SoulReaver - Kommentare
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Alle Kommentare von SoulReaver
[...] „The World's End“ bleibt weitestgehend eigenständig, allerdings kann ein Mindestmaß an künstlerischer Autarkie nicht davor bewahren, dass der Film die Ausarbeitung der Essenz vom Wert einer Freundschaft in seiner essentiellen Würze zu sehr in den Hintergrund rückt und durch effektuierte Schauwerte austauscht – jedenfalls stückweise. Aber „The World's End“ bleibt ein solider Film, weil die Figuren liebenswert sind und Wrights Humorverständnis unverkennbar.
[...] In „Crash“ scheint es so, als würde die Welt selbst stillstehen, als wäre die moderne Zeitrechnung in der von Tristesse und Isolation gefangenen genommenen Ära angelangt, in der die charakteristische Metamorphose und die objektivierte Demontage keinen Unterschied mehr machen: Sex zwischen Mensch und Maschine. Sex zwischen zwei Menschen. Sex zwischen zwei Maschinen. Sex, Sex, Sex, Sex, Sex und noch mehr Sex, mit jedem und allem, selbst mit vaginaförmigen Narben – Der absolute Crash, ein analoger Schmerz, der gleichzeitig Befreiung und Destruktion bedeutet. Was für ein Ausnahmewerk, so abschreckend und faszinierend wie kaum ein anderes.
Wir sind die Opfer unserer gestörten Wahrnehmung, weil uns die prädestinierte Definition des Seins verloren gegangen ist. David Cronenbergs Dystopie „eXistenZ“ führt den Zuschauer an den Rand seines Bewusstseins – und sprengt dabei die Grenzen seiner Realitätssensibilisierung; ein reeller, figurativer Kontrollverlust im anarchischen Kosmos der verführerischen Virtualität. Mit schmierig-glitschigen Bioports und einem nabelschnurähnlichen Verbindungskabel tauchen die Protagonisten in das alternative Koma und folgen dem Reiz der Freiheit, den uns das echte Leben verweigert. Doch wie viel Scheinpräsenz unserer Persönlichkeit verkraften Körper und Geist; wie tief dürfen wir in die virtuellen Abgründe eintauchen, bis wir den Weg zurück in unsere Wirklichkeit vollkommen verdrängen? Die Antwort ist schemenhaft: Denn wenn schlussendlich jede Differenzierungsmöglichkeit zwischen den Ebenen abhanden gekommen ist, dann ist auch der Konsument nicht mehr länger ein unkontrollierter Mensch. Lebst du noch oder spielst du schon?
[...] Gleiches gilt auch für „Take This Waltz“, der sein Publikum nie anhand einer sich anbahnenden Ehekrise zu depressiven Ausuferungen einladen und an der privaten Zweisamkeit zweifeln lassen möchte, sondern sich vielmehr durchgehend authentisch und subtil durch das aufgeladene Szenario bewegt, den Zuschauer vielleicht auch zum Nachdenken anregt, ihn aber niemals auf den Pfad der emotionalen Hoffnungslosigkeit führt, um ihm seine „Nichts ist für immer“-Mentalität vor den Kopf zu knallen. Sarah Polley setzt auf leise Zwischentöne und legt großen Wert auf die Mimik und Gestik ihrer Protagonisten; die mannigfache Körpersprache darf hier so manchen Weg in die sich anpirschende Gewissenhaftigkeit ebnen. [...]
[...] Platzende, quietschende und wankende Reifen; herbe Dellen in der Karosserie, Massenkarambolagen und krächzende wie herrlich schnurrende Motoren, dirigiert von gnadenlosen Bleifüßen und Adrenalinjunkies: „Gone in 60 Seconds“ ist Kino für das Auge, nicht fürs Hirn. Car-Crash-Legende H.B. Halicki zeigt in seinem Opus magnum, wie man den Unterhaltungsfaktor über 90 Minuten hochhält und nicht nur Autofreaks ein herzhaftes Lächeln auf die Lippen zaubert. „Gone In 60 Seconds“ ist Spaß pur, ohne jeden Funken Tiefgang, aber so temporeich, dass man hier ohne Frage von einer echten 70s-B-Movie-Perle sprechen darf.
[...] Wo Murphy eigentlich daran gehindert werden sollte, Kontakt mit vergangenen Dingen – also auch mit sich selbst - aufzunehmen, kämpfen die humanen Überresten im Inneren des Panzers gegen das stählerne Gefängnis und die neue Identität. Aber „Robocop“ ist ebenfalls, und auch das war ein Markenzeichen Verhoevens, im höchsten Maße unterhaltsam und vollkommen konzentriert auf seine Fähigkeiten: Der Zynismus, mit dem hier durch das futuristische Detroit gerauscht wird, dient einer progressiven Entlarvung, genau wie die überzogene Gewalt, die sich diesem Mosaik aus satirischen Stilmitteln und gnadenlos-kritischer Themenüberhöhung wunderbar anpasst. Obgleich am Ende nicht das gesamte Potenzial ausgeschöpft wurde, hat sich „Robocop“ seinen legendären Status in der Filmwelt vollkommen verdient, denn dummes BumBum-Kino sieht ganz anders aus.
[...] David Cronenberg und der kapitalistische Supergau im dunkelblauen Schimmer des unterkühlten Solipsismus; die totale Entfremdung im maßgeschneiderten Anzug und dabei auch nur einen Schritt davon entfernt, sich vollkommen aufzulösen. Multimilliardär Eric Packer ist ein Mensch ohne finanzielle Sorgen, doch ihm fehlt das Gefühl der Lebendigkeit, er sehnt sich nach einem physischen Rausch, einem Adrenalinkick, der ihn in seiner blassen Monotonie aus der Bahn wirft. Die sterile Luxuslimousine schippert dabei wie ein Patrouillenboot durch die dämmerigen Gassen New Yorks, eigentlich nur auf dem Weg zum Friseur, aber immer auf der Jagd nach Marginalien, gebettet auf Lappalien und Gesprächen, in denen doch niemand etwas zu sagen scheint. „Cosmopolis“, das steht für Hunger und Lust, nicht auf Sex, an dem mangelt es Packer wahrlich nicht, es ist der Hunger auf mehr, dem großen Knall, der alles in sich aufsaugt und mit keinem Geld der Welt bezahlt werden kann. [...]
Der untote Horror schleppt sich über den kalten Stahl der Brooklyn Bridge; die Menschheit ist sich über dieses Grauen noch nicht im Klaren, doch Lucio Fulci beendet „Woodoo“ ganz ohne falsche Versprechungen: Wir sind dem Ende geweiht, und jeder Kampf in der existenzialistischen Robe scheint hoffnungslos. Dabei beweist der exaltierte Italiener, dass es auch für einen Mann seines Kalibers keine Schwierigkeit scheint, die Maßstäbe setzende Atmosphäre des George A. Romeros Klassiker „Dawn of the Dead“ einzufangen und konsequent aufzubereiten. Und genau dort spielt Fulci seine Qualitäten aus: Mit den schaurig-stimmigen Kamerafahrten von Sergio Salvati und dem wirklich brillanten Score eines Fabio Frizzi gewappnet, modelliert er mit „Woodoo“ einen durchweg spannenden wie unterhaltsamen Genre-Film, in dem ein schleimiger Wiedergänger sogar auch mal einem Tigerhai die Schnauze polieren darf. Über das Drehbuch muss natürlich nicht viel gesagt werden, ist eben ein Fulci und nuanciert sieht anders aus. Trotzdem ist „Woodoo“ ein mehr als überzeugender, kohärenter Zombie-Lichtblick und keinesfalls nur ein schnöder Epigone der 70/80er-Blutwelle.
