DerDude_ - Kommentare

Alle Kommentare von DerDude_

  • 3

    Man fragt sich wie Mel Gibson all die Jahre seit seinen kontroversen Aussagen und seinem Verschwinden aus dem Rampenlicht verbracht hat.
    Die Welt seit Gibsons letzter Regiearbeit APOCALYPTO ist eine andere geworden und doch regieren dieselben Probleme. Noch immer gibt es sinnlose Kriege und abtötendes Klassendenken. In den Zeiten der schlimmsten Grausamkeit, in der die Fairness keinen Zug mehr hat, kann nur eine selbstlose Tat alles wieder in Ordnung bringen. Ein neuer BRAVEHEART müsste her um mit all dem noch einmal aufzuräumen. Und tatsächlich, Gibson findet ihn: Soldat Desmond Doss, der in der Schlacht um Japan während des zweiten Weltkrieges, unzähligen Soldaten das Leben rettete, sich selbst aber weigerte eine Waffe auch nur zu berühren.
    HACKSAW RIDGE ist Gibsons großer Heldenlobgesang auf jenen Soldaten Doss und Gibson nutzt keine Gelegenheit aus, es zu der Gemetzel- und Pathosorgie zu machen, für die man Gibson kennt.
    In kitschigen Erlöser-Bildern macht uns Gibson klar, das Soldat Doss (Grinsebacke Andrew Garfield) nichts weniger als ein moderner Jesus ist, der von seiner Umwelt missverstanden wird. Der, dazu kommende, religiöse Aspekt des Filmes tut sein übriges, wenn eine Bibel zu dem großen Hoffnungsobjekt während Doss Militärszeit stilisiert wird. Weiterhin bedient sich Gibson an jedem vorstellbaren Klischee des Biopic-Genre, Krönung ist mal wieder der gebrochene Vater, der seine Verbitterung über die Welt nun zur Erziehung macht. Gibson greift diese Elemente nicht nur aus, er überspitzt sie vollkommen und lässt sein Werk an die Grenzen der Selbstparodie verkommen.
    In den Kriegsszenen gibt Gibson dann wieder alles: Zertretene Gesichter, herumfliegende Gedärme, permanenter Kugelhagel. Wenn Gibson seinen religiösen Fetisch mal nicht auf der Leinwand auslebt, dann aber seinen Gewaltfetisch. Kaum ein Antikriegsfilm der letzten Jahre badet so genüsslich in Blut und Hirnmasse wie dieser hier. Die Überzeugung seines Protagonisten, Gewalt zu vermeiden, scheint Gibson selbst nicht verinnerlicht zu haben. Am Ende ist HACKSAW RIDGE ein lächerlicher Film, der sich irgendwann jegliche Relevanz selbst nimmt.
    Am Ende ist der Krieg nur ein Vehikel, ein Mittel zum Zweck innerhalb der Filmhandlung, das Desomond Doss vom missverstandenen Außenseiter zum gottgesandten Erlöser macht.
    Und so darf man sich als Zuschauer zurücklehnen: Der nächste Krieg kann kommen, denn es gibt ja Männer wie Desmond Doss.

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    • 9
      • ALLES WAS KOMMT ist wohl mein ärgerlichstes Versäumnis dieses Jahr. Filme mit Isabelle Huppert lohnen generell immer und dann auch noch mit solchen Lobeshymnen. Wird nachgeholt, genau wie CEMENTERY OF SPLENDOUR vom tollen Weerasethakul.
        Sonst eine sehr stabile Liste mit vielen, zu oft unter den Radar gefallenen Werken (BROOKLYN oder Herzogs Doku IN DEN TIEFEN DES INFERNOS).
        Kleine Frage: Lohnt LOVE & FRIENDSHIP auch wenn man mit Jane Austen Romanen und deren Verfilmungen generell wenig bis gar nichts anfangen kann ?

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        • "Ich liebe dich"
          "Ich weiß..."

          Ruhe in Frieden, Prinzessin und Kindheitsheldin...

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          • Eine sehr schöne Liste !

            Zugegeben, in meinen Augen ist Refns THE NEON DEMON mit Abstand einer der herausragensten Filme des Jahres, aber Vega wird wohl in diesem Leben kein Refn-Fan mehr. Was ich aber nie verstanden habe: Ein Dario Argento drehte Horrorfilme immer ziemlich nach dem Standard Kochbuch. Es war erst sein audiovisueller Stempel, der die Filme einzigartig machte.
            THE NEON DEMON ist nur zu einem gewissen Grad ein Horrorfilm, wie er mit Verweisen auf diese um sich wirft. Die Bilder des Filmes würde ich gar nicht mal als hohl bezeichnen, obwohl sie etwas Hohles abbilden. Sie generieren Assoziationen und Wirkung. Sie verfremden, stossen ab und betören doch gleichermaßen. Das kann man jetzt originell oder weniger originell finden, aber hohl ist was anderes.

            Ein fettes "Gefällt Mir" an dieser Stelle geht an den Text zu THE BIG SHORT. Was diesen Film so wertlos macht ist seine Arroganz. Der Zuschauer verlässt den Kinosaal mit der Einstellung "Die dummen Bänker". So geht Finger-Zeigen par Excellence. Interessanter wäre es gewesen, mal darzustellen wie eine Affektion für Gier in jedem Menschen vorhanden ist anstatt den Fehler immer nur bei Leuten zu suchen, die nicht "Wir" sind.

            Und was Herrn Moore angeht: Seine Selbstliebe kannte noch nie Grenzen. Er ist Meister darin, möglichst hahnebüchne Thesen mit zahnlosen Beispielen zu untermauern. Was THE BIG SHORT so wertlos macht, praktiziert ein Michael Moore seit Jahren.

