Lydia Huxley - Kommentare
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Alle Kommentare von Lydia Huxley
Das passt tatsächlich weder zur Ethik dieses Volks noch in die Logik des Films. Man könnte meinen, es trägt zu einer gewissen Ambivalenz bei, immerhin ist die Domestizierung des Wildtiers ein wesentlicher Teil der menschlichen Entwicklungsgeschichte. Aber dafür fehlt die kritische Perspektive innerhalb des Films.
Regina Kings Regiedebüt ist eine Art Fan-Fiction, ein 'Was wäre, wenn?'-Szenario, das auf dem Theaterstück von Kemp Powers beruht. Muhammad Ali, Malcolm X, Sam Cooke und Jim Brown waren tatsächlich befreundet und waren an diesem Abend im Jahre 1964 alle in Miami. Der Verlauf des Treffens dort ist aber imaginiert. Im Film entwickeln sich dabei Gespräche, die all die ambivalenten Gefühle und Perspektiven zu Tage treten lassen, die sich im Spannungsfeld zwischen Berühmt- und Afroamerikanischsein manifestiert haben. Das Zerbrechen und Erstarken an diesem Rollenbild des schwarzen Influencers steht im Fokus von ONE NIGHT IN MIAMI und entblößt einen zum Alltag gewordenen Rassismus, dessen Entwöhnung bis heute auf sich warten lässt. Zeitgemäß wie klug wird Kultur und Kritik zum Teil dynamischer Dialoge voller Verletzlichkeit und Kampfeslust, die keine Handlung vermissen lassen.
Regina King ist als Beste Regisseurin für einen Golden Globe nominiert, ebenfalls Leslie Odom Jr. als Bester Nebendarsteller sowie auch „Speak Now“ als Bester Filmsong.
Anfangs noch schneidend böse und herrlich ironisch verliert THE PROM hintenraus leider seinen Biss und verlagert seine Kritik in eine gefällige Direktheit. Wildes Umherschmeißen tragischer Schicksale wechselt sich mit launigen Gesangseinlagen ab. Dieses moderne, sentimentale und satirische Musical macht Spaß, ist aber so dermaßen drüber, dass man sich wahrscheinlich nur als mindestens Musical-Sympathisant rantraut. Vom Buch zum Musical zum Musical-Film hat THE PROM auch inhaltlich an Schärfe verloren, dennoch sind die Themen und ihre Aktualität immer noch präsent. Dabei verbindet er grundsätzlich geschickt Ablehnung und Verurteilung auf komplett unterschiedlichen Ebenen miteinander, überfrachtet die Handlung aber derart, dass man nicht mal weiß, wer hier die Hauptfigur ist. Die detailreichen, fröhlich-bunten Kulissen helfen dem natürlich nicht ab, sorgen aber dafür, dass die stargespickte Regenbogen-Revue zumindest bestens aussieht.
THE PROM ist als Bester Film (Musical oder Komödie) für einen Golden Globe nominiert, ebenso wie James Cordon als Bester Schauspieler.
Schnörkeloses und elegisches Einwanderungsdrama, das den Amerikanischen Traum zwischen sexueller Erpressung und Budenzauber desillusioniert. Doch wird er, ebenso wie die, die an ihn glauben, keinesfalls bloßgestellt. In größter Zärtlichkeit zeigt Autor und Regisseur James Gray stets nur den Preis, den die meisten für ihn bezahlen müssen, der die Gläser mit Whisky und die Augen mit Tränen füllt.
Grays New York-Studie blickt mit THE IMMIGRANT auf die 1920er Jahre der Stadt. Dabei sind die Figuren ebenso ambivalent wie das Gefühl, durch diese Straßen zu laufen - düster, aber voller Hoffnung. Trotz des immer voller werdenden Pools existenzieller Katastrophen, verharrt man ruhig an der Seite der Protagonistin Ewa und ihrem stillen Leid.
Hier wie auch in anderen Filmen Grays scheint sich ein roter Faden zu spannen: Vom Glück, das immerzu entgleitet, wenn man sich ihm zu sicher ist und eigentlich schon da ist, wenn man noch glaubt, es wäre zum Greifen nah.
Spannend, launig und so schön böse.
I CARE A LOT macht es deutlicher denn je: Die Gangstaz dieser Welt können einpacken, denn jetzt nehmen die jungen Kapitalisten die Zügel in die Hand - ehrgeizig, gierig, skrupellos, bestens vernetzt und - und das ist der große Unterschied - ihr Handwerk ist grundsätzlich vollkommen legal! God save the unregulierte Marktwirtschaft and the überforderte Rechtssysteme.
Gut gegen Böse war einmal. Ab jetzt stehen sich in den Gute-Nacht-Geschichten moralisch verwerflich und moralisch verwerflicher gegenüber. Das ist zynisch, abscheulich, aber schließlich auch so gut gestylt. Die Erfolgs-Coaches aus den Website-Werbebannern haben es schon immer gewusst: Mit den Anspruch an Perfektion, Selbstbewusstsein und einen gewissen Charme kann man alles erreichen. Abgespritzt wird aber erst, wenn der Konzern gegründet und die Offshore-Firmen rechtssicher abgestellt wurden. Die dafür benötigte menschliche Ressource hockt währenddessen konsumbenommen in ihrem muffigen goldenen Käfig, stetig wankend zwischen den Gefühlen verheizt zu werden und doch irgendwie Teil davon sein zu wollen.
