Stigmatisieren Sie die Prostitution - enden Sie beim Mädchenhandel und Sexsklaverei Kriminalisieren Sie Hanf, landen Sie bei der Heroinmafia. Finden Sie Promiskuität unattraktiv, enden Sie im deutschen Schlafzimmer. Unerwünschen Sie, vergeblich als Erbe unserer Jäger- und Sammlermentalität, aber den „bösen“ Aggressionstrieb - landen Sie bei 300, oder noch kranker, bei so was wie Saw I-VII .
                                    Es gibt Firmen, die scheren sich einen Dreck darum, womit sich - politisch korrekt - Geld machen läßt. (oder sollte ich sagen, "ethisch-moralisch"?). Wir leben in einem "System, worin Geld-Machen" das wichtigst Angesehenste ist. ("*...*) So gibt es Firmen, die Schmetterlingsbomben fürs Kinderzimmer herstellen. Andere schert es einen Dreck, wenn es statt solcher Spielzeuge für Kinderhände ähnliche für die Kinderseele sind. Solange hinterher jemand einen schicken neuen Mercedes fährt : war das für eine (Un-)Geistgemeinschaft, die Mercedesse über alles stellt (nicht etwa wegen des Fahrgefühls, sondern des Stern-Symbols vorne dran), doch wohl eine feine, anerkennenswerte Sache - und ein uneingeschränkter Bomben-Erfolg.
                                    Es ist egal, womit man Geschäfte macht - Hauptsache, es ist ein Geschäft. Möglichst weltweit : bewunder bewunder bewunder!
                                    Womöglich erleben wir SPARTA VII. Zack Snyder dürfte in Teil vier oder fünf wieder ausgekramt werden, Gerald Butler am Einfachsten bereits in Teil drei. Das macht sich jeweils in den Schlagzeilen gut. Beide reuniert – Triumph!- in sechs oder sieben. Das wird wie ein Beatles-Konzert 198o! Also Fans, Kopf hoch: es reicht noch für jede Menge Hoffnung ! Ihr müßt nur dafür sorgen, das es sich lohnt! Und die beste Garantie dafür ist, so weiterzumachen wie bisher. Was kann euch aufhalten? Abstimmung nicht mit den Füßen, sondern mit dem Portemonnaie - und zwar bereits mit dem völlig gleichgültigen Kleingeld darin! Ist es nicht herrlich - jeder von euch hat, ohne das er es weiter schmerzlich bemerkt, die Möglichkeit, die zunächst gewünschte gemeinsame Zukunft zu bestimmen - in SEINEM EIGENEN Sinne! Genügend Konsumenten, und das Bevorstehende braut sich bereits zusammen - nicht nur in "Ihrer lokalen Filmindustrie".

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                                      über Code 46

                                      Code 46
                                      Bemühte, holprige, ungeschickte Adaption eines science-fictionähnlichen Themas für mittelmäßig ausgestattete Gehirne von einem Gleichsamen. Die Thematik-Obliegenheit ist röntgenklar und zu durchschaubar, das Lowbudget (eigentlich kein Hindernis) scheint allzu fadenscheinig an allen Ecken und Enden hoffnungslos unachtsam durch und das Ganze sitzt schief wie eine Partymaske von Batman in Pantoffeln mit Schmerbauch-Schwimmreifen. Die aus unerklärlichen Tiefen heraufknisternde instinktive Liebeserotik zwischen den Hauptrollen z.B. funkt etwa so wie die zwischen dem Toaster in meiner Küche und der Badezimmertapete. Das Casting für die Maria muß morgens wohl gegen 07.3o bis halb acht zwischen dem Rasieren und dem Zeitungaufklappen stattgefunden haben. Aber eigentlich ging es ja eher rund um Gene in Bezug auf Selbstbestimmung irgendwie (im weitesten globalen Sinne). Das Thema war wohl nichts für den Regisseur; entweder seine Intelligenz oder seine Begabung reichten nicht hin und über Klischeekrümelchen hinaus. Hüten Sie sich davor, das Ihnen dieser Film gefallen könnte: es gerät zur Selbstdemontage. Wenn Sie Ihre pseudo-artifiziell-intelektuelle Mäßigkeit unter Beweis stellen wollen: finden Sie die beängstigenden Zukunftsthematiken und die langweilig-berstende „Materialfülle“ nur ruhig ‚spannend‘ und sprechen Sie von betont ehrlicher Kamera und puristisch-enthaltsamen Erzählgestus und absichtsvoll-stockender Materialdarbietung – aber bitte bloß nichts von „Ideenfülle“ (wie ich las), lassen Sie das ganz schnell wieder fallen, vergessen Sie’s. (Die ungeschickte „Regenschirm-Szene, um sich nicht etwa vor Regen, sondern vor der Sonne zu schützen – wg. Ozonloch“...(!) achdujeh.)
                                      Diese Form von bemühter Nervenaufreizung eines einfach nicht zu Hochflügen eingerichteten Grübelmüh- und Talentapparates brauchen Sie, wenn Sie geistig-ästhetisch auch nur einigermaßen beweglich sind,- nicht weiter zu versuchen. Lohnt nicht. Forget about. Außer guten Absichten und jeder Menge Diletantismus nichts zu holen. Einfach schlechtes Handwerk. Unzulängliches Talent. Wenn Sie Cocktail-Partys lieben: gehen Sie hin und führen Sie hochtrabende Einwürfe,- wenn Sie sich zum Idioten machen wollen,- über die überbordenden Thematikbrisanzen dieses intendierten ‚Werks‘. Schade, so werden wir nie zusammenkommen.
                                      Ich mag’s schneller, wendiger, profunder, tiefsinniger, überraschender – und nicht ganz so entsetzlich platt, mager, hochtrabend, verwirrt, geistlos und dürftig. (Wobei Verwirrung ja immer noch ein gewisses Maß an aufrecht erhaltener Spannung,- oder abgeschwächt Aufmerksamkeit beinhaltet).
                                      Hoffe trotzdem, Sie noch zu sehen. Andere Location. Ciao.

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                                        Dante 01 Film aus Frankreich von CARO
                                        abendländisch-christlicher Schlüsselroman SPOILERSPOILERSPOILER

                                        Namentlich erwähnte oder personifizierte Rollen: „Saint George“ – Caesar – Persephone – Buddha – Moloch – Lazarus – „Messias“– Elisa – Attila - Rasputin - Charon – 2 Hilfskräfte

                                        „Ich wollte dir nur sagen, das wir bald auf Dante ab s t ü r z e n ... und in der Hölle v e r b r e n n e n , wie die V e r d a m m t e n , die wir s i n d !...“-
                                        (erschüttert) „....Das ist absoluter Unsinn !-“
                                        „... spiel nicht den Unschuldigen, Charon,... ich weiß, was du w i l l s t -, ich habe deine Dateien schon lange geknackt-,... deine Elisa und ihre Nanotechnologie kann uns so richtig schön in die S c h e i ß e reiten! ... wir könnten a l l e k o n t a m i n i e r t sein, V O N I N N E N ,- INFIZIERT,- wie ein gewöhnliches Computerprogramm!... He, weißt du, was bei einer Epidemie zu tun ist...- alles v e r b r e n n e n !... Ich hab dein Paßwort benutzt, um alles zu sperren... ja, das hier ist meine Apocalypse. ...- --B u m m ! - ...B U M M ! ! - ...“

                                        Sichtbares Szenario (denn schließlich sind wir in einem Film): ...Weltraum.... stille stehende, grave schwerelose Bilder, gleitend.... kleine Raumfähre dockt an große Raumstation an, umkreisend einen Vulkanplaneten namens Dante, wie aus dem siebten Kreis der Hölle (Filmzitat: „Ihr, die ihr eintretet, - laßt alle Hoffnung fahren!“)-.... zwei Passagiere wechseln hinüber. Ein tiefgefrorener Gefangener, eine jungweibliche Führungsebenenkraft. „Jail in Orbit“,- zwei Ebenen : 7 Gefangene, „Verbrecher“, die sich zu Testzwecken bereit erklären mußten, um schwerer Bestrafung zu entgehen ; 3 Versuchsleiter, eine Raumschiff-Ebene darüber, welche das Gefangenendeck überwachen, gefühllos, selten eingreifend (mittels Betäubungsgas), und zwei Hilfs-Polizist-Lakaien.
                                        Erster Zyklus: der Neuzugangs-Gefangene (nach gehörig-technischer Reanimations-Desinfektionsprozedur- kommt an Bord, wird in den Kreis eingeführt. Dieser Vorgang gleicht der Komplexität eines evolutionstechnisch entwickelten „Geburtsvorgangs“. Der Gefangene erwacht zu Bewußtsein. Er ist besonders : bei kräftiger Statur völlig geschwächt, kaum in der Lage, seine Glieder zu gebrauchen, von verschobener Wahrnehmung, stumm, hilflos, ausgeliefert, beeinträchtigt. Auf seiner Schulter ein äußeres Erkennungs-Stigma: ein Heiliger-Georgs-Tattoo: daher alsbald „SaintGeorge“.

                                        Rasputin findet ihn zuerst: ist sofort überzeugt, dem „Messias“ gegenüberzustehen. Der weitere Kreis herzu: Caesar, der körperlich kleinste und unansehnlichste der Truppe,- ist Chef kraft natürlicher Autorität: wie der Name schon sagt, symbolisiert seine Obrigkeit den „Staatswillen“, die politische Führung und simultan personifizierte gleichgeschaltete Verfassung (keine Krähe hackt der anderen ein Auge aus),- die Legislative. - Moloch ist der Koloß, der Körper, die ausführende Gewaltexekutive, der Staatsapparat, die Armee, der legislativ gehorchende verlängerte Arm des Gesetzes ; Rasputin ein halb(?)verrückter Seher,- eine Nebenrolle, ein Mystiker, ein Schwafeler, ein Abergläubischer, ein Irrationalist,- jemand ohne echte Autorität und Einfluß,- Buddha : wird vorgestellt als einer, der hier landete, weil er gern versucht, alle Menschen, die (in seinen Augen) leiden, dadurch zu heilen („auf die andere Seite zu helfen“), indem er sie umbringt,- Symbol der ehemaligen (?) geschichtlichen Rollen großer Religionen,- um deretwegen Ausrottungskriege geführt wurden: intolerante, vernichtende, kämpferische „religiös“ getarnte Glaubens-Ideologie, womöglich von Buddha- bis - Marx alle „-Ismen“ umfassend und meinend. - Lazarus, Attila, des Weiteren, aber es ist Zeit, die zweite Führungsebene vorzustellen :
                                        mittels Überwachungskameras und technisch etwas unvollkommener, holprig- springender Simultan-Übertragung (tonlos wie unerhörbare Gebete) verfolgen Charon (wie der gleichnamige griechische Totenschiffer) als Teamleiter,- Persephone (ebendort Göttin der Unterwelt) : die spezialsierte „kriminologische“ Wissenschafts-Expertin,- sowie „Elisa“ (warum wohl ohne Bezug?) das Gewusel und Gewurschtel zu ihren Füßen, zwei namenlose Hilfskraftwärter zur Seite. Sie bilden quasi den „Olymp“, den zwischengeschalteten anthropogenisierten Götterhimmel mittlerer Führungsqualität zwischen Krabbelmensch und onthologischer Gottnatur (der „Wahrheit“, - dem uneinsehbaren Jahwe des Monotheismus,- der Naturgesetzlichkeit, der Ethik, dem Guten, der allmächtigen „Sinngebungsmaxime der Welt“: eben - „IHM“. Auch dieser NoName des Allmächtigen fällt.) – Diese zwischengeschaltete Führungsgarnitur ist nicht sonderlich emotional beteiligt oder engagiert,- sie tut ihren Job,- sie verfolgt und fügt passenderweise Ordnungsschmerzen zu,- sie ist nicht sonderlich interessiert oder wissend und experimentiert – aus Forschungszwecken – plänkelnd herum, um wohl zu wissen, wie der Mensch, namentlich der Bösewicht, funktioniert. – Zu diesem Zweck hat auch Jung-„Elisa“ sich herbegeben: sie hat eine neue „Nanotechnologie“ samt Anordnungspermission im Gepäck,- die es sie auszuprobieren in den Fingern juckt,- und von deren Allwirksamkeit sie überzeugt ist,- und auf deren Folgen auszukundschaften sie innerlich brennt,- selbst im Konflikt mit der skeptischen, traditionell orientierten „never change a running-system-Methode-anhänglichen Kollegin (Persephone). Charon stellt sich im bald darauf einstellenden Konflikt als Zünglein an der Waage auf die Seite der kaltblütig technischen Revoluzzerin – völlig ungerührt und unbeteiligt davon, das deren spritzeninjizierte Nanotechnologie (sehr schön in Bilder umgesetzt: die Konfrontation von ausgesetzter Zellnatur und sie „folternder Minitechnik-U-Boot-Bazillismen“) auch ein ganz speziell besonderes Brennen im Innern der injizierten „Versuchskaninchen“ (wie Persephone sich weigert sie zu betrachten) erzeugt : in Qualen winden sie sich auf dem Boden ihrer Lebenswelt, jeder Leidende sieht ihnen zu.

