999CINEASTOR666 - Kommentare
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Alle Kommentare von 999CINEASTOR666
Into the Deep / US / 2025
>>> mit Vorsicht zu genießen /// enthält möglicherweise Spuren von leichten Spoilern <<<
Schatzsucher, Piraten, Drogenschmuggler, weiße Haie. Das Setting erinnert an eine leicht abgewandelte Variante von DEEP FEAR – TAUCH UM DEIN LEBEN!. Die zunehmend absurde Todesfalle verspricht zwar viel, löst aber wenig ein. Was nach einem spannungsgeladenen Survival-Actioner klingt, versagt schlicht in der Umsetzung.
An der Kinematografie erkennt man schnell, dass es sich um eine der sparsameren Produktionen handelt. Wer das noch als Stilmittel verbucht, bei dem sollte spätestens bei digitalen Mündungsfeuern, Schmauch- und Bluteffekten der Groschen fallen. Die Optik wirkt billig, die Actionszenen bleiben blutleer und leblos.
Die Exposition ist formelhaft und klischeebeladen. Im Grunde bekommt nur Cassidy Branham (SCOUT TAYLOR-COMPTON) etwas Hintergrund und ein wenig Persönlichkeit – natürlich in Form eines obligatorischen Kindheitstraumas. Als ob die Eröffnungsszene nicht ausgereicht hätte, wird dieses Trauma in zahlreichen Rückblenden durchgekaut.
RICHARD DREYFUSS, der einst mit DER WEIßE HAI Karriere machte, spielt hier die vollkommen bedeutungslose Rolle des Großvaters, der seiner Enkelin Mut zuspricht. Diese schmalzigen Szenen stören jedoch den Erzählfluss mehr, als dass sie emotionale oder psychologische Tiefe erzeugen. Während des Abspanns ruft er – nun als er selbst – auch noch minutenlang zum Schutz der Haie auf. In einem besseren Film hätte dieser Appell womöglich Charme und Nachhall besessen – hier sorgt er eher für Kopfschütteln.
Sowohl die Protagonisten als auch die Antagonisten treffen unentwegt unüberlegte Entscheidungen, die schwer nachvollziehbar sind. Der Handlungsverlauf hingegen ist leicht vorhersehbar. Figuren agieren beliebig, Wendungen wirken willkürlich – und das Finale … nun ja, es ist eines.
Die Haie sind mäßig computeranimiert, ihre Angriffe werden durch massenhaft CGI-Blut unkenntlich gemacht. So bleibt INTO THE DEEP ein zahnloser Versuch, dem sowohl die Spannung als auch der Biss fehlen.
Fazit: INTO THE DEEP ist ein ambitionierter, aber letztlich misslungener Versuch, bekannte Versatzstücke aus Survival- und Hai-Horrorfilmen neu zu mischen. Trotz vertrauter Elemente bleibt der Film inhaltlich wie inszenatorisch flach. Klischeehafte Figurenzeichnung, eine belanglose Nebenrolle für RICHARD DREYFUSS und sterile Digitaloptik lassen keine echte Spannung aufkommen. Vorhersehbare Wendungen, unlogisches Verhalten und übermäßiger CGI-Einsatz entziehen dem Film jede Wirkung. Was als nervenaufreibender Thriller gedacht war, endet als zahnloses B-Movie.
Drop – Tödliches Date (OT: Drop) / US/IE / 2025
>>> mit Vorsicht zu genießen /// enthält möglicherweise Spuren von leichten Spoilern <<<
Eine verwitwete Mutter eines kleinen Jungen, ein erstes Date, ein nobles Restaurant über den Dächern der Stadt und ominöse Drop-Nachrichten. Der Absender befindet sich ganz in der Nähe. In manchen Momenten fühlt man sich fast an ALFRED HITCHCOCK erinnert – nicht, weil der Film dessen Klasse erreicht, sondern weil er sichtlich bemüht ist, Suspense aus einem scheinbar harmlosen Setting zu ziehen. Was als bedrohliches Katz-und-Maus-Spiel beginnt, entwickelt sich jedoch zu einem unglaubwürdigen Konstrukt. Echte Beklemmung stellt sich selten ein. Die Erpressung wirkt konstruiert, der Druck auf die Hauptfigur entfaltet keine greifbare Bedrohung. Dass die Situation eskaliert, als sie aufgefordert wird, das eigene Date zu töten, soll schockieren, wirkt aber nicht wie eine organische Zuspitzung.
Statt psychologischem Druck bekommt man Schreibtischpsychologie und halbgare Bedrohungsszenarien. Das Spiel mit Paranoia, Kontrolle und Macht verläuft nach Schema F: eine anonyme Nachricht, eine moralisch heikle Aufgabe, eine Eskalation – doch das Skript zieht daraus keine echten Konsequenzen. Alles bleibt Behauptung, nichts wird konsequent zu Ende gedacht.
MEGHANN FAHY sieht nicht nur umwerfend aus und zieht alle Blicke auf sich, sie spielt die trauernde Witwe, die besorgte Mutter, den aufgeregten Single und die panische Erpresste auch solide, kann dem Skript aber dennoch keine zusätzliche Tiefe entlocken. BRANDON SKLENAR überzeugt ebenfalls als charismatisches Date, doch seine Figur bleibt blass, weil das Drehbuch ihr keine echten Grauzonen zugesteht. Der Film spielt mit der Frage, ob man ihm trauen kann, deutet an, lässt aber letztlich keine echten Ambivalenzen zu. Die Figur der Schwester Jen (VIOLETT BEANE), die ihren Neffen babysittet, hätte interessant werden können. Sie wird jedoch zur Randnotiz degradiert, obwohl sie mit dem Kind in Gefahr schwebt. Dass der Film daraus keine echte dramaturgische Spannung entwickelt, ist eine seiner größten verpassten Chancen.
Optisch macht der Film durchaus etwas her: die elegante Location, die Lichtgestaltung, die stilvolle Hochglanzästhetik. Doch die Kinematografie wirkt überambitioniert: In ihrem Drang nach stilvoller Perfektion verpasst sie es, echte emotionale Nähe herzustellen. Die Verspieltheit steht im Widerspruch zum psychologischen Anspruch des Films und verstärkt unfreiwillig die Künstlichkeit des Szenarios.
DROP – TÖDLICHES DATE will ein psychologischer Hochspannungsthriller sein, kratzt jedoch nur an der Oberfläche seiner Möglichkeiten, baut Spannung auf, ohne sie auszukosten, und kommt auf der Zielgeraden ins Straucheln, anstatt die moralischen und emotionalen Dilemmata auszuloten. Das Finale setzt auf unrealistische Action, die sich vor qualitativ ausbaufähigen visuellen Effekten abspielt, und den Ton des Films endgültig konterkariert. Schön verpackt, aber inhaltlich dünn. Ein Date mit gutem Anfang, aber schlechtem Ende – man schaut höflich zu, wartet auf den Moment, in dem es Klick macht… doch der kommt leider nicht.
Fazit: DROP – TÖDLICHES DATE ist kein völliger Reinfall, aber ein Musterbeispiel für verpasste Chancen. Technisch versiert und ordentlich gespielt, doch dramaturgisch entkernt und emotional unterkühlt. Der Film verspricht psychologische Spannung, liefert jedoch nur inszenierte Aufregung ohne nachhaltige Wirkung. Am Ende bleibt ein Hochglanzthriller ohne Nachhall – stilvoll verpackt, aber inhaltlich ausgehöhlt. Der Drops ist gelutscht.
Demolition Man – Ein eiskalter Bulle (OT: Demolition Man) / US / 1993
>>> mit Vorsicht zu genießen /// enthält möglicherweise Spuren von leichten Spoilern <<<
https://youtu.be/QSOxgrv7osk?si=jBjvJazp45YGxBPJ
Es gibt Filme, die ihrer Zeit voraus sind – und dann gibt es DEMOLITION MAN. Die utopisch-dystopische Science-Fiction-Satire aus dem Jahr 1993 ist ein Paradebeispiel dafür, wie man Action, Humor, Gesellschaftskritik und Sci-Fi zu einem bemerkenswert kohärenten, unterhaltsamen und visionären Gesamtkunstwerk verbindet. Auch mehrere Jahrzehnte nach seiner Veröffentlichung wirkt der Film überraschend aktuell – und das nicht nur wegen seiner spöttischen Vision von Zensur, Gesundheitswahn und der Auslöschung von Individualität im Namen der "Zivilisiertheit".
Im Los Angeles des Jahres 1996 wütet der ultrabrutale Verbrecher Simon Phoenix (WESLEY SNIPES), dem nur der ebenso unkonventionelle wie destruktive Cop John Spartan (SYLVESTER STALLONE) das Wasser reichen kann. Nach einem missglückten Rettungseinsatz landen beide im Cryo-Gefängnis – eingefroren für Jahrzehnte. Als Phoenix im Jahr 2032 plötzlich auftaut und in der makellos sauberen, pazifizierten Metropole San Angeles Amok läuft, ist schnell klar: Nur Spartan kann ihn aufhalten – auch wenn der Macho-Cop mit dem weichgespülten Zukunftsalltag kaum zurechtkommt.
DEMOLITION MAN tarnt sich als muskulöser 90er-Jahre-Krawallfilm, ist aber in Wahrheit eine bitterböse Satire auf politische Korrektheit, Überregulierung und moralischen Dogmatismus. Die utopische Welt von San Angeles hat nicht nur alle Gewalt, sondern auch Zigaretten, rotes Fleisch, Salz, Fluchen und Sex verbannt. Der "Verbal-Moralkodex" wird strikt überwacht – wer ein Schimpfwort sagt, bekommt sofort einen Strafzettel ausgedruckt. Die Polizei ist entwaffnet, Konfliktvermeidung wird zum höchsten Gut erhoben, und jede Art von Individualität oder anarchischer Energie ist unerwünscht. In dieser Welt ist Spartan nicht nur ein Anachronismus, sondern auch eine Notwendigkeit: Der letzte Mann, der versteht, dass Chaos Teil der menschlichen Natur ist – und dass es, um einen Wahnsinnigen zu fangen, einen ebenso Wahnsinnigen braucht.
Natürlich wäre kein Text über DEMOLITION MAN vollständig ohne den wohl berühmtesten Running Gag des Films: die drei Muscheln. Als Spartan versucht, sich nach dem Toilettengang abzuputzen, steht er ratlos vor einem hygienisch-perfekten Bad – aber es gibt kein Klopapier. Nur drei Muscheln. Wie diese benutzt werden sollen, verrät der Film nie – und das ist auch gut so. Der Witz ist ikonisch, weil er genau das tut, was gute Science-Fiction-Satire tun soll: Sie zeigt, wie absurd Fortschritt wirken kann, wenn er vom Menschen entfremdet ist.
Die komödiantischen Elemente funktionieren auch jenseits der Muscheln hervorragend. SANDRA BULLOCK als naiv-begeisterte Polizistin Lenina Huxley verleiht dem Film eine charmante Note, während sie maskuline Grunzer mit popkultureller Nostalgie kontert. Ihre Faszination für die "wilden 90er" führt zu manch bizarr-lustigen Dialogen, wie etwa über ARNOLD SCHWARZENEGGER – der in der Zukunft US-Präsident wurde.
