999CINEASTOR666 - Kommentare

Alle Kommentare von 999CINEASTOR666

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    999CINEASTOR666 07.05.2025, 19:42 Geändert 07.05.2025, 19:43

    Ein Offizier und Gentleman (OT: An Officer and a Gentleman) / US / 1982

    >>> mit Vorsicht zu genießen /// enthält möglicherweise Spuren von leichten Spoilern <<<

    https://youtu.be/Xlsx_CG02UE?si=-fnlI9SsGeU8C_DB

    EIN OFFIZIER UND GENTLEMAN von TAYLOR HACKFORD ist weit mehr als ein romantisches Drama im militärischen Umfeld. Es ist ein filmisches Plädoyer für Selbstachtung, Mitgefühl und emotionale Reife – verpackt in eine klassische Coming-of-Age-Erzählung, die noch heute berührt. Der Film erzählt vom harten Weg junger Männer durch eine Offiziersausbildung der US Navy – und davon, wie Menschen sich selbst überwinden müssen, um zu mehr zu werden als bloße Funktionsträger in Uniform.

    RICHARD GERE spielt Zack Mayo, den in sich gekehrten, arroganten Einzelgänger mit schwieriger Kindheit, der in der Offiziersanwärterschule lernen muss, sich zu öffnen – nicht nur für militärische Disziplin, sondern auch für Mitmenschen und Gefühle. Seine Darstellung balanciert perfekt zwischen kühler Selbstkontrolle und zunehmender Verletzlichkeit. Seine Figur trägt schwere emotionale Narben – vom trunksüchtigen Vater, von Vernachlässigung, von Misstrauen gegenüber der Welt. Umso eindrucksvoller ist sein innerer Wandel, den der Film weder überhastet noch klischeehaft vollzieht.

    Der heimliche Star des Films ist LOUIS GOSSETT JR. als Gunnery Sergeant Emil Foley. Mit magnetischer Präsenz und schneidender Autorität spielt er einen Ausbilder, der nicht nur drillt, sondern formt. Er ist hart, aber fair – eine Vaterfigur im rauen Panzer. Seine Performance brachte ihm völlig verdient den Oscar für die beste Nebenrolle ein. In einer Zeit, in der afroamerikanische Schauspieler noch oft auf Klischeerollen beschränkt waren, setzte er ein kraftvolles Zeichen: Hier ist ein schwarzer Mann, der Respekt fordert und verdient, ohne seine Menschlichkeit zu opfern.

    DEBRA WINGER verkörpert Paula Pokrifki, eine Fabrikarbeiterin aus prekären Verhältnissen, die mehr will vom Leben. Sie ist keine unterwürfige Liebesfigur, sondern eine starke, selbstbewusste Frau mit eigenem moralischem Kompass. Ihre Beziehung zu Zack entsteht nicht aus Bedürftigkeit, sondern auf Augenhöhe. Sie spielt diese Rolle mit einer Intensität, die den Film mit emotionaler Tiefe auflädt – kein Wunder, dass ihre Performance bis heute als eine der besten ihrer Karriere gilt.

    Was EIN OFFIZIER UND GENTLEMAN von vielen anderen Filmen mit militärischem Setting unterscheidet, ist seine doppelte Perspektive: Er glorifiziert weder die Armee noch dämonisiert er sie. Die Ausbildung ist hart, ja – aber sie dient als Spiegel: Wer bin ich, wenn alles in mir zerschlagen wird? Der Film fragt nicht, wie man ein guter Soldat wird, sondern wie man ein ganzer Mensch wird. Damit rückt er das Persönliche über das Patriotische – eine kluge Entscheidung, die ihn auch Jahrzehnte später relevant macht.

    Ein Moment, der sich tief einprägt, ist der tragische Selbstmord von Zacks Kamerad Sid Worley (DAVID KEITH). Die Szene ist unerwartet, roh und verstörend. Sie durchbricht jede Romantisierung des Soldatentums und zeigt, wie brutal der Druck auf junge Männer sein kann, ihre Männlichkeit über Leistung und Uniform zu definieren. Die anschließende Reaktion von Zack ist ein Schlüsselmoment – er begreift, dass Selbstgenügsamkeit keine Stärke ist, sondern Flucht.

    Der Score von JACK NITZSCHE, besonders das Lied „Up Where We Belong“ von JOE COCKER und JENNIFER WARNES, ist mehr als bloße Untermalung – er ist ein emotionales Gerüst. Der Song untermalt nicht nur das ikonische Finale, sondern transportiert das zentrale Motiv des Films: Menschen können sich über ihre Herkunft, ihre Fehler, ihre Ängste erheben – wenn sie es wagen, sich auf andere einzulassen.

    Das berühmte Finale, in dem Zack in weißer Paradeuniform in die Fabrikhalle geht, um Paula wortlos auf den Armen in eine neue Zukunft zu tragen, ist einer der meistparodierten, aber auch bewegendsten Momente der Filmgeschichte. Es funktioniert nicht, weil es romantisch ist – sondern weil es verdient ist. Zack hat sich verwandelt. Paula hat gewartet. Der Zuschauer weiß: Hier endet kein Märchen, hier beginnt ein Leben mit neu gewonnenem Mut.

    Fazit: EIN OFFIZIER UND GENTLEMAN ist nicht nur ein Liebesfilm, kein reines Militärdrama, kein bloßes Sozialstück – er ist ein Film über den Weg zur Reife. Über Verantwortung für sich selbst und andere. Über Mut, Verletzlichkeit zu zeigen. Und über den Preis, den man zahlt, wenn man glaubt, Gefühle seien Schwäche. In einer Ära der zynischen Männerbilder und der romantischen Schablonen war dieser Film ein Gegenentwurf – ein Plädoyer für emotionale Wahrheit. Seine Wirkung hält bis heute an.

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      999CINEASTOR666 07.05.2025, 16:54 Geändert 07.05.2025, 16:55

      Pretty Woman / US / 1990

      >>> mit Vorsicht zu genießen /// enthält möglicherweise Spuren von leichten Spoilern <<<

      https://youtu.be/PrTTUGQtz-c?si=DFdaaKjpVGkjsg1d

      Es gibt Filme, die einen Nerv treffen, ohne dass man sie sofort als cineastisch bedeutend einordnen würde. PRETTY WOMAN, 1990 von GARRY MARSHALL inszeniert, gehört genau in diese Kategorie – ein Film, der scheinbar leichtfüßig daherkommt, sich aber als vielschichtiges Popkulturphänomen entpuppt. Mit JULIA ROBERTS in ihrer bis heute ikonischen Rolle als Vivian Ward und RICHARD GERE als unterkühlter Geschäftsmann Edward Lewis verwebt PRETTY WOMAN romantisches Märchen, Kapitalismuskritik und Charakterstudie auf der fein ziselierten Leinwand eines Hollywoodkinos am Übergang von den 80er- zu den 90er-Jahren.

      Die Handlung scheint simpel: Vivian Ward, eine lebensfrohe Prostituierte auf dem Hollywood Boulevard, begegnet dem schwerreichen Geschäftsmann Edward Lewis, der sich in der Stadt nicht zurechtfindet. Sie hilft ihm aus der Patsche, er engagiert sie zunächst für eine Nacht, dann für eine Woche – ein Geschäft, das sich bald in Zuneigung und schließlich in Liebe verwandelt. Doch PRETTY WOMAN ist weit mehr als ein romantisches Fantasieprodukt. Die Beziehung zwischen Vivian und Edward reflektiert soziale Ungleichheit, emotionale Leere, gesellschaftliche Stigmata – und ihre Überwindung.

      Man kann nicht über PRETTY WOMAN sprechen, ohne JULIA ROBERTS zu würdigen. Ihre Darstellung der Vivian ist charmant, klug, witzig, verletzlich – und zutiefst menschlich. Sie verleiht der Figur Würde, wo andere bloße Klischees zeichnen würden. Ihre Präsenz elektrisiert jede Szene, und es ist nicht übertrieben zu sagen, dass sie mit diesem Film zur „America’s Sweetheart“ avancierte. Dass sie für diese Rolle eine Oscar-Nominierung erhielt, war verdient – und hätte leicht auch zum Gewinn führen können. Sie spielt keine Prostituierte mit Herz – sie spielt einen Menschen, der sich seine Würde trotz widriger Umstände bewahrt hat.

      RICHARD GERE, als Edward Lewis, ist die perfekte Projektionsfläche für männliche Entfremdung: ein emotional verarmter Konzernzerschläger, dessen Leben aus Macht und Kontrolle besteht – bis Vivian auftaucht. RICHARD GERE verkörpert diese Balance aus kühler Eleganz und wachsendem innerem Zweifel mit beachtlicher Zurückhaltung. Erst durch Vivian erkennt er die emotionale Leere seines Daseins – ein klassisches Motiv, das GARRY MARSHALL angenehm unkitschig inszeniert.

      GARRY MARSHALL gelingt ein kleines Wunder: Er balanciert geschickt zwischen sozialer Realität und romantischer Fantasie. Ursprünglich war das Drehbuch als düsteres Drama konzipiert – inklusive Drogenproblemen, Gewalt und einem bitteren Ende. Doch GARRY MARSHALL transformiert den Stoff zu einem Feelgood-Märchen mit Kapitalismuskritik, ohne seine Figuren zu verraten. Die Regie bewahrt stets einen gewissen Realitätssinn, auch wenn sie das Happy End zelebriert. Die Mischung aus scharfzüngigem Humor, emotionalem Ernst und romantischem Kitsch ist wohltemperiert.

      Nicht zu unterschätzen ist der visuelle Stil des Films: Mode spielt eine zentrale Rolle – nicht nur als ästhetisches Stilmittel, sondern als Ausdruck gesellschaftlicher Akzeptanz. Vivians Metamorphose während der berühmten Shopping-Montage ist keine rein äußerliche Veränderung, sondern ein Akt der Aneignung von Status, Raum und Stimme. Dass sie sich im teuren Kleid nicht verliert, sondern sich selbst neu positioniert, ist ein Zeichen von Selbstermächtigung. Der Film vermittelt nicht, dass sie durch Geld besser wird – sondern dass sie durch Anerkennung endlich als Mensch gesehen wird.

      Kritiker warfen dem Film oft vor, Prostitution zu romantisieren. Doch PRETTY WOMAN tut etwas anderes: Er stellt Fragen nach Wert und Würde in einer kapitalistischen Gesellschaft. Edward kauft Firmen, zerschlägt sie, macht Profite – Vivian verkauft ihre Zeit, ihre Nähe. Beide arbeiten mit dem, was sie haben. Die tatsächliche Kritik richtet sich gegen eine Gesellschaft, die den einen als erfolgreichen Geschäftsmann und die andere als moralisch fragwürdige Randfigur taxiert. Im Subtext ist der Film also progressiver, als man ihm gemeinhin zugesteht.

      Der Soundtrack – allen voran „Oh, Pretty Woman“ von ROY ORBISON und „It Must Have Been Love“ von RICHARD MARX – trägt maßgeblich zur emotionalen Wirkung bei. Die Musik ist punktgenau eingesetzt, nie aufdringlich, aber stimmungsbildend. Die Schnittführung ist effizient, die Dialoge sind pointiert, die Chemie zwischen den Hauptdarstellern elektrisierend.

      Fazit: PRETTY WOMAN ist ein Film, der funktioniert – auf allen Ebenen. Als romantisches Märchen, als Gesellschaftskommentar, als Starvehikel. Seine Leichtigkeit ist seine Waffe, sein Humor sein Schild, seine Menschlichkeit sein Kern. Er nimmt seine Figuren ernst, lässt sie wachsen und gibt ihnen Raum, einander zu verändern. In einer Welt voller zynischer Komödien und kalkulierter Romantik wirkt PRETTY WOMAN wie ein seltenes Versprechen: dass selbst in einem System, das alles in Ware verwandelt, zwischenmenschliche Nähe noch möglich ist. Und vielleicht sogar Erlösung.

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        999CINEASTOR666 06.05.2025, 19:46 Geändert 06.05.2025, 20:10

        Dirty Dancing / US / 1987

        >>> mit Vorsicht zu genießen /// enthält möglicherweise Spuren von leichten Spoilern <<<

        https://youtu.be/4BQLE_RrTSU?si=ywSXkpqc7Y2fCI8J

        Wenn ein Film viele Jahrzehnte nach seinem Erscheinen noch ganze Generationen berührt, zitiert und – ja – elektrisiert, dann darf man getrost von einem Klassiker sprechen. DIRTY DANCING, 1987 unter der Regie von EMILE ARDOLINO nach dem Drehbuch von ELEANOR BERGSTEIN inszeniert, ist ein solcher Klassiker. Oft unterschätzt als bloßer Tanzfilm oder romantisches Coming-of-Age-Märchen, offenbart sich der Film bei näherer Betrachtung als präzise beobachtetes Gesellschaftsbild, als Emanzipationsgeschichte – und als ein Manifest weiblicher Selbstermächtigung.

        Die Geschichte ist rasch erzählt: Frances „Baby“ Houseman (JENNIFER GREY), 17 Jahre alt, verbringt den Sommer 1963 mit ihrer wohlhabenden Familie in einem gehobenen Ferienresort in den Catskill Mountains. Zwischen Tischmanieren, Tanzstunden und Standesdünkel begegnet sie dem charismatischen Tanzlehrer Johnny Castle (PATRICK SWAYZE). Aus anfänglicher Neugier erwächst Zuneigung – und schließlich eine leidenschaftliche Beziehung, die alle Konventionen sprengt. Doch DIRTY DANCING ist mehr als ein Urlaubsflirt mit Hüftschwung. Es ist ein Film über soziale Schranken, über Klasse, Körperlichkeit und weibliches Begehren.

        Der Tanz dient hier nicht nur als Metapher, sondern als Medium der Befreiung: Für Johnny, der aus der Arbeiterklasse stammt und von den Reichen bestenfalls geduldet wird, ist er Broterwerb und einziger Ausweg aus einem Leben ohne Aufstiegschancen. Für Baby wird der Tanz zur Schule des Lebens: körperlich, emotional, politisch. Indem sie sich dem Training hingibt, überwindet sie nicht nur ihre eigene Schüchternheit, sondern stellt sich gegen die autoritären Vorstellungen ihres Vaters (JERRY ORBACH), gegen die Moral der Gesellschaft – und wächst daran.

        Gerade im Rückblick fällt auf, wie mutig der Film bereits 1987 war. Im Zentrum steht eine selbstbestimmte junge Frau, die nicht nur romantisch handelt, sondern aktiv Partei ergreift – etwa wenn sie sich für die Tänzerin Penny (CYNTHIA RHODES) einsetzt, die nach einer ungewollten Schwangerschaft verzweifelt eine Abtreibung sucht. Die Szene, in der Baby das Geld dafür bei ihrem Vater erbittet, ohne das ganze Ausmaß zu erklären, zeigt die emotionale Komplexität des Films. Die Verurteilung traditioneller Geschlechterrollen und Doppelmoral geschieht nicht mit dem Holzhammer, sondern mit feinem Gespür für Figurenzeichnung und Entwicklung.

        Die Musik ist längst legendär – nicht nur wegen des ikonischen „(I've Had) The Time of My Life“ von BILL MEDLEY und JENNIFER WARNES. Die sorgfältige Mischung aus 1960er-Jahre-Stücken und zeitgenössischen Pop-Songs schafft eine fast zeitlose Atmosphäre, unterstützt von einem flüssigen, aber nie aufdringlichen Schnitt und der geradezu idealen Bildregie von EMILE ARDOLINO. Jedes musikalische Setpiece – sei es das Training am See, die erste Hebefigur im Wasser oder das explosive Finale – ist choreografiert wie ein Mini-Musical und doch durchdrungen von emotionaler Wahrhaftigkeit.

        JENNIFER GREY verleiht Baby eine glaubwürdige Mischung aus Naivität, Intelligenz und zunehmender Entschlossenheit. Ihre Wandlung ist greifbar, und ihre Unsicherheit zu Beginn macht sie umso sympathischer. PATRICK SWAYZE, der zugleich zärtlich, kraftvoll und verletzlich spielt, ist nicht nur tänzerisch überragend, sondern auch schauspielerisch auf der Höhe. Ihre Chemie – am Set angeblich nicht immer harmonisch – explodiert auf der Leinwand in jedem gemeinsamen Moment. Es ist diese Spannung, dieses Knistern, das DIRTY DANCING unvergesslich macht.

        Der Film spielt 1963, am Vorabend der Kennedy-Ermordung, des Vietnamkriegs und der Bürgerrechtsbewegung – und diese historische Schwelle ist nicht zufällig gewählt. Der alte moralische Konsens beginnt zu bröckeln. Das Ferienresort symbolisiert eine Welt, die Baby zunehmend als verlogen und starr empfindet. DIRTY DANCING verhandelt diese Brüche nicht schwerfällig, sondern mit Tanz, Musik und Romantik – was die Botschaft nicht schwächt, sondern nur umso zugänglicher macht.

        Fazit: DIRTY DANCING ist ein perfekter Film in seiner Kategorie – weil er seine Zielgruppe ernst nimmt, seine Figuren vielschichtig zeichnet und ein Frauenbild präsentiert, das auch heutzutage noch progressiv wirkt. Wer ihn nur auf das Finale mit der Hebefigur reduziert, unterschätzt seine Tiefe. Es ist ein Film über Selbstermächtigung, über soziale Ungerechtigkeit, über Körper, Begehren und Verantwortung. Und er ist dabei leichtfüßig, unterhaltsam und emotional mitreißend. Kurzum: ein Meisterwerk des Mainstream-Kinos.

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          999CINEASTOR666 06.05.2025, 18:56 Geändert 06.05.2025, 18:57

          Die Dämonischen (OT: Invasion of the Body Snatchers / AT: Invasion der Körperfresser / Die Invasion der Körperfresser / Sleep No More / They Came from Another World / Walter Wanger's Invasion of the Body Snatchers / The Body Snatchers) / US / 1956

          >>> mit Vorsicht zu genießen /// enthält möglicherweise Spuren von leichten Spoilern <<<

          Mit DIE DÄMONISCHEN inszenierte DON SIEGEL 1956 einen atmosphärisch dichten Science-Fiction-Thriller, der längst zum Kanon des amerikanischen Genrekinos gehört. Basierend auf dem Roman „Die Körperfresser kommen“ von JACK FINNEY und gedreht im damals neuartigen Breitbildformat Superscope, entwickelte sich der Film über die Jahre zu einem vielfach adaptierten Klassiker – und zu einer vielschichtigen Parabel auf die Ängste einer Epoche.

          In der Kleinstadt Santa Mira häufen sich beunruhigende Vorfälle: Menschen behaupten, ihre engsten Angehörigen seien durch gefühllose Doppelgänger ersetzt worden. Was zunächst nach einem Massenwahn klingt, erinnert frappierend an das sogenannte Capgras-Syndrom – eine psychische Störung, bei der Betroffene überzeugt sind, ihnen vertraute Personen seien durch identisch aussehende Fremde ersetzt worden. Doch im Film ist es keine Einbildung: Die beunruhigende Wahrheit offenbart sich schnell. Der örtliche Arzt Dr. Peter Bennell (KEVIN MCCARTHY) und seine ehemalige Geliebte Mary Driscoll (DANA WYNTER) geraten immer tiefer in ein Netz aus Verdrängung, Apathie und kollektiver Gleichgültigkeit. Sporen außerirdischen Ursprungs entwickeln sich zu grotesken Samenschoten, in denen nachts lebensechte Kopien von Menschen heranwachsen. Wer einschläft, wacht nicht mehr als er selbst auf – der Schlaf wird zur Falle, zur Schwelle zwischen Identität und Entfremdung. Und niemand will es wahrhaben. Selbst Psychiater Dr. Dan Kauffman (LARRY GATES) sieht darin lediglich ein psychologisches Phänomen. Doch für Bennell und seine Freunde beginnt ein Überlebenskampf gegen einen Feind, der nicht laut, sondern still die Welt übernimmt.

          DON SIEGEL inszeniert diesen Schrecken mit zurückhaltender, aber wirkungsvoller Präzision. Die Bedrohung ist nicht sichtbar, sondern schleicht sich in den Alltag – in Mimik, in Verhaltensweisen, in die Sprache. Genau das macht den Reiz des Films aus: DIE DÄMONISCHEN ist kein bombastischer Alien-Invasionsfilm, sondern ein Psychothriller, der unterschwellige Ängste der 1950er Jahre verhandelt. Vordergründig als Warnung vor dem Kommunismus lesbar – eine Invasion, die alles Individuelle auslöscht – kann der Film ebenso als Kritik am uniformierenden Konformismus der Nachkriegszeit verstanden werden. Diese doppelte Lesbarkeit macht seine Stärke aus.

          KEVIN MCCARTHY verleiht der Figur des Dr. Bennell glaubwürdige Entschlossenheit, während DANA WYNTER in der Rolle der Mary zwischen kühler Eleganz und verletzlicher Wärme changiert. KING DONOVAN und CAROLYN JONES ergänzen das Ensemble als skeptisches, später traumatisiertes Ehepaar Belicec. Die Leistungen sind durchweg solide, wenn auch im typischen Tonfall des Studiokinos ihrer Zeit verhaftet. Auch wenn manche Szenen heute behäbig wirken und die visuelle Umsetzung eher zweckmäßig als innovativ erscheint, entfaltet der Film bis heute eine unheimliche Sogwirkung. Die Vorstellung, dass Mitmenschen äußerlich gleich bleiben, innerlich jedoch „leer“ sind, berührt eine Urangst, die unabhängig von Zeit und Ideologie funktioniert.

          Die nachhaltige Wirkung zeigt sich auch an den zahlreichen Neuverfilmungen: 1978 unter dem Titel „Die Körperfresser kommen“ von PHILIP KAUFMAN und mit DONALD SUTHERLAND in der Hauptrolle als nihilistischer Großstadtthriller, 1993 unter dem Titel „Body Snatchers – Angriff der Körperfresser“ von ABEL FERRARA und 2007 unter dem Titel „Invasion“ von OLIVER HIRSCHBIEGEL mit NICOLE KIDMAN und DANIEL CRAIG in den Hauptrollen.

          Fazit: DIE DÄMONISCHEN ist ein stilbildender Klassiker des paranoid angehauchten Science-Fiction-Kinos der 1950er. Trotz seiner Alterserscheinungen funktioniert der Film nach wie vor als beunruhigende Parabel über Entfremdung, Ideologie und den Verlust des Selbst. Wer über das etwas träge Tempo hinwegsehen kann, entdeckt einen Film, der mehr im Kopf zurücklässt als so mancher lautere Vertreter des Genres – und einem den Schlaf rauben kann, im wahrsten Sinne des Wortes.

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            999CINEASTOR666 05.05.2025, 18:28 Geändert 06.05.2025, 07:26

            Cagefighter: Worlds Collide (OT: Cagefighter) / GB/CA / 2020

            >>> mit Vorsicht zu genießen /// enthält möglicherweise Spuren von leichten Spoilern <<<

            ... wirft einen vielversprechenden Blick auf den Grenzbereich zwischen Showkampf und echtem Sport – und bleibt am Ende selbst irgendwo dazwischen stecken. Was als Analyse des modernen Kampfsportbetriebs beginnen könnte, verliert sich in einem vorhersehbaren Sportdrama mit bekanntem Auf und Ab.

            Im Mittelpunkt steht MMA-Champion Reiss Gibbons (ALEX MONTAGNANI), der an der Spitze der LEGENDS-Serie steht – bis ihn ein Match gegen Wrestling-Star Randy Stone (JONATHAN GOOD) aus der Bahn wirft. Die Story folgt dem klassischen Fall-und-Aufstieg-Muster, lässt dabei aber zahlreiche Chancen liegen, die eigentlich in der Konstellation stecken: Hier ein hart trainierter, disziplinierter Kämpfer, dort ein auf Publicity geschulter Entertainer mit Hang zur Provokation.

            JONATHAN GOOD – selbst Wrestling-erfahren als „Dean Ambrose (WWE) oder John Moxley (AEW)“ – spielt Randy Stone als wandelnde Karikatur des selbstbewussten Show-Stars, der bewusst die Grenzen des Kampfsport-Kults überschreitet. Seine Figur wirkt wie ein Kommentar auf die zunehmende Kommerzialisierung echter Kampfkunst: Stone ist laut, trashig, effektiv. Er weiß, wie man Schlagzeilen macht – und das genügt offenbar, um sich einen Platz im Oktagon zu sichern.

            Hier hätte der Film wirklich spannend werden können: Was unterscheidet sportliche Leistung von medialem Spektakel? Warum ist ein Wrestling-Star medial mehr wert als ein verdienter Champion? Doch statt diesen Konflikt zu vertiefen, rutscht ... ins Schema zurück – der Held fällt, hadert, trainiert und kehrt zurück, ganz wie man es aus Dutzenden Sportfilmen kennt.

            Die Inszenierung bleibt solide, aber uninspiriert. Die Kämpfe sind physisch glaubwürdig, jedoch ohne visuelle Wucht oder stilistische Eigenständigkeit. Die Nebenrollen – darunter MICHAEL JAI WHITE als Trainer und GINA GERSHON als Promoterin – liefern, was sie sollen, werden aber nie mehr als Staffage für Gibbons’ vorhersehbaren Weg der Läuterung.

            Fazit: ... verschenkt sein eigentlich reizvolles Thema: die mediale Durchlässigkeit zwischen Fake und Echtkampf, zwischen Marktwert und Können. JONATHAN GOOD bringt als Randy Stone zwar Wucht und Subtext mit, doch der Film hat kein echtes Interesse, die Debatte zu führen, die er selbst anstößt. Stattdessen gibt es solide Underdog-Kost für MMA-Fans – aber eben auch nicht mehr.

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              999CINEASTOR666 04.05.2025, 20:42 Geändert 04.05.2025, 20:43

              Red One – Alarmstufe Weihnachten (OT: Red One) / US/CA / 2024

              >>> mit Vorsicht zu genießen /// enthält möglicherweise Spuren von leichten Spoilern <<<

              ... ist ein bombastisches Weihnachtsabenteuer, das auf Spektakel, Humor und schräge Figuren setzt. Die Handlung entfaltet sich rund um die Entführung des rotgewandeten Gabenbringers, was eine globale Rettungsaktion auslöst – geführt von einem ungleichen Duo, das unterschiedlicher kaum sein könnte. DWAYNE JOHNSON als Sicherheitschef des Nordpols Callum Drift und CHRIS EVANS als zynischer Kopfgeldjäger Jack O'Malley liefern sich gewohnt charismatische Schlagabtausche.

              In grellen Bildern und mit jeder Menge Effekteinsatz wird eine Geschichte erzählt, die zwischen überdrehter Komödie, Fantasy und Action pendelt. Dabei zielt der Film klar auf Familienpublikum und Eventkino-Fans, auch wenn nicht jede Szene zündet und der Erzählfluss gelegentlich unter dem eigenen Übermaß zusammenzubrechen droht.

              J.K. SIMMONS verleiht Nick aka Santa Claus eine ungewohnte physische Präsenz. Sein Weihnachtsmann ist nicht der gemütliche, bärtige Großvater, sondern ein durchtrainierter, entschlossener Anführer, der bereit ist, sich gegen Bedrohungen zu wehren. Er bringt sowohl Autorität als auch Wärme in die Figur ein und bietet einen frischen Blick auf die ikonische Gestalt.

              LUCY LIU übernimmt die Rolle der Direktorin Zoe Harlow, einer hochrangigen Figur in der Nordpol-Organisation. Trotz ihrer zentralen Position bleibt ihre Figur im Film eher blass. Ihre Auftritte beschränken sich größtenteils auf das Übermitteln von Informationen und das Koordinieren von Einsätzen, ohne dass ihr Charakter nennenswerte Tiefe oder Entwicklung erfährt.

              KIERNAN SHIPKA spielt die Weihnachtshexe Grýla, eine Figur aus der isländischen Folklore. Sie wird als mächtige Antagonistin dargestellt, die unartige Kinder in magischen Schneekugeln einsperrt. KIERNAN SHIPKA bringt eine bedrohliche Präsenz in die Rolle ein, wobei ihre Darstellung zwischen kindlicher Boshaftigkeit und märchenhaftem Schrecken schwankt. Die Figur ist visuell markant, bleibt dramaturgisch aber recht eindimensional.

              KRISTOFER HIVJU verkörpert Krampus, den Adoptivbruder des Weihnachtsmanns. Krampus ist zunächst widerwillig, sich in die Rettungsmission einzubringen, wird aber schließlich zu einem entscheidenden Verbündeten. Er bringt rustikalen Charme und eine gewisse Tragikomik in die Rolle, wobei die Beziehung zwischen Krampus und Santa – Belohnung versus Bestrafung – als ambivalente Brüderdynamik eine der interessanteren Nebenhandlungen darstellt.

              Eine der denkwürdigeren Szenen des Films ist die Konfrontation mit Grýlas Schneemännern. Diese Kreaturen, die auf den ersten Blick harmlos wirken, entpuppen sich als gefährliche Gegner mit grotesker Mimik und überraschender Wendigkeit. Sie dienen als Handlanger der Antagonistin und tragen zur schrägen Tonalität des Films bei – irgendwo zwischen Grusel und Slapstick.

              Fazit: ... bietet eine Mischung aus Action, Humor und weihnachtlicher Magie. Während einige Charaktere und Szenen hervorstechen, bleibt der Film insgesamt hinter seinen Möglichkeiten zurück. Die hochkarätige Besetzung und die interessante Prämisse können nicht vollständig über ein unausgewogenes Drehbuch und einige flache Charakterisierungen hinwegtrösten. Dennoch bietet der Film solide Unterhaltung für einen gemütlichen Dezemberabend – wenn auch nicht jedes Jahr aufs Neue.

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                999CINEASTOR666 04.05.2025, 19:53 Geändert 04.05.2025, 19:54

                Gemini Man / US/CN/CO / 2019

                >>> mit Vorsicht zu genießen /// enthält möglicherweise Spuren von leichten Spoilern <<<

                GEMINI MAN ist ein technisches Experiment, verpackt in einen altmodischen Actionthriller – ein Film, der visuell beeindrucken will, erzählerisch aber auf vertrauten Pfaden wandelt. Regisseur ANG LEE setzt mit 120 Bildern pro Sekunde, 4K und 3D auf maximale Immersion. Was bleibt, ist ein zwiespältiges Erlebnis zwischen formaler Innovation und inhaltlicher Routine.

                Im Zentrum steht WILL SMITH gleich doppelt: Als abgeklärter NSA-Hitman Henry Brogan will er sich zur Ruhe setzen, wird aber von seiner eigenen Vergangenheit eingeholt – in Form eines jüngeren Klons, der ihn töten soll. Der jüngere WILL SMITH – digital verjüngt und als „Junior“ bezeichnet – verkörpert den inneren wie äußeren Konflikt der Figur, bleibt jedoch emotional eher flach. Die Technik ist beeindruckend, aber nicht durchgehend überzeugend: Mal wirkt die Verjüngung erstaunlich echt, dann wieder künstlich und puppenhaft.

                MARY ELIZABETH WINSTEAD als Agentin Danny Zakarewski ist mehr als nur Sidekick – sie bringt Bodenhaftung in den Plot und darf glücklicherweise mehr tun als nur den Helden zu bewundern. CLIVE OWEN gibt den Bösewicht Clayton „Clay“ Verris mit zynischer Kälte, bleibt jedoch klischeehaft geschrieben.

                Trotz seiner High-Tech-Ambitionen erzählt GEMINI MAN im Kern eine Geschichte, die bereits in den 90ern alt gewesen wäre: Klonethik, Verrat in Regierungsbehörden, und die unausweichliche Konfrontation mit sich selbst. Actionszenen wie die Motorradverfolgung in Kolumbien oder der nächtliche Showdown in Budapest sind präzise inszeniert, profitieren aber nicht immer vom ungewohnten Bildformat, das oft klinisch und hyperreal wirkt.

                Fazit: GEMINI MAN ist sehenswert – vor allem als Kuriosum des modernen Kinos und als Versuch, Erzählkino und Technikspielerei zu verbinden. Aber während die Hülle glänzt, bleibt der Kern konventionell. Ein interessanter Hybrid, der an seiner eigenen Ambition scheitert – aber immerhin nicht langweilt.

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                  999CINEASTOR666 04.05.2025, 11:17 Geändert 04.05.2025, 11:17

                  Voilà, Papa! – Der fast perfekte Schwiegersohn (OT: Jamais sans mon psy / AT: Family Therapy) / FR/BE / 2024

                  >>> mit Vorsicht zu genießen /// enthält möglicherweise Spuren von leichten Spoilern <<<

                  Mit ... präsentiert Regisseur und Drehbuchautor ARNAUD LEMORT eine französische Familienkomödie, in der ein Psychoanalytiker von seiner eigenen Therapie eingeholt wird – mit chaotischen Folgen.

                  Dr. Olivier Béranger (CHRISTIAN CLAVIER) ist ein angesehener Psychoanalytiker, der sich auf seinen 30. Hochzeitstag mit seiner Frau Paloma (Cristiana Reali) vorbereitet. Doch die Feierlichkeiten werden gestört, als seine Tochter Alice (CLAIRE CHUST) ihren neuen Freund Damien Leroy (BAPTISTE LECAPLAIN) vorstellt – ausgerechnet Oliviers ehemaliger Patient, der unter zahlreichen Ängsten, darunter einer ausgeprägten Vogelphobie, leidet.

                  Damien glaubt, seine Ängste durch die Liebe zu Alice überwunden zu haben. Olivier hingegen ist fest entschlossen, die Beziehung zu sabotieren. Dabei greift er zu ungewöhnlichen Mitteln, wie dem Einsatz von Vogelpfeifen, um Damiens Phobie zu triggern, und lädt sogar Alices Ex-Freund Stéphane (RAYANE BENSETTI), einen attraktiven Tänzer im Rollstuhl, zur Feier ein, um Damien eifersüchtig zu machen.

                  Die Komödie lebt von der Dynamik zwischen CHRISTIAN CLAVIER und BAPTISTE LECAPLAIN, wobei CHRISTIAN CLAVIER den kontrollsüchtigen Vater mit gewohntem Sarkasmus spielt. BAPTISTE LECAPLAIN verkörpert Damien als ängstlichen, aber liebenswürdigen Charakter, der sich bemüht, Oliviers Anerkennung zu gewinnen. CLAIRE CHUST bringt als Alice Frische in die Geschichte, bleibt jedoch oft im Hintergrund. CRISTIANA REALI als Paloma hat nur begrenzten Raum, ihre Figur zu entfalten.

                  Fazit: ... bietet solide Unterhaltung mit einigen amüsanten Momenten, bleibt jedoch in bekannten Mustern verhaftet. Die Situationskomik funktioniert, doch echte Überraschungen oder tiefere Charakterentwicklungen fehlen. Insgesamt eine leichte Komödie für einen entspannten Filmabend, die jedoch keinen bleibenden Eindruck hinterlässt.

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                    999CINEASTOR666 04.05.2025, 00:09 Geändert 04.05.2025, 01:10

                    Project Silence (OT: Talchul: Project Silence / AT: Escape: Project Silence) / KR/HK / 2023

                    >>> mit Vorsicht zu genießen /// enthält möglicherweise Spuren von leichten Spoilern <<<

                    Was als packender Hochspannungs-Thriller beginnt, verpufft bei PROJECT SILENCE leider in einer Mischung aus Klischees, flacher Figurenzeichnung und erzählerischem Leerlauf. Regisseur KIM TAE-GON inszeniert die Prämisse einer zusammengewürfelten Gruppe auf einer einsturzgefährdeten Brücke zunächst atmosphärisch dicht – doch sobald die CGI-Monster auf freiem Fuß sind, verliert der Film die Kontrolle über Ton und Tempo.

                    Die größte Schwäche ist dabei die künstlich wirkende Inszenierung: Weder das Setting noch die Katastrophensituation auf der Brücke fühlen sich greifbar oder real an. Am schlimmsten aber sind die CGI-Killerhunde – eine Mischung aus Militärprojekt und Monsterfilmstandard –, deren Animationen an schlechte Videospiel-Zwischensequenzen erinnern. Ihre Bewegungen sind derart unglaubwürdig, dass selbst Spannungskