Lydia Huxley - Kommentare
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Alle Kommentare von Lydia Huxley
BLUTGLETSCHER ist quasi "Das Ding" auf österreichisch. Allerdings gefallen mir hier zwei Aspekte deutlich besser als beim Carpenter-Klassiker: Zum einen wirken die Alpen-Kulissen viel vertrauter und machen das Grauen damit greifbarer und beängstigender. Zum anderen sind die VFX im notwendigen Rahmen gehalten, gerade genug CGI um den Horror im Kopf in Gang zu setzen. Ganz anders als der handgemachte aber dennoch alberne Effekte-Zirkus bei "Das Ding".
Man weiß was kommt und dennoch ist BLUTGLETSCHER unterhaltsamer, effektiver und sehr stimmungsvoller Gruselspaß.
Govinda Van Maeles Debütfilm ist inhaltlich clever konstruiert. In der Inszenierung arbeitet er jedoch so subtil, dass man schon mal ungeduldig werden darf. Der mysteriöse Dorfthriller GUTLAND funktioniert durch kleine, sich verdichtende Momente der Beklemmung und nimmt ganz zum Schluss noch etwas an Fahrt auf.
Das Grauen in der Nachbarschaft, leise, feinsinnig und auch ein bisschen langweilig.
Hübscher, kleiner Horrorfilm, der bei mir seit langem mal wieder für Paranoia gesorgt hat. Der mystische Kniff hat mir gut gefallen ebenso wie die Hirsch-Cox-Kombo. Leichte Genrekost, launig und gruselig.
Böse, kleine Splatter-Komödie, die den gesellschaftlichen Aspekt der Zivilisiertheit auf eine höchst unterhaltsame Art in Frage stellt.
Der Kontrast zwischen dem pompös eleganten Setting und den triebgesteuerten Bluttaten macht den eigentlichen Reiz von READY OR NOT aus. Wunderbar "verspielt" zeigt er die Dekadenz einer sozialen Gruppe, die sich über ihre vermeintliche Kultiviertheit, Manierlichkeit und Noblesse definiert, klar abgrenzt, diese aber angesichts des Erhalts des eigenen Status Quo schneller entsagt, als Pfeile Dienstmädchen-Gehirne durchbohren. Man lerne, so manche reaktionäre Traditionsbeflissenheit wäre es Wert, an ihrem eigenem Aberglauben zu zerbersten.
Dunkel, blutig, launig, gut ausgestattet und vor allem ohne billige Jump-Scares.
Während "Shining" noch ein ziemlich gehaltvoller Psycho-Thriller war, fühlt sich DOCTOR SLEEPS ERWACHEN eher nach billigem Budenzauber an, eine Mischung aus Superhelden-Origin-Story und kitschigem Jahrmarkt verwurstet in der Nostalgie-Maschinerie. In einer ganz konkreten Assoziation ist der Film eine ausufernde Episode von "Chilling Adventures of Sabrina", nur ohne den Humor natürlich.
Die Fortsetzung übergeht alle philosophischen Ambitionen und steigt ohne Umwege in eine Welt der Übersinnlichkeit ein, die statt zu verzaubern den Shining-Mythos völlig entzaubert. Die reine Wiederholung bekannter Szenen aus dem Overlook Hotel sind gefälliger Fanservice, unkreativ und rauben diesen Momenten ihre eigentliche Dramatik. Emotionen gibt es hier nur als zwischenmenschliche Sentimentalität. Von Spannung keine Spur.
Knuffig, morbide, burtonesk. FRANKENWEENIE ist ein wunderbar animiertes, liebevolles Grusel-Märchen mit vielen großen und kleinen Referenzen an das Horrorgenre. Wer sein Herz schon mal an ein Haustier verloren hat, wird sich sicher besonders berühren lassen können. Jetzt wo die Halloween-Saison mit dem Corona-Herbst zu einem schaurigen Ungetüm mutiert, ist FRANKENWEENIE vor allem thematisch der perfekte Match.
Atmosphärisch dichte Psycho-Mystery in knackigen 90 Minuten.
