DerDude_ - Kommentare

Alle Kommentare von DerDude_

  • DerDude_ 06.10.2016, 10:24 Geändert 06.10.2016, 10:25

    Halloween ist erst am 31sten, dachte ich...

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    • DerDude_ 02.10.2016, 14:21 Geändert 02.10.2016, 14:21

      Tatsächlich wohl das Interessanteste was Allen seit Jahren hervorgebracht hat. Während er in seinen momentanen Kinofilmen inzwischen ja mehr oder weniger damit beschäftigt ist, schöne Menschen in schönen Ländern abzufilmen und nostalgische Loblieder zu singen, regiert in CRISIS IN SIX SCENES tatsächlich der Charme für den man Allen kennt und liebt. Die Serie ist angenehm reduziert, jede Folge gestaltet sich kurzweilig und besonders Woody Allen selbst darf endlich wieder Hauptdarsteller sein und man fragt sich, warum er diesen Posten in seinen Kinofilmen nun anderen überlässt, bei der spielfreude die er an den Tag legt. Auch die anderen Darsteller gehen in ihren Rollen auf, selbst Miley Cyrus passt hier irgendwie rein.
      Eine Neuentdeckung für Allen stellt diese Serie zwar nicht dar, dafür ist sie etwas harmlos und hätte noch mehr Biss vertragen können, aber wohl einen angenehmen Schritt in die richtige Richtung. In diesem Sinne: Ist einen Blick wert !

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      • 8

        Kann Spoiler beinhalten

        Dunkel sind die Wälder. Ihre Enorminität mit der sie das die das Haus der puritanischen Familie in THE WITCH umschließt ist sowohl allgegenwärtig, als auch beängstigend. So sehr das simple Astzweige die aus den Baumkronen herausragen schon wie umgreifende Hände wirken können, immer kurz davor, einen festzuhalten und in sich zu ziehen, bis die Dunkelheit einen vollends umschlossen hat. Der Wald ist unüberblickbar. Was dort potenziell lauern könnte ist schwer zu sehen. Der Familie bleibt nur der ewig präsente Glaube an einen Gott, der auf der eigenen Seite ist. Doch was, wenn dieser sich nicht zeigt ? Gebete und Enthaltsamkeit, Gehorsamkeit und das strenges Regelbefolgen. Wenn alles wozu die Familie sich selbst abgerichtet hat, der Glaube um den Sieg über das Böse ist, welcher Gedanke könnte furchteinflössender sein, als die Gewissheit das jenes Böse längst unter dem eigenen Dach Einzug genommen hat ?
        Die Familie lebt so sehr in ihrer gepredigten Enthaltsamkeit, sodass sie selbst sich von ihrer eigenen Natur entfernt hat. Robert Eggers filmt die Familie in Bildern, in denen die Natur immer bedrohlich über ihnen zu schweben scheint. Vor allem aber ist es die eigene Natur des Menschen, die die Familie letztendlich zerfallen lässt, weil sie sie wohl zu lange unterdrückt hat. Jedes Familienmitglied unterdrückt etwas, sei es der Vater der im Angesicht seiner Unfähigkeit, seine Familie zu ernähren, nur noch das Holzhacken als Katalysator für seine Gefühle hat (und am Ende buchstäblich davon begraben wird), der Sohn Caleb, der nie die Aussicht auf eine gesunde, entfaltende Sexualität hatte und deswegen von ihr aufgefressen wird oder letztendlich Tochter Thomasin. Sie unterliegt der wohl kläglichsten und undankbarsten Rollenzuteilung, denn das wertvollste was in den Augen ihrer Familie aus ihr werden könnte, wäre eine gehorsame, gläubige Hausfrau, genau wie ihre Mutter. Ihr Katalysator ist es wohl, den zwei jüngeren Geschwistern Angst zu machen, indem sie ihnen erzählt, sie selbst sei die unheilbringende Hexe, was jedoch irgendwann zu einem Märchen wird, das sie nicht mehr auflösen kann. Eine Hexe ist Thomasin nur insofern, wie eine aus ihr gemacht wurde. Ja, nichts wurde im Puritanismus wohl so sehr verteufelt, wie die Weiblichkeit. Zwischen engen Stubenkabinen, Gebete vor jedem Essen und vor jedem Schlafen und einengenden Gewändern, ergibt sich ein loderndes Feuer, das sich langsam entzündet und alles mit sich reißt.
        Es ist beeindruckend, mit welcher Präzension Eggers den Zerfall dieses Familienbildes in grauen Bildern festhält und daraus schließlich ein beängstigendes wie verstörendes Schauermärchen gebiert. Was THE WITCH aber noch umso nachwirkender macht, ist der tiefe, schwarze Blick in die menschliche Natur und Religion als beißender Keil, der zwischen dieser Natur und dem Menschen selbst steht. THE WITCH den besten Horrorfilm des Jahres zu nennen würde ihm kaum gerecht werden, denn seine Konkurenz hängt er bereits in den ersten Minuten ab. Vor allem aber ist Eggers eine Geschichte gelungen, von Menschen die in den Irrglauben geraten sind, sie seien unverführbar und solange dieses Bild aufrecht erhalten wollten, bis das simple Ablegen eines Gewandes wie eine Erlösung wirkt.

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        • Eine der wohl einnehmensten Schauspielerinnen derzeit. Sie macht nahezu jeden Film sehenswert, wenn auch sie es mir manchmal schwer macht, mich auf den eigentlichen Film zu konzentrieren.