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            • 7 .5

              Enthält Spoiler

              Wer einmal ein Buch gelesen hat, dessen Inhalt einen nicht nur packt, sondern nahezu völlig in sich aufsaugt, der kreiert vor seinem geistigen Auge eine Zwischenwelt jenseits von Raum und Zeit. Da sind zum einen die Worte eines Anderen, aber die Bilder entwirft man selbst. Man selbst ist verantwortlich für den Zusammenhang der sich aus den Eindrücken gebiert. Kann man ihn nicht für sich selbst enträtseln, so bleibt einem das Buch verschlossen.
              NOCTURNAL ANIMALS ist ein Film über diesen Zustand, losgelöst von unserer irdischen Welt und Denkweise. Amy Adams erhält als Susan Morrow den verstörenden Roman ihres Ex-Mannes und erschrickt bei weiterem lesen immer weiter vor dessen Inhalt und der Tatsache, dass das Buch ihr gewidmet wurde.
              Eine Erzählung von einem grausamen Verbrechen und einer verzweifelten Rache und sie ist dessen Auslöser. Als Zuschauer tappen wir zunächst durch die traumwandlerischen, überstilisierten Bilder von Tom Ford durch die Dunkelheit. Nur die "Geschichte in der Geschichte" (ein Konzept das Ford hier interessant neu erfindet) wirkt für uns schlüssig, auf sie können wir uns, in sich geschlossen, den größeren Reim machen.
              Erst gegen Ende hin wird die Verbindung zwischen Realität und Fiktion klar wenn wir erfahren, was Susan ihrem Ex-Mann Edward (Jake Gyllenhaal) angetan hat.
              Susan suchte, wie nahezu jeder Mensch, sowohl das Abenteuer, als auch die Sicherheit. In die Sicherheit mündete schließlich ihr Leben, aber so sehr das es nun festgefroren wie Eis wirkt. Wie schon in A SINGLE MAN dekonstruiert Tom Ford erneut die zwischenmenschliche Oberfläche, während er sie vergoldet. In dem völlig grotesken, fast schon entarteten, Vorspann des Filmes wird uns die Kunst, der sich Susan nun widmet, vor Augen geführt: Alles dient nur noch der Reaktion, aber ein tieferer Inhalt ist kaum bis gar nicht mehr erkennbar, Hauptsache es schockt uns in irgendeiner weise. Das Abenteuer war für Susan die leidenschaftliche Beziehung zu Edward, aber ihre Angst vor dessen Unfähigkeit, für eine sichere, gemeinsame Zukunft zu sorgen, brachte sie zu der kaltblütigen Tat, sich von ihm zu trennen und dessen Kind abzutreiben. Der Mensch hat sein inneres Tier erlegt.
              Die Verbindung zu Edwards Roman "Nocturnal Animals", erschließt sich, wie bereits gesagt, erst mit zunehmender Laufzeit. Das Thema dieses Romanes, und auch ein (zumindest in meinen Augen) wichtiges Thema des gesamten Filmes, ist die Fragestellung : Wann ist ein Mann ein Mann ?
              In seinem Roman kann Tony, das Alter Ego (?), von Edward, seine Familie nicht vor dem triebhaft abartigen Ray Marcus (Aaron Taylor-Johnson in einer tatsächlich exzellenten Performance) beschützen und verliert diese schließlich. Stärke erhält er erst durch die Hilfe einer Urvorstellung von Männlichkeit, eines texanischen Sheriffs (ebenfalls großartig: Michael Shannon), aber sie geht nicht von ihm selbst aus.
              Tony hat in seiner maskulinen Rolle als Beschützer des Familienbildes versagt. Genauso scheint es das Edward seine Frau Susan und schließlich sein Kind, an einen Mann verliert, der sich die Dinge lieber einfach nimmt, als nach ihnen fragt. Dementsprechend ist Susans neuer Mann ihr gegenüber untreu und lässt sie vereinsamen.
              Unseren inneren Tiere sollen von den Jägern erlegt werden, doch in der Dunkelheit ist das ein schwieriges Unterfangen. Und jene Tiere werden immer einen Ort zum verstecken finden. Ford visualisiert diesen Kampf in ästhetischen Bildern. Seine größte Schwäche ist wahrscheinlich seine mangelnde Subversivität, doch in NOCTURNAL ANIMALS hat mir das noch geschmeckt. Vielleicht sollte er sich für seinen nächsten Film wieder einen etwas bodenständigeren Stoff aussuchen, doch dieser Film hier funktioniert noch genug.

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              • Gefällt mir, weil Adam Sandler

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                • Liste brauch mehr THE NEON DEMON und weniger von....naja... ner ganzen Menge...

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                  • Ganz großer Einspruch bei GAME OF THRONES (Spoiler Incoming) :
                    Wo bitte entsteht der Eindruck, bei der Vergewaltigungsszene würde es sich um eine männliche Figur drehen ? In dem gesamten Handlungsstrang um die Hochzeit von Ramsay Bolton und Sansas Leidensweg hat Theon eine untergeordnete Rolle. Er ist der wortkarge, emotional völlig traumatisierte Diener von Ramsay geworden, das Hauptaugenmerk dieser Handlung lag klar bei Sansa. Erst gegen Ende wird Theon wieder wirklich relevant.
                    Eine Szene "dient" nicht immer nur der Weiterentwicklung einer Figur, gerade nicht bei einer Serie wie GAME OF THRONES, die so viele Charaktere beherbergt. Die Vergewaltigungsszene führt sowohl den Charakter von Theon, als auch Sansa weiter. Sansa ist in diesem Moment endgültig in ihrer privaten Hölle angekommen, da ihr das Monster Ramsay Bolton erst jetzt wirklich bewusst wird. Es ist der Moment, der Sansa bricht und durch den sie schließlich kaltblütiger wird, etwas das ihre Geschwister (Jon und Arya) längst geworden sind.