                                        Wechsel: der mysteriöse Neuzugang, stumm, verängstigt, hilflos, ausgeliefert, wehrlos („Erlöser“, um es kurz zu machen),- nimmt sich seiner geplagten Menschheitskollegen an: mit Augen, die mehr sehen als diejenigen aller geschöpflichen Mitbewerber, durchdrungen von göttlicher Erleuchtung und zugehörigem Radarblick, schaut er direkt ins Innere der gequälten Kreatur, entdeckt den nagenden Wurm (einen spinnenartigen Seestern) an ihrem Herzen (oder sonstigem Ort, an dem es ihnen gebricht, Caesars zum Beispiel in seinem Kopf, an seinem verkehrten, pervertierten, kranken „Denkens“-Ansicht-haben,-)- und, wie der erhoffte Messias, greift er mitleidig erbarmend zu und nimmt die Sünden der Welt in sich, indem er eklig den böslichtstrahligen Drecksstern herklaubt und verschlingt, in eigenem Ekel,- jene Befallsseuchenperson und die Welt, damit, aber befreit und gereinigt erneut im Stande der Unschuld, schmerzbefreit zurücklassend – alle so dekontaminiert Geläuterten werden natürlich zu zögernd überzeugten Fans des „Messias“, der sich auch selber mysteriös und im unerklärten und unerklärbaren Status des Phänomenalen bleibt oder?. Auch sagt er ja kein Wort, kann immer noch nicht sprechen. Der Reihe nach kehrt er so das Schicksal und den Charakter von Rasputin, Lazarus, Caesar (schließlich) um. Moloch kommt auch an die Reihe: seine durchschnittene Kehle wird „wundersam“ von „Saint-George“ geheilt, während die Wissenschaft ihren Augen nicht traut, weil nicht sein kann, was nicht sein darf („wir hätten es denn mit einem Wunder zu tun“). Aber SaintGeorge darf das, denn er kann das, deswegen tut er‘s (ja auch) (denn der Mensch tut immer, was er kann, ohne Skrupel schließlich, wenn es ihm dazu sich in die Lage zu versetzen gelang). – Saint George kümmert sich also derart um Spinnensterne an Herz wie Kopf (hier bei Caesar)(oh ja bitte endlich), der danach erstaunlich vernünftig, ja geradezu vorbildliches Verhalten an den Tag legt).

                                        Wir haben unterderhand längst den zweiten Zyklus betreten: er endet mit dem Erdolchen von Saint George, der den mageren Heldentod durchs klammselbstgebastelte (an der Götterführungsebene heimlich vorbei) Messerstilett / nicht / stirbt.
                                        Dritter Zyklus : Auferstehung von den Toten. SaintGeorge, auf der höherebigen Krankenstation zur Letal-Untersuchung geborgen, ist von seinen Wunden nicht-übersät,- sondern bereits wieder geheilter Haut davongekommen,- und auf dem Weg zu erstaunlicher Ermunterung. Bald wird er sogar sprechen,- wenige Worte zwar nur, aber immerhin. In der Fülle der symbolischen Querverflechtungen ist vielerlei unerwähnt geblieben: „Abhör-“ und „Beantworter“-Raum, die Rolle des Attila, des Gewaltwillens und er Gewaltlust,- dem man nun beileibe „keinen Computer in die Hand geben darf“ sowenig wie einem Kommißkopf die Atombombe oder einem Firmenaufsichtsrat die Gentechnik. Er ist der personifizierte Vernichtungs-„willen“,- darf man nicht sagen,- eher „-apparat“-, weil er dem Geiste gleicht, der zwar nicht unbedingt „stets das Gute will, aber zuverlässig stets das Böse schafft“. Dieser üble technisch-industrielle gewissenlose Komplex, der nur selber wirtschaftlich überleben will,- kommuniziert schon seit längerem mit dem heimlichen, in seiner Existenz längst durchschauten Götterhimmel, und versucht ihm seine Geheimnisse abzuluchsen. Zeus-Charon kommuniziert zwar mit ihm zu Spitzelzwecken, aber während Zeus versucht , mittels ihm steuernd über seine Mitgefangenen auf dem Laufenden zu bleiben,- benutzt Attila den Kommunikationskanal,- um seinerseits mehr über die Station herauszukriegen, als diesem nominellen-, von Interessen hin- und –hergebeutelten Oberbefehlshaber lieb ist: es gelingt ihm schließlich, dem Spott zum Trotze, das göttlich wissenschaftliche Paßwort (und damit den Zugang zum ganzen innerorganisatorischem Betriebssystem) herauszuklügeln, und die Raumschiff-Erde-Versuchsstation in ihrem planetostationären Umlauforbit so zu destabili-sabotieren, so das sie nunmehr der lavavulkanisierten Oberfläche der Planetenhölle sich nähert, um alsbald in ihn hineinzustürzen-zu drohen : der Erde droht die Hölle: ein weiterer hochsymbolisch-gelungener Darstellungsakt, wie das Raumgefährt vor seinem Höllenschicksal unmerklich annähernd im Raume hängt,- noch,- aber unerbittlich an seiner verbleibenen Zeit nagend, sie ver-zehrend, aufbrauchend. Wird Ihnen da nicht nachdenklich- mulmig? Schade. - Drinnen ist derweil auch schon die Hölle los ,- wie sie draußen dräut und sich bereits dunkel-drohend die Lefzen leckt, nach dem Leckerbissen, dem es-sich ihr vorzuenthalten nicht lange mehr gelingen soll. Ein ‚schönes Bild‘ des drohenden Schicksals der Menschheit, (auch so ausgesprochen dort in Worten), vor dem unaufhaltsam begonnenen Niedersturz ins Nirgendwo-Nichtmehr: erlaubte Extinktionsrate: erschütternde 100 % .

                                        Wie in diesem Film denn überhaupt eine akute Märchenparabel geboten ist des ganzen Elends heutiger Selbstbefindung in Prognose-Diagnostik momentanen Sammelstandes: es geht um jawohl ...Technik,- das Böse,- die Heilsmöglichkeit, die Verführungsmächte, das Dämonische, Verblendungstriebe, die Wirtschaft, die Herrschaft,- die Wissenschaft, die Wirkmächte der Seele und des Kopfes-, des Geistes, (weithin merkwürdig unsichtbar: die Kunst),- das Religiöse, nicht zuletzt das Christliche: es geht wohl auf den Punkt, wohin (im weitesten Sinne) der Mensch sein Schicksal heutzutage, ob treibend oder getrieben egal,- gebracht hat, an welchen Punkt,- mit allein seinen Mitteln; dem Fortschritt, dem Glauben, dem Wahn, dem Können, dem Sich-Vermessen, der Skrupellosigkeit, der Fühllosigkeit, der Phantasielosigkeit, der mangelnden Empathie-, doch auch der Möglichkeit (später) Solidarität noch.
                                        Denn, während der dritte Akt eskaliert, schließen sich die verbliebenen Bewohner der Station zusammen: kaum wird die gescheiterte Flucht der sich absetzen-wollenden zwei Hauptnervensägen zur Kenntnis genommen: Attila der Vernichtungshunne und seine böse Biene-, das technisch fühllose Geist-Skalpell verglühen unbeweint relativ unspektakulär im Hölleninferno: ihr Verschwinden wird eher registriert als illustriert und ausgeführt.
                                        Die Resttruppe vereinigt ihre Absichtsfähigkeiten: der Chef, der zu seiner ursprünglichen Bestimmung als Gehirn und Ordnungsmacht,- heißt: zur Verantwortung – zurückgefunden hat,- opfert sich tapfer vergeblich im aussichtslosen Versuch, mit menschlichen Mitteln die anderen zu retten,- um manuell den Rettungsmechanismus jenseits einer zu durchquerenden kochenden Kühlmittelbarriere auszulösen. Was noch bleibt, ist das Überirdische: Saint-George, all die bösen Spinnentiere bereits schon in sich, die innezuhalten ihn nicht wenig Mühe und Schweißkrämpfe kosten,- macht sich, fast schon vermenscht, auf zum letztgöttlich-mysteriösen Gefecht: eine winzige Gestalt, im Raumanzug an der losen Leine vor der himmlischen Schwärze, löst sich aus der zutreibenden Raumstation mit aller Rest-Menschheitshoffnung an Bord,- schiebt sich zwischen sie und flammend böses Planeteninferno, und - saugt all das Böse, von diesem myriadenfachen Hort des Bösengewimmelspinnengewirrs,- all die Sünden der Menschheit, den ganzen Höllenpfuhl, tatsächliche und possibliche,- in sich hinein, im Vergehenswirbel immer mehr gleichend und verschmelzend zu einem in irrsinniger Geschwindigkeit rotierendem Kreuzeskreuz,- ja, wir dürfen hier wohl eine gewisse Versymbolisierungs-Absicht nicht absprechen. Diese göttlich lunatisch-leuchtheilenden Lichtalb-Augen, die all das Böse immerzu röntgen‘ im Laufe des Films mit mystisch bewaffneter und kapabilierter Wehrung,- sie saugen die unzähligen unseligen Dreckssternwürmer in sich hinein,- bis der Erlöser, einem kosmischen Sünden-Staubsauger gleich,- selbst vergehend,- einen calmierten Kosmos, und, -Schlußeinstellung,- einen merkwürdig gewandelten, sündelosen, nicht mehr höllischen-, sondern nunmehr – friedlich-blauen, erdähnlichen Planeten zurückläßt. Die Menschheit hat eine mögliche Heimat gewonnen. Der Sinkflug ist kein zähnenknirschender Sturz mehr in den Abgrund, sondern ein sanft erwartliches Aufsetzen in paradiesischen Zuständen womöglich- gewiß aber gesunden Verhältnissen doch, geworden. Keine Ahnung, was aus sternenzerstäubtem SaintGeorge geworden ist. Eine Kathedrale vielleicht.

                                        Kein schlechter Film, trotz der etwas durchscheinenden Skepsis. Die Metabolik ist zurückhaltend genug. Eine Märchenparabel ist verfremdete Wahrheit: sie ist dann reizvoll, wenn das simultan ablaufende Entschlüsselungs- und Weiterspinntisierungsprozeß-Protokoll sich im Gleichgewicht befinden. Nicht zu hanebüchen-, nicht zu Zaunpfahl-winkend,- nicht zu langweilig- oberflächlich-leicht,- sondern genau richtig zwischen Anforderungs-Erfüllung und verborgen-wahrendem Geheimnis. Nicht zu leicht zu durchschauen, und nicht zu schwer: und immer im richtigen Verhältnis von neuem Futter zu sich verdichtenden Verdächten. Insofern ist dies ein gelungener Film. Wenn das Christliche sich überhaupt „modernisieren“ läßt,- und insoweit dies gelingend rechtfertigbar ist: ist es hier gelungen. Und, es ist,- und deswegen ist es überhaupt erträglich,- die Grenze des Christlichen gesprengt und für alle Ewigkeit auseinandergenommen: ein Geschichtstopos, ja,- aber darüber hinaus aufs Allzeit-Wahre eingeschränkt, zurückgestutzt und eingebettet: in den Anteil des Einsichtigen, der auch dem Christlichen zugehörig geworden ist,- ohne ihm allein zuzugehören,- dem man ihm aber auch nicht zu Recht absprechen kann und darf. Nicht nur der Christ hat Recht: aber nicht auch der Christ hat Unrecht allein. Ein so relativiertes Christentum, selbst in einer allzu aufdringlichen Meta-Symbolikkritik, ist noch erträglich. Auf diese Art unpästlich wie hier ist Christentum eben noch auch aktuell erlaubt und tragfähig; eine so entkorkte Frucht mag für die Zukunft reservierbar sein. Schließlich haben auch die Griechen hier noch ein ganz schönes Wörtchen mitzureden gehabt. Und wegen ihnen den Griechen, soll dem Christus hier verziehen sein. Ok Dante, mittelalterlicher Höllenbotenkolporteur, darfst passieren. Botschaft angekommen und evaluiert. Unsere Übersetzer arbeiten. Was du sagst ist richtig. Wir werden, in unserer Sprache, zur Kenntnis beratend nehmen und reagieren. Gehe in Frieden und ruhe nun für’s Erste: deine Mission war schwer und ist, vormalen, erfüllt.