WESLEY SNIPES' Darstellung des Simon Phoenix ist pure Energie. Mit blondierten Haaren, Grellheit im Blick und einem fast schon cartoonesken Wahnsinn stiehlt er jede Szene. Seine One-Liner sitzen, seine Brutalität wirkt zugleich überzeichnet und glaubwürdig, und seine anarchistische Freude am Chaos macht ihn zu einem der unterhaltsamsten Schurken der 90er. Simon sagt: Es ist ein Genuss, ihm beim Zerlegen des futuristischen Garten Edens zuzusehen – und er ist genau der Gegner, den SYLVESTER STALLONE braucht, um zu glänzen.
Regisseur MARCO BRAMBILLA, der hier sein Spielfilmdebüt abliefert, inszeniert das Ganze mit einem bemerkenswert sicheren Gespür für Tempo, Stil und Ironie. Die Actionszenen sind hart, übertrieben, aber nie langweilig. Ob beim wilden Nahkampf im unterirdischen Waffenmuseum, der Verfolgungsjagd durchs saubermännische Utopia oder dem finalen Duell im Cryo-Gefängnis – DEMOLITION MAN liefert in Sachen Kinetik und Zerstörungsfreude genau das, was man von einem Stallone-Vehikel erwartet. Gleichzeitig behält er aber immer seinen subversiven Ton bei.
Die Sets sind liebevoll steril, das Produktionsdesign spielt gezielt mit Kontrasten zwischen der rußigen Vergangenheit und der klinisch-reinen Zukunft. Dazu gesellt sich ein wunderbar übertriebener Soundtrack, der das Ganze musikalisch zwischen Heroismus und Parodie balanciert.
Fazit: DEMOLITION MAN ist ein Film, der auf mehreren Ebenen funktioniert: als satirischer Kommentar, als actiongeladener Krawallstreifen, als Parodie auf Utopismus und als Reflexion über menschliche Natur. Seine Dialoge sind zitierwürdig, seine Vision verstörend nah an heutigen gesellschaftlichen Debatten, und sein Unterhaltungswert bleibt ungebrochen. MARCO BRAMBILLA hat mit seinem ersten Film ein popkulturelles Monument geschaffen, das man immer wieder anschauen kann – und dabei jedes Mal neue Nuancen entdeckt.
Over the Top – Mein Daddy schlägt sie alle (OT: Over the Top / AT: Meet Me Half Way / Over the Top – Sylvester Stallone's Muskelspiel) / US / 1987
>>> mit Vorsicht zu genießen /// enthält möglicherweise Spuren von leichten Spoilern <<<
Manchmal liegt Größe nicht in der Komplexität, sondern in der Konsequenz. OVER THE TOP ist genau so ein Fall: ein Film, der seine Geschichte mit simpler Klarheit erzählt, der in Pathos badet, sich seiner Klischees bewusst ist – und gerade dadurch einen universellen Nerv trifft. Für viele nur ein kitschiges Vehikel, ist er bei genauerem Hinsehen ein emotional aufgeladenes Vater-Sohn-Drama, eingebettet in die testosteronsatte Welt des Armdrückens – eine popkulturelle Zeitkapsel mit Herz.
Lincoln Hawk (SYLVESTER STALLONE) ist ein einfacher Trucker, der sich seinen Lebensunterhalt mühsam verdient. Seine Frau Christina (SUSAN BLAKELY) ist schwer krank und bittet ihn, sich endlich um den gemeinsamen Sohn Michael (DAVID MENDENHALL) zu kümmern, den der wohlhabende Großvater Jason Cutler (ROBERT LOGGIA) bisher ferngehalten hat. Zwischen den beiden klafft ein tiefer Graben: Michael ist ein verzogener Internatsschüler mit Eliteanspruch, Hawk ein wortkarger Außenseiter. Doch auf einem Roadtrip durch die USA – mit Truck, Trainingsgewichten und Armdrück-Wettkämpfen – lernen sich die beiden kennen.
Regisseur MENAHEM GOLAN inszeniert OVER THE TOP mit einer Mischung aus brachialem Männlichkeitskult und emotionalem Familiendrama. Auf dem Papier ein Widerspruch – auf der Leinwand eine perfekte Synthese.
Die Optik ist durch und durch 80er: übertriebene Zeitlupen, Montage-Sequenzen mit pumpender Rockmusik, verschwitzte Körper, stählerne Trucks und Sonnenuntergänge im Gegenlicht. Die Armdrück-Turniere sind choreografierte Kraftakte – testosterongeladene Spektakel, die wie Miniatur-Rocky-Fights wirken. Und das ist kein Zufall: SYLVESTER STALLONE, der auch am Drehbuch beteiligt war, bringt dieselbe Emotionalität wie in seinen Boxfilmen ein, nur diesmal mit offenerer Sentimentalität.
Die Musik selbst ist ein integraler Bestandteil der Wirkung. Sie pumpt, treibt, trägt – eine Mischung aus knalligem 80er-Rock, hymnischen Balladen und pumpenden Synthbeats, die den Film wie ein akustisches Rückgrat durchziehen. Besonders in den Trainings- und Turniermontagen wirkt sie wie ein zusätzlicher Adrenalinstoß: motivierend, emotional aufgeladen, manchmal überzogen, aber immer stimmig. Die Songs sind nicht bloß Hintergrund, sondern emotionaler Verstärker, sie kleben sich an Szenen und steigern deren Wirkung ins Heroische. Selbst die schmalzigeren Stücke wirken nicht aufgesetzt, sondern runden das Gefühl von Aufbruch, Versöhnung und Kampfwillen perfekt ab.
Ein kleines, aber wirkungsvolles Symbol ist Hawks Baseballcap. Immer wenn er sie langsam nach hinten dreht, signalisiert das: Jetzt wird es ernst. Es ist sein persönlicher Schalter, sein innerer Motor, den er auf diese Weise anschmeißt – simpel inszeniert, aber mit ikonischer Wirkung. In einem Film, der so sehr von Ritualen und Entschlossenheit lebt, wird dieses kleine Detail fast zum mythischen Akt.
SYLVESTER STALLONE spielt Lincoln Hawk mit jener ruhigen Verletzlichkeit, die man von seinen besten Rollen kennt. Er muss nicht laut werden, um Eindruck zu hinterlassen – Hawk ist ein Mann, der lieber handelt als spricht. Kein Superheld, sondern jemand, der Fehler gemacht hat, aber nun alles daran setzt, für seinen Sohn da zu sein. Die Szene, in der er erklärt, warum er einen neuen Anfang will, ist in ihrer Schlichtheit ergreifend.
Was OVER THE TOP besonders macht, ist sein völliger Verzicht auf Ironie oder postmodernen Zynismus. Der Film glaubt an seine Figuren, an seine Geschichte – und er erwartet das auch vom Publikum. Man muss sich auf seine Welt einlassen, auf seine Übertreibungen, seine Musik, seine Emotionalität. Wer das tut, wird belohnt mit einem Film, der echte Gefühle vermittelt: über Vaterliebe, über Mut, über zweite Chancen. Dass das alles in einem Armdrück-Finale kulminiert, macht es nicht lächerlich, sondern einzigartig.
Unter der Oberfläche des Action-Sport-Films entfaltet sich ein intensives Familiendrama, das von Verantwortung, Vergebung und der Kraft des persönlichen Wandels erzählt. Lincoln Hawk kämpft nicht nur gegen bullige Gegner, sondern gegen gesellschaftliche Erwartungen, soziale Schranken und die Vorstellung, dass Herkunft über Zukunft bestimmt. Sein Ziel ist nicht das Preisgeld, sondern das Sorgerecht für seinen Sohn – ein persönlicher Triumph über ein System, das ihn klein hält. Damit wird OVER THE TOP beinahe subversiv.
Fazit: OVER THE TOP ist kein perfekter Film im klassischen Sinne. Aber er ist vollkommen in dem, was er sein will. Jeder musikalische Schnitt, jede tränennahe Rede, jeder verschwitzte Griff an den Armdrück-Tisch – all das fügt sich zu einem in sich stimmigen Ganzen, das berührt, mitreißt und ein breites Grinsen aufs Gesicht zaubert. Wer heute über den Film lacht, tut das meist aus sicherer ironischer Distanz – aber wer sich ihm wirklich stellt, merkt: OVER THE TOP ist ein aufrichtiger, bewegender, manchmal unbeholfener, aber stets herzhafter Appell an familiären Zusammenhalt und Selbstbestimmung.
Bodyguard (OT: The Bodyguard) / US / 1992
>>> mit Vorsicht zu genießen /// enthält möglicherweise Spuren von leichten Spoilern <<<
https://youtu.be/3JWTaaS7LdU?si=2FPScGSfcAenSr_B
Wenn ein Film nach mehreren Jahrzehnten zitiert, parodiert und nostalgisch verklärt wird, ist er entweder überbewertet – oder schlicht ein Klassiker. BODYGUARD gehört zur zweiten Kategorie. Was auf dem Papier wie eine kitschige Liebesgeschichte zwischen einem kühlen Sicherheitsexperten und einer verwöhnten Popsängerin klingt, entpuppt sich als präzise inszeniertes, emotional aufgeladenes Drama, das sowohl Thriller- als auch Melodram-Elemente virtuos vereint. Getragen wird der Film dabei von zwei Stars, die auf den ersten Blick kaum ungleicher sein könnten – KEVIN COSTNER und WHITNEY HOUSTON.
Frank Farmer (KEVIN COSTNER), ehemaliger Secret-Service-Agent, wird als Personenschützer für Rachel Marron (WHITNEY HOUSTON) engagiert, eine Popdiva, die Drohbriefe erhält. Während Frank kühl, rational und diszipliniert agiert, scheint Rachel zunächst egozentrisch und impulsiv. Doch das Drehbuch von LAWRENCE KASDAN (ursprünglich in den 1970er-Jahren für STEVE MCQUEEN und DIANA ROSS geschrieben!) unterläuft bewusst Klischees. Rachel ist weder dumm noch hilflos – sie ist nur eine Frau, die im grellen Rampenlicht eine Fassade aufrechterhalten muss. Frank hingegen leidet an einem Trauma, das ihn von jeder Form emotionaler Nähe abhält. Die Chemie der beiden ist nicht von Anfang an da – sie entwickelt sich langsam, glaubwürdig und mit innerer Spannung.
KEVIN COSTNER liefert eine seiner besten Performances ab. Sein Farmer ist kein sprücheklopfender Actionheld, sondern ein Mann mit Prinzipien, Schmerz und einer leisen Melancholie. Er spielt die Zurückhaltung nicht als Schwäche, sondern als Charaktertiefe – ein Mann, der Kontrolle ausübt, weil ihm das Leben bereits einmal entglitten ist. WHITNEY HOUSTON wiederum überrascht mit erstaunlicher Leinwandpräsenz. Für ihr Schauspieldebüt hätte sie sich kaum eine anspruchsvollere Rolle aussuchen können: Rachel ist Diva, Mutter, Künstlerin und verletzlicher Mensch in einem. Sie spielt sie mit beeindruckender Authentizität, ganz ohne Selbstparodie. Ihr musikalisches Talent wird dabei integraler Bestandteil der Handlung, nicht bloß Kulisse.