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                    • 9

                      In seinem Herzen ist Vera Chytilovás Experimantalfilm TAUSENDSCHÖNCHEN ein zutiefst buntes, verspieltes und eskapadenreiches Wunderland, doch immer wieder kündigt sich im Film ein Unheil an: Schon während des Vorspanns sehen wir Maschinen, die im unerbittlichen Rhythmus arbeiten, begleitet von strenger Marschmusik, die nur dann anhält, wenn eine Explosion eingeblendet wird.
                      Die Bobon-Inszenierung des Filmes längt nur bedingt davon ab, dass die Welt in der TAUSENSCHÖNCHEN spielt, vor einer Apokalypse steht.
                      Die beiden Protagonistinnen Marie und Marie, scheinen das schon bei ihrem ersten Auftritt verstanden zu haben. Jede ihrer Körperbewegungen knarrt und knarscht, noch hängen beide an den Fäden der Konventionen. Doch die gilt es, nun zu zerreißen. "Die Welt ist verdorben, also lasst uns auch verdorben sein" verkünden beide entschlossen, kurz bevor sie sich in den Garten Eden ohrfeigen, um dort Adam und Evas Sündenfall zu wiederholen und zu parodieren. Beide Mädchen sind purer Anarchismus und doch wirken sie den gesamten Film über unschuldig. Wie trotzige Kinder, die gerade verstanden haben, wie groß die Welt im Vergleich zu ihrer bescheidenen Existenz ist.
                      In den, gerade einmal, 70 Minuten die TAUSENDSCHÖNCHEN läuft, werden etliche gesellschaftliche Sitten auf den Kopf gestellt. Marie und Marie erfreuen sich in einem Nachtlokal ausgelassen an der Musik, und werden kurzerhand herausgeworfen, weil sie nicht wie alle anderen, eingemeißelt auf ihren Stühlen sitzen bleiben. Dann wären da die Männer, die beide erst um den Finger wickeln, ihnen den letzten Nerv rauben und sie schließlich sitzen lassen. Weibliche Sexualität (oder besser: Männliche Vorstellung von weiblicher Sexualität) wird zur reinen Farce. Alltägliche Gegenstände werden völlig zweckentfremdet, bis beide schließlich in einer surrealen Sequenz mit einer Schere auf den Film selbst losgehen. Und als Höhepunkt darf ein burgeoises Abendmahl geschändet werden.
                      Die Sitte als arrogante Behauptung, die uns nur von unserer Zerstörung und unserer Unvollkommenheit ablenken soll und die nur eine Spielwiese für die zwei Pippi Langstrumpf-Gören darstellt.
                      Selbstverständlich ist TAUSENDSCHÖNCHEN wegen seiner vehemmenten Nicht-Dramaturgie und seiner dadaistischen Inszenierung und permanent wechselnden Farbfilter ein Werk, das vielschichtig interpretiert werden will. Aus heutiger Sicht kann man hier irgendwo einen Film über Nihilismus, vielleicht auch etwas feministisch angehaucht, die Entstehung des Filmes hängt mit dem Prager Frühling der Tschechoslowakei und dessen Liberalisierung zusammen. Diese Auflehnung gegen ein gesittetes Wertesystem beendet Regisseurin Chytilová mit einer zynischen Widmung : "This film is dedicated to all the people indignant only when their salads are trampled." Leben kann ausgelöscht werden, Häuser zerstört werden, Bomben können fallen, aber an uns geht das vorbei, solange sich im Restaurant alle benehmen können.
                      Die Tatsache, dass TAUSENDSCHÖNCHEN nach dem Ende des Prager Frühlings dann auch schnell im Heimatland verboten wurde, ist ironischerweise die größte Auszeichnung die man dem Film geben konnte. Dadurch das der Film in seinem Gaga-Look kaum vergleichbar ist, wird er zeitlos. Auch heute in der Welt des 21sten Jahrhunderts glauben wir Menschen immer noch, unfehlbar zu sein, während wir uns selbst vernichten. Nichtigkeiten und politische Korrektheit um jeden Preis sozusagen. In meinem persönlichen Wunderland wird TAUSENDSCHÖNCHEN jedenfalls allen sebsternannten "Social Justice Warriors" in der Endlosschleife vorgespielt.

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                      • 7
                        DerDude_ 16.12.2016, 08:24 Geändert 16.12.2016, 08:24

                        Was läuft ?
                        Hab mir vor kurzem die Emmanuelle Béart-Collection geholt, wo auch dieser gefeierte Jacques Rivette-Film DIE SCHÖNE QUERULANTIN enthalten ist. Entgegen meiner Erwartungen enthielt diese allerdings nicht die 240 minütige Kinofassung sondern eine Alternativ-Version welche sich "Divertimento" nennt und nur 120 Minuten lang ist. Rivette hat für diese Fassung wohl alternatives Material benutzt und dem Film andere Facetten abgewonnen.
                        Meine Frage hier : Kennt sich jemand mit dem Film und beiden Fassungen aus und was würde dieser mir raten ? Diese Fassung ungestört einfach ansehen oder doch erst zur längeren Kinofassung greifen ?
                        Danke im Vorraus

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                        • DIE 120 TAGE VON SODOM

                          Lässt in meinen Augen selbst Gore-Orgien wie A SERBIAN FILM oder MARTYRS immer noch völlig alt aussehen. Was DIE 120 TAGE VON SODOM so schrecklich macht ist, wie er den Menschen mitsamt dessen Geist und Körper immer wieder entwurzelt, bis zu dem Punkt das man nicht mal sich selbst sagen kann: Ist doch nur ein Film.
                          Die Demütigung mit der die Menschlichkeit in diesem Film geschändet wird dürfte, egal wie man zu dem Film nun steht, niemanden kalt lassen.

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                          • Glaube immer noch das der Franchise-Wahn irgendwann in sich zusammen fallen wird.
                            Disney und Co mögen weiterhin ihre Massenware abliefern die sich immer wieder gut verkaufen wird. Nur der Umfang in dem dies geschieht kann nicht auf die Dauer gut gehen. Irgendwann wenn der Xte Nebencharakter aus Marvels Superheldenlachparade sein drittes Spin-Off bekommen hat, der 26ste Teil von CARS auf dem Markt ist und schließlich der klavierspielende blaue Elefant aus Jabbas Palast seine eigene Trilogie bekommt, wird selbst der größte Die-Hard-Fan genug haben.
                            Bei DC und seinen BATMAN V SUPERMAN und SUICIDE SQUAD, die sowohl bei Fans durchfielen, als auch nicht den gewünschten Kassenerfolg erzielten, kann man diese Zeichen schon sehen.
                            Ich würde es persönlich Marvel gönnen: Ein dritter AVENGERS-Teil, der das Doppelte der vorherigen Teile an Budget auffrisst und an der Kasse schließlich wehleidig untergeht und somit alle Superhelden in die Bedeutungslosigkeit einstampft, in die sie gehören.

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                            • So, mal wieder Zeit für ne kleine Vorhersage. Here we go:

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                              Bester Film - Komödie oder Musical : LA LA LAND. Keine Konkurrenz. So sehr ich es SING STREET (<3) auch wünschen würde. Aber sehr schön das er es in diese Auswahl geschafft hat. DEADPOOL hingegen stört den Blick sehr enorm.
                              Bester Hauptdarsteller - Drama : Casey Affleck - MANCHESTER BY THE SEA. Auch hier völlig eindeutig.
                              Bester Hauptdarsteller - Komödie oder Musical : Ryan Gosling - LA LA LAND. Hier sehe ich auch nicht wirklich ne Konkurrenz. Ryan Reynolds - DEADPOOL hat hier nix verloren. Schön Colin Farrell für THE LOBSTER zu sehen, würde diesen Film aber nicht unbedingt zur Komödie zählen.
                              Beste Hauptdarstellerin - Drama : Natalie Portman - JACKIE. Auch völlig klar. Schön Isabelle Huppert für ELLE hier vertreten zu sehen.
                              Beste Hauptdarstellerin - Komödie oder Musical : Knifflige Sache zwischen Annette Benning - 20TH CENTURY WOMEN und Emma Stone - LA LA LAND. Denke aber das Emma Stone sich das Teil hier holt.
                              Bester Nebendarsteller : Mahershala Ali - MOONLIGHT. Sehe auch hier keine Konkurrenz.
                              Beste Nebendarstellerin : Viola Davis - FENCES. Ebenso.
                              Beste Regie : Schwierigste Kategorie. Würde spontan mal auf Damien Chazelle für LA LA LAND tippen, aber Barry Jenkins hat mit MOONLIGHT auch ein Wörtchen mitzureden. Und Kenneth Lonergan für MANCHESTER BY THE SEA würde ich ebenso nicht ausschließen. Schön Tom Ford für NOCTURNAL ANIMALS hier zu sehen.
                              Bestes Drehbuch : Entweder MANCHESTER BY THE SEA oder MOONLIGHT. Hier hat ersterer vielleicht bessere Chancen.
                              Bester fremdsprachiger Film : TONI ERDMANN. In Anbetracht das ELLE gestern den Critics Choice Award gewonnen hat sollte man dem Film Chancen einräumen, denke aber das unser deutscher Botschafter hier trotzdem das Rennen macht.
                              Bester Animationsfilm : ZOOMANIA. Ebenfalls bereits entschieden.
                              Beste Musik : Wird wohl auf LA LA LAND oder ARRIVAL hinauslaufen. Vielleicht hat MOONLIGHT hier auch was zu melden.
                              Bester Song : "City of Stars" - LA LA LAND. Wieder eindeutig. Enttäuschend keinen der Songs aus SING STREET hier zu finden.

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                              • DerDude_ 10.12.2016, 16:38 Geändert 10.12.2016, 16:41

                                https://www.youtube.com/watch?v=xKq39e7SBOE

                                Ärgernis. Werde ONE MORE TIME WITH FEELING wohl leider erst zum DVD-Release in England sehen.
                                Aber sehr feine Liste Jenny mit gutem Zeug, das ich dringend noch nachholen muss ;)
                                Jedoch, halte dir vielleicht noch einen Platz frei: Nächste Woche startet der neue Film der Dardenne-Brüder ;)

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                                • Ja ja, Netflix und seine Wundertüte.

                                  Man muss dem Original-Content des Streamingdienstes lassen, dass diese oft Mut beweisen und auf sämtliche Themengebiete mit einer alternativen Sichtweise betrachtet. Ein gutes Beispiel ist die Serie NARCOS. Eine derartige Serie könnte einfach Stoff für das Aufleben uralter Mythen des Gangsterfilmes bieten und diese schließlich für Standartkost verfälschen. So aber hält die Serie um Pablo Escobar sich relativ an die historischen Fakten, ist in einem dokumentarischen Stil inszeniert und vor allem verklärt sie eine derartige Persönlichkeit wie Escobar nicht zum Übermenschen. Dazu sei gesagt, das hier auch das Wagnis eingegangen wird und die Dialoge der Serie zu ungefähr 80% auf Spanisch sind, wodurch ein recht hoher Grad an Authentizität entsteht.
                                  Weiterhin konnte ich die Reize des 80s Revival STRANGER THINGS gut nachempfunden, wenn auch die Serie nicht die Jesus Auferstehung ist, zu der sie teilweise verklärt wird und es ist schön zu sehen das Filmschaffende, die in den Kanon der Masse nicht hineinpassen, so ein größeres Publikum finden. Sei es die oben genannte Dokumentation von Werner Herzog oder auch Adam Sandler der in seinen Netflix-Filmen endlich wieder schön blödsinnig sein darf, nachdem er tragischerweise scheinbar zum Hassobjekt der Kinokultur geworden ist.

                                  Es sei jedoch gesagt das die Filme und Serien aus dem Hause Netflix einen Störfaktor haben: Sie sind alle ästhetisch nicht wirklich gehaltvoll. Alles ist adrett inszeniert, aber dennoch fallen alle Produktionen in eine Hochglanzoptik die keinerlei Experimente auf der Bildebene zulässt.
                                  In meinen Augen ist Netflix wesentlich besser darin, Serien als Filme zu produzieren. Werke wie BEASTS OF NO NATION waren zwar nicht schlecht umgesetzt, in ihrem Gesamtpaket aber kaum wirkungsvoll, während ein gescheitertes Generationen/Musik-Porträt wie XOXO mich nahezu an den Rand des Wahnsinns getrieben hat.

                                  Dennoch sei gesagt das man Vertrauen in die Weiterentwicklung dieses Streamingdienstes setzten sollte da das inhaltliche Gehalt der Produktionen mehr als löblich daher kommt.

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                                  • 5
                                    DerDude_ 27.11.2016, 09:10 Geändert 27.11.2016, 16:43
                                    über Arrival

                                    ACHTUNG, MASSIG SPOILER !

                                    Seit vielen Jahren gibt es sie, die Science-Fiction Filme über unser aller Leben, und sie werden inzwischen immer beliebter. Große Effekte und Action ziehen nicht mehr alleine, es müssen die ganz großen Fragen auf den Tisch gelegt werden: Wer sind wir Menschen ? In welcher Relation stehen wir als Einzelkörper zu dem umgreifenden Kosmos der uns regiert ?
                                    Fragen, die sich das Kino (bei weitem) nicht zum ersten Mal stellt und doch: In die Tür, die ein Christopher Nolan mit INTERSTELLAR aufstieß, tritt nun Denis Villeneuve mit ARRIVAL ein, mit der Frage : Wie könnte ein außerirdischer Kontakt wirklich aussehen ? Die Begegnung mit der Fremde versucht Villeneuve hier einzufangen und verzichtet über weite Strecken sogar auf die Esoterik-Schiene, in die Filme dieser Art immer fallen. Selbstverständlich aber bleibt es nicht dabei. Wie auch Nolan mit INTERSTELLAR in noch so viele Wurmlöcher reisen konnte, am Ende war das Herz des Filmes die Geschichte eines Mannes, der seine Tochter vermisst. Genau auf derselben Grundlage baut ARRIVAL auf und behandelt gleich zu Anfang den Krebstod von Amy Adams Tochter. Scheinbar sind immer noch wir Menschen mehr verzweifelter von den Untiefen unserer Gefühlen, als von der unendlichen Weite des Weltraums. Villeneuve baut diesen Aspekt aber kaum aus, lässt ihn in die Beiläufigkeit verschwinden und kramt ihn gegen Ende hin dann wieder hervor, sodass der emotionale Impact beim Zuschauer auch richtig sitzt. So professionell und realistisch Villeneuve diesen Alien-Kontakt auch darstellen will, gegen Ende driftet der Film in bekannte Muster, wenn ein einziger Telefonanruf alle Nationen der Erde wieder zusammenbringt. Hinzu kommt noch die Enthüllung, dass wir die ganze Zeit einer verdrehten Chronologie beigewohnt haben, in der die Geschichte von Amy Adams Tochter erst nach dem Abschied der Außerirdischen beginnt, obwohl sie uns als der Anfang verkauft wurde. Solche Elemente können wirkungsvoll sein, aber im Endeffekt sind sie Taschenspielertricks.
                                    Dasselbe gilt für ARRIVAL als Gesamtpaket: Inszenieren kann Villeneuve, aber kaum etwas weckt wirklich mein Interesse. Wo Raum für Eskapismus wäre, bleibt Villeneuve zu sehr auf dem Boden, nur um am Ende dann doch abzudriften. Wo ein interessanter Diskurs über menschliche und außerirdische Linguistik hätte entstehen können, blendet Villeneuve einfach eine Montage mit Voice-Over ein, die uns das wichtigste erklärt. Amy Adams ist wie immer sehr reizend, kann den Film aber auch nicht mehr in die gewünschte, astronomische Höhe heben.
                                    Villeneuve kann noch so viele inszenatorische Skills auf Lager haben, solange sich seine Filme nix trauen, holen sie mich nicht ab.