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          • 8 .5

            Ich glaube wenn man den Filmen von Apichtapong Weerasethakul eines lassen muss dann ist das, neben seinen statische, unaufgeregten Aufnahmen, seine herausragende Soundkulisse: Ein nahezu allgegenwärtiges Zirpen und ein ständiges Blätterraschen hült die Bilder ein, der thailändische Regisseur widmet sich ihnen genauso sehr, wie den Dialogpassagen seines Filmes. Besonders in UNCLE BOONMEE ERINNERT SICH AN SEINE FRÜHEREN LEBEN wird man schnell Zeuge, wie die Unaufgeregtheit der Bilder mit deren naturalistischen Schattenaufnahmen einen mit zunehmender Laufzeit geradezu einwickelt und mit sich trägt. Als Zuschauer nimmt man Anteil an einer spirituellen Reise jenseits unserer Dimensionen von Verständnis.
            Selbstverständlich ist es aus westlicher Sicht unglaublich schwer, UNCLE BOONMEE irgendwie einzuordnen, da der Film sich auf mehreren Ebenen lesen lässt und, um überhaupt zu ihm durchzudringen, ein Einblick in die thailändische Kultur nicht schaden würde. Schon in TROPICAL MALADAY verknüpfte Weerasethakul menschliche Emotionen und altertümliche Sage, vielmehr noch: Er ließ beides vereinen. Jedoch aber ist UNCLE BOONMEE kein Film, der dies vorraussetzt. Er bleibt eine Erfahrung die den Zuschauer, genau wie den Geist von Boonmee, an einen Ort bringt, von dem man nichts weiß, bei dem man sich aber dennoch angekommen fühlt. Reinkarnation und buddhistische Symbole greifen mit Kultur und Gesellschaftsausblick ineinander, erzählt durch eine Familiengeschichte in der der titelgebende Uncle Boonmee in seiner Waldhütte sowohl von seinen Angehörigen, als auch Geistern besucht wird. Eines von vielen Motiven des Filmes sind die Fische, die als Bewohner des Wassers die Erde am längsten kennen. Darauf verweißt Weerasethakul: Der Geist als immanenter und ewiger Teil dieser Welt, aber dennoch gebunden an seinen zurückgelassenen MItmenschen. All die Änderungen der Zeit durchfließen diesen Geist. Die Suche nach der eigenen Ursprünglichkeit vermittelt Weerasethakul in eindeckenden, unaufgeregten Aufnahmen und Bildern, die einen niemals darum betteln, bestaunt zu werden sondern einfach dahin existieren.
            So schwierig UNCLE BOONMEE zu verstehen auch sein mag, ich bezweifle das die Erfahrung die dieser Film darstellt völlig wirkungslos bleibt. Es ist kein Film der analysiert werden will, bei dem es zwar viel zu verstehen gibt, aber der genauso nicht darum fleht, verstanden zu werden. Diese Art von Filmemachen mag nicht immer die zugänglichste, aber wohl die einlullenste sein.
            Apichtapong Weerasethakul gehört wohl zu den Regisseuren, die eines Tages die 5te Dimensionen in einem seiner Filme erreicht und als Zuschauer wäre ich gerne dabei wenn er es schafft.

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              über XOXO

              Yeah, XoXo, Motherfuckers !
              Scheiß auf Weltgeschehen, Scheiß auf ISIS Anschläge, Scheiß auf Trump und Clinton die im Begriff sind, pure Inkompetenz über die USA zu bringen. Scheiß auf Rebellion, wenn wir zugedröhnt im Glitzer Outfit zu flippiger Techno Musik in der Masse abtanzen dürfen, dann fühlen wir uns frei. Flügel-Assoicaires, Bling Bling Klamotten und Leuchtstäbe, das ist unsere Welt.
              Um richtigen Spaß zu haben muss man erst ein komerzielles Massenkonzert besuchen. Der DJ ist der Prophet unserer Generation, die Beats unsere Chöre, LSD unsere Opladen und nur wer XoXo besucht findet zur Erleuchtung. Nichts gegen Freude am Leben, nichts gehen feiern, doch für dem Film XoXo scheint ohne Konsum all das nicht zu funktionieren. LSD das jemandem per Zungenkuss ohne dessen Einverständnis eingeflößt wird führt zu witzigen Situationen und wenn am Ende der junge Dj endlich seine Songs spielen darf findet jeder zu sich selbst.
              Welch völliges zugebuntetes, inhaltliches Nirvana, welch gescheitertes Generationenporträt, welch ekelhaftes Werbevideo in Spielfilmlänge.
              Ok, so ein Festival kann ne coole Sache sein, aber dann doch lieber selbst eins besuchen und solch tief falsche und weltfremde Filme sein lassen.

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              • DerDude_ 25.08.2016, 12:47 Geändert 25.08.2016, 12:47

                Ich hätt gern Brie Larson in nem guten Film

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                • 9
                  DerDude_ 23.08.2016, 10:14 Geändert 23.08.2016, 22:57

