Deciuscaecilius - Kommentare

Alle Kommentare von Deciuscaecilius

  • 7 .5

    Wenn das Licht durch die Baumkronen dringt, wirft es diese sich überlappenden Schatten auf den Boden. Jeder Luftzug lässt sie zittern, miteinander verschmelzen und sich wieder auflösen. Sie scheinen zu pulsieren, fast zu leben, sind hypnotisch und sie beschäftigen das Gehirn. Es ist eine spannende Sache, in der Natur zu sitzen und die Stille auszuhalten. Die Natur ist lebendig und nicht böse, niemand würde einen Hirsch dafür tadeln, sich zur Wehr zu setzen, auch wenn es formal den falschen trifft. Ist der Mensch aber nicht auch ein Teil der Natur, was ist dann aber böse und was nur natürlich?
    Hamaguchi inszeniert nach der Musik von Eiko Ishibashi einen Film, in dem uns die Natur zu beobachten scheint. Wobei mit uns natürlich diese leicht verschroben wirkenden Bewohner des abgelegenen japanischen Dorfes gemeint sind. Wir wechseln ständig in ihre Perspektive und wieder in die Sicht der Natur zurück, bewegen uns durch die Natur und laufen an ihr vorbei. Der Film spielt mit langen Einstellungen, meditative Takes lassen uns tief eintauchen in diese Welt. Die Wälder, Seen und Wiesen sind fantastisch eingefangen und der Film insgesamt atemberaubend schön. Man kann das Zusammenleben, den Respekt für das Äußere spüren, umso mehr trifft die Ankunft der Agentur, die ihre Tourismus Pläne durchdrücken will. Die Diskussion dazu ist fruchtlos und gerade daher so intensiv. Man kann diese Welt, in der irgendwann niemand mehr für etwas verantwortlich ist, kaum ertragen. Umso schlimmer ist es, dass die beiden Vertreter doch nur Menschen sind.
    Der Film ist schön und hat doch eine seltsam verstörende Atmosphäre. Vom ersten Bild an ist da etwas Bedrohliches, etwas seltsam Unausgesprochenes. Vielleicht ist es Wut oder einfach nur Vorahnung, jedenfalls desorientiert der Film ganz bewusst. Die Kamera schleift uns hinter den Autos her, sie versteckt sich, sie ist distanziert und gerne weit weg und sie scheint gefährlich, obwohl gar nichts passiert. Der Film ist eine unendlich langsame Meditation über die Natur, eine Meditation, die in Ishibashis Klängen schwelgt und die fast kitschig daherkommt. Der Bruch mit dem Kitsch erfolgt dann wirklich überraschend und sehr spät, hat aber genau daher so einen zerschmetternden Effekt.
    Mir kam dieser Effekt aber ein bisschen zu spät, dem Film fehlte etwas dazwischen, eine Brücke in diesen Nebel hinein. Man spürt die ganze Zeit etwas brodeln, aber so richtig hergeleitet fühlt es sich trotzdem nicht an. Die Augen Takumi dringen tief in alles ein, hinter seiner Kraft und seiner Methodik ist etwas Urwüchsiges, in das ich gerne etwas mehr Einblick gehabt hätte. Der Film ist kurz für Hamaguchis Verhältnisse, aber immer noch lang für einen Film, da ist meine Erwartung höher. Trotzdem beeindruckt der Film fraglos, die Kamera ist wie immer brillant eingesetzt und das Ende ist etwas, das nachwirkt. Ich mag, wie in japanischen Filmen die Natur etwas ist, das eine Seele hat. Die nicht dunkel und nicht hell ist, die aber wirkmächtig scheint. Konsequent ist es daher, diese Idee weiterzutragen und ihr einen Gedanken hinzuzufügen, den Gedanken, wie der Mensch in diese Rechnung passt. Das ist ein hervorragender Film, der aber für mich nicht ganz an „Drive my Car“ herankommt. Etwas hier ist zu wenig ausgearbeitet, lebt zu viel von einem Gefühl, einer Idee, aber ohne dass sie ausreichend konkret wird. Der Film ist mir zu viel Tapete und zu wenig solide Wand.
    Trotzdem ist es ein Erlebnis, in diesem tapezierten Raum zu stehen, das hat ganz eigene Stärke. Vieles davon ist schwer zu beschreiben, weil es da ist und doch kaum fassbar. Wir tauchen tief ein in menschliche Sehnsüchte und in den Traum eines einfachen Lebens. Der Film lebt hier von fast instinktiven Bildern und dahinter verschwimmt zeitweise jeder Zweck. Kunst tritt hier so klar zutage wie man das in Filmen selten sieht. Wenn man mit so etwas umgehen kann, ist man hier richtig…

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    • 6
      Deciuscaecilius 11.04.2025, 16:49 Geändert 27.04.2025, 22:45

      Marebito ist ein japanischer Horrorfilm vom Spezialisten Takashi Shimizu. Der Film handelt vom Kameramann Takuyoshi gespielt von Shinya Tsukamoto, der sein Leben hinter der Kamera und hinter den Bildschirmen verbringt. Er sieht die Welt primär durch diese Linse und kommt mit der Welt nicht klar. Sein Ziel scheint es zu sein sich so viel Angst zu machen, dass es ihn in den Tod treibt. Er setzt schließlich seine Medikamente ab und begibt sich auf die Suche nach dem Schrecken. In den Versuchen stolpert er in eine merkwürdige Welt unter Tokyo und bringt von dort ein bluttrinkendes Mädchen zurück.
      Es ist ein Film der Art: It may or it may not. Takuyoshi driftet ab, er ist ein unzuverlässiger Erzähler, er beschreibt Dinge, aber wir können nicht sicher sein, dass sie stimmen. Es könnte alles erfunden sein, er könnte ein Serienmörder und Entführer sein, er könnte Missbrauch in der Familie begehen oder schreckliche Verbrechen tun, weil er liebt. Wir wissen es nicht und es ist vermutlich auch nicht wichtig. Der Film lebt von seiner Atmosphäre und den eigenen Gedanken darum, wie wir das Gesehene interpretieren. Figuren sind still, reden wenig oder sogar nicht, die ganze Welt ist seltsam entrückt. Die Musik des Filmes ist hypnotisch, dissonant, merkwürdig und was wir dazu sehen ist oft die Sicht eines Kamerabildes. Wir alle wissen, dass die Kamera lügt, aber was ist mit den Bildern, die uns als real präsentiert werden? Auch diese Welt ist eng, sie ist klaustrophobisch eingesperrt, der ständige Wechsel zwischen den beiden Perspektiven ist verstörend. Der finale Wechsel war dann befreiend für alle.
      Natürlich erleben wir Einsamkeit und eine Art von psychischer Erkrankung, sie könnte sich Psychosen aus Filmen und Geschichten borgen. Wir sehen ihn, wie er in den tiefsten Löchern des Internets schreckliche Dinge sucht, findet und konsumiert, Blut und Lovecraft Welt verschwimmen zu seiner Realität. Die Vorstellung oder Ausführung von Missbrauch und Mord sind Ursache oder Wirkung der ständigen Halluzinationen. Wir erleben ihn obdachlos werden und gleichzeitig in einer Wohnung leben, alles zerstören und wiederaufbauen, das Mädchen liebevoll füttern und es gnadenlos gefangen halten, wir werden Teil eines Wahnsinns. Das hat Wirkung auf den Zuschauer, es ist eine langsam hereinkriechende Desorientierung, ein einsetzender Zweifel an der Realität. Es ist der Horror der Unsicherheit, der Unbestimmtheit, der fehlenden Zuversicht, Herr über die eigenen Erfahrungen zu sein.
      Ich war trotzdem nicht ganz überzeugt, so wirkungsvoll das ist, so sehr wirft es Ideen an die Wand. Vieles, wie das Abtauchen in die Realität hinter der Kamera oder den unzuverlässigen Erzähler haben wir schon besser ausformuliert gesehen. Filme wie dieser können sich auch gerne dahinter verstecken, können alles anfangen und nichts vollenden. Das Innere des eigenen Kopfes ist der beste Horror, aber es ist auch ein bisschen einfach, es an den Zuseher weiterdelegieren. Der Film ist aber eine Sichtung wert, das ist gute und interessante Filmkunst. Der Film ist langsam und verstörend und wenn man das mag, ist man ganz richtig. Antworten darf man aber nicht erwarten, der Film ist eine Leinwand, auf die man auch ein bisschen selbst malen muss. Die Japaner mal wieder… puh…
      https://boxd.it/D5yyo

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      • 8 .5

        Twilight of the Warriors: Walled In von Soi Cheang ist ein Martial Arts Film, der in der Kowloon Walled City, einem Stadtteil von Hongkong, spielt. Das Gebiet war viele Jahre lang in einem rechtlich ungeklärten Zustand, von Flüchtlingen bewohnt und de facto von den Triaden regiert. Die Geschichte des Stadtteils ist hier aber nur ein kleiner Teil des Plots, primär wird eine Kombination aus Rachethriller und nostalgischer achtziger Jahre Martial Arts Hommage geboten. Zwischen der Action ist aber auch eine überraschend bewegende Geschichte verborgen, die zwar wie oft im Hongkong Kino gegen Ende ordentlich überdreht, die aber zwischendurch eine berührendes Bild menschlicher Sehnsüchte nach Ordnung, Freundlichkeit und geordneten Verhältnissen erzählt. Für manchen Zuschauer mag sich das aber beißen, wenn diese Geschichte vom Finden einer neuen Heimat Stück für Stück von einem Rachethriller verdrängt wird. Denn letzteres ist das klare Zentrum der Geschichte.
        Aber mal von vorn: Raymond Lam spielt Chan Lok-kwan, einen Flüchtling, der versucht, sich in Hongkong ein neues Leben aufzubauen. Um an einen Pass zu kommen bestreitet er Untergrundkämpfe zur Belustigung der Triaden. Als er merkt, dass man sich hier nicht den Pelz waschen kann, ohne nass zu werden, gerät er in Konflikte mit den Gangstern und flieht in die geschlossene Stadt, um dort unter den Fittichen eines eher netten Gangsters ein neues Leben zu beginnen. Dieser Teil ist bewegend und zutiefst sympathisch und bekommt Raum zwischen den Kämpfen. Der Film will eine schöne Erinnerung sein, vielleicht sogar an vergangene Zeiten in Hongkong und an seine Filmszene, die hier noch wirklich unabhängig war. Eine unter chinesischem Schatten zum Sterben verurteilte Welt feiert die Vergangenheit. Diese Welt schwelgt in Elementen der Achtziger und präsentiert diese beengte und beschädigte Stadt mit viel Liebe. Ich habe den Drang verspürt, mehr über diese Welt zu erfahren, und hätte auch gerne noch mehr Zeit darin verbringen können. Das ist alles nicht modern und sicher ist ein Teil der Nostalgie eine schöne Lüge über eine im Kern grausame kriminelle Welt, aber man kann sich darin verlieren. Es ist Kino, Sehnsucht und Unterhaltung im besten Sinne und es ist die Atempause, bis der Film richtig aufdreht.
        Der Film ist hochkarätig besetzt, hier sind alle Rollen mit Veteranen der Martial Arts- und Hongkong Filmszene besetzt. Kenji Tanigaki und das restliche Team produzieren ein Feuerwerk an Kämpfen und Wire-flying, das sicher zum Besten gehört, das ich seit vielen Jahren gesehen habe. Jede Szene hat ihre eigene Idee, eine besondere Coolness und dann auch immer wieder albern überdrehten Humor. Zum Ende hin wird der Film dann aber nicht nur größer und wilder in seinen Szenen, er baut auch immer stärkeren Pathos auf und auch ein paar asiatische Fantasy-Elemente finden sich in dem Film. Das wird aber alles nie übertrieben, es bleibt in einem Rahmen, der die Action nie in Frage stellt, sondern ihr mehr Breite verschafft, in der sie atmen kann. Selbst der zweiundsiebzigjährige Sammo Hung, der seinen ersten Film 1961 bestritten hat, bekommt hier auch noch eine Actionszene, in der niemand glauben kann, wie alt dieser Mann ist. Der Film ist von Meistern ihrer Zunft gemacht. Alles daran ist überragend, atemberaubend und großartig. Ich liebe diese Action.
        Das Ganze ist dabei schön umgesetzt, die Stadt sieht großartig aus, auch wenn sie ein bisschen zu überbelichtet und zu kontrastreich wirkt. Der Film wirkt auch hier wie eine Erinnerung und nicht wie die düstere Realität in den immer dunklen Häuserschluchten am dichtesten besiedelten Ort des Planeten. Das muss man akzeptieren, der Film will keine Doku sein und auch kein Thriller im eigentlichen Sinn, dafür bekommt man aber viel Spaß zurück. Das ist ein sehr konsequenter Genrefilm, der seinen Schauplatz aber primär als Kulisse nutzt, seinen Plot den Kämpfen unterordnet und die Gefühle der Protagonisten als Mittel zum Zweck für die Motivation zu weiteren Kämpfen nutzt.
        Dazu ist Kenji Kawais Soundtrack treibend und berührend zugleich, ruhige und aufregende Szenen brillant untermalend. Ich mag den derben Humor, den Pathos und die Coolness und eigentlich alles an dem Film. Der ist für Liebhaber des Genres ein absolutes Must See. Soi Cheang verschmilzt IP-Man und House of Flying Daggers miteinander zu einem atemberaubenden Action-Meisterwerk.