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                                      Deutsches Startdatum ist raus: 9. März !

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                                        über Silence

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                                        https://www.youtube.com/watch?v=ASU4wvY0CbE

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                                          DerDude_ 19.11.2016, 08:24 Geändert 19.12.2016, 19:11

                                          Was passiert eigentlich mit all der Zeit, wenn wir nicht aufpassen ?
                                          Jim Jarmusch zeigt uns in PATERSON genau eine Woche aus dem Leben des titelgebenden Busfahrers. Fast jeden Tag erlebt er dasselbe: Es wird aufgestanden, gefrühstückt, zur Arbeit gegangen, mit der Ehefrau zu Abend gegessen, mit dem Hund rausgegangen und schließlich besucht er immer dieselbe Kneipe. Und dazwischen ?
                                          Dazwischen liegen so viele wahllose Begegnungen, allen vorran die Gespräche, denen Paterson lächelnd auf seinen Busfahrten lauscht. Meist sind sie schrecklich banal, aber zeichnet sie das nicht aus ? Paterson selbst durchlebt diesen Kreis immer wieder und ist immer in Bewegung. Eine Tagesettappe leitet immer die nächste ein, und dennoch: Wo kommt Paterson am Ende des Tages an ? Die wahre Frage aber lautet : Muss er das denn ?
                                          Adam Driver spielt diesen gutherzigen Durchschnittstyp mit poetischem Hang sehr liebevoll und reiht sich perfektv in Jarmuschs gewohnt lakonische Inszenierung.
                                          Überhaupt ist hier der Indie-Ikone ein, wohl tatsächlich selbstrefferenzieller Film gelungen, denn PATERSON bringt das auf den Punkt, was die Magie der früheren Jarmusch-Werke auf den Punkt bringt: Die Magie des Alltags. Die Schönheit kann darin liegen, der eigenen Frau mal beim Träumen zuzuhören, oder in einem entspanntem Gespräch mit einem Freund. Jarmusch inszeniert das Leben von Paterson episodenähnlich und erschafft so nicht nur eine Liebeserklärung an alle täglichen Begegnungen, sondern auch an die Provinz, mit all ihren Ecken und Kanten. Jarmusch gelingt mit PATERSON ein sehr entspannter Film der genau den Rhytmus seiner Hauptfigur verinnerlicht hat. Poesie ist für Paterson kein Ausbruch, eher ein Festhalten von (scheinbar) Zusammenhanglosen. Es ist seine Art, das große Ganze in all den Versatzstücken seines Lebens zu sehen.
                                          Wie man PATERSON nun einordnen soll bleibt ein Rätsel, da er viel zu entspannt geraten ist. Vor allem aber ist es ein sehr menschlicher, intimer Film der auf eine ganz besondere Art sehr gut tut.
                                          Irgendwie eine kleine Momentaufnahme, die wie ein Fluss sich immer weiter bewegt und immer wieder bei sich selbst mündet. Jarmuschs Liebe für all die Dinge zwischen den Dingen, ist ungebremst und mit PATERSON beweist er dies endlich mal wieder.