NOCTURNE bedeutet wörtlich "Nacht werdend", in dessen Kontrast das allgegenwärtige Symbol der Sonne steht. Oder ist es nur ein Trugbild? Sieht sie geblendet vom Licht nicht die Schatten um sich herum ausbreiten? Vom Ehrgeiz zur Gier, von der Ohnmacht zur Macht. NOCTURNE zeigt sinnbildlich und doch präzise die Konsequenzen einer schmerzhaften Desillusionierung, wie ein Erwachen in der Dunkelheit.
Sydney Sweeney ist mir bereits bei THE HANDMAID'S TALE positiv aufgefallen und sie schafft es auch hier, die Alptraumhaftigkeit einer für viele Menschen gängigen Erfahrung glaubhaft zu transportieren.
So wie man das von Wes Anderson erwartet, ist auch DIE TIEFSEETAUCHER ein Quell an Einfallsreichtum und Absurditäten. Ein anachronistischer Jacques Cousteaus-Kosmos mit schrägen Figuren, einen typisch puppenhausartigem Set, klarem Farbdesign und im Zentrum eine verzwickte Vater-Sohn-Beziehung sowie gleichzeitig eine Abrechnung mit Vorbildern der Kindheit. Das ist launig, wie immer toll anzuschauen und eröffnet trotz aller irritierender und ablenkender Details das Innere eines sehr eigenwilligen Charakters - Steve Zissou. So weit so gut.
Der Umgang mit den Figuren ist allerdings auffällig rüde und das liegt nicht nur an den fiesen Sprüchen des Protagonisten, sondern vor allem an der Art wie der Film zu seinen Figuren und deren Aussagen Stellung bezieht. Der trockene und teilweise schwarze Humor, der hier zum Zuge kommt, sorgt für einige wirklich gute Gags, aber Hand auf Herz, einfach zu oft waren da welche dabei, mit denen ich mich sehr unwohl gefühlt habe. Und fast verärgert hat mich dann noch die selbstgefällige Einsicht von Steve Zissou, er sei wohl ein Arschloch, aber er ist doch okay damit, was die vorangegangen, unlustigen Beleidigungen und Drangsalierungen doch irgendwie legitimiert. Daran kann auch die finale Jaguar-Hai-Katharsis nichts mehr ändern, die sowieso komplett konsequenzfrei bleibt. Die Antipathie steckt hier nicht nur in Papa Schlumpf-Uniform.
Verfilmung nach dem Märchen "Däumelinchen" von Hans Christian Andersen im schönen, klassischen Zeichentrick mit vielen eingängigen Songs. Leider angehäuft mit unzähligen dämlichen Geschlechterklischees. Die endlose Aneinanderreihung von Ausbeutertum, Alphamännchen-Gehabe und Rettung der Jungfrau in Nöten ist lästig.
Wohl möglich, dass sich Emmerich mit seinem Anspruch der "Wahrheitstreue" verkalkuliert hat. Vergisst er doch über das Zeitdokument hinaus eine Geschichte zu erzählen. Er hastet durch die zeitgeschichtlichen Abschnitte, natürlich feinsäuberlich mit Ort und Datum beschriftet und audio-visuell ausgeschmückt, nimmt sich aber keine Zeit für die Charaktere und ihre Schicksale. Die Ernsthaftigkeit mit der hier höchst banale, schwülstige Dialoge zwischengeschoben werden, ist unzeitgemäß und dadurch leider albern. Zwischen Geballer und Explosionen erstickt der einzige Mehrwert, den Emmerichs Filme auszeichnet - die Unterhaltsamkeit. Die VFX sind nicht so großartig, dass sie wirklich dazu beitragen können. Viele Szenerien hat man bereits in PEARL HARBOR besser gesehen. Wer was zum Pazifikkrieg erfahren will, schaut lieber eine gute Dokumentation oder alternativ die tolle Mini-Serie THE PACIFIC. Da kommt man besser mit weg. Die Idee, John Ford bei seinem Dreh auf Midway zu zeigen, hat mir gefallen. Leider eine zu kurze Szene.