Regisseur MICK JACKSON inszeniert BODYGUARD mit elegantem Tempo. Die Bedrohung bleibt lange diffus, was dem Thriller-Element zugutekommt – die Spannung ergibt sich aus Atmosphäre, nicht aus blutiger Action. Kameramann ANDREW DUNN fängt die Kontraste zwischen Showbiz-Glamour und paranoider Isolation brillant ein. Besonders stark ist der filmische Umgang mit Sound: Stille, Hall, Stimmen aus der Ferne – sie erzeugen Unsicherheit, aber auch Intimität. Und dann ist da natürlich der Soundtrack: „I Will Always Love You“, ursprünglich ein Countrysong von DOLLY PARTON, wird in der Interpretation von WHITNEY HOUSTON zur ultimativen Powerballade der 1990er. Das Lied ist nicht bloß musikalische Untermalung, sondern ein emotionales Echo der Geschichte selbst.
BODYGUARD ist auch ein Film über die Grenzen zwischen öffentlicher und privater Identität. Rachels Berühmtheit ist Fluch und Schutz zugleich – sie lebt im goldenen Käfig, während Frank, der Unsichtbare, ihr Leben rettet, indem er im Schatten bleibt. In einer Ära, in der Paparazziwahn, Stalkerfälle und Medienübergriffe prominente Diskussionsthemen wurden, wirkt der Film wie eine Vorwegnahme späterer Tragödien. Auch Themen wie Rassismus werden subtil verhandelt – nie explizit, aber stets spürbar in der Art, wie Menschen auf die gemischtrassige Beziehung reagieren.
Fazit: BODYGUARD ist weit mehr als das, wofür er oft gehalten wird. Kein reiner Liebesfilm, kein reiner Thriller – sondern eine vielschichtige Mischung aus Romanze, Charakterdrama und Spannungskino, das seine Figuren ernst nimmt und nicht auf reine Unterhaltung reduziert. Mit ikonischen Szenen, unvergesslicher Musik und einem emotionalen Kern, der berührt, bleibt BODYGUARD ein filmischer Meilenstein der 90er-Jahre. Ein perfekter Mix aus Spannung, Gefühl und Zeitgeist. Ein moderner Klassiker.
The Last Conjuring – Im Bann des Satans (OT: Gates of Darkness / Satanic Conjuring – Dämonische Rituale) / US / 2019
>>> mit Vorsicht zu genießen /// enthält möglicherweise Spuren von leichten Spoilern <<<
Wenn ein Film den Namen „Conjuring“ im Titel trägt – auch ohne direkte Verbindung zum gleichnamigen Franchise – darf man zumindest solide Gruselkost erwarten. Doch THE LAST CONJURING – IM BANN DES SATANS ist nicht einmal das billige Imitat, das man befürchtet. Er ist schlicht eine filmische Zumutung.
Die Handlung folgt dem jungen Stephen Tade (RANDY SHELLY), einem melancholischen Emo-Goth-Klischee auf zwei Beinen, der nach familiären Tragödien auch noch von Dämonen heimgesucht wird. Ein Exorzismus soll ihn retten – und das war’s dann im Grunde auch. Der Plot ist nicht nur generisch, sondern auf eine Weise zusammenhangslos, dass man sich fragt, ob das Drehbuch per Zufallsgenerator erstellt wurde. Weder Charakterentwicklung noch Spannung kommen je in Gang. Vielmehr wird mit bedeutungsschwangeren Blicken, dunklen Räumen und billigem Pseudo-Pathos versucht, Tiefe vorzutäuschen, wo schlicht Leere herrscht.
RANDY SHELLY chargiert sich tapfer durch eine Rolle, die aus nichts als Leiden besteht. TOBIN BELL, bekannt als Jigsaw aus der Saw-Filmreihe, darf als Monsignore Canell mit ernster Miene Texte vorlesen, die wie aus einem schlechten Kirchenflyer stammen. Sein Talent bleibt dabei vollkommen verschenkt – wie alles in diesem konfusen Machwerk. Die Inszenierung lässt jedes Gespür für Atmosphäre vermissen: Jump-Scares verpuffen, das Lichtdesign schwankt zwischen zu dunkel und zu grell, und selbst der Soundtrack wirkt wie eine Ansammlung frei verfügbarer YouTube-Samples.
Es hilft auch nichts, dass der Film sich in bedeutungsschwangeren Symbolen und Kirchenkritik versucht. Jeder Ansatz, sich mit Schuld, Glaube oder innerer Zerrissenheit auseinanderzusetzen, wird im Keim erstickt – entweder durch plumpe Dialoge oder durch hanebüchene Wendungen. Der Film gehört nominell ins Genre Horror mit Mystery- und Drama-Elementen, doch selbst dafür fehlt es ihm an jeder Form von erzählerischer oder inszenatorischer Substanz.
Fazit: Ein konfuser, schlampig inszenierter Exorzismus-Quark ohne Spannung, ohne Grusel, ohne Substanz. THE LAST CONJURING – IM BANN DES SATANS kann dem Teufel höchstens ein müdes Lächeln abringen – dem Publikum aber vor allem eines: den Wunsch, ihn nie gesehen zu haben.
Screamboat / US / 2025
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In Zeiten, in denen einst geschützte, kindgerechte Kultfiguren ins Horrorfach wechseln und ausgeschlachtet werden, schippern die Macher von SCREAMBOAT auf einem sattsam bekannten Gewässer. Regisseur STEVEN LAMORTE, der sich bereits mit THE MEAN ONE an einer Grinch-Verstümmelung versuchte, will nun mit einer mordenden Mickey-Mouse-Variante punkten. Doch statt cleverer Hommage, Satire oder Splatterorgie bleibt am Ende nur ein müder Trittbrettfahrer des „Public-Domain-Schocks“, der bleierne Ideenarmut im dunklen Gewand liefert.
Die Prämisse klingt zunächst vielversprechend: Eine Fähre vor der nächtlichen Skyline von New York, eine bunt zusammengewürfelte Gruppe von Fahrgästen und Besatzungsmitgliedern und ein mörderischer Mäuserich, der durch die Gänge fegt. Dass sich die Produktion dabei auf STEAMBOAT WILLIE bezieht – jenen ersten ikonischen Disney-Tonfilm aus dem Jahr 1928 – hätte Potenzial, zumal die Vorlage seit Anfang 2024 gemeinfrei ist. Doch was daraus gemacht wurde, ist weitaus weniger originell als die Rechtslage selbst.
DAVID HOWARD THORNTON – bekannt als Art the Clown aus TERRIFIER – gibt erneut einen stummen Killer, diesmal als grotesk verzerrter Winzling mit Mäuseohren. Sein Talent für körperbetonten Horror bleibt erkennbar, doch der „Willie“ wirkt hier eher wie ein untotes Disneyland-Maskottchen. Der Gag des kleinen Killers nutzt sich rasch ab.
Die inszenatorischen Probleme beginnen bei den Größenverhältnissen: Die Kills müssen ständig um physikalische Logik heruminszeniert werden. Statt Spannung erzeugt das eher unfreiwillige Komik, wenn sich erwachsene Figuren von einem hüfthohen Nager abschlachten lassen. Was bedrohlich wirken soll, wird dadurch häufig einfach nur albern. Die Kills sind blutig, ja, aber selten kreativ. Statt Schock bleibt vor allem Leerlauf – eine Aneinanderreihung uninspirierter Szenen, die sich im engen Setting schnell totlaufen.
Auch stilistisch dümpelt der Film im Nebel: Fast jede Szene ist in tiefes Dunkel getaucht, wodurch Atmosphäre eher erstickt als aufgebaut wird. Was wohl klaustrophobisch und bedrohlich wirken soll, wird schnell zur ermüdenden Schattenparade, in der weder Kreaturendesign noch Kulisse wirklich zur Geltung kommen. Dazu gesellt sich ein Pacing, das zwischen Leerlauf und Hektik pendelt, ohne je ein Gefühl für Timing oder Spannungsaufbau zu entwickeln.
Und dann ist da noch die „Liebesgeschichte“: Ja, der Killer selbst – Screamboat Willie – verliebt sich. In Selena, gespielt von ALLISON PITTEL, die als ahnungslose Passagierin das Objekt seiner grotesken Begierde wird. Willies Verhalten schwankt zwischen Blutrausch und Kuschelbedürfnis. Diese bizarre Zuneigung trägt wenig zur Spannung bei und kippt die Tonalität endgültig ins Absurde.
Fazit: SCREAMBOAT will mit seinem Public-Domain-Gimmick provozieren und unterhalten, liefert aber weder echten Terror noch echte Ironie. Was bleibt, ist ein filmisches Schattengewächs aus Copyright-Trittbrettfahrt, handwerklicher Trägheit und einem Konzept, das nie über seinen anfänglichen Schockwert hinauskommt. Wer eine kreative Dekonstruktion von Kindheitsikonen erwartet, wird enttäuscht – hier wird nur stumpf geschlachtet, nicht subversiv seziert.
Jurassic Park / US / 1993
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Mit JURASSIC PARK setzte STEVEN SPIELBERG 1993 einen neuen Standard für das Blockbuster-Kino – visuell, akustisch und kommerziell. Basierend auf dem 1990 erschienenen Roman „DinoPark“ von MICHAEL CRICHTON, ist der Film eine technologische Pionierleistung, die erstmals computergenerierte Dinosaurier mit klassischen Animatronics kombinierte – und dabei so überzeugend, dass selbst Jahrzehnte später mancher CGI-lastige Nachfolger alt aussieht.
Die Handlung ist im Kern ein perfekt durchgetaktetes Katastrophenszenario: Ein exzentrischer Milliardär (RICHARD ATTENBOROUGH) lädt Wissenschaftler auf eine abgelegene Insel ein, wo er mit modernster Gentechnik Dinosaurier wieder zum Leben erweckt hat. Was als visionäres Freizeitparkprojekt gedacht war, kippt in einen Albtraum, als Technik, Naturgewalten und menschliche Gier kollidieren. Die Formel ist nicht neu – aber sie funktioniert, vor allem dank des Gespürs für Timing von STEVEN SPIELBERG, Suspense und ikonische Szenen.
Die Figuren – darunter der bodenständige Paläontologe Grant (SAM NEILL), die entschlossene Ellie Sattler (LAURA DERN) und der zynische Chaostheoretiker Malcolm (JEFF GOLDBLUM) – sind archetypisch, aber sympathisch genug, um das Publikum mitzuziehen. JEFF GOLDBLUM stiehlt dabei in vielen Momenten die Show, ohne zur Karikatur zu verkommen. Der wahre Star des Films bleibt jedoch der T-Rex, dessen Auftritt im nächtlichen Regen zu den unvergesslichsten Sequenzen der Filmgeschichte gehört.