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                                          Brügge sehen...- und sterben?
                                          Wie immer: krachledern über-gedeutscht (Originialtitel: „In Brugges“).- Ansonsten: was wieder für eine kleine, besondere, herzerwärmende, Laune (und Sinn) machende Filmperle! Ein Genuß! Sollten Sie sich nicht entgehen lassen.

                                          Der Cast : wundervoll. Colin Farrel nie so gut, auch nicht in Ondine – Brendan Gleason (von den anderen nicht zu reden) der ideal ergänzende Counterpart. Ein Pärchen wie Harold und Maude oder Dick & Doof , die Bluesbrothers oder Clark Gable connecting Doris Day. Perfekt.
                                          Dazu Brügge ; jede der (letzten) echten einzigenartigen Städte sollte einen solchen Film für sich haben – Schauplatz eines (echten, eigenartigen) Kunstwerks sein dürfen (an die man zukünftig zusammen denkt, wenn man einem von ihnen begegnet). Für den Film ist das gut: eine undenkbare Kulisse zu haben, die keine ist – Schauwert gratis. Denn Filme s c h a u t man – mit die Augens. Warum also so viel Potential verschenken? – Brügge hat’s jetzt geschafft : es hat seinen Film. (Lübeck denkt man an Nosferatu. Ist aber verkehrt, das ist eher Danzig, oder Stralsund. Lübeck muß wohl was mit Buddenbrocks zu tun kriegen. Ist aber noch nicht geboren, der Mann, der Übersetzer.- ).

                                          Brügge also. Wird Schauplatz einer speziellen irischen Drämödie, der berühmten überbordenden Feier- und Fabulierlust legendärer Keltenwut. Nicht umsonst stammen die beiden Killer (wie man sieht) aus Dublin. Eine Hommage also! – McDonagh heißt der Regisseur,- eigentlich des Theaters (auch das merkt man; er hat die Gewohnheit noch nicht abgelegt, beim Publikum möglicherweise mit Verstand und -Verständnis zu rechnen, und bezieht das in sein Kalkül ein) – (verdammt! welch seltene, eigentlich undankbare Ehre, man wird sehen.) – Aber: auch hier mehrkt man schon ein gewisses überschäumendes absurdes Element. Kelten, Schotten, Waliser, Iren – und das feuchtrockene platte flämische Brügge. Der Film lebt von Widersätzen : mittelalterliche Flaneuridylle – und shootingouts flüchtiger Killerkommandos. Auftragsmörder mit Alltagssorgen- und -empfindlichkeiten (PulpFiction läßt grüßen), Ehrenkodex und Gewissensbissen. Unanständige Damen an lebemännischer Zwergennonchalance, die nicht wie ein Gnom genommen werden will. Kultursensible Undercover-Unterweltler und reumütige redundante Sündengrübler, die sich nicht umlegen dürfen, sondern umgelegt werden müssen. Die ganze verschissene Absurdität des unnatürlichen Seins : ist hier herrlich bissig, verdreht, verkehrt, verspiegelt, unverstehbar, doch einzig nur: miterlebbbar, nachvollziehbar, bezeugt: verpackt. Der Film ist nicht zu v e r s t e h e n – er ist zu e r l e b e n . Er illustriert keine Lehre und keinen Gedankenüberschuß (was aber auch schön sein kann, wie Nolan beweist) sondern er sondiert was ist – und läßt keine Patsche aus. Das Beste und Bezeichnendste an dieser herrlichen Absurdität, die man (nicht auf britisch, sondern) auf schlau (wie auf Koks) HUMOR nennt, ist diejenige Szene, wie der Freundesgegensatz-Killer, hinterwärts voll dräuender Absicht (in Parkidylle) anschleicht-, das Opfer die Selbstmordwaffe zückt-, vom Mörder gehindert wird-, und alles in Paradoxie sich auflöst: der Suizidist darf nicht wie er möchte, der Beauftragte nicht wie er soll- und müßte,- der Todessüchtige wird (einstweilen) dem Lebensrisiko abgetrotzt, dem Lebensklaren das des Todes . – Derweil guckt man sich Breughels Jüngste Gerichtsphantasien an (auch er ein Kelte?) und studiert allgemein(e) Anatomie, die Suppe kocht sich hoch hinauf, bis Ralph Fiennes auftritt und dem Ganzen den Überblick vermasselt (aber das gehört hier zum Job) bis alles geklärt ist, aber bitte nicht in Gegenwart der schwangerehrbar respektierten Wirtin. Auch Killer sind konsequent. Was würden Sie im Falle tun? Haben Sie verstanden? Nein. Das müssen Sie auch nicht (evt. ist der Regisseur der Meinung, das kann man auch nicht. Einverstanden.) Aber man muß es erlebt haben,- und bezeugen können. Es lohnt sich.
                                          Den Film bitte ansehen. Denn es wäre schade, wenn Sie dieses Detail ausließen. Schon wenn man Sie später danach fragte. Denn Sie hätten es wissen können. Es macht Spaß. Es ist gut zu wissen. Wenn Sie können, tun Sie es. Es ist zwar nur ein Ornament: doch die Welt besteht aus Ornamenten. Was werden Sie antworten, wenn man sie fragt, woraus sie besteht, woran Sie sie erkannt haben? – Ihre Philosophie lassen Sie stecken. Erinnern Sie sich an das Fleisch, aus dem die Welt besteht : hier ist es, in seiner ganzen inneren und äußeren Hülle – und Fülle. Wohltuend: wie ein gelungenes, kleines Stück – echter Kammerspiel-Kunst. In Brügge. Auf Keltisch. Absurd. Wundervoll. Wahr. Fertig.

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                                            Alien Quadrologie
                                            Vier Alien-Spielfilme gibt es. Der erste das Werk eines völlig unbekannten Werbespot-Regisseurs, die anderen von Giganten des Filmgeschäfts – J. Cameron, D. Fincher, sogar einem – man glaubt es kaum – brillanten französischen Autorenfilmer, der gleich seine halbe europäische Stammcrew als Konterbande völlig illegal nach Hollywood durchschleuste. Alle drei (letzten) brachten solide eigenständige Postquels heraus, die für sich wie übliche über-durchschnittliche Busterware funktionieren. Was sagt uns das darüber hinaus? – das der erste Teil, von 1979, nicht einen Mythos begründet hat – sondern geblieben ist, unausrottbar, unbesiegbar. Wenn mit jedem gegen den Gründervater gehaltenen Teil das Folgende quasi nur das endgültige Aus der Serientäterschaft wiederholt,- erhebt sich aus der unverlöschlichen Asche des ersten wieder die Faszination des unsterblichen Geburtsoriginals und gebiert einen weite-ren, vergeblichen Versuch – das Urwesen im Verlangen zu toppen, und beim Versuch, es we-nigstens zu erreichen, doch hoffnungslos zu scheitern. Es gibt nur ein echtes Alien (und übri-gens auch nur eine echte frühe Überlebende) wie – Ridley Scotts solitäres Monster aus dem All, dem keine der unzähligen Eiablagen auch nur ein bemerkbares Jota bis hin zum Milch-Säure-Blut - hinzuzufügen gelungen wäre. Von jedem Detail der Erstinspiration zehrt heute noch alles, was dem Thema Alien vergeblich – nicht beigemischt werden konnte.

                                            Ich sah das Original 1979 und war, als von Jugend an wurzelhaft SciFi-ophiler, fasziniert: hier war, entgegen aller Enterprise-Schmusewhorpkirkerei, eine grandiose, beinwahre, authentisch realistische Zukunftsvision geschaffen worden: mit wahren Nachfahren Neil Armstrongs befuhr man eine Oberfläche fremder Planetenbrocken, und entdeckte – andere, „nicht-humanoide“ Lebensformen (Plural: auch das versteinerte geborstene Wirtswesen war glaubwürdiger alles andere als „menschlich“. Alien war wirklich zutiefst etwas Anderes, Unbegreifliches, doch Folgerichtiges, Fremdes – das Fremde schlechthin, keine Kommunikation möglich,- und Wesensscheidung: Es oder Wir, bis ins Mark: ein (glaub)würdiges Produkt Evolution, das ganz Eigen-artig, brückenlos, unbeeinflussbar – und feindlich gleichwertig,- intelligent,- nein: überlegen.

                                            Das, was das erste Auftauchen des Alien so atemberaubend machte, war: seine Andeutung, seine bloße Unfaßbarkeit: im ganzen Film gehören ihm nur ein paar verhuschte undeutliche Augenblicke, und schreckliche Details, kaum ein Augenzwinkern lang – und doch furchtbar imposant genau genug, um das sich öffnende triefende zuschlagende Maul als Inbegriff des Schreckens auf ewig ins Gedächtnis zu brennen. Zählen Sie die Filmsekunden der ersten Fol-ge zusammen, die dem Monster ganz gehören: sie kommen auf keine halbe Minute. Umso schrecklicher ist es.

                                            In den Folgeteilen gewinnt der maßlose Schrecken erheblich an Präsens, und Gewöhnlichkeit auf dem Präsentierteller; im letzten Teil schmusen diverse Interessenten gar, wenn auch auf Safer-Sex-Weise, ausgiebig mit dem in aller Körperlichkeit reduzierten Vieh. Dies ist dabei etwa noch so furchterregend wie die geeignete Kriegsbemalung einer Rothaut in einem durch-schnittlichen JohnWayne-Film,- also irrelevant. Sag ich doch. Die Folgeetappen sind durch-aus noch anständige Versuche, anspruchsvolles Blockbuster-Niveau zu verwirklichen, und diesem Anspruch wohl gerecht: der erste Teil hatte aber sehr viel mehr mit Rosemaries Baby und dem Weißen Hai zu tun als mit armageddonischem oder schwarzeneggerianischem Feu-erknallbummspaghettitomatoblutspritz-Konfetti. Es ist der Showdown von geburtsschleimi-gem Mythos gegen solide Handfertigkeit, von archaischen Urängsten gegen liebevoll zusam-mengepuzzelte erstaunliche Handwerkskunst, im Groben. Das eine funktioniert von selbst; das andere ist eine feine, funktionstüchtige Maschine. Das eine, ist unser Seeleninneres, das schreit ; das andere ist Menschenwerk,- und zwar sehr zeitgenössisches. Alien I wird leben wie unsere Natur; das andere im Technikmuseum wie Pfaff Dampfbügeleisen verschwinden, nicht allzulang hin schon. Alien das Maul wird seine Zähne noch blecken, wenn die ganzen säurehaltigen Skorpionschwänzler schon längst im ausgestorbenen Ideentrash der Evolutions-geschichte, als bloße vergebliche Versuche zu überleben, rotten. Sicher, sie amüsieren uns, eine oder zwei Stunden lang, durchaus; sie sind auch nicht schlechter als was man sonst derart zu sehen kriegt. Aber eine wahrhaft unsterbliche Idee wurde geboren, und wird aus dem kol-lektiven Gedächtnis der Menschheit nicht mehr auszulöschen sein: der undeutliche Eindruck eines rabenschwarzen Monsterhauptes, wie es H.R.Giger als Ideenschnipsel geschaffen hat.
                                            Es gibt ein chinesisches Sprichwort: niemand kann fünf Minuten reden, ohne den Grad seiner Unwissenheit zu verraten.