Anna Leonowens war in den 1860er Jahren tatsächlich die Englisch-Lehrerin der thailändischen Königskinder. Aber bereits ihre eigenen Aufzeichnungen über den Aufenthalt in Siam waren mehr fiktionaler Natur, weshalb ein historischer Anspruch wohl kaum gegeben ist. Dies begründet auch, warum Thailand Anna Leonowens' Biographie und die darauf basierenden Theaterstücke und Filme verbannt hat. Schließlich wäre es ja ein Unding, hätte eine Frau jemals solch einen Einfluss auf einen König gehabt.
Der Kitsch-Regisseur Andy Tennant adaptierte den Stoff in jener fiktional-romantischen Version, wie es eben in sein Metier passt. Zwischen Emanzipation und Kolonialkritik entwickelt sich eine zarte Romanze, die keinerlei Aussicht auf gesellschaftliche Akzeptanz erfahren würde. Im konfliktreichen Aufeinandertreffen der Kulturen umweht die Figuren immer ein Höchstmaß an Achtung und Respekt füreinander. Was ANNA UND DER KÖNIG jedoch ein wenig aus dem romantischen Genre abhebt, sind die aufwendigen Kulissen, Kostüme und die schönen Aufnahmen in der Natur Malaysias.
Der Mensch ist so damit beschäftig, sich gesund zu doktorn, dass er vergisst, sich nicht krank zu machen. A CURE FOR WELLNESS ist das Medikament für alle, die nicht nach dem Ursprung ihres Leids fragen. Stattdessen wird es betäubt, verdrängt, vergessen, zumindest kurzfristig, für einen kleinen Moment des Wohlbefindens. Aber Betäubung ist keine Heilung.
Gore Verbinskis aktuellster Spielfilm ist mit seinen einfallsreichen Perspektiven und bezaubernden wie beängstigenden Kulissen nicht nur ein wunderschön anzuschauender Mystery-Psycho-Thriller, sondern auch eine wunderbar launige Allegorie auf die menschliche Ressource im Hamsterrad des ausufernden Kapitalismus.
Wasser trinken ist gesund! Oder? Ist es! Aber wenn du Schmerzen in der Brust hast, weil du gleich einen Herzinfarkt hast, weil du deinen Körper zwanzig Jahre lang auf Anschlag belastest hast mit 80-Stunden-Wochen, 4-Stunden-Nächten und 5-Minuten-Essen, dann wird dir ein beschissenes Glas Wasser nicht mehr das Leben retten können! Ein klarer Einstieg, dann ein komplett anderes Setting, was nicht darüber hinwegtäuschen wird, dass die Thematik auch hier ihren Einsatz findet. Denn hier herrscht ein dominanter, charismatischer Aristokrat hoch oben in seinem Schloss, isoliert vom Proletariat unten im Dorf. Er scharrt seine menschliche Ressource um sich, mit dem Versprechen, ihnen ein gutes Leben zu ermöglichen. Diese Menschen möchten ihn mit allen Mitteln Glauben schenken. Denn an diesem schönen Ort, mit dem tollen Ausblick liegt ihre große Hoffnung auf eine sorgenfreie Zukunft. Sie glauben, absolute Hingabe sei dafür ausreichend. Doch sie ignorieren, dass sie ihre ganz persönliche Essenz aufgeben. Ausgeschwitzt und abgefüllt nährt sie die Elitären und stärkt sie in ihren unmoralischen Machenschaften. Darüber steht der Aal als das Symbol des (angeblichen) Aasfressers, zumindest aber als Raubtier, sich windend, umschmeichelnd und dann zuschlagend.
Zugegeben, die letzten 20 Minuten sind total drüber und auch irgendwie albern. Aber ist das nicht auch ein sechsstelliges Jahresgehalt, das eher Schmerzensgeld als Lohn gleicht? Davor bietet A CURE FOR WELLNESS atmosphärisch dichte 120 Minuten paranoider, witzig-absurder, halluzinogener, morbider und beklemmender Szenen in pastellig gekachelten Räumen und schier endlosen Gängen. Und sie führen gewiss nicht dorthin, wo man gern hinmöchte.