Bis auf die gefällige letzte Minute ist I CARE A LOT konsequent und dabei flott, wendungsreich und spielt clever mit seiner Grundprämisse.
Rosamund Pike ist als Beste Schauspielerin (Musical oder Komödie) für einen Golden Globe nominiert - völlig zurecht!
Auch im zweiten Film, in dem Sacha Baron Cohen als Borat unterwegs ist, geht es im Kern um politische Aufklärung. In gewohnt lässiger Manier werden Fiktion und Realität miteinander vermischt und satirisch aufgearbeitet. Dabei kommen vor allem Frivolitäten, Verkleidungsspaß und viel Klamauk zum Einsatz. Die drastische Vorgehensweise soll nicht weniger als die drastische Realität entlarven.
Das tut BORAT 2 im gewissen Maße auch. Es stellt sich nun aber die Frage, inwiefern der ganze Zirkus tatsächlich ernst genommen werden oder Meinungen beeinflussen kann. Bigotterie, Machtmissbrauch, Frauenfeindlichkeit, Opportunismus und Konservatismus bis in die Unmenschlichkeit - all das wird nicht mehr als wissend und ein bisschen schuldbewusst abgenickt und im Weiteren verlacht und belächelt. Dass diese zähe Konstruktion mit seinem Spott tatsächlich zur Mobilisierung der Demokraten oder zum Umdenken von Trump-Wählern führte, wage ich zu bezweifeln.
BORAT 2: ANSCHLUSS MOVIEFILM ist für drei Golden Globes nominiert - als Bester Film (Musical oder Komödie) sowie für den Besten Hauptdarsteller und die Beste Hauptdarstellerin.
Er scheint Tom Hanks und Helena Zengel nach Maß auf die Karriere geschneidert zu sein. Denn im Western und Familiendrama NEUES AUS DER WELT begegnen sich der gutmütige Teddybär Captain Kidd und die traumatisierte und eigenwillige Johanna zufällig im Wald und gehen ab da einen gemeinsamen Weg. Es folgen klar abgegrenzte, beinah generische Abenteuer-Episoden, die in einem erwartbaren, rührenden Finale münden. NEUES AUS DER WELT ist dabei schön anzuschauen, unterhaltsam und gefällig, ist aber weder für die Filmschaffenden noch für die Zuschauenden fordernd oder überraschend. Im besten Sinne ist er ein herzig braver Wohlfühlfilm mit einem alten und einem neuen Kinoliebling.
Helena Zengel ist als Beste Nebendarstellerin für einen Golden Globe nominiert ebenso wie die Musik von James Newton Howard, die tatsächlich einen auffallend spaßig-abenteuerlichen Westernspirit versprüht und die lahme Pferdekutsche erst richtig in Fahrt bringt.
In diesem gefilmten Bühnenstück geht es um den US-Gründervaters Alexander Hamilton, von seiner Ankunft in New York als Einwanderer bis zu seinem Tod. Seine Geschichte spielt sich zum Großteil in der weißen Oberschicht der US-Ostküste ab, dreht sich um Politik, den Staatshaushalt, Networking, Intrigen, Liebe, Familie. Um es mal klar zu sagen, sie ist informativ aber auch ziemlich langweilig.
Das besondere an HAMILTON ist die Inszenierung. Alle Rollen werden von People of Color gespielt, die in dieser Geschichte wohl sonst nicht vorkommen würden. Musik und Gesang sind geprägt von Hip-Hop und R&B. Zwischen Rapbattles, Kitsch und viel Humor lässt man sich gern auch von der trockensten Staatsmann-Story einfangen und nickt unablässig im Beat. Wiederkehrende Songs und Melodien wie vom Lied "My Shot" bleiben hier definitiv hängen. Es wird gewirbelt, die Kulissen wechseln in Sekunden, das temporeiche Spektakel hält einen bei der Stange.
Für den weißen und klassisch geprägten Broadway ist das quasi eine Revolution, öffnet einer neuen Generation Türen in diese angestaubte Welt, macht Platz für frische Ideen. HAMILTON bringt ins Gedächtnis, dass, auch wenn die Geschichtsschreibung weiß ist, die USA ein Land der Einwanderer ist, groß gemacht durch die Arbeit auf dem Rücken von Menschen aller Hautfarben. Im nächsten Schritt sollten die PoC allerdings nicht mehr weiße Menschen spielen müssen, die selbst noch Sklavenhalter waren. Sie brauchen ihre eigenen Geschichten. Es wird Zeit.
HAMILTON wurde für den Besten Film und für den Besten Hauptdarsteller Lin-Manuel Miranda, der auch der Komponist des Musicals ist, für zwei Golden Globes nominiert.
Gesellschaftskritik, Philosophie und schließlich auch politische Ideologien verschwimmen in BLISS in einem völlig wirren Konstrukt, das ebenso intelligent wie desorganisiert ist. Er verstrickt sich zu sehr darin, aus seiner bodenhaftenden Prämisse auszubrechen und über das Universelle die Realität erklären zu wollen. Dabei bleibt die Inszenierung auf der Strecke. Am Ende klafft zwischen Form und Inhalt eine Lücke, die schon fast absurd wirkt. Der Weg zur Glückseligkeit scheint kein einfacher zu sein.
Nach dem jobstressbetäubenden Morphin müssen für Greg nun verführerisch bunt schimmernde Diamanten herhalten, die das Ausklinken aus der zermürbenden Realität ermöglichen. Sie sind die harte Droge oder die Suche nach der Glückseligkeit selbst. Doch im Sog der Abhängigkeiten verliert sich nach und nach das Gespür für die Wirklichkeit. Im Handstand der Dimensionen existieren plötzlich zwei parallele, alternative Welten, die in sich logisch zu sein scheinen: Die Realität der Utopie und die Realität der Dystopie. Und als sich Greg noch fragt, welche Welt nun die richtige sei, taucht auf einer Party ein Mann auf (Slavoj Žižek, Philosoph und Kulturkritiker) und schwadroniert über das Sein in der Hölle, dass es dort vielleicht gar nicht so grausam zu geht und diese Vorstellung vielleicht nur denen dient, die vom Himmel mitleidig in die Hölle herabschauen. Zusehends entspinnt sich eine starke Dualität - Utopie und Dystopie, Himmel und Hölle, Realität und Brain-Box, Gut und Böse. Und sofort sollte klar werden, dass das Leben komplexer ist als Schwarz und Weiß.
Man brauche die Erfahrung des Schlechten, um das Gute würdigen zu können, sind sich Greg und Isabel einig. Doch BLISS will den nächsten Schritt gehen, denn keine Seite ist rein gut oder rein schlecht, so wenig wie es keine reine Wahrheit oder objektive Realität gibt. In Gregs bisheriger Realität herrschen fiktive Ideologien über ihn und seine Mitmenschen sowie auch seine fiktiven Phantasien und Wünsche Teil seiner realen Sehnsüchte sind. Utopien werden nie perfekt sein, weil Menschen es nicht sind. Dystopien werden nie vollkommen hoffnungslos sein, weil auch das die Menschen nie sein werden. In Gregs Kampf um seine Identität hadert er mit der fehlenden dritten Option, die Option, die der Film fiktiv ausklammert, und muss sich so für eine der zwei Welten entscheiden. Die Komplexität dahinter ist anstrengend, deren Philosophie herausfordernd.
Ist der Kampf ums Dasein die wahre Erfüllung und das von oben geschenkte gute Leben eine Zumutung? Würde das bedeuten, ein sicheres und geregeltes Leben ist bloß langweilig und eine Welt mit massiven Ungerechtigkeiten ist zumindest spannend und interessant? Was ist Wohlstand wert ohne Armut, was Gesundheit ohne Krankheit, was Leben ohne Tod? Kein Zustand existiert ohne Übergänge. So ist eine Utopie doch ebenso risikoarm und bevormundend, denn sie verdrängt auch Freiheiten und persönlichen Genuss. Und Dystopien zeigen doch auch, wie schlimm es sein könnte, damit man in der eigenen Realität Genugtuung empfindet, in Dankbarkeit für die eigenen Privilegien erstarrt. So ist wohl nur abseits der großen Ideologien etwas Wahres zu finden. Bei Slavoj Žižek würde das heißen, den harten Kern des Realen, die traumatische Dimension seiner Innenwelt, erkennen, aushalten und neu erzählen. Vielleicht ist dieser Trip für Greg nur die realitätsverweigernde Erschaffung eines Argumentes, um die Konsequenzen seiner Sucht erträglicher zu machen. Denn in BLISS' Utopie findet er vor allem vorgesetzte gelöste Probleme, die nie Probleme waren sondern Hindernisse zur Bequemlichkeit. Was nützt Entspannung ohne Anspannung? Was nützt die Erkenntnis der Lösung ohne den Konflikt? An den Schnittstellen des Menschseins fließt Starkstrom. Leidenschaft, Kreativität, soziale Bindungen schaffen Intensität. Mit dieser Intensität umzugehen, ist eine Lebensaufgabe, die es gilt anzunehmen, weil sie es wert ist.
Das Book of Kells ist ein handschriftliches Buch mit aufwendigen Illustrationen, das die vier Evangelien beinhaltet. Von seinen mysteriösen Ursprüngen bis zu seinem heutigen Stammplatz im Trinity College in Dublin gleicht seine Geschichte einer 1200-jährigen Odyssee.
In DAS GEHEIMNIS VON KELLS wird die unbekannte Herkunft und Herstellung zum Aufhänger einer märchenhaften Reise in die Seele von Mensch und Natur. Die außergewöhnliche Animation ist eine stilistische Kombination mittelalterlicher und irischer Malereien und den Motiven des Book of Kells. Alle filmischen Elemente verbinden sich durch eine Verschmelzung von christlicher wie auch von vorchristlich keltischer Symbolik. Das Buch wird zum Sinnbild für Bildung, sein Licht zur wärmenden Hoffnung in kriegerisch finsteren Zeiten.
Ein Rätsel bleibt mir allerdings die klare Dualität zwischen den christlichen Heilsbringern und den barbarischen, heidnischen Nordmännern, besonders da der Charme und die Magie von DAS GEHEIMNIS VON KELLS hauptsächlich von den heidnischen Komponenten lebt. Die Wahl dieses Feindbilds tut der Erzählung inhaltlich nicht gut und wirkt widersinnig angesichts ihres harmoniesuchenden Wesens.
Autor und Regisseur Filippo Meneghetti hat mit seinem Spielfilmdebüt eine intensive Liebesgeschichte geschaffen, die sich ganz unkonventionell mit Liebe ü70 beschäftigt. Das Alter der beiden Frauen sowie die Heimlichkeit ihrer Beziehung führen letztlich zu einer tragischen Situation, die viel näher am Alltag liegt, als man es zuerst vermutet. Was sich zuerst noch grausam und quälend ungerecht anfühlt, verschafft sich durch liebeerfüllte Akzeptanz den Platz an der Collage der Endlichkeit, den es verdient. Mit subtiler Symbolik, schwebender Musik und innigen Totalen zeigt Meneghetti, dass emotionale Irrationalität, zärtliche Blicke und die Sehnsucht nach Nähe kein Alter kennen.
WIR BEIDE wurde als bester fremdsprachiger Film für einen Golden Globe nominiert.
Liebenswerte Romanadaption, die vor allem vom Schauspiel ihres Ensembles getragen wird. DU HAST DAS LEBEN VOR DIR erzählt von vielfältiger menschlicher Not und Trauma, lässt dabei Schicksale aufeinandertreffen. Irgendwo zwischen Rauheit und Charme ebnen sich die Figuren einen Weg zueinander, weil sie entdecken, was trotz allem Kampf und Leid das Leben noch geben kann.
Das Lied "Io Si" schafft es, die bewegende Stimmung über das Filmende hinauszutragen und wurde ebenso wie der Film selbst für einen Golden Globe nominiert.
Jemanden kennenzulernen kann aufregend sein. Es ist ein Anfang, von dem man noch nicht weiß, von was überhaupt. Einerseits sprudeln frühlingshafte Gefühle in einem auf. Man ist interessiert, angezogen vom Fremden und Geheimnisvollen. Andererseits schwingt ein gewisses Grauen in dieser Vorstellung mit. Was, wenn man sich von der Enträtselung dieses Fremden und Geheimnisvollen abgestoßen fühlt? Wenn sich eine unüberwindbare Barriere auftut, die verhindern wird, dass diese Verliebtheit sich jemals zu Liebe entwickeln könnte? Was man so leidenschaftlich und kräfteraubend emotional investiert hat, kann letztlich von einem Moment der Erkenntnis zum anderen verloren sein.
SPRING greift diese Thematik auf und das auf die erfrischendste Art und Weise, poetisch und absolut klischeefrei. Die Kennenlernphase zweier Menschen wird zum wortwörtlichen Mysterium. Mit Symbolkraft, Leichtigkeit und Humor wird eine Parabel über Vertrauen, Akzeptanz und Hingabe erzählt, die ihre eigene Prämisse entschlüsselt. Die Liebe heilt keine Wunden, lässt keinen Verlust vergessen, füllt keine Leere. Sie lässt lediglich erkennen, dass das Leben trotz allem lebenswert ist.
Bereits in den ersten Sekunden wird einem bewusst, dass da was im Argen liegt. Was folgt ist ein einziges, intensives Auf und Ab an Kränkungen, Bitterkeit, Stolz dann Aufrichtigkeit, Heiterkeit, Begehren und wieder von vorn. Die Thematiken Beziehungsleben und Filmbranche verbinden sich zu einem homogenen Klebstoff, der Beiden im Guten wie im Schlechten anhaftet. MALCOLM & MARIE taucht dabei nicht wirklich tief unter die Oberfläche, zeigt aber dennoch ein breites Spektrum, das zu unterhalten weiß. Das Schwarz-Weiß wirkt erhaben und elegant, hält auf Distanz, damit man den Blick für das Ganze nicht verliert. Bei solchen Auseinandersetzungen verliert man sich ja gerne mal in Kleinigkeiten. Am Ende bleibt die Frage, wie groß die schlimmste Kränkung tatsächlich ist im Verhältnis zu der in Respekt und Zärtlichkeit gelebten Verbundenheit, die man miteinander pflegt. Vielleicht kann es der Last Shot verraten.
TENET empfindet man wahrscheinlich dann als einen Film mit "schwachen, eintönigen Figuren", wenn man nur noch auf emotionalisierte Filme mit psychologisierten Figuren fixiert ist. Es gibt aber auch noch viele andere Möglichkeiten etwas zu erzählen. Nolan hat sich hier eben - mit Sinn und Absicht - für's epische Theater entschieden. Klar, ungewohnt für's Mainstreamkino, aber auch nicht so überraschend, dass Nolan seine Zuschauer*innen herausfordert.