                                            Das gilt vor allem für das ganz Fremde: niemand kann es näher beleuchten, ohne es zu vermenschlichen; und es gibt Menschen, denen ist mit Horaz nichts Menschliches fremd ; und haben damit auch keine unüberwindliche Angst mehr vor ihm,- bei aller diesbezüglicher Scheinbegründlbarkeit.
                                            Die Angst ist vor allem dann am furchtbarsten, wenn sie nackte Angst bleiben darf – und nicht zu einer, vor allem nicht etwa gleichförmlichen,- bekannten Gegnergestalt gerinnt. Die Angst ist prinzipiell niemals besiegbar, denn nie werden wir vollkommene Herren (und Da-men) unseres Geschicks sein und in Fremde beheimatet bleiben; Angst vor Unbekanntem ist nicht zu besiegen ; ein Gegner, auch ein furchtbarer, schon, nicht erst seit David und Goliath, deren Geschichte mit Alien II-IV nur drei weitere Kapitel-Illustrationen, zwar sehr ge-schmackvoll, aber doch sehr menschlich, hinzugefügt wurden.
                                            Lassen Sie mich noch sagen: sehr menschlich, heißt: sehr wenig außerhäusig, fremd,- von anderer Welt erzählend. Die letzten drei Geschichten waren ein Heimspiel. Nur eines zuvor fand wirklich woanders, auf fremden Planeten und Raumfahrttechnik, statt, und wird dort fast spurlos für immer verschollen bleiben – bis wir ihm, womöglich, eines Tages, aber ganz an-ders als gedacht oder auch nur denkbar- vorstellbar, wiederbegegnen werden: denn die frem-dem Welten, und womöglich das Ganz Andere in ihm, existieren. Und eines Tages mag es soweit sein. Das heißt nicht Feind, nicht Kampf, unbedingt: heißt: an diesem Tag wird nur alles anders sein, als wir es bis dorthin kennen. Man darf es sich vorzustellen wagen. Und wenn uns alles fremd scheint, so fremd wie Alien,- und jener sturmdurchtoste Planet, und ein irrisierend blauschimmerndes geheimnisvolles ahnungsschwangeres Licht, und jenes frem-düberraschende Formgelege, das später Eier waren: werden wir früher dort sein: an jenem fremden Tag, in fremder Welt, um uns tatsächlich, - mit, vielleicht, eventuell nicht wie hier feindlichen, aber doch: ganz anderer, unbegreiflicher Wesentlichkeit. Und alles wird sich än-dern. ScienceFiction. Wenn sie stattfindet, wandeln sich Perspektiven. Tun sie es nicht, a la StarWars-KinderKitsch: haben nur Masken- und Kostümbildner eine fette Stunde. Dies haben sie oft; aber alle zehn, zwanzig Jahre,- kommt ein guter ScienceFictionfilm unter; 2001 Odys-see im Weltraum oder, bescheiden, MOON von Sam Rockwell zum Beispiel ; und wie Alien – I wohlgemerkt – einer, der ganz kostbar seltenen, war. Die anderen erhalten, mit Nietzsche zu sprechen nur,- so wie Caresaren ihren Namen begründen,- die Art. Nicht viel mehr. Das war’s. Reichlich.

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                                              Anonymus v. R. Emmerich
                                              Shakespeares Leben (geschickt) inszeniert wie ein Shakespeare- Stück? Kann man es noch besser machen, um uns heute einen artistischen Retrospektiv-Salto auf einen der gewaltigsten, berührendsten, bewegendsten Kanons‘-, ja Kosmos‘ der Literatur- und Menschheitsgeschichte hin tun zu lassen – und zurückzuwerfen,- einen Blick nicht nur in die Zeit zurück,- sondern auch in den Menschen und seine “innen gehegte Busengewalt“ hinein? – Kunst und Geschichte zu amalgamieren? Kunst der Gegenwart und Kunst der Vergangenheit? Und da Kunst nur ein Reflex, auf Gegenwart – nein besser auf Zeit überhaupt ist - ,- auf ‚angenommene‘ Gegenwart und geglaubte ‚Vergangenheit‘? - „Shakespeare“: ist ein Gipfel des Möglichen. 3 Dutzend (relativ kurzschnittige) Stücke (bis auf Hamlet), füllen ein einziges mäßig beleibtes Buch, ein paar Sonette – und sie beherbergen eine Ganze Welt, einen ganzen Abschnitt der Historienlegendenbildung – „heute“ „Elisabethanisches Zeitalter“ genannt. Ist ein Zweifel, das >Shakespeare< das ist (wie es ein >Zeitalter Goethes< gibt)? Wäre der Glanz von der Erinnerung jener Zeit nicht ab,- wäre sie nicht blaß wie jene zum Beispiel an die verschwundene Epoche der Rosenkriege, „Schwarzer Prinz“ hin oder her,- fern und abgelegt, wenn uns Shakespeare nicht in ihr aktuelles abgründiges Herz blicken ließe, ihr gegenwärtig tiefes, zerrissenes, leidendes und jubelndes, schmachtendes Herz? Und können wir in dieser Bewegung nicht unsere eigene wiederfinden-, erkennen?,- natürlich etwas zahmer, gebändigter, vermasster, zivilisierter, angepaßter, eingeebneter, moderner? Shakespeare ist uns nah – über einen Abgrund an Zeit hinweg - : unserer doch verwandten Seele oder doch wenigstens -Wunsche. Wir sind uns nah: weil wir Menschen sind. Sein Menschsein ist dem unseren verborgenen genügend verwandt, um uns instinktiv reagieren zu lassen. Auch wenn wir es gern leugnen: seine kunstfertige Hand bohrt und tastet in den Senkungsfalten unserer ‚Brust‘ und reißt unsere Seele- wenn wir denn eine haben – in kurzen, schaudernden Sätzen ans Licht, zuckend und roh und blutig, schemenhaft, doch -: unsere Seele. Wir mögen sie so, oder auch nicht. Wir sind ihr so eher unbekannt. Wir scheuen sie angezogen so. Und wir müssen sie doch anerkennen: ja, das ist unseres Fleisches,- und Geistes,- Wesenskind. Das : sind Wir, im Grunde, immer noch: allezeit.

                                              Shakespeare ist ein etwas roher Gesell. Ziemlich archaisch, dies „Elisabethanische“, fast „homerisch“. Ein Leben nicht viel wert. Liebe und Haß süß und rauh – und keine Halbheiten. Eine ausgemachte Sache: am Leben zu sein,- keine Gewohnheit. Entweder ganz oder gar nicht. Die Lauwarmen kamen nicht durch. Es hieß: wachse oder weiche,- entscheide dich. Entweder will leben, und lebe – oder eben nicht, und sterbe und verschwinde. Ein starkes, ein exzessives, ein beinhartes, ein kristallklares Zeitalter. Dichter sterben bei Wirtshausschlägereien, Politiker verlieren den Kopf – buchstäblich (wo kommen diese Ausdrücke wohl her?) und „springen über die Klinge“. Sir Francis Drake; Degen und Mantel und Silberschiffe, Bartholomäusnächte, Musketiere und der Dichter des Don Quichote in Berbersklaverei, dunkle unbeleuchtete Gassenwege aus zerstampftem und festgetretenem riechenden Erdkot nachts zwischen stillhockenden Gebäudeschatten mit schleichenden Räubern, Meuchelmördern und Verschwörern (und von beharnischten, nicht lange „fackelnden“ Patrouillen?). Die Leute sterben wie die Fliegen, an Pest, an Cholera, und London erhöht seine schrumpfende Einwohnerzahl nur auf Kosten von Frischblut-Zufuhr aus allem Land umher. Das alles kann man sich anlesen und muß hier nicht referiert sein. Man sollte diese Exkursion in die Entourage des „Elisabethanischen“ unternehmen, bevor man diesen Film sieht – genauso, wie man – eigentlich – sich wenigstens ein klein bescheiden Weniges mit der hundertjährigen These, das nicht Shakespeare Shakespeare gewesen sei,- beschäftigt haben darf. Ich empfehle ein lesbares aktuelles Kompedium zum Thema: ein (wie stets) angenehmes Portiönchen Vor-Denken von Bill Bryson, auch mit Stellungnahme zu einschlägigen OxfordEtc.-Thesen, Sie werden es nicht bereuen.

                                              Tut man das, und hätten das viel mehr Leute getan, müßte man nicht den Tort in den Ausmaßen erfahren, der einen erwartet, wenn man sich zwischen den sichtenden Reaktionen auf die neue Regung von Emmerichs dankenswerten Produktionssäften, zum Beispiel im Internet, umtut.. Da ist eine Menge Rede davon, das Emmerich lächerlicher Blockbusterregisseur sei, und nun Shakespeare zu einem Hollywood-Billigprodukt (made in Babelsberg für nur 26 Mio.s) verwurstet, indem er abstrus skandalöse Thesen flicht. – Entschuldigung, die These stammt nicht von ihm (denn, da allerdings liegt der Hund begraben: ‚Hollywood‘ reflektiert, wie immer, nur,- und sitzt als Fremdgänger auf). Und, liebe Freunde und Gemeinde, wie leid bin ich es, die Intellektuellen unter euch, die ihr Bildungskompendium im Kino absolvieren und von dort erwarten, über mangelnden Tiefgang und Ernsthaftigkeit von „Mainstream“-Erzeugnissen Emmerisch’schen „Qualitätsstandards“ (zur beleidigenden Herabsetzung) räsonnieren zu hören. 2012, Independence Day, The Day After Tommorrow, - Wie öde das ist! Ich kann’s nicht mehr hören. Ich fühle mich in die Sechziger Jahre zurückversetzt, als, ich ein Schulknäblein mit eigenem Taschengeld, die Invasion verfolgte, welche Disney, Marvel, Eisenherz, belgische und französische Schule in das festverfugte Mauern des überkommenen Deutschen Bildungsguts als Breschen schlugen,- des einzigen scheinbar Unversehrten, was nach dem nazi-stischen Autodafé-Fiasko noch festumklammerbar stand und <Halt versprach! – Ich erinnere mich: als –ausgerechnet – ASTERIX (vice versa Perry Rhodan) als Stichwortgeber für „Trivialliteratur“ im gymnasialen Deutschunterricht damnisiert wurden. Leute! Seid doch nicht so verhörnlicht wie Hühneraugen! Emmerich: kann man seine perfektgemachten und nicht kunstdefinitiven Produkte nicht einfach als das nehmen, was sie sind, und genießen, überaus gelungene und unterhaltsame Spielereien überbordender und funktionierender Einbildungskraft? –bedeutet es ein Sakrileg, wenn „so einer“ sich jetzt an einem Götzen der Hochkultur, an Shakespeare, „vergreift“?

                                              Bitte: mehr solcher Über-Griffe. Emmerich ist kein Dummkopf, sonst würde kein Mensch auf der Welt den Namen kennen,- den jeder kennt, und an dem jeder Tüffel sein Bein hebt. Eure vorübergehende Duftmarke am mächtigjährigen Eichenstamm sagt nur: hier stinkt’s,- und nicht : die Eiche stinkt.
                                              Niemand käme auf die Idee, das Eichen solche Säfte produzieren,- sondern nur, das es wohl streunende Wesen gibt, die solche bei sich tragen. Obacht doch! – immer vorsichtig mit abfälligen Minorennitäten! Man weiß nie, wo sie landen und einmal hinwachsen.

                                              Shakespeare- ausgerechnet – und Emmerich also. Nur auf den ersten Blick ein seltsames Paar,- in Wirklichkeit: von tiefstinnerer vergleichbarer Sublimität. Shakespeare war, seinerzeit, auch eine Art Schaumschläger, Effektemacher,- Blitz- und Theaterdonner-Erzeuger. Auch er packte sein Publikum dort, wo es angreifbar war; und auch Shakespeare ist nicht nur erhaben, sondern stand mit beiden Beinen fest im getretenen Morast dieser Erde. Aber sein Haupt, manchmal – nicht immer – durchstach die Wolken,- vor allem, wegen der majestätischen, ehrfurchtgebietenden : effektvoll berechneten (Theater-)Sprache. Dreimal jetzt: Effekt-,- das heißt auf den Wirkungspunkt genau berechneten Einsatz. Ist es nicht genau das, was Emmerich auch kann,- (wenn man ehrlich ist), sein Publikum im Griff halten? Sie winden sich? Aber: was sagen denn die Verkaufszahlen?
                                              Das konnte Goebbels auch? – aber Shakespeare dagegen war (ist) wahr und wertvoll,- ganzanders? Jeder geeignete Quatsch kann Kurzzeit-Erfolg einheimsen? Und hier nun lebt eine Kunst seit vierhundert Jahr (und unabsehbar)? – Sicher, sicher: Shakespeare i s t wertvoll, und eines der kostbarsten Zeugnisse der Humanität. Aber, wie Molière, oder Mozart (der „Frühvollendete“: Unsinn): er wand sich, leicht oder schwer, vom Boden des Allzumenschlichen in die Höhe, Stück für Stück, Stufe um Stufe. Worauf ich hinauswill: es ist dumm, und schneidet zukünftiger Entwicklung den Boden ab, monumentalisiert man und verdenkmälert einen solchen GIGANTEN als etwas, das bereits vor allen Zeiten vorzementiert als Koloß auf die Welt gemeint kam und niemals den Zustand des Embryonalen kannte – falsch! Wie Goethe, dem faszinierend beim Wachstum zuzusehen ist,- entspringt Größe nicht einer Vorbestimmung, sondern einem – bei Talent – fruchtbarmachenden Prozeß, günstiger Umstände und Förderungen,- und - : Verschonung,- bis die junge Pflanze vom üblich herumstromernden Gesocks nicht mehr allzuleicht vorübergehend geknickt und - abgebrochen werden kann. Ein großes Werk braucht viel Vorbehalt,- und Gedeihlichkeit, oder, anderes Wort, eines Kenners: „Minorennitäten kann man nicht überspringen“. – Wozu diese Argumentation? – Shakespeare muß einer von uns bleiben,- will man ihn ganz genießen. Wer auf Sockel stellt und Sockel errichtet, Piedestale, tut in der Erhöhung des Außerordentlichen zugleich ein anderes, Simultanes: er erniedrigt sich.