Ein Tag im Leben von Lara, voller Verbitterung, voller Ängste. Ein Film wie ein Zähneknirschen. Eine schneidende Kühle liegt über der Handlung, Lara zieht sie mit sich mit wie ein schweres Parfüm. Doch im Inneren brodelt sie, vor Zorn, vor Trauer, vor unausgelebter Leidenschaft. Eine Intensität, die sich zart spiegelt in subtilen Gesten und passiv-aggressiven Gebaren, oft in Begleitung von herrlich schwarzem, unterschwelligem Humor. LARA ist ein facettenreiches und elegant anzusehendes Bildnis einer Frau in einem konfliktbeladenen Familiengefüge. Das hoch energetische Finale sollte ein Lehrstück für ein Selbstbewusstsein sein, dass sich nicht abhängig von fremder Anerkennung und Akzeptanz macht.
Müßig verweilen wir in Sorglosigkeit, erwachsen aus dem festen Glauben, dass die Dystopien unserer Zeit uns nie erreichen werden.
Aber was, wenn doch? Was, wenn die Zukunft ihren Arm der Vergeltung in unsere Gegenwart ausstrecken könnte? Nicht in der hoffnungsvollen Erwartung noch etwas zum Besseren wenden zu können. Nein, denn die Generationen nach uns sind verbittert. Verbittert durch unseren Mangel an Mitgefühl für sie, geschändet von unserem Raubbau, kauernd in der Asche unserer Selbstgerechtigkeit. Schmerzhafte Erinnerungen einer schändlichen Vergangenheit, die es auszulöschen gilt und zwar mit derselben unmenschlichen, ignoranten und absurden Logik, die diese Zukunft erschaffen hat. Dass Zerstörung und Selbstzerstörung getrennt voneinander bestehen, ist wohl der größte Irrtum der Menschheit.
Mit dieser Prämisse beginnt Autor und Regisseur Christopher Nolan seine Geschichte - Eine Erfindung der Zukunft, die die Umkehrung des Ursache-Wirkung-Gefüges bewirkt und somit ermöglicht, was wir hofften, durch unsere Sterblichkeit zu umgehen: Die Abrechnung unserer Nachkommen über eine untragbare Erbschaft. Auf das Fundament des ausgehebelten Zeitverständnisses setzt Nolan ein abstraktes Gerüst: Das Sator-Quadrat – eine lateinische Palindrom-Spielerei. Das Quadrat besteht aus den Wörtern SATOR - AREPO - TENET - OPERA - ROTAS. Das sogenannte Satzpalindrom wird übersetzt mit: „Der Sämann Arepo hält mit Mühe die Räder.“ Angeblich ein Fingerzeig auf eine Schöpfungskraft und ihre mühevollen Kontrollversuche über deren Schöpfung. Nolan bringt die Begriffe offensichtlich in seine Geschichte ein: Andrei SATOR – der Gegenspieler, der Sämann; AREPO – der Name des Kunsthändlers, eine Unbekannte; TENET – der Titel, die Organisation und das buchstäbliche wie temporäre Palindrom; OPERA – die Oper, der Beginn der Handlung; ROTAS – der Name von Sators Firma und der sich drehenden Invertierungsmaschinen.
Der Titel TENET, aus dem Latein übersetzt „begreifen“, „steuern“, „bewahren“. Genau in dieser Reihenfolge soll der Protagonist im Sinne der Zeit handeln. Im Englischen bedeutet TENET auch „Grundsatz“, etwas Festgelegtes. Denn trotz der Invertierung bleibt das Geschehene geschehen. Im Gegensatz zur Zeitreise wird also klar, die Zeit ist umgekehrt erlebbar, aber sind die bereits eingetretenen Ereignisse nicht veränderbar. Es kann nur ein nebenstehender Handlungsstrang eröffnet werden. Und schließlich ist TENET auch der Name der Organisation, die der Protagonist untersteht. Er dient dem als absolut richtig anerkannten Grundsatz, einer gültigen Wahrheit, die keines Beweises bedarf – der einzig wahren Kausalität der Zeit.