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        • 1 .5
          Deciuscaecilius 09.04.2025, 19:46 Geändert 27.04.2025, 22:45

          BloodRayne und finally mein erster Uwe-Boll-Film. Das erste Mal ist oft enttäuschend und das ist hier nicht anders. Der Film hat das mieseste Editing, das ich je gesehen habe, und die Kampf-Choreografien sind bemerkenswert schlecht. Die Szenen sind wild aneinander gepappt, die Dialoge kurz und schmerzhaft und der ganze Plot eine Beleidigung. Aber wir müssen das jetzt sicher nicht alles im Detail durchgehen. Der Film fühlt sich pornografisch an, er ist obszön, misogyn und ein bisschen eklig. Es ist schwer zu beschreiben, es gibt Filme, die sind gewalttätiger, aber hier erfüllt die Darstellung keinen Zweck, sie ist nicht lustig überzogen, nicht gruselig, Horror erweckend, auch nicht spannend oder aufregend, sie ist nur unangenehm. Wie überhaupt alles was cool wirken soll, hier nur seltsam creepy ist. Kurz vor dem Ende gibt es eine Montage, fast wie ein Musikvideo, in der die blutigsten Szenen einfach noch mal aneinander geschnitten werden, wie im Fetischvideo für das Erinnerungsalbum eines Serienmörders. Das ist genauso wie Filme gerade nicht sein sollten. Das hier einige Könige des Camps wie Billy Zane, Udo Kier und Michael Madsen auftreten sei geschenkt aber Ben Kingsley und Geraldine Chaplin wären bestimmt nicht verhungert, wenn sie sich das hier gespart hätten…
          Schön ist nur, dass ich hinter Uwe Bolls Filmografie nun einen Haken machen kann. Ich habe genug gesehen…
          https://boxd.it/D5yyo

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          • 5
            über Aniara

            Aniara ist ein hartes schwedisches Science-Fiction Drama und es ist wirklich schön, dass solche Produktionen existieren. Ein Genre Film für zwei Millionen über eine dystopische Zukunft, die Flucht von der Erde in einem riesigen einem Kreuzfahrtschiff ähnlichem Raumschiff zum Mars und das Drama, was sich entfaltet, wenn die Reise schief geht. Das ist von seinem Konzept her wirkungsvoll, es ist eine tief traurige Vision über den Menschen und seine Träume und die Bindung zu unserer Heimat. Es ist eine Reise zum Herz der Finsternis mit ganz vielen Menschen gleichzeitig.
            Leider hat es für mich aber nicht funktioniert. Der Film ist bemüht, eine interessante Umgebung zu schaffen, aber auch wenn es immer wieder einzelne Elemente gibt, die interessant designt sind, wie zum Beispiel der Raum der Träume, ist das insgesamt seltsam kalt, unrund und uninteressant. Das alles sieht nach dem schwedischen Kaufhaus Center, dem Unilesungsaal, dem Kreuzfahrtschiff und einem Hotel im Jahre 2018 aus, reale Orte, an denen sicher auch gedreht wurde. Das hat keine Faszination, das wirkt immer wie Kulisse. Sicher ist das ein Budget Problem, aber hier wäre dann ein Kammerspiel artiger Ansatz besser gewesen. Darin bleibt dann auch vieles vom Worldbuilding unklar, man erfährt nie, was dieser Raum der Träume so richtig war, wie diese Gesellschaft funktioniert oder auch wie ihre Ideen aussehen, diese verunglückte Reise zu überstehen.
            Wir sehen viel Drama und viele Konflikte, aber keine Entwicklung. Die Charaktere sind von der ersten Minute an wie sie auch in ihren letzten sind. Es gibt kaum Charakterbildung, kaum ein Dialog sagt uns etwas über diese Persönlichkeiten, ihre Liebe, ihre Angst oder ihr Hass bleibt unmotiviert. Ich habe nichts empfunden für diese ganze Bande, weil es keinen Grund dafür gab. Es folgt Szene auf Szene, aber es baut keine Szene auf die nächste auf. Die Dynamiken der sozialen Gruppen werden hin und wieder dargestellt, aber nie spürt man ihre Entwicklung. Immer wieder springen wir in der Zeit nach vorn und dann hat sich etwas verändert, aber das “wie” wäre interessant. Es ist, als wenn man eine Live-Ticker liest, ohne ansonsten etwas zu erfahren. Der Film hat ein interessantes, weil ungewöhnliches Ende, aber irgendwie hat man das Gefühl, das ist auch sein einziges Pfund gewesen, mit dem er wuchern konnte. Trotz der interessanten Prämisse habe ich mich ehrlich gesagt gelangweilt, es ist ein Film der großen Ambitionen aber der sie für mich auch gerne kleiner hätte denken können. So ist es meiner Meinung nach ein sympathischer, aber nicht sehr guter Film geworden ...

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            • 3 .5
              Deciuscaecilius 07.04.2025, 18:58 Geändert 27.04.2025, 22:46

              Van Helsing ist ein durchgeknalltes blaues CGI Holterdiepolter, mit absurdem Overacting und hyperaktiven Hin und Her, das möglicherweise eine Geschichte sein könnte. Das ist auf eine Art unterhaltsam und andererseits unerträglich, hier ist alles künstlich, es schmeckt wie Traubenzucker mit Aroma und man kann das sicher gerade deshalb mögen. Ich mag es nicht.
              https://boxd.it/D5yyo

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              • 7 .5

                Ad Astra ist einer dieser Filme, die es wirklich wert sind zu gucken und über die man aber auch mehrere Seiten lästern kann. Die Frage ist dabei immer, welchen Fokus man setzen will. Der Film ist ohne Zweifel etwas uneben, seine Action passt nicht gut zur stillen und leisen Story, seine Story ist nicht besonders innovativ und übererklärt und seine wunderbare Optik wird irgendwann ein bisschen langweilig nach dem man lange genug schwerelos und einsam durchs All geglitten ist. Trotzdem ist das ein guter Film, dem man sogar zwei Punkte aufschlagen kann, wenn man auf nachdenkliche und ernste Science-Fiction steht.
                Es geht um Roy, gespielt von Brad Pitt, einem Astronauten, der fast emotionslos seine Arbeit macht in einer Welt, die ihn ständig dazu zwingt, seine eigenen Gefühle zu analysieren und zu unterdrücken. Das ist ihm zu einer zweiten Haut geworden, eine enge und bedrückende Haut, wie wir schnell feststellen werden. Noch stärker drückt ihn, dass er die Nummer zwei ist in seiner Familie, sein Vater war ein Held, ein Entdecker, aber er ist verschwunden, vielleicht tot oder vielleicht auch eben nicht, denn Roy wird auf die Suche nach ihm geschickt, weil der alte Herr die Welt zerstören könnte. Der Film wird zum Roadmovie, das eine allerdings ungewöhnlich lange Strecke bis zum Neptun auf sich nimmt.
                Roy sucht nach seinem Vater und damit irgendwie auch nach dem Gottvater, nach fremdem Leben und damit nach dem Sinn des Lebens und er sucht nach Erlösung, nach etwas, das ihn von diesem Leben freigibt. Roy ist zutiefst einsam und zeigt Zeichen einer Depression und seine Reise ins Herz der Finsternis ist daher eine Reise zur Selbstbefreiung. Wenn wir dabei nicht stets und ständig jeden Piss durch Pitts Voice Over erklärt bekommen würden, wäre diese Reise sogar noch wirkungsvoller, aber man fühlt fraglos etwas für ihn. Die Idee ist nicht neu und seien wir ehrlich, am Ende des Sonnensystems wartet kein großer Twist, keine phänomenale filmische Entdeckung auf uns und doch berührt es die ureigenen Fragen des Menschen, was so auch wirkt.
                Die Reise dahin ist geprägt von fantastischen Bildern, Hoyte van Hoytema fotografiert das Weltall, die Sonne, unsere Erde, seltsame Außenposten und realistisch wirkende Raumschiffe mit Präzision und bedrückender Schönheit. Dazu spielt ein reduzierter, verstörender Soundtrack und überhaupt ist der Score auf den Punkt designt. Die Stille des Weltraums ist bedrückend, der Mensch ist klein in dieser Welt, er ist fremd und zu weit weg von zu Hause. Es ist ein Film, der nur ganz an der Oberfläche Entdeckung feiert, aber schon ganz nah unter der Oberfläche wartet der Zweifel daran, dass wir dafür geschaffen sind. Es ist nicht unser Platz da draußen, wir gehören in ein grünes Tal, neben einen Fluss oder auf einen Berg, die Ringe des Neptuns mögen beeindruckend sein, aber sie schmerzen in ihrer Fremdheit. Der Film zeigt keine vereinigte glückliche Zukunft, sondern kleingeistige zerstrittene Menschen, die um die Dinge da draußen genauso kämpfen wie um die Dinge auf diesem Planeten. Sie haben ihre Einsamkeit und ihre Grausamkeit mitgenommen ins All, wo sich noch unendliche Stille hinzufügt. Wir werden wahnsinnig da draußen, nicht mehr und nicht weniger, man kann daher froh sein, wenn man vom Nihilismus den Forscherdrang ausgemerzt bekommt.
                Der Film startet mit einer fantastischen Actionsequenz und er wiederholt gut gemachte und interessant inszenierte Action einigermaßen regelmäßig über den Film verteilt. So gut sie gemacht ist, wirkt sie aber immer falsch und falscher. Das Unglück, das Roy an Jeden klebt, der in seine Nähe kommt, wirkt bedrückend, ist aber ganz nahe an der Lächerlichkeit. Ja, es ist eine Reise, bei der Stück für Stück alles abgestreift werden muss, damit nur noch das Selbst, das blanke Leben und der Kern der Menschlichkeit bleibt, das ist die Kernbotschaft. Vieles von der Action wirkt eher wie ein Zugeständnis an das Entertainment des Zuschauers, der Verlust wäre sicher auch ohne bissige Affen möglich gewesen.
                Manchmal muss man lange und weit reisen, um zu erkennen, was man hinter sich gelassen hat. Das gilt dann für die Menschheit insgesamt, wie für jedes einzelne Individuum. Ob wir dabei nach der Anerkennung unserer Eltern suchen oder nach dem Sinn des Lebens ist gleich. Unser Leben bleibt unser Leben, extrinsische Belohnungen mögen sich gut anfühlen, aber wenn man nicht auf einer Wiese hocken kann, ohne bei Sonne und grüner Umgebung etwas Glück zu empfinden, wird man es auch nicht hinter dem Neptun finden. Die Frage, ob man den Film mag, zersplittert genau hier. Es ist ein Film, der keine neue Botschaft hat, aber eine lange Reise dahin bietet. Der Weg ist hier ganz unironisch das Ziel. Wenn man das mag, ist man hier richtig. Leider haben sich die Macher um James Gray aber nicht getraut, das alles ohne alle zwanzig Minuten einsetzende Action, noch ohne ausführliche Auserzählung stehen zu lassen. Man muss sich also ein bisschen an die Hand nehmen lassen, wie damals im Kindergarten auf dem Weg ins Museum…

