Lydia Huxley - Kommentare
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Alle Kommentare von Lydia Huxley
Anfangs noch eröffnet WHAT HAPPEND TO MONDAY? mit einer ausgebufften Dystopie, aus der sich ein rasant verschnellertes Problem für die Menschheit entwickelt. Und wenn der Mensch mit etwas nicht klarkommt, sind es rapide Veränderungen. Die Ideen, die hier so plakativ Neugier wecken, werden aber nie richtig ausgeschöpft und versanden stattdessen in banalen Beschützer-Szenarien. Erfrischend bleibt dann nur noch eine gewisse Kompromisslosigkeit, mit der gegen die Protagonistinnen vorgegangen wird. Tut allerdings bei identischen Sieben auch wesentlich weniger weh.
JUDY ist ein Film, der ausgesprochen zärtlich und behutsam vom Schicksal seiner Protagonistin erzählt. Dabei bleibt er nah an der Realität und widmet sich ganz der hürdenreichen Zeit nach dem großen Ruhm, in Rückblenden aber ebenfalls den werteabringenden Stufen des Aufstiegs. Der junge, frische Enthusiasmus wurde Opfer von Macht, Gier sowie der eigenen Naivität und Fürsorgelosigkeit. Judy Garland ist eines der vielen Beispiele ruhmreicher Kinderstars, die früher oder später an ihrer Kindheitslosigkeit zerbrechen. JUDY zeigt das alles unaufgeregt, in seiner Tragik wenig dramatisch, teilweise symbolisch. Der Fokus liegt hier klar auf dem Spiel von Renée Zellweger, die den Film damit durchaus tragen kann.
Wilde aber spannende Themenmischung aus Außenseitertum, ethischer Forschung und Familiensolidarität. Der Animationsstil ist schön anzuschauen, individuell und knuffig. Hat mir seltsamerweise gleichzeitig Lust auf Sommer und auf Star Wars gemacht.
Vollgetankt mit Niedlichkeit und ethisch gewartet, konstruiert Pixar hier eine gleichzeitig rührselige und dennoch rasante Geschichte über den Menschen, indem er diesen komplett aus dem Roadetrip streicht und dessen vollautomatisierte Schöpfung das Steuer übernimmt. Die Animation wirkt zwar etwas glattpoliert, hat aber dennoch seinen Charme. Denn in den glatten Karossen spiegeln sich immer wieder auch rohe, ursprüngliche Landschaften.
CARS spielt geschickt mit dem Hintergrund abgehängter Gesellschaften ehemals aufstrebender Automobilindustrie-Regionen. Der American Dream bekommt einen Dämpfer, denn im Land der unbegrenzten Möglichkeiten führen zwar viele Straßen immer schneller überall hin, aber ein freies, mobiles Leben muss man sich auch leisten können. Im großen, finalen Rennen um Solidarität verbinden sich die Motive von großen Träumen und Erfolg mit bescheidenen Werten des Verwurzeltseins und der Beständigkeit. Was dieser Film schafft, ist eine Verbindungsbrücke zu bauen, während das Land die einfache Umgehung bevorzugt.
Man nehme EIN HUND NAMENS BEETHOVEN, addiere SNOW DOGS und disneyfiziere es bis zur Unkenntlichkeit. Was dabei herauskommt, ist - genau - die Romanadaption RUF DER WILDNIS VOL. 9. Jack London möge sich im Grabe herumdrehen.
Über 100 Mio. Dollar für eine Weichspülerwerbung auszugeben, muss man sich leisten können. Dabei weiß Disney eigentlich, wie man schöne Filme mit echten Hunden macht. Das beweisen unter anderem TOGO und ANTARCTICA. Und auch die Kombination aus lebenden Hund und digitalisierter Mimik wurde in der Live Action-Version von SUSI UND STROLCH noch überraschend gut umgesetzt. Nur jetzt wollte man wohl das ganze Gehaare und Gesabber nicht mehr. Ein Hund aus der Konserve musste her. Buck ist nur noch das digitalisierte 3D-Abbild eines echten Hundes. Wahrscheinlich wäre das noch hinnehmbar gewesen, hätte man ihm nicht das Wesen und die Mimik eines Menschen verpasst in einer Intensität, dass man unweigerlich im Uncanny Valley landen muss. Und doch sollen wir diesem menschgewordene Hund abnehmen, sich mit seinen animalischen Trieben auseinanderzusetzen. RUF DES ANTROPOMORPHISMUS.