                  Enthält Spoiler

                  Was bedeutet Intimität ?
                  Nacktheit ? Ehrlichkeit ? Das Zulassen von Nähe ? Chantal Akerman findet in ihrem Schwarz/Weiß experimentell angehauchtem Werk JE, TU, IL, ELLE mehrere Situationen, die wir als Zuschauer als Intimität interpretieren können, die aber genauso gut das exakte Gegenteil bilden können. Ihr Film funktioniert auf der Botschatfsebene nicht wirklich. Es gibt keine offensichtliche Botschaft die sich in diesem Film versteckt, ihr Film wird dadurch zur Erfahrung, das er scheinbar unendlich deutbar ist. In den Minuten in denen wir Akerman als Julie (obwohl der Name im Film nie erwähnt wird) durch ihre langen Kameraaufnahmen folgen, sehen wir viel, aber zu wenig um uns ein Bild zu machen. Akerman gelingt es, durch Bilder und Geräusche, Bewegungen und Handlungen, ihren Film zu erwecken. Sie erreicht ein einzigartiges Zeitgefühl, indem sie zwar die Szenen ewig dehnt, sie dann aber plötzlich abbrechen lässt.
                  Die Wanderung von Julie, bei der wir am Ende des Filmes nicht einmal wissen, ob sie ihr "Ziel" (wenn es jenes überhaupt gab) erreicht hat, beginnt in ihrem Zimmer. Jenes Zimmer inszeniert Akerman in einer heruntergrebrochenen S/W-Ästethik, die oft dem Muster von ineinandergreifenden Kasten entsprechen (z.b. die Matratze auf der wir Julie oft sehen). Durch Voice-Over teilt uns Julie ihre Erlebnisse in diesem Zimmer mit und auch, mehr oder weniger, ihre Erlebnisse mit sich selbst. Sie erzählt von einem Brief, an dem sie immer wieder schreibt und den sie überarbeitet, dessen Empfänger (falls sie ihn überhaupt abschicken will) wir nur als das, im Titel aufgezählte "TU" (also "du") sehen können. Akerman gewährt uns Einlass in das Zimmer einer jungen Frau. Wir sehen zu, wenn sie jede Menge Zucker auslöffelt, diesen verschüttet, wieder einpackt, weiter löffelt und wir sehen auch zu, wenn sie Nackt durch die Ecken ihres Zimmers wandert und manchmal aus dem Fenster blickt. Akerman erlaubt dem Zuschauer so viel Intimität, das wir Julie zwar bei ihren Handlungen sehen, sie diese uns sogar noch erzählt, und dennoch sehen wir nicht genug, um das Seelenleben von ihr anrühren zu können. Die Wände und die Perspektiven signalisieren eine Art der Verfremdung zwischen Julie und ihrer Umwelt. In ihrem Zimmer tut sie, was sie will, warum sollte sie auch nicht, hier bemerkt sie keiner, außer uns.
                  Nachdem sich der Großteil des Filmes in ihrem Zimmer abgespielt hat, verlässt Julie dieses urplötzlich. Nun folgt ihr der Film bei zwei Begegnungen. Die erste ist eine rein zufällige mit einem LKW-Fahrer, der Julie, scheinbar im Gegenzug zu einer sexuellen Gefälligkeit, in seinem Auto mitnimmt. Anschließend redet der LKW-Fahrer in einem Monolog über Episoden aus seinem Leben. Auch dem Zuschauer gegenüber bleibt jener LKW-Fahrer nicht lange fremd, auch er scheint sich mitteilen zu wollen und ist auf der Suche nach Intimität. Doch er und Julie agieren kaum miteinander. Auch die Bildsprache grenzt beide oft voneinander ab, indem meist nur der LKW-Fahrer zu sehen ist und alles andere weitesgehend in der Dunkelheit verweilt. Die Begegnung scheint nicht auf Augenhöhe zu erfolgen.
                  Die zweite Begegnung findet mit einer Freundin statt. Wir erfahren nicht, in welcher Beziehung Julie und die Freundin zueinander stehen. Die Wortwahl erfolgt spärlich und beschränkt sich auf Aussagen wie "Du kannst hier nicht bleiben" oder "Ich will was essen", dennoch aber generiert Akerman eine andere Form von Intimität, die dann spürbar wird, wenn wir schließlich Julie und ihrer Freunden minutenlang zusehen, wie sie miteinander schlafen. In jener Sequenz zeigt uns Akerman einen lange andauernden Akt bei dem Intimität tatsächlich spürbar wird, bis schließlich Julie am nächsten Morgen als erstes erwacht, die Wohnung verlässt und der Film endet. In den drei Episoden die die Protagonistin erst in einer Begegnung mit sich selbst, einer zufälligen Begegnung und schließlich einer vertrauten Begegnung gelingt es Akerman immer wieder einen neuen Ausdruck für menschliche Interaktion zu finden. Gleichzeitig schenkt sie dem Zuschauer ein Vertrauen, da wir Julie selbst dann beobachten, wenn sie eigentlich unbeobachtet ist. Akermans einnehmender Grenzgang bricht das Konstrukt Mensch so sehr herunter und macht es dadurch erfahrbar.

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                    Ich glaube kein Filmgenre kann sich auf einer substanzlosen Ebene immer wieder so sehr steigern wie der Horrorfilm. Die Zeiten ändern sich, Sehgewohnheiten wandeln sich, das Publikum toleriert immer explizietere Gewaltdarstellungen. Keine Geschmacksgrenze darf unangetastet bleiben. Während vor einigen Jahren Alfred Hitchcock mit PSYCHO nur eine Dusche, eine nackte Frau und ein Messer brauchte, um alle Zuschauer zu schockieren müssen heutzutage schon härtere Mittel ran. Ständig soll es ihn wieder geben, den berüchtigten "jetzt definitiv brutalsten und verstörensten Film aller Zeiten".
                    Fred Vogels AUGUST UNDERGROUND markiert den traurigen Höhepunkt einer solchen Denkweise. Die Gewalt- und Erniedrigungsexzesse seiner zwei Täter reiht der Film völlig ohne eine filmische Struktur aneinander. Die Ästethik ist schlichtweg keine: Verrauschtes, unscharfes, wackliges VHS-Kamerastil versucht das Geschehen authentischer zu machen und den Film wie ein reeles Snuff-Video wirken zu lassen, das zwei Täter zeigt, wie sie einen Mord nach dem anderen begehen. Kein Wunder, das AUGUST UNDERGROUND sich längst zum Kultfilm in seiner Szene gemausert hat. Scheinbar hat ihm nur sein verschwommener, verwackelter Stil eine Relevanz verliehen. Denn die gezeigten Schock-Szenen wurden bereits in zahlreichen hochbudgierten Horrorfilmen in deutlich besserer Optik präsentiert. In diesem Sinne muss ich Vogel ein Zugeständnis geben : Sein Film sieht mit seinen Flimmereffekten und Bildstörungen in der Tat glorreich scheiße aus.
                    Eine Täterzeichnung existiert auch nicht wirklich, außer das die beiden Täter sich scheinbar übertrieben komisch finden. Egal ob sie eine gefesselte Frau im Keller mit ihren eigenen Fäkalien beschmieren, Leichen in der Badewanne bearbeiten und sich dabei übergeben oder einem ihrer Opfer den Kopf mit einem Hammer einschlagen, ständig lacht entweder Täter oder Kameramann, meistens aber beide.
                    Zugegeben, das Kino vermochte Serienkiller immer wieder zu stilisieren. Sie waren immer der perfekte Reibungspunkt für die Faszination in der Gegegnung des Bösen, oder einfach perfekte Antagonisten. Nur so entstanden erst Ikonen wie Norman Bates oder Hannibal Lecter. Warum nicht diesen ganzen künstlerisch inspirierten Ballast über Bord werfen und alles auf die Realität runterbrechen ? Serienkiller als unreife Gestörte die in ihrer Tat nur Belustigung sehen. Kein Motiv, keine Hintergrundgeschichte, kein wirklicher Film. Nur das Töten. So sehr eine solche Sichtweise auch interessant sein kann, so ist sie immer noch, zumindest im Falle von AUGUST UNDERGROUND, viel zu uninspiriert. Verachtung ist da, aber das war es dann auch. Vogel tritt mit seinem Film auf der Stelle und kann nur dadurch wieder relevant werden, indem er den Goreregler wieder mal auf 180 fährt. Permanent merkt man, das hier nur jemand immer wieder schockieren will, wodurch das Endprodukt verzweifelnd uninteressant wird. AUGUST UNDERGROUND verkommt zu einem beschämend unreifen Beitrag zu einer so schmerzhaften Thematik. Ein Film, der seinen Platz auf Mitternachtspartys gefunden hat und der zu anderen Sichtweisen rein gar nichts taugt.

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                      DerDude_ 25.07.2016, 10:45 Geändert 25.07.2016, 16:50

                      Die andere Seite des Paradieses...

                      Geld, ein Dach über dem Kopf, ein geregeltes Leben, soziales Ansehen. Die Figuren in dem Drogendrama der Safdie-Brüder HEAVEN KNOWS WHAT haben nichts von alldem. Im Zentrum steht die junge Herumtreiberin Harley, die auf den Straßen von New York City lebt. Die Erfüllung ihres obdachlosen Dasein erhält sie nur aus zwei Dingen: Der zerstörerische Liebe zu dem ebenfalls obdachlosen Ilya und ihr exzessiver Heroin-Konsum. Sie scheint sich damit abgefunden zu haben, von dieser Welt nur noch wie Schmutz behandelt zu werden, weswegen ihr einziger Antrieb, die Suche nach der nächsten Spritze, die ihr eine volle Portion Glück in die Venen pumpt, darstellt. Ihr Milleu ist geprägt von permanenter Hoffnungslosigkeit.
                      HEAVEN KNOWS WHAT scheint jene Heroin-Junkie Szene nicht nur zu inszenieren, sondern sie förmlich zu leben. Die ziellose Kameraführung und die zahlreichen Close-Ups spiegeln Harleys Ruhelosigkeit wieder, während der psychedelische Soundtrack über die Leinwand erklingt. Der Film atmet jede versiffte Gosse und jedes verdreckte Apartment ein und verleiht dem Film eine beispiellose Authentizität. Die Memoiren von Hauptdarstellerin Arielle Holmes "Mad Love in New York City" stand Pate für die Geschichte des Filmes, der sie in fiktionalisierter Form erzählt. Holmes, selbst Ex-Heroin Junkie und ehemals obdachlos, gibt eine elektrisierende Performance als eine Frau, die nur noch für Momente lebt, in denen sie die Realität ausblenden kann. Egal, wie sehr sie sich durch ihre Heroin-Eskapaden selbst zerstört, wenn sie auf dem Trip ist, ist alles andere egal. Dasselbe gilt für ihre Beziehung zu Ilya: Egal wie selbstzerstörerisch ihre Zuneigung zueinander ist, egal wie rücksichtslos er sie behandelt, wenn sie nachts in seinen Armen liegen kann, wirkt alles so, als hätte es einen Sinn. HEAVEN KNOWS WHAT begeht jedoch nicht den Fehler, seine Figuren in die Opfer Position zu drängen. Harley und die anderen Junkies sind nicht hilflos, sondern haben gelernt, mit ihren Lebensumständen irgendwie umzugehen. Jenes Verständnis schenkt der Film seinen Figuren, das Verständnis sich an Augenblicke zu klammern, in denen alles andere egal geworden ist. Gleichzeitig aber auch ist HEAVEN KNOWS WHAT in zahlreichen Szenen umso schockierender und intensiver geraten, als kaum ein anderer Drogen-Film der letzten Jahre. In diesem wahnsinnigen Strudel aus Schmutz und Schmerz, aus verträumten Rausch und bitterer Realität wird HEAVEN KNOWS WHAT zu einem Filmmonster, das einen unerbittlich mit sich reißt.
                      Schade, bei HEAVEN KNOWS WHAT handelt es sich möglicherweise um den intensivsten und differenziertesten, sowie am interessantesten inszenierten, Drogenmilleu-Film der letzten Jahre und kaum jemand scheint ihn gesehen zu haben. Daher die Empfehlung, sich diese filmische Wahnsinnstat anzusehen.