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                • 8
                  Deciuscaecilius 05.04.2025, 11:21 Geändert 27.04.2025, 22:46

                  Bramayugam (The Age of Madness) ist ein indischer Folk-Horror-Film in Malayalam, der sich im Kern um Mystik und Geschichten aus der heutigen Region Kerala dreht. Gleichzeitig lässt er auch Aspekte von Vampirismus und Dracula-Geschichten einfließen.
                  Im 17. Jahrhundert verirrt sich ein Folksänger namens Thevan, gespielt von Arjun Ashokan, in das abgelegene und langsam verfallene Haus eines Brahmanen namens Koduman Potti, dargestellt vom indischen Superstar Mammootty. Dieser lebt dort allein mit seinem Koch, gespielt von Sidharth Bharathan, und er nimmt Thevan auf. Doch von Anfang an zeigt sich, dass hier vieles merkwürdig ist: das Haus, die nächtlichen Geräusche, das Verhalten des Hausherrn und schließlich ein seltsames Spiel, das Thevan spielen muss. Dieses Spiel scheint nämlich darüber zu entscheiden, ob er für immer dort bleiben muss.
                  Der Film ist in Schwarz-Weiß. Vermutlich wurde er jedoch in Farbe digital gedreht und anschließend desaturiert. Die Optik zählt aber sicher zu den großen Stärken des Films. Das Schwarz-Weiß hebt die Kontraste hervor und verleiht allem eine eindrucksvolle Wirkung. Das Illam (der Landsitz eines Brahmanen in Kerala) ist beeindruckend und fungiert als eigenes Element des Haus-Horrors. Einerseits beeindruckt es durch seine verwinkelte Größe, den fantastischen Innenhof und die vielen Überhänge, andererseits wirkt es verstörend, da es sich im Verfall befindet. Der Monsunregen sieht nicht nur fantastisch aus, sondern verstärkt das Gefühl des Verfalls. Überall tropft es, der Matsch sammelt sich, und während einige Räume noch hübsch sind, wirken andere kalt, hart und zerfallen. Der umliegende Dschungel flüstert beständig, und das hohe Gras rauscht im Wind. Es ist ein Ort aus Albträumen, verwunschen schön und bedrohlich zugleich. Spätestens der Abstieg in den Keller, lässt dann schönen Grusel entstehen. Der Film fühlt sich an, als hätten "Onibaba" und "Es ist schwer, ein Gott zu sein" ein indisches Kind bekommen.
                  Das hervorragende Sounddesign trägt maßgeblich zur Atmosphäre bei. Die Geräusche der Nacht und der Natur verschmelzen zu einer beklemmenden Klangkulisse. Im Abspann ertönt indischer Techno, der zwar seltsam unpassend wirkt, den Film aber dennoch großartig ausklingen lässt. Insgesamt ist "Bramayugam" ein audiovisuelles Kunstwerk.
                  Ein Kammerspiel wie dieses lebt von seinen Schauspielern. Mammootty stiehlt in jeder Szene die Show. Sein Charakter ist sinister, seltsam und respektgebietend, was jede Konfrontation mit ihm zum Thriller macht. Arjun Ashokan stellt sein Gegenstück dar und meistert seine Rolle ebenfalls gut, wenngleich seine Darstellung typisch indisch etwas übertrieben wirkt. Er muss viel Respekt und Selbstzweifel zeigen, was seine Figur mitunter anstrengend macht. Der Vorteil ist jedoch, dass sich die Emotionen, die dieses Abenteuer auslöst, gut an ihm ablesen lassen. Eine kleine Überraschung bietet Sidharth Bharathan, dessen Rolle zunächst unscheinbar wirkt, sich dann aber entfaltet. Er erhält später die meisten Möglichkeiten, Nuancen zu zeigen, ein schöner Kontrast zum oft extremen Schauspiel im indischen Kino.
                  Die Story lebt von der Atmosphäre und Mammoottys Präsenz. Die Elemente der Folklore werden langsam eingeführt. Der Film beginnt fast wie eine eigene Version von Jonathan Harkers Besuch bei Dracula, entwickelt dann aber seine ganz eigenen Aspekte. Das Haus selbst wird Teil der Konfrontation. Es gibt leichte Anklänge an Body-Horror sowie langsame, aber intensive thrillerartige Kämpfe zwischen den Figuren. Diese wirken gerade deshalb so brutal, weil sie nicht nach typischen Actionfilm-Szenen aussehen. Das psychologische Duell der Menschen aus dieser zeitlosen Blase erzeugt bedrohlichen Druck.
                  Als europäischer Zuschauer versteht man vermutlich nicht jede Anspielung. Die mehrmals kurz auftauchende, vampirartige Yakshi sagte mir als Konzept beispielsweise nichts, doch das tat meiner Faszination keinen Abbruch. "Bramayugam" ist ein effektiver, wunderschöner, langsamer Horrorfilm, der wie ein düsteres Märchen klassische Ängste betont. Er ist jedoch etwas zu lang, jeder nächste Schritt wird lange herausgezögert und durch viele Zweifel unserer Charaktere begleitet, das zieht sich. Andererseits sind diese Zweifel aber auch Teil des Konzepts, Thevan stammt aus einer niederen Kaste und letztlich muss er gegen einen Brahmanen aufbegehren, eine damals sicher schwierige Herausforderung. Diese aristokratische Ordnung beeinflusst das Verhalten der Figuren und ist ein Aspekt, der in europäischen Filmen, die in der Zeit spielen, oft fehlt.
                  Das Ende ist mehrstufig und in jeder seiner Phasen interessant. Dass letztlich der Kolonialismus stellvertretend die indische Folklore beendet, dürfte kein Zufall sein und stellt eine sehr überraschende politische Botschaft dar. Ich war rundum zufrieden mit dem Film. Er ist großartige Unterhaltung und könnte auch ein guter Einstieg in das indische Kino sein. Das ist eine spannende Erfahrung.
                  https://boxd.it/D5yyo

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                  • 8

                    Dracula: Pages from a Virgin's Diary ist mein dritter moderner Schwarz-Weiß-Indie-Film, der es in meine Liste der Dracula- und Vampir-Filmadaptionen geschafft hat. Es ist sogar der arthousigste und genau deshalb mag ich ihn besonders. Er ist absolut kein Film für jedermann, aber er hat ein Thema, ein paar konsequent durchgezogene Ideen und ist völlig durchgeknallt. Das ist Indie-Kino, wie es sein soll: künstlerische Vision und Bäm!
                    Der Kanadier Guy Maddin war pleite, also blieb ihm nichts anderes übrig, als den Auftrag anzunehmen, aus dem erfolgreichen Dracula-Ballett des Royal Winnipeg Ballet einen Film zu machen. Doch wie jeder zielbewusste Künstler hat er sich adäquat gerächt. Ja, es ist ein Ballett Film aber vor allem ist es ein surrealistischer Schwarz-Weiß-Stummfilm in der Tradition des deutschen Expressionismus. Tanzszenen werden zerschnitten, Bilder verblassen, verfremden sich, der Schnitt tanzt, bis der Film pulsiert wie seine Musik. Und diese Musik! Mahlers erste beiden Sinfonien, was könnte besser zu Dracula passen? Das mag nicht für jeden sein, aber als Filmmusik funktioniert es verblüffend gut. Es hat dieses monumentale, das träumerische und dramatische.
                    Inhaltlich greift der Film die Themen des Balletts und einen Subtext von Bram Stoker selbst auf: ein Film über Xenophobie, Eifersucht, Rivalität und Paranoia. Die Männer hier, allen voran Van Helsing, sind perverse, bedrohliche Wesen, denen es mehr um die Unterdrückung der Frau als um deren Genesung geht. Ihr Feindbild ist Dracula, weil er fremd ist und ihnen die Frauen wegnimmt. Igitt, diese Frauen wollen lesen, sexuelle Fantasien haben und sie auch noch ausleben? Mit Dracula? Das befürchten diese Männer zumindest. Jonathan, Minas jungfräulicher Verlobter, leidet besonders. Mina hat sein Tagebuch gefunden, das scharfe, in dem er seine „Erlebnisse“ mit den Vampir-Damen schildert. Böse kleine Fantasien von sexuell aggressiven Frauen, die ihm an die Hose wollten. Und das Schlimmste: Mina gefällt es. Sie wäre bereit, sich darauf einzulassen, ein Spiel zu spielen, selbst aggressiv zu sein und ihn zu verführen. Doch was passiert, wenn weibliche Sexualität frei ist, kann eine Ehe, die auf Unterwerfung basiert, dann noch funktionieren? Zerstört Dracula hier etwas die traditionelle Familie?
                    Der Film hat sichtlich Spaß mit dem perversen Schlüpferdieb Van Helsing und den drei Affen, die um Lucys Hand anhalten. Wenn sie über ihr stehen und die Blutspende in ihren bewusstlosen Körper pumpen, wird die Botschaft schnell klar. Die Stäbe, die sie Dracula in den Leib rammen wollen? Eine kaum versteckte Allegorie. Dazu wird dann auch tatsächlich getanzt, ganz traditionell, wenn es um Familie und Leben geht und modern, wenn Lucy ihre Gelüste entdeckt. Schwarze Omen tanzen um die zukünftige Ehe und lustige Dienstmädchen um die adligen Männer. Maddin spielt mit allem, was die Super-8-Kamera hergibt. Kein Stil hält länger als eine Sekunde. Farben tauchen auf, wenn es um wirtschaftliche Allegorien geht, die Angst der Männer, auch finanziell entmannt zu werden. Die Kamera wird eingeschmiert, um Unschärfe zu erzeugen. Blut ist schwarze Schmiere, leuchtend rote Punkte markieren ewige Bissmale. Bildausschnitte wechseln, als wären sie im Schlussverkauf, wir erleben eine Achterbahnfahrt aus Absurdität, Komik und Melodramatik. Der Film bricht mit den Erwartungen an ein Ballett und einen Dracula-Film gleichermaßen, so wie Dracula selbst ein Bruch mit den Traditionen seiner Zeit war. Die Angst vor Veränderung, vor Befreiung, der ewige Vorwurf, fremde Einflüsse würden den „Volkskörper“ zersetzen, alles im Buch nur angedeutet, werden hier zur vollen tanzenden Blüte gebracht.
                    Der Film ist ein Fest der Traurigkeit, der Komik und der Fantasie. Ein Arthouse-Wahnsinn, definitiv nicht für jedermann, aber genau deshalb einen Blick wert. Ich war jedenfalls prächtig unterhalten.