Das unpassend düstere Voice Over lässt einen erahnen, dass in dieser Geschichte viel Potential für menschliche Abgründe steckt. Die sind zum Teil sogar sichtbar, werden allerdings verharmlost und purpur kandiert. Schließlich lässt sich jeder Alkoholismus besiegen, wenn das empathische Haustier einem mahnend die Schnapspulle entreißt. RUF DER WILDNIS will immer wieder hoch dramatisch sein. Wie sehr nimmt man das jedoch einer Candy Crush-Welt ab? Dabei sind die Landschaften des Yukon ohne Frage wunderschön, aber auch sie vermögen es nicht, diesem gefahrlosen Abenteuer Seele einzuhauchen. Dasselbe gilt für die Figuren, die durch Ford und Sy zwar irgendwie charmant sind, aber inhaltlich ebenso leer und rundgelutsch wie alles andere in diesem Film. Mit dieser Karikatur eines Gegenspielers fange ich gar nicht erst an.
Familienfilme und Kitsch, die gehören doch irgendwie zusammen. Aber diese Ausgeburt an Sentimentalität ist unangenehm bis unheimlich. Dieser Film ist ein Symbolbild für alle Befürchtungen, die Filmfreunde bei der Fox-Übernahme durch Disney hatten. Die Hoffnung liegt in einem derben Verlust. Möge Buck auf ewig im CGI-Himmel ruhen.
Ebenso wie die vielen Jane Austen-Adaptionen zuvor, hält sich EMMA nah an der Vorlage. Aber im Gegensatz zu den anderen Emmas, wirken die Figuren hier ambivalenter und scheuen sich nicht die Antipathie für ihre Dekadenz auch auszuspielen. Denn die Protagonistin ist zwar klug, selbstbewusst und lebenslustig aber nicht grundsätzlich eine Sympathieträgerin. Sie ist gleichwohl verwöhnt, arrogant und kühl. In diesem Sinne agiert EMMA um einiges weniger gefällig und erlaubt ihrem Charakter die nötige Entwicklung. Ins Gewicht fällt auch die detailreiche, farbenprächtige Ausstattung, die in romantischen, ruhigen Bildern einen Kontrast zum gewitzten und ironischen Unterton setzt, der ganz typisch für Jane Austin ist und in den Verfilmungen selten richtig zu Tage tritt.
Die Regiedebütantin Autumn DeWilde hat sich ein Projekt mit viel Konkurrenz ausgesucht, clever gespielt und den Vorläufern eins draufgesetzt. Die Krux von Jane Austin-Verfilmungen bleibt allerdings, dass die grandiose Subtilität der Gesten und die perspektivischen Effekte auf den Leser, die ihre Romane so einzigartig machen, kaum auf das filmische Medium übertragbar sind und einem, plakativ gesagt, nur eine 200 Jahre alte RomCom bleibt.
Wunderbare Bilder, die, trotz der Vermittlung des Abgehängtseins, das Gefühl von Heimat und Kindheit einfangen. Intensives Schauspiel, bei dem vor allem Glenn Close markant heraussticht. Ein schwebender Hans Zimmer-Score, der der benannten Elegie eine Seele gibt. Und doch bemüht sich HILLBILLY-ELEGIE um nicht viel mehr als die stumpfeste American Dream-Story: Egal, aus welcher sozialen Schicht du kommst, wenn du hart arbeitest, kannst du alles erreichen... zumindest wenn du weiß, männlich und intelligent bist und es auf eine der Top 5 Elite-Unis des Landes schaffst.
Darüber hinaus wurde der Fokus entgegen der Vorlage allein auf das emotionale Drama gesetzt. Man kann die Geschichte der Hillbillys jedoch kaum erzählen, ohne dabei auch politische und gesellschaftliche Entwicklungen aufzugreifen. Dafür ist HILLBILLY-ELEGIE allerdings zu feige und setzt lieber auf den versöhnlichen Kuschelkurs.