                                              Bescheidenheit ist eine Zier... fremdes Verdienst anzuerkennen ein Edelmut. Doch man kann Größe, in Shakespeare, erkennen und verehren, ohne sich zu entmenschlichen: indem man sich im Menschlichen trifft und berührt. Shakespeare war nicht nur ein Über-Mensch: er war mit Mängeln, und Insuffizienzen behaftet, genau wie ein Bewunderer über Stärken verfügen mag, die er nicht so anzuerkennen finden möchte, wie die Welt jene der Kolossusse erkennt. Im Menschlichen vereint sich das : Abwertung (des Anerkennungsurteils) der Welt,- und Aufwertung der (eigenfindlichen) Tugend, und milde Verzeihung der - Ungenügsamkeiten. Anerkennung eigener und fremder Tugend: Verzeihung eigener und fremder Fehler: Vergesellschaftung und Gemeinschaftlichkeit. Und „die Welt“ : drauf geschissen! – was zählt, sind nur ganz Du und ganz Er. So wird das Verhältnis zum fruchtbarsten ausschlagen,- von Mensch zu Mensch, ohne übertriebene Ehrfurcht, und ohne übertriebenes Einknicken,- Nachgeben der verehrungswütigen Knie. Ein Lob von Jemanden, den man vor lauter Selbstverleugnung kaum wahrnehmen noch achten kann : was wiegt’s? Willst du, das Shakespeare an deinem Weihrauch liegt: vergöttere ihn nicht,- sondern sehe ihn als einen, der wahr werden ließ (und das nicht nur), was dir aufgegeben ist. Die Tatsache, das du nicht vollkommen bist: spricht dich nicht frei davon, zu versuchen, es zu werden,- wie fast alle sich loskaufen, welche Ersatz-Götter, anstelle ihres eigenen verpflichteten Egos, hegen. Wer unbedarft verehrt, tut genau das Gegenteil von dem, was die Götter, wie Shakespeare, erwarten: zu versuchen, ihr Beispiel zu mehren. Wer das Verehrte von sich abspaltet, in etwas außer sich zu Verehrendes -, und einen Verehrten, oder eine Verehrte: kastriert sich selbst, und raubt der Welt das, möglicherweise – ihr ebenso zur Ehre gebührte. Dies ist das Gegenteil dessen, was ein solches, hinterlassenes, Werk von uns will: es will uns desgleichen groß,- und nicht zur Verehrung klein.

                                              Emmerich und Shakespeare: ich lobe mir solche Nachfolgerschaft, die in Inspiration endet.
                                              S o soll es sein,- und ist es gemeint! Und was ist Inspiration,- und Nachfolgeschaft? Wo wird sie gültig? – wo sie sichtbar, wahrnehmbar wird. Und zweifellos haben Sie den Film gesehen,- sonst wären Sie nicht hier. Emmerich hat ein wahrnehmbares Werk geschaffen; er ist über den Durchschnitt sichtbar geworden. Er hat – vielleicht- keine Shakespear’sche Höhe erklommen: aber er klimmt. Das ist alles, was zu erwarten ist: den Rest, wie bei Shakespeare, übernimmt die Zeit, und formt daraus, was sie will,- nicht wir, Du aus Dir, ich aus mir, ich aus Dir, Du aus Mir: auch Shakespeare stand nicht frei, Shakespeare zu schaffen: er konnte ihr, seiner Zeit, nur ein Angebot eröffnen, und zusehen, das es so unausschlagbar wie ihm nur möglich,- wurde. Sie hat akzeptiert. Es steht nicht bei uns. Und wir werden, seh’s ruhig ein, es nie erfahren. Niemand lebt über den Tod hinaus. Und was dann bleibt, ist nur unsere Zeit, im Keim der späteren enthalten und entwickelt, oder vielleicht auch nicht. Sie wählt, sie gießt, sie gedeiht: und, was Ruhm angeht,- großen Ruhm, dauerhaften Ruhm: wieviel von dem, was „zu Lebzeiten“ berühmt ist, war es dann – und wieviel von dem, was wir heute verehren, war es, bis auf Einiges, zur Zeit, als es ins Dasein trat? – Nein, es lohnt nicht. Da Ruhm dir völlig fremd ist: leiste dir den Luxus, der ein Fehler sein mag: und nimm die Berühmten einfach ganz leger, wie wärst du schon gestorben, im Himmel, als Zeitgenossen: als Mitmenschen, wie Engel, alles Irdischen überhoben, sich einander gestehen möchten: ihre Stärken, und ihre Schwächen. Im Angesicht Gottes wäre das Humbug: so zu tun als ob, und nicht absolut ehrlich zu verfahren. Warum also keine Familiarität? auch zu den Besten: es muß ja nicht Unbescheidenheit sein,- man muß ja nicht auf die Schulter klopfen! und joviale Sprüche! - aber man darf sich, wissend, nähern – und Austausch suchen,- indem man anbietet: vielleicht wird, aus nicht hündischer Position heraus, derart akzeptiert, denn im Ernst : niemand, der selbst schon sich zum Knecht macht und sich das Setzen verbietet,- wird zur Herrentafel gebeten, Platz zu nehmen. Mache dich selbst nicht zum Knecht, indem du dir Herren verschaffst: ist alles, worum wahre Herrschaft dich bittet: denn sie liebt keine Knechte, in Menschgestalt,- sondern nur: wahre Menschen, die wahre Größe erkennt: und sei sie selber Mensch.
                                              Der Mensch ist da groß, wo er von sich weiß, und Herr und Knecht von ihm fällt: und nur das Wahre bleibt, das gemeinsam ist: dort kann man miteinander umgehen.
                                              Und der erste Schritt zum Umgang ist: die Schranken aufzuheben,- ohne zugleich das wahre Maß. Wer sich dem Rechten liebend nähern mag, darf , ohne unbescheiden zu sein, sich – auch des Großen- für fähig halten, ohne sich bereits so zu dünken: denn, wie gesagt, ob du es seist, wirst d u nie erfahren. Du bist es der Zeit nicht wert, das bereits du es wissest: dies Krönungsrecht behält sie sich vor. Also, bescheiden, nehme an, du wärest fähig, zum Rechten: nähere dich ihm wo – und in welchen, auch vorgewordenen, Formen, du es findest: und achte und ehre es. Aber Größe vergrößert, sie verkleinert nicht. Tut sie das, war sie falsch: ein nichtiges Maß. Größe erhebt dich zu ihr, nicht über dich - sich : schrumpft sie dich, ist sie Zierrat von Pygmäen,- kleiner Gestalt. Ist sie‘s aber nicht: das gibt’s, das Große, wie‘s behauptet wird. Ich behaupte es. Widerlege mich? –indem du dich selber unscheinbar machst? – Verzeihung, so mühe ich mich, statt deiner. Verkleinere mich. Nicht schwer? –dann eben die Mythen, Legenden: widerlege sie, Shakespeare, und Beethoven, und Goethe und Gandhi: du wirst eine Menge Menschen überzeugen müssen, indem du anhand deiner Befähigung zur Kleinheit ihre Größe in allen Augen wirksam widerlegst.
                                              Gib es zu – vergeblich. Warum auch? – Größe macht viel mehr Spaß, und das ist ihr Zeichen: sie macht Spaß, und erhebt -, und vergnügt -. Ja, bei Recht betrachtet :
                                              ist sie sogar unterhaltend.

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                                                „Tödliche Magie“ Gillian Armstrong (oh Deutschland, deine Titel-Manager...)