Andrei Sator ist der Antagonist. Der Mann, der sät. Er sät den Algorithmus tief in die Erde für die Menschen aus der Zukunft, die ihn beauftragten, damit sie die gesamte Welt invertieren können. Im Kontext verkörpert er einen Teil der Menschheit sowie des einzelnen Menschen, der nach dem Prinzip „Nach mir die Sintflut“ lebt. Wenn die Zukunft nicht ihm gehören kann, soll sie niemand haben. Sprich, die Zukunft, die man nicht mehr erlebt, ist einem egal, die kann verkommen. Schließlich musste sich Sator in seiner Jugend selbst durch den Schutt dubioser Umstände graben. Warum sollte es anderen besser ergehen?
Ihm gegenüber steht sinnbildlich seine Ehefrau, Kat. Sie ist der Teil der Menschheit und auch des einzelnen Menschen, der empathisch ist und sich um die Nachkommen kümmert und sorgt. Im Symbol der Mutter steht sie für Opferbereitschaft, für die Anteilnahme an eine lebenswerte Hinterlassenschaft und eine besondere Verbindung zur Natur, zu Mutter Erde. Daher ist die Beziehung zwischen Kat und ihrem Sohn so allgegenwärtig. Mit diesen Beiden schließt das letzte Szenenbild die Handlung und verdeutlicht ein Statement Nolans und eine tiefe Hoffnung, dass diese Seite der Menschheit über jeden Eigennutz triumphieren wird.
Zwischen diesen zwei Polen, Sator und Kat, steht der Protagonist. Er muss sich im Laufe der Geschichte mit einer Frage konfrontieren lassen: Ist er EIN Protagonist oder ist er DER Protagonist? Dahinter steht das Individuum, du und ich. Wir alle vereinen in uns Sator und Kat in verschiedenem Maße. Wir alle tragen Verantwortung für die Zukunft und die Hinterlassenschaft für die nächsten Generationen. Wir alle sind es uns schuldig, uns diese Frage zu stellen. Wollen wir so tun, als wären wir Schneeflocken in einer Lawine, die sich nicht verantwortlich dafür fühlen, was die Lawine unter sich begräbt? Oder beginnen wir zu verstehen, dass wir Teil einer Kausalitätskette sind, dass alles zählt, was geschieht? Jeder Mensch ist alleiniger Protagonist seines Lebens. Er ist Wächter von Zeit und Raum, die er einnimmt. Jede Handlung, jede Entscheidung ist eine Zeile in seinem Logbuch, für das er die Verantwortung übernehmen muss und wenn er sich damit auch nur vor sich selbst rechtfertigt. Neil ist unser Freund, unser gutes Gewissen, der Geist einer lebenswerten Zukunft, die er uns hilft, zu erschließen. In seiner Seligkeit liegt das Versprechen einer Zukunft, in der wir nicht bereuen, für die aber auch Opfer gebracht werden müssen.
Der Preis dafür ist, ein vertrautes Leben teilweise aufzugeben und die Augen dafür zu öffnen, wie die Welt tatsächlich funktioniert; eine Mission anzunehmen, die nicht leicht werden wird, sich wahrscheinlich zuerst unmöglich anhört, über verschlungene Pfade führt und vielleicht auch mal einen Richtungswechsel benötigt. Dafür werden wir kein Lob bekommen, keine Auszeichnungen. Helden ohne Ruhm und Weltretter im Verborgenen – wie ein Geheimagent, der schon wieder den dritten Weltkrieg verhindert hat. Niemand wird es je erfahren und niemand interessiert sich für die Bombe, die nicht hochgegangen ist. Man muss den Wert erkennen, sein eigener Held zu sein.