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                                            Ken Russell selbst nannte sein Werk von 1971 DIE TEUFEL einmal seinen "einzigen politischen Film".
                                            Die horrorhafte Zensurgeschichte die die Verfilmung von Aldous Huxleys Roman nach sich zog, hat er bis zum heutigen Tag nicht ablegen können. Noch bis zum heutigen Tag existiert von DIE TEUFEL keine ungeschnittene, offizielle Veröffentlichung. Der gigantische Skandalschrei, der als Reaktion auf Russells Film losbrach, ist bis heute nicht verhallt. Dieser monumentale Angriff auf nahezu alle Sakrielegien erzürnte sogar den Vatikan höchstpersönlich, in Italien ließ man den Film kurzerhand verbieten, noch während Russell in Venedig den Regiepreis für sein Werk erhielt. Ja, DIE TEUFEL wird oft auf seine "Nunsploitation" reduziert, doch dieser Begriff wird ihm bei weitem nicht gerecht. Das hier ist ein ungezügeltes Monster, ein blasphemischer, monumentaler Reigen und darüber hinaus ein filmisches Meisterwerk, das selbst aus heutiger Betrachtung beeindruckend darsteht. Warner Bros scheint sich bis zum heutigen Tag für die Produktion dieses Filmes jenseits von Gut und Böse zu schämen, nicht umsonst wirkt es so, als wäre DIE TEUFEL ein Meilenstein, den man aus der Filmgeschichte verbannt hat.
                                            Schon die Eröffnungszeilen deuten ein Werk von grenzenloser Radikalität an, wenn entschlossen verkündet wird "This film is based upon historical fact. The principal characters lived and the major events depicted in the film actually took place".
                                            Es ist als würde Russell uns eine Warnung, vielleicht auch eine Annäherung bieten, es ist seine Art zu sagen "Glaubt besser das, was ihr gleich sehen werdet". In opulenten Sets werden wir in das Frankreich des 17ten Jahrhunderts eingeführt. Das Szenenbild, erstellt von späterem Regisseur Derek Jarman, ist nicht darum bemüht, Historienepen nachzueifern, sondern findet seine komplett eigene Kreation und wirkt zeitlos. Überhaupt sind es die Bildkomposition die diesen Film zu einem Meisterwerk der Bildgewalt machen, schon angefangen bei dem surrealen Theaterstück am Anfang. Gleich zu Beginn wird ein teufelsgleicher Pakt des Königs über die Vereinigung zwischen Kirche und Staat geschlossen. Wenig später begegnen wir in der protestantischen Stadt Loudon dem charismatischen Priester Urban Grandier der wie ein Kaiser über sei Reich herrscht. Grandier nutzt seine Machtposition und den bedingungslosen Glauben seines Volkes für seine eigenen Zwecke. Oliver Reed verkörpert diesen durchtriebenen Herrscher als Shakespeare-esquen niederfallenden König und gleichzeitig als charmelosen Verführer, dem die Nonnen wie einem Popstar nachschmachten. Die Nonnen wirken wie pubertäre Schulmädchen, allen vorran Engelsschwester Jeanne, gespielt von Vanessa Redgrave in ihrer wohl größten und unvergesslichsten Rolle. In verwunschenen (Alp)Traumtagen gibt sie sich mit Grandier als Jesus am Kreuz ihren verruchten, sexuellen Fantasien hin, nur um dann im Angesicht ihrer körperlichen Unperfektion (sie hat einen missgestalteten Rücken) komplett an den Rand des Wahnsinns zu geraten. Diese emotionale Tour de Force die Redgrave hier abzieht verdeutlicht, wie sehr die Manipulation der Kirche auf den eigenen, unerfüllten Träumen und Selbstzweifel der Menschen aufgebaut ist und nur dadurch zum fortbestehen in der Lage ist. Als Loudon schließlich auf Befehl des bürokratischen Baron de Laubardemont dem Erdboden gleich gemacht werden soll, gilt es, Grandier all seine Macht von der er jeden Tag nur zu gerne kostet, zu entziehen. Als die frustrierte Schwester Jeanne den gefürchteten Priester der Hexerei beschuldigt, ist der Wahnsinn schließlich unaufhaltbar. Von nun an bricht eine zügellose Orgie des Verfalls aus. Russell ist inszenatorisch so radikal es nur geht, ständig aufgeladen mit absurden Humorspitzen, sodass DIE TEUFEL schließlich zu einem Monty Python ähnlichen Amok-Fest der Blasphemie auf Crack wird. Die Figuren schreien sich an die Grenzen der Besinnung, die Szenen überbieten sich in ihrer Drastik mit jeder Szene erneut, Austattung und Inszenierung eskalieren sondergleichen. Jene Überwältigung, mit der Russell sein Publikum überschüttet, wird DIE TEUFEL gerne als Negativfaktor angehängt. Gerne wird er als "effekthascherisch" und "substanzlos" abgetan, doch in Wahrheit ist der Film schlichtweg zu allem bereit. Jedes Mittel ist recht, bis schließlich der totale Verfall jeden Glaubens ihren Weg auf die Leinwand gefunden hat. Es ist diese enthemmte Hysterie und Radikalität die selbst nach heutigen Maßstäben noch schockiert und gleichzeitig nie aktueller war. Russells Film funktioniert noch Heute als Bloßstellung von sowohl kirchlicher und staatlicher Ausnutzung und des Wahnsinns, der alle Fäden zieht. Selbst ein finaler Vergebungsakt im Angesicht eines tatsächlichen Glaubens wird nicht gestattet. Stadtdessen regiert pure Finsternis. Es brauch erst Filme wie DIE TEUFEL die den Mut, die Präzision und das Handwerk auffahren können, um ein solches Thema mit gezielter Wucht in die Köpfe der Zuschauer zu rammen.
                                            Obwohl DIE TEUFEL inzwischen bei weitem nicht die Aufmerksamkeit und die Aufarbeitung bekommt, die er verdient, so ist es ein Film, der unmöglich verdrängt werden kann. In seiner Entfesslung zu maßlos, in seiner Gestaltung zu meisterhaft.
                                            Ich glaube, so sieht filmgewordene Ewigkeit aus.

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                                            • Bin ich der Einzige der nach dem heutigen Tag sich sehr auf den nächsten Film von Oliver Stone freut ?