                                                Und wieder eine Überschrift - wie ein Film in Anführungszeichen. Gillian Armstrong ist eine ambitioniert betagte australische Filmemacherin, die uns schon Charlotte Grey präsentierte (aber in der Welt des Filmemachens längst Bescherungen anrichtet). Hier nun hat sie –wie?- ein namhaftes Ensemble versammelt, notorische Namen: Zeta-Jones(-Douglas), G. Pearce... Typisch dabei: Saorise Ronan (das entzückende CityOfEmber-Mädchen) & Timothy Spall müßten eigentlich diese Nennung umkehren. - Denn beim genauen Hinsehen funktioniert nichts von den Beabsichtigkeiten so wie vorgesehen: und das, was allerdings funktioniert, tut es trotzdem -, nicht wegen der Absicht,- so wie hier die eigentlich gemeint übrigbleibenden Nebenrollen, die insgeheim etwaige Last tragen und abfangen. Zeter-Jones hat (wenn sie sie je vorher hatte, Ausnahme Traffic) pralle Zeiten hinter sich; bei Guy Pearce, dessen eindrücklichste und gelungenste Performance in Priscilla – Königin der Wüste (& meinetwegen Memento noch) ansonsten schon ewig&etliche Rollen zurückzuliegen scheinen, ist es eher fraglich, ob er sie je vor sich haben könnte (mit Grauen denke ich an die Zeitmaschine zurück und sehe outlocked voraus). Zu gern affiniert er offensichtlich jedem halbwegs karrieretechnisch aussichtsreichem Filmprojekt sich an; kann es aber Zufall sein, das regelmäßig außer Schauma-Spesen – nichts dabei hinterher heraus-gewesen ist? – Ein sicheres Faiblehändchen für gutklingelnden Trash kann man ihm nicht absprechen – wie auch hier wieder.
                                                Denn optisch und gestisch macht der liebevoll akkurate „Mantel&Degen“- Kostümfilm einiges her; desgleichen kann man in pseudointelektuellen Kritikkreisen mit der Regisseurin sicher über die verborgenen In-Gehalte des „Werks“ trefflich stundenlang plauschen. Bei mir kam eher an: statt irgendwelchen existenzialistischen Grenzgängereien (der Originaltitel „Death Defaying Acts“ und etliche unmotivierte szenische Balancerieakte, etwa anläßlich irgendwelcher überhöhter Edinburgher Kirchtumspitzen oder Goldfischgläser weisen darauf hin) kam es der Regisseurin (vornehmlich bedürftig) darauf an, erneut einen sog. „starken Frauencharakter“, ihr Steckenpferd, zu präsentieren: gebeutelt unabhängig, „mit Geschichte“, (im Grunde) leidenschaftlich, & im harten Lebenskampf gestählt geprüft bewährt – und dabei immer noch warm, empfindlich und gefühlvoll (+ dazu eine gute Mama eines ebenso mutigen Fräuleins). Und damit sind wir schon beim Kern des Problems: denn diese Mutter Courage ist im Grunde ein Liebchen, ein Liebäugeln aufs SchnäbelchenSchnäuzelchen hinaus. Um den dazu adäquat notwendigen Gegenpart zu (er)schaffen, wird unzulässig Houdinis hülliger Geschichtskorpus exhumiert und mißbräuchlich der zickigen (oder eher irgendwie traurig und mitgenommen wirkenden,- anläßlich dieser Trauer aber umso apellierenderen) Catherine zur freien Verfügung gegenüberinstalliert, selbst wenn er Tango dabei tanzen kann,- oder Foxtrott -. Selbstverständlich funktioniert dabei nichts s.o., wie beabsichtigt und dramaturgisch vorgesehen; weder die Chemie zwischen P & Z-Js-, noch die Interna eines Wahrscheinlichkeitsphänomens wie eines HOUDINI (welcher immerhin Ikonenstatus wie ein realer Batman oder Niko TESLA bis heute genießt)- noch anderlei ergiebig ausbeutbare Affekte: Bauch-schlägereien und Entfesselungs-Überlebenstriebkämpfe etwa,- und, vor allem, dessen impressive Hatz auf seine ausgesuchte Lieblingsgegnerschaft: einen weichgekochten Mystizismus etwa, wo er doch genau spürte, wieviel leidbereite Selbstaufopferung und brutale Risiko-Arbeit hinter seiner Art übernatürlicher Verwandlungstechnik zu stehen hatte. Es scheint das Ethos des härengewandteten Arbeiters gegen die Verschwendungsleichte müßig Privilegierter, die ihn antrieb in seinem Kampf gegen den >Spiritualismus< (in Form spezieller >Spiritualisten<),- von in seiner Selbstbalance zurecht belohnter Anstrengungsaskese -versus parasitärem Schmarotzertum auf der Leichtgläubigkeit und Unbedarftheit der Leute; - des anspruchsvollen Profi-Tums gegen billigen Gafferprofit und Amüsiergehabe. Das alles hätte imaginär schon etwas hergegeben; aber hier tritt >Houdini< ja nur als der charismaähnliche Harry der ebensogernen Catherine gegenüber, um von Anfang an perfekt hormongestählt gentlemanlike-überlegen, maßlich vermögend und bebildert, + eckkantig einvernehmlich,- als rundum adorable und heimelige Persönlichkeit (ach Guy, vergebene Lohnesmüh-)- : zur Liebesbefestigung zu dienen. Erinnern Sie sich noch, was ich eingangs sagte? Von der ‚starken unabhängigen‘,- doch ebenso (vorbildlich auch) herzig-leidenschaftlichen Frau? Denn dort sind wir am Ende, fühle ich, allzeit angelangt: diese ganze Fassade des eigenwillig-&–fähigen, selbstbewährten Frauentums dient nur am Ende dazu hin,- sich wieder an eine knackige -, Finanz- &Gefühlssicherheit garantierende Recken-Riesengestalt wie KriemhildesSiegfried - an-zu-schmiegen-, verwickeln-, und eskapieren zu lassen. Starke Frauen dürften natürlich schon lieben: das beweist kein Gegenteil,- wäre sogar erwünschlich. Aber hier: warum habe ich bloß das Gefühl, das es von Anfang an nur darauf hinausschmonzettelte, und all dieser Aufwand, an Kostümen, Historik, großer Gebärde &Namen, reich alimentierter Hintergrundschaft ,- nur dazu diente, eine Frau sicher nach erfülltem Koitus an der Brust des Total-Mannes seelig einschlummern zu lassen? – das ist billiger zu haben an jeder Straßenecke und gemütlichem Einzimmer-Appartement. Nun gut, es hätte funktionieren können: bei mir, zumindest, hat es das aber - wie bei jedem ‚Werk‘ der Regisseurin, das mir bis jetzt bekannt geworden ist ,- letztlich um klaffende ?Haaresbreite (oder auch gehörig mehr) n i c h t getan. Wieso bloß? – das ist eine Frage, die ich nicht ernsthaft beantworten kann oder möchte; denn es lohnt den Aufwand nicht. Die Regisseurin – denn um deren Angelegenheit handelt es sich – sollte dies tun. Vielleicht sollte sie sich fragen,- ob es ferner recht ist, die Welt mit ihrem wohl unzureichenden Talent periodisch zu amalgamieren zu suchen; allerdings gebe ich zu, das diese Zuspitzung unfair ist ; solange denn genügend zahlendes Publikum diese Mitteltreff-unsicherheit genügsam fügsam belohnt, wird sie wohl das Recht haben, ihr Tun für weiterhin förderlich und gerechtfertigt zu halten und fortfahren; nun gut, lassen wir es so und sprechen es ihr nicht ab. Gar dermaßen mißraten war der Film ja auch nicht, nur nicht gelungen; ansprechende Interieurs und Optik, als Ausstattungsfilm, hat er ja; nur eben innen,- da reicht es nicht weit,- mit der Echtheit ‘Des, was auf dem Papier sich, immer wieder bei Projektwandlungs-Vorlage,- sich jeweils präsentieren mag. Innerlich gemeint ist das alles wohl; doch leider, leider,- kommt stets wieder – eben etwas anderes, Zusätzliches, herüber. So ist das mit der Kunst: „/ Nennt ihr euch einmal Poeten / nun, so kommandiert die Poesie! /“.- läßt die sich aber nicht gern: hat ihren Eigenwillen. Zu starker Poesie gehört ein starker Poet; und irgendwie hat man bei Gillian Armstrong (sic!) immer das Gefühl, sie wäre ein Rodeoreiter auf einem besonders riskant gewählten Gaul,- vielmehr Wildpferd: sie sucht sich stets (wieder dasselbe) -eins der unzähmbarsten; und landet mit schöner Regelmäßigkeit innerhalb von Sekundenbruchteilen im strohbarnen Bodenstaub der Tatsachen; und wird doch nie klug daraus. ‚Starke‘ Frauen, wie – beliebig - Rosa Luxembourg, sind eben nicht ernstlich dein Thema, Gillian; dafür bist du einfach Romanzero,- viel zu sehr. Du träumst von der starken Liebe; aber dafür wärst du allzugern liebendes Weib, mit Leib und Seele. Das überdimensionale Kuschellager dräut bei dir unübersehbar in jeglichem Hintergrund (und das Jegliche ist dabei dein Problem als Filmemacherin, denn es ist zu gleichgültig); und das Projekt als Frau will sich (das sage ich nicht) bei dir a n l e h n e n ,- trotz aller „Stärke“. Das paßt nicht; da klemmt’s (mir), bei dir. Hier tut not sich zu entscheiden; Eigenständigkeit oder Verschmelzung, „Karriere“ oder „Liebe“,- und (bewilligtes) Hausfrauendasein. Tut mir leid, Gillian: d u scheinst eine Hausfee, die von Karriere, immer wieder, träumt, des Tags, wenn alle Träume ruhen. Damit bist du nur die Attitüde einer Frau, die wirklich etwas zu geben und zu sagen hätte; lieber wär’s mir, du wärst eine komplette Ehehälfte, welche starke Taten, ganz unspektakulär, ohnehin verrichtet – statt die schiefhängende ‚TAT‘ posierlich zu mimen, die heimlich nur gerade von Zuhause träumt.
                                                Ich hoffe, das war nicht zu persönlich und schmerzlich; aber es hat keinen Zweck, viel drumherum zu reden. Lieber ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende; und, ich fürchte, du hast schon den Plan für die weitere Absicht fertig in der Schublade hocken,- und kursierst schon bei Bank und Produzent/in fürs nächste Projekt,- das ich mir dann doch wieder ansehen muß; denn um deine Optik kommt man ja, weil vielversprechend,- immer wieder nicht herum,- um letzten Endes dann doch wieder unbefriedigt zurückzustehn. Du weißt ja, wie es ist, unbefriedigt zu sein; und letztlich nie Genüge zu erfahren. Deswegen laß es uns privatisieren; du handelst deine Dramen für dich, im kleinen Zirkel, aus; und ich die meinen auch. Laß es uns nicht an die große Glocke hängen; das wäre doch rechter, für alle; meinst du nicht? Bitte,- laß es gut sein. Erspar es uns, und allen - beiden. Mittlerweile sollte klar sein, wie die Dinge liegen; und welche Aussichten bestehen. Sei still, nur traulich still; und nie wird ein Harm sich fügen. Es könnte gut so sein; laß es ruhen; ich bitte dich, für dich, und für uns, und für mich.

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                                                  Bei der Rezeption der User-Meinungen in Internetforen drängt sich wie immer der Eindruck auf : wie viele Qualität gibt es doch, die allmählich erst durchschaut und ihren selbstverständ-lich zukommenden Rang bestätigen wird! – es mag eine Weile dauern: aber dann wird sich herumgesprochen haben, das die Logik-Löcher einer Zeitreisen-Schleife, in diesem Film, we-niger,- sehr viel weniger sogar, strapaziert werden, als in vergleichbaren Werken.

                                                  Zum Beispiel: „wie kann das Gehirn des Lehrers, das im Anschlag zu Briket verkokelt wurde, wiederbelebt werden? (0.0 –Bewerter)“? Nun bewegen sich nicht alle Lauwarmen auf diesem Niveau: den meisten Zuschauern wird schon klar geworden sein, das erstens dieses Gehirn trotz Körpersterbens nicht verkokelt wurde; das es zweitens das Gehirn des ähnlich scheintot-‚nachglühenden‘ Hubschrauberpiloten ist, das technikgestützt verlängert agiert; das drittens, wie Dr.Ruthledge /Jeffrey Wright erklärt, der gewünschte Rückruf während der Mission nicht ihn erreichen würde, sondern in einer Parallellwelt verschollen gehen würde, und ihn ein an-derer also hier irrelevanter Dr.Ruthledge entgegennehmen würde; und, das es kurz gesagt, nicht darum geht, diese Unglücks(mord)opfer zu retten,- sondern darum, einen zukünftigen noch gravierender bevorstehenden Anschlag zu verhindern (von dem man auf vielerlei Weise vor dem tatsächlichen Ereignis Wind bekommen haben kann),- und das die Zeit zwar ge-wöhnlich trotzdem immer geradlinig voranschreitet,- wenn auch sich unendlich multipel ver-zweigend in parallele Welten ;- so das es also höchstens darum gehen könnte, (zukünftig) den (kollektiv & subjektiv) am besten dünkenden Weg durch die Vielzahl der Möglichkeiten aus-findig zu machen und festzulegen – diese eine – die „jetzt“ ‚bewußte‘- Wirklichkeit werden zu lassen. Verstanden? – die anderen (weniger gewünschten) Welten werden ebenfalls existie-ren; nur werden die Bewohner dieser „unserer“ Welt (aus Eigeninteresse handelnd) nichts von diesen gescheiterten Existenzen erfahren,- noch auch sich um sie eine moralische Ver-pflichtung konstruieren. (So wird z.B. jedesmal, wenn Colter Stevens/ der Lehrer am Ende der acht Minuten stirbt, tatsächlich eine der zahllosen Lehrer-Möglichkeiten, durch sein wieder-holtes ‚Versagen‘, zum Tode verurteilt. Stevens/ sucht nicht nach einem Weg, allen diesen Versionen des Lehrers zu helfen; er versucht, nur einer ganz bestimmten Version unter diesen den Weg in die Zukunft zu bahnen; und zwar jener, deren Überleben simultan bedeutet, die Sprengung der Chicagoer Innenstadt durch eine nukleare Bombe mit 2 Millionen Opfern zu verhindern. Und, wenn es möglich wäre, gern auch das Erstverbrechen zu verhindern),- - was, gelänge es, tatsächlich ein physikalisches Logik-Loch bedeuten würde, indem zumindest für die zurückliegenden acht Minuten das Tor der Zeit veränderbar offenstehen würde (durchwelches man beliebig viele Zukunftsmöglichkeiten ausprobieren könnte). Und genau darum geht es in diesem Film : das (spannende) Beobachten des Öffnens einiger Versuchs-Türen, die alle den Weg in andere Versionen der Zukunft beginnen. Wir nehmen, im Laufe des Films, reizvoll teil am Ausprobieren jener (uns jeweils „noch“) unbekannten Welten, die durch verschiedene Handlungsvarianten begonnen werden; bis wir die persönlich uns angele-gentlich akzeptierte Version ausgewählt haben möchten (bei der wir auf ein nochmaliges „Re-set-ten“ verzichten, und zum Weiteren entscheiden in ihr zu verbleiben). Hier mag nicht das Ende aller Probleme für Colter und Christine (M. Monaghan) lauern; denn sicher werden auch zukünftige potentiell negative Verzweigungspotentiale ihren Weg beschatten, den sie dann nicht mehr, ohne abgebrochenen Zugang zu Source Code, ummodulieren werden können; es ging, in diesem einmaligen Film, um eine einmalige Veränderung des Ablaufs der Zeit. Und wir nehmen daran, in dieser einmaligen Verzweigung unter Milliarden anderer Verzweigun-gen, an diesem einen besonderen Kreuzungspunkt, teil. Für das Gesamtsystem Welt mag das ohne Belang sein; jedoch vom Standpunkt eines individuellen Systems einer bestimmten Weltentwicklungs-Person mag das von entscheidend subjektivem Belang sein,- selbst wenn sie dabei alle anderen individuellen Versionen „opfert“,- ja verurteilt. Die besondere Person handelt egoistisch, und sucht sich, auf eigene Kosten, ihre Lieblingsversion heraus; und genau das tun wir. Unsere anderen Ichs, die gewöhnlich sterben werden, wenn wir uns neu entschei-den, interessieren uns nicht; wir stehen ihrem härteren als „unserem“ Schicksal gleichgültig gegenüber, selbst wenn es sich um „uns“ handelt; „wir“ wählen für „uns“ das uns am besten scheinende günstige Geschick; „Wir“ sind eine Vielzahl, und wählen, um von „uns“ zu „Ich“ zu werden, nur einen passenden Augenblick. Ich statt Wir - bin nur augenblicklich, neu im Sekundentakt; und vernichtend (außerhalb des Bewußtseins) alle mögliche andere Zukunft und Vergangenheit; Ich bin ein selbstgewählter isolierter Streckenverlauf auf dem verzwickt unendlich ausgedehnten Flächen n e t z der Zeit,- (statt) eine(r) L i n i e : die man Willensfrei-heit nennt. Für derart Abstruses kann, wenn man will, dieses Werk einen Sinn schärfen, wenn er ihn nicht überhaupt eröffnet: dafür, das Zeit einen Flächencharakter,- nicht einen Linien-verlauf – möglicherweise – unter Umständen – wenn nicht hat,- so haben könnte. Schon mal darüber nachgedacht? – Die Physiker tun es, und nennens Strings,- oder auch wohl Loops. - Ein weiterer stringenter Willensfreiheit-Film also; war ja klar; die Hollywood-Börse ver-zeichnet in diesem neubegründeten Genre, einer Erfindung der letzten Jahre, nach einigen Aufwärm-Probeläufen ( wie ‚Deja Vue‘),- geradezu Hochkonjunktur- und Boom-Town-Status.