[...] „The Iceman“ ist ein Film ohne Grauzonen, weil hier alles nur in luftleere Thesen verdammt wird und daher auch nie wirklich einen richtigen Zugang zum Zuschauer findet – Und das will „The Iceman“. Es entsteht lediglich eine seltsame Distanz, die aber keinesfalls als dokumentarisch postuliert werden darf, denn vom Menschen Kulklinski und seinem Innenleben erfährt man wenig bis gar nichts. Zum Glück hat „The Iceman“ einen der intensivsten Darsteller unserer Zeit zu bieten, der sich an seinem oberflächlich gezeichneten Charakter zwar ebenfalls die Zähne ausbeißt, aber sein Bestes gibt, um das Projekt nicht mit voller Wucht gegen die Wand brettern zu lassen: Michael Shannon. [...]
Verfrachtet man David Cronenbergs Frühwerk „Rabid“ salopp in die Kategorie des „sexualisierten (Großstadt-)Horrors“, würde man es sich angesichts der primären Intention, trotz der relativ reißerischen Synopsis, zu einfach machen. Cronenberg war nie der Filmemacher, der seinen Body-Horror als Selbstzweck editierte, sondern immer mit einem Hintergedanken arbeitete. Hier wird die physische Deformation mit freudianischen Querverweisen zentriert: Nach einem schweren Unfall und der folgenden Gewebetransplantation wächst Rose ein phallischer Stachel aus der Achselhöhle, der ihr dazu dient, ihre männlichen Mitmenschen zu penetrieren und ihnen das Blut abzuzapfen – Während diese durch diese Infizierung Heißhunger auf Menschenfleisch bekommen. Dabei porträtiert Cronenberg ein tristes Gesellschaftsbild und zieht es gleichermaßen auf Links: Die schwanzgesteuerten Machoallüren im Zeitalter der vorbehaltlosen Promiskuität werden durch eine weibliche Person und ihr zunehmend wachsendes Verlangen demaskiert. „Rabid“ entwickelt sich zu einem düsteren Konglomerat, irgendwie zwischen femininem Vampirismus, kritischen Emanzipationsspiralen und der psychischen Unfähigkeit zu lieben angesiedelt. Und am Ende? Da wartet nur noch die Müllhalde.
Tommy Lee Jones' introspektives Gleichnis über den wahren Wert einer Männerfreundschaft gefällt vor allem durch seine kontemplative Narration, die nicht daran interessiert ist, den großen Knall im Neo-Western-Gewand zu suchen, sondern viel lieber den schmerzerfüllten Ausdruck in den Augen seiner Protagonisten dokumentiert. Inmitten des schweigsamen Grenzlandes zwischen Texas und Mexiko konvertiert eine feindselige Zweckgemeinschaft zur stillen, zwischenmenschlichen Einsicht – Ohne sich in abgewetzten Klischees einer rauen Kameradschaft unter Männern zu suhlen. „Three Burials“ lässt die allegorische Landschaft erzählen und benutzt diese zur Entfaltung aller (!) Charaktere. Eine ruhige, aber niemals langatmige Geschichte über die Verantwortung, den Zufall und seine Konsequenzen; über Rechenschaft und die sukzessive (Selbst-)Erkenntnis. Letztlich aber ist „Theree Burials“, so abgestanden und obligatorisches es klingen mag, ein authentischer, erwachsener Film über das Leben und den Tod, ohne falsche Helden zu stilisieren oder den Frauen jede Emanzipation zu verweigern. Jones kann was, auch auf dem Regiestuhl, Arriaga ist sowieso überbegabt und Barry Pepper darf auch mal eine ihm wirklich gewachsene Figur verkörpern. Mehr davon.
[...] Wo Coppola seine Drehzeit immer und immer wieder überziehen musste, zweifelte er gleichermaßen an seinen inszenatorischen Fähigkeiten und war der festen Überzeugung, dass er mit „Apocalypse Now“ einen grottenschlechten Film abliefern wird. Er überlegte, wie er irgendwie das – für ihn - sinkende Schiff verlassen konnte, welche Krankheit er sich einfangen muss, um „Apocalypse Now“ ein für allemal den Rücken zuzukehren. Aber Coppola blieb, während Michael Sheen, körperlich schon lange an seine Grenzen geraten, nach einem Herzinfarkt für einige Wochen ausfiel und das Ende der Dreharbeiten noch einmal in den Hintergrund rückte. Coppola verlor zunehmend die Übersicht, war vollkommen überfordert und fiel schließlich in Ohnmacht, die ihn jedoch nicht noch weiter runter ziehen sollte, sondern anspornte, die ihn geradezu dazu aufforderte diesen verdammten Film zu beenden, egal was es kostet. [...]