So wie ich das empfunden habe, ist "Chilling Adventures of Sabrina" keine Serie (und auch kein Comic), die einfach nur zeigt, was sie zeigt. Auf der Bedeutungsebene dreht es sich ganz viel um Feminismus und um ein Teenagerleben mit Teenager- und Pubertätsproblemen. Das ist eine Coming of Age-Story, die natürlich hochstilisiert ist und genau deshalb nicht wörtlich zu nehmen - genauso wie die Leere kein gestaltloses Monster ist, sondern die Leere in Sabrina, weil sie (und das sagt sie ja direkt am Anfang der Staffel) gerade keine Zukunftspläne hat. Daher meine Interpretation ihres Todes: Das "süßes Jenseits" ist ein heller, ruhiger Ort. Dort liest sie und sitzt wie in einem Museum - wirkt doch irgendwie erwachsen. Sie landet dort, nachdem sie eine Menge durchgemacht hat. Sie wird 17 Jahre alt und ist jetzt einfach aus der Pubertät raus. In vielen Filmen und Serien wird die Pubertät als wirre, verrückte, beängstigende Zeit dargestellt. Das ist bereits Stoff für'ne Menge Horrorfilme gewesen. Und auch Greendale war verrückt und gruselig - kein Ort, sondern ein Wahrnehmungszustand. Sabrina ist jetzt eine junge Erwachsene, die sich in einem neuen Abschnitt ihres Lebens befindet. Und Nick ist eben auch an sich und an ihr gewachsen, ist kein pubertierender Junge mehr, der sich an leicht verfügbaren Sexobjekten aufgeilt, sondern bereit für eine ernsthafte Beziehung ist und somit den Schritt ins süße Pubertäts-Jenseits zu seiner Sabrina wagt.
Also wenn es hier einen Suizid gegeben hat, dann der einer höllisch irren Pubertätszeit.
Es wäre sicher ein Einfaches gewesen, aus dem Märchen "Vom Fischer und seiner Frau" eine Komödie mit einem gutmütigen Depp und seiner geldgeilen Alten zu machen. Stattdessen gibt Doris Dörrie dem Ganzen einen geschickten, modernen Anstrich und verleiht den Figuren Komplexität und Ambivalenz. Aus der simplen Kapitalismuskritik wird eine Beziehungsstudie zum Umgang mit Geldsorgen, zur Rollenverteilung, zur Emanzipation der Karrierefrau und des Hausmannes und - am wichtigsten - zur gemeinsamen Kommunikation von Lebensmodellen. Kränkungen, Ängste und Stolz sind letztlich nur Ausreden, wenn es darum geht, nicht miteinander offen über die Vorstellungen des gemeinsamen Lebens zu sprechen. Lösungen finden sich meist dort, wo man einander respektiert... oder man attackiert sich mit passiv-aggressiven Provokationen bis zum Wahnsinn, schimpft über die knechtende Ehe und stirbt in Verbitterung. Das geht natürlich auch.
Das ist die wahrscheinlich pervertierteste Peter Pan-Adaption aller Zeiten.
6 UNDERGROUND ist der Kollateralschaden eines Deadpool-infundierten Nihilismus. Alles, für das Michael Bay die letzten 30 Jahre kritisiert wurde, hat er hier in einen Topf geworfen, eingeschmolzen und einen gestreckten Mittelfinger draus gegossen. Da kann man drüber schmunzeln. Oder ihm einen zurückgeben.
Drehbuchautoren werden immer noch zu wenig gefeiert. Da kommt MANK gerade recht, denn Herman J. Mankiewicz' Arbeit hat sicher eine Huldigung verdient. In handwerklich ambitionierten Bildern erfährt man von seinem Leben und in diesem Zuge von seinen Inspirationsquellen, mit denen er das Drehbuch zu CITIZEN KANE fütterte. Über was man entgegen geläufiger Erwartungen leider nichts erfährt, ist die Arbeit am Film selbst, dafür über das Studiosystem Hollywoods und den emporkommenden Populismus der 30er Jahre - die es allerdings nicht über pseudo-zeitgeistige Bezüge hinausschaffen. Denn dieses Stück Filmgeschichte bleibt im Geiste doch uninspiriert und harmlos.
