Lykaner - Kommentare

Alle Kommentare von Lykaner

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    Lykaner 04.01.2025, 01:29 Geändert 10.01.2025, 23:02

    Eggers Film konzentriert sich auf sexuelle Emanzipation sowie die Grenzen wissenschaftlicher Medizin - und lässt das heikle Thema "Mob und Sündenbock" aus Murnaus Original sicherheitshalber beiseite.

    Die patriarchale Ordnung wirkt hier höflich, galant (Taylor-Johnson) und wendet quasi selbstverständlich Zwang an, wenn Ellens Verhalten nicht in die damals wissenschaftlichen Kategorien passt. Das kam im Original nicht so gut raus.

    Die "Pest" scheint symbolisch für eine langsame, gesellschaftliche Selbstzerstörung zu stehen - durch sexuelle Unterdrückung des Weiblichen per Schuld und Scham.

    Auch gut: Die ohnmächtig herrschende Männlichkeit muss sich quasi selber austricksen damit die Gesellschaft an sich gerettet werden kann. Defoes Figur, eine Art humanistischer Kritiker akademischer Medizin, vereitelt den Plot "Ritter Thomas rettet Frau in Nöten". Frau Ellen weiß schon was sie tut. Wahrscheinlich zwecks Dramatik sind dann nur zwei Enden absehbar. Entweder das "Es", die Lust, wird erobert durch Ellens Selbst oder halt nicht. Frage mich aber ob der Film andeutet, dass Ellen und Thomas auch anders hätten handeln können um das tragische Ende zu verhindern.

    • 5 .5
      Lykaner 21.01.2023, 15:00 Geändert 22.01.2023, 16:34
      über Babylon

      Staune über Bilder, Schnitte (laut-leise, Armut-Reichtum) und Musik.. Aber der Film hat außer ganz arg smarter Selbstbezogenheit kaum was zu sagen. Er macht klevere Selbstbeweihräucherung in der alle Exzesse und Unmenschlichkeiten einfach umarmt werden. Auf Bayerisch sagt man "Mia san mia". Wir Zuschauer und die Mitarbeitenden dürfen dann "Teil von was Größerem" werden, schöner und wichtiger als jede/r Einzelne und als wir alle! (Ganz arg demokratischer Gedanke das..) Film und Kino sollen also einfach die dummen Massen begeistern ("Da passiert etwas!"). Seid rührselig, lacht euch schlapp oder verschluckt eure Spucke im Kino - aber bitte denkt bloß nicht darüber nach!

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      • 7

        Sehr aufwühlender und nachdenklich stimmender Film. Folgende Interpretation mit Bitte um Widerspruch an Euch. Bin mir unsicher.

        Dreht sich um eine Beziehung, in der die Geschlechter-Erwartungen an "Stärke" und "Schwäche" verhandelt werden. Daraus entstehen Enttäuschung, Erniedrigung, Selbsthass und Rache (ingesamt: Ressentiment).

        Es ist dann letztlich unentschieden ob wir (A) einen fiesen Schachzug in einem Kampf darum sehen, wessen Gefühle zählen und Anerkennung verdienen: Hier verwandelt sich enttäuschte Liebe in Hass, der Mann wendet sexistische Vorstellungen von Schwäche/Stärke gegen seine Ex-Freundin, zeigt ihr ihr eigenes Spiegelbild, d.h. seine geschmacklose, ebenso sexistische Interpretation davon. Der Roman ist in diesem Zusammenhang geschmacklos, weil Vergewaltigung und Mord nicht wirklich analog sind zu sexistisch motiviertem Schlussmachen. Die Gleichsetzung passt aber gut zu dem 'romantischen' und philosophisch narzisstischen Autor. Finde darin die Parallele zwischen der Vater-Figur des Texas Rangers und der 'traditionellen' Mutter faszinierend.

        Oder wir sehen (B) tatsächlich einen zum Scheitern verurteilten Kommunikationsversuch, ein Ringen um Verständnis für und die Anerkennung der eigenen traumatischen Erfahrung und Schmerzen, die sie ihm zugefügt hat.

        Je nach dem ob der Exmann nicht zur Verabredung auftaucht (sich umbringt, stirbt) oder doch kommt, entscheidet sich spiegelbildlich, ob er seinen Racheroman in sich ernst genommen hat, oder tatsächlich damit kommunizieren und darüber reden will. Erst dadurch würden wir seine eigene Haltung verstehen. Andererseits wird er vermutlich nicht kommen, weil er sich in eine Ecke gepinselt hat. Denn gerade weil sie den Roman gut findet, kauft sie sich in die sexistische Welt ein, die er so hasst, ohne sich von ihr lösen zu können.

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        • 7 .5
          Lykaner 21.01.2021, 17:23 Geändert 21.01.2021, 17:34

          Wenn man den Film als Antikriegsfilm ansieht, verglichen beispielsweise mit Kubricks Full Metal Jacket, erhält Jojo Rabbit eine tolle Fallhöhe.

          Offensichtlich erforscht der Film das Verhältnis von Kindheit und Krieg. Kindheit ist ein geschützter Raum, privat, unschuldig, voller Fantasie, Freundschaft und Liebe. Krieg ist diesem Raum radikal entgegengesetzt, öffentlich (?), zerstört diesen Raum per Gewalt, Misstrauen und Hass.

          Jetzt verweisen einige der besten Szenen in Antikriegsfilmen auf die Beziehung Krieg/Kindheit, eigentlich aber nur darauf, wie Krieg Kindheit überwölbt und zerstört. Full Metal Jacket enthält zum Beispiel folgende Szene - eine entmutigende Collage der Grausamkeit:

          Ein US Marine geht durch ein zerbombtes Gebäude, wir sehen ihn von der Seite, die Kamera fährt scheinbar durch zerfallene Wände hindurch, fährt parallel im Abstand von 5-10 Metern neben dem Soldaten her: Im Schutt findet der Soldat ein Plüschtier d.h. ein Kinderspielzeug; der Soldat hebt das Plüschtier auf - eine dumpfe Explosion ertönt. Man sieht kein Feuer; Rauch und Splitter verhüllen kurz den Soldaten der getroffen umfällt und reglos liegenbleibt.

          Der perverse Witz dieser Collage (Kindheit vs. Krieg): Das Plüschtier war Teil einer Kindheit, ein Kinderspielzeug, welches umfunktioniert wurde um durch eine Mine zu töten, wahllos, denn es hätte jeden treffen können. Minen unterscheiden nicht zwischen Zivilisten und Soldaten. Dass ein Kinderspielzeug dem Soldaten aufgefallen ist, gerade weil es in einem von Krieg zerstörten Gebäude liegt, wirkt in höchstem Grade unpassend. Damit haben die Regeln des Kriegs Kindheit und Privatsphäre an sich pervertiert, erobert und zerstört. Es gibt bestimmt bessere Beispiele aber dieses ist mir aufgefallen.

          Bei Jojo Rabbit verhalten sich Kindheit und Krieg bzw. Nationalsozialismus genau umgekehrt. Hier erobern die Regeln der Kindheit, Neugier, Fantasie, Freundschaft und Liebe, die Regeln einer menschenverachtenden Ideologie (Nationalsozialismus). Die Kindheit siegt über den Krieg!

          Allerdings geht Waitiki mit der Wahl des Genres, d.h. der Komödie, vielleicht ein kleines bisschen zu weit um diesen Punkt zu machen. Das Genre entspricht eher den Regeln der Kindheit natürlich. Wenn die Komödie aber so eindeutig unpassend wirkt, dann ist dieser collage-artige Effekt, unser Gefühl dass dieses Genre schlicht 'unpassend' für die Thematik ist, sicherlich Waitikis Absicht. Jetzt weiß ich aber nicht inwiefern ein solches Niveau an Reflexionsfähigkeit dem Publikum abverlangt werden kann oder schlicht als 'respektlos' abgelehnt wird.

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            Lykaner 01.01.2021, 23:53 Geändert 03.01.2021, 23:39

            Lara's Theme geht arg ins Ohr; kann man vmtl nach dreimal hören zu jeder Tages- und Nachtzeit auf Kommando summen..

            Die Bildungsgeschichte von Doktor Schiwago fällt hinter diejenigen der anderen Charaktere zurück. Gut, Juri könnte sich auch schwerlich 'weiter'-entwickeln angesichts seiner unerschöpflichen Nächstenliebe und krass naiven Güte - die mich äh gelinde gesagt dann doch manchmal würgen lassen (rein subjektiver Eindruck!): Und so zieht Schiwago seinen heldenhaften Stiefel eben durch..

            Die Schwierigen und Fiesen sind hier doch auch wieder spannender: Aus dem anfangs leidenschaftlichen Revoluzzer wird der gefühlserkaltete Militär, welcher den eisernen Gesetzen seiner Lehre grausame Realität verleiht. Seine Lara hat ihn halt verlassen. Die Story vom Kommunist zum Beinahe-Psychopathen fühlt sich nur arg nach Propaganda an: Sie beantwortet quasi die Frage eines ideologisierten Amerikaners im Kalten Krieg, der rätselt, "warum die Sowjets so böse sind". Antwort: Enttäuschte Liebe.

            Aus dem scheinbar unerschütterlichen Netzwerker und Trickser Viktor wird ein verzweifelter Klumpen Eifersucht und Hass. Fühlen sich auch andere hier an manche äh anti-semitischen Vorurteile erinnert? (Benannte Vorurteile will ich hier jetzt nicht weiter ausführen..) Seine beste Szene mMn: Wie er den "Guten Menschen" seinen ganzen Ressentiment-Hass entgegenschreit. Runde Figur, aber wie gesagt nicht ganz unproblematisch. Bitte um Widerspruch.

            Was die 8er Bewertung ergibt:
            Musik überragend, Einstellungen sehr gut, lebendige und glaubwürdige Nebencharaktere, Tricktechnik klasse: Zum Beispiel die Kälte - klirrende, knochenklappernde Kälte inklusive beißender Winde - wird toll eingefangen. Wenn sich dann der Frühling per Blumen durchkämpft, untermalt von Lara's Theme, regt dass schon die Fantasie an. (V.a. wenn man den Film im Coronawinter schaut..)

            Kritische Sichtung ist auf jeden Fall zu empfehlen.

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            • 7 .5

              Witzige Dialoge, gute Kamera, interessanter, witziger und dramatischer Plot mit hervorragendem Twist. Und klar bricht ein Tatort seine Lanze für's Recht gegen die Rache.

              Schauspieler sind solide: Könnte mir nicht vorstellen wie Drehbuch & Dialoge viel besser verkörpert werden könnten.

              Runde Sache!

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                Lykaner 25.12.2020, 01:15 Geändert 25.12.2020, 01:27
                über Rambo

                Rambo stellt den "Im Felde Unbesiegten" dar, symbolisch für das aus Vietnam abziehende US Militär: Er/Es wird/wurde von der eigenen Gesellschaft und Politik verraten, welche abschätzig "Zivilisten" genannt werden. Insofern ist der Film ziemlich militaristisch, bzw. bricht eine Lanze für das gedemütigte Militär; mit einem ähnlichen Mythos wie derjenige der Reichswehr nach dem Ersten Weltkrieg. Eine - ob bewusst oder nicht - antidemokratische, sogar anti-politische Pointe scheint hier durch.

                Der Film könnte aber genau dies auch thematisieren wollen.. kP. Er ist jedenfalls wertvoll als zeithistorisches Dokument, als symptomatischer Ausdruck einer politisch-kulturellen Haltung..

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                • 9
                  Lykaner 14.10.2020, 03:37 Geändert 15.10.2020, 00:44

                  Jetzt verschlingt die Superheldenstory sich endlich selber.. Alles sehr meta. Achtung SPOILER voraus.

                  Die Serie liefert herrliche Collagen aus Elementen die zueinander passen wie Gurkensalat und Eiscreme: Einer der Boys zerlasert mit einem knuffig-verdutzten Baby seine Gegner. Liebe und Gewalt geben sich in Hughies und Robins Szene die Hände, Mitleid verwandelt sich in Entsetzen bei der Befreiung der gefangenen The Female. Ulkig-unreflektierte Spindoctors fangen mit ihren ethisch-rechtlichen PR-Ideologien auch die authentischsten Ausbruchsversuche einer idealistischen Heldin ein, die endlich die Wahrheit sagen will. Kaltblütig verdrückt Homelander Zornestränen, ballt voll rechtschaffendem Groll gegen das tatlose Establishment seine Faust - nachdem er selbst Hunderte hat sterben lassen.

                  Man würd' lachen wenn's nicht zum weinen wäre. Tolle Satire, die viele Absurditäten der USA und unseres Zeitgeist aufdeckt.

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                  • 8 .5
                    Lykaner 26.08.2020, 02:49 Geändert 26.08.2020, 02:49

                    Ein brand-aktueller Film ('tschuldige) und zugängliches Bildungskino. Erschreckend ist nur, dass Argumente eines fiktiven Neonazis aus dem Jahre '98 quasi 1:1 'mittiger' geworden sind. Der Film präsentiert den ganzen Blumestrauß; Blüten des Hasses wohlgemerkt.

                    Ihr Wasser:
                    - Missbrauch von Statistiken (Das alte statistische 'Problem' dass Frauen und Männer, Schwarze, Weiße etc. auch gleichzeitig tausend andere Rollen einnehmen können: Freunde, Arme und Reiche, Schwestern, Väter, Musiker, Unglückliche, Elende, Liebende..)
                    - "Ich seh's doch mit meinen Augen! Er ist XY und er hat XY getan!" (Gleiches Problem: Augen-blicke verraten weder Identität noch Umfeld, noch was dem Menschen gestern Nacht passiert ist..)
                    - Die geschichtliche Unbildung des Publikums: Wenn man nicht höllisch aufpasst, dann lässt man sich an den Haaren herbeigezogene historische Argumente aufschwatzen, so wie "Die Sowjet Union wurde von Polen attackiert" oder "Die Sklavenbefreiung war mit dem Ende des Bürgerkriegs vollzogen." - Ja, aber dies betraf nicht eine gesetzliche Unterdrückung des Wahlrechts (bis 1965), die Segregation und weiterhin systematisch rassistische z.B. Sozial-, Bildungs- und Infrastrukturpolitik (auch per Segregation und noch nach 1965) - von der Polizei ganz zu schweigen.

                    Ihre Blütenblätter: eine Spirale aus Mord und Gewalt; das sogenannte 'Gesetz der Rache'..

                    Dies alles und noch viel mehr bietet der Film in einem Panorama, manchmal sogar zu deutlich, zu sehr den Zuschauer mit der Nase draufstoßend..

                    Gruselig ominös: Die Lincoln Rede aus der Dereks Bruder zitiert war Lincolns verzweifelter Versuch die Sezession der Südstaaten und den verfassungsmäßig resultierenden Bürgerkrieg zu verhindern. Das Zitat krönt den Film, verwebt das Drama mit dem 'Schicksal' der USA. Hoffen wir dass der Regisseur (und Zizek) falsch liegen.

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                    • 8 .5
                      Lykaner 23.08.2020, 03:51 Geändert 23.08.2020, 03:59

                      Dieses großartige Stück US-amerikanischer Popkultur erreicht viel. Die Gründerväter erzählen per wortgewaltigem Rap die Revolution und nationale Selbstbestimmung der USA. Dabei wurde auch Platz für die Frauenbewegung gemacht.

                      Hamilton macht mit Charme, Witz und Takt elegant Platz für eine kritische Neubewertung der nach heutigen Maßstäben ethisch fragwürdigen Standard-Erzählung (Gut & Böse, Helden & Jungfrauen). Einem von einem Afroamerikaner gespielter Jefferson wird von Hamilton Sklavenbesitz vorgeworfen. Dabei ist auch Hamilton, als Ehebrecher, kein Unschuldslamm. Das Stück schafft es diese argen, zeitgemäßen Untaten und Laster darzustellen und daneben die historischen Leistungen dieser 'weißen dudes' nicht zu schmälern. Sie waren halt Menschen, keine Heiligen die gegen das Böse kämpften. Besetzung (PoC in den Hauptrollen) und Medium des Stücks (Hip Hop) regen einen vielleicht zur stillen Reflexion darüber an, dass diese Gründungsgeschichte PoC ausgeschlossen hat. Das ist nicht historischer Revisionismus sondern ein Eimer Wasser ins Gesicht der US Erinnerungskultur.

                      Rührend daran ist - und nicht etwa kitschig - dass dabei eine Lebendigkeit und Mitmenschlichkeit von der Bühne strahlt, wie man sie nur im Theater erleben kann. Kein Zeigefinger fuchtelt hier wütend. Es ist o.k. liebe kollektive US Seele. Umso tragischer, dass das Stück kurz vor unseren eher bleiernen Zeiten erschienen ist.

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                        Lykaner 26.07.2020, 21:16 Geändert 27.07.2020, 02:50

                        Klar, als Purist wird man SAC_2045 nur mit Kopfschütteln begegnen.

                        Der Serie geht der "immersive Stil" des Originals ab, wie @ScV unten bemängelt. Hier kann man nicht in Panoramen futuristischer Städte versinken und über den Sinn des Daseins nachsinnen, wie es die stoisch blickenden Akteure zu tun scheinen - ironischerweise besonders Batou mit seinen kybernetischen Augen.

                        Was mir zudem fehlt ist der Grusel und das ästhetische Unwohlsein bzw. Ekel bei verdrehten Körpern und humanoiden Androiden aus den Teilen 1 + 2. Unter anderem deswegen entsteht auch nicht die Seherfahrung, dass die Helden ihre Umwelt als "normal" erleben, die sich für uns mindestens absonderlich anfühlt, dann aber recht schnell in ihrer eigenen Welt an die Grenzen ihres Horizonts stoßen. In SAC_2045 hat der Verstand der Protagonisten eigentlich alles unter Kontrolle - frei nach dem Motto "Kenn-Ich-Hab-ich-schonmal-umgenietet."

                        Im Allgemeinen scheinen die Helden gar kein Problem mehr mit ihrer Welt zu haben. Zeichnen sie sich in Teil 1 und 2 durch existentielle Fragen über den Sinn von Sich und Allem aus, so sind in SAC_2045 ihre Zweifel einem zynischen Schulterzucken gewichen: "Wir machen einfach das was wir am besten können - unsere Androiden-Gegner plätten - und Spass dabei haben. (Batou!)" Im Vergleich zu ihren ursprünglichen Krisen wirkt diese Charakterentwicklung als ob die Macher sich dezent über das Original lustig machen (nota bene Luke Skywalker).

                        Dementsprechend geht es auch null-komma-zero um die titelgebende Frage nach dem "Ghost in the Shell", der Seele im Netzwerk, der Menschlichkeit der KI or what have you. Bin jetzt noch nicht komplett durch, aber bisher ist das zentrale Problem schlicht und ergreifend das KI-Wettrüsten zwischen Staaten auf der einen, sowie Firmen und Rebellen auf der anderen Seite (?). In diesem gesellschaftskritischen Horizont wird stellenweise witzig auf Verteilungsungerechtigkeit ("1-Prozenter") und Armut hingewiesen (Inflation etc.). Das war's aber auch.

                        Aaaber das wussten die Macher sicher, haben sich dem Format, dem erwarteten Publikum und dem Financier (Netflix) angepasst. Gerade von Netflix hätte man aber auch anderes erwarten können.

                        P.s.: Bedient sich ungeschminkt bei Black Mirror ... ein Ghost in the Shell als Shell ohne Ghost. Wenn man es schafft sich am reinen Wi(e)dererkennungswert zu ergötzen, dann ist die Serie für GitS Kenner auszuhalten..

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                          Lykaner 18.04.2020, 20:22 Geändert 19.04.2020, 00:03

                          Der beste (ernste) Superheldenfilm den ich je gesehen habe. Warum?

                          Noch nie - und bitte wenn Du das liest empfiehl mir gerne ähnliche Filme - noch nie habe ich gesehen, wie die Identität der (Super)Helden so nachhaltig und organisch durch ihre Erfahrungen mit ihren eigenen Fähigkeiten geprägt wurde. Ihre Selbstauffassung wurde bis in die Haarspitzen durch ihren Umgang mit den spezifischen Superkräften geformt: Charles Xavier zerbricht fast am Weltschmerz eines schier wahnsinnigen Philosophen: Sein existenz-bedrohliches schlechtes Gewissen entsteht pathologisch aus seiner Fähigkeit, Gedanken anderer Menschen lesen, kontrollieren und lähmen zu können. Der Widerspruch zwischen seiner gewaltigen Macht und dem Leid, das er trotz seiner Kräfte nicht verhindern konnte, kann ihn ja nur an der Welt verzweifeln lassen! Ähnlich Logan: Bei dem ist man sich unsicher was ihn eigentlich am meisten zerfrisst; seine Wunden, seine Geschichte als Massenmörder oder seine Bindungsangst (aufgrund dieser Morde). Superhelden anderer Filme sind einfach nur normale Menschen mit angetackerten Superkräften - die sie zudem anonym einsetzen: Die saubere Persönlichkeitsspaltung stellt zwar die zentrale Spannung in den Figuren dar, aber üblicherweise laufen beide Persönlichkeiten nebeneinander her - wie die Figuren es selbst eben wollen. Hier gibt's einfach keine Bildungsgeschichte.

                          Zudem übersteigen die 'satten' Gewaltausbrüche und das Klatschen der aufeinanderprallenden Kräfte bei Weitem Captain America - The Winter Soldier, der für seine 'härtere Gangart' bekannt wurde. Sieht man Gewalt in Logan, fühlt man: Die Helden sind wirklich in Gefahr! Sie können also wirklich (un)heroisch handeln, denn sie müssen ihren Mut zusammennehmen und sich selbst überwinden - oder an sich scheitern. Weise, weise sagt Batman v. Superman in dem gleichnamig furchtbaren Film: "You are not brave, men are brave." Logan - The Wolverine erzeugt eine Fallhöhe für die Charaktere, die Scorsese zurecht an den Marvelfilmen vermisst.

                          Meckern: Die kleine Laura spricht für ihr Alter ein bisschen arg schlau und schlagkräftig daher in ihren wenigen Dialogen mit Logan. Andererseits sind diese und andere Dialoge an sich suuper gut geschrieben! Allesamt und sonders.

                          Tolle Sache der Film

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                          • 8
                            über Joker

                            Ein paar übliche (?) Fragen die der Film aufwirft:
                            Inwiefern rechtfertigt der Film den Monolog eines durchschnittlichen Ausgeschlossenen der zum Amokläufer wird? Inwiefern rechtfertigt der Verlauf und das Ende des Films diesen Monolog, indem sich eine Menge Menschen einer atomisierten Gesellschaft damit identifiziert? Warum setzt der Film der Selbstprojektion des Jokers auf die Gesellschaft nichts entgegen? Inwiefern ist der Film auch gegendert, weil es die ziemlich typisch männlich konnotierte Story eines enttäuschten und zurückgewiesenen Mannes ist?

                            "Ihr legt fest was lustig ist, was normal ist? Ich zeige euch warum ICH lache!" Der Joker ist hier kein politischer Teufel oder Anarcho wie in der (pro) libertären Version von Nolan, kein dialektisches Argument - denn Batman fehlt halt. Er wil irgendwie zeigen wie Ausgeschlossensein gesellschaftlich im Populismus endet: Wut gegen die da oben. (Den Joker als narzisstischen populistischen Führer zu verstehen is aber vielleicht auch wieder zu platt und langweilig..)

                            Der Film erinnert mich zum Teil an Korene's Spring Breakers, der seine Protagonisten ähnlich unkommentiert und unkritisiert schalten und walten lässt. Sollen wir also per Widerspruch zum Film lernen? Aber ohne dass der Film irgendeinen Hinweis liefert?

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                            • 6 .5

                              MILDE SPOILER:

                              Ganz ordentlich. Etwas kindisch der Holland Spidy; liegt aber bei Holland eben in der Natur der Sache.

                              Schön war, dass Spiderman nicht übermächtig wirkt, wegen seiner Tollpatschigkeit und Unerfahrenheit - und tatsächlich beschränkten Fähigkeiten (s. Washington Monument Szene).

                              Ein paar moralische Zwickmühlen bringen Peter Parker in Entscheidungsnot, durch die er sich mehr durchwurschtelt als der (meiner Erinnerung nach) tugendhafte Peter Parker der ersten Comics. Das nimmt dem Film den pädagogischen Zeigefinger der Comics. Durchwurschteln verdreht die Figur aber nicht so wie es Garfields Göre tut.

                              Michael Keaton's Vulture war ein Highlight; für mich der mit Abstand menschlichste Bösewicht bisher mit nachvollziehbaren Handlungen und Motiven; zwar immer noch Comic-Figur, aber besser entwickelt als zum Beispiel Electro - und natürlich subba gespielt! Vulture's Kampftechnik gleicht auch wirklich einem Geier, oder jedenfalls einem richtig gefährlichen Raubvogel.

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                                Lykaner 02.11.2016, 21:01 Geändert 03.01.2021, 23:57

                                Viele Elemente des Films sind "objektiv schlecht"; was aber nicht der Punkt des Films ist. Erstens übersetzt der Film die Regeln und Gesetze einer Jugendkultur ohne sie reflektieren und (direkt) beurteilen zu wollen. Diese Kultur ist aber wortarm, selbst-bezüglich, plakativ und der Film spiegelt das wieder in repetitiven, platten Dialogen, sich wiederholenden Szenen, monotonen Gesichtsausdrücken, Neonfarben und Zeitlupen. Zweitens helfen genau diese ungehobelte, effektheischerische Machart und die plumpen Dialoge dem Zuschauer sich zu distanzieren, anders als z.B. Wolf of Wallstreet, wo man eher geneigt ist zu "versinken".

                                Normalerweise wäre das m.M.n. ein Film zum zweimal ansehen, wie Citizen Kane, Memento, Vertigo oder Mulholland Drive. Im zweiten Durchlauf schafft man es besser, seine eigene Perspektive zu verstehen und inwiefern der Film diese antizipiert, weil man sich an sein erstes Seherlebnis erinnert. Wie bei moderner Kunst, gehört der Kontext, der Rahmen und die Perspektive des Zuschauers zum Film selbst.

                                Wenn diese Mädchen sich selbst sehen würden, dann würden sie sich vielleicht wirklich in super slow motion und grellem Neonlicht zeigen. Man vergisst denke ich tendentiell, dass solche Beleuchtung, Zeitlupe und auch nicht die Musik Teil des Erlebens der Protagonisten sind, sondern ihr Erleben künstlerisch für den Zuschauer überzeichnen: Der Film denkt quasi für den Zuschauer zu Ende, was die Kultur der Protagonisten ihnen an Erfahrung ermöglicht.

                                Eines der "objektiv schlechten" Elemente sind die Laiendarsteller der vier weiblichen "Hauptakteure": Die Schauspieler an sich, ihr facettenarmes Schauspiel, ihr improvisiertes Gekicher, Gekreische und ihre Handlungsunfähigkeit und Ziellosigkeit während der Improvisation passt zu ihren Charakteren (- Die Schauspieler, außer Franco, werden sicher keine Freunde von Regisseur Korine). Die Charaktere handeln eigentlich nicht - außer Selena Gomez ein einziges Mal. Das Skript erlaubt ihnen so gut wie keinen Dialog. Sie sind Durchlauferhitzer für Phrasen zum American Dream (Pervertierte "Freiheit" als Konsumfreiheit oder Alles-haben-was-man-will), Eskapismus ("break from reality", "Let's get out of here.") und haben ein peinliches Verständnis von Hochkultur (Britney Spears unplugged mit Flügel, "Scarface on repeat"). Der Regisseur versucht ihren Übergang zur Kriminalität nahtlos darzustellen. Wenn sie zur Waffe greifen, dann verändern sie ihren Charakter nicht, sondern folgen einfach ihren kruden Idealen. Sie wurden nicht traumatisiert & leiden an einer psychischen Krankheit (Joker), sitzen nicht in einer Zwickmühle, sind keine "professionals" (Heat), tun es nicht für ein höheres Ziel (James Bond Bösewichter) und entwickeln keine Robin-Hood-Rechtfertigung. Ihre Gewalt liegt auch nicht in ihrer "Natur als Menschen", wie in vielen Western suggeriert. Sie sind einfach Produkte einer Kultur an der viele Hollywood-Filme mitwirken. Alles was nicht durch ihre drei vier Leitsätze gerechtfertigt werden kann oder mit ihnen konfligiert wird einfach ignoriert in der Harmonie des Drogenrauschs. Vielleicht ist das kein Beleg, aber ihre Wortlosigkeit und ihre Facettenarmut scheint diese Gedankenlosigkeit wiederzugeben.

                                Mit der Auswahl der Schauspieler ironisiert der Film jedenfalls bewusst seinen eigenen Entstehungskontext, welcher genau die Kultur ist, die der Film direkt, also (fast) ohne Urteil, abbildet: Selena Gomez und Vanessa Hudgens sind Gewächse des Disney-Clubs (Dass deutet Korine ziemlich dreist direkt vor den Schauspielern in einer Pressekonferenz an). Dies ist vielleicht die innovativste und gemeinste Meta-Kritik des Films.

                                Nörgeln: Auf manchen sozial-theoretischen Beobachtungen reitet der Film herum und das verwirrt, weil doch gerade die ermüdende Wiederholung anzeigt, welche Elemente der Regisseur als Teil der zu reflektierenden Kultur verstanden wissen will. Es ist z.B. nicht klar, ob das Phänomen, dass Waffen ein Penisersatz auch für Frauen sein können an sich hinterfragt werden will oder einfach festgestellt wird. Wenn Letzteres dann vertritt Korine diese Einsicht ziemlich penetrant (haha) - mehr noch aber ähnlich wie Clockwork Orange. Außerdem ist der Film zu pessimistisch: Es gibt sicher noch mehr Wege aus diesem moralischen Vakuum als Religionsunterricht für Selena Gomez. Es gibt auch viel amerikanische Popkultur die einen nachdenklich macht und einem bessere Ideale, Beispiele und Lebensziele vermittelt.

                                Ich will mir den Film nochmal genauer ansehen um zu sehen, welche Elemente der Popkultur er denn eigentlich abbildet. Hier finde ich den Film noch zu unstrukturiert - er will vielleicht sogar zu viel, weil von Popkultur, Kapitalismus, Moral bis Sex eigentlich alles thematisiert und entblößt wird. Dies lässt den Film wie einen wütenden und ziellosen Rundumschlag wirken. Hier liegen vielleicht die Grenzen von art house, das zu implizit, zu suggestiv, zu wenig erklärend daherkommt. Was will der Film eigentlich alles entblößen? Es hängt so ein Rattenschwanz an der Spring Break Kutlur..

                                6
                                • 3 .5

                                  Milan Kundera hat mal geschrieben "Wenn das Herz spricht, ziemt es sich nicht, dass der Verstand etwas dagegen einwendet. Im Reich des Kitsches herrscht die Diktatur des Herzens" - Spiderman 2 errichtet eine Diktatur des Herzens. Normalerweise macht "Hollywood" das subtil. Da gibts dann eine Exposition vor einer Rede die nur aus "Hoffnung", "Liebe" und "Es lebe das Leben" besteht. Hier nicht. Keine Gnade. Ab in den Gulag des Verstandes mit dir nutzloser Zuschauer. In diesem New York nehmen Leute ihre leeren Tautologien ernst. Und mein Flehen nach Kontext verhallt zwischen Electros Selbstgesprächen mit seiner Musik. (Zugegeben, das ist eine wirklich coole Idee.)

                                  ..Gerade nochmal den englischen Trailer gesehn. In der OV ist die Sprache sicher erträglicher.

                                  • 8 .5

                                    THERAPEUTISCHER SPOILER enthalten

                                    Ein Film wie die Philosophischen Untersuchungen von Wittgenstein: Normalerweise sind Schauspieler und Figur, Namen und Figur, Gegenstand und Gegenstand identitär, das heißt, ein Schauspieler spielt eine Figur, ein Gegenstand hat eine Bedeutung, und die Name-Objekt-Relation von Dingen wird konstant gehalten. Dit is hier nicht der Fall. Der Film besteht im Grunde aus drei Teilen in denen die genannten identitären Beziehungen fast alle hintereinander zerblasen werden und man irgendwann garnicht mehr so genau weiß, "Was jetz was und Wer jetz wer und Wann jetz wann ist" ...Es stellt sich an allen Ecken die skeptizistische Frage, wie denn sich jetzt genau das Ganze auf die Realität bezieht.

                                    Wittgenstein würde sagen: Dat is die falsche Frage. Die Ausdrücke erhalten ihre Bedeutung nicht aus ihrer Beziehung von Bild, Gesicht, Wort zu einer (wie auch immer zu repräsentierenden) Wirklichkeit sondern in Relation zueinander. ...Muss ihn unbedingt nochmal sehen, den Film.

                                    P.s.: Übrigens lassen sich auch die im Internet kursierenden Interpretationen in philosophische Traditionen einordnen. Die bekannteste ist die Traumdeutung, die im Grunde solipsistisch ist, also à la "Ich denk euch einfach weg".

                                    • Donnie Darko hab ich nie so richtig kapiert ...

                                      • Warum war denn Nick Frost so nervös ? Der kratzt sich ja bald den halben Arm ab...

                                        • 4

                                          "Du musst jetzt mein kleiner Marine sein." war vorhin mein Lieblingsspruch. Und als der Vater vom kleinen Hector dessen Hand ergriff, um ihm zu zeigen wie Kinder mit Migrationshintergrund beim Salutieren ihre Dankbarkeit gegenüber Marines ausdrücken können, da rollte mir eine einsame Träne des Ekels die Wange herab.

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                                          • dagegen ist ja Machete geschmackvoll...

                                            • 6

                                              Es ist ja zwangsläufig ein Großteil des Films der Romanvorlage geschuldet, allerdings kann das mMn auch nicht entschuldigen, dass der Film über keinen Spannungsbogen verfügt sondern eine Art Wellenbewegung vollzieht, bei der das Auf-und Ab durch "Apparieren" strukturiert wird. Ist bedeutungsschwangeres, sorgenvolles Sich-anblicken am Anfang noch ganz witzig, ging mir diese Art von Mimikdrama im weiteren Verlauf des Films ziemlich auf den Sack. Dafür sind, tut mir Leid, die Schauspieler einfach nicht gut genug. Die dreieinhalb Gesichtsausdrücke von Daniel Radcliffe tragen einen nicht durch den Film. (Es verbietet sich schon fast ein Vergleich mit den grandiosen Nebendarstellern Bonham Carter, Fiennes, Rickman)
                                              Ein bisschen Gesellschaftskritik oder Verweise auf diverse totalitäre Systeme einzubringen, ließ man sich auch nicht nehmen, was eigentlich sogar ganz witzig ist. Die SA-Greifer sind ziemlich gut getroffen. Bei diesem Film herausragend gelungen ist die Beleuchtung der Charaktere, der Gesichter, dies vor dem Hintergrund der tollen Landschaftsaufnahmen zu sehen, war irgendwie schon ergreifend.
                                              Die Effekte fand ich auch sehr gelungen, weil diese Eben dosiert und nicht überladen daher kommen.

                                              • 8 .5

                                                Ich gehe nachher ins Kino. Kann ich den Film auf Deutsch sehen ohne das ich weinend hinaus renne ?

                                                • Die Einführung von dem Messerwerfer James Coburn und allgemein alle seine Szenen sind westernmäßig das Beste was ich je gesehen habe.
                                                  !SPOILER! Buchholz: "Das war der beste Schuss den ich je gesehen habe!"
                                                  Coburn: "Der Schlechteste, ich wollte das Pferd treffen."

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                                                  • Und wie! Bin angefixt. Adrian hat noch was gut zu machen. Predator und so