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                        Nach den 160-Minuten, die TONI ERDMANN andauert, schwebte in meinem Kopf recht lange die Frage, wie man diesen Film nun einordnen soll. Komödie, Drama oder einfach Tragikomödie ? Ein Schubladendenken, das letztendlich hinfällig ist, denn TONI ERDMANN hat nicht die Ambition, in eines dieser Genres gedrängt zu werden. Die Tragik und die Emotionalität, die der Film sanftmütig in sich trägt, genau wie sein durchdachter Humor, schafft er es dem Zuschauer auf eine Weise zu vermitteln, die so komplett unaufdringlich ist. Er nähert sich dem Zuschauer zunächst bodenständig, doch mit zunehmender Laufzeit nehmen die Absurditäten des Filmes immer mehr zu und eskalieren im Schlussakt in einem katharthischen Finale, das endgültig jede Grenze einreißt. Maren Ade ist ein angenehm unverklemmter Film gelungen, der zum einen sich nicht vor dem Schwanken in obskuren Humor fürchtet und der nur dadurch auf der Gefühlsebene alle Töne trifft.
                        TONI ERDMANN habe ich als einen Film über Humor verstanden und Maren Ade gelingt das Kunststück, Humor Ernst zu nehmen und zu verdeutlichen, wie wichtig, wie menschlich und auch wie mächtig dieser sein kann. Der Musikprofessor Winfried Conradi kann seine Tochter Ines, die in einer Arbeitswelt feststeckt und scheinbar zwischenmenschlich immer mehr erkältet, nur noch über seinen Humor erreichen. Nur Winfrieds Absurditäten in seiner Rolle als selbsternannter deutscher Botschafter Toni Erdmann, mit der er die (scheinbare) Seriosität jeder Situation sprengt, erreicht Ines noch in irgendeiner Form. Ines Leben ist selbst zu einem Rollenspiel geworden: Sie spielt die Unternehmensberaterin, die Tochter, doch wer sie wirklich ist kann sie nicht mehr nach Außen tragen. Erst als Winfried anfängt, ihre Arbeitskollegen und ihre Arbeit, die mit Begriffen wie "Coaching" und "Outsourcing" um sich wirft und in der andauernd ein hochtrabendes "Buisness-Englisch" geredet wird, zu entzaubern, fängt sie irgendwann an, durchzuscheinen. Peter Simonischek gibt den sanften Kämpfer für den Humor mit meisterlicher Hingabe und Sandra Hüller glänzt in einer emotionalen Tour de Force.
                        TONI ERDMANN ist die Geschichte einer (letzten ?) Flucht, vor einer Welt, die Humor und Skurillitäten als obsulet betrachtet, obwohl sie selbst völlig absurd geworden ist. In der Menschen nur noch ein Konstrukt sind und nur noch das zählt, für was sie stehen. In der Momente nur noch den nächsten einleiten, aber nicht mehr festgehalten werden können.Doch jenes Konstrukt stürzt ein, wenn es auf etwas völlig Unberechenbares trifft.Und am Ende, wenn alle Hüllen und Masken gefallen sind, ist jene Verbindung zwischen Winfried und Ines so verdichtet, das es nur noch eine einzige Umarmung brauch um im Zuschauer Berge zu versetzen.

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                          https://www.youtube.com/watch?v=YVyWObJY9FQ

                          Ufffffff....

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                            DerDude_ 27.06.2016, 10:04 Geändert 27.06.2016, 16:37

                            "I need to get her out of me..."

                            Es war wohl nur noch eine Frage der Zeit bis Regisseur Nicolas Windig Refn einen Film wie THE NEON DEMON dreht, einfach weil er sowohl für die Ästhetik als auch das Subjekt eines derartigen Filmes schlichtweg die passendste Wahl ist. Refn, dem es mit seinem Überraschungs-Hit DRIVE vor Jahren gelang, einem Publikum endlich wieder waschechten Stil näher zu bringe, löste damit direkt einen Hype um ihn aus, nur um jene Erwartungen dann mit seinem, zwar immer noch stilsicheren aber umso sperrigeren ONLY GOD FORGIVES gegen die Wand zu fahren. Refn war an dem großen Publikum, das er fand, scheinbar kein bisschen interessiert. Ein Film wie THE NEON DEMON ist damit eine logische Weiterentwicklung eines Regisseurs, der so meisterhaft audiovisuelle Alpträume generiert, inhaltlich dem Zuschauer aber kaum einen Halt gibt und immer in den richtigen Momenten zuschlägt und sein Publikum entweder nur abstößt, oder es endgültig an sich bindet.
                            Zwar ist THE NEON DEMON inhaltlich im Vergleich zu Refns Vorgängerfilm deutlich einfacher zu folgen, aber dennoch ein mehrdeutiger Film der expressionistisch gelesen werden will. Tatsächlich aber findet Refn nur durch diese (seine) Inszenierung in dem Thema der mörderischen Glamour/Mode-Welt neue Aspekte, wenn auch bekannte Elemente vertreten sind: Junges Model, ausgestattet mit einem Engelsgesicht, kommt nach Hollywood und zieht Bewunderung, wie auch Neid gleichermaßen auf sich. Ein MULHOLLAND DRIVE-Vibe flüstert den gesamten Film mit. Jesse (so verführerisch wie noch nie und genau in ihrem Element: Elle Fanning) ist wie aus dem Bilderbuch der unverbrauchten und hundertprozentig natürlichen Schönheit. Dieses Geschenk (oder doch Fluch ?) des "gewissen Etwas" haftet an ihr. Refn inszeniert Fanning als Jesse in abstrakten Bildern, bei denen zum einen kräftige Farben und doch verschlingende Dunkelheit regieren. Jedes Bild, egal was es darstellen soll, wird durch sie abgerundet, ihre Schönheit erschafft alles, was man in ihr sehen will. Irgendwann wird es verbal auf den Punkt gebracht: "Beauty isn´t everything, it´s the only thing". Alles lässt sich mit ihr generieren, jeder Eindruck wird durch sie vergoldet.
                            Ein Mädchen wie Jesse, elternlos und offenbar unerfahren, wirkt in der Konkurrenz-Welt von L.A. wie ein hilfloses Lamm. Maximale, makellose Schönheit zu erreichen und beizubehalten ist oberstes Gebot für die anderen Models, die ihre Körper längst zahlreicher Operationen unterworfen haben um ihre Schönheit festzuhalten. Jesse ist für sie wie Gift: Wofür sie Jahre leiden müssen und jede Natürlichkeit aufgeben mussten, wurde Jesse einfach so auf den Weg gegeben.
                            Dadurch das Jesse scheinbar aus dem Nichts auftaucht wird der Eindruck generiert, das Schönheit kein Entstehungsprozess, sondern etwas völlig Willkürliches ist. Wie ist damit umzugehen ? In einer der ausdrucksstärksten Szenen des Filmes vollführt Jesse einen Catwalk in einem surrealen Dreieckskonstrukt, während die Farbspiele außer Kontrolle geraten und der Soundtrack sich, wie so oft, mit den Bildern reibt und unaufhörlich pulsiert. Jesse ist in einem Moment für sich und fängt urplötzlich an (vielleicht aber auch unter Instruktionen), sanftmütig ihre Spiegelbilder zu küssen und sich sich selbst endgültig hinzugeben.
                            Wie ist nun mit dieser Schönheit umzugehen ? Durch seine Szenen, die sich in ihrem schockierenden Effekt immer mehr übertreffen und vor wirklich keiner Form von Moral Halt machen, werden alle Reibungspunkte zusammengeführt: Die Make-Up Künstlerin Ruby (so großartig wie lange nicht mehr: Jena Malone) wird zur Schlüsselfigur. Wo andere Jesse mit Neid begegnen, begegnet sie ihr mit Bewunderung, und zwar keiner kapitalsüchtigen Bewunderung wie die Fotografen, sondern mit tatsächlicher Bewunderung. Doch auch diese Form von Bewunderung wünscht sich nach einer Auflösung. Natürliche Schönheit, die jedem den Atem raubt, kann nur mit einer Vereinigung oder mit Zerstörung beantwortet werden.
                            THE NEON DEMON scheint dies verinnerlicht zu haben, wenn urplötzlich jede Form von Ordnung (ob man sie nun wirklich so nennen kann sei dahingestellt) außer Kontrolle gerät. Schönheit wird mit Grausamkeit beantwortet. Sie ist nicht alleine der Überbringer von Sinnlichkeit, sondern ebenso der von Gefahr. Refn vereinigt in seinen Bildern beide Seiten und lässt sie in einem wabernden Soundtrack miteinander verschmelzen.
                            THE NEON DEMON kann man insoweit als Überlieferer jener Botschaft der unerträglichen Schönheit sehen: Entweder man gibt sich ihr hin oder man terminiert sie. Entweder man bewundert THE NEON DEMON oder man zerreißt ihn, aber egal was man tut, der Film bleibt für sich, einfach weil der jede Form von Reaktion schon von vornherein erwartet und sogar in Kauf nimmt.
                            Schönheit- Besser man frisst sie, bevor sie einen selbst frisst. Bon appétit !