Sie haben große Nasen; kahle Schädel; sie passen sich an, indem sie ihre wahre Erscheinung verschleiern; sie irritieren ihr Gegenüber mit osteuropäischen Akzenten und seltsam ausgesprochenen Wörtern; tragen Riesenkoffer voller Geld mit sich herum, geben aber ungern etwas davon aus; sind dämonisch und verschlagen; organisieren sich in geheimen Kollektiven; rituell-magische Kindermorde sind ihnen ein Bedürfnis; sie sind nicht weniger als das absolut Böse.
Was hier klingt wie judenfeindliche Propaganda der NSDAP, ist eigentlich nur die Beschreibung der Hexen in der Roman-Adaption HEXEN HEXEN. Hinterlässt schon einen bitteren Nachgeschmack, zumindest bis man erfährt, wie sich der Romanautor Roald Dahl in der Zeit während Entstehung und Veröffentlichung von "Hexen hexen" 1983 geäußert hat. Dann kann einem angesichts der unverhohlenen Allegorien schon mal mulmig werden. Dahl bezeichnete sich selbst öffentlich als antisemitisch und antiisraelitisch. "[...] Hitler hackte nicht ohne Grund auf ihnen [den Juden] herum," ist nur eine seiner fragwürdigen Aussagen dazu.
Wie passend, dass Robert Zemeckis es sich nicht hat nehmen lassen, das gruselige Spektakel mit der Verbreitung der Endlösung abzuschließen, indem die potentiellen Opfer aufgehetzt werden, Verdächtige aufzuspüren und sie in das zu verwandeln, was ihnen am nächsten kommt - eklige Ratten.
Es sollte einem zumindest schwer fallen, all diese Dinge nicht auch ideologisch zu interpretieren, da sie schon sehr zahlreich vorhanden sind. Auch wenn die Geschichte um den Jungen, der trotz eines Schicksalsschlags und mit Hilfe seiner lebensfrohen Großmutter zu neuen Selbstvertrauen gelangt, dennoch sehr erzählenswert ist.
Nein, sie sind keine Märchenfiguren. Es gibt sie wirklich. Sie sehen aus wie Frauen, gestylt, in schicken Kostümen. Sie maßen sich an unabhängig zu sein, sich zusammenzutun und eigene, hochgesteckte Ziele zu erreichen, ja sogar nach Macht anzustreben. Doch um sie winden sich Schlangen, die sie auf ewig an die Erbsünde erinnern sollen...
Oh Mann, es ist echt traurig, wie einfach es ist, HEXEN HEXEN antisemitisch und misogyn zu interpretieren. Ob nun bewusst oder unbewusst, ignoriert oder unreflektiert, es ist ärgerlich. Schließlich sind moderne Adaptionen doch dazu da, um solche Konfliktstellen nicht zu übernehmen oder nur zu mildern, sondern in eine aufgeklärte Gegenwart zu holen. Die im Grunde doch liebenswerte Geschichte um den Helden hätte es verdient.
"Wenn du nicht mit uns bist, bist du gegen uns," sagte das System und bestach den Richter.
99 HOMES dokumentiert ebenso klug wie emphatisch die Auflösung der Mittelschicht. Zusammen mit THE BIG SHORT bildet er inhaltlich ein perfektes Double Feature zum Thema Finanzkrise. Wobei 'Finanzkrise' hier nichts anderes bedeutet als Sozialkrise - der Tod der Gemeinschaft durch den neoliberalen Kapitalismus. Die Zwei-Klassen-Gesellschaft ist leider keine Dystopie.
Falls es jemand verpasst hat (weil man auf dieser Filmseite anscheinend einen der bekanntesten Film- und Fernsehpreise nicht so erwähnenswert findet... im Gegensatz zu Befindlichkeiten von Romanautoren):
Die Nominierungen für die ⭐️ Golden Globes 2021 ⭐️ wurden vor zwei Tagen bekannt gegeben. Die Verleihung findet am 28. Februar 2021 statt und wird von Tina Fey und Amy Poehler moderiert und gleichzeitig von der Ost- und Westküste der USA übertragen.
Hier die Nominierungen:
📽 Bester Film – Drama
"The Father"
"Mank"
"Nomadland"
"Promising Young Woman"
"The Trial of the Chicago 7"
📽 Bester Film – Komödie oder Musical
"Borat - Anschluss Moviefilm"
"Hamilton"
"Music"
"Palm Springs"
"The Prom"
📽 Beste Schauspielerin in einem Film – Drama
Viola Davis "Ma Rainey's Black Bottom"
Andra Day "The United States vs. Billie Holiday"
Vanessa Kirby "Pieces of a Woman"
Frances McDormand "Nomadland"
Carey Mulligan "Promising Young Woman"
📽 Bester Schauspieler in einem Film – Drama
Riz Ahmed "Sound of Metal"
Chadwick Boseman "Ma Rainey's Black Bottom"
Anthony Hopkins "The Father"
Gary Oldman "Mank"
Tahar Rahim "The Mauritanian"
📽 Beste Schauspielerin in einem Film – Komödie oder Musical
Maria Bakalova "Borat - Anschluss Moviefilm"
Kate Hudson "Music"
Michelle Pfeiffer "French Exit"
Rosamund Pike "I Care A Lot"
Anya Taylor-Joy "Emma"
📽 Bester Schauspieler in einem Film – Komödie oder Musical
Sacha Baron Cohen "Borat - Anschluss Moviefilm"
James Corden "The Prom"
Lin-Manuel Miranda "Hamilton"
Dev Patel "The Personal History of David Copperfield"
Andy Samberg "Palm Springs"
📽 Beste Nebendarstellerin in einem Film
Glenn Close "Hillbilly Elegy"
Olivia Colman "The Father"
Jodie Foster "The Mauritanian"
Amanda Seyfrieid "Mank"
Helena Zengel "Neues aus der Welt"
📽 Bester Nebendarsteller in einem Film
Sacha Baron Cohen "The Trial of the Chicago 7"
Daniel Kaluuya "Judas and the Black Messiah"
Jared Leto "The Little Things"
Bill Murray "On The Rocks"
Leslie Odom Jr. "One Night in Miami ..."
📽 Beste Regie – Film
Emerald Fennell "Promising Young Woman"
David Fincher "Mank"
Regina King "One Night in Miami"
Aaron Sorkin "The Trial of the Chicago 7"
Chloé Zhao "Nomadland"
📽 Bestes Drehbuch – Film
Emerald Fennell "Promising Young Woman"
Jack Fincher "Mank"
Aaron Sorkin "The Trial of the Chicago 7"
Christopher Hampton, Florian Zeller "The Father"
Chloé Zhao "Nomadland"
📽 Bester Animations-Film
"The Croods: A New Age"
"Onward"
"Over the Moon"
"Soul"
"Wolfwalkers"
📽 Bester fremdsprachiger Film
"Another Round" (Dänemark)
"La Llorona" (Frankreich, Guatemala)
"The Life Ahead" (Italien)
"Minari" (USA)
"Tow of Us" (USA, Frankreich)
📽 Beste Musik - Film
Alexandre Desplat "The Midnight Sky"
Ludwig Göransson "Tenet"
James Newton Howard "Neues aus der Welt"
Atticus, Trent Reznor "Mank"
Jon Batiste, Atticus Ross, Trent Reznor "Soul"
📽 Bester Song – Film
"Fight for You" - "Judas and the Black Messiah
"Hear My Voice" - "The Trial of the Chicago 7"
"Io Si (Seen)" - "The Life Ahead"
"Speak Now" - "One Night in Miami"
"Tigress & Tweed" - "The United States vs. Billie Holiday"
📺 Beste Serie – Drama
"The Crown"
"Lovecraft Country"
"The Mandalorian"
"Ozark"
"Ratched"
📺 Beste Serie – Komödie oder Musical
"Emily in Paris"
"The Flight Attendant"
"The Great"
"Shitt's Creek"
"Ted Lasso"
📺 Beste Mini-Serie oder Tv-Film
"Normal People"
"The Queen's Gambit"
"Small Axe"
"The Undoing"
"Unorthodox"
📺 Beste Schauspielerin in einem TV-Film oder einer Mini-Serie – Drama
Cate Blancett "Mrs. America"
Daisy Edgar-Jones "Normal People"
Shira Haas "Unorthodox"
Nicole Kidman "The Undoing"
Anya Tylor-Joy "The Queen's Gambit"
📺 Bester Schauspieler in einem TV-Film oder einer Mini-Serie – Drama
Bryan Cranston "Your Honor"
Jeff Daniels "The Comey Rule"
Hugh Grant "The Undoing"
Ethan Hawke "The Good Lord Bird"
Mark Ruffalo "I Know This Much is True"
📺 Beste Schauspielerin in einer Serie – Komödie oder Musical
Lily Collins "Emily in Paris"
Kaley Cuoco "The Flight Attendant"
Elle Fanning "The Great"
Jane Levy "Zoey's Extraordinary Playlist"
Catherina O'Hara "Schitt's Creek"
📺 Bester Schauspieler in einer Serie – Komödie oder Musical
Don Cheadle "Black Monday"
Nicholas Hoult "The Great"
Eugene Levy "Schitt's Creek"
Jaason Sudeikis "Ted Lasso"
Ramy Youssef "Ramy"
📺 Beste Schauspielerin in einer Serie - Drama
Olivia Colman "The Crown"
Jodie Comer "Killing Eve"
Emma Corrin "The Crown"
Laura Linney "Ozark"
Sarah Paulson "Ratched"
📺 Bester Schauspieler in einer Serie - Drama
Jason Bateman "Ozark"
Josh O'Connor "The Crown"
Bob Odenkirk "Better Call Saul"
Al Pacino "Humters"
Matthew Rhys "Perry Mason"
📺 Beste Nebendarstellerin in einer Serie
Gillian Anderson "The Crown"
Helena Bonham Carter "The Crown"
Julia Garner "Ozark"
Annie Murphy "Shitt's Creek"
Cynthia Nixon "Ratched"
📺 Bester Nebendarsteller in einer Serie
John Boyega "Small Axe"
Brendan Gleeson "The Comey Rule"
Daniel Levy "Schitt's Creek"
Jim Parsons "Hollywood"
Donald Sutherland "The Undoing"
Der alltägliche Horror des Wohnungsmieters!
In HOMESICK verschmilzt der typisch deutsche Nachbarschaftszwist elegant und gewitzt mit Haunted House. Regisseur und Autor Jakob M. Erwa inszeniert das Spektakel so eingängig und realitätsnah, dass es einen beim bloßen Gedanken an die eigenen Nachbarn gruselt. Die Summe der Umstände, in der sich die Protagonistin befindet, lassen einen stetig daran zweifeln, ob man sieht, was passiert oder sieht, was sie fühlt. Aber egal wie genau, das Mitgefühl vieler Leidensgenossen sei ihr gewiss.
Clever konstruierter Thriller, der gleich zu Anfang ordentlich Tempo reindrückt und auch später mit seinen wendungsreichen Ermittlungen zu unterhalten weiß. VERJÄHRUNG setzt in seiner Action auf tatsächliche Bewegung statt auf Crashs, Explosionen und Blut und baut zudem noch ganz geschickt einen angenehmen Humor mit rein. Der muss in der zweiten Hälfte allerdings der stetig ansteigenden Emotionsblase weichen, denn die angeteaserten Bilder enthüllen erst zum Schluss ihre volle Dramatik. So macht das Crime-Genre Spaß.
Im Titel, auf dem Filmposter, in der Ausleuchtung jeder einzelnen Szene, in den visuellen Intermezzo vorbeiziehender Wolken, in den Herzen der Protagonisten - überall dort sind sie zu finden: Licht und Schatten. Von dieser Dualität erzählt A SUN und das Leben einer taiwanesischen Familie. Das Konzept Familie ist erfüllt von Gegensätzen und dennoch halten einander anziehende Kräfte alles zusammen. Wie bei Yin & Yang geht es nicht darum, sich zu bekämpfen, sondern sich gegenseitig zu ergänzen.
Autor und Regisseur Chung Mong-Hong verarbeitet ebenso klug wie subtil in den drei männlichen Hauptfiguren des Vaters und seiner zwei Söhne maskuline Stereotypen und repressive Vorstellungen der männlichen Geschlechterrolle in der Gesellschaft, die er durch die Entwicklung der Figuren untergräbt. A SUN nimmt sich dafür viel Zeit und tut gut daran. Er bestärkt damit seine Authentizität und macht dieses emotionale Erlebnis noch beeindruckender.
Im shintoistisch geprägtem Kulturraum ist der Tod etwas Unreines, eine Beschmutzung, die sich auf Körper und Seele anderer ausbreiten kann. Der Tod wurde im wahrsten Sinne zu etwas Unantastbarem. Somit werden Begräbniszeremonien auch heute noch meist von buddhistischen Geistlichen durchgeführt. Der shintoistische Hausschrein wird verhängt. So schnell wie es die Pietät zulässt, werden die Bestattungsriten abgehalten und der Leichnam verbrannt. Erst dann stellt er keine Bedrohung mehr dar und der Verstorbene kann Teil der Ahnenverehrung werden. Bei der Rückkehr vom Krematorium reinigt man sich am besten noch mit Salz, bevor man das Haus wieder betritt. Hinterbliebene sollten im Jahr des Todesfalles keine Neujahrskarten verschicken und auf den traditionellen Neujahrsschreinbesuch verzichten.
All das geht weit über die Tabuisierung hinaus, wie man sie vielleicht aus dem europäischen Raum kennt und erklärt zusätzlich sehr gut, warum NOKAN im Produktionsland nochmal eine erheblichere Relevanz hat. Umso beeindruckender ist die Konkretheit im Gleichklang mit der Zärtlichkeit, die durch diesen Film schwingen. Der Autor Kundô Koyama und der Regisseur Yôjirô Takita sprechen den Toten ebenso viel Anerkennung zu wie den Lebenden, heben sie auf die selbe Stufe, ohne dabei die Traditionen in Frage zu stellen. Alles geschieht mit einem Höchstmaß an Respekt, Sorgfalt und Würdigung. Wenn man diese schönen, blumenumrankten Menschen in ihren Särgen liegen sieht, fragt man sich, ob der Tod nicht sogar reiner ist als das Leben. NOKAN bereichert die Menschen unabhängig ihres Glaubens, denn er gibt ihnen die Hoffnung, dass der Tod, wie und wann immer er kommt, ruhig, friedlich und erlösend ist. Vor allem aber, dass die Konfrontation und ein wertschätzender Umgang mit ihm den Hinterblieben hilft, die Schilde zu senken, einen letzten versöhnlichen Blick zu zulassen und sich in Harmonie verabschieden zu können. Denn das ist die Kunst des Ausklangs.
Die Welt steht Kopf. Von einer Sekunde zur anderen wechseln die Seiten. Desorientiertes Stolpern wird zum einzigen Fortbewegungsmittel. STAY macht die Existenz kontinuitätslos. Jeder Schritt ist ein Schritt weiter in die Dunkelheit. Die Farben flirren, die Lichter spiegeln sich im schlierenden Tränenfilm. Angst, Zweifel, Schuld, Trauer metamorphieren von einem Szenenbild zum nächsten. Es ist der Styx, der in Wellen über die Bilder strömt. In seinen Fluten ringen die menschlichen Erinnerungen um ihr Leben. Im Flattern ihrer letzten Atemzüge, im erbärmlichen Zucken der Neuronen verfliest das Dasein mit der hämisch szintillierenden Unschärfe des Limbus.
STAY ist vordergründig ein spannender Psychothriller, im Kern aber ein schmerzhaft an die Substanz gehendes Drama. Er ist fordernd, verwirrend und wetterwendisch und bringt uns so emotional direkt ins Innenleben des Protagonisten. Was Drehbuchautor David Benioff und Regisseur Marc Forster geschaffen haben, ist nichts anderes als eine virtuose Perle. Absolut nichts in diesem Film ist beliebig. Kein Schnitt, keine Perspektive, kein unterkühlter Dialog geht vorbei, ohne den Wegweiser zur Meta-Tür zu hinterlassen. Den ganzen Code gibt's aber erst zum Schluss und auch dann muss er noch entschlüsselt werden. Die Belohnung dafür ist ein gebrochenes Herz.
And into the forest I go to lose my mind and find my soul.
James Grays Version vom Forschungsreisenden Percival H. Fawcett zieht anfangs noch aus, um vor einer Klassengesellschaft und all ihren unerträglichen Konventionen zu flüchten. In ihm brodelt die Sehnsucht nach Anerkennung, die ihm unverschuldet verwehrt wird. Diese Sehnsucht scheint sich weit draußen im Dschungel erfüllen zu können. Was erst so aussieht, als würde sich der abenteuerliche Percy in dieser Obsession verlieren, entwickelt sich zum Finden. Jeder Schritt weiter ins Dickicht entfremdet ihn mehr von einer Kolonialdekadenz, die das Unbekannte wie eine Ware handelt, etikettiert mit rassistisch exotischen Animositäten. In der Vorstellung weißer Männer, die vom Empire abgesandt werden und sich zu großen Eroberern und Entdeckern der Welt ernennen, verschwimmen allmählich dunstig trügerische Vormachtsphantasien. Die Wehmut, die DIE VERSUNKENE STADT Z so gekonnt in Szene setzt, ist nicht die nostalgischer, überseeterritorienerweiternder Robinsonaden. Es ist eine, die viel nahbarer, viel gegenwärtiger ist. Sie visualisiert sich im Verschmelzen der amazonischen mit den englischen Wäldern, rankend, sprießend, fruchtbar, cremeweiß und in hundert Schattierungen Smaragdgrüns. In der Nähe wie in der Ferne keimt die Saat im Boden, deren Blüten man irgendwann genießen möchte. Allmählich verwurzelt Percy in seinen Reisen nicht mehr nur das Abenteuer. Es ist ein Entdecken, in dem man sich dem Fremden unvoreingenommen öffnet, den Horizont erweitert und somit versteht, aus Normen auszubrechen, ohne flüchten zu müssen. Die Zwänge seiner Vater- und Ernährerrolle, die wie eiserne Ketten an ihm zerrten, zerfallen im Anflug einer umfassenden Nächstenliebe. Diese Liebe schwingt so zärtlich zwischen den Dialogen, dass die Figuren sich nur trauen, ihre Zeilen zu flüstern, sie höchstens erregt zu hauchen, enthusiastisch zu raunen. Es ist eine Hingabe im Stillen statt dröhnender Okkupation. Das Mysterium im verborgenen Herzen des Dschungels zeichnet die Fährte zur Erlösung. In der Finsternis scheint sie kurz zum Greifen nah.
Im Titel schon beinah erahnt, werden hier zauberhafte Bilder zelebriert, die Gewitter, Wolkenbrüche und dort durchdringende Sonnenstrahlen zu einem höchst emotionalen Erlebnis werden lassen. Dabei erforscht WEATHERING WITH YOU die unsichtbare und doch starke Verbindung der Witterung und des menschlichen Gemüts - der heiße Draht zwischen dem Himmel und den Herzen. Japanische Mythen der Miko und Teru teru bōzu werden in eine Gegenwart eingewoben, in der das Wetter nicht mehr Teil des Kami ist, sondern zum Gradmesser menschlicher Verfehlungen wird. Denn die Prognosen ansteigender Niederschläge in Japan und die damit verbundenen Konsequenzen sind real. Interessanterweise wird hier durch wiederkehrende Aussagen der menschengemachte Klimawandel und die schuldhafte Fokussierung darauf entschärft. Stattdessen wird - ganz nach shintoistischer Art - ein bewusster, harmonischerer Umgang mit der Natur betont. Die zwei Hauptfiguren Hina und Hodaka verkörpern dabei Natur und Mensch, die sich in einem komplexen Zusammenspiel aus Ausbeutung und Beschwichtigung aber auch Hingabe und Aufopferung bewegen.
Vordergründig ist WEATHERING WITH YOU eine Geschichte über zwei Teenager, die eine besondere Zuneigung zueinander entwickeln. Deren Interaktion und Hodakas Voice Over sind äußerst gefühlsbetont und melodramatisch. Der aus den zwischenmenschlichen sowie natürlichen Beziehungen entstehende Romantic Overkill verdrängt ungeschickt die schöne, metaphorische Erzählung. Man neigt dann doch dazu den Regenschirm über sich aufzuspannen, wenn der sommerliche Schauer aus Zuckerglasur besteht.