Lydia Huxley - Kommentare
Die 5 meist diskutierten Serien
der letzten 30 Tage
-
AdolescenceAdolescence ist eine Kriminalserie aus dem Jahr 2025 von Stephen Graham und Jack Thorne mit Stephen Graham und Owen Cooper.+17 Kommentare
-
Star Wars: AndorScience Fiction-Serie von Tony Gilroy mit Diego Luna und Genevieve O'Reilly.+16 Kommentare
-
The White LotusThe White Lotus ist eine Drama aus dem Jahr 2021 von Mike White mit Jennifer Coolidge und Natasha Rothwell.+14 Kommentare
Die 5 meist vorgemerkten Filme
-
Mission: Impossible 8 - The Final Reckoning182 Vormerkungen
-
From the World of John Wick: Ballerina151 Vormerkungen
-
Final Destination 6: Bloodlines119 Vormerkungen
Alle Kommentare von Lydia Huxley
Auch für mich persönlich war TENET einer der wichtigsten Kinofilme des letzten Jahres. In den Oscar-Dankesreden werden doch alljährlich pathetische Mahnungen ausgesprochen, die zur Schaffung einer lebenswerten Zukunft aufrufen, ob nun in Sachen Umweltschutz oder gesellschaftlicher Wandel. Dann kommt ein Film daher, der genau das fast schon mit cineastischer Poesie ausdrückt und ausgerechnet der wird mit Trost-Nominierungen abgestraft. Das allermindeste wäre eine Nominierung für die beste Kamera gewesen.
Sehr homogene Nominierungen. Man könnte meine, die hatten nur 30 Beiträge zur Auswahl. Bin enttäuscht, dass so grandiose Filme wie "I’m Thinking Of Ending Things" unter den Tisch fallen, während im Drehbuchsektor Filme nominiert werden, die ganz sicher nicht von ihrem Drehbuch leben.
In Redmonds Gesicht, umspielt von unschuldig roten Locken, und in seinem treudoofen Augen spiegeln sich eine naive Arglosigkeit neben wilden Emotionen. Jedes weitere Ereignis in seiner Geschichte wird ihm einen Teil davon nehmen, bis sein Blick kühl und seine Mimik hart und kantig ist. Von Redmond zu Barry Lyndon ist es ein schleichender Übergang, eine Aneinanderreihung von Entscheidungen, die sich nie richtig anfühlen, aber anfangs noch nachvollziehbar sind. In die sich ausweitende Konsequenzlosigkeit mischt sich zunehmend Zuversicht, die nächst höhere gesellschaftliche Sprosse zu erklimmen. Der pessimistische Zeitgeist des 17. Jahrhundert erweist sich dann als in die Gegenwart transportiert, als Barry nicht an seinem Kalkül oder seiner Gewissenlosigkeit scheitert, sondern ausgerechnet an seinen wilden Emotionen.
Stanley Kubrick erzählt die Geschichte eines Opportunisten zwar gefangen in seiner Zeit, umringt von deren akkurat arrangierten Dekorationen und Eigentümlichkeiten, und doch wirkt das Wesen und die Dynamik des Zweckdienlichen vollkommen zeitlos.
Es ist ausgerechnet ein Kind, der noch kleine Lord Bullingdon, der die Wahrheit beim Namen nennt und all die Sorgen auf sich lädt. Aus seiner Unschuld wächst eine Integrität, die es als einzige wagt, sich dem Zweckdiener entgegenzustellen.
Tragikomisch und absurd geht es hier in DEAR EX zu. Denn der Tod eines Mannes versetzt alle Hinterbliebenen in die unterschiedlichsten Stimmungslagen - lethargisch, zornig, verzweifelt. Doch dann schält sich mit jeder Szene und jedem Rückblick eine weitere symptomatische Schicht ab und offenbart im Kern eine Trauer, die in ihren Adressaten nicht unterscheidet.
Das Debüt der taiwanesischen Regisseurin Mag Hsu ist trotz seiner emotionalen Schwere beschwingt und launig, trifft genau deshalb umso mehr ins Herz.
32 Jahre später fast den kompletten Original-Cast nochmal zusammenzutrommeln, ist schon respektabel. All die gealterten Charaktere wiederzuentdecken, macht ebenso viel Spaß, wie zu sehen, wie die damalige Story von der jungen Generation gekapert wird. Mit ihr bekommen aktuelle gesellschaftliche Themen einen prominenten Platz. DER PRINZ AUS ZAMUNDA 2 feiert sich selbst, die Popkultur, schwarze Kultur, referenziert seinen Vorgänger durchweg in einem modernen, kritischen Kontext mit viel Ironie und Laune.
Das ist nett gedacht, aber auch schlicht überladen. Die Figuren, neu oder alt, bekommen nicht die Screentime, die es brauchen würde, damit hier wirklich was erzählt werden könnte und schon gar nicht mit der Tiefe, die die spitzfindigen Dialoge vermuten ließen. Mit den Gagen für den Cast, war dann leider auch nicht viel für die CGI-Effekte übrig, wobei die sonstige Ausstattung wirklich toll aussieht. Noch relevanter aber ist, dass ein Film, der in den 80ern funktionierte, der grundlegend von deren Flair und Charme lebte, nicht einfach ein paar Jahrzehnte später wiederholt werden kann.
Für Liebhaber von Teil 1 ist das aber kurzweilige Unterhaltung mit Nostalgie-Bonus.
Nolan ist ja auch als Produzent eingestiegen. Vielleicht hat er Zacki ein bisschen unter die Arme gegriffen. Habe bisher von einem Hype nichts mitbekommen, aber dieser pessimistische Artikel hat mich jetzt schon verdammt neugierig gemacht, was die dort zusammengeklöppelt haben.
Habe dich und deinen Live-Blog gestern vermisst, Jenny 😢
Vergangene Nacht wurden die ⭐️ Golden Globes ⭐️ verliehen. Trotz der aufwendigen Vernetzung zweier Übertragungsorte und den vielen Stars in ihren Heimen und Hotelzimmern lief die Show technisch und unterhaltungsmäßig rund - mit kleinen Ausnahmen... Armer Daniel Kaluuya.
Ich bin mit den Gewinnern großteils zufrieden und bin jetzt besonders gespannt auf den Film NOMADLAND. Wie sieht's bei euch aus?
Nicht vergessen: Am 15. März werden die Oscar-Nominierungen bekannt gegeben! Am 25. April wird die Verleihung stattfinden.
Aber hier jetzt erstmal alle Golden Globe-Gewinner:
📽 Bester Film – Drama
"Nomadland"
📽 Bester Film – Komödie oder Musical
"Borat Anschluss Moviefilm"
📽 Beste Schauspielerin in einem Film – Drama
Andra Day in "The United States vs. Billie Holiday"
📽 Bester Schauspieler in einem Film – Drama
Chadwick Boseman in "Ma Rainey's Black Bottom"
📽 Beste Schauspielerin in einem Film – Komödie oder Musical
Rosamund Pike in "I Care a Lot"
📽 Bester Schauspieler in einem Film – Komödie oder Musical
Sacha Baron Cohen in "Borat Anschluss Moviefilm"
📽 Beste Nebendarstellerin in einem Film
Jodie Foster in "The Mauritanian"
📽 Bester Nebendarsteller in einem Film
Daniel Kaluuya in "Judas and the Black Messiah"
📽 Beste Regie – Film
Chloé Zhao für "Nomadland"
📽 Bestes Drehbuch – Film
Aaron Sorkin für "The Trial of the Chicago 7"
📽 Bester Animations-Film
"Soul"
📽 Bester fremdsprachiger Film
"Minari" (USA)
📽 Beste Musik - Film
Jon Batiste, Atticus Ross, Trent Reznor für "Soul"
📽 Bester Song – Film
Io Si (Seen) - The Life Ahead
📺 Beste Serie – Drama
"The Crown"
📺 Beste Serie – Komödie oder Musical
"Schitt's Creek"
📺 Beste Mini-Serie oder Tv-Film
"Das Damengambit"
📺 Beste Schauspielerin in einem TV-Film oder einer Mini-Serie – Drama
Anya Taylor-Joy in "Das Damengambit"
📺 Bester Schauspieler in einem TV-Film oder einer Mini-Serie – Drama
Mark Ruffalo in "I Know This Much is True"
📺 Beste Schauspielerin in einer Serie – Komödie oder Musical
Catherine O'Hara in "Schitt's Creek"
📺 Bester Schauspieler in einer Serie – Komödie oder Musical
Jason Sudeikis in "Ted Lasso"
📺 Beste Schauspielerin in einer Serie - Drama
Emma Corin in "The Crown"
📺 Bester Schauspieler in einer Serie - Drama
Josh O'Connor in "The Crown"
📺 Beste Nebendarstellerin in einer Serie
Gillian Anderson in "The Crown"
📺 Bester Nebendarsteller in einer Serie
John Boyega in "Small Axe"
Zeitreisen im Mikrokosmos.
TIMECRIMES nutzt ein SciFi-Szenario, um den Verfall der Moral durch eine existenzielle Bedrohung herbeizuführen. Der distanzierte Blick aus der Zeitwindung lässt eine ungeheure Kälte entstehen, die maßgeblich zu dem Grusel beiträgt, der hier immer ganz subtil mitschwingt. Nacho Vigalondos Spielfilmdebüt ist im Grunde clever konstruiert, fehlt es aber an Feingefühl für die Figuren und die Dramaturgie. Die herangedrängte Selbstreflexion erzielt dennoch seine Wirkung.
In seinem düsteren, pessimistischen Flow ist THE CHASER äußerst überzeugend. Seine Atmosphäre ist wesentlicher Treiber der Spannung. Daneben bringt sich der Serienkiller-Plot am Anfang relativ schnell auf den Punkt und dünnt dann zunehmend aus, verlässt sich ganz auf sein zeitgetriebenes Psychoduell, das einen durch die dunklen Straßen von Seoul treibt.
Simples Konzept, aber handwerklich effektiv inszeniert.
Das passt tatsächlich weder zur Ethik dieses Volks noch in die Logik des Films. Man könnte meinen, es trägt zu einer gewissen Ambivalenz bei, immerhin ist die Domestizierung des Wildtiers ein wesentlicher Teil der menschlichen Entwicklungsgeschichte. Aber dafür fehlt die kritische Perspektive innerhalb des Films.
Regina Kings Regiedebüt ist eine Art Fan-Fiction, ein 'Was wäre, wenn?'-Szenario, das auf dem Theaterstück von Kemp Powers beruht. Muhammad Ali, Malcolm X, Sam Cooke und Jim Brown waren tatsächlich befreundet und waren an diesem Abend im Jahre 1964 alle in Miami. Der Verlauf des Treffens dort ist aber imaginiert. Im Film entwickeln sich dabei Gespräche, die all die ambivalenten Gefühle und Perspektiven zu Tage treten lassen, die sich im Spannungsfeld zwischen Berühmt- und Afroamerikanischsein manifestiert haben. Das Zerbrechen und Erstarken an diesem Rollenbild des schwarzen Influencers steht im Fokus von ONE NIGHT IN MIAMI und entblößt einen zum Alltag gewordenen Rassismus, dessen Entwöhnung bis heute auf sich warten lässt. Zeitgemäß wie klug wird Kultur und Kritik zum Teil dynamischer Dialoge voller Verletzlichkeit und Kampfeslust, die keine Handlung vermissen lassen.
Regina King ist als Beste Regisseurin für einen Golden Globe nominiert, ebenfalls Leslie Odom Jr. als Bester Nebendarsteller sowie auch „Speak Now“ als Bester Filmsong.
Anfangs noch schneidend böse und herrlich ironisch verliert THE PROM hintenraus leider seinen Biss und verlagert seine Kritik in eine gefällige Direktheit. Wildes Umherschmeißen tragischer Schicksale wechselt sich mit launigen Gesangseinlagen ab. Dieses moderne, sentimentale und satirische Musical macht Spaß, ist aber so dermaßen drüber, dass man sich wahrscheinlich nur als mindestens Musical-Sympathisant rantraut. Vom Buch zum Musical zum Musical-Film hat THE PROM auch inhaltlich an Schärfe verloren, dennoch sind die Themen und ihre Aktualität immer noch präsent. Dabei verbindet er grundsätzlich geschickt Ablehnung und Verurteilung auf komplett unterschiedlichen Ebenen miteinander, überfrachtet die Handlung aber derart, dass man nicht mal weiß, wer hier die Hauptfigur ist. Die detailreichen, fröhlich-bunten Kulissen helfen dem natürlich nicht ab, sorgen aber dafür, dass die stargespickte Regenbogen-Revue zumindest bestens aussieht.
THE PROM ist als Bester Film (Musical oder Komödie) für einen Golden Globe nominiert, ebenso wie James Cordon als Bester Schauspieler.
Schnörkeloses und elegisches Einwanderungsdrama, das den Amerikanischen Traum zwischen sexueller Erpressung und Budenzauber desillusioniert. Doch wird er, ebenso wie die, die an ihn glauben, keinesfalls bloßgestellt. In größter Zärtlichkeit zeigt Autor und Regisseur James Gray stets nur den Preis, den die meisten für ihn bezahlen müssen, der die Gläser mit Whisky und die Augen mit Tränen füllt.
Grays New York-Studie blickt mit THE IMMIGRANT auf die 1920er Jahre der Stadt. Dabei sind die Figuren ebenso ambivalent wie das Gefühl, durch diese Straßen zu laufen - düster, aber voller Hoffnung. Trotz des immer voller werdenden Pools existenzieller Katastrophen, verharrt man ruhig an der Seite der Protagonistin Ewa und ihrem stillen Leid.
Hier wie auch in anderen Filmen Grays scheint sich ein roter Faden zu spannen: Vom Glück, das immerzu entgleitet, wenn man sich ihm zu sicher ist und eigentlich schon da ist, wenn man noch glaubt, es wäre zum Greifen nah.
Spannend, launig und so schön böse.
I CARE A LOT macht es deutlicher denn je: Die Gangstaz dieser Welt können einpacken, denn jetzt nehmen die jungen Kapitalisten die Zügel in die Hand - ehrgeizig, gierig, skrupellos, bestens vernetzt und - und das ist der große Unterschied - ihr Handwerk ist grundsätzlich vollkommen legal! God save the unregulierte Marktwirtschaft and the überforderte Rechtssysteme.
Gut gegen Böse war einmal. Ab jetzt stehen sich in den Gute-Nacht-Geschichten moralisch verwerflich und moralisch verwerflicher gegenüber. Das ist zynisch, abscheulich, aber schließlich auch so gut gestylt. Die Erfolgs-Coaches aus den Website-Werbebannern haben es schon immer gewusst: Mit den Anspruch an Perfektion, Selbstbewusstsein und einen gewissen Charme kann man alles erreichen. Abgespritzt wird aber erst, wenn der Konzern gegründet und die Offshore-Firmen rechtssicher abgestellt wurden. Die dafür benötigte menschliche Ressource hockt währenddessen konsumbenommen in ihrem muffigen goldenen Käfig, stetig wankend zwischen den Gefühlen verheizt zu werden und doch irgendwie Teil davon sein zu wollen.
Bis auf die gefällige letzte Minute ist I CARE A LOT konsequent und dabei flott, wendungsreich und spielt clever mit seiner Grundprämisse.
Rosamund Pike ist als Beste Schauspielerin (Musical oder Komödie) für einen Golden Globe nominiert - völlig zurecht!
Auch im zweiten Film, in dem Sacha Baron Cohen als Borat unterwegs ist, geht es im Kern um politische Aufklärung. In gewohnt lässiger Manier werden Fiktion und Realität miteinander vermischt und satirisch aufgearbeitet. Dabei kommen vor allem Frivolitäten, Verkleidungsspaß und viel Klamauk zum Einsatz. Die drastische Vorgehensweise soll nicht weniger als die drastische Realität entlarven.
Das tut BORAT 2 im gewissen Maße auch. Es stellt sich nun aber die Frage, inwiefern der ganze Zirkus tatsächlich ernst genommen werden oder Meinungen beeinflussen kann. Bigotterie, Machtmissbrauch, Frauenfeindlichkeit, Opportunismus und Konservatismus bis in die Unmenschlichkeit - all das wird nicht mehr als wissend und ein bisschen schuldbewusst abgenickt und im Weiteren verlacht und belächelt. Dass diese zähe Konstruktion mit seinem Spott tatsächlich zur Mobilisierung der Demokraten oder zum Umdenken von Trump-Wählern führte, wage ich zu bezweifeln.
BORAT 2: ANSCHLUSS MOVIEFILM ist für drei Golden Globes nominiert - als Bester Film (Musical oder Komödie) sowie für den Besten Hauptdarsteller und die Beste Hauptdarstellerin.
Er scheint Tom Hanks und Helena Zengel nach Maß auf die Karriere geschneidert zu sein. Denn im Western und Familiendrama NEUES AUS DER WELT begegnen sich der gutmütige Teddybär Captain Kidd und die traumatisierte und eigenwillige Johanna zufällig im Wald und gehen ab da einen gemeinsamen Weg. Es folgen klar abgegrenzte, beinah generische Abenteuer-Episoden, die in einem erwartbaren, rührenden Finale münden. NEUES AUS DER WELT ist dabei schön anzuschauen, unterhaltsam und gefällig, ist aber weder für die Filmschaffenden noch für die Zuschauenden fordernd oder überraschend. Im besten Sinne ist er ein herzig braver Wohlfühlfilm mit einem alten und einem neuen Kinoliebling.
Helena Zengel ist als Beste Nebendarstellerin für einen Golden Globe nominiert ebenso wie die Musik von James Newton Howard, die tatsächlich einen auffallend spaßig-abenteuerlichen Westernspirit versprüht und die lahme Pferdekutsche erst richtig in Fahrt bringt.
In diesem gefilmten Bühnenstück geht es um den US-Gründervaters Alexander Hamilton, von seiner Ankunft in New York als Einwanderer bis zu seinem Tod. Seine Geschichte spielt sich zum Großteil in der weißen Oberschicht der US-Ostküste ab, dreht sich um Politik, den Staatshaushalt, Networking, Intrigen, Liebe, Familie. Um es mal klar zu sagen, sie ist informativ aber auch ziemlich langweilig.
Das besondere an HAMILTON ist die Inszenierung. Alle Rollen werden von People of Color gespielt, die in dieser Geschichte wohl sonst nicht vorkommen würden. Musik und Gesang sind geprägt von Hip-Hop und R&B. Zwischen Rapbattles, Kitsch und viel Humor lässt man sich gern auch von der trockensten Staatsmann-Story einfangen und nickt unablässig im Beat. Wiederkehrende Songs und Melodien wie vom Lied "My Shot" bleiben hier definitiv hängen. Es wird gewirbelt, die Kulissen wechseln in Sekunden, das temporeiche Spektakel hält einen bei der Stange.
Für den weißen und klassisch geprägten Broadway ist das quasi eine Revolution, öffnet einer neuen Generation Türen in diese angestaubte Welt, macht Platz für frische Ideen. HAMILTON bringt ins Gedächtnis, dass, auch wenn die Geschichtsschreibung weiß ist, die USA ein Land der Einwanderer ist, groß gemacht durch die Arbeit auf dem Rücken von Menschen aller Hautfarben. Im nächsten Schritt sollten die PoC allerdings nicht mehr weiße Menschen spielen müssen, die selbst noch Sklavenhalter waren. Sie brauchen ihre eigenen Geschichten. Es wird Zeit.
HAMILTON wurde für den Besten Film und für den Besten Hauptdarsteller Lin-Manuel Miranda, der auch der Komponist des Musicals ist, für zwei Golden Globes nominiert.
Gesellschaftskritik, Philosophie und schließlich auch politische Ideologien verschwimmen in BLISS in einem völlig wirren Konstrukt, das ebenso intelligent wie desorganisiert ist. Er verstrickt sich zu sehr darin, aus seiner bodenhaftenden Prämisse auszubrechen und über das Universelle die Realität erklären zu wollen. Dabei bleibt die Inszenierung auf der Strecke. Am Ende klafft zwischen Form und Inhalt eine Lücke, die schon fast absurd wirkt. Der Weg zur Glückseligkeit scheint kein einfacher zu sein.
Nach dem jobstressbetäubenden Morphin müssen für Greg nun verführerisch bunt schimmernde Diamanten herhalten, die das Ausklinken aus der zermürbenden Realität ermöglichen. Sie sind die harte Droge oder die Suche nach der Glückseligkeit selbst. Doch im Sog der Abhängigkeiten verliert sich nach und nach das Gespür für die Wirklichkeit. Im Handstand der Dimensionen existieren plötzlich zwei parallele, alternative Welten, die in sich logisch zu sein scheinen: Die Realität der Utopie und die Realität der Dystopie. Und als sich Greg noch fragt, welche Welt nun die richtige sei, taucht auf einer Party ein Mann auf (Slavoj Žižek, Philosoph und Kulturkritiker) und schwadroniert über das Sein in der Hölle, dass es dort vielleicht gar nicht so grausam zu geht und diese Vorstellung vielleicht nur denen dient, die vom Himmel mitleidig in die Hölle herabschauen. Zusehends entspinnt sich eine starke Dualität - Utopie und Dystopie, Himmel und Hölle, Realität und Brain-Box, Gut und Böse. Und sofort sollte klar werden, dass das Leben komplexer ist als Schwarz und Weiß.
Man brauche die Erfahrung des Schlechten, um das Gute würdigen zu können, sind sich Greg und Isabel einig. Doch BLISS will den nächsten Schritt gehen, denn keine Seite ist rein gut oder rein schlecht, so wenig wie es keine reine Wahrheit oder objektive Realität gibt. In Gregs bisheriger Realität herrschen fiktive Ideologien über ihn und seine Mitmenschen sowie auch seine fiktiven Phantasien und Wünsche Teil seiner realen Sehnsüchte sind. Utopien werden nie perfekt sein, weil Menschen es nicht sind. Dystopien werden nie vollkommen hoffnungslos sein, weil auch das die Menschen nie sein werden. In Gregs Kampf um seine Identität hadert er mit der fehlenden dritten Option, die Option, die der Film fiktiv ausklammert, und muss sich so für eine der zwei Welten entscheiden. Die Komplexität dahinter ist anstrengend, deren Philosophie herausfordernd.
Ist der Kampf ums Dasein die wahre Erfüllung und das von oben geschenkte gute Leben eine Zumutung? Würde das bedeuten, ein sicheres und geregeltes Leben ist bloß langweilig und eine Welt mit massiven Ungerechtigkeiten ist zumindest spannend und interessant? Was ist Wohlstand wert ohne Armut, was Gesundheit ohne Krankheit, was Leben ohne Tod? Kein Zustand existiert ohne Übergänge. So ist eine Utopie doch ebenso risikoarm und bevormundend, denn sie verdrängt auch Freiheiten und persönlichen Genuss. Und Dystopien zeigen doch auch, wie schlimm es sein könnte, damit man in der eigenen Realität Genugtuung empfindet, in Dankbarkeit für die eigenen Privilegien erstarrt. So ist wohl nur abseits der großen Ideologien etwas Wahres zu finden. Bei Slavoj Žižek würde das heißen, den harten Kern des Realen, die traumatische Dimension seiner Innenwelt, erkennen, aushalten und neu erzählen. Vielleicht ist dieser Trip für Greg nur die realitätsverweigernde Erschaffung eines Argumentes, um die Konsequenzen seiner Sucht erträglicher zu machen. Denn in BLISS' Utopie findet er vor allem vorgesetzte gelöste Probleme, die nie Probleme waren sondern Hindernisse zur Bequemlichkeit. Was nützt Entspannung ohne Anspannung? Was nützt die Erkenntnis der Lösung ohne den Konflikt? An den Schnittstellen des Menschseins fließt Starkstrom. Leidenschaft, Kreativität, soziale Bindungen schaffen Intensität. Mit dieser Intensität umzugehen, ist eine Lebensaufgabe, die es gilt anzunehmen, weil sie es wert ist.
Das Book of Kells ist ein handschriftliches Buch mit aufwendigen Illustrationen, das die vier Evangelien beinhaltet. Von seinen mysteriösen Ursprüngen bis zu seinem heutigen Stammplatz im Trinity College in Dublin gleicht seine Geschichte einer 1200-jährigen Odyssee.
In DAS GEHEIMNIS VON KELLS wird die unbekannte Herkunft und Herstellung zum Aufhänger einer märchenhaften Reise in die Seele von Mensch und Natur. Die außergewöhnliche Animation ist eine stilistische Kombination mittelalterlicher und irischer Malereien und den Motiven des Book of Kells. Alle filmischen Elemente verbinden sich durch eine Verschmelzung von christlicher wie auch von vorchristlich keltischer Symbolik. Das Buch wird zum Sinnbild für Bildung, sein Licht zur wärmenden Hoffnung in kriegerisch finsteren Zeiten.
Ein Rätsel bleibt mir allerdings die klare Dualität zwischen den christlichen Heilsbringern und den barbarischen, heidnischen Nordmännern, besonders da der Charme und die Magie von DAS GEHEIMNIS VON KELLS hauptsächlich von den heidnischen Komponenten lebt. Die Wahl dieses Feindbilds tut der Erzählung inhaltlich nicht gut und wirkt widersinnig angesichts ihres harmoniesuchenden Wesens.
Autor und Regisseur Filippo Meneghetti hat mit seinem Spielfilmdebüt eine intensive Liebesgeschichte geschaffen, die sich ganz unkonventionell mit Liebe ü70 beschäftigt. Das Alter der beiden Frauen sowie die Heimlichkeit ihrer Beziehung führen letztlich zu einer tragischen Situation, die viel näher am Alltag liegt, als man es zuerst vermutet. Was sich zuerst noch grausam und quälend ungerecht anfühlt, verschafft sich durch liebeerfüllte Akzeptanz den Platz an der Collage der Endlichkeit, den es verdient. Mit subtiler Symbolik, schwebender Musik und innigen Totalen zeigt Meneghetti, dass emotionale Irrationalität, zärtliche Blicke und die Sehnsucht nach Nähe kein Alter kennen.
WIR BEIDE wurde als bester fremdsprachiger Film für einen Golden Globe nominiert.
Liebenswerte Romanadaption, die vor allem vom Schauspiel ihres Ensembles getragen wird. DU HAST DAS LEBEN VOR DIR erzählt von vielfältiger menschlicher Not und Trauma, lässt dabei Schicksale aufeinandertreffen. Irgendwo zwischen Rauheit und Charme ebnen sich die Figuren einen Weg zueinander, weil sie entdecken, was trotz allem Kampf und Leid das Leben noch geben kann.
Das Lied "Io Si" schafft es, die bewegende Stimmung über das Filmende hinauszutragen und wurde ebenso wie der Film selbst für einen Golden Globe nominiert.
Jemanden kennenzulernen kann aufregend sein. Es ist ein Anfang, von dem man noch nicht weiß, von was überhaupt. Einerseits sprudeln frühlingshafte Gefühle in einem auf. Man ist interessiert, angezogen vom Fremden und Geheimnisvollen. Andererseits schwingt ein gewisses Grauen in dieser Vorstellung mit. Was, wenn man sich von der Enträtselung dieses Fremden und Geheimnisvollen abgestoßen fühlt? Wenn sich eine unüberwindbare Barriere auftut, die verhindern wird, dass diese Verliebtheit sich jemals zu Liebe entwickeln könnte? Was man so leidenschaftlich und kräfteraubend emotional investiert hat, kann letztlich von einem Moment der Erkenntnis zum anderen verloren sein.
SPRING greift diese Thematik auf und das auf die erfrischendste Art und Weise, poetisch und absolut klischeefrei. Die Kennenlernphase zweier Menschen wird zum wortwörtlichen Mysterium. Mit Symbolkraft, Leichtigkeit und Humor wird eine Parabel über Vertrauen, Akzeptanz und Hingabe erzählt, die ihre eigene Prämisse entschlüsselt. Die Liebe heilt keine Wunden, lässt keinen Verlust vergessen, füllt keine Leere. Sie lässt lediglich erkennen, dass das Leben trotz allem lebenswert ist.
Bereits in den ersten Sekunden wird einem bewusst, dass da was im Argen liegt. Was folgt ist ein einziges, intensives Auf und Ab an Kränkungen, Bitterkeit, Stolz dann Aufrichtigkeit, Heiterkeit, Begehren und wieder von vorn. Die Thematiken Beziehungsleben und Filmbranche verbinden sich zu einem homogenen Klebstoff, der Beiden im Guten wie im Schlechten anhaftet. MALCOLM & MARIE taucht dabei nicht wirklich tief unter die Oberfläche, zeigt aber dennoch ein breites Spektrum, das zu unterhalten weiß. Das Schwarz-Weiß wirkt erhaben und elegant, hält auf Distanz, damit man den Blick für das Ganze nicht verliert. Bei solchen Auseinandersetzungen verliert man sich ja gerne mal in Kleinigkeiten. Am Ende bleibt die Frage, wie groß die schlimmste Kränkung tatsächlich ist im Verhältnis zu der in Respekt und Zärtlichkeit gelebten Verbundenheit, die man miteinander pflegt. Vielleicht kann es der Last Shot verraten.
TENET empfindet man wahrscheinlich dann als einen Film mit "schwachen, eintönigen Figuren", wenn man nur noch auf emotionalisierte Filme mit psychologisierten Figuren fixiert ist. Es gibt aber auch noch viele andere Möglichkeiten etwas zu erzählen. Nolan hat sich hier eben - mit Sinn und Absicht - für's epische Theater entschieden. Klar, ungewohnt für's Mainstreamkino, aber auch nicht so überraschend, dass Nolan seine Zuschauer*innen herausfordert.