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                    • 6 .5
                      über Nezha

                      Ne Zha ist in Englisch dubbed auf einer populären Videoplattform mit Y frei verfügbar und wer wissen will, ob der zweite Teil etwas ist, der kann hier einen Test Blick riskieren. Ach und unpopular Opinion: Das ist der bessere Film. Also es sind die schlechteren Animationen, es ist weniger groß, weniger wahnsinnig skaliert, weniger Paläste, weniger Himmelreiche, weniger aus dem Reich unter dem Meer, weniger Dämonen und gar keine Pipiwitze (die Furtzwitze waren aber offensichtlich unverzichtbar). Das bedeutet aber auch, dass hier mehr Zeit ist für eine Geschichte, die immer noch nicht sehr umfangreich ist, aber dafür emotionaler. Der Kern ist hier viel klarer freigelegt: Es ist die Geschichte von zwei Kindern, eines das wild und unbändig ist und von den meisten Menschen außer den eigenen Eltern abgelehnt wird und eines das kühl und kontrolliert ist aber aufgefressen wird von der Verantwortung eine ganze Spezies retten zu müssen. Das wird mit viel albernen asiatisch geprägten Humor unterstrichen und es gibt kleine, große und ganz große Kämpfe, aber es bleibt mehr von der Idee an der Oberfläche. Das artet noch nicht so sehr in Massenspektakel aus. Die ganze Geschichte hat hier mehr Impact, weil sie näher am zentralen Konflikt bleibt..
                      Die Kämpfe sind dabei nicht viel weniger fantasievoll als in Teil 2, gerade alles in einer Welt, die in einem Bild verborgen ist, indem die Figuren malen und damit die Wirklichkeit beliebig verändern können, ist atemberaubend. Die Charaktermodele wirken dagegen oft nicht mehr so elegant, nur ist das auch nicht schlechter als ein aktueller Minions-Film, von daher erschien es mir auch nicht so wild. Wann hat man schon mal einen Kinderfilm mit einem unbändig wilden Feuerdämon als Hauptfigur?
                      Das ist, wie sein Nachfolger, primär ein Film für Kinder, die Erwartungshaltung sollte daher nicht zu hoch sein, aber aus meiner Sicht hält das mit den meisten aktuellen Animationsfilmen locker mit. Und für den hier ist nicht einmal ein Disney Account nötig. Und wenn man dann von allem einfach noch viel mehr haben will, dann ist man bei Teil 2 genau richtig…

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                        Deciuscaecilius 02.04.2025, 18:13 Geändert 27.04.2025, 22:46

                        Shadow of the Vampire ist ein Film über Opfer, die für die Kunst, oder vielleicht noch mehr für den Künstler erbracht werden. Man könnte es eine Geschichte über Hybris nennen, oder über den Regisseur als Vampir. Der Plot ist ein Gedankenspiel: Was wäre, wenn Max Schreck, berühmter Hauptdarsteller in W.F. Murnaus Nosferatu Film von 1922 ein echter Vampir gewesen wäre. Engagiert von Murnau selbst, in vollem Wissen der Gefahren, mehr noch in der Akzeptanz, dass die Kunst ein Opfer abverlangen darf. Natürlich, solange es nicht direkt dem Regisseur abverlangt wird, so weit geht die Aufgabe dann nicht. Die Mitarbeitenden im Allgemeinen und speziell die Hauptdarstellerin sind doch sicher eher verzichtbar….
                        John Malkovich spielt Murnau und Willem Dafoe den Vampir Max Schreck in dieser tiefschwarzen Komödie und als Komödie funktioniert das Ganze überraschend gut. Der Humor ist streckenweise wirklich böse und gerade daher amüsant, weil da so viel aus Geschichten über große Regisseure drinsteckt. Mein Gott wird hier mit einer Lakonie über das Leben gerichtet und sie der Kunst untergeordnet, als wäre Kunst wichtiger als die Menschen. Dies ist so unpassend, wie wundervoll gemein erzählt, jede Komik kommt vom Drama, das die Wahrheit überspitzt. Ich war wirklich gut unterhalten von dieser Übertreibung. Unglücklich daran ist nur, dass gerade Murnau als angenehmer Regisseur galt, der Film trifft hier also den Falschen, aber natürlich werden auch eher Assoziationen mit anderen Gestalten der Filmgeschichte erzeugt.
                        Seit ich den Film gesehen habe, muss ich aber auch darüber nachdenken, wie weit dieser Humor doch auch seltsam ist. Wenn Catherine McCormack als Greta Schröder von den Männern betäubt wird, damit sie weiter filmen und der Vampir sein Werk tun kann, dann ist sie auch ein Stand-In für so viele Schauspielerinnen in so vielen Missbrauchsfällen der Filmgeschichte. Wie viele wurden zum einen gebracht, in Nacktszenen gequatscht oder einfach nur auf der Casting Couch missbraucht. Da ist ein brutal ernster Kern hinter einer spaßigen Geschichte aus einer Industrie, die ihre mächtigen Männer feiert und ihnen göttlichen Status zuspricht.
                        Die Idee, dass der Film dem Autoren gehört und er damit Unsterblichkeit erlangt, macht den Vergleich zum Vampir interessant. Beide zahlen einen Preis, aber das Blut, das sie aussaugen, ist das Blut von Anderen. Die Kamera stiehlt hier das Leben, bant es unbeweglich und unveränderbar auf Zelluloid. Es ist nicht wie im Theater, wo der Schauspieler immer wieder gebraucht wird, um mit jedem neuen Zuschauer eine neue Vereinbarung einzugehen, hier wird seine Arbeit nur einmal gebraucht und im Prinzip ist er danach verzichtbar. Dass dann alle mit Drogen arbeiten, bzw. Katzen und Frauen gleich direkt unter Drogen gesetzt werden, ist so folgerichtig wie schrecklich.
                        Das alles ist wunderbar gespielt, alles ist ein wenig überacted aber auf spaßige Art und Weise. Filmisch blenden die Szenen immer wieder erstaunlich passend in das Schwarz-Weiß von 1922 über, dem Film wird dabei Farbe ausgesagt und es entstehen die Bilder, die Filmgeschichte geschrieben haben. Wie viele Menschen kennen genau diese Bilder, aber haben den Film dazu nie gesehen? So oder so erleben wir den Schrecken, wenn in diese dunklen Gänge hinein gefilmt wird und Schauspieler so manipuliert werden, dass Blut fließt. Jede Emotion ist hier eine Lüge, jedes Bild resultiert aus einer Manipulation und alles zusammen vereint sich zu großer Kunst.
                        Was bleibt noch? Vielleicht Willem Dafoes Vampir, der irgendwo zwischen Klaus Kinskis einsamer Verzweiflung und der kalten Präsenz von Max Schrenk agiert. Seine Sorge ist auch nur das eigene Auskommen, aber seine emotionale Intelligenz ist dem Menschen überlegen. Wenn er aber überlegt, dass es das Dienern ist, das ihn am meisten an der Dracula-Geschichte nervt, dass einen Menschen zu bedienen das größte Opfer sei, dann enthüllt er auch, wie gefährlich dieses Übermenschliche ist. Seine Einsamkeit ist daher verdient, seine Isolation gerecht aber Kapitalismus, Gier nach Ruhm und Hybris öffnen diesem kleinen Wesen die Türen und bitten ihn hinein ans blutige Buffet. Die Darstellung ist gelungen und trägt den Film, wie die unbändige Energie und der Wahnsinn von Malkovich.
                        So bleibt ein großartiger Film. Die Zusammenstellung mag holpern, weil sie so große Strecke zu überwinden hat, aber das ist dann auch das, was gute Satire ausmacht. Das tut dann mit jeder Überlegung mehr weh, als es das vermutlich auch sollte. Die Kunst, über Leichen zu gehen, wird hier gnadenlos persifliert, indem der Film vergnügt über Leichen geht. Ich bin begeistert.
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                          über Life

                          Life ist ein Sci-Fi Horrorfilm und liegt hier irgendwo zwischen Alien und Gravity. Was wirklich gut funktioniert, ist die Idee, die Geschichte und ihre Bedrohung näher an die Erde zu verlagern und es in eine moderne Raumstation zu versetzen. Das macht die Sache dringlicher und intensiver. Der Film verschwendet dazu keine Zeit, ist gut in seinem Pacing und setzt konstant einen drauf. Von Minute zu Minute eskaliert der Film vor sich hin und schließt mit einem starken Ende. Das sieht gut und überzeugend aus, ganz speziell die Schwerelosigkeit macht was her, die Sichten der Erde von oben waren schon immer toll und alles Technische wirkt filmisch realistisch abgebildet. Die Schauspieler sind gut besetzt, bleiben aber größtenteils kühl, ich hatte damit kein Problem, es passt zur Konzentration auf Horror und zu einer trainierten Crew von Astronauten. Ganz im Gegenteil wirken gerade die wenigen Stellen, an denen Tempo rausgenommen wird, um ein bisschen gefühlig zu werden, eher ein bisschen kitschig und lahm.

                          Wie häufig ist dann das Problem, dass sich in einer realistischen Umgebung seltsame Entscheidungen noch merkwürdiger anfühlen. Diese hochprofessionelle Crew öffnet mir für meinen Geschmack ein paar Türen zu zu viel, so richtig konsequent scheint die Abschottung entgegen aller Aussagen eben gerade nicht gehalten zu werden. Dazu kommt, dass sich das gefundene Leben, getauft auf „Calvin“, viel zu unsterblich anfühlt. Was der Arme so alles mitmachen muss, geht deutlich zu weit, irgendwann bricht dann die Glaubwürdigkeit. Um die letzte Aktion noch einigermaßen logisch zu erklären, trauen ihm unsere Protagonisten auch noch zu, dass er ein Verglühen in der Atmosphäre überleben könnte? Seine Überlebensfähigkeiten sind schon hart gestreckt. Das war mir zu viel und das hat dann auch ein bisschen den Zauber des Films getötet, den ich zwischendurch aber überraschend gerne mochte.
                          Insgesamt ist das ein solider, schön anzuschauender und spannender Science-Fiction-Film. Ich mochte ihn, auch wenn es einige Schwächen gibt. Die Faszination und den Schrecken des neuen, wirklich seltsamen Lebens reitet der Film aber hervorragend. Calvin und das Alien hätten sich bestimmt gemocht…

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                            Deciuscaecilius 31.03.2025, 20:25 Geändert 27.04.2025, 22:47

                            Dracula 2000 ist ein ziemlicher Gemischtwarenladen, da wird alles Mögliche zusammengeworfen und verzweifelt modernisiert, um den Stoff irgendwie in die Zweitausender zu bekommen. Rock und Metal sollen modern wirken, aber zusätzlich gibt es auch eine sehr traditionelle christliche Botschaft samt Dracula Origin Story und die „Virgin Mary“ statt Mina als Objekt der Begierde. Der Film ist unglaublich aufgebauscht und viel zu ernst dabei. Ironische Szenen sind dann auch noch ab und zu drin, wirken aber irgendwie deplatziert. Sex gibts auch, aber der ist so Over the top das man nicht genau weiß, ob man das erotisch oder albern finden soll, vermutlich wird sich Letzteres aber beim Zuschauer durchsetzen.
                            Überhaupt ist dieser Film so sprunghaft, ständig sind die Protagonisten hier und dann wieder dort und man weiß nie so richtig wie sie sich finden. Der Film spielt ein bisschen Elemente des klassischen Draculas ein, wechselt ins moderne London, in die Sümpfe Louisianas und nach New Orleans, aber keiner der Schauplätze hat Flair. Ein bisschen Einbrecher Story, eine bisschen Vampir Action, ein bisschen Drama, ein bisschen Surreal, ein bisschen Softporno und zuletzt christliche Geschichte. Das wirkt alles künstlich, leer und kalt. Selbst auf Friedhöfen oder in Kirchen sieht es langweilig aus. Die Action ist dann auch okayisch aber nicht wirklich aufregend, nicht gruselig und sieht immer ein bisschen nach Buffy aus. Das Finale hat ehrlich gesagt seinen Charme, die Konfrontation ist so comichaft überzogen, dass es unterhaltsam wird und das finale Bild ist schon cool. Nur berührt es nicht, weder das Drama Draculas noch die Coolness von Mary interessierten mich zu diesem Zeitpunkt die Bohne.
                            Ich habe selten einen Film gesehen, der es so verzweifelt versucht, aber es bleibt nichts hängen. Da hat man alle Ideen auf einmal verwurschtelt und dabei nur grauen Brei gekocht. Es hilft dann auch nicht, dass Gerard Butler einen der schlimmeren Draculas gibt, seine Darstellung ist peinlich bis auf die Knochen. Die sehr sehr sexy Vampir Damen sind unpassend in dem modernen Set-up und so auch schon wieder schrecklich unerotisch. Alles in dem Film wirkt geklaut, und schon einmal besser gesehen. Besonders, weil ich jetzt schon so viele Vampirfilme in kurzer Zeit gesehen habe, wirkt nichts neu hier, ist aber immer an der unteren Kante der Vergleichs Qualität. Der Film ist unausgewogen, nichts passt zusammen, es ist ein Potpourri aus Schmelzkäse. Es ist schwer zu begründen, warum man den Film noch gucken sollte…
                            PS: Ich habe keine Ahnung, warum in Deutschland unter allen Menschen Wes Craven diesen Film präsentiert, aber dumme deutsche Titel sind eben auch ein Klassiker…
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                              Deciuscaecilius 30.03.2025, 23:17 Geändert 30.03.2025, 23:20

                              Ich habe heute "Ne Zha 2" gesehen und es ist ein Banger. Aber nicht zu voreilig: So wild ist es auch wieder nicht. Dennoch, im größten Kino meiner Stadt, umgeben von der chinesisch-stämmigen Community und vielen fröhlich feiernden Kindern, war das ein Erlebnis.