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                            • DerDude_ 16.06.2016, 20:19 Geändert 16.06.2016, 20:22

                              Yay, Gewalt gegenüber Frauen auf Filmpostern impliziert natürlich automatisch eine Relativierung von gewaltätigen Übergriffen gegenüber Frauen und schreckt nicht vor ihnen ab oder macht auf sie aufmerksam !
                              Was ich nicht verstehe: Warum muss inzwischen alles immer so unerträglich "sauber" sein ? Warum kann ein Kinoposter nicht auch etwas "schocken" und damit implizieren, das der Bösewicht im Film eine tatsächliche Bedrohung sein kann ? Warum glaubt jeder automatisch, das Gezeigte unterliege einer Akzeptanz ? Alles muss in Zuckerwatte eingepackt werden, niemand darf auch nur den Anflug eines Gedanken haben, das irgendetwas in der Welt (sei es nun in der fiktiven Comic-Welt oder der Realen) nicht zu 100% in Ordnung ist.

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                              • Kann mir einer irgend ne Meinung zu der Romanvorlage von HIGH-RISE geben ? Die klingt ganz interessant.

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                                • Look at all the movies Im gonna ignore ...

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                                    Nach dem Abschluss seiner BEFORE-Trilogie hatte sich Richard Linklater längst jenseits des Indie/Slacker-Kinos etabliert. Mit seinem 12-jährigen Monster-Projekt BOYHOOD stieg er jedoch endgültig in den Olymp des Kritikerlieblings auf und erlangste sogar großen Oscar-Hype (auch wenn ihm die Trophäe selbst verwehrt blieb). Man bekommt irgendwie den Eindruck, Linklater wurden all die Lobgesänge und der Platz im Rampenlicht zu viel und er musste einfach nochmal so richtig die Sau rauslassen. Das Ergebnis: Der geistige Nachfolger seines damaligen Durchbruchsfilmes DAZED AND CONFUSED !
                                    Linklaters EVERYBODY WANTS SOME!! erzählt von den 3 Tagen vor dem Studiumbeginn einer Baseball-Verbindung der 80er, erzählt bis zu großen Teilen aus der Sicht des Neulings Jake. Was in der Zeit so abgeht ? Es wird sich hemmungslos besoffen, möglichst vielen Mädchen nachgegeiert, Weed bis zum umfallen geraucht, auf die merwürdigsten Partys gegangen und sich gegenseitig Streiche gespielt. Mit anderen Worten: Eigentlich nichts wichtiges, aber dennoch ne ganze Menge. Wie immer findet Linklater die Bedeutung in der Bedeutungslosigkeit, das Entscheidende im Alltag. Er kreiert ein interessantes Bild einer 80er Jahre Studentenverbindung, bei der jeder einzelne so seine Eigenarten und Macken hat. Der groovige Soundtrack gehört selbstverständlich dazu, ebenso wie die bunten Klamotten, die Basecaps und die doofen Sprüche. EVERYBODY WANTS SOME!! führt in folgender Hinsicht den Geist seines Vorgängers fort: Nichts im Film strebt nach Bedeutung, keine Szene will mehr sein als sie ist. Das macht den Film angenehm unprätentiös, zudem da auf der Handlungsebene nahezu gar nichts passiert (Es findet im gesamten Film kein einziges Baseball-Spiel statt, es wird nur einmal geübt). Linklater wird wohl immer für den Moment leben und sich kleineren Zwischenszenen immer wieder hingeben, so wie er es seine ganze Karriere schon tut. Nur leider führt das oftmals dazu, das manche Szenen den Zuschauer kaum für sich gewinnen und auf die Dauer schlichtweg zu lange geraten sind. Das tut dem Spaß der gelungeren Szenen keinen Abbruch, aber dennoch wirkt der Film dadurch etwas unrund. Wenn man gerade keinen Spaß am momentanen Szenario der Chaotentruppe findet, kann sich das schon ziehen. Zudem sollte vermerkt sein, das EVERYBODY WANTS SOME!! zwar eine erfrischende Rückschau, aber keine glorreiche Rückkehr zu alten Tagen ist. Linklater hat mit BOYHOOD gezeigt, was er im Zuschauer auslösen kann, wie sehr seine Lakonie und seine Momentaufnahmen Träume herraufbeschwören können. Sein Abdriften in den puren Blödsinn ist im Endeffekt nur ein netter Spaß. Aber auch ein Spaß, den Linklater sich erlauben kann. Schaden tut EVERYBODY WANTS SOME!! nämlich in keinster Weise. Eine Erfrischung, nicht mehr. Mehr wollte sie aber auch nie sein.
                                    Es sei zudem vermerkt: Wenn man in das Glück gekommen ist an einer deutschen Uni zu studieren, so kann der Film niederschmetternden Neid verursachen aber das ist eine andere Geschichte.

