SoulReaver - Kommentare

Alle Kommentare von SoulReaver

  • 7

    [...] Vor allem gelingt es »Restless« seine zwei Protagonisten nicht zu bloßen Sklaven der tristen Hobbymorbidität zu modellieren. Annabel und Enoch handeln nicht aus fragwürdiger Faszination, sondern suchen die Berührung mit dem Ableben, um die seelischen Bewältigungsversuche auf gesundem Nährboden anzupflanzen. Es ist daher auch kein Kunststück, das zentrale Thema in Van Sants Karriere zu erkennen: Der Tod. Im Fall von »Restless« erwartet den Zuschauer jedoch nicht die Konfrontation mit sozialer Ratlosigkeit, gesellschaftlicher Ohnmacht oder der bitteren Leere im Nirgendwo. »Restless« verteilt seine glückliche Duftnote mit leichtfüßiger Wärme und steht trotz seiner ernsten Grundlage für die anschmiegsame Erlösung und die Annahme des Abschieds. Schließlich geht es hier nicht nur um das Ende des Seins, sondern auch um den Anfang einer zarten Liebesgeschichte zweier Randläufer. [...]

    9
    • 2

      [...] Das elegische Tempo der höhepunktlosen Erzählungen verdeutlicht Shyamalans Desinteresse an Sci-Fi-Blockbustern mit eindringlicher Deutlichkeit und die vorherrschende Emotionsleere kann sich dank der eindimensionalen Charakterisierung im Generationskonflikt problemlos auf die energielose Vorführung legen. Die wiederkehrenden Flashbacks wirken dazu – genau wie die verkrampft-stoischen Gespräche zwischen Vater und Sohn - einfach nur unfreiwillig komisch und brechen den eh schon schläfrigen Erzählfluss bis nahe an den Nullpunkt runter. „After Earth“ ist unbedeutendes Geseiere, ohne jede philosophische oder zwischenmenschliche Substanz. Und als wäre das nicht schon genug, erwartet den Zuschauer noch eine plakative Öko-Botschaft, die dem grauenhaften Smithtology-Machwerk den mehr als passenden Stempel aufdrückt.

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      • 8

        [...] Obgleich die Humorspitzen in der Inszenierung nie außer Acht gelassen werden, wird die verzogene Abgründigkeit der Moderne nie aus dem Gedächtnis verdrängt. Na Hong-jin spielt gelegentlich mit den Erwartungen des Zuschauers, schlägt neue Wege ein und verdeutlicht dadurch nur das qualvolle Elend der Lage. Joong-ho-Eom darf ein stückweit zu sich selbst finden, doch verändern wird er sich nicht und immer in seiner peinigenden Existenz gefangen sein. Der Realismus ist unverkennbar, Erlösung bleibt ein bloßer Wunschtraum und das Leid zieht bis tief in die Knochen. Eine Welt voller Verlierer.

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        • 4

          Nett gemeinte Annäherung an das schwierige Thema Krebs und dem fordernden Einfluss auf die persönliche Verfassung und die private Umgebung. Die Prämisse, eine derartige Angelegenheit in ihrer 5-Phasen-Komplexität in einer gut 100-minütigen Laufzeit abzuspeisen, ist natürlich ein Ding der Unmöglichkeit. Dass liegt aber auch gar nicht im Sinn des Drehbuches und Marco Petrys »Heiter bis wolkig« setzt direkt in den letzten Monaten von Edda (Jessic Schwarz) ein, die an Lymphdrüsenkrebs erkrankt ist und bereits ihre verbleibenden Tage mit reichlich Zynismus zählt. Im Zentrum steht allerdings Tim (Max Riemelt), der durch die altbewährte und verlogene Mitleidstour Frauen ins Bett bekommen möchte und dann auf die naive Marie (Anna Fischer) trifft, die die Schwester von besagter Edda ist. Aus dieser Grundlage möchte »Heiter bis wolkig« dann den Spagat zwischen Komik und Tragik halten, trifft auch hin und wieder die richtigen Töne, verliert sich nur – genau wie Jonathan Levines »50/50« im Vorjahr – komplett in oberflächlichen und bis ins kleinste Detail durchkalkulierten Ansätzen. Für zwischendurch ist das alles ganz akzeptabel, nur sollte ein Film mit einem derartigen Anliegen auch etwas von seinem vorgegaukelten Mut einlösen und nicht mit dem Abspann schon wieder komplett verflogen sein.

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          • 8

            [...] Das titelgebende Alphaville ist kein Ort in ferner Zukunft, errichtet auf einem fremden Planeten. Dieses Alphaville bekommt den französischen Rahmen durch das Paris des Jahres 1965. Dabei ist der Film nicht auf diese urbane Lokalität konzentriert, sondern verbreitet eine universelle Botschaft: Der Schrecken ist kein Bruchstück unserer entfernten Zukunftsängste, das Schreckensszenario hat in Wahrheit schon längst begonnen und klopft mit eisiger Härte gegen unsere Haustür. Diese Form von Leben scheint so fremd, so unterkühlt, so unnahbar, doch wir werden ihr früher oder später zum Opfer fallen. Es ist eine deprimierende Welt voller Technik-Sklaven, in die Godard uns entführt. Es ist die Welt, in der wir eigentlich bereits angekommen sind; die Abwesenheit von Menschlichkeit wächst von Tag zu Tag – Willkommen in der Entfremdung. [...]

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            • 1
              • 7
                über Exiled

                Frei von Räson, dabei aber nie platt wirkend, lässt sich Johnnie Tos Todesballett „Exiled“ sowohl als durchgestylter Abgesang auf die von John Woo revolutionierte Heroic-Bloodshed-Ordnung verstehen und ebenso als Hommage an dieses stilorientierte Subgenre - natürlich mit genügend Western-Elementen gewürzt. In Schießereien darf da die Zigarre lässig im Mundwinkel hängen und die Sonnenbrille in der Dämmerung weiterhin auf der Nase kleben. To weiß wie er seine Charaktere gestalten und vor allem wie er sie in Szene setzen muss, dazu eine ironische Note als Stütze benutzt, um den Film nie aus den Fugen geraten zu lassen und den ästhetischen Shootouts eine gewisse Melancholie im Anblick des Pulverdampfes verleiht. „Exiled“ ist dabei nicht nur auf die Pflicht des Todes, in der nun mal jeder Mensch steht, konzentriert, sondern auch ein Werk über Freundschaft und ewige Verbundenheit – Besiegelt durch Blut und rotierende Patronenhülsen. Sein wahres Können beweist To hingegen in der sinnbildlichen Ruhe vor dem Sturm, wenn die Uhren stillstehen und Männerphantasien enttarnt werden. Fällt der letzte Schuss, klappt eine ganze Ära in sich zusammen und es bleibt nur noch die Erinnerung. Ein würdiger Schlusspunkt.

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                • 7

                  Eigentlich schreit »The Man from Nowhere« nach einem stereotypischen Vergeltungsvehikel, Regisseur Jeong-beom Lee macht aus der altbekannten Rezeptur jedoch ein erstaunlich schmackhaftes Filmerlebnis und steht damit locker über 90 Prozent der unzähligen (Sub-)Genre-Reißer, die seit »96 Hours« ihren zweiten Frühling erleben. Natürlich sind die Zutaten berechenbar und die Entführung eines kleinen Kindes mit Kulleraugen legitimiert wahrscheinlich für den Zuschauer jeden Blutrausch im alttestamentarischen Rachefeldzug, allerdings schafft der Film es tatsächlich, zwischen dem Mädchen So-Mi Jeong und dem (natürlich) introvertierten Außenseiter mit nebulöser Vergangenheit Tae-Sik Cha, der sich später auf die Jagd nach den Drogen- und Organhändlern begibt, eine glaubwürdige Beziehung aufzubauen, selbst wenn einige Augenblicke in ihrer Theatralik etwas preziös wirken. Dabei ist es ebenso interessant, dass Lee – bis zum großen Finale – nie den direkten Kontakt zum Gewaltexzess sucht und viele Szenen, die für andere Regisseure nach ästhetisierter Zelebration flehen, einfach Off-Screen geschehen lässt. Wenn die Schlussviertelstunde eingeleitet wird, darf der rote Lebenssaft in exzellent gefilmten Kämpfen aber reichlich vergossen werden, ohne sich in Endlosschleifen zu verlieren. Lee weiß ganz genau, wann genug ist und hat sich für seinen Film dennoch den Stempel »Knallhart« verdient. Herrlich, wenn man hinter der ganzen Gewalt nie die Menschen und ihre Emotionen vergisst, auch wenn »The Man from Nowhere« nie wirklich tiefgehend wirken möchte.

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                  • 14 Filme davon fehlen mir auch noch. Von denen, die ich gesehen habe, ist hier nur einer ("True Romance") unter 6,5 Punkte gefallen, sonst geht das kontinuierlich über diesen Wert hinaus. Gutes Programm! :D

                    2
                    • 8

                      [...] „Walkabout“ ist ein Film über (Eigen-)Verantwortung und das Erwachsenwerden, über kulturelle Konflikte und über dem Zusammenhalt innerhalb einer „falschen“ Familie. Die mystische Erlesenheit der Wüste, ihre Konfrontation mit dem gesellschaftlichen Fortschritt und die zerstörerischen Auswirkungen. Und doch erzählt Roeg hier vor allem über eingebrannte Sehnsüchte, tief in der Seele, die ihre Befriedigung nur in der Freiheit finden können, doch der Mensch muss zurück in seine auferlegte Norm und mal wieder schmerzvoll akzeptieren, dass Träume immer mit offenen Augen beendet werden. [...]

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                      • 2

                        [...] Wenn man sich die sensationsgeile Inszenierung von „The Impossible“ anschaut – und dafür muss man nicht mal bis in die Tiefen der Materie eintauchen – ist das exploitative Grundrezept in ihrer Motivation unverkennbar. Es gibt hier eigentlich nur eine europäische Familie, die sich durch das furchtbare Grauen bewegt und Bayona nutzt die realen Geschehnisse als Abstellfläche für überzogene wie unheimlich reißerische Fragmente der Verzweiflung. Da dürfen Hautfetzen von den Knochen hängen und das Blut durch die zerstörte Gegend spritzen. Darüber hinaus ist es Bayona aber genauso wichtig die Szenen durch Suspense-Elemente aufzumöbeln und jede noch so kleine Regung als aufdringliche Hochspannungsmodifikation zu visualisieren. Bayona sucht den Zuschauer durchgehend, will ihn natürlich ohne Rücksicht auf Verluste zum Mitgefühl zwingen und durch deplatzierte, kitschtriefende und geschmacklose Bruchstücke ins nägelknabbernde Staunen versetzen.

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                        • 9

                          [...] Eine unbeschwerte Zuneigung entsteht – von Liebe darf nicht gesprochen werden – in der die sexuellen Reize vollständig ausgekostet werden, in der viel Zeit miteinander verbracht wird, um schließlich zu realisieren, dass wir alle doch nur liebesunfähige Opfer unserer Gelüste und Sehnsüchte sind. „Blackout“ arbeitet mit einer assoziativen Bildsprache der Extraklasse und erzählt seine Geschichte durch subjektive Erinnerungsfetzen, mal vor, mal zurück, aber niemals einer linearen Narration folgend. Der Zuschauer muss die Stückchen selbst kleben und sich dabei vollkommen in der Geschichte verlieren. [...]

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                          • 4
                            über Weekend

                            Stoßweise, sprunghaft, stotterig und voller zusammenhangloser Referenzen formatiert Jean-Luc Godard aus seiner ätzenden und überkandidelten Anarchieparade „Weekend“ den Inbegriff des selbsternannten Anti-Kinos. Dabei erhebt Godard von Anfang an auf Biegen und Brechen den Anspruch auf autonome Kunst, die natürlich mit reichlich Krawall gegen sämtliche Sehgewohnheiten des Zuschauers anrollt, in ihrem experimentellen Narzissmus aber keinerlei achtenswerten Nährwert besitzt, sondern einzig und allein aus purem Selbstzweck agiert – Schaulaufen für die Godardsche Phrasendrescherei. Da werden dann (pseudo-)philosophische wie politisch motivierte Spitzen ins dezentrierte Nirgendwo gefeuert und die nervtötende Kontraktion der fiktionalen Kraft des Kinos ist einfach nur närrisch. Man kann es eben auch übertrieben und sich im Wunsch nach autophiler Eigentümlichkeit komplett verrennen. Für die einen ist das verrückt und genial, für mich dröge und überflüssig. „Das Ende des Kinos“, so Godard. Recht hat er, fast.

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                            • 7
                              über Eureka

                              [...] „Eureka“ entwickelt sich zu einem Film über das prophezeite Schicksal und zu einem Kampf, der sich nicht nur um die besitzergreifende Missgunst dreht, sondern auch um die von Eifersucht erfüllte Seele des gutsituierten Familienoberhauptes – Der Tod spielt hier fortwährend eine signifikante Rolle. Wenngleich Roeg es nicht schafft, den Zuschauer vor gelegentlichen Durchhängern zu bewahren, ist ihm ohne Frage ein philosophisches Werk über emotionale Verästelungen geglückt, in dem Deportation schließlich als Konversion verstanden werden darf und Luxus nie ohne Einsamkeit auskommt. Liebe ist nach wie vor nicht käuflich.

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                              • 3

                                [...] Als „episches Finale“ deklariert, ist „Hangover 3“ quasi das Gegenteil davon und rasselt in allen kritischen Belangen gnadenlos durch. Je mehr Budget Phillips zur Verfügung steht, desto schlimmer wird es, möchte man meinen, schließlich ist sein dritter Teil rundum das nervtötende Wolfsrudel – genau wie Teil 2 – ein Film ohne jede Daseinsberechtigung. Aber der Schmu hat ja nun zum Glück sein mehr als nötiges Ende gefunden. Hoffentlich. [...]

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                                • 4

                                  [...] Wo „Snitch – Ein riskanter Deal“ recht ansprechend beginnt, verrennt sich die kalkulierte Vorstellung schnell in einem klischeehaften Sumpf aus moralisierenden Leitstandarten und zweifelhaften Storybausteinen. Es fängt ja bereits mit der Grundlage an, die angeblich auf einer wahren Geschichte aufgebaut sein soll, in ihrer Konstruktion aber vollkommen reißerisch wirkt und jeden Bezug zur authentischen Auseinandersetzung mit Gesetzeslücken und moralischen Zwickmühlen mit Füßen tritt. Man würde dem Werk zwar Unrecht tun, wenn man es als gänzlich schlecht bezeichnet, allerdings scheitert Waugh an den altbekannten Mainstreamkonventionen, die eine interessante Säule zugunsten (über-)dramatisierter Einzelschicksale schlagartig fallen lassen. Am Ende scheint jeder glücklich zu sein und das Leben wieder in gewohnten Bahnen zu verlaufen, in der Realität gäbe es diese Normalität nicht mehr und eine Existenz mit fortwährendem Seelenfrieden wäre ein utopischer Kalauer. [...]

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                                  • 6 .5

                                    [...] Wenn es zur finalen Schlacht kommt, Bäume wie Mikadostäbchen durch die Gegend gedonnert werden und ganze Burgteile als Schleuderwaffe für die Riesen dienen, führt „Jack and the Giants“ dem Zuschauer all das vor, was die CGI-Zauberschmiede möglich machen kann. In diesem Universum wird nach eigenem Märchenkodex gehandelt und die Geschichte rundum Bestimmung, Entdeckerdrang und Verantwortung darf immer wieder mit einer gewissen Note an britischem Humor gekitzelt werden, die dem Film vom kindgerechten Jump-n-Run-Bilderbuch zu verhältnismäßig brutalen Einlagen wunderbar begleitet. Bryan Singers „Jack and the Giants“ ist nostalgisch angehauchtes Abenteuer-Kino, in dem Helden noch Helden sein dürfen und aufblühende Romantik nicht aufgesetzt wirkt. Eine Überraschung im bisher durchwachsenden Kinojahr.

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                                    • 8 .5

                                      Diesen Schritt sind wir alle schon einmal gegangen. Irgendwann. Irgendwo. Der Gang durch die vertrauten Flure und die düsteren Galerien. Flüsternde Portale, die dem Suchenden Fluchtwege aus dem surrealen Labyrinth der endlosen Pfade ermöglichen. Altbekannte Säulengänge, die barocke Ausstaffierung. Wir waren schon mal hier, doch damals war alles anders. Diese eine Erinnerung hingegen bleibt konstant. Die Erinnerung an eine Zeit, die es womöglich nie gab, und doch ist sie kontinuierlich in uns verankert, immer präsent für den (a-)symmetrischen Wiederhall. Mysteriöse Salons, geheimnisvolle Gemächer und ein Park, der nur mit abwesenden Augen wahrnehmbar scheint. Die Orgelklänge hallen durch das luxuriöse Anwesen, doch Innen prävaliert die Leere. Der Kampf gegen Vergangenes beginnt, der Versuch mit ihr Kontakt aufzunehmen scheitert. Das geborgene Gefühl der einstigen Zweisamkeit – Eine Illusion? Ein Traum? Gespräche verschwimmen in ihrer ersten Silbe; das Schweigen als Verzahnung für die fehlende Kohärenz im hypnotischen Wachzustand. Die Symbiose aus Somnambulismus, der entarteten Wirklichkeit und dem abgewetzten Überbleibsel aus dem Nirgendwo effektuieren ein eigenes Zeit- und Raumverständnis. Rational vorerst nicht erklärbar, dafür aber individuell spürbar. Diesen Schritt sind wir schon alle einmal gegangen. Nur wann?

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                                      • 7

                                        [...] „I Killed My Mother“ wird in seiner persönlichen Note schnell zur Seelenoffenbarung von Multitalent Xavier Dolan. Dabei ist der Film an sich nicht nur auf die Figur Hubert abgemessen, sondern fügt sich in ein universelles Spektrum, welches für jeden Zuschauer in einem bestimmten Ausmaß nachvollziehbar scheint. Die Konflikte mit der eigenen Mutter, die Irrungen und Wirrungen der Adoleszenz, die Wünsche und Träume vom großen Durchbruch, die sexuelle Orientierung im Angesicht von gesellschaftlicher Missachtung. Dolan agiert mit frühreifer, aber nicht altkluger Weitsicht und die zwischenmenschlichen Nuancen, die in die wohldefinierte Narration immer wieder eingestreut werden, lassen die leisen Vermutungen an größenwahnsinniger Arthouse-Prätention schnell verstummen. „I Killed My Mother“ ist – trotz der ästhetisierten Bildkompositionen – ehrliches und sorgfältig ausgearbeitetes Autorenkino. Zwischen rebellierenden Selbstzweifel und der Sehnsucht nach familiärer Zuflucht gefangen, ist Dolans Coming-Of-Age-Gleichnis eine audiovisuelle Attraktion, in dem kein Charakter schematisch wirkt. [...]

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                                        • 9

                                          Las Pietras, Venezuela. Ein staubiges Kaff am Ende der Welt. Bevölkert von heimatlosem Pack. Gesindel, Tagelöhner, Verstoßene, immer auf der Suche nach dem schnellen Geld; mit der leisen Hoffnung bepackt, diesem tristen Elend im südamerikanischen Nirgendwo schnellstmöglich zu entfliehen. Heldenhaft wirkt hier niemand, vom Leben gezeichnet sind sie hingegen alle. Auftakt für „Lohn der Angst“. Auftakt für einen der spannendsten Filme, der je auf Zelluloid gebannt wurde. Henri Clouzot lässt sich fast 45 Minuten Zeit um dem Zuschauer die wichtigen Figuren vorzustellen, ohne ihre Charakteristika vollends zu entblättern. Als große Stärke von „Lohn der Angst“ erweist sich im Verlauf der Geschichte daher auch die Entfaltung dieser Charaktere, die sinnbildliche Glaubwürdigkeit in Bezug auf ihre Veränderungen, die sie im Angesicht der Todesängste durchmachen. Wenn alte Hasen plötzlich von ihrem hohen Ross steigen sich als Feiglinge kennzeichnen, im Gegenzug aber der beeinflussbare Neuling zum durchgreifenden Fels in der Brandung wird.

                                          Eine Fahrt durch die Hölle könnte das Ticket in die Freiheit sein. Nach besagten 45 Minuten zur Einführung werden dann die mit Nitroglycerin beladenden LKWs gesattelt und das Wort „Himmelsfahrtkommando“ scheint für dieses Vorhaben erfunden worden zu sein. „Lohn der Angst“ ist Existentialismus auf vier Rädern. Jede Pfütze könnte das Ende bedeuten, hinter jeder Kurve könnte der große Traum in Flammen aufgehen und die Umgebung mit einer markerschütternden Explosion zerfetzen. Dass die antiamerikanische Kapitalismuskritik dabei nicht zu kurz kommt, versteht sich von selbst. Doch „Lohn der Angst“ ist eine ebenso brillante Menage aus physischer Grenzerfahrung und der Konfrontation mit menschlichen Urängsten. Hier sind die Männer keine machohaften Abziehbilder, die immer einen trockenen Spruch auf den Lippen haben und sich durchgehend selbst zu helfen wissen, die Ambivalenz in jedem Einzelnen entscheidet. Und um das Ziel zu erreichen, werden ehemalige Freundschaften auch in einem sumpfigen Bad aus Öl überrollt.

                                          Je weiter die Laster in ihr (Un-)Glück rollen, desto mehr weiß Clouzot die Spannungsschrauben anzuziehen und – vordergründig - simple Angelegenheiten zu einem wahren Adrenalinrausch zu stilisieren. Es wird immer nervenzerrender, die Lage ist dabei durchweg unvorhersehbar, auf eine klare Sympathiefigur wird förderlich verzichtet, Helden gibt es in diesem Sinne erst recht nicht und wer sich aus dieser progressiven Suspense-Höllenfahrt wirklich retten kann, steht bis zur letzten Minute in den von Abgasen verschleierten Sternen. „Lohn der Angst“ hat seine humorvollen Einlagen, bleibt aber ein düsterer und mühseliger Ritt durch ein alptraumhaften Szenario, in dem das eigene Leben für läppisches Geld aufs Spiel gesetzt wird und nicht die Scheine den Reiz ausmachen, sondern die Möglichkeit, die den Menschen durch sie geboten wird. Und um die Superlativenschlammschlacht nun zu einem gebührenden Ende zu führen: Erstklassiges, maßgebendes, konsequentes, unfassbar spannendes Kino, bei dem der schweißige Ölfilm förmlich auf der Zunge zu schmecken scheint und nicht auf Schablonen gesetzt, sondern den Figuren ein Profil gegeben wird. Muss man gesehen haben.

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                                          • 8
                                            über Idioten

                                            [...] Auch diese Szene steht symptomatisch für unsere Gesellschaft, in der sich Alphatiere schneller revozieren als sie sich eingestehen wollen und die stillen Anhänger ohne die „familiäre“ Solidarität nicht weitermachen wollen. Schließlich darf nicht alles umsonst gewesen sein. »Idioten« erreicht in der zweiten Hälfte einen bestimmten Abschnitt, in dem das Lachen im Hals stecken bleibt und die Alternativgesellschaft ohne Limit zum Scheitern verurteilt ist. Der geplante Befreiungsschlag führt wieder zurück in den Schoß der Verpflichtungen und Vorschriften. Idioten sind wir alle. [...]

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                                            • 8 .5

                                              [...] Und doch kommt auch für Martha und George eine Scheidung nie in den Bereich des Möglichen, egal in welchem Ausmaß die Provokationen und Diffamierungen auftreten. Warum? Weil die Beiden aufeinander angewiesen sind und sich in ihrer gegenseitigen Abhängigkeit trotz der zugefügten Schmerzen nie trennen können. Den eigentlichen Klebstoff dieser Ehe bildet eine ideelle Vorstellung, die ebenso unerreichbar bleibt, jedoch Hand in Hand entworfen wurde. Das Ergebnis dieser Gedankenkraft? Wer sie schlussendlich einstürzen lässt, sitzt am längeren Hebel. Es bleibt – egal wie man diese Ehe dreht und wendet – immer ein Kampf um die alleinige Vormachtstellung. [...]

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                                              • 8

                                                [...] Natürlich hat Julian Pölsler keine leichte Kost inszeniert, doch wer sich auf den Film und sein Anliegen einlassen kann, der erlebt ein Werk, dass sich gegen die depressive Entfremdung stemmt und den Menschen mit sich selbst konfrontieren lässt: Hier gibt es keine Fluchtmöglichkeiten. Meditativ, sensitiv, feinfühlig und kalt. Alles trifft auf »Die Wand« zu, am Ende zählt jedoch nicht die zyklische Routine, die sich durch die Gewöhnung an die neue Lebenssituation angeeignet hat, sondern die innere Kraft, die in jedem Menschen schlummert und nur darauf wartet, endlich wieder entfesselt zu werden. Kino zum Nachdenken.

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                                                • 8 .5

                                                  [...] Daraus resultiert, dass „Ein Prophet“ im Eigentlichen auch kein Film über das schwere Leben im Gefängnis ist, sondern ein Film über die weitreichende Identitätsfindung, die jede Ketten sprengt und die Zeit im Bau schnell zum Makrokosmos werden lässt, in dem die es nie zum Stillstand kommt; hier herrschen die gleichen Regeln wie auf freiem Fuß. „Ein Prophet“ ist sozusagen eine Auseinandersetzung mit fundamentalen Werten in einer Welt, in der das Gesetz des Dschungels herrscht, Anpassung erforderlich ist und Schutz nie gleichbedeutend mit Respekt ist. [...]

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                                                  • 3

                                                    [...] Ecken und Kanten würden bei einer derartig manipulativen Narration natürlich kontraproduktiv wirken, denn wer braucht schon tiefgängigen Mehrwert, wenn er in eine verstrahlte Welt eintauchen kann, die in ihrem konservativen Anstreben nach endloser Harmonie noch unglaubwürdiger erscheint als die Storybasis rundum das gepflanzte Kind. In „Das wundersame Leben des Timothy Green“ wirkt letztlich alles gekünstelt, überzogen und stereotypisch. Von wundersamer und origineller Kinomagie ist in dem vorhersehbaren Family-Allerlei aus der Mottenkiste nichts zu finden. [...]

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