                              Nicht ganz einfach war es allerdings, da ich den ersten Teil nicht gesehen habe und die Untertitel rasend schnell über den Bildschirm flitzen, während das Spektakel tobte. Vermutlich habe ich nicht jedes Detail der Handlung erfasst, aber das spielt keine große Rolle. Der Film setzt mehr auf episches Theater als auf komplexe Dialoge. Die Geschichte ist groß angelegt, bleibt aber letztlich ein Märchen für eine jüngere Zielgruppe irgendwo zwischen "Dragonball" und "Avatar" auf Candy.

                              Handlung: Wir haben Nezha, ein Dämonenkind aus asiatischen Märchen aufgezogen unter Menschen aber mit einem übersprudelnden Temperament und seinen Kumpel Ao Bing, Sohn vom Drachenkönig der östlichen Meere Ao Guang. Beide sind nur noch körperlose Seelen nach den Ereignissen des ersten Teils und müssen sich daher neue Körper backen lassen. Dabei gibt es Schwierigkeiten und beide müssen für eine Weile gemeinsam in Nezhas Körper Zuflucht finden, bis ein paar Aufgaben gelöst sind und die Welt vor einem hinterlistigen Verschwörer unter den Göttern beschützt worden ist. Dabei müssen beide von impulsiven Teenagern zu jungen Erwachsenen reifen und trotzdem ihre Freundschaft erhalten.

                              Animation: Die ist wahnsinnig, fantasievoll und gigantisch inszeniert. Die Charakteranimation bleibt simpel, aber Kämpfe, Hintergründe und Effekte sind brachial in Größe, Farbe und Tempo. Hier marschieren himmlische Mächte, Drachen steigen aus den Tiefen des Meeres auf, und Höllenhorden werden entfesselt. Die Bilderflut schlägt alles bisher Gesehene. Zwar nicht so detailverliebt wie die "Spider-Man"-Animationsfilme, aber beeindruckend in Umfang und Ideenreichtum. Das Pathos ist überwältigend, von todtraurig über albern bis hin zum wuchtigen, mindestens 40-minütigen Finale.

                              Humor: Albern, teils derb, ohne Berührungsängste mit Körperflüssigkeiten, infantil wäre noch höflich ausgedrückt. Die Kinder im Saal hatten ihren Spaß. Ob sie auch von Drama, Gewalt und verbrannten Leichen beeindruckt waren, ließ sich nicht eruieren. Der Film ist alles, nur nicht subtil. Spätestens bei Kotz-Witzen könnte man aussteigen, doch wenn ein dämonischer Oktopus sein nachwachsendes Ärmchen grillt und so begeistert Nigiri Tako entdeckt, funktioniert der Humor überraschend gut. Man wird während des Films wieder zum Kind.

                              Story: Das ist alles zusammengebacken aus buddhistischer, taoistischer und chinesischer Folklore und entsprechend cool ist das dann auch. Diese Welt ist mir größtenteils unbekannt und das macht den Reiz aus. Die fliegenden Drachen, Peitschen die dem Himmel Tore aus Lava blutende Wunden zufügen, kämpfende Berge, Himmelspaläste, menschliche Tiere, Untersee Dämonen und Mönchskrieger sind interessant und der zentrale Konflikt erstaunlicherweise gar nicht so schwarz-weiß wie erwartet. Der ist sogar überraschend vielschichtig: Es geht um korrupte Herrscher, Verrat an den Ausgegrenzten und Werte wie Toleranz. Die Freundschaft zwischen den Gegensätzen steht im Mittelpunkt. Der Film bleibt beim Bösewicht bewusst vage, sodass jede irdische Macht hineininterpretiert werden könnte. Die Botschaft ist dennoch schön. Kindlich in der Erzählweise, aber nicht simpler als "Herr der Ringe".

                              Fazit: Der Film ist unterhaltsam, aber brutal zu lang. Während die erste Stunde noch zügig verläuft, zieht sich der finale Kampf unnötig. Offenbar konnte man sich an der eigenen Größe nicht sattsehen. Skurril ist auch die überlange Post-Credit-Szene, die wohl jüngere Kinder mit Gags fröhlich entlassen soll. In Deutschland ist der Film ab 12 Jahren freigegeben, passend, aber er sitzt damit zwischen den Stühlen. Vieles wirkt auf noch jüngere Kinder zugeschnitten, während die Gewalt für sie eigentlich zu heftig ist. Doch chinesische Kinder sind scheinbar leidensfähiger. 2,5 Stunden auf Speed sind eine Herausforderung.
                              Meine größte Enttäuschung: Wie im Westen werden hier erwachsene und kindliche Inhalte gemischt, wodurch potenzielle erzählerische Komplexität der breiteren Zielgruppe geopfert wird. Doch eines ist klar: Diese Animation wischt mit aktuellen Disney-Filmen den Boden auf. Wer sehen will, wie die Zukunft der Animation aussehen könnte, sollte einen Blick riskieren.

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                                Deciuscaecilius 30.03.2025, 10:32 Geändert 27.04.2025, 22:47

                                Blade: Trinity ist kein guter Film und das liegt an so vielen Dingen, dass es eine Weile dauern dürfte, um sie alle aufzuzählen, also versuchen wir es einmal mit starker Komprimierung. Das Skript ist eine chaotische Katastrophe, Szenen fühlen sich sinnlos an, Ideen ploppen auf und verschwinden wieder, die Schauspieler der guten Seite fühlen sich lustlos und erschöpft an, die von der bösen Seite sind peinlich schlecht geschauspielert, die Action ist gnadenlos zerschnitten und unoriginell, Charakterentwicklung findet nicht statt, Blade ist kaum in seinem eigenen Film und der Ersatz durch Witze von Ryan Reynolds und die Sexyness von Jessica Biel tragen keinen Film, der Schnitt gehört zum schlimmsten, das ich seit langem gesehen habe, und schließlich kann es keinen Abschluss der Trilogie geben, weil die kein Thema hatte, keinen Character Arc, keine übergreifenden Ideen, einfach nichts das man abschließen könnte. Puh. Durchatmen.

                                Der letzte Punkt ist ein Punkt, über den es sich vielleicht lohnt, ein paar Sätze zu verlieren. David S. Goyer hat alle drei Teile geschrieben und alle drei Skripte sind nicht gut. In den ersten Teilen waren aber gute Regisseure dazu in der Lage, Schwerpunkte abseits davon zu setzen. Sie haben einen besonderen Style kreiert, in wilden Klamotten geschwelgt, heftige und gorige Action inszeniert, Blades kurze Sätze zu einer mysteriösen Kunst aufgebaut, die wenigen Beziehungen, zum Beispiel zu Whistler und Karen, genutzt um Menschlichkeit aufzubauen und die Konflikte zu Reinhardt und Nomak, um von der Leere abzulenken. Das ist im dritten Teil vorbei, nichts überspielt mehr die inhaltliche Leere der Reihe.

                                Es fehlte ein zentraler Konflikt. Anfangs konnte man denken, es geht um Blades Menschlichkeit, aber man sieht nur seinen Spaß am Töten. Wenn ganz am Ende Dracula raunt, dass ihn einst die Lust zum Blut übermannen wird, könnte das dramatisch sein, wenn Blade je diesen Kampf gefochten hätte. Wir wissen aber, dass er ein Mittel gegen Vampirismus besitzt, wenn er will, kann er jederzeit aussteigen. Er könnte auch jeden Vampir retten, er hat nur keinen Bock dazu. Er tötet Menschen aber eh wie Vampire, ihn interessiert das alles nicht. Im ersten Teil war da noch so etwas wie Mitleid und Sympathie für das Menschliche zu erkennen, aber hier nun am Ende der Trilogie wirkt das nicht mehr so. Blade spielt mit seiner Beute wie Vampire mit ihren Opfern. Die Figur ist so leer wie Ryan Reynolds Witze. N'Bushe Wright hat man schnell rausgeschrieben, wohl zu viel Menschlichkeit und zu wenig Sex-Appeal, Whistler wurde immer mehr zu seiner eigenen Karikatur und die neue Truppe wirkt eh nur wie Konzepte statt wie Charaktere. Was also bleibt?

                                Blade eins wirkte noch wir ein Versprechen darauf, dass noch mehr kommen würde, dass man erst einmal den Anfang gemacht hat. Die Andeutungen waren gut, die Ideen interessant, man konnte hoffen, dass hier etwas erzählt werden soll, das über Action Set Pieces hinausgeht. Blade Two war dann in sich interessant aber völlig entkleidet von jeder Entwicklung und Trinity müsste nun gleich mehrere Charaktere entwickeln, wo die Reihe bisher schon an einem versagt hat. Goyer scheitert hier spektakulär und versenkt die erste erfolgreiche Marvel Trilogie in die Tiefen der Filmhistorie. Gleichzeitig legt er auch die Blaupause zu einem Filmgenre in dem Post Credit Szenen wichtiger sind als die Filme selbst, man guckt nur noch in Vorbereitung auf das nächste Versprechen.

                                Und jetzt noch die Sahne auf den Kuchen: So schlimm ist der Film, trotz all seiner Schwächen, dann auch gar nicht. Blade: Trinity kann auf alberne Weise unterhalten. Wenn man auf Reynolds Witzchen steht, ist man hier richtig. Eine Figur wie Danica Talos, gespielt, nein performt, von Parker Posey als absurd overacting Vampir, ist so drüber, dass man auch da seinen Spaß finden kann. Am Ende kracht es und rummst es und explodiert es, da wird man unterhalten. Als Parodie auf sein eigenes Genre kann man das tatsächlich gucken, nur war das vermutlich hier noch nicht so gedacht, aber Deadpool ick hör' dir trapsen...
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                                  The Martian: Ein Film von 2015 und doch fühlt er sich an, als wären Jahrhunderte vergangen, eine Geschichte über den Glauben an die Wissenschaft und internationale Zusammenarbeit. Muss sich, wenn man am “Golf von Amerika” sitzt, sich wie eine altertümliche Komödie anfühlen. Film? Ja klar, zurecht ein Klassiker…

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                                    Deciuscaecilius 29.03.2025, 10:41 Geändert 27.04.2025, 22:48

                                    Blade II müsste ein Actionfilm nach meinem Geschmack sein, denn er ist entkleidet von jeglichem Ballast, eine pure, auf Action und Atmosphäre konzentrierte Handlung. Guillermo del Toro hat das einmal mehr dünne Skript von David S. Goyer so weit wie möglich in eine Tugend verwandelt. Wir sehen eine sehr auf harte, blutige Action, gruselige Orte und fetischisierte Kostüme konzentrierte Handlung. Dazu agiert Ron Perlman als Reinhardt in der antagonistischen Rolle zu Blade und gibt diesem damit etwas zu tun. Ich mochte auch Luke Goss als schiefgegangenes Experiment Nomak, der gibt mit seiner Wut und Trauer ein bisschen Tiefe in die Handlung. Schön ist auch das ganze Kreaturen-Design, diese neuen Vampire sind wirklich gelungen, sie wirken bedrohlich, eklig und ergänzen damit die zu einfach zu tötenden Business Vampire. Diese Viecher erzeugen noch Horror in den Tiefen der Kanalisation.
                                    Das alles zusammen funktioniert dann auch eine ganze Weile erstaunlich gut. Die düstere Atmosphäre kann einen aufsaugen, der Technoclub ist wieder ganz nett gelungen und überhaupt ist die Ausstattung prächtig. Blade selbst hat aber einmal mehr nicht viel zu tun, außer OneLiner zu klopfen. Seine Motivation ist hier noch dünner als im ersten Teil, seine Aufgabe ist die eines Söldners, Gefühle oder eine Agenda kommt dabei nicht auf. Irgendwas zu töten scheint ihm völlig ausreichend. Dass Whistler rückwirkend wiederbelebt wird, ist nett, weil seine Interaktion mit Blade dem ersten Film so viel gegeben hat, nur fügt er als Figur diesem Film gar nicht viel hinzu. Wirklich problematisch fand ich die kommentarlose Entfernung von N'Bushe Wright, gerade ihre Menschlichkeit fehlt dem Film. Das sich sehr künstlich anfühlende Liebesbums mit Leonor Varelas, Nyssa ersetzt das in keiner Weise. Dieser Beziehung fehlt jede Glaubwürdigkeit und Chemie.
                                    So ist das eine ganze Weile angenehm, leider häufen sich dann die kleinen und großen Brüche im Plot Aufbau. Die ganze Geschichte ähnelt der des ersten Teils, hat aber die gleichen Momente, in denen sich alles ein bisschen blöde anfühlt. Der ganze Plan des Obervampires ist dumm. Mit den Charakteren passiert dann auch gar nichts, alle hocken in den Ecken ihrer Klischees. Richtig ärgerlich ist dann, dass man Donnie Yen nichts zu tun gegeben hat, aber wenigstens sind die Kampf-Choreografien insgesamt gut. Einziges Problem hier ist die vereinzelt eingesetzte CGI, die seltsamen Beschleunigungseffekte in einigen Kampfszenen sind lächerlich. Der Endkampf ist aber wieder einmal gut gelungen, das ist ein heftiges Erlebnis. Das knallt dann doch gut rein und schwelgt in Atmosphäre.
                                    Damit hat der Film seine Stärken, die aber nie ganz vergessen machen können, wie dünn die Geschichte ist. Es passiert eben nicht wirklich viel, man geht hierhin und dahin, dann sollen da ein paar Twists sein, ein bisschen Liebe und dann ist es auch schon wieder soweit bedrückend, schmalzig in den Sonnenaufgang zu gucken. So schön del Toros Atmosphäre ist, konnte ich das nicht ganz ausblenden und war letztendlich etwas enttäuscht. Der Film steht ganz stark für sich allein, er fügt der Trilogie wenig hinzu und kann die Figur Blade nicht abrunden. Der Konflikt um die Menschlichkeit tritt völlig in den Hintergrund und neue Ideen werden nicht eingeführt. Filmisch gelungen finde ich es aber insgesamt ist das zu kurz gesprungen…
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                                      Deciuscaecilius 28.03.2025, 16:45 Geändert 27.04.2025, 22:48
                                      über Blade

                                      Blade ist ein Klassiker, zu dem man nicht mehr viel schreiben muss, ein paar Beobachtungen zur neuen Sichtung sind aber hoffentlich erlaubt. Die Effekte zum Beispiel fallen mittlerweile negativ auf, die neunziger CGI ist schlecht gealtert und die aufpoppenden Blutblasen sind merkwürdig anzusehen. Was in einem schrägen Kontrast zu vielen praktischen Szenen und dem Make-up im Film steht. Das aus Fettemaßen bestehende Wesen Pearl verursacht heute noch Albträume, der verbrannte Vampir zum Start ist super oder selbst die erste Bullettime in einem Film bleibt in Erinnerung. Blade ist ein Genre Vorreiter für Action- und Superheldenfilme unserer Zeit. Die große Action-Szene zum Start in der Blutbad Disco samt New Order Musikuntermalung würde heute noch in einem John-Wick-Film nicht auffallen. Diese ganze Anfangssequenz ist Actionfilm Gold und daran hat sich nichts geändert. Überhaupt sind die Kämpfe hart, fühlen sich entsprechend an und sind nie unangenehm. Gealtert sind sie aber schon, für moderne Augen ist vieles etwas zu langsam, wird zu oft auf die gleichen Personen geschlagen und oft spürt man, dass der nächste Gegner einfach auf den Einsatz wartet. Das Timing könnte manchmal besser sein, es ist aber immer noch hervorragende Unterhaltung.
                                      Das ist dann aber nicht einmal die zentrale Stärke, weil es dem Film gelingt, eine Welt aufzubauen. Mit wenigen Pinselstrichen verstehen wir diese düstere Welt aus Vampiren und Menschen mit ihren Regeln und Grausamkeiten. Das gibt dem Film etwas das eine ewige Wiederholung von Weltuntergangsdrohungen allein nicht vermag. Schon dieser kauzige alte Whistler, den Kris Kristofferson brillant dahin nuschelt, hat viel Herz, ohne viel zu sagen. Sein Verhältnis zu Blade ist das Herzstück des Films, ohne dass dabei allzu viel passieren muss. Überhaupt gelingt es Wesley Snipes, das ganze cool anzulegen und doch genug offenzulassen, dass man als Zuseher in seinem Charakter ein empfindsames empathisches Wesen vermutet. Dadurch funktionieren dann die emotionalen Momente mit Whistler wie auch mit Blades Mutter. Ich bin wirklich kein Fan der slicken neunziger Bösewichte aber man muss sagen das auch Stephen Dorff seinen Part als Frost gediegen erfüllt.
                                      Das alles zusammen macht einen guten und zeitlosen Actionfilm, den man heute noch gut weggucken kann. Allein seine Ästhetik, vom kalten Corporate Design, zu den 90s Techno Clubs bis zum antiken Tempel am Ende hat einen wiedererkennbaren und besonderen Style, der die Zeit überdauert hat. Alleine daran kann man sich gut hochziehen. Der Film erinnert damit an Batman sowohl im Aussehen des Helden, wie auch in seiner Weltsicht, damit nimmt er eine düstere Phase der Comicverfilmungen voraus und wirkt wie eine Ankündigung einer neuen Zeit.
                                      Was nicht bedeutet, dass es nur gute Seiten gibt. Snipes hat seine Limitationen im Schauspiel, seine Stoik ist nicht ewig beeindruckend und der ein oder andere One-Liner ist nicht so super. Man nimmt an, dass ihn etwas berührt, man hätte das aber natürlich auch spielen können. Das Hin und Her in der Handlung kann auch nicht jeden logischen Zusammenhalt erfüllen und ob nun Blade ein überragender Kämpfer ist oder sich gerade einfach übertölpeln lässt, ist oft eher den Anforderungen des Plots geschuldet, als nachvollziehbar und fühlt sich daher nicht immer schlüssig an. Der Film hat sein Pacing noch nicht richtig im Griff und zieht sich daher manchmal. Das sind aber Probleme, die man in vielen Actionfilme finden kann, so muss man das nicht allzu dramatisch sehen. Blade ist immer noch eine Sichtung wert, ich war wieder gut unterhalten…
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                                        Deciuscaecilius 27.03.2025, 20:14 Geändert 27.03.2025, 21:40

                                        Dark Star ist John Carpenters erster Film, er ist Autor, Regisseur, Produzent und er hat die Musik dazu geschrieben. Es ist ein absoluter Low Budet Film und ein zeitloser Quatsch, der heute noch begeistert, weil er einen Nerv trifft. Kubricks 2001 ist ein großartiger Film, aber es ist euch ein Film, der ein bisschen prätentiös ist, der eine saubere und reine Vision einer Zukunft ist, die Menschen weiterdenkt, als man das glauben kann. Carpenter stellt ihm eine Parodie gegenüber, die Menschen zeigt, die sich nicht verändert haben, die Blödes tun, die rumlabern und ihre Zeit verschwenden. Sie machen das, was ihnen Spaß macht, und sind dabei so infantil, wie Menschen immer bleiben werden. Das Proletariat hat den Weltraum erobert, macht die Drecksarbeit und es sieht dann so aus, wie eine Trucker Komödie auf der Erde aussehen würde. Hier hat sich nichts weiter evolutioniert, hier ist alles beim Alten.
                                        Der Kapitalismus zwingt, die Trucker heutzutage den Abstandshalter auszustellen, auch wenn das ihr Tod sein könnte und so fliegen sie ganz folgerichtig auch in ein paar Hundert Jahren noch mit einem so kaputten Raumschiff durchs All, das es gerade noch seinen Dienst tut. Das fühlt sich viel näher an, als viele Zuseher Kubrick je kommen kommen werden. Hier wird keine Einstellung hundertmal wiederholt, bis die Hauptdarstellerin auch in Wirklichkeit psychisch am Boden ist. Hier drehen ein paar Studenten in Abschnitten, in denen das Geld reinkommt, Ideen zusammen, die sie überall geklaut haben. Der Film funktioniert, weil er nicht nur inhaltlich das Gegenteil von dem ist, was er parodieren will.
                                        Das ist hemmungsloser Unsinn, präsentiert mit ernstem Gesicht und hier und da einem philosophischen Sprenkel, ohne dass dies je groß ausgesprochen wird. Man kann in der Diskussion mit der Bombe nur die lustig hilflose Reaktion auf die unverständliche moderne Technik sehen oder sich darüber Gedanken machen, wie Realität für jedes Individuum entsteht. Letztlich widerspricht der Film einem radikalen Individualismus, indem er ihn die Welt zerstören lässt, er propagiert Gemeinschaft indem er uns zeigt, was ein Ich-denken in letzter Konsequenz anrichten kann. Das ist zugänglicher als das Vorbild und dabei unterhaltsam. Der Film setzt gerade nicht Hyperindividuen ein, sondern fehlerhafte Wesen, die zuerst den Tag rumkriegen müssen, da kann die Welt schon einmal vergessen werden.
                                        Der Film ist brutal geerdet, während er möglichst weit weg davonfliegt. Es ist Science Fiction, die ganz pragmatisch den Menschen als das sieht, was er ist und annimmt, dass er so bleiben wird. Wir werden das erste Alien so behandeln wie den letzten Dodo, das ist deprimierend, schmerzhaft und gerade dadurch lustig. Hier stellt sich jemand der Realität und kann sie vielleicht gerade deshalb verändern. Dark Star ist Trash und stolz darauf. Es ist ein zeitloser Klassiker.