TENET ist ein handwerklich hervorragender Agenten-Thriller, der dem Kino wieder eine Nahbarkeit und Griffigkeit verleiht. Action und Audio-Visualität tragen Hand in Hand zur besten Unterhaltung bei. Doch wer genauer hinschaut und der Spur des blutbefleckten Goldes folgt, wird noch eine tiefere Ebene entdecken. Wer irritiert war vom entrückten Outro-Song, wer sich fragt, warum die Figuren so seltsam distanziert agieren, wer Probleme hat, sich in die Charaktere einzufühlen und zu identifizieren, der hat den ersten Schritt getan, um das epische Theater verstehen zu können. Ein Einfühlen soll hier nämlich weitestgehend gar nicht passieren. Die bekannten Muster sollen schließlich hinterfragt werden. Der Erkenntnisgewinn steht über den Emotionen. Kritisches Mitdenken statt bloßes Fühlen. Nolan appelliert an die Vernunft und den Verstand seiner Zuschauenden, um seine eigentliche Geschichte erzählen zu können mit all den oben beschriebenen Analogien, die uns zum Nachdenken anregen sollen. Er erweist seinem Publikum den allerhöchsten Respekt, in dem er ihnen genau das zutraut.
Im Spannungsfeld gesellschaftlicher Verhältnisse und deren Veränderung in einem wissenschaftlichen Zeitalter gibt uns TENET eine ethische Richtschnur durch die Nebel überemotionalisierter Debatten. Er kürzt die komplexe Formel auf ein einfaches, klares „Du“. Was könnte bewegender sein?
Stimmig in Szene gesetzte Action, hart und erfrischend kompromisslos. UPGRADE überrascht mit einem unterhaltsamen Genremix, der die teils doof stereotypischen Charaktere wohlwollend übersehen lässt.
Allerdings bleibt ein bitterer Nachgeschmack eines sehr konservativen, eher noch reaktionären Weltbilds. Der bodenständige Handwerker steht dem sich weiter technisierenden und digitalisierten Leben nicht nur mit kritischer Distanz sondern mit Verachtung entgegen. Misstrauen bestimmt all seine Interaktion mit der entfremdeten Umwelt. Die Technologien, die die Menschen um ihn herum so unbedacht nutzen, sind doch eigentlich unnatürlich, arbeitsplätzezerstörend, überwachend. Nur ein menschlich schwacher Moment bringt den Protagonisten zur Kooperation mit der modernen Technik und ihren Möglichkeiten. Ein Akt der Selbstgerechtigkeit, der ihm aber nur aufgrund des Kontrollverlustes zuwider ist. Und so bewahrheitet sich am Ende auch der Generalverdacht vor dem Neuen und Fremden als düsteres Schicksal der Menschen, überfordert mit ihren Ansprüchen, alles verbessern zu wollen. Egal ob braver Bürger, intelligenter Wissenschaftler oder Gesetzeshüter - sie alle bekommen die Konsequenzen des vermeintlichen Fortschritts zu spüren. Ja, die analoge Welt ist eine harte, schmerzhafte Welt, aber hier kennt sich der kleine Bürger wenigstens noch aus, kann sich abends sein Bier aus dem analogen Kühlschrank holen und eine Runde mit dem schönen Old Timer mit brummendem Verbrennungsmotor drehen. Früher war halt alles besser.
Streicht man mal das Sci-Fi-Element aus UPGRADE heraus, bleiben - neben der typisch dystopischen Genre-Tropes - Muster seltsam vertrauter, rückwärtsgewandter Ideologien.
Nervig pathetische Rache-Story in einem detailreichen und dennoch irgendwie hässlichem Setting. Anfangs kann diese postapokalyptische Steampunk-Welt noch mit ihrer - wohl aus den Romanen resultierenden - Komplexität begeistern. Schnell macht sich aber die Eindimensionalität der Figuren bemerkbar, deren Dialoge witzigerweise im Zehn-Minuten-Takt ein Level downgraden. Nach einem rasanten Auftakt steuert sich MORTAL ENGINES in eine plumpe, kitschige zweite Hälfte und setzt das Blockbuster-Potential schließlich vollends in den Sand.
Eigentlich liegen zwischen Léa Seydoux und Daniel Craig nur 17 Jahre Altersunterschied. Nichts besonderes, erst recht nicht unter Filmpaaren. Trotzdem herrscht zwischen den beiden so ein Vater-Tochter-Vibe.