                                                  Zum Abschluß noch ein herausgepicktes Bonbon, das uns so möglich wird beschert zu wer-den : die Möglichkeiten des Films werden so schön illustriert an dem Moment, in dem Ste-phen auf der Zugtoilette in den Spiegel schaut, und eine ganz andere als die gewohnte Identi-tät ihm entgegenblickt; eigentlich hätte er, um die Gedankenspielerei im Gleichgewicht zu halten,- nach Eröffnung der abgewandelten Zeitschleife allmählich im angewöhnten Äußeren der so „übernommenen“ Person,- also als eine Art aufgespaltene Identiät,- im Körper dieses Anderen, als Zeichen der künstlich veränderten Realität, weiterleben müssen (denn seine alte verstümmelte Rest-Identität als Pilot-Ruine wird ja barmherzig folgerichtig ‚abgeschaltet‘). Das (veränderte Äußere) wär nicht gegangen? Wieso – das Erste war doch auch möglich, zu einer (filmischen) Metapher zu finden; logisch ist es natürlich nicht; das ist es nie, weil es nicht sein kann (außer im Geiste). Und siehe: Sie wissen doch davon,- denn Sie denken es, jetzt gerade. Sie wissen also davon, wenn auch nur im Forum der Kunst : und nur die künstle-rische Gleichung muß aufgehen ; auch wenn Bruce Willis, in 12Monkeys, adäquat genauso-gut gleichberechtigt sterben muß(te); eine andere (unzählig mögliche) Version.
                                                  Aber das ist ein Ausnahmewerk; eines absoluten Genies. Denn Duncan Jones mag, auf eine Weise, in einem Universum, der leibliche Sohn David Bowies sein; in einem anderen ist er eindeutig einer (von Vielen, jeweils Einmaligen) von Terry Gilliam.
                                                  Nicht böse sein, Duncan; wir alle sind, es geht nicht anders, Söhne von Jemand; und wünsche nicht, das Nichts eines Niemand zu sein. David und Terry sind in dem Fall gar so übel nicht; das Alter (die Folgerichtigkeit) paßt auch, und, worauf es in der Welt der unablässig vor-wärtsschreitenden Geistschleifen einzig ankommt, ist: wessen Vater Du wirst,- nicht wessen Sohn du warst ,- oder : wohin du gehst,- nicht woher du kommst. Und dafür hast du uns hier eine schöne Metapher geliefert, die ihren Weg machen wird, weißt du? - Don’t look back, einverstanden? Ok? – Meet Yo u – on the dark s o u r c e of the M o o n.

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                                                    The Beach Film v. Danny Boyle
                                                    Zappe mich soeben durch anderthalb- bis drei Dutzend Zuschauermeinungen. Durchwachsene, eher müde Zustimmung im Tonus von „Zivilisationskritik“, „Aussteigersaga“ bis „Fernweh- Lust, den nächsten Urlaubsflieger nach Thailand zu nehmen“... – Moment, war das genau Jenes, was der Film erreichen wollte?

                                                    Danny Boyle zeigt uns einen der gewiß „schönsten“, paradiesischsten Orte der Erde – wie wohl die meisten, die noch nicht von der Vorführung bloßer Bilder übersättigt -, sondern von gegebener Gelegenheit, würden sie je leibhaftig teilhaftig werden, überzeugt – zustimmen würden. – Diese Insel ist ein magischer Ort! – und wie geschaffen, als zauberhafte Kulisse die Grundparabel des Films zu transportieren. Und welche ist diese?
                                                    Blablabla. "Wir sparen uns viele Worte" (bleiben genug). Die Sehnsucht nach dem Paradies ist vermutlich so alt wie der Urschlamm, aus dem das Menschliche sich einst erstmals erhob. Visionäre Utopien begleiten dieses seit der Erlernung des aufrechten Gangs. Und wer meint, dieses ewig lebendige Bedürfnis auf „ad absurdum geführte Aussteigerkritik“ im Nullkommanix reduzieren zu können (und sich trauen zu dürfen) zeigt nur, wie sehr die geballte Zusammenwirkung der Kräfte der Moderne, seine (in jedem) Sinne abzustumpfen,- schon erfolgreich war. Wer keine Sehnsuchts- Faszination diesem Traum nach verspüren mag, zeigt nur, in welchem Maße er schon abgestorben ist! – und wer sich nur müde eine perfekte Kulisse vor Augen gewedelt sieht, de monstriert lediglich, wie beschlagen die Linse seines inneren Traumauges bereits ist. Mein Gott, erwarte doch nicht, daß das Paradies zu dir kommt! Rührt sich in dir noch was, bewegst du dich ?!

                                                    Diesen Traum zu träumen, heißt noch nicht, das der bloße Traum gut ist – und das der Film, der ihn sich zum Objekt aussucht, allein deswegen gelingt. Doch hat Danny Boyles Film Außergewöhnliches zu bieten.

                                                    Das Folgewerk nach Trainspotting zeigt, wie sehr der Regisseur immer noch kein Blatt vor den Mund zu nehmen für geboten und gepflegtes Benehmen hält. „Zweibeiniges Krebsgeschwür, das die Welt auffrißt“ „- Ihr seid - Pest!!“– „Als ich wieder dort /auf dem Festland war“- für einen Kurz-Einkaufstrip von Tampons, Shampoo, Handschuhen, Kondomen, Aspirin, Walkman-Batterien und anderen Segnungen der Zivilisation – „bekam ich große Sehnsucht nach dem, was wir zurückgelassen hatten – und ich wußte, das, würden wir hierbleiben, wir irgendwann zu dem niedergemacht reduziert würden, was ich hier sah -“ dazu auf die Straße kotzende, bierflaschenschwenkende Hooligans und sardinenölig zu Techno-Mucke auf dem Strand hottende, zugedröhnte Massenhaltungsexemplare der Gattung ‚homo‘,- Walpurgisnacht. Jede Menge Einsichten: „Ich hatte gedacht, wenn je das Außergewöhnliche passierte, m i r passierte, was sonst immer nur dem Hörensagen nach in anderen Leben geschah-, das ich geweiht etwas Besonderes fühlen- , eine Erschütterung- irgendetwas spüren würde – nun g e s c h a h es, und was ich fühlte, war n i c h t s, gar nichts Besonderes, was sich vom Immer unterschied. Wie ich mir wünschte, etwas Starkes fühlen zu können!" – Wenigstens blieb dabei ein Relikt des Ungewöhnlichen, die Schatzkarte über. – Jede Menge Nebenblicke auf andere sehnsüchtige Rucksacktouristen, welche massenhaft den Individualismus suchen. - Richard ist einer von ihnen, ein junger sinnsüchtiger Amerikaner (natürlich), eben in Bangkok angekommen, und schon - Mom und Dad vergessend, die Herausforderung von Schlangenblut-Gralen annehmend. (Auslösereiz: „Du hast doch S c h i ß !“) - Hat er n i c h t,- w i l l er jedenfalls nicht - haben. Kriegt aber noch Gelegenheit.

                                                    Und dahin geht er aufs Ganze! Er haßt zuvor seinen vorgesehenen Platz in der endlosen Reihe, er scheut vor dem Gemeinschaftsschicksal zurück – welches so leicht Sinn in gewöhnlich ausreichendem Maße für den bereithält, der sich zu bescheiden-, und diesen Platz nicht übermütig zu verabsaltonieren versteht. E r versteht nicht. Er will mehr, sich. Er will überwinden, um sich zu erreichen, sogar bis an die Grenzen gehen (that's the price you pay) – und ja, er gibt es zu, auch etwas mehr Abenteuer- sogar Gefahr wäre zu riskieren wünschbar, als das "übliche" Leben bereithält. Die- soll er bekommen, denn ohne Risikobeschiß ist das, wovon er träumt, wie er weiß, nicht zu haben. "Per Kino"-Nacherlebnis gibt es das so einfach nicht. Wer d a s will, muß willig seine (Echt-) Haut zu Markte tragen,- und einkalkulieren, das Kratzer und Risse sie ernst-haftig einbleuen - welches möglicherweise bluten- tut, vielleicht sogar (wie einigen hier widerfährt) mehr : das heißt weniger -, gar nichts von ihr übrig bleibt.

                                                    Er macht die Bekanntschaft zweier ähnlich gesottener Geister (geben wir es zu, a l l e denken, vielmehr wünschen scheinbar ähnlich!),- ...eigentlich ist i h m zuerst nur i h r e Gestalt, und Wesen, aufgefallen: der jungen filigranen Französin, welche anzieht („Wie oftmals finden wir Gründe, in dem anderen zu sehen, was Verlangen uns vorgaukelt dort annehmlich zu finden – aus welchen gleichen Gründen oftmals später wieder die Trennung geschieht“). Mit Virginie Ledoyen der jungen, strahlenden, grazilen, libidonösen Französin hervorragend besetzt – wie in der Regel fast alle Rollen des Films. (Gratulation dem Casting). Und geradezu phantastisch besetzt wurde: Tilda Swinton als 'Sal'. Mein Gott sie ist es. Wenn wir dabei sind: Leonardo Di Caprio als reinen Jungmädchenschwarm,- nur wegen Titanic,- abzutun ist wohl Gipfel der Unangemessenheit. Eine weitere seiner reifen Verkörperungen (zwischen Gilbert Grape und Inception), hier Richard, wie er leibt und lebt. Wer nur den ersten Teil der letzten Aussage meint wahrnehmen zu müssen (den seichtbloßen "Schönling"), im positiven oder negativen Sinne (von beidem las ich) : Beileid. Und weiter.