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                                                Welches Ziel setzen wir uns ? Und wie weit sind wir für jenes bereit zu gehen ?
                                                Was ist überhaupt unser Ziel ?
                                                Paul Thomas Andersons ausuferndes Ölepos THERE WILL BE BLOOD lässt sich beinahe jetzt schon als Zeitlos verbuchen, einfach weil er an seiner Aktualität selbst im Verlauf der Jahre kaum einbüßen wird. So behandelt Anderson mehr oder weniger die Frage, wer die Männer waren, die die Grundpfeiler legten für eine Gesellschaft, in der es darum geht, Macht um jeden Preis zu erlangen.
                                                Daniel Plainview, als entworfene Schlüsselfigur, hat dieses Prinzip schon verinnerlicht, bevor wir ihm in der ersten Szene überhaupt begegnen. Unheilvoll wirft uns der Score von Jonny Greenwood in die erste Einstellung der bedrohlichen Wüstenlandschaft. Plainview hackt einsam in einem Loch nach Silber, bis er welches findet. Nur sein Rückzugsplan geht schief, den als er das Loch sprengt, während er hinausklettert stürzt er und fällt in die Tiefe. Mit einem gebrochenem Bein schnappt Plainview nach Luft und greift schließlich nach dem herausgesprengten Silber um sich unter Schmerzen schließlich aus dem Loch zieht und das Silber zum nächsten Pfänder bringt. Daniel Day-Lewis wandert von nun an mit einem leichten Humpeln durch die Bilder Andersons: Der Sturz hat Plainviews Rücken scheinbar lebenslang beschädigt und dennoch ist er der Sieger. Sein Silber konnte er finden und bei der Abgabe, erfahren wir schließlich den Namen des Mannes: Sorgsam kritzelt er seine Unterschrift dahin: Daniel Plainview. Und dieser ist gerade auf dem besten Weg, das dieser Name etwas bedeuten wird.
                                                Jene 20 Minuten andauernde Einführungssequenz, die ohne ein einziges gesprochenes Wort auskommt, enthüllt Plainviews erste Schritte nach oben. Die Eröffnungssequenz kann man als Verbeungung vor Stanley Kubricks Menschheitsdämmerung aus 2001: ODYSSEE IM WELTRAUM sehen. Wo ein schwarzer Monolith den wachsenden Fortschritt der Menschheit darstellt ist es hier die Macht durch Silber oder, viel bedeutender, Öl. Als Plainview schließlich zum ersten mal Öl findet inszeniert Anderson diesen Prozess als eine fast schon göttliche Erscheinung. Ein Vater reibt Öl auf die Stirn seines Kinders, als Taufe der Macht. Doch Anderson macht Bedrohung und Gefahr zum Teil jener Suche nach Macht. Plainview verletzt sich bei seinem ersten Silberfund, bei der ersten Ölausgrabung kommt der Vater von H.W., Plainviews zukünftigen Adoptivkind, ums Leben. Im Verlauf des Filmes stirbt ein weiterer Arbeiter von Plainview, und bei der zweiten Ölausgrabung verliert H.W. schließlch sein Gehör, wewegen er für Plainview nur noch Ballast und keine Bereicherung mehr darstellt und er ihn deswegen verstößt. Es ist interessant wie das Machtstreben eines Mannes schließlich das Leben eines Kindes völlig zugrunde richtete. Dies ist keine Seltenheit: Wie viele Menschen mussten für die Fehler eines Mannes bei dessen Weg zur Macht auf der Welt schon büßen ?
                                                Auch wenn Plainview in der letzten gemeinsamen Szene mit H.W. diesen über seinen wahren Vater in Kenntnis setzt und er ihm klarmacht, nie etwas anderes als eigene Bereicherung in ihm gesucht zu haben, so scheint dieses erneute Verstoßen trügerisch zu sein. Plainview zerbricht an dessen Ende umso mehr, vielleicht über die Tatsache, wie viel ihm sein Adoptivsohn letztenendes bedeutet hat. Er war Plainviews Zuhörer bei dem dieser seine großen Pläne weitergeben konnte. Und er verstaß ihn erst, als H.W. im wahrsten Sinne des Wortes, jenes zuhören verwehrt blieb. Und in der finalen Trennungsszene zwischen Vater und Sohn ("Bastard in a Basket") wirkt H.W. wie ein unabhängiger Sieger, während Plainview einem gebrochenen, gefallenem König gleichkommt. Die Trennung bedrückt ihn mehr, als sie ihn triumphieren lässt.
                                                Überhaupt sind familäre Bindungen die einzigen emotionalen Anker, die Plainview akzeptieren zu scheint. Gegenüber H.W. fühlte sich Plainview wie ein Vater und die einzige andere emotionale Beziehung hatte er zu dem Mann, der sich ihm gegenüber als dessen Bruder ausgab. Und als Plainview von dessen Betrug erfährt, ermordet er ihn, obwohl ihre Freundschaft deswegen nicht weniger echt gewesen wäre. Nur um dann, in einer der einsamsten Szenen des Filmes, Plainview über einen lang verstorbenen Bruder weinen zu lassen, den er nie kannte.
                                                Die Art wie Daniel Day-Lewis diese Figur Daniel Plainview verkörpert, ist das Zentrum des Filmes. Deswegen lässt Anderson Day-Lewis auch die gesamte Laufzeit über wie einen Gott über die Leinwand herrschen. Day-Lewis Leistung ist zugleich überwältigend, wie facettenreich. Dadurch meistert der Film das Kunststück, uns eine so komplexe Figur so in sich schlüssig wirken zu lassen, ohne uns zu viel von ihr preiszugeben.
                                                Den ursprünglichen Darsteller des Eli Sunday ließ Anderson bereits nach wenigen Drehtagen feuern, weil er mit dessen Schauspiel unzufrieden war. Nach seiner Aussage habe dieser nur versucht, mit seinem Schauspiel Day-Lewis in den gemeinsamen Szenen zu übertreffen. Stadtdessen gab Anderson die Rolle an Paul Dano weiter, der ursprünglich nur für die Rolle des Paul Sunday besetzt war. Dadurch aber konnte sich Dano genauso verewigen wie Day-Lewis, ohne gegen ihn ankämpfen zu müssen. Er stellt die Rolle des, ebenso machtbesessenen, Priesters genauso mit konsequenter Hingabe und Ambivalenz dar. Dadurch bleiben beide Figuren auf gegenseitiger Augenhöhe.
                                                Es ist auch der Kampf zwischen Plainview und Sunday, der den wohl essenzielsten Aspekt des Filmes ausmacht. Die geschäftlichen Systeme mit denen Plainview die Dorfbewohner ködern will sollen koexistieren mit den versprecherischen Predigen von Sunday. Hieraus entsteht Plainviews Krieg mit seinen zwei größten Konkurenten: Jemandem, der genauso weit gehen würde, wie er selbst, und Gott persönlich. Plainview weiß das eine Koexistenz zwischen der Kirche und seinem Geschäft nicht bestehen kann. Deswegen lässt er auch keine Annäherung zwischen beiden zu: Die ausurfernden Erlöserschrei, die Sunday in seinen Predigen losbrechen lässt, lehnt Plainview sichtbar ab und auch die Forderung, Eli das gelobte Wort zur Eröffnung von Daniels Ölturm sprechen zu lassen, lehnt er verspottend ab. Und später wird für Plainview ein Beichtakt seiner größten Sünde ("I`ve abandoned my boy!") zu einer öffentlichen Demütigung durch Sunday. Plainview sieht Religion als etwas grundauf Störendes. Interessanterweise aber inszeniert Anderson den Aufstieg von Plainview aber, durch das Zusammenwirken von Robert Elswits Bilder und Greenwoods Score, wie göttliche Wunder. Sei es durch religöse Symbole (die oben erwähnte "Öltaufe") oder durch Licht, das aus der Grube bei der ersten Ölbohrung, auf Plainview und dessen Männer herabscheint als das gesegnete Öl gefunden wird. Oder wenn schließlich die Explosion der Ölbohrung zu dem Ausbruch eines nicht zu bändigendem Höllenfeuers wird. Gerade Greenwoods Score macht diese Szene zu dem Monster, das es ist. Ein Monster, das Plainview endlich in die Position verhilft, in der er sich schon so lange sieht. Das Ansehen des Daniel Plainview wandelt sich im Laufe des Filmes von durchtriebenen Minengräber zu dem Wahnsinn verfallenem Ölbaron. Und dennoch scheint in all der Zeit, die der Film einfängt, Plainviews Charakter von der ersten Szene an, nie seine Einstellung zu verlieren. Die Kontrolle über seine Umwelt zu haben, an diesem Ziel verliert er nie die Motivation. Auch dann nicht, wenn ihm am Ende die Welt gehört und er doch alles verloren hat. Selbst dann setzt er in der finalen Konfrontation mit Eli alles daran, ihm jede Macht nehmen zu können, obwohl er weiß, das dieser keine mehr besitzt. Es ist ein Akt der Rache für die Demütigung der Beichte, wenn Plainview Eli dazu zwingt zuzgeben, Gott existiere nicht und Eli selbst sei ein falscher Prophet. Ironischerweise gibt Eli durch diese Aussage genau seine Falschheit zu, indem er beweist das er im Angesicht seiner Verzweiflung sogar seine angebliche Überzeugungen für ungültig erklärt. Indem er beweist, das auch er käuflich ist. Nachdem Plainviews einer großer Gegner (Gott) für nonexistent erklärt wurde, entledigt er sich seines zweiten großen Rivalen. Plainview ermordet Eli mit einem Bowlingpin und erklärt sein Werk für beendet. Und in der Tat: Der Gräber ist an seinem Ziel angekommen und zu einer der Männer geworden, die ein Land für seine eigenen Zwecke benutzen konnte geworden. Es sind Männer wie Daniel Plainview, die das Amerika und die allgemeine westliche Kultur von heute geprägt haben, und deren Ziele von anfang an rein egoistisch motiviert war.
                                                THERE WILL BE BLOOD bleibt deswegen ein episches Manifest das Prinzipien menschlicher Dämonen erforscht und dabei ein Panorama über die dunklen Abgründe, die sämtliche Ereignisse unserer Kultur begleitet haben, entwirft. Genauso wird hier demonstriert, wie man sich als Regisseur, sowie als Schauspieler, verewigen kann.

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                                                  Vergessen sind die Tage an denen leere Teller deinen Tisch einnahmen, zieh mit uns los und koste von dem süßen Honigkuchen namens Freiheit !
                                                  Ja, sie alle suchen Freiheit, sie alle ziehen los in dem Glauben, irgendwann den Ort oder die Zeit greifen zu können, in der sich ihre Wünsche erfüllen. Es geht hier gar nicht mal so sehr um den amerikanischen Traum, hier geht es um den Traum, die Welt in all ihren Facetten erobern zu können. Im amerikanischen Traum landet die Drücker-Bande eher zufällig.
                                                  Andrea Arnold folgt mit ihrem US-Debüt AMERICAN HONEY jener, durch das Land ziehenden, Drücker-Gang und fängt in der stolzen Laufzeit von 160 Minuten einen Schnappschuss vom heutigen Amerika ein. So überambitioniert ihr Film letztenendes geworden ist, nur durch die breite Erzählung des Road-Trips fängt Arnold das Spektrum des Amerikas im 21 Jahrhundert ein. Hier geht es weniger darum, was vom amerikanischen Traum heute noch übrig geblieben ist, sondern eher, was heute für ihn verlangt wird und, noch eher, wer die Menschen sind, die noch fest an ihre Träume glauben. Arnold zeigt nach FISH TANK wieder ihre Begabung, sich in ihre jugendlichen Protagonisten hineinzuversetzen. Dies ist ihre Geschichte. Arnold hätte dabei sehr leicht jenes Ziel der Gruppe als ultimatives Betäubungsmittel verstehen können, so wie Harmony Korine es einst mit SPRING BREAKERS tat, doch das ist zu einfach. Es geht hier nicht darum, alle Wurzeln zu sprengen, sondern darum, endlich selbst welche schlagen zu dürfen.
                                                  Als die 18-jährige Star (einfühlsam und mitreissend: Sasha Lane) in einer anrührenden Szene zum ersten Mal gefragt wird, was eigentlich ihr Traum ist, fällt ihre Antwort überraschend bescheiden aus: Einen Platz im Grünen, wo sie glücklich sein darf. Star taumelt betäubt von den Momenten des Loslassens durch ihre Reise, zum einen mit der Erleichterung, ihrem miserablen, sie ausnutzenden Zuhause endlich entkommen zu sein, aber dennoch in der Gewissheit, ihr Ziel noch lange nicht erreicht zu haben. Arnold zelebriert die Musikeinlagen, in denen sich die Bande von dieser gar nicht mehr lösen will, in leidenschaftlichen Szenen, während ihre verengte Bildkomposition den Zuschauer immer mitten im Geschehen lässt. Doch selbst diese Feieratmosphäre wird überschattet von dem strengen Befehl, am nächsten Tag Geld zu verdienen. Und im vielfältigen Amerika bedeutet das, zur richtigen Zeit, das Richtige anbieten zu müssen.
                                                  Es bleibt sich zu fragen ob die Reise der Bande je enden wird. Ob die Mitglieder irgendwann ihrem Traum entgegen rennen oder ob die Reise in einen ewigen goldenen Horizont mündet, der zwar noch so hell leuchten kann, sich dafür aber immer wieder entfernt.

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                                                    Das Kino ist wieder mal voll von ihnen, oder besser gesagt, es war nie voller von ihnen: Von Putzigkeitquängelnde Animationsmassenprodukten. Nachdem das Studio Pixar von Disney aufgekauft wurde, Studio Ghibli nahezu am Ende ist und Vertreter wie WALLACE & GROMIT oder die LOONEY TUNES sich immer weniger blicken lassen, ist das Animationskino mittlerweile zu einem unangenehmen Sonntag-Nachmittag Spaß verkommen. Animationsfilme, die noch wirklich Mut zeigen oder abstraktere Wege für die Visualisierung unsere Realität finden, sucht man vergebens. Eine Verklemmung nervigen Außmaßes hat das inzwischen angenommen, so sehr das in FINDET DORIE nicht mal zwei Frauen für 2 Sekunden auftauchen können, die eventuell lesbisch gelesen werden könnten, ohne das die Welt verrückt spielt. Ein Film wie SAUSAGE PARTY hätte genau jenes spießerhafte Muster gekommt mit kruder Lockerheit in die Knie zwingen können. Nur leider ist die Enttäuschung groß: Vulgär ist SAUSAGE PARTY, aber er macht nichts aus seinem Potenzial. Lebende Lebensmittel, die sich gegen ihre Götter (uns Menschen) auflehnen: Eine solche Story bietet Potenzial zum Ausloten der Grenzen des Schwachsinns. Doch SAUSAGE PARTY verweigert sich diesem Pfad und bleibt lieber ein einziger Schwanzwitz in Spielfilmlänge. Und ich mag sie ja, die Crew um Seth Rogen und James Franco. Nur in diesem Film scheint sich jeder so sehr auf den anderen zu verlassen das am Ende kaum witziges entsteht. Die Story, machen wir uns nichts vor, entstand wahrscheinlich bei geselliger Grasrunde in Francos neuer Bude und irgendwie blieb sie auch am morgen, nachdem jeder Weed-Brocken vernichtet wurde, noch in den Köpfen der Konsumenten. So witzig solche Ideen auch sein können, sie eignen sich nicht immer für einen Spielfilm. Besonders dann nicht, wenn man keinen Witz herausholen kann, der nicht schon tausendfach gebracht wurde und nur noch anödet. Und am Ende fällt ihnen nichts besseres, als eine riesige Essens-Orgie.
                                                    SAUSAGE PARTY bleibt verschenktes Potenzial. Die Idee eines wirklich kruden Animationsfilmes wird ausgetauscht mit einer weiteren Blödel Klamotte.

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