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                                      DerDude_ 27.05.2016, 08:36 Geändert 27.05.2016, 13:04

                                      Vorneweg: Im Endeffekt hat man nicht wirklich eine andere Wahl als SING STREET als reinstes 80er Jahre Musik-Märchen zu bezeichnen. Die Naivität des Filmes ist aber nicht seine Schwäche sondern seine größte Stärke. Denn genau wie die gesungene Musik, genau wie das Kernelement des Rock N Roll, weigert sich der Film in irgendeiner Form halbe Sachen zu machen: Es geht um den ganz großen Traum, von dem unerreichbaren Mädchen. Und was SING STREET so einzigartig macht ist, das er bis zum Ende fest an seinen Protagonisten, den 15-jährigen Conor glaubt.
                                      Die verrückte Idee von der Gründung einer Band wird nicht ironisch gebrochen, einfach weil SING STREET ein Film ist der sich den jugendlichen Träumen und der jugendlichen Entschlossenheit versprochen hat. Und weil er selbst eine Liebeserklärung an so vieles ist, sei es an die Zeit in der man sich noch in das vergebene, etwas ältere Mädchen verliebt hat, die so schön war das jeder Anblick den sie einem (unbewusst oder bewusst) schenkte, fast wehtat.
                                      Oder eine Liebeserklärung an alle Brüder dieser Welt (so wie es der Anspann vermerkt). Das der Film dabei mit einem so trockenen und immer sitzenden Humor auffährt macht ihn umso sehenswerter, genau wie der Soundtrack, bei dem man sich nach dem Kinobesuch schwer entscheiden kann, was man hören möchte: Die vertretenen Klassiker von Duran Duran, The Jam oder The Cure oder die Neukreationen der Film-Band. Im Endeffekt kann man hier nichts falsch machen.
                                      Ja, man könnte SING STREET recht simpel als gelungenen Wohlfühl-Film abstempeln, doch ich will es nicht dabei belassen, denn er trägt etwas zutiefst berührendes und ergreifendes in sich, etwa weil der Film einen all seine jugendlichen Träume noch einmal spüren lässt und man keine andere Wahl hat, als in den Musikszenen nicht mehr aus dem Lächeln herauszukommen. Musik wird hier zur Reflexion von Conors Innenleben und die zarte Liebe zur schönen Raphina, das Krisengebiet seiner Familie oder auch sein unterstützender Bruder Brendan finden ihren Teil darin, sowie Musik in gewisserweise doch immer das reflektiert, was wir fühlen, egal ob wir sie selber schreiben oder sie hören.
                                      SING STREET ist der verfilmte große Traum unserer Jugend. Ein Märchen ? Ja, aber dennoch uns so nahe wie er nur sein kann.

                                      "I did what I had to do. If there was a reason, it was you..."
                                      - Pearl Jam.
                                      Nicht ganz 80er, aber was solls....

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                                      • Nah, der Kristen und dem Assayas vertrau ich doch glatt

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                                        • DerDude_ 13.05.2016, 17:51 Geändert 13.05.2016, 17:57

                                          Lena Dunham - Kino und Fernsehen für weiße Wohlstandsmädchen deren größtes Problem es ist, wenn irgendein Junge nicht zurück schreibt.

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                                            Grad den ersten Clip gesehen.
                                            Ist es denn die Möglichkeit ? Kein einziger 90er Song wurde gespielt und die Ästethik erinnert nicht an Viva !

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                                            • DerDude_ 08.05.2016, 12:07 Geändert 08.05.2016, 12:08

                                              "Wenn du deinen Zuschauern etwas Einzigartiges präsentierst, dann werden sie darauf reagieren."

                                              Das Wort "Einzigartig" hat noch nie in so kurzer Zeit, so viel an Wert verloren.

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                                                  Irgendwas ist hier falsch.