                                                    Nun also: die ur-anthropomorphe Sehnsucht nach dem Paradiese ist das, auf dessen Spurensuche sich der Film begibt – eine Reise ins Innere des menschensituierten Dschungels also. Er tut das im Fleische einer veräußerlicht faßbaren Geschichte. Gewöhnlich wird dieses mystische Demagogum (des Paradieses) im inneren Geflecht der Beziehungen zu anderen Menschen (gern auch Begattungspartners) gesucht verortet,- so ein wenig auch hier (das Thema ist gar zu unausweichlich). Die Französin wechselt irgendwann das Lager (wörtlich) - während ihr Ex die Größe /sich mit einem Samariter-Ersatzsinn-Des-Lebens zu begnügen/ hat. – Jedoch die 'Erotik' ist hier nicht das gemeinte Zentrum. Der gesuchte Ort ist manifester. Die drei (noch in ehemaliger Konstellation) finden zu ihm schließlich, nach mancherlei waghalsig zuvor erwogenem Verdienst („Und wenn es zu weit ist?“-„werden wir ertrinken!“ >dazu (noch) Haiattacken-Fak/s-en!) – ...werden also schwierig genug doch schließlich (Odyssee!) ...fündig hinter den sieben Bergen, bei den siebzehn Zwergen -, in einem verwunschborgenen, verbarrikadierten Tal auf der - (anderseitig von einem bewaffneten Drogenkartell betriebbesetzten) - Abseits-Insel,- dessen Zugang durch einen zauberhaft tiefen, tüfen Wasserfall symbolisch versperrt ist. - F i n d e n also - was wir a l l e suchen! Wie w ä r e das (sich vorzustellen)?!? - -Immer wieder bis dahin- und dann erst!- zunehmend traumhaftere Bilder wunderbarer Orte : mein Gott, welche Schönheits-Magie sind wir kollektiv im Begriffe verständnislos zu untergehen zu lassen! – leichte Wehmut ergreift einen angesichts von Bildern, eines Häufleins Menschen, auf einem vollkommenen Sehnsuchtsstrande, der Teil unserer (tatsächlichen) Heimat ist. Und hier gelingt dem geneigten Betrachter nur die Touristen-Perspektive? Begreift man denn, daß wir diesen Planeten, diesen Ort, w i r k l i c h bewohnen?,- daß er, nachdem das Filmteam seine Kameras zusammengepackt hat und weitergezogen ist,- weiterhin und tatsächlich existiert,- daß wir diese Gruppe potentiell glücklicher (?) Menschen wirklich sein könnten,- daß uns niemand zu Bangkok und Seattle und London Berlin Tokio & Sechs-Uhr-Schicht zwingt – außer unserer zugelassenen Un-Natur?

                                                    Richard findet 'seinen' Ort, seinen Traum- Strand (The Beach) – und er kommt sogar mit der Angebeteten seiner Träume zusammen (like heaven). Kann es währen? Natürlich nagt der Wurm bereits im Apfel. „Für das Leid ist im perfekten Touristendorf kein Platz“. Der dringend ärztlicher Versorgung bedürftige Hai-Attackierte wird nicht (überlange) als Spaßbremse in der gemeinschaftlichen Verpflichtungs-Mitte geduldet. Tote sind freundlich bestattbar („und eine schöne Rede ist auf sie zu halten“) – Kranke haben gefälligst nach angemessenem Abstand zu gesunden und wieder wie vorgesehen zu spaß-funktionieren. Hop oder Top-! Latent unzurechenbare Un-tote finden keine beschickte Gestimmungsidentität rein im Paradies. -Man darf das alles nicht zu wörtlich nehmen, hier versucht der Film eine Ersatzhandlung : homo hominus lupus. Es zeigt sich (und das demonstriert der Film intelligent und plausibel durch): d a s , was das Paradies im Einzelnen stört - , ist d e r /d i e/das a n d e r e , bloß anwesende Exemplar Mensch. Eine menschliche innere „Gemeinschaft“ ist das Schwierige - dort, wo der Mensch aus sich heraustritt,- um Schritte auf den Nächsten zuzutun,- beginnen die Schwierigkeiten des Terrains. Der Film zieht das Fazit: das Unmögliche ist, Mehrere zu einer Gruppe zu vereinen. Angenehm ist es, wieweit hier auf jeglichen Ideolog-Ismus verzichtet wird. Die Menschen in ihrem (eine Weile lang) perfekt funktionierendem, begegrenzten, vom Rest der Welt abgeschotteten kleinem Paradies glauben an nichts als i h r verschworenes Glück, und s i n d perfekt tolerant. K e i n Krieg bricht (unterweile) aus! Eifersucht: l ä ß t sich generös überwinden. Francoise wechselt die Fronten, ohne das es zum spontanen Zerfall käme („wenn sie mit dir glücklicher wird als mit mir, werde nicht im Wege stehen!“). Lobenswertes Ansinnen! – w a s ist es also dann, daß solche Gemeinschaft zu sprengen vermag?

                                                    Im Grunde ist es nur das : das viele Einzelne ('Postmoderne', 'Individualisten', Egomaniker, Selbstbezügliche, Selbst-Verwirklicher) kein belastbares Gemeinsames mehr zu bilden vermögen. Viele Äpfel aufeinander geschüttet bilden keinen Verkaufsladen, keine Kundschaft und keine funktionable Erzeuger-Gemeinschaft – sie bilden nur einen Haufen, von dem sich jeder Vorübergehende, wenn er mag, in Einigene(h)m bedient. 'Sal' ist d a s Führungsprinzip im Betrieb. Es bricht zusammen, in dem Moment, als der perfide-begabte Macbeth – neben seiner 45'iger Anführer der "real"fundierten Drogenbauern – seinerseits einen satanischen Trick anwendet (er weiß genau, wie es zu machen) (und will wieder Betriebsruhe auf seiner Insel, die er so -als die einzige angemessene selbstverständliche ihm zugehörige betrachtet)(können wir das zulassen?) : auf (nurmöglich) e i n e Weise zwingt er die erblassende Gemeinschaft, Farbe zu bekennen : per evidentem russischem Roulette. Er stellt die Seinsfrage (geschickt um). Sal erweist (grandios gnadenlos: Tilda Swinton! die Eis-Fee)- im Willen, i h r Paradies zu erhalten und dafür zu kämpfen ja zu töten (Aktiva statt Passiva)–, -Sal erweist, daß die Gemeinschaft auf einem Grund von einem Traum, einem Einbildens-Fundament,- beruhte - ohne Un-zusammen Halt. Sie erweist, das jedes von ihnen potentielles O p f e r – nicht Begründungszweck und Z i e l der Gemeinschaft, sondern ihr brauchbares M i tt e l, ist. (/Für mich ein honorables Verdienst der Filmgeschichte: ohne Demonstration von äußerer Gewalt erweist Danny Boyle, das wir alle Zeugen eines inneren Gewaltaktes werden – können. Er schafft es, ihr gräusliches Bild zu beschwören, als wäre sie gewaltig im Raum anwesend – ohne sie doch (wieviel Geschmack haben heißt das!) hineinzulassen,- in diesen. Er vermochte es, die Gewalt zu beschwören, nur indem er von ihr imaginierte – statt sie zu exerzieren -, was tausend andere Filme mit durch die Finger blinzelndem Vergnügen und tropfender Zunge so gerne tun, um anschließend die Lippen leckend zu beteuern: habt ihr gesehen, wie abscheulich das war?! (Nochmal wiederholen?- Returntaste!)/)

                                                    Das apokalyp'se(now'sche) Abdrehen Richards / DiC.‘s zum Schluß (als Über-Tarzan, Herrscher des Dschungels) („Einer, der alle Fäden in der Hand hat und sie vollkommen kontrolliert -!") ist nur eine ein wenig ungenau freidrehende Metapher eines starken Kunstwerks mit Eigenwillen, das ja schwer – vielleicht per Schnitt – nur in den Banden seiner Kontrolle durch den vom Regisseur gesetzten Film-Willen zu halten ist, und die letzte Veabsolutierung des >Ich<-Prinzips "person"iluzifisiert. Ich kann das auseinanderrechnen; &bereite Verständnis, für diesen etwas unverständlichen, knatter-ratternden, knacksigen Teil, samt Fallen, in die zu tappen ist,- und allem.

                                                    Die zeitweilige Kulmination des aus der Gemeinschaft Ausgeschlossenen ist gar nicht so entscheidend storywichtig – und so wird es (von mir) auch nicht als übermäßiger Bruch empfunden, als er relativ spontan wirklichkeits-schockgeheilt aus seinem Allmachts- Individual-Wahnsinn wieder auftaucht (mit dem Kopf die Oberfläche durchbricht) und im gemeinschaftlichen Zusammenhaltsschoß reinkarniert : denn auch der äußerliche Wahnsinn sprengt diesen nicht auseinander (so wenig wie derjenige >Duffy‘s< es vermochte). Die Gemeinschaft wird n i c h t (und kann nicht) von a u ß e n zerstört (werden) : sie zerstört sich s e l b s t, höchstens, von innen her : weil WIR kein gemeinsames Menschen-Wesen mehr -, sondern bereits, krankhafte – E i g e n h e i t geworden sind. Wir sind bereits viel zu sehr, jeder von uns, bei sich selbst angelangt, um noch etwas anderes, daneben, auslastend mit-tragen zu können. Du sollst keine anderen Götter neben DIR haben,- wenn Du erst zu Deinem Gott selbst-verwirkt– ...bist. Die Zivilisationsboheme hat uns längst auf einen unumkehrbaren Weg, ohne Rückfahrkarte,- gelockt : in uns selbst hinein,- wo wir zu dem wurden und uns erkannten, was wir sind : Einzelschicksal in uns selbst,- ohne schlechthin gegenandere widersätzlich konträr zu sein,- nur voneinander in uns isoliert unfähig, den anderen, in dessen S c h m e r z (mit dem sich keiner identifizieren,- wie infizieren mag) anstecken zu lassen &zu -ertragen. Wir halten es dünnhäutig geworden nicht aus, den anderen emphatisch leiden zu sehen. Wir halten den S c h m e r z nicht mehr aus. Wir halten die g a n z e vervollständigte Existenz (deren Hälfte unser Weh ist) nicht mehr aus (nur noch den angenehmen Teil,- also/) außer, es geht uns, und in unserem Spiegel dem anderen, gut &wohlig. Ist es von i h m so, ist es in u n s so (gespiegelt). Geht es (solange es geht) uns gut, geht es dem Anderen gut : unendliche Reflexe,- Kabinett. Geht's gut, halten wir (uns) aus: mehr erträgt die individualisierte freiwillige Gemeinschaft, nach Ansicht Danny Boyles, hier, (mittlerweile) nicht mehr.

                                                    Er ist ehrlich genug, wenigstens – in einer Einzelprägung – die Existenz einer anderen Seinsmöglichkeit zuzugestehen: das heißt, er trägt keine Scheuklappen,- sondern beweist philosophisch-gründliche, wenn auch unzugewendete, Vollständigkeit. Einer pflegt >Cristo (sic!) und begleitet ihn beistehend mit ins Lepra-Dorf, einem ursprünglichem Ein-Mann-Zelt, und brandigem Bein. (Vielleicht wäre hier, im Elend, das Paradies? seine geheimgehaltene Zuflucht?) (Die Möglichkeit ist offengelassen,- vielleicht eine übrige Diskussion in einem zukünftigen, und dann genauer fixierendem, Werk.) Noch hat Danny Boyle eine Jugend zu Ende zu genießen. Soll er! und uns vorerst weitere Teil-Wahrheiten illustrieren. -Hier jedoch wird zur Genüge einstweilen begründet, wo das Paradies n i c h t statthat (Ausschlußprinzip) : nämlich in der ausmerzenden selbstheilen 'Gemeinschaft',- die sich (innerlich ausgeräumt) vom Leid separiert. Wenn nichts weiter mehr bei dieser Gelegenheit zu erweisen ist, so dies : eine Gemeinschaft ohne den umfrie-deten, eingehegt gesicherten Platz des Rechtes zum gemeinsam erlebten! L E I D E N ist keine und zerfällt, - und läßt sich mit keinem Mittel der militanten Verteidigung – oder der pazifistischen Erzwingung oder Erduldung – künstlich erhalten. Für einen Film vorerst doch schon mal eine ganze Menge.

                                                    Mehr erwarte ich nicht : denn wir wollen dem Medium nicht zuviel zumuten. Eine Teilwahrheit ist besser als gar keine – nur eine pure Unwahrheit ist noch unnützer. Wahrheit, wie homöopathisch verdünnt auch immer, wirkt nie als Toxikum – stets nur wohltätig. Und es mag helfen, wenn man schon einmal weiß, wo man nicht zu suchen hätte (auch im teilparadiesischen „Ferien-Themen-Freizeitpark“ Thailand-"Traumurlaub" nicht). Der Weg zur Wahrheit, wenn es eine findbare gäbe, muß wie es scheint mit Halbwahrheiten gepflastert sein – denn die Ganze – - „Herre gib -,
                                                    ist ja d o c h f ü r D I C H a l l e i n ! “.

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