Trotz technischer Feinheiten, die die Zeit real wirken lassen sollen und sich stark an CITIZEN KANE selbst anlehnen, wirkt die Inszenierung unnahbar und kalt und schafft es erst recht nicht, irgendeinen Funken aus Welles Werk zu übertragen. MANK schwenkt betont nostalgisch zwischen den schönen Kulissen und Reigen spitzfindiger Intellektueller herum und ist dabei bedauerlicherweise äußerst konventionell. Trotz der clever-bissigen Dialoge bleibt mir die Begeisterung für Finchers Herzensprojekt vorerst verborgen.
Mit Enola Holmes emanzipiert sich aufbauend auf einer Jugendromanreihe aus den 00er Jahren ein weiblicher Charakter im Sherlock-Universum und beleuchtet das viktorianische England aus einer anderen Perspektive. Enola ist gescheit, abenteuerlustig und freigeistig, genau wie ihre Mutter. Beide schlagen einen feministischen Bogen aus der Gegenwart in die 1880er, als Frauenrechtlerinnen in England erste große Erfolge verzeichneten. Das aber nur am Rande. Denn ENOLA HOLMES ist vordergründig vor allem ein braver, launiger Familienfilm, der mit dem Biss und dem Tempo bekannter Holmes-Geschichten nicht viel gemein hat.
Verrückter und irritierender Genre-Mix, der nicht nur über die Bewältigung von Kriegstraumata sinniert. Spike Lee verbindet seine Apocalypse Now-Hommage mit einer Lehrstunde zur Black History und schafft es immer wieder, das dramatische und oft pathetische Geschehen ebenso abenteuerlich unterhaltsam und in all seinen zeitgenössischen Anspielungen sogar humorvoll zu gestalten. Die wahre Wucht steckt jedoch in den 5 Bloods selbst, ihr Schmerz und was er aus ihnen gemacht hat. In ihnen verwurzelt Lee den Schmerz Vieler.
"We’ve been dying for this country from the very get, hoping one day they’d give us our rightful place. All they gave us was a foot up our black asses."
1968 - zerrüttet, unübersichtlich, paranoid, aufgewühlt, unberechenbar. Das Dümmste, was man nun tun könne, wäre, einen konstruierten Verschwörungsvorwurf in einem Schauprozess zu verhandeln, um ein Exemple zu statuieren. Und somit wurde angeklagt. Der Staat gegen die Kulturrevolution.
Aaron Sorkin hat mit THE TRIAL OF THE CHICAGO 7 historischen Stoff zu einem ambitionierten Gerichtsdrama aufgearbeitet. Im opulenten Quell lebhafter Dialoge sprudeln Freigeistigkeit, Leidenschaft und beflügelnde Gedanken, die auch von der Härte formell juristischer Phrasen nicht zum Schweigen gebracht werden können. Diesen Film zu schauen, ist wie in ein Kaleidoskop der US-amerikanischen Gesellschaft zu blicken. Die Muster darin verschmelzen, zerreißen, verändern sich. Sie leben von der Vielfalt ihres Farbspektrums - eine Selbstverständlichkeit, die entrückt zu sein scheint.
Ein halbes Jahrhundert nach diesem skandalträchtigen Gerichtsverfahren spürt man immer noch die feindselige, missgünstige, zähnefletschende Atmosphäre sich ewig bekriegender, gespaltener Lager. Dennoch geht es Sorkin nicht einfach darum, konservativ oder liberal zu sein. Es geht darum, mit welchem Habitus man sich in einen politischen Diskurs begibt, sei man der einfache Bürger oder die Staatsmacht selbst. So zu handhaben wie ein Kaleidoskop. Das schönste Farbspiel zeigt sich vor allem denen, die sich mit aufrechter Haltung dem Licht zuwenden.
80 Jahre sind ein guter Grund eine Romanadaption nochmal neu aufzulegen. Dabei hat REBECCA der Zeit Rechnung getragen und sich optisch sowie im Schauspiel modernisiert. Die monegassischen Kulissen, der Landsitz Manderley und die Kostüme im Stile der 1930er erstrahlen in den schönsten Farben. Zu den polierten Gesichtern der Protagonisten passt die reduzierte Theatralik. Zeitgemäß wäre es aber auch gewesen, das Geschehen inhaltlich zu verjüngen. Nicht nur, dass ein Kommentar aus der Gegenwart unterlassen wurde, auch wurde er im Vergleich zum Hitchcock-Klassiker um ein ganzes Genre eingekürzt. Wo REBECCA 1940 noch ein Liebesdrama im Gewand eines Mystery-Thrillers war, ist er heute eben nur noch das Liebesdrama und somit um genau das beschnitten, was ihn so besonders und reizvoll gemacht hat - düstere, menschliche Abgründe, die man nicht nur erzählt bekommen hat, sondern sie durch finstere, schaurige Bilder, bedrohliche Wirrungen und gespenstische Auftritte tatsächlichen fühlen konnte. REBECCA ohne Thrill ist halt leider nur prüder, konservativer Wohlstandskitsch.