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                                          Deciuscaecilius 26.03.2025, 18:46 Geändert 27.04.2025, 22:48

                                          Vampires oder John Carpenters Vampires ist ein erstaunlich leerer Film. Vampire sind mit Metaphorik aufgeladene Wesen, wir betrachten die sexuelle Unterdrückung und die Befreiung daraus, unser Verhältnis zu Sucht und Moral oder die Unsterblichkeit mit ihren Sehnsüchten und Ängsten, an ihrem Beispiel. Es sind Wesen, die durch ihr langes Leben erst die Frage nach der Sterblichkeit aufwerfen, Ewigkeit steigert alles ins Unendliche und macht es gerade dadurch sichtbarer. Carpenter entscheidet sich aber dazu, nichts davon anzusprechen, seine Vampire sind hirnlose Wesen, die zwar sprechen können, wenn es nötig ist, aber trotzdem nichts zum Kern des Films beitragen dürfen, außer die Gegner zu sein. Die Helden, und dabei speziell James Woods als Jack, sind dann aber genauso leer. Seine Motivation ist Rache, er tötet ohne Hintergrund, ist ein Jäger ohne moralischen Kompass und ohne Philosophie. Seine Brutalität und sein Zynismus wirken abstoßend.
                                          Diese völlige Abwesenheit eines klaren Gedanken oder einer Charakterzeichnung macht hier alles außerhalb der Konfrontationen zu einer zähen Angelegenheit. Dass alle Frauen in diesem Film Prostituierte sind, hilft nicht. Noch weniger, dass Sheryl Lee als Katrina nur nackt, gefesselt und geschlagen existiert, damit Männer etwas zu gucken haben und damit der charakterlose Schläger Tony, gespielt von Daniel Baldwin, eine externe Motivation für sein Handeln bekommt. Vielleicht noch schlimmer für den Film ist dann, dass auch die Action nicht gut ist. Das schwankt zugegeben etwas, aber insgesamt wirkt sie langsam, behäbig und stockend. Immer wieder frieren Situationen scheinbar ein und alles wartet darauf, dass irgendeine Waffe eingesetzt oder ein Seil reißen darf, es ist ein Spannungsaufbau, der sich veraltet und lahm anfühlt. Die Vampire wirken völlig übermächtig, warten dann aber immer wieder brav, bis die Helden soweit sind, irgendetwas zu tun. Wirklich kompetent wirkt die Vampirjäger-Truppe dann sehr selten. Die Feuereffekte wiederholen sich und sind immer gleich und so gewalttätig das alles ist, betrifft es eben eh nur Unsympathen.
                                          Ich war zutiefst unzufrieden mit diesem Film, irgendwo zwischen Langeweile, Ärger und mittlerer Spannung bei den Kämpfen zieht sich dieser gar nicht lange Film scheinbar ewig dahin. Die Integration des Katholizismus in den Film fühlt sich auch seltsam undurchdacht an. Da glaubt man zutiefst an Gott, weil es Wunder gibt, aber diese seltsam grausamen Wunder des Vampirismus werden, dann auch nicht wirklich hinterfragt. Das ist alles holprig zusammengestopft und ergibt wenig Sinn. Nein, das ist nicht gut gealtert und keine Empfehlung wert…
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                                            Deciuscaecilius 25.03.2025, 20:12 Geändert 25.03.2025, 20:26

                                            Drive-Away Dolls ist der neue Film von Ethan Coen, was auch direkt die spannende Frage beantwortet, welcher der Coen-Brüder wohl für die guten Drehbücher verantwortlich war. Das ist jedenfalls ein Roadmovie, ein lesbischer Liebesfilm und eine Gangster-Comedy in einem, wobei es von allen diesen Genres gerade das Minimum macht, um noch damit durchzukommen. Die Gangster? Ach ja, die gibt es, allerdings in der dritten Replikationsstufe von Karikaturen, sozusagen Karikaturen von Karikaturen von besseren Karikaturen. Ihre Dialoge sind quälend zäh und unendlich bemüht. Tarantino hätte das nicht einmal im Delirium zusammen geschrieben. Als Roadmovie erfüllt der Film ebenfalls die Mindestanforderungen: Wie fahren von A nach B durch langweilige Orte, die langweilig gefilmt sind. Das ist nicht interessant inszeniert, da bleibt nichts im Gedächtnis, wir merken manchmal nicht einmal, wo wir überhaupt sind. Aber es ist ein Roadmovie.
                                            Ach und da sind noch zwei lesbische Frauen, geschrieben für Männer, die auf ein paar männlichen Penissen nachgeahmte Dildos abfahren, als gelte es einen Klischee Wettbewerb zu gewinnen. Ich weiß nicht, wie lesbische Frauen diesen Film finden, aber ich bezweifle stark, dass das außerhalb der Sexyness von Margaret Qualley etwas ist, das in der Szene Eindruck machen könnte. Die Chemie zwischen Qualley und Geraldine Viswanathan ist okay, aber auch nichts Besonderes und warum genau diese zwei Charaktere zusammenpassen sollen, bleibt das Geheimnis des Drehbuchs. Im Prinzip muss das aber auch nicht erklärt werden, denn wie wir in einer anderen Szene erfahren, scheinen eh alle lesbischen Frauen miteinander rumzumachen. Die Zeremonienmeistern sagt einfach: So Rotation nach rechts und schon kuntscht man mit der Nächsten. Sicher gibt es Pornos, denen das zu billig wäre. Man könnte glauben, das ist der schlimmste Schund aus den Siebzigern, aber nein, es ist eine Parodie auf den schlimmsten Schund aus den Siebzigern. Ein Glück!
                                            Ach, außerdem ist es langweilig...

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                                              Deciuscaecilius 24.03.2025, 18:49 Geändert 27.04.2025, 22:48

                                              Bordello of Blood ist der zweite Film einer Reihe von Spielfilm-Auskopplungen der Serie Tales from the Crypt. Allerdings ist es der letzte Film, der einigermaßen aufwändig produziert wurde, denn der große Erfolg stellte sich nicht ein. Das hat auch seine Gründe, denn der Film ist sehr alberner Sexplotation Unsinn mit kaum vorhandener Story und viel Blut. Die Inszenierung lässt allerdings jede Spannung vermissen und auch die Nacktheit ist so unerotisch wie nackte Körper in der Pathologie und das ist dann nicht einmal im übertragenen Sinne gemeint, denn auch den Gag erspart uns der Film nicht. Die arme Erika Eleniak wirkt die ganze Zeit so, als hätte man sie zum Film gezwungen und alle anderen Frauen wiederum verstärken den Eindruck, dass es beim Casting nicht primär um Schauspieltalent gegangen ist. Der Film kommt dann auch folgerichtig eher frauenfeindlich rüber. Wenigstens Dennis Miller als Hauptdarsteller gibt dagegen sein Bestes, um den Kram zu einem Film zu machen. Es nützt nur nicht viel.
                                              Der Humor ist dann so schlecht das es ab und zu blöd genug ist, um damit zu punkten, so wie das Flachwitze manchmal so an sich haben. Oft sind die Oneliner aber auch einfach nur ärgerlich. Wenigstens ist der Film unter neunzig Minuten lang, wovon auch noch ein paar Minuten am Anfang und Ende auf Sketche aus der Serie fallen. Ich fürchte, viel mehr ist dazu fast nicht zu sagen. Als B-Movie Horror ist das erträglich, aber auch dafür ganz schön langweilig. Meine Meinung: Hände weg davon….
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                                                Zu ihr gesellt sich Natalie Portman als Elizabeth, die zur Familie kommt, weil sie in einem Film Gracie spielen wird. Sie ist unsere Sicht auf diese Welt, sie dringt ein und beginnt die Dinge zu hinterfragen. Sie ist aber nicht nur neutraler Beobachter, sondern auch Teil des Spiels. Sie ist die Faszination, die wir alle für das Böse, das Abseitige und das Amoralische haben, ganz speziell, wenn es um Sexualität geht. Ihr Spiel ist subtil, aber klar genug, um dieser Faszination zu erliegen. Nicht das uns Regisseur Todd Haynes wirklich erlauben wird, eine Wahrheit zu erfahren, es kommt eben gar nicht darauf an, diesen Fall in all seinen Details zu erleben, kratzt uns an den dunklen Stellen unseres Voyeurismus und unserer Sensationslust. Dass Elizabeth dann nicht neutral auftritt, sondern versucht, sich hinein zu drängen, in die Geschichte, aber dabei so tut als wäre das für die Kunst und für die Aufklärung, das gerade klärt im Wortsinn auf. Es ist ein Spiegel für das Verhalten der Öffentlichkeit, die das Eindringen in die Privatsphäre Anderer als öffentliches Interesse bezeichnet. Die Lüge aufzudecken fällt schwer, aber der Film zeigt, dass das die Faszination dazu führt, dass sie in den Mißbrauch einsteigt und der Film offenbart die Tatsache, dass am Ende gar keine Kunst, sondern durch diese reine Nachahmung, nur noch Kitsch entsteht.
                                                Last but not least ist da Joe, gespielt von Charles Melton, der als Opfer des Missbrauchs ein seltsam falsch wirkendes Leben führt. Diese Darstellung ist dann auch die Einzige, die nicht unter einen komischen Aspekt gerät. Haynes achtet sichtlich darauf, dass dieser Kontrast erhalten bleibt. Mit seiner absoluten Ernsthaftigkeit und seiner kindlichen, ja unschuldigen Ausstrahlung bleibt Joe immer Mittelpunkt des Dramas, aber wird niemals vorgeführt. Seine lieben Versuche, diese Familie zu beschützen und es jedem recht zu machen, die Kinder auf dem Weg zum College und damit in die Freiheit zu begleiten, sind herzerweichend süß. Ehrlich gesagt habe ich gerade, weil der Film eine Satire ist, gerade weil er immer wieder mit dem Publikum spielt, weil er uns mit seiner Musik regelrecht verspottet in unserem Voyeurismus, in diesem Film diese Ebene von Missbrauch intensiver gespürt als wäre das offener erzählt worden. Gerade der Sex zwischen erwachsenen Frauen und sehr jungen Männern, eben noch Jungen, wird gerne filmisch glorifiziert und hier bekommt man die Folgen auf eine Wiese gezeigt die stärker wirkt, als es Boulevardblätter vorgeben darzustellen. Durch den Spiegel der Kunst wird das Drama klarer, obwohl es in einer so künstlichen Anordnung präsentiert wird.
                                                Der Film arbeitet dabei mit Schönheit, dieses Haus ist absurd hübsch, das Wetter ist die ganze Zeit prächtig und diese Schmetterlinge, die Joe züchtet, sind ein Wunder der Natur. Das soll alles ablenken und gleichzeitig aufklären. Es ist eine Fassade, die Familie wie auch diese ganze Welt. Die Schmetterlinge sind weniger subtil, ihre Transformation ist eine Entwicklung, der liebevolle Joe ermöglicht ihnen diese Prozesse ganz frei und ungestört, um sie danach auf ihre große Reise zu schicken, so wie er das mit den Kindern auch tun wird. Gracie dagegen ist Jägerin, sie streift durch die Natur und serviert danach selbst geschossene Wachtel. In diesem Film haben Jäger und Beute zu einem Paar zusammengefunden und wohl niemand wird das für ein gutes Verhältnis halten. Das Wetter scheint dann auch gegen Ende des Films umzuschlagen. Vielleicht beginnt hier der Regen einzusetzen, um die Welt endlich von dieser falschen Schönheit reinzuwaschen.
                                                Der Film ist ein Kunstwerk, in dem jede Kameraeinstellung seine Bedeutung hat. Jede der Spiegelszenen erzählt uns etwas über diese Menschen, jede Blume, die in ein Arrangement nach Gracies Vorlieben gezwungen wird, sagt etwas aus und jede Überbelichtung, die uns grell in die Kamera knallt, ist Metaphorik. Der Film ist davon voll bis zum Umkippen und das kann dann auch zu viel werden. Seine Komik ist hart und seine Naturgeräusche dominant. Alle spielen hier Theater, die nominelle Schauspielerin Elizabeth sowieso, aber auch alle anderen. Überfrachtet könnte man das nennen oder sich davon einfach bezaubern lassen. Man weiß trotzdem manchmal nicht, was man davon halten soll, wenn man spürt, wie sich ständig die Spannung steigert. Überhaupt ist diese Spannung ein merkwürdiges Element. Von der ersten Minute an liegt sie in der Luft und man beginnt sich zu fragen, ob sie sich überhaupt auflösen kann. Was ist denn jetzt die Wahrheit und damit das Ende? Wohin kann uns diese Spannung bringen in dieser vollständig ambivalenten Welt?
                                                Ich war einen Moment lang nach dem Film zutiefst enttäuscht, weil es so banal zu Ende geht. Ein kleiner Twist, eine Erkenntnis, dass sich hier niemand zu großer Kunst aufrafft, dass niemand etwas verstanden hat. Was also bleibt davon?
                                                Hoffentlich haben wir durch die Kunst etwas gelernt, hoffentlich etwas gespürt, das größer ist als der True Crime Podcast, der Zusammenhänge aneinanderreiht und damit Aufklärung verspricht. Die Kunst hat gerade keine Verpflichtung zur Aufklärung und kein Recht dazu, mich darüber anzulügen. Daher muss man sich einfach konfrontieren lassen, lachen wenn es zu wenig Hotdogs gibt und weitermachen in der Hoffnung, dass die Schmetterlinge in Mexiko ankommen und dass Elizabeth gut für ihren Film bezahlt werden wird. Vielleicht wartet dann sogar ein Oscar auf sie, dafür, wie wunderbar überzeugend ihr Lispeln ist und wie authentisch sie diese Gracie erfasst hat. Der Öffentlichkeit wird dabei nur Kitsch präsentiert, aber Todd Haynes hat uns hinter die Kulissen blicken lassen. Er hat Missbrauch gezeigt, durch die Medien, wie der Öffentlichkeit und er hat uns gezeigt, wie lange Opfer manchmal im Sog der Ereignisse gefangen bleiben. Eine Weile waren wir dabei Komplizen und vielleicht hinterfragen wir deshalb zukünftig unseren eigenen Voyeurismus mehr.
                                                Das ist ein wirklich guter Film...