Trotz aller Faszination: JURASSIC PARK ist kein perfekter Film. Die Dramaturgie nimmt sich nach einem spannenden Mittelteil einige Pausen, einige Nebenfiguren verkommen zur bloßen Dino-Beute, und die philosophischen Fragen – etwa zur Hybris der Wissenschaft oder dem ethischen Umgang mit Leben – werden angerissen, aber kaum ausgearbeitet. STEVEN SPIELBERG interessiert sich mehr für Staunen als für Reflexion. Das ist legitim – aber es verhindert eine tiefere emotionale oder intellektuelle Wirkung.
Unbestreitbar ist jedoch die filmhistorische Bedeutung: JURASSIC PARK war ein Gamechanger, der die Art, wie Blockbuster produziert und wahrgenommen werden, nachhaltig veränderte. Die Kombination aus praktischen Effekten, digitalen Innovationen und klassischer Abenteuerstruktur bleibt bis heute ein Meisterstück des Popcornkinos.
Fazit: JURASSIC PARK ist großes Eventkino mit Schauwerten, die damals wie heute beeindrucken. Auch wenn die Handlung simplifiziert und die Charakterzeichnung eher funktional ist, bleibt der Film ein Meilenstein der Effektgeschichte und ein Paradebeispiel dafür, wie man Spannung, Spektakel und kindliches Staunen miteinander verbindet.
Die Insel des Dr. Moreau (OT: The Island of Dr. Moreau) / US / 1977
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Mit der zweiten Verfilmung des Romans „Die Insel des Dr. Moreau“ von H. G. WELLS legt Regisseur DON TAYLOR eine insgesamt konventionellere und weniger albtraumhafte Neuinterpretation vor als der Film von 1932. Wo der Klassiker noch ein Fiebertraum zwischen Science-Fiction, Horror und ethischer Parabel war, setzt diese Version stärker auf klassisches Spannungskino mit exotischem Schauplatz und Starbesetzung.
MICHAEL YORK spielt den Schiffbrüchigen Andrew Braddock als naiven, aber zunehmend alarmierten Beobachter des grausigen Inselgeschehens. Sein Widerpart, der von BURT LANCASTER mit kontrollierter Gelassenheit verkörperte Dr. Moreau, strahlt zwar Autorität aus, doch es fehlt seiner Figur an der sadistischen Exzentrik, die CHARLES LAUGHTON im Original so unvergesslich machte. BURT LANCASTER bleibt höflich und methodisch – fast zu sehr Gentleman, um als wahnsinniger Gottspieler zu schockieren.
Optisch profitiert der Film vom Setting der Insel, das durch kräftige Farben und weitläufige Locations tatsächlich paradiesisch anmutet. Dieser Kontrast zur moralischen Verkommenheit der Handlung funktioniert gut. Die Make-up-Effekte der Tiermenschen sind für die 1970er solide, wenngleich nicht mehr wirklich unheimlich. Viele der Kreaturen wirken eher wie kauzige Maskenballgäste denn wie Ergebnisse schrecklicher Genexperimente. Die ethischen Fragen, die der Stoff aufwirft – über die Grenzen des Menschlichen, über Schöpfung, Kontrolle und Verantwortung – werden zwar angerissen, aber selten vertieft. Man spürt das Kalkül, aus einem düsteren Stoff ein massenkompatibles Abenteuer zu formen.
Interessant bleibt die Rolle der geheimnisvollen Maria (BARBARA CARRERA), die hier – wie schon Lota im Original – als Bindeglied zwischen Mensch und Kreatur fungiert. Ihre Herkunft bleibt diffus, doch ihre wachsende Nähe zu Braddock verleiht dem Film eine emotionale Komponente, die im Original noch rein funktional blieb. DON TAYLOR gesteht ihr mehr Würde und Agency zu, auch wenn sie letztlich zum traditionellen Fluchtobjekt des Helden wird.
Fazit: DIE INSEL DES DR. MOREAU ist ein solides, stellenweise stimmungsvolles Abenteuerdrama, das den düsteren Kern des Stoffes zugunsten zugänglicher Unterhaltung glättet. Die moralischen und philosophischen Dimensionen der Vorlage werden angerissen, aber nicht konsequent durchdrungen. Was bleibt, ist eine unterhaltsame, gut gespielte und visuell reizvolle Adaption, die ihrem Klassikerstatus zwar nicht ganz gerecht wird, aber als eigenständige Version durchaus ihre Qualitäten besitzt.
Die Insel der verlorenen Seelen (OT: Island of Lost Souls / AT: Insel der verlorenen Seelen / H.G. Wells' Island of Lost Souls / The Island of Dr. Moreau) / US / 1932
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DIE INSEL DER VERLORENEN SEELEN, inszeniert von ERLE C. KENTON und basierend auf dem Roman „Die Insel des Dr. Moreau“ von H. G. WELLS, ist ein düsteres Relikt frühen Science-Fiction-Horrors, das seine verstörende Wirkung auch nach fast einem Jahrhundert nicht völlig eingebüßt hat. In expressionistisch ausgeleuchteten Schwarzweißbildern erzählt der Film vom Schiffbrüchigen Edward Parker (RICHARD ARLEN), der von einem Frachtschiff aufgelesen und auf einer abgelegenen Tropeninsel kurzerhand über Bord geworfen wird. Dort begegnet er dem wahnsinnigen Wissenschaftler Dr. Moreau (CHARLES LAUGHTON), der in seinem "Haus der Schmerzen" grausame Experimente an Tieren durchführt – mit dem Ziel, sie durch genetische Veränderungen in menschenähnliche Wesen zu verwandeln.
CHARLES LAUGHTON spielt Dr. Moreau mit sadistischem Vergnügen und distinguierter Kaltschnäuzigkeit – ein Gottkomplex auf zwei Beinen. Seine Versuche, Tiere zu menschenähnlichen Wesen umzuwandeln, sind nicht nur ein Beispiel für frühe Body-Horror-Ästhetik, sondern verhandeln ethische Fragen, die selbst heute noch aktuell erscheinen: Wo endet Wissenschaft, wo beginnt Hybris? Wie weit darf der Mensch gehen?
BELA LUGOSI hat als Anführer der Tiermenschen zwar nur eine Nebenrolle, verleiht seiner Figur aber eine tragische Tiefe. Die Make-up-Effekte der Tiermenschen mögen aus heutiger Sicht einfach wirken, doch in Verbindung mit der düsteren Ausleuchtung und der suggestiven Kameraführung entfalten sie eine erstaunlich intensive Wirkung. Die Masken sind grotesk, aber nie lächerlich – sie betonen das Unheimliche und Tragische dieser missgestalteten Wesen und fügen sich nahtlos in die albtraumhafte Atmosphäre des Films. Gerade die Unschärfe der menschlichen Züge, das Dazwischen von Tier und Mensch, macht ihre Erscheinung so verstörend. Der berühmte Satz „Sind wir nicht Menschen?“ – vorgetragen wie ein hilfloser Aufschrei gegen Unterdrückung und Identitätsverlust – bleibt hängen.
Besondere Bedeutung kommt der Figur der Lota (KATHLEEN BURKE) zu – einem weiblichen Tiermenschen, der als gelungenstes Exemplar von Moreaus Experimenten gilt. Sie ist seine „Krone der Schöpfung“: am menschlichsten, am empfindsamsten, äußerlich nahezu vollkommen. Doch Lota ist nicht bloß eine Projektionsfläche männlicher Fantasie, sondern Zentrum eines perfiden Plans: Moreau will, dass sie sich in den Schiffbrüchigen verliebt, dass sie ihn verführt – und schwanger wird. Erst durch eine Schwangerschaft aus der Verbindung zwischen Mensch und Tier glaubt Moreau, den ultimativen Triumph über die Natur erringen zu können. Die Tragik Lotas liegt nicht nur in ihrer hybriden Existenz, sondern in ihrer Instrumentalisierung: Sie ist Versuchskaninchen, Lockvogel und genetischer Prüfstein in einem. Ihre stille Verzweiflung, ihre zunehmende Menschlichkeit – und der Horror, der in ihrem Schicksal liegt – verleihen dem Film eine unerwartet emotionale Tiefe.
Dennoch zeigt der Film unübersehbare Alterserscheinungen: Die Dramaturgie wirkt stellenweise sprunghaft, Szenen folgen nicht immer logisch aufeinander, und Nebenfiguren bleiben oft bloßes Personal ohne Entwicklung. Manche Momente, etwa die melodramatisch überzeichnete Musikuntermalung oder das gestelzte Pathos der Dialoge, wirken aus heutiger Sicht unbeabsichtigt komisch. Auch die Handlung selbst ist vergleichsweise dünn und gewinnt eher durch Atmosphäre als durch narrative Raffinesse. Was damals als kühn und subversiv galt, erscheint heute mitunter naiv oder plakativ – insbesondere in der Charakterzeichnung und dem abrupten Finale, das Konflikte eher abräumt als auflöst.
Fazit: INSEL DER VERLORENEN SEELEN ist ein faszinierendes Stück Genre-Geschichte – unbequem, unheimlich und seinerzeit extrem provokant. Trotz handwerklicher und dramaturgischer Patina verdient das Werk Anerkennung für seine Pionierleistung im Horrorfilm und seinen ungebrochenen Unterton der moralischen Warnung.
Ted 2 / US / 2015
>>> mit Vorsicht zu genießen /// enthält möglicherweise Spuren von leichten Spoilern <<<
Mit TED 2 kehrt der anarchische Plüsch-Proll zurück – und das mit gewohnt derbem Humor, der sich zwischen Graswitzen, Popkultur-Referenzen und pubertärem Nonsens bewegt. Während der erste Teil primär als schrille Bromance-Komödie funktionierte, versucht die Fortsetzung, thematisch größer zu denken: Ted will ein Kind adoptieren und muss dafür vor Gericht seine „Menschlichkeit“ beweisen. Klingt absurd? Ist es auch – und genau darin liegt der Reiz.
SETH MACFARLANE inszeniert TED 2 als Mix aus schräger Buddy-Comedy, politisch unkorrektem Nonsens und überraschend aufrichtigem Gerichtsdrama light. Die satirischen Seitenhiebe auf Bürokratie, Bürgerrechte und das amerikanische Rechtssystem verleihen der ansonsten sehr albernen Geschichte einen Hauch von gesellschaftlichem Kommentar – natürlich alles durch den Filter einer sprechenden Plüschfigur mit Fäkalhumor und Drogenproblem.
MARK WAHLBERG spielt erneut den gutmütigen Hänger John mit sympathischer Naivität, während AMANDA SEYFRIED als neue weibliche Hauptfigur eine ebenso gute Chemie mit dem Duo hat als MILA KUNIS zuvor. Der Auftritt von MORGAN FREEMAN als seriöser Bürgerrechtsanwalt wirkt fast wie ein Gag für sich – und LIAM NEESON sorgt in einem Gastauftritt für einen der skurrilsten Lacher des Films.