Der vierte Advent ist da, Weihnachten nicht mehr weit. Morgen sind die längsten, dunkelsten Stunden des Jahres erreicht und das Licht kehrt wieder zurück in unser Leben. Besonders während dieser ungewöhnlichen Zeit wünsche ich euch besinnliche, entspannte und hoffentlich fröhliche Feiertage 🎄
Lieber Jan, hier ist dein Wichtelgeschenk:
https://www.moviepilot.de/movies/nachleben/kritik/2458882
❅ Dies ist ein Wichtelkommentar im Rahmen der User-Kommentare-Wichtelaktion 2020 für meinen lieben CoPiloten colorandi_causa ❅
Stillstand. Stille. Dann ein merkwürdiges Gefühl von Bestimmtheit.
Umschlossen von Nebel betritt man ein Amt, zielstrebig, pflichtbewusst. Anmeldung an der Pforte, nun sitzen im Wartebereich. Nach dem Aufruf darf man zum Gespräch. Man ist gestorben, erfährt man. Klar. Drei Tage hat man Zeit, um eine besonders wertvolle Erinnerung zu wählen, mit der man die Ewigkeit verbringen darf.
Am Rand des Jenseits beginnt eine Meditation. Bilder, Düfte, Worte, Melodien fluten den vom Fleisch getrennten Geist. Geschichten erwachen zum neuen Leben. Ob dies der Vorhof zur Hölle oder zum Paradies ist, hängt vielleicht allein an den Erinnerungen, die einen hierher begleitet haben und aus denen man nun wählen kann.
>> Pancakes in Disneyland; Zum Tanzen gehen in dem tollen roten Kleid; Ein Bad an einem sonnigen Herbsttag; Spielen im Wald; Ein Traum von einem Strand; Die Sommerbrise durch das Tramfenster <<
Hirokazu Koreeda führt sein Protagonisten in eine Zwischenwelt, empfängt sie dort voller Wärme und Respekt. Er stellt seine Geschichte in den Hintergrund, um die Kraft und Schwere ihrer Geschichten größtmöglichen Raum zu verleihen. In ihrer vermeintlichen Banalität fügen sie sich in die unscheinbare Inszenierung. Langsam, unbefangen, einfühlsam lädt AFTER LIFE zu einer Reise durch ihr und letztlich auch das eigene Gedächtnis ein.
Ihre Erinnerungen sind nicht die von Leben mit vielen Privilegien. Und trotz deren bescheidener Einfachheit durchdringt sie eine heilsame Intensität. In den Stimmen und Gesichtern lesen sich Emotionen in einer neuen Klarheit. Auch das unbedeutendste Leben schafft Erinnerungen, die die Welt bedeuten können.
Unmöglich scheint es in der Vielfalt einem Leben, einer Erinnerung einen generalisierten Wert zuzuordnen. Trivialität besitzt den Gradmesser wenn überhaupt nur innerhalb eines einzigen Lebens. Darüber hinaus ist Lebens-Benchmarking eine Illusion. Der geben wir uns zwar gern mal hin, um Ziele zu formulieren, aber verlieren uns auch zu oft darin, verbittern, zerbrechen vielleicht sogar an ihr. Doch ein Leben ist so viel mehr als die Summe aller strategisch getroffener Entscheidungen - renommierter Lebensläufe, durchgehakter Bucketlisten, vollendeter Selbstoptimierungen.
Was zählt der Nimbus noch im Limbus? Die postmortale Aufarbeitung des Lebens mündet schließlich nicht in einer landesweiten Sondersendung. Es ist ein ganz persönlicher Kurzfilm. Die Quintessenz des Ichs gebannt für die Unendlichkeit in einem perpetuierlichen Moment. Das Gif der Nachexistenz.