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                                                  Deciuscaecilius 22.03.2025, 11:55 Geändert 27.04.2025, 22:48

                                                  “The Addiction” ist ein schwieriger, schwer zu bewertender Film. Die Grundidee ist simpel: Kathleen ist Philosophiestudentin in New York und wird eines Nachts von einer fremden Frau in den Hals gebissen. Der Film lässt uns dann die Veränderungen erleben, die Kathleen durchmacht.
                                                  Fangen wir mit dem Positiven an, der Film sieht wunderbar nach neunziger Jahre aus. Das Ganze ist zwar in kräftigem, kontrastreichem schwarz-weiß gehalten, aber ansonsten sehen wir New York als eine bedrohliche, pulsierende und irgendwie auch anziehende Stadt wie so oft. Das ist schön in Szene gesetzt, genauso wie die Bilder von Sucht und Not, wenn sich Körper embryonal krümmen oder rastlos im Bett rotieren, wenn die Figuren über einen Spiegel miteinander sprechen oder hinter Bücherstapeln zu verschwinden drohen, konstruiert der Film interessante filmische Allegorien. Das sieht alles gut aus, es hat diesen Arthouse-Style der Zeit, das wirkte auf mich. Der Film produziert eine Eindringlichkeit, die in jedem Bild Ideen verspricht und damit fesselt. Dazu mag ich wahnsinnig Lili Taylor als Kathleen, ihre unterkühlte Art, die leeren Blicke in eine unklare Zukunft, die Entschlossenheit und der Schmerz stehen ihr. Der kurze Auftritt von Christopher Walken als Peina kommt dann auch gelegen.
                                                  Die Botschaften dagegen lassen mich zwiegespalten zurück. Sicher geht es um die Natur der Sucht, des Bösen und der akademischen Bildung, aber hier knarzt es im Film Gebälk. Wenn Kathleens These für eine Doktorarbeit auf: „Philosophie ist Propaganda“, zusammenläuft, dann ist das dümmlich. Überhaupt präsentiert sie die simple Idee, die Philosophie solle mehr Praxis üben in einer Doktorarbeit, als wäre es Erkenntnis Gold. Der Film wirft viel mit bedeutungsschwangeren Worten um sich und schneidet Bilder von Massakern der Menschheitsgeschichte dahinter. Sicher wirkt das tiefgründig, aber am Ende sind die Philosophieabrisse viel Namedropping und meist geht es um Moral und gar nicht wirklich um Philosophie. Die Natur des Bösen soll dann mit Sucht verbunden werden, der Mensch ist Böse und seine Sucht danach ist dann schuld an diesen Massakern? Als wäre Hitler gewaltsüchtig gewesen, wie unsereins nach Zigaretten, das ist mir alles zu prätentiös. „Selbstoffenbarung ist die Vernichtung des Selbst.“, oder „Wir sind nicht Sünder, weil wir sündigen. Wir sündigen, weil wir Sünder sind.“, wird dann philosophiert, immer in der Hoffnung, dass kein Philosoph im Publikum sitzt und einen Eimer braucht. Da wirkt der Film, als hätte er statt Philosophie Kalendersprüche studiert. Ich mochte das gar nicht. Der Film hat zu den Bildern menschlicher Gewalt rein gar nichts zu sagen, er tut nur so.
                                                  Mit der Sucht ist es dann nicht viel besser. Die Not Blut zu trinken hat etwas mit Sucht gemein und einige Vampirfilme thematisieren das mehr und weniger. Sie zeigen dann die Not der frisch Vampirisch Infizierten und ihr Leiden, wenn es kein Blut gibt. Wir kennen das aus „Near Dark“, „Interview with a Vampire" oder „Cronos", aber in diesen Filmen hat die Sucht reale Konsequenzen. Menschen müssen dafür sterben, die Jagd ist unangenehm, die frischen Vampire hadern mit sich und der Situation. Das versucht „The Addiction“ auch und einige der Bilder wirken, wir sehen auch einen gewissen Kampf. Was fehlt, sind Konsequenzen. In einem surrealistisch künstlerisch verkopften Film über die Natur des Menschen wirkt das alles nicht real, soll es vielleicht auch gar nicht. Das ist eine Spielerei, eine Philosophiestunde für Anfänger. Noch weniger funktioniert das, wenn wir es mit den Auswirkungen von echter Sucht vergleichen. Nichts in dem Film hat den Impakt, den zum Beispiel der im selben Jahr erschienene „The Basketball Diaries“ oder “Trainspotting” ein Jahr später haben werden. Hier geht der Film gerade bei seinem im Namen versprochenen Thema eine viel zu kurze Strecke.
                                                  Bleibt, und da gebe ich Punkte, die Natur der akademischen Bildung. Kathleen scheint Phasen zu durchlaufen. Sie ist zuerst gespannt und aufgeregt, sie diskutiert und stellt die Dinge infrage. Dann aber bricht ein Zynismus durch, die Erkenntnis hat sich in viele Pfade aufgespalten, die Welt ist kompliziert und ambivalent, nach allgemeiner Moral wird gar nicht jeder verurteilt. Sie ist wütend und lehnt ihre Lehrer und Mitschüler ab, benutzt sie für ihre vampirische Seite. Dann kommt ein neuer Lehrer, er beruhigt sie, strahlt Erkenntnis aus, die erst entsteht, wenn man abgeklärt ist, alles gesammelt hat und weiterdenkt. Mit neuer Begeisterung geht sie wieder ans Werk, nur um festzustellen, dass alles nicht real genug ist. Die Angst vor der Zukunft bricht durch. Was soll mit dem Wissen passieren, wie soll es im Leben oder in einem Job helfen? Die Wut führt zur Zerstörung in der Metaphorik wie in der filmischen Handlung, wir sehen die blutigste Szene des Films. Es ist ein Massaker der Zukunftsangst und Wut. Hier ist der Film ganz bei sich, er bildet etwas ab, das anschlussfähig ist. Die Frage für mich ist aber, was das mit Vampiren zu tun hat? Musste es dafür ein Blutsauger sein und was ist mit dem Rest? Ein paar Bilder aus dem KZ um zu beeindrucken oder um etwas sagen zu wollen?
                                                  Der Film ist solide für einen neunziger Indie Film, gut gefilmt und gut gespielt aber er springt mir zu kurz in seinen Ideen. Oder vielleicht auch zu weit, das ist schwer zu sagen. In „Nadja", einem ein bisschen ähnlichen Film aus demselben Jahr, ist das alles Deadpan Humor, dort macht man sich lustig über genau dieses Prätentiöse hier. Ist das alles also nur Satire und ich überanalysiere das nur? Vielleicht, vielleicht auch nicht, mein Film ist das jedenfalls nicht. Das könnte aber in ein paar Jahren noch einmal einen Blick wert sein, hier hat jemand viel Leidenschaft versenkt…
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                                                    La chimera ist ein besonderer Film, ein leises Werk, das wie seine Protagonisten träumt. Ein Genre ist hier schwer zu bestimmen, es ist vermutlich magischer Realismus, den wir hier sehen. Wir sehen diese armen Dörfler in Italien, die hier leben, als wäre es nicht 1980 sondern 1880 und sie leben von noch älteren Zeiten. Was könnte weniger nach Zukunft riechen als Grabräuberei? Es ist eine Welt, die ganz unmetaphorisch von der Vergangenheit lebt. Alice Rohrwacher erzählt genau darüber, über ein Italien zwischen der glorreichen Vergangenheit und der unbestimmten Gegenwart. Da hocken diese Machismo Männer im Dorf herum, ehrliche Arbeit gibt es nicht viel, oder jedenfalls macht das nicht so viel Spaß, aber sie machen sich auch keine Gedanken darüber. Sie leben als wäre es immer noch früher, die Frauen mögen wegziehen und die leeren Häuser zukünftig von Flüchtlingen besetzt werden, der Machismo der Männer verändert sich nie.
                                                    Mittendrin in diesem Schlamassel ist Josh O'Connor als Arthur, der mit esoterischen Kräften ausgestattet die Vergangenheit sucht. Sei es nun die Erinnerung an seine Ex-Freundin, die alte Glorie Italiens oder einfach nur ein Einkommen. Jedenfalls gräbt er nicht nur Antiquitäten, sondern merklich auch sich selbst aus. Jedes Stück, das er birgt, jeder Moment im Dunklen scheint seine Seele aufzufressen, kratzt er sich und seine Kleidung Stück für Stück weg. Augen für das Neue hat er jedenfalls nicht. Dass die Zukunft in Gestalt der spröden und wunderbaren Carol Duarte als (wenig subtil) Italia im zweiten Stock wohnt, mag uns als Liebesgeschichte erscheinen, aber es ist kompliziert mit der Liebe zu Italia…
                                                    Das ist ein wunderbar schöner Film, der uns dabei aber nicht nur Schönes zeigt. Ganz im Gegenteil ist hier ganz unversteckt zwischen italienischen Landschaften und stetig verfallenen Palazzos viel Elend zu sehen. Die Alten, die sich noch festkrallen an den Stolz der Vergangenheit, Arthur, der in einer Hütte wohnt, die in der Favela nicht auffallen würde, und natürlich Italia, die Dienerin im Haus des vergangenen Reichtums. Es ist ein ehrliches, aber bedrückendes Bild Italiens, das wir hier zu sehen bekommen. Es ist brillant gefilmt, aber bedrückend anzuschauen.
                                                    Es hilft nicht nur in der Vergangenheit zu leben, auch wenn sie hier als Film schöne Kunst macht. Die große Fabrik über dem Gräberfeld am Meer sieht mehr nach Zukunft aus, als man hier wahrhaben möchte. Stattdessen wird geplündert. Dieser Moment, als der himmlischen Cybele der Kopf abgeschlagen wird, ist ein so schmerzhafter Moment, als wäre man in einen Horrorfilm geraten. Da bricht dann nicht nur in Italia, sondern auch bei mir als Zuseher die Wut aus über diese Schändungen. Nun muss man sich aber Kunst und Vergangenheit leisten können, meist indem man etwas tut, das Wertschöpfung für die Zukunft ist. Was ist aber, wenn die Zeit stillsteht und die Vergangenheit alles von Wert ist, was man hat? Was ist, wenn Leben heißt, das zu zerstören, was man liebt?
                                                    Ein Troubadour singt hier Lieder auf den Helden Arthur, der mit seinem magischen Gespür die Vergangenheit versilbern soll, und surreal mutet das an. La Chimera ist fantastisches modernes Kino, das sperrig zwischen Komik und Drama schwankt. Es ist eine Liebeserklärung an Italien und eine Reise zwischen den Lebenden und den Toten. Es zeigt uns die Feiern und Feste in den alten Dörfern und die trüben Tage dazwischen. Es ist Kunst, die wir uns glücklicherweise noch leisten können…

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