[...] Ob unter Wasser, bedeckt von einer 2 Meter dicken Eisenfläche, oder in der Eiswüste, in der Herzog den Zuschauer, obwohl er doch keinen Film über Pinguine machen wollte, mit einer Szene konfrontiert, die so tief ins Herz geht, wie nur wenige andere Augenblicke: Ein Pinguin trennt sich von seiner Gruppe und rennt geradewegs der Ewigkeit entgegen, dem endlosen Eis, dem sicheren Tod. Doch egal was Herzog und seine Crew machen würden, egal ob sie ihn wieder zurück zu den anderen Pinguinen bringen würden, er würde immer wieder dem Ruf der Ferne folgen. Warum? Niemand weiß es, und so lassen sie ihn ziehen...
[...] „Wir sind die Millers“ ist eigentlich auch vorerst kein schlechter Film, beweist Rawson Marshall Thurber doch mit seiner temporeichen Inszenierung, dass Langeweile ein Fremdwort für ihn ist, wirft mit seichten Zoten um sich und lässt seine gefälschte Familie in allerhand verrückte, aber (leider) nie makabre Situationen stolpern. Wer Subtilität sucht, der ist fehl am Platze, vom humoristischen Feinsinn ist „Wir sind die Millers“ genauso weit entfernt, wie Michael Haneke von einem Auftritt zur Kinderbelustigung im Legoland. Nur stört dieser Hau-Drauf-Humor gar nicht, passt er doch in das stumpfe Konzept, problematisch ist nur, dass Thurber und die sechs Drehbuchautoren kein Bisschen Mut besitzen und sich doch viel lieber den Konventionen der stereotypischen Komödienmuster Hollywoods anbiedern. All die niveaulosen Tiefschläge, dienen hier nicht der kettensprengenden Befreiung vom staubigen Standard, sondern biegen letztlich rückhaltlos in die Einfahrt des familiären Konservativismus.
»Ich schau' in die Ferne, bis ans Ende der Welt. […] Das ist der Anfang vom Ende. Der Rand der Welt fängt an zu stürzen, alles fängt an zu stürzen. Stürzt nieder und fällt und stürzt und stürzt...«
Konsequenter als in „Herz aus Glas“ war Werner Herzog wohl nie wieder; nicht in seinen weiteren Werken mit der mehr oder weniger freundlichen Unterstützung der Bundesrepublik und auch nicht in den Vereinigten Staaten. Was der Bayer hier 1976 auf die Beine gestellt hat, ist suggestive und subversive Kunst in ihrem absoluten Verständnis – Kein Wunder, dass die deutsche Filmförderung erst mal die Geldhähne für nächste Projekte zudrehte, was erlaubt sich der legendäre „Zwergenregisseur“ da denn auch? Vorgeführt ohne jede Rücksicht auf die konventionelle Sehgewohnheiten des weltweiten Publikums und doch genauso narkotisch pittoresk, wie man es von Herzog bis heute gewohnt ist. „Herz aus Glas“ ist die bleierne Anti-Unterhaltung seines Œuvre schlechthin, dramaturgische Gebote scheinen bedeutungslos; alles was zählt ist das aufkommende Gefühl der fortwährenden Dunkelheit, das pulsierende Klima, dass alles und jeden verschlingt: Zuschauer wie Beteiligte.
Und für seine Beteiligten, den Darstellern, fast ausschließlich aus unerfahrenen Laien bestehend, hat sich der Meister noch etwas ganz Besonderes ausgedacht: Außer Josef Bierbichler, der den Hüter und Hellseher Hias verkörpert, eine Art Alter Ego Herzogs, spielt der gesamte Cast – bis auf wenige weitere Ausnahme – in vollkommener Hypnose. Warum? Weil „Herz aus Glas“ ein Film über die menschliche Natur und ihre verwurzelten Geheimnisse ist, die tief im Verborgenen der Bewohner des bayrischen Dörfchen lauern. Dass Herzog seine Schauspieler also hypnotisieren ließ, bewirkte den stilistischen Effekt, dass ihr Innerstes an die Oberfläche gekehrt wird, egal ob ihre Gestik und Mimik, ihr gesamtes Auftreten und Verhalten oftmals reichlich wirklichkeitsfremd wirkt und von einigen Seiten wahrscheinlich auch das ein oder andere Schmunzeln wegstecken muss: In „Herz aus Glas“ wird gespielt, ohne es zu wissen; Improvisation und künstlerische Autarkie.
Werner Herzog dringt mit „Herz aus Glas“ tief in die universellen Seelenkammern der Weltbevölkerung. Wo die Geschichte zwar in dem bayrischen Dorf im 19. Jahrhundert angelegt ist, darf sich Herzogs narratives Anliegen ohne jede Einschränkung publizieren: Die Apokalypse steht bevor, der Untergang allen humanen Seins. Befallen von einer lethargischen Finsternis scheint es so, als wollen sich die fokussierten Menschen ihrer menschlichen Hülle entledigen und verkümmern lassen wie ein wertloses Exoskelett in den Überresten ihrer langsam zerfallenden Realität. Nur Hias, den sie später noch die Schuld für all das Elend zuschieben möchte, zieht sich zurück in die Wälder und versteht, dass die Menschheit sich immer in einem Kampf befindet, im Kampf gegen ihren größten und unbezwingbaren Feind: Der innerseelische Kampf gegen sich selbst. Fragile Einsamkeit macht sich breit und eine Gruppe von Menschen paddelt in einem kleinen Boot dem Rand der Welt entgegen, nur um zu beweisen, das Mutter Erde keine Kugel ist. Und welchen Wert hat die Vergegenwärtigung, wenn sie tatsächlich schlagartig in die Leere stürzen? Ein mystischer, depressiver und umso kostbarer Brocken von Film.
[...] Warum diese Impression? Weil Herzog sich fortwährend wiederholt, weil er sich in die gleichen Aufnahmen klammert und ihnen durch ihre permanente Wiederaufbereitung den zu Beginn sprachlosmachenden Reiz entzieht. Es wäre zu viel, würde man behaupten, dass "Die Höhle der vergessenen Träume" ab einem bestimmten langweilig und nichtssagend ist, aber Herzog kann die anfängliche Faszination nicht bis zum Schluss bewahren, springt von Crewmitgliedern und den verschiedenen Höhlenmalereien hin und her und fügt den philosophischen Referenzen keine neuen Facetten bei – Leider. Eine ganze Weile muss vergehen, mehr als eine halbe Stunde, bis Herzog noch einmal etwas wirklich Bleibendes zu erzählen hat: Sind es hier zwei Alligatoren, die als Albinovaration der prähistorischen Vorbilder überlebt haben, sind wir Menschen - im Kontext unserer humanen Vorgänger - doch, und das übermittelt Herzog mit seinem typisch lakonischen Humor, eigentlich nichts anderes. Metaphorisch ist dieser Moment, einzigartig waren die vorherigen Bilder, typisch Herzog, allerdings etwas schwächelnd. Es sei ihm verziehen.
Werner Herzog ist am Ende seiner Kräfte; jene Euphorie, jene Lebendigkeit und jeder Produktionseifer liegen begraben unter dem meterhohem Schlamm des Dschungels, erdrückt von der Last der Träume, eingeholt von der bitteren Realität. Physisch und psychisch bereits an seine Grenze gestoßen und das Ende der Dreharbeiten noch in den unsortierten Sternen stehend, kann er die Erotik des Urwalds, die Klaus Kinski in jeder exotischen Pflanze, jedem brachialen Baumstamm und jeder reißerischen Stromschnelle erkennen möchte, nicht mehr vorfinden. Er ist gefangen in der Obszönität, der Überlegenheit, dem erdrückenden Durcheinander der übermächtigen Natur: »Die Bäume sind voll Elend und die Vögel sind voll Elend. Ich glaube nicht, dass sie singen, sie schreien nur vor Schmerz.« Herzog hat sich verschätzt, sich von der äußerlichen Romantik des noch unberührten Regenwalds leiten lassen, bis Tränen und Schweiß nicht mehr zu unterscheiden waren.
»Es ist ein Land, das Gott, wenn es ihn überhaupt gibt, im Zorn erschaffen hat.« Werner Herzog sieht sein großes Scheitern bevor, glaubt nicht mehr an die vollständige Realisierung. Die Unruhen am Set werden immer extremer, Werner Herzog und seiner Crew wird vorgeworfen, die Eingeborenen kapitalistisch auszunehmen, an einem Massenmord beteiligt gewesen zu sein und die Frauen vergewaltigt zu haben. Nachts werden mitwirkende Indianer von Unbekannten mit Pfeilen durchbohrt, die Kosten der Dreharbeiten häufen sich immer weiter an, und Klaus Kinski bemerkte, dass er durch all die enormen Hindernisse nicht mehr im Mittelpunkt der Dinge stand – Die Tobsuchtsanfälle,ausgelöst durch Lappalien, häuften sich stetig. Es ist wohl nur schwer zu begreifen, was sich in einem Künstler abspielen muss, wenn er bemerkt, dass seine waghalsige, aber so brillante Vision, die bereits so viele Mühen gekostet hat, so viel Anstrengungen und Qualen, ein unerreichbares Unterfangen darstellt.
Heute wissen wir, das alles doch zu einem Abschluss gefunden hat und »Fitzcarraldo« zu den wesentlichen Meisterwerke des deutschen Nachkriegskinos zählt; paralysierend, metaphorisch, unbändig, ein wunderschönes und doch so auslaugendes Mammutwerk, deren Strapazen man in jeder Sekunde anerkannt. Doch Herzog gibt sich schon im Vorfeld zurückhaltend, nicht wissend, ob sein Projekt jemals eine Uraufführung erfahren darf: »Ich sollte keine Filme mehr machen, ich sollte geradewegs ins Irrenhaus gehen. Vieles an dieser Arbeit ist einfach geisteskrank und nichts was ein ausgewachsener Mann sein ganzes Leben lang tun sollte. Und ich meine, selbst wenn ich dieses Schiff über den Berg bekomme und irgendwie den Film zuendebringe, kann mich die ganze Welt dazu beglückwünschen und es großartig finden. Aber niemand auf dieser Erde wird mich dazu bringen glücklich über all dies zu sein, nicht bis ans Ende meiner Tage...«
[...] Diese krankhafte Visualisierung der sexuellen Neigungen, wie sie die beiden Frauen ausleben, ist dem Freud'schen Persönlichkeitsmodell wie auf dem Leib geschneidert, denn genau da wo sich Lust und Begierde befindet, besteht auch immer der Drang nach Zerstörung und Erniedrigung. Und Nikolaidis kennt in diesem physischen Zwiespalt weder Grenzen, noch Respekt: Eine Kiwi dient dort der Masturbation, Urophilie ist dieser Welt genauso fester Bestandteil wie Inzest oder der ausufernder Sadomasochismus. Tatsächlich aber gelingt es Nikolaidis nie, im Zuschauer den erhofften Ekel zu evozieren, denn sein Film möchte sich als Kunstwerk vermarkten und verschreibt sich vollständig dem Ästhetizismen seiner Vorbilder. [...] Man darf den Unkenrufen der Filmwelt in diesem Fall keine Aufmerksamkeit schenken, denn ein Schlag in die Magengrube ist „Singapore Sling“ wahrlich nicht, selbst bei dem ganzen Überdruss an in Körperflüssigkeiten badenden Perversionen und zu Tode penetrierten Damen. Sein Extrem ist nur Fassade, unter ihr steckt eine glatte, rabenschwarze Komödie mit sympathischer Zitierwut, die weder schockiert, noch bleibenden Eindruck hinterlässt, auch wenn es schon mutig ist, einen solch ungreifbaren Bastard aus Stilelementen und Genreübergriffen zu modellieren.
[...] Buñuel verknüpft seine Satire mit einem surrealistischen Unterbau, der das Geschehen immer weiter aus den Zügeln seiner Charaktere gleiten lässt: Realität oder (Alp-)Traum können sich keiner klaren Kategorisierung unterziehen lassen, passen sich Buñuels konzeptioneller, episodenhaft anmutender Strukturierung aber zweifelsohne exzellent an. Darüber hinaus ist „Der diskrete Charme der Bourgeoisie“ ein unheimlich unterhaltsames, unfassbar amüsantes Treiben, ohne den zentralen Denkanstoß zu verachten. Buñuel macht sich lustig über die Bourgeoisie, allerdings ist dieser Hohn argumentativ belegt und visiert nie den Zuschauer selbst an, um ihn in irgendeiner Weise für dumm zu verkaufen. Der Rezipient ist Komplize in einem Spiel, deren nächster Schritt in der eigenwilligen Dramaturgie unvorhersehbar bleibt, die nach Belieben Harken schlägt und keine Scham vor dem kinematographischen Sitte besitzt. Die Bourgeoisie sollte sich in ihrer eingeengten Konservativität ein Beispiel nehmen.
[...] Buñuels inszenatorische Allegorie zeigt die Liebe als unergründliches Wechselbad der Emotionen, als seltsames Spiel und explosive Spirale aus Wut und Hoffnung, aus Idiotie, Sanftmut und zwischenmenschlicher, nicht physischer Einkehr. Mit gekonnter Selbstironie an den richtigen Stellen und nie penetrant Oberhand gewinnend, demaskiert er durch seinen sich zwischen den Zeilen befindender Humor den bourgeoisen Biedersinn seines snobistischen wie gutbetuchten Jahrgangs. Wenn dazu immer wieder Szenen verschiedener Attentate einfließen, dann ist dies politische Referenz vollkommen klar, doch dient das gleichzeitig auch als metaphorisches Abbild des innerseelischen Zustandes seiner Protagonisten – Und genau auf dieser Ebene funktioniert „Dieses obskure Objekt der Begierde“ ganz hervorragend, erklärt er sich doch durch seine sublime Note, tief verankert im Gemüt seiner Charaktere.
[...] Warum „Viridiana“ nun der Gotteslästerung bezichtigt wurde, liegt auf der Hand, offenbart Buñuel doch in kompromissloser Unmittelbarkeit, dass sich die an christliche Grundsätze gebundenen Prinzipien nicht mit dem Lauf der Dinge, dem in Abtrünnigkeit und Perversionen treibendem Zustand unserer Realität, verknüpfen können. Eine, ohne Frage, gut gemeinte Absicht, weist hier nicht die erhoffte Analogie aus sakralen Vorschriften und reellen Tatsachen vor, sondern scheitert gnadenlos an der weltfremd anmutenden Selbstlosigkeit Viridianas. Buñuel agiert nicht ohne Polemik; sein Film polarisiert und führt gewiss zu kontroversen Debatten, echauffiert den Vatikan und zieht sämtliche Verbote nach sich. Allerdings ist Buñuels Provokation nicht das Resultat einer von Zorn belebten Desillusion aus vergangenen Tagen, die nun als auf Zelluloid gebanntes Ablassventil funktionieren soll. „Virdiana“ ist und bleibt hintersinnig und konkret, einfach weil der Film von der ersten Silbe an Wahrheit spricht. [...]
Kein Wunder, dass sich Alfred Hitchcock von „Die Teuflischen“ angegriffen gefühlt hat und sich 5 Jahre später dazu gezwungen sah, seinem französischen Gegenspieler Henri-Georges Clouzot mit „Psycho“ zu beweisen, wer wirklich der herrische Chef im Ring ist. Und ja, der Thron des Psycho-Thrillers gehört dem pummeligen Briten, allerdings muss sich Clouzot mit seinem Klassiker keinesfalls verstecken, schließlich fungierte er nicht nur für den Master of Suspense in gewisser Weise als Inspiration, sondern legte auch den brillanten Grundstein für ein unheimlich fesselndes wie vielseitiges Genre. Aber über „Die Teuflischen“ muss man nicht viele Worte verlieren, man muss ihn in seinem detaillierten Facettenreichtum und der präzisen Inszenierung am eigenen Leib erfahren. Die Illusion des perfekten Mordes, eingehüllt in atmosphärische Schwarz-Weiß-Fotografien, wird zum Suspense-Manifest ohne jede dramaturgischen Fehltritte oder melodramatischen Abweichungen. Clouzot hat sein Ziel strikt vor Augen und lässt seine Hauptdarsteller famos über den doppelten Boden schleichen, bis zum großen Finale, in dem dem Zuschauer endgültig der Atem geraubt wird. Fantastisch.
[...] Würde man es drastisch sagen, dann dürfte man wohl leise behaupten, dass „The Crow“ seinen Platz als Kultfilm heute niemals genießen dürfte, wenn sein gerne in überforderter Theatralik verfallener Hauptdarsteller Brandon Lee, Sohn des legendären Kampfsportkünstlers Bruce Lee, nicht auf tragische Art und Weise bei den Dreharbeiten ums Leben gekommen wäre. Allerdings, so wahr die These auch klingen mag, ist dieser Tonfall wohl doch etwas fehl am Platze, denn schlecht ist „The Crow“ einfach nicht. Der Film hat seine eklatanten Defizite, ob es die Charakterzeichnung, der Einbau der Nebenfiguren, die alle nur lose zwischen den Zeilen umhertreiben, oder die hin und wieder bemüht wirkende Atmosphäre ist. Aber Alex Proyas ist kein schlechter Filmemacher, er weiß welche Hebel er bedienen muss um den Zuschauer trotzdem bei Laune zu halten und durch die Nacht des Teufels zu eskortieren. „The Crow“ ist in seiner zwischenmenschlichen Gehaltlosigkeit dennoch unterhaltsam, auch wenn sie ihm erheblich schadet. Ein netter Liebesfilm, irgendwie anders, irgendwie nett anzusehen, aber kein Knaller.
[...] Besonders peinlich wird „R.I.P.D. – Rest in Peace Departement“ aber immer dann, wenn er dem rekrutierten Officer Nick eine gewisse Emotionalität zugestehen will, in dem er seine Frau aus dem Reich der Toten kontaktieren möchte, um ihr zu zeigen, dass er nie wirklich fort war und immer an ihrer Seite sein wird. Für derartige Gefühle fehlt dem Drehbuch einfach die Sorgfalt und das Interesse an seinen Figuren, die lediglich als profillose Schablonen auftreten und die Toten in Menschengestalt ermitteln und überführen. Mehr Charakter ist hier nicht möglich, alles andere wirkt in diesem Hauruck-Konzept vollkommen deplatziert. „R.I.P.D. – Rest in Peace Departement“ ist eben überteuertes Kino ohne jede Vitalität und ohne jeden Charme.
[...] Es ist schon ein kleines Kunststück, einen Film in seiner Komplexität so unterhaltsam zu machen, in dem man den beiden Stars die meiste Zeit beim Recherchieren, Telefonieren, Spekulieren, Kalkulieren und Assoziieren zusieht. Aber so muss präzises und intelligentes Genre-Kino aussehen, in dem es noch um Dialoge, anstatt um Schauwerte geht. Nicht umsonst wird das geschriebene Wort hier kraftvoll wie ein Pistolenschuss symbolisiert, das den mächtigsten Mann der Welt vom Thron reißen kann.