„I‘ll be able to forget everything else? Well, then that really is heaven.“
Die Qual der Wahl erreicht die vierte Dimension. Wie wählen aus einem Leben voller schöner Erinnerungen? Wie wählen aus einem Leben voller leidenschaftsloser Erinnerungen? Wie wählen aus einem Leben voller angsterfüllter Erinnerungen? Zu wählen, heißt auch, eine Rezension aufgenommen zu haben und schließlich Verantwortung zu übernehmen. Bilanz ziehen. Dazu gehört einerseits das Sich-Lösen von Erinnerungen, die nie entstehen durften, durch Ich-liebe-dichs, die nie ausgesprochen wurden, Türen, die sich für immer geschlossen haben. Dazu gehört andererseits auch, die subjektive Perspektive seiner Erinnerungen zu erkennen und dass die Wahrheit ihre eigene hat. Vielleicht eine bessere.
„At the time I searched desperatley inside myself for any memory of happiness. Now 50 years later I‘ve learned I was part of someone else‘s happiness. What a wonderful discovery.“
Und das Vergessen, das gehört ebenso dazu. Indem wir vergessen, sortieren wir Wichtiges von Unwichtgem. Erinnert man sich an so etwas Simples wie eine sanfte Sommerbrise durch das Fenster der Tram, weiß man, dass die Magie dieses Moments einen berührt hat. Und was uns so berührt, ist unabhängig jeden Maßstabs absolut wertvoll.
Winterliche Animationskunst für die dunkelsten Stunden der Jahresnacht:
https://www.youtube.com/watch?v=YXWc3aFrxCo
Karg, trost- und leblos - so scheint uns der Wald und die Natur in dieser Jahreszeit vorzukommen. Doch es ist nur ein sanfter Schlummer, in dem das Leben indes eifrig daran arbeitet, neu aufzukeimen. Die Kräfte bündeln sich im Stillen. Der Kreislauf wird von vorn beginnen. Wie immer. Nichts macht die Hoffnung so greifbar, wie das Wissen um ein Ende, das keines ist.
Also warum nicht diese Zeit genießen, auch wenn es eine dunkle ist. Auch die Wunder der Finsternis sind Wunder.
Ich wünsche euch einen schönen, gammeligen dritten Advent!
Lieber Dr. Iam, hier ist dein Geschenkchen:
https://www.moviepilot.de/movies/mein-nachbar-totoro/kritik/2456788
Während der erneuten Sichtung und meiner tieferen Beschäftigung damit sind so viele Tränen geflossen, dass ich nun tatsächlich mein Herz an ihn verloren habe.
❅ Dies ist ein Wichtelkommentar im Rahmen der User-Kommentare-Wichtelaktion 2020 für meinen lieben CoPiloten Iamthesword ❅
„Versucht alle mal zu lachen! Dann wird alles, was euch Angst macht, verschwinden.“
Vielleicht kann man Ängste einfach weglachen. Aber was ist mit dem drohenden Verlust eines geliebten Menschen? Dafür bedarf es mehr. Die Kraft der Natur vermehrt sich durch ihren Samen. Sie fallen auf die Erde, vergraben sich wie kleine, geheime Schätze. Wenn es an der Zeit ist, erblühen aus ihnen Wachstum und Veränderung. Also, sähen wir ein Lachen. Und mit Zeit, viel Geduld und etwas Glück sehen wir es in Stärke, Fröhlichkeit und Hoffnung keimen.
Die Natur ist ein Wunderland, das wir mit Erwachsenenaugen leider nur noch selektiv wahrnehmen. Immer ausgefallener müssen die Orte sein, immer extremer die Landschaften damit sie uns noch zu beeindrucken vermögen. Dabei müssen wir nur wieder genauer hinsehen, unseren Blick klären von exotischen Reiseblogs, gehypten Instagramspots und farbübersättigten Photographien, dann können wir das Wunderland auch wieder im Nachbar-Wäldchen entdecken.