In Sachen unterhaltsames Genre-Stück macht DIE STUNDE DER PATRIOTEN eine gute Figur. Das Tempo zieht stetig an, der Plot verdichtet sich bis zu einem sehenswerten Finale. Die Motive bleiben allerdings eindimensional, die weltpolitische Lage bloße Kulisse. Besonders die unkritische Abhandlung US-amerikanischer Politik und die Arbeit des Auslandsnachrichtendiensts hinterlässt einen faden Nachgeschmack und entlarvt die Tom Clancy-Adaption damit als antiquiert.
BEACH BUM ist wohl der Inbegriff absoluter Freigeistigkeit. Indem Autor und Regisseur Harmony Korine traditionelle Sitten, offizielle Moralnormen und Denkverbote abstreift und die Handlung in das Spannungsfeld zwischen Gosse und High Class legt, schafft er eine Erwartungshaltung auf die große, alles umwerfende Katharsis. Doch die verpufft in der Rauchwolke von Snoop Doggs Super-Dope. Eine Tatsache, die neben dem ungeniert zelebrierten Hedonismus sicher zur Faszination dieses irren Werks beiträgt.
Radikal in seinem Wie und Was, feinfühlig in seinem Warum. Korine distanziert sich ganz klar von jedem Urteil über seine Figuren, ohne dabei die Moralvorstellungen der Zuschauenden zu manipulieren. Die Zuschreibung von Indikationen des Gewinner- oder Verliererseins wird vollständig ausgehebelt. Eine beinah unerträgliche Unbeschwertheit legt sich in knalligen Farben auf ein verkrustetes Weltbild, in dem die leistungsorientierte Vergütung als höchste Form der Gerechtigkeit erhoben wird. Konsequenzbefreit, angstbefreit, kontrollbefreit triggert BEACH BUM die Errichtung eines inneren Schutzwalls vor all den sorgsam eingebläuten Werten, die den amerikanischen Traum hochleben lassen.
Wer diesen Film als Trauerporno bezeichnet, hat vollkommen recht. Ein tränenziehendes, derb konstruiertes Familien-Epos, das allerdings auch immer wieder amüsant und herzlich ist. Dass das Drehbuch auf der Black List stand, lässt fragen, ob es sich einfach besser liest oder die Filmmacher vielleicht etwas zu sehr im Märchenmodus waren. So zumindest wirkt der Erzählermodus, der irritierend wundersam und schicksalsträchtig seine getakteten Tragödien preisgibt.
Launiger und farbenfroher Horrortrip mit ausgeprägtem Sinn für die richtige Atmosphäre. Schaurige Soundkulissen, ekliger Bodyhorror und eine fortschreitende Eskalation machen aus der mysteriösen Invasion echten Gruselspaß. DIE FARBE AUS DEM ALL ist eine liebevoll umgesetzte H. P. Lovecraft-Geschichte, mit richtig viel Nebel, einer guten Prise Humor, einen super aufdrehenden Cage (der ein Alpaka melkt), die sich selbst nicht entmystifiziert.
Melodramatischer Familienkitsch voller peinlicher Oberflächlichkeiten. Diese episodenhaft aus Rosamunde Pilcher-Storylines zusammengeklöppelte Farce zerrt mit seinen schwülstigen Dialogen an den Nerven. Daran ändert auch die namenhafte Schauspieler-Riege nichts.
Da sind ein paar sehr interessante Gewinner dabei. Dazu nächstes Mal gern mehr Infos anstatt zu den Nicht-Preisen für Netflix.
Möchtegern-Hagrid Josh Gad foltert die irische Polizei mit elend pathetischen, gehauchten Geschwafel über ein super intelligentes Kind und seinem super reichen Dad, die ein super geheimes Ei suchen. Die irische Mythenwelt wird militarisiert und für einen elitären, in allen Belangen gestrigen Märchen-Murks verhunzt.
Was für ein stumpfes Stück Auftragsarbeit.
Düster und brutal, aber leider auch banal und ziemlich cheesy.
Mitte der 90er waren die starke Stilistik und der Gothic-Look sicher noch beeindruckend. Ein viertel Jahrhundert später sieht das immer noch gut aus, kann aber leider nicht mehr von der müden Geschichte und den profillosen Figuren ablenken. Tragik vor und hintern den Kulissen und dennoch kann diese überdrehte Rache-Story heute nichts mehr reißen.