Nicht jeder Gag sitzt, und gelegentlich verliert sich der Film in selbstverliebtem Dialog-Overkill oder platten Pointen. Auch wirkt der dramaturgische Rahmen mit der Gerichtsverhandlung zuweilen zu bemüht, um den eigentlichen Slapstick zu rechtfertigen. Doch gerade Fans, die mit FAMILY GUY und Co. etwas anfangen können – bekommen genau das, was sie erwarten: Derbe Witze, popkulturelle Anspielungen am Fließband und einen Teddy, der trotz seiner Obszönitäten irgendwie das Herz am rechten Fleck hat.
TED 2 ist keine große Komödie, aber eine respektlos-charmante Fortsetzung, die ihr Zielpublikum bestens bedient – mit mehr Herz, als man es einem kiffenden Kuschelbären zutrauen würde.
Fazit: Witzig, überdreht und stellenweise erstaunlich sozialkritisch – TED 2 ist eine gelungene Fortsetzung, die zwar nicht jeden Witz landet, aber mit Herz und Hohn punktet.
A Million Ways to Die in the West / US / 2014
>>> mit Vorsicht zu genießen /// enthält möglicherweise Spuren von leichten Spoilern <<<
Nach dem Überraschungserfolg von TED wagte sich SETH MACFARLANE mit A MILLION WAYS TO DIE IN THE WEST an eine Mischung, die auf dem Papier vielversprechend klingt: Westernsetting trifft auf modernen, derben MacFarlane-Humor. Doch der Versuch, DER WILDE WILDE WESTEN für eine neue Generation neu zu beleben, gerät zu einer recht unausgewogenen Angelegenheit zwischen Parodie, Romanze und Fäkalwitz.
SETH MACFARLANE, der hier nicht nur Regie führt und das Drehbuch mitschrieb, sondern auch die Hauptrolle übernimmt, spielt den Schafzüchter Albert – ein neurotischer Feingeist in Cowboykluft, der mit dem Wilden Westen ungefähr so viel anfangen kann wie ein Vegetarier mit einem Steakmesser. Mit seinem typischen Hang zu geschwätzigem Selbstmitleid, infantilem Humor und popkulturellen Referenzen stolpert er durch eine Welt voller tödlicher Gefahren, mieser Hygiene und noch mieserer Menschen – wobei der Film weniger eine Hommage ans Western-Genre als vielmehr eine parodistische Spielwiese für seine Stilmittel ist.
CHARLIZE THERON als geheimnisvolle Revolverheldin bringt nicht nur Charme, sondern auch schauspielerisches Gewicht in den Film. Ihre Chemie mit SETH MACFARLANE funktioniert erstaunlich gut – was man von AMANDA SEYFRIED als Ex-Freundin oder LIAM NEESON als Standard-Schurke Clinch weniger behaupten kann. GIOVANNI RIBISI und SARAH SILVERMAN sorgen als skurriles Nebencouple für einige der besten Momente, doch auch hier werden Running Gags überstrapaziert.
NEIL PATRICK HARRIS stiehlt in seiner Rolle als schnöseliger Bartträger fast allen die Show – besonders bei einem gewissen peinlich-komischen Durchfallmoment, der sinnbildlich fürs Humorverständnis von SETH MACFARLANE steht: Wenn’s kracht, spritzt oder stinkt, ist’s einen Lacher wert.
Visuell bietet A MILLION WAYS TO DIE IN THE WEST überraschend viel: Statt billigem Kulissen-Slapstick gibt’s schöne Landschaftsaufnahmen, echtes Western-Feeling und sogar einige respektvolle Genre-Zitate. Doch insgesamt fehlt es dem Film an erzählerischer Stringenz. Die Laufzeit ist zu lang, die Gagdichte schwankt, und viele Pointen fühlen sich wie aus Family-Guy-Outtakes zusammengesetzt an – mal scharf, mal platt, selten treffsicher.
Fazit: Die Westernkomödie ist ambitioniert, aber überfrachtet. Zwischen klugen Beobachtungen und pubertären Gags bleibt A MILLION WAYS TO DIE IN THE WEST ein Film mit Identitätskrise. Unterhaltsam – aber nie so treffsicher, wie er selbst gerne wäre.
The Retirement Plan / CA/KY / 2023
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THE RETIREMENT PLAN von TIM BROWN ist ein Film, der auf dem Papier wie ein launiges Action-Vergnügen klingt: NICOLAS CAGE als abgehalfterter Ex-Killer mit ergrautem, schulterlangem Haar und Vollbart, in floralgemustertem Hemd auf den Kaimaninseln, der plötzlich wieder zur Waffe greift, als Tochter und Enkelin in Gefahr geraten – das klingt nach einem Crowdpleaser mit Augenzwinkern. Doch die Umsetzung schwankt zwischen überzogener Cartoon-Gewalt, altbackenem Plot und halbherzigem Familiendrama, ohne sich je wirklich für einen Tonfall zu entscheiden.
NICOLAS CAGE spielt Matt wie eine Mischung aus lethargischem Strandphilosophen und John Wick im Halbschlaf. Man sieht ihm den Spaß an der Rolle an, doch sein Spiel bleibt über weite Strecken distanziert – fast so, als wäre ihm selbst nicht ganz klar, wie ernst dieser Film eigentlich gemeint ist. ASHLEY GREENE als Tochter Ashley bekommt wenig mehr zu tun, als entsetzt oder überfordert zu gucken, und THALIA CAMPBELL als kleine Sarah wird zwar nicht zur Nervensäge, bleibt aber dramaturgisch eher Mittel zum Zweck.
Für ein wenig Farbe im Ensemble sorgen JACKIE EARLE HALEY als durchgeknallter Strippenzieher Donnie und RON PERLMAN als sein schlagkräftiger, aber überraschend sanftmütiger Handlanger Bobo. Während JACKIE EARLE HALEY seinem Schurken eine schrille Note verleiht, bleibt er so überzeichnet, dass echte Bedrohung nie aufkommt. RON PERLMAN dagegen überrascht: Zwar nimmt Bobo die Enkeltochter Sarah als Geisel, doch entwickelt sich daraus eher ein schräges Babysitting. Über Shakespeare-Zitate findet der grobschlächtige Riese einen Zugang zu dem Mädchen, schließt sie ins Herz – und wird zur unerwartet charmanten Figur in einem ansonsten eher lärmigen Ensemble.
Die Action ist solide inszeniert, punktuell blutig und überzogen, aber nie so kreativ oder ironisch überdreht, wie man es sich wünschen würde. Stattdessen wiederholt sich vieles: Schießereien, böse Gangster mit Karikaturtiefe und immer neue Versuche, Matt als „geheimnisvollen Profi“ zu inszenieren, obwohl die Überraschung über seine Vergangenheit bereits nach zehn Minuten verpufft. Die Bösewichte sind dabei völlig austauschbar, die Bedrohung konstruiert und jede Wendung vorhersehbar.
Was THE RETIREMENT PLAN am meisten fehlt, ist ein klarer Ton. Mal will der Film albern sein, dann wieder sentimental, mal zynisch, dann wieder voller Pathos. Das wirkt nicht abwechslungsreich, sondern eher fahrig. Die Beziehung zwischen Vater und Tochter bleibt oberflächlich, der emotionale Kern des Films wird nie wirklich spürbar – zu viel Geballer, zu wenig Gefühl.
Fazit: THE RETIREMENT PLAN ist kein Totalausfall, aber auch kein Treffer. Ein paar launige Szenen, NICOLAS CAGE als bärtiger Strand-Rambo und ein Hauch von Retro-Action-Flair retten den Film vor der Bedeutungslosigkeit, doch das reicht nur für einen lauwarmen Fernsehabend. Wer nichts erwartet, kann kurzweilig unterhalten werden.
Night Terror – Der Tod wartet (OT: The Death That Awaits) / US / 2024
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Es gibt Filme, bei denen man sich fragt, ob das Drehbuch in einer schlaflosen Nacht auf einem Notizzettel entstanden ist – und NIGHT TERROR – DER TOD WARTET fühlt sich genau so an. RICHARD J. LEE inszeniert ein vermeintliches Drama, das irgendwo zwischen Vampir-Metapher und billigem Kammerspiel feststeckt und nie so recht weiß, was es eigentlich erzählen will – außer, dass das Licht ausbleiben soll.
Der Titel verspricht Night Terror, also Nachtangst – ein Phänomen, das vor allem bei Kindern auftritt und reale, panikartige Angstzustände im Schlaf bezeichnet. Doch der Film interessiert sich kaum für diese psychologische Komponente. Stattdessen dient der Begriff lediglich als hohler Aufhänger für eine Handlung, die sich mit krampfhaftem Ernst an okkultem Andeutungs-Mystizismus entlanghangelt, ohne jemals konkret zu werden. Die titelgebende Angst in der Nacht bleibt bloß Behauptung – psychologisch wird hier nichts ergründet.
KATYA MARTIN als Pflegerin Cassie Farrow müht sich redlich, ihrer Figur Tiefe zu geben, bleibt aber ebenso blass wie MEGAN LAWLESS als Nina Ward, die zwischen lethargischem Geflüster und unmotivierten Wutausbrüchen pendelt. Beide sind Spielball eines konfusen Drehbuchs, das weder psychologische Tiefe aufbaut noch eine konsistente Mythologie bietet.
Visuell und akustisch wird der übliche Minimalhorror-Standard abgespult: dramatische Blicke aus Fenstern, langsame Kamerafahrten durch dunkle Flure und eine Musikuntermalung, die Spannung suggerieren will, aber schnell auf die Nerven geht. Das alles mündet in einem Finale, das sich wichtig gibt, aber völlig bedeutungslos verpufft. Statt Auflösung oder Erkenntnis präsentiert der Film ein wirr inszeniertes, pseudo-symbolisches Ende, das keinerlei Antworten liefert und vielmehr wirkt, als hätte man es aus einem anderen Film hineingeschnitten. Das Publikum bleibt unbefriedigt und frustriert zurück – nicht etwa wegen offener Fragen im Sinne eines guten Mysteriums, sondern weil der Film nie auch nur ansatzweise etwas erzählt hat, das eine Antwort verdient hätte.
Fazit: ... ist ein inhaltlich leerer Etikettenschwindel, der mit dem Begriff „Nachtangst“ psychologische Tiefe vorgaukelt, aber nichts als trägen Pseudo-Horror liefert. Zwischen bedeutungslosen Dialogen, schlafwandlerischer Inszenierung und Figuren ohne Entwicklung versinkt der Film in seiner eigenen Dunkelheit – nicht beängstigend, sondern einschläfernd.
Bad Genius – Sei schlauer als das System (OT: Bad Genius) / US / 2024
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Mit ... liefert Regisseur J.C. LEE eine westliche Neuinterpretation des thailändischen Überraschungshits von 2017. Ohne Vorwissen über die Vorlage gesehen, entfaltet ... als eigenständiger Jugendthriller eine durchaus packende Dynamik.