Tausend Nuancen von Grün schlängeln sich vom tiefsten Unterholz auf die höchsten Baumkronen. Jeder einzelne Wassertropfen bricht das durch die Wipfel einsinkende Licht wie ein Diamant. Eine riesige, funkelnde Schatztruhe öffnet sich und gibt seine erlesensten Kostbarkeiten preis: Zuflucht, Schutz und Freundschaft. All das ist Totoro, dessen spirituelles Abbild, der Geist des Waldes. Er nimmt uns in seine Arme auf, jeden, jederzeit. Dort finden wir einen Rückzugsort, der uns mit der rauen Realität zurecht kommen lässt. Der Geist schafft uns eine Geisteshaltung, die unsere Seele schützend umhüllt und uns aus der Dunkelheit wieder erheben lässt.
Aber sollten Geister nicht eigentlich gruselig und angsteinflößend sein? Und ist die Natur nicht auch fremd, bedrohlich und unbarmherzig? Totoro taucht nicht auf, um Satsuki und Mei Angst zu machen, sondern eben weil sie Angst haben. Die Ungewissheit zersetzt sie, das Alleinsein droht sie zu verschlucken. Im Angesicht des höchsten existenziellen Verlustes, das ein Kind verspüren kann, liegt es dann nicht nahe, sich der nächst höheren Instanz der Schöpfung anzuvertrauen? Und wie phantastisch wäre es, wenn diese uns mit riesigen, flauschigen Pranken in eine warme Umarmung schließt?
Der Blick aus Kinderaugen erlaubt uns den Waldgeist in sein albernes Gesicht zu schauen. Er macht sein Revier zu einem Spielplatz, wo Groß und Klein ihre Sorgen für eine gewissen Zeit vergessen. Mit Spaß, Humor und Vorstellungskraft bündelt er jegliche Form der Resilienz. Mit der einfachen Freude über das freche Prasseln des Regens durchbricht er jede leidvolle Stille und lehrt uns, wie wir sie selbst zerschlagen können – mit einem beherzten, unerschrockenen Schrei, der all unsere unterdrückten Gefühle Luft macht. Seine entwaffnende Herzlichkeit erlaubt uns Flucht und Ablenkung ebenso wie Bewältigung und Genesung. Er erfüllt den Sprösslingen ihre Sehnsucht nach Güte, Fürsorge und Geborgenheit und zeigt, dass bei aller Rohheit der Natur sie doch auch lebendgebend und nährend ist. Im Gegenzug schenkt ihn das kindliche Herz eine reine, unschuldige Offenheit, Respekt vor allen Lebewesen und Rücksichtname vor der Harmonie in der Ordnung zwischen Natur und Mensch.
In schwierigen Zeiten glaubt man mehr denn je, erwachsen sein zu müssen. Aber unser kindlicher Kern bildet einen ebenso wichtigen Anteil an Trost und Heilung. Die Kindheit ist nicht nur ein bloßes Übergangsstadium zum Erwachsensein. Sie ist das Fundament unserer Persönlichkeit, die die Konstruktion unserer mühsam entworfenen Werteordnung und Weltanschauung trägt. Sie ist kein Vergangenheitsrelikt sondern gegenwärtiger Teil unseres Bewusstseins. Unbeschwertheit, Neugier, Unvoreingenommenheit und Enthusiasmus werden mit der Zeit überlagert von Abgeklärtheit, Zynismus und Affektiertheit, man nennt es „Entwicklung“ und beruft sich auf Lebenserfahrung. Schließlich müsse man sich einer rasant verändernden Welt anpassen. Aber die Welt der Kinderaugen gibt es immer noch. Unsere Augen mögen müder sein, unser Blick bitterer, aber das Wunderland, das ist noch da.
Mag jemand am 3. Advent mein Wichtelpartner sein?
Ich wünsche euch allen einen schönen, gemütlichen zweiten Advent und Nikolaus!
Framolf, hier ist dein Wichtelgeschenk :)
https://www.moviepilot.de/movies/la-la-land--2/kritik/2454362
❅ Dies ist ein Wichtelkommentar im Rahmen der User-Kommentare-Wichtelaktion 2020 für meinen lieben CoPiloten Framolf ❅
Los Angeles 1923: Auf dem Mount Lee in den Hollywood Hills installiert eine Maklerfirma den Werbeschriftzug „Hollywoodland“. Während das „Land“ verrottete und '49 entfernt wurde, wurde „Hollywood“ zum Wahrzeichen für den aufstrebenden Standort der Filmbranche. Nicht nur der Schriftzug, auch der Stadtteil selbst wird zum Symbol – im Land der unbegrenzten Möglichkeiten ist Hollywood die dauerproduzierende Fabrik der Träume. Träumerisch versunken im Farbrausch der abendlichen Dämmerung wird es zum schwingenden, wirbelnden LA LA LAND.