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                                                    DerDude_ 25.04.2016, 08:12 Geändert 25.04.2016, 10:27
                                                    über Carol

                                                    "Nicht jedes Ding reagiert. Aber alles ist lebendig"

                                                    Der Anfang von Todd Haynes Film führt in die Irre : Zu der Musik von Carter Burwell erhebt sich die Kamera aus einem Gullideckel und folgt im nächtlichen New York einer Menschenmasse, bis sie schließlich einen Mann in den Fokus nimmt, der ein Restaurant betritt. Der Mann unterbricht die Unterhaltung zwischen Carol und Therese, die sich später als die wahren Protagonisten des Filmes herausstellen werden. Ihm ist nicht bewusst, welche wichtigen Moment er gerade den beiden Frauen verwehrt hat. Und wir wissen es auch noch nicht.
                                                    Haynes macht schon zu Beginn klar das hier etwas erzählt wird, das unter der Oberfläche verborgen ist und nur zwischen den Zeilen sichtbar wird, das aber jenseits aller irdischen Dinge existiert : Die Liebe. Die Inszenierung des Filmes ist ab dem Moment in dem Therese aus dem Autofenster blickt, konsequent an ihren Blick gebunden. Ihre Sehnsucht und ihr Wunsch nach Nähe zu dem einen, besonderen Mensch Carol bebildert Haynes in einem Meer aus Farben in der jeder Rot-Ton zu einem sanften Glühen wird. Die Bilder, die Haynes mit Kameramann Ed Lachmann findet, wirken wie entsprungen aus einem einnehmenden Traum, der jede Realität vergessen macht.

                                                    In einer der wohl atemberaubensten Szenen des Filmes fahren Carol und Therese zusammen im Auto in einen Tunnel, während die Dialoge von der zärtlichen Musik überdeckt werden und das Bild immer unschärfer wird. Wir sehen aber immer noch die lächelnde Therese, die von Carol ihren Blick gar nicht mehr lösen will. Dieser Moment der Intimität ist zwar ein beiläufiger, aber er ist so wichtig und unentbehrlich. Er ist ein visuelles Entblößen lesbischen Begehrens und generell der Liebe, die jedes andere Gefühl überdeckt. Darin liegt auch die wohl größte Stärke von Haynes Film. Er konzentriert sich auf die individuellen Auswirkungen der Liebe und macht sie damit für jeden erfahrbar.
                                                    Überhaupt dauert es ewig bis die Gefühle, die die erfahrene Dame Carol und das junge Mädchen aus dem Warenhaus Therese füreinander empfinden irgendwie verbal entblösst wird und selbst dann geschieht es meist durch eine dritte Person.

                                                    CAROL erzählt aber in seinem Großkonstrukt noch von etwas anderem : Er erzählt von einer Flucht. Sowohl der Alltag von Carol, als auch von Therese scheint von einer Überraschungslosigkeit geprägt zu sein. Carol kämpft um das Sorgerecht für ihre Tochter. Sie hat sich damit abgefunden, das ihre Gefühle in dieser Welt nicht verstanden werden. Therese ist noch jung aber auch sie scheit festzustecken. Sie hat keine Ahnung von ihrer Zukunft und sie ist nur ein Spielball ihres Freundes, der sie gerne heiraten würde und sie endgültig in das passive Frauenbild drängen würde. Doch durch die Begegnung zwischen den beiden Frauen erwachen beide.
                                                    Dieses Erwachen taucht jeden Moment den die beiden Frauen teilen in ein glanzerfülltes, erwärmendes Licht, wie ein Lagerfeuer um das man bei Nacht herumsitzt.

                                                    Doch CAROL ist ebso die Geschichte der Wandlung von Therese. Zu Beginn ist sie kaum in der Lage ihre Gefühle zu erklären und gibt sich ihnen hin. Carol ist der Kontrast : Sie weiß wie gefährlich das Ausleben ihrer Liebe sein kann. Erst als Therese den Schmerz erfahren muss, der durch die komplette Verweigerung jeglicher Empathie für die beiden Frauen ausgelöst wird, zerbricht sie zwar zunächst daran (ich glaube auch in der Darstellung von Liebeskummer macht Todd Haynes selbst in über 100 Jahren Filmgeschichte kaum einer etwas vor) aber sie wächst auch. Sie verbittert nicht daran, sondern sie erkennt das Gefühle, gerade die wichtigsten, die sind, für die man am härtesten kämpfen muss. In einem Lichtermeer aus Falschheit das eine zu finden, dessen Flamme man noch nie so bedingungslos brennen gesehen hat, so kann man sich nicht mehr einfach von ihm entfernen.

                                                    Die Darstellung von Cate Blanchett als Carol führt sie in ihre Paraderolle zurück und sie glänzt zu jeder Sekunde. Jede Sekunde ihrer Screentime wärmt sie mit ihrer Präsenz. Noch beeindruckender ist aber Rooney Mara in einer Performance für alle Ewigkeiten. Jede Emotion die sich auf ihrem Gesicht abspielt wird zum Seelenabruck, egal ob es das bittere Weinen im Zug oder das schüchterne Lachen ist, als Carol ihr Geschenk auspackt. Sie macht das Innenleben von Therese erst so greifbar.

                                                    CAROL ist die Geschichte einer Begegnung, die Geschichte von zwei Blicken die sich in einer Menschenmasse treffen und aneinander bleiben. Haynes hat einen der bedingungslosesten und puresten Liebesfilme gedreht. Ein perfekt komponiertes Kunstwerk aber dennoch so rein und unschuldig als würde es erst vor unseren Augen entstehen. Genau wie Liebe immer vor unseren Augen entsteht, aber wir beschäftigen uns in diesen Augenblicken kaum damit, was in uns vorgeht sondern leben so sehr, wie noch nie zuvor. Deswegen wird ein Schneefall in der beleuchteten Nacht auch immer mehr sein, als Worte ausdrücken können.

                                                    Der Preis von Salz mag noch so hoch sein, doch wer tief in sich hineinhorcht, der würde ihn jeden Tag zahlen. Und es nie bereuen.

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