Im Zentrum steht Lynn Kang (CALLINA LIANG), eine hochbegabte Schülerin aus einfachen Verhältnissen, die sich auf einen riskanten Plan einlässt: Sie hilft einer Clique reicher Mitschüler:innen beim organisierten Schummeln, um sich selbst dringend benötigtes Geld zu verdienen. Die Ausgangslage ist spannend, die Inszenierung stylisch und temporeich, mit klaren Heist-Movie-Anleihen. Besonders die Durchführung der Prüfungsmanipulationen wird so inszeniert, dass sie fast wie Missionen in einem Agententhriller wirken.
CALLINA LIANG überzeugt in der Hauptrolle und trägt den Film mit glaubwürdiger Präsenz. Ihre Figur ist kein kühl kalkulierendes Wunderkind, sondern eine junge Frau, die zwischen Überlebensdrang, Gerechtigkeitssinn und Gruppenzugehörigkeit schwankt.
Inszenatorisch versucht der Film, durch ein stylisches Tempo und visuelle Spielereien Nervenkitzel zu erzeugen – das gelingt phasenweise, etwa bei den minutiös geplanten Schummelaktionen, verliert aber gegen Ende an Energie, weil sich stärker auf persönliche Einsichten und eine versöhnliche Botschaft gestützt wird, statt die soziale Schieflage weiter zuzuspitzen. Es wird in moralische Vereinfachungen und Teenie-Dramatik abgerutscht. Die Schärfe des Gesellschaftskommentars bleibt deutlich abgeschwächt, zugunsten emotionaler Versöhnlichkeit.
Fazit: ... überzeugt mit einem interessanten Konzept, soliden Darstellerleistungen und cleverem Spannungsaufbau. Die moralischen Fragen rund um Leistungsdruck, soziale Ungleichheit und Freundschaft werden zwar nicht allzu tief durchdrungen, regen aber dennoch zum Nachdenken an. Kein Geniestreich – aber smarter, unterhaltsamer Stoff.
Exterritorial / DE / 2025
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Was sich auf dem Papier wie ein hochspannender Politthriller mit emotionalem Kern liest, entpuppt sich in der Netflix-Produktion EXTERRITORIAL als formelhafter Actionthriller, der unter seinem eigenen Anspruch zusammenbricht. Zwar schwingt sich die Story zu dramatischer Größe auf – eine Mutter sucht verzweifelt ihren Sohn in einem abgeriegelten Konsulatskomplex – doch bleibt das Ergebnis über weite Strecken blass, überambitioniert und überraschend spannungsarm.
JEANNE GOURSAUD, die als einstige „Barbaren“-Heldin hier zur modern-militärischen Einfrauarmee umgedeutet wird, müht sich mit einem Script ab, das sie zwar körperlich fordert, ihr aber schauspielerisch kaum Luft lässt. Ihre Figur bleibt eindimensional: stoisch, getrieben, und zunehmend unglaubwürdig in ihrer Handlungslogik. Dass sie sich durch diplomatische Hochsicherheitszonen schleicht, als seien es schlecht bewachte Parkhäuser, lässt die Prämisse bald ins Absurde kippen.
Die zentrale Frage – ob ihr Sohn überhaupt real ist oder nur ein traumabedingtes Hirngespinst – wird zwar mehrfach angedeutet, aber nie konsequent ausgespielt. Statt psychologischer Tiefe gibt es hektische Kamerafahrten, sterile Sets und ein Potpourri aus Thriller-Versatzstücken, die sich nicht zu einem stimmigen Ganzen fügen. DOUGRAY SCOTT als undurchsichtiger Sicherheitschef bleibt dabei ebenso unterentwickelt wie die vielen Andeutungen einer globalen Verschwörung.
Regisseur und Drehbuchautor CHRISTIAN ZÜBERT inszeniert hier auffällig unentschlossen – als könne er sich nicht entscheiden, ob EXTERRITORIAL ein Kammerspiel, ein Flightplan-Verschnitt oder eine metaphysische Studie über Trauma sein soll. Der Streamingriese mag dem Film mit Chartplatzierungen zu globalem Erfolg verholfen haben, doch das spricht eher für Algorithmen als für Qualität.
Fazit: EXTERRITORIAL will viel – und liefert wenig. Hinter der Hochglanzfassade verbirgt sich ein konventioneller Thriller ohne erzählerische Handschrift, der seine interessante Grundidee in generische Action und dramaturgische Ungereimtheiten ertränkt. Emotional kalt, erzählerisch fahrig – Content ohne bleibenden Eindruck.
Der Spitzname (AT: Weddings and Wokes: A Family Dilemma) / DE/AU / 2024
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Mit DER SPITZNAME geht SÖNKE WORTMANN in die dritte Runde seiner Familienkomödien-Reihe, die einst mit DER VORNAME eine respektable Adaption der französischen Vorlage bot. Doch während der Erstling durch pointierte Dialoge und sarkastischen Witz bestach, wirkt diese Fortsetzung wie ein müder Nachklapp, der auf ausgelutschten Reizthemen herumreitet, ohne ihnen substanziell etwas Neues abzugewinnen.
Der Film verlegt das bekannte Ensemble diesmal in die pittoresken Alpen, was zwar schöne Bilder liefert, aber auch kaschieren soll, dass inhaltlich kaum Bewegung herrscht. Die Figuren sind längst zu Karikaturen ihrer selbst erstarrt: CHRISTOPH MARIA HERBST darf wieder den zynischen Griesgram geben, diesmal im Streit mit seiner woken Tochter, während CAROLINE PETERS’ Elisabeth nun als heimliche Bitcoin-Zockerin ihre Wandlung zur skurrilen Nebenfigur vollendet. IRIS BERBEN und JUSTUS VON DOHNÁNYI mühen sich mit einem Baby-Twist ab, der keinerlei emotionale Tiefe entwickelt.
Problematisch ist vor allem der Versuch, aktuelle gesellschaftliche Debatten – von Genderfragen bis Sensibilisierungstrainings – auf Gags zu reduzieren, die weder mutig noch besonders scharfsinnig sind. Vieles wirkt aufgesetzt, wie ein pflichtschuldiges Abhaken von Trendthemen, ohne echtes Interesse oder Reflexion. Besonders der Plot um Thomas’ (FLORIAN DAVID FITZ) Beförderung hängt wie ein Fremdkörper im Drehbuch.
Positiv hervorzuheben sind immerhin das eingespielte Ensemble, das sichtlich Spaß an der Interaktion hat, sowie einige solide Einzelszenen, die erkennen lassen, dass SÖNKE WORTMANN das Timing für komödiantische Eskalationen noch beherrscht. Doch am Ende bleibt das Gefühl zurück, dass DER SPITZNAME mehr ein Familientreffen der Konventionen als eine zugespitzte Gesellschaftssatire ist.
Nach dem mäßigen DER NACHNAME fällt auch Teil drei flach: Vorhersehbar, zahm und mit reichlich Leerlauf – der filmische Spitzname dieses Werks könnte wohl „Der Nachklapp“ lauten.
Fazit: Ein enttäuschender Abschluss (?) der Reihe, dem der Biss und die Relevanz des Originals fehlen. Witzig nur in Spurenelementen.
Nur noch ein kleiner Gefallen (OT: Another Simple Favor / AT: A Simple Favor 2) / US / 2025
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Mit NUR NOCH EIN KLEINER GEFALLEN serviert PAUL FEIG die unnötige, aber erwartungsgemäß überdrehte Fortsetzung seines Genre-Hybrids von 2018 – diesmal jedoch mit deutlich weniger Charme und einer Handlung, die wirkt, als hätte man ein Cocktailrezept mit einem Mafiafilm und einem Hochzeits-Drama verwechselt.
Die Ausgangslage klingt noch vielversprechend absurd: Emily (BLAKE LIVELY), immer noch eine Art psychopatische Luxus-Ikone im Designeranzug, lädt ihre einstige Freundin Stephanie (ANNA KENDRICK), mittlerweile True-Crime-Autorin mit Bestsellerstatus, zu ihrer Mafia-Hochzeit auf Capri ein. Was dann folgt, ist weniger eine clevere Fortsetzung als ein dramaturgischer Jetlag mit modischer Kulisse.
ANNA KENDRICK müht sich redlich, erneut das Gleichgewicht zwischen Hilfsbereitschaft und Paranoia zu halten, doch das Script lässt ihr kaum Raum für glaubwürdige Entwicklung. Ihre Figur taumelt durch ein klischeebeladenes Italien-Abenteuer, das sich nicht entscheiden kann, ob es DER PATE parodieren oder einfach nur schöne Postkartenmotive einfangen will. BLAKE LIVELY bleibt stilistisch scharf, aber emotional unterkühlt – ihr manipulativer Femme-fatale-Charme nutzt sich in der Wiederholung deutlich ab.
Was besonders enttäuscht, ist der komplette Verzicht auf echte Spannung: Die Mordfälle wirken beliebig, die Auflösung konstruiert und das Motiv – Rache oder doch Liebe? – bleibt dermaßen unentschlossen, dass es fast gleichgültig erscheint. Statt subtiler Thriller-Elemente gibt es schrille Hochzeitskleider, exzentrische Nebenfiguren und eine Reihe überzogener Twists.
PAUL FEIG inszeniert das Ganze mit dem gleichen Hang zur Ironie wie im Vorgänger, doch wo diese dort noch mit stilistischer Raffinesse einherging, wird hier zu viel gelacht, ohne dass es wirklich witzig wäre. Die satirische Spitze ist stumpf geworden, und der einstige Reiz des Spiels zwischen Vertrauen und Verrat geht in einem absurden Plotlabyrinth verloren.
Fazit: NUR NOCH EIN KLEINER GEFALLEN ist ein überinszeniertes Hochglanz-Sequel, das statt Spannung nur noch Chaos liefert. Ein Film, der beweist, dass manche Gefallen besser unerwidert bleiben.
Nur ein kleiner Gefallen (OT: A Simple Favor) / CA/US / 2018
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Was als stylisher Thriller mit satirischem Unterton beginnt, entpuppt sich schnell als ein grotesk überfrachtetes Patchwork aus Hochglanzoptik, Selbstironie und plumpem Plot-Twist-Theater. NUR EIN KLEINER GEFALLEN will vieles zugleich sein – Psychothriller, Gesellschaftskommentar, stylische Farce – und scheitert letztlich daran, sich für eine Tonlage zu entscheiden.
ANNA KENDRICK spielt einmal mehr die naive, leicht schräg-tapsige Einzelgängerin, diesmal als Mommy-Bloggerin Stephanie, die sich – offenbar mangels gesunder Menschenkenntnis – von der eleganten, zynischen PR-Karrierefrau Emily (BLAKE LIVELY) in eine Freundschaft ziehen lässt, deren Dynamik von Anfang an eher toxisch als faszinierend wirkt. BLAKE LIVELY, souverän in Maßanzügen und Martini-Laune, ist zwar der heimliche Star des Films, bekommt jedoch nie genug narrative Tiefe, um mehr zu sein als eine Karikatur der Femme fatale im Zeitalter des Influencer-Kults.
Regisseur PAUL FEIG, bislang eher in der Komödie zuhause, inszeniert die Geschichte mit einem auffälligen Hang zur Oberflächenverliebtheit: französischer Chanson-Soundtrack, verspielte Kamerafahrten und ein Zitatkino der stilistischen Referenzen – alles wirkt wie ein Instagram-Filter auf einem ansonsten wirren Drehbuch.
Was den Film besonders schwächt, ist seine Unentschlossenheit: Der Plot rund um das Verschwinden Emilys mäandert zwischen düsteren Familiengeheimnissen, erzwungenen Flashbacks und bizarren Wendungen, die mehr Verwirrung als Spannung erzeugen. Statt echter Suspense bekommt man ein absurdes Intrigenspiel mit Soaper-Qualitäten serviert, das selbst den hanebüchensten Entwicklungen noch ein Augenzwinkern hinterherwirft – was spätestens im Finale zur unfreiwilligen Selbstparodie gerät.
Fazit: NUR EIN KLEINER GEFALLEN wäre gern ein cleverer Genremix im Fahrwasser von GONE GIRL – DAS PERFEKTE OPFER, verliert sich aber in seiner stilistischen Ambition und der Unfähigkeit, seinen Figuren echte Glaubwürdigkeit zu verleihen. Zwischen Cocktail-Rezepten und True-Crime-Blogger-Ästhetik bleibt am Ende vor allem ein Gefühl zurück: Das hätte mehr Substanz vertragen – oder wenigstens die Courage, sich für eine Richtung zu entscheiden.
Android Cop / US / 2014
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Man muss schon wissen, worauf man sich einlässt, wenn man einen Film wie ANDROID COP startet. Regisseur MARK ATKINS, bekannt für seine Low-Budget-Arbeiten beim Studio The Asylum, liefert hier eine billige, aber unterhaltsame Antwort auf ROBOCOP & Co. – allerdings mit stark begrenzten Mitteln und hohem Trashfaktor.
Im futuristischen Los Angeles wird die Bevölkerung in zwei Klassen geteilt: Die Gesunden – und die Ausgestoßenen, die angeblich an einem tödlichen Virus leiden und in einer abgeriegelten Sperrzone vegetieren. Als Officer Hammond (MICHAEL JAI WHITE) mit seinem neuen Partner, einem wortkargen Androiden (RANDY WAYNE), in genau dieses Gebiet geschickt wird, stoßen sie auf eine Verschwörung, die mehr mit korrupten Eliten und Technologie-Experimenten zu tun hat als mit einem tatsächlichen Virus.
Was sich wie eine Mischung aus Pandemie-Paranoia und Cyborg-Kumpelkomödie anhört, wird in ANDROID COP leider nicht sonderlich konsequent oder originell erzählt. Die Wendungen sind vorhersehbar, das Drehbuch klischeehaft, und die Figurenentwicklung bleibt auf minimalstem Niveau. Aber: Der Film nimmt sich erfreulicherweise nicht allzu ernst und bietet durchgehend ein Gefühl von überdrehter, fast nostalgischer B-Action aus der VHS-Ära.
MICHAEL JAI WHITE bringt als stoischer Cop mit harter Faust und rauem Charisma immerhin eine gewisse Präsenz mit, die dem Film guttut. Er macht aus dem begrenzten Material das Beste und trägt viele Szenen mit seinem trockenen Spiel. Sein Androiden-Partner bleibt hingegen blass – wortwörtlich und im übertragenen Sinn. Weder optisch noch charakterlich gelingt es, aus der Figur mehr zu machen als einen sprechenden Plot-Mechanismus.
Die menschliche Nebenrolle LARISSA VEREZA sorgt für etwas emotionales Gegengewicht, bleibt jedoch ebenfalls eindimensional – wie viele Elemente des Films. Die Dialoge wirken oft hölzern, was durch die teils blechernen Soundeffekte und holprige Computergrafik nur noch verstärkt wird.
Optisch wirkt ANDROID COP wie ein Relikt aus der frühen 2000er-Direct-to-DVD-Hölle: Die digitalen Effekte sind spartanisch, das Produktionsdesign oft improvisiert, und viele Actionszenen bestehen aus altbackenem Geballer mit unrealistisch zappelnden Statisten. Aber gerade in dieser Billigästhetik liegt für Trash-Freunde ein gewisser Reiz. Wer Asylum-Filme kennt, wird sich über den Look nicht wundern – und bekommt, was er erwartet: einen filmischen Bastelbaukasten, der auf ambitionierte Ideen trifft, aber nur einen Bruchteil des Budgets braucht.
Fazit: ANDROID COP ist kein guter Film im klassischen Sinne, aber ein unterhaltsamer Vertreter des Trash-Action-Genres. Wer Cyborg-Cop-Filme liebt und ein Herz für billig inszenierte Sci-Fi hat, wird sich an den absurden Dialogen, klobigen Kostümen und simplen Plotwendungen durchaus ergötzen können. Wer hingegen auf echte Innovation, hochwertige Effekte oder Tiefgang hofft, wird hier bestenfalls müde lächeln. Für Fans von RoboCop-Ripoffs, Asylum-Stammzuschauer und Freunde der charmanten Videotheken-Ware von einst – unter der Voraussetzung, dass das Popcorn salzig und die Erwartungen niedrig sind.
Trouble ohne Paddel (OT: Without a Paddle) / US/NZ / 2004
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TROUBLE OHNE PADDEL ist eine dieser Komödien, die man besser nicht zu ernst nimmt – und genau darin liegt ihr Charme. Der 2004 erschienene Abenteuerfilm von STEVEN BRILL (LITTLE NICKY – SATAN JUNIOR, MR. DEEDS) vermischt klassische „Buddy-Movie“-Elemente mit Slapstick, Nostalgie und einer Prise Outdoor-Abenteuer. Das Resultat ist ein sympathischer Mix aus Coming-of-Age-Komödie und überdrehter Schnitzeljagd in der Wildnis, der trotz seiner formelhaften Struktur über weite Strecken zu unterhalten weiß.
Nach dem Tod des gemeinsamen Jugendfreundes Billy Newwood (ANTONY STARR) treffen sich die drei Freunde Jerry Conlaine (MATTHEW LILLARD), Dan Mott (SETH GREEN) und Tom Marshall (DAX SHEPARD) zu dessen Beerdigung wieder. Alte Erinnerungen werden wach, insbesondere an einen nie verwirklichten Kindheitstraum: die Suche nach einem sagenumwobenen Geldversteck des legendären Flugzeugentführers D. B. COOPER. Spontan beschließen die drei, diesen Traum endlich wahr werden zu lassen – ein Bootstrip ins unwegsame Hinterland beginnt. Doch schon bald läuft nichts wie geplant: ein verlorenes Paddel, reißende Flüsse, ein Bärenangriff, kiffende Waldschrat-Hippies, feindselige Rednecks und allerhand andere skurrile Begegnungen lassen das Abenteuer zu einer echten Bewährungsprobe für Freundschaft, Männlichkeit und Zivilisationskompetenz werden.
Der Humor des Films ist grob geschnitzt und setzt in erster Linie auf Körperkomik, Situationsabsurditäten und Dialogwitz. SETH GREEN sorgt als neurotischer, hypochondrischer Arzt für einige der besten Pointen, während DAX SHEPARD als draufgängerischer Hallodri das Chaos stets am Laufen hält. MATTHEW LILLARD bleibt etwas blasser, fungiert aber als solide emotionale Ankerfigur. Die Chemie zwischen den Darstellern funktioniert gut und trägt den Film auch durch flachere Passagen.
Besonders gelungen ist die Selbstironie, mit der der Film seine Protagonisten in die Wildnis schickt: TROUBLE OHNE PADDEL macht sich sowohl über männliche Unfähigkeit als auch über romantisierte Naturabenteuer lustig, ohne dabei bösartig zu werden. Es ist ein Film über drei erwachsene Männer, die im Grunde nur Jungs geblieben sind – was der Film aber eher feiert als kritisiert.
Regisseur STEVEN BRILL inszeniert das Geschehen handwerklich solide, wenn auch ohne große Raffinesse. Die neuseeländische Landschaft (die hier für den US-Bundesstaat Oregon herhalten muss) ist malerisch und gibt der Geschichte einen Abenteuer-Anstrich, den man aus ernsteren Wildnisfilmen kennt. Die Musik tut ihren Dienst, bleibt aber unauffällig.
Der dramaturgische Aufbau orientiert sich stark an typischen Roadtrip-Strukturen: Begegnung – Eskalation – Weiterziehen – Erkenntnis. Das ist nicht innovativ, aber durch Tempo und sympathische Darsteller funktioniert es. Zum Ende hin wird der Film etwas zu moralisch und rührselig, doch das schadet dem Gesamteindruck nur geringfügig.
Fazit: TROUBLE OHNE PADDEL ist ein typischer Vertreter der frühen 2000er-Komödien: laut, gelegentlich infantil, aber mit Herz und gutem Timing. Der Film lebt von seinen Darstellern, der Mischung aus Abenteuerlust und pubertärem Witz sowie einer Grundstimmung, die trotz des Chaos stets versöhnlich bleibt. Kein Geniestreich, aber ein spaßiger, harmloser Ausflug in die Wildnis – mit viel Dreck, wenig Verstand, aber durchaus Charme. Für Fans von Kumpel-Komödien, Slapstick und launiger Outdoor-Action ein angenehm leichtgewichtiger Spaß.
The Gift – Die dunkle Gabe (OT: The Gift) / US / 2000
>>> mit Vorsicht zu genießen /// enthält möglicherweise Spuren von leichten Spoilern <<<
Mit THE GIFT – DIE DUNKLE GABE inszenierte SAM RAIMI (TANZ DER TEUFEL, DARKMAN) einen übernatürlichen Thriller, der zugleich als düsteres Südstaatendrama funktioniert – zumindest in der Theorie. In der Praxis entpuppt sich das starbesetzte Werk als tonal unausgewogener Mischmasch, der atmosphärisch viel verspricht, aber erzählerisch wenig einlöst.
Im Zentrum steht CATE BLANCHETT als Annie Wilson, eine verwitwete Mutter dreier Kinder in einer ländlichen Kleinstadt. Sie verdient ihren Lebensunterhalt als Kartenlegerin und Hellseherin – eine Tätigkeit, die ihr von skeptischen Nachbarn und einem latent feindseligen Umfeld Misstrauen und Spott einbringt. Als die junge Jessica King (KATIE HOLMES), Verlobte des Schuldirektors Wayne Collins (GREG KINNEAR), spurlos verschwindet, bittet man Annie schließlich um Hilfe. Ihre Visionen führen bald zur Entdeckung der Leiche – und zu einer Mordanklage gegen den gewalttätigen Hinterwäldler Donnie Barksdale (KEANU REEVES), der Annie zuvor bedroht hatte. Doch je weiter die Ermittlungen fortschreiten, desto mehr Menschen scheinen in das Geschehen verwickelt, und Annie gerät zwischen Wahrheitssuche, Schuldgefühle und dunkle Vorahnungen.
Die schauspielerischen Leistungen gehören zu den großen Stärken des Films. CATE BLANCHETT bringt eine zerbrechliche, verletzliche Ernsthaftigkeit in ihre Rolle, während KEANU REEVES gegen sein übliches Rollenprofil als toxischer Südstaatenschläger überrascht – glaubwürdig bedrohlich, wenn auch mit Hang zur Karikatur. HILARY SWANK spielt seine missbrauchte Ehefrau mit verinnerlichter Verzweiflung, GREG KINNEAR bleibt farblos, während GIOVANNI RIBISI als emotional instabiler Buddy eine fast schon unheimliche Intensität mitbringt. KATIE HOLMES wiederum nutzt ihre Nebenrolle für einen denkwürdigen Nacktauftritt, der weniger zur Handlung beiträgt als zur Vermarktung.
Dass THE GIFT – DIE DUNKLE GABE trotz dieses Ensemble nicht besser funktioniert, liegt vor allem am Drehbuch – ironischerweise verfasst von BILLY BOB THORNTON und TOM EPPERSON, wobei BILLY BOB THORNTON nach eigenen Aussagen Inspiration aus den Erfahrungen seiner hellseherischen Mutter zog. Diese persönliche Note klingt zwar vielversprechend, doch die Umsetzung bleibt oberflächlich. Viel zu viele Nebenfiguren mit angedeuteten Handlungsbögen (etwa die Figur von GIOVANNI RIBISI, die offenbar sexuell missbraucht wurde) werden angerissen, aber nie konsequent aufgelöst. Der Film verliert sich in Subplots, die letztlich nur als falsche Fährten dienen.
Was als psychologisch nuancierter Krimi mit übernatürlichem Einschlag beginnen könnte, wechselt bald ins konventionelle Whodunit-Fach – samt Gerichtsverhandlung, unplausibler Wendung und genretypischem „Aha-Effekt“. Das Südstaaten-Setting wirkt bemüht authentisch, lässt aber jede soziale Tiefe vermissen. Weder wird der strukturelle Konservatismus des Milieus durchleuchtet, noch entwickelt der Film eine glaubwürdige Kritik an Religion, Aberglauben oder Misogynie, obwohl all diese Themen in der Luft liegen.
Inszenatorisch bleibt SAM RAIMI seltsam zahm. Seine üblichen Markenzeichen – dynamische Kamerafahrten, überzogene Soundeffekte oder stilisierte Gewalt – bleiben weitgehend aus. Stattdessen versucht er sich an klassischer Suspense und atmosphärischem Grusel, unterstützt von stimmungsvoller Musik und Farbgebung. Während Blautöne den übernatürlichen Momenten eine frostige, bedrohliche Stimmung verleihen, unterstreichen warme, erdige Farben das Südstaatenmilieu und die dramatischen Elemente. Doch die Spannungsmomente sind vorhersehbar, die Visionen repetitiv und die Finalauflösung enttäuschend schlicht.
Fazit: THE GIFT – DIE DUNKLE GABE bleibt trotz starker Besetzung und atmosphärischer Ansätze ein unausgeglichener Genremix. Die ambitionierte Verbindung von Mysterythriller und Südstaatendrama im Stil des Southern Gothic wirkt streckenweise bemüht und scheitert am überfrachteten Drehbuch sowie vorhersehbarer Spannung. Was als psychologisch aufgeladener Okkultkrimi beginnt, verliert sich bald in konventionellen Bahnen. Ein Film, der mehr Tiefe suggeriert, als er letztlich bietet.
Missing in Action / US / 1984
>>> mit Vorsicht zu genießen /// enthält möglicherweise Spuren von leichten Spoilern <<<
MISSING IN ACTION ist ein Paradebeispiel für reaktionäres 80er-Jahre-Actionkino, das mehr mit propagandistischer Schlichtheit als mit filmischer Raffinesse punktet. CHUCK NORRIS spielt Colonel James Braddock, einen Vietnamkriegsveteranen, der sich auf eigene Faust aufmacht, vermisste amerikanische Kriegsgefangene aus den Fängen kommunistischer Vietnamesen zu befreien.
Die Prämisse klingt nach explosivem Nervenkitzel, dennoch wirkt der Film wie der Mockbuster zu RAMBO II – DER AUFTRAG, der er nun einmal ist. Das Ergebnis ist eine seltsam leere Mischung aus patriotischer Selbstvergewisserung und Ein-Mann-Kriegsfantasie.
Was als vermeintlich emotionales Kriegsdrama beginnt, kippt rasch in eine seelenlose Aneinanderreihung von Ballereien, brennenden Hütten und stereotypen Feindbildern. Differenzierung oder kritische Reflexion über die Gräuel des Krieges? Fehlanzeige.
Stattdessen serviert der Film eine flache Heldenverehrung, bei der CHUCK NORRIS steifer agiert als sein eigener Dialog. Sein Charakter bleibt ein schablonenhafter Racheengel ohne Zwischentöne, ausgestattet mit der moralischen Unfehlbarkeit eines Action-Heiligen.
Vietnamesen werden einseitig als sadistische Folterknechte gezeigt, während der amerikanische Held mit stoischer Miene zum moralischen Rächer stilisiert wird. Das ist nicht nur problematisch, sondern auf Dauer auch einfach langweilig – weil jeder Spannungsbogen im Kugelhagel untergeht und jede Szene vorhersehbar ist.
MISSING IN ACTION ist letztlich ein plumper Actionstreifen, der sich als patriotische Heldensaga tarnt, dabei aber nur dumpfes Dauerfeuer liefert. Wer auf CHUCK NORRIS und 80er-Testosteronkino steht, wird vielleicht auf seine Kosten kommen – alle anderen sollten sich lieber nach differenzierteren Beiträgen zum Vietnamtrauma umsehen.
Fazit: Für Freunde des Trash-Patriotismus mit Sprengstoff-Fetisch. Für alle anderen ein Relikt aus der Reagan-Ära mit übergroßer Flagge und wenig Substanz.
A Good Woman Is Hard to Find (AT: A Good Woman / A Woman on the Edge) / GB/BE/FR / 2019
>>> mit Vorsicht zu genießen /// enthält möglicherweise Spuren von leichten Spoilern <<<
A GOOD WOMAN IS HARD TO FIND beginnt vielversprechend: Eine junge Witwe, gefangen in sozialer Isolation, sucht Gerechtigkeit für den Mord an ihrem Mann. Mit zwei kleinen Kindern – einer Tochter und einem Sohn, der durch das traumatische Erlebnis verstummt ist – stemmt sie den Alltag allein. Die Geschichte bietet reichlich Potenzial für ein kompromissloses Rachedrama – doch genau an diesem Punkt bleibt der Film seltsam kraftlos.
SARAH BOLGER überzeugt in der Hauptrolle mit einer intensiven Darstellung zwischen Ohnmacht und wachsender Entschlossenheit. Ihre Figur wird unvermittelt in die kriminellen Machenschaften eines Drogendealers hineingezogen, was der Erzählung zunächst eine gewisse Bedrohlichkeit verleiht. Doch sobald sich die Eskalation anbahnt, hält der Film spürbar inne – als würde er sich vor der eigenen Konsequenz scheuen.
Was als düsterer Thriller beginnt, verliert in der zweiten Hälfte an Biss. Zwar markiert die Szene, in der Sarah eine Leiche zerstückelt, den einzigen echten Moment der Katharsis – ein drastischer Beweis ihrer Wandlung und ein Schutzakt für ihre Familie. Doch der eigentliche emotionale und dramaturgische Kern, die Konfrontation mit dem Mörder ihres Mannes, bleibt erschreckend unspektakulär. Kein befriedigender Payoff, sondern eine vorhersehbare Auflösung, die sich wie ein Pflichtschluss anfühlt.
Der Film bewegt sich damit unentschlossen zwischen Sozialrealismus und Exploitationkino, ohne sich wirklich einem der beiden Pole hinzugeben. Es fehlt der Mut zur Zuspitzung – sei es in Form überzeichneter Gewalt, psychologischer Tiefe oder moralischer Ambivalenz. Stattdessen bleibt vieles angedeutet, manches bemüht, und das große Potenzial weitgehend ungenutzt.
Fazit: A GOOD WOMAN IS HARD TO FIND hat starke Ansätze und eine überzeugende Hauptdarstellerin, aber gerade im zentralen Aspekt der Rache enttäuscht der Film durch Vorhersehbarkeit und Zurückhaltung.
Minore – Creatures from Beyond (OT: Minore) / GR / 2024
>>> mit Vorsicht zu genießen /// enthält möglicherweise Spuren von leichten Spoilern <<<
MINORE – CREATURES FROM BEYOND scheitert an sich selbst, an seinen Ambitionen und an jedem Anspruch erzählerischer oder filmischer Qualität. Regisseur KONSTANTINOS KOUTSOLIOTAS präsentiert ein Werk, das sich irgendwo zwischen Lovecraftschem Horror, griechischer Mythologie, Musical, Creature Feature, Slapstick und Funsplatter wähnt – letztlich aber nur ein wirrer Bastard aus Stilbruch, Dilettantismus und Fremdscham ist.
Der hauchdünne Plot irrt ebenso orientierungslos durchs namenlose griechische Küstenstädtchen wie die belanglosen, austauschbaren Figuren. Die Besetzung wirkt, als bestünde sie tatsächlich aus den Stammgästen der örtlichen Taverne – unfreiwillig komisch, wenn sie dann von Außerirdischen aus den Tiefen des Meeres attackiert werden. Auf dem Papier klang das vermutlich nach kultigem B-Movie-Potenzial. Was sich jedoch auf der Leinwand entfaltet, ist nichts weniger als eine filmische Dauerkrise.
Der Film besitzt keinen Spannungsbogen, keine innere Logik, keine erkennbare Handschrift. Jede Szene wirkt improvisiert – aber nicht im charmanten Sinne, sondern wie ein gescheitertes LARP-Event, bei dem niemand weiß, was er eigentlich zu tun oder zu lassen hat. Die Darsteller agieren wie eine überforderte Laientheatergruppe, die ohne Regieanweisung ins Chaos taumelt.
Die Tanz- und Gesangseinlagen sind selbst mit mindestens einer Flasche Ouzo intus kaum auszuhalten. Der Humor? Ein Desaster. Platt, unpassend, peinlich – er sabotiert jede noch so vage aufgebaute Stimmung. Statt subtiler Ironie oder Meta-Komik bekommt man Kalauer und kindisches Getue auf Grundschulniveau serviert.
Wenn dann auch noch glubschäugige Tentakelmonster durchs Bild schweben, die aussehen, als hätte Syfy die Finger im Spiel gehabt, ist der Tiefpunkt endgültig erreicht. Was bleibt, ist Fremdscham in Reinform.
Einziger Lichtblick – und damit der einzige Grund für die vergabefreundlichen 0,5 Punkte – sind ein paar solide Gore- und Splattereffekte. Man erkennt: Hier wusste zumindest gelegentlich jemand, was er handwerklich tut. Doch auch das rettet nichts mehr, wenn der Rest des Films ein derart entgleistes Chaos ist.
Fazit: MINORE – CREATURES FROM BEYOND ist ein Film, der aus einer kuriosen Idee eine cineastische Katastrophe zimmert. Wer sich das nüchtern ansieht, hat entweder masochistische Neigungen – oder eine Wette verloren.