Eine urbane Ouvertüre eröffnet im tristen Alltagstrott der Metropole. Die potentiell Ruhmreichen, die Stars von morgen festgefahren in den Blechlawinen Seite an Seite mit ihren Konkurrenten. Seitenspiegel und Ellenbogen sind ausgefahren, denn die Nervenkostüme sind bereits stark beansprucht. Wo die Realität unerträglich wird, rettet die Kunst die Szenerie. Ein sinfonischer Zauber erhebt die Straßen L.A.s zur Bühne. Das Orchester verbindet die Menschen in Tanz und Gesang. Aus dem Kontrahenten wird der steppende Mitstreiter um das Erlangen der einen ganz großen Chance. Für ein paar Pirouetten und Takte lang sind sie gemeinsam die Narren, die träumen.
Die Musik schwindet und damit auch der hoffnungsvolle Tagtraum. Er macht Platz für die eine Realität der Unvollkommenheit in einer Farce aus Vernunft und Kompromissen. Hier herrscht wieder das Hollywood-Ego über die jungen Karrieristen und Hoffnungsträger mit all ihren existenziellen Konflikten und glühenden Idealen. Zwei von ihnen sind die singende Schauspielerin Mia und der leidenschaftliche Jazzpianist Seb. Es braucht ein paar Posen und Drehungen bis die Ellenbogen eingefahren sind und der Kanon der Herzen ihren Rhythmus gefunden haben. Ihre Liebe ist ein Tribut an die Romantik, ein melancholischer Tanz zwischen den Sternen. Zwischen Schallplatten und Filmklassikern vereinen sie sich in der Magie ihrer sehnsüchtigen Träume. Doch Träume sind lebendig, sie verändern sich und fordern schließlich ihren Preis.
Der Ort La La Land ist ein nostalgisches Konstrukt, die Wehmutsprojektion eines verklärten Hollywoods. Zeigt er eine Hommage, ist es eine an zeitlose Kunst und an die Kompositionen alter Filme, die nicht nur inszenatorisch beeindruckten, sondern auch Freude und Hoffnung für eine angeschlagene Nachkriegsgeneration wieder zurück auf die Leinwand brachten. Noch weit darüber hinaus zeigt LA LA LAND als melodischer Liebesbrief eine Choreographie des Lebens, in dem der Eskapismus einem dringend benötigten Realitätssinn auch mal weichen muss und dennoch einem Zynismus jeglichen Nährboden entzieht. An Enttäuschungen und Zweifeln nicht zu zerbrechen, ist eben auch eine Kunst. Sie lehrt zu träumen und trotzdem Kompromisse zu schließen, ohne sich dem Tatverdacht des Selbstbetrugs zu ergeben. Der verletzliche Idealismus beugt sich zärtlich den großen Entscheidungen – persönliche Chance oder Beziehung? Sind die verpassten Chancen schmerzhafter als das gelungenste Leben? Die Antworten finden wir nur abseits der Bühnen unseres modernen Lebens. Die bewegten Bilder müssen zur Ruhe kommen, die Elegien der sozialen Medien verstummen, das energische Scrollen erlahmen, denn unser Glück liegt dazwischen, zwischen den großen digitalen Träumen. Die Realität ist das Intermezzo zwischen der schwelgerischen Kunst, die uns erlaubt, zu leben, zu streben, zu lieben, verspielt, poetisch, bittersüß – egal ob Solo- oder Gesellschaftstanz. Und sind wir erst einmal befreit von konstruierter Perfektion und virtuoser Kontrolle, wird aus dem Gehen heraus, ein Tanz entstehen.
Matrjoschka 👍
Stranger Things 🤩
Love, Death & Robots 🤯
Sex Education 🧡
Ich habe mich nie richtig mit Stephen King beschäftigt. Wusste nur, dass er SHINING nicht mag und das fand' ich irgendwie unsympathisch. Aber jetzt wo ich die Doku gesehen habe, bin ich äußerst positiv überrascht von seinen Motiven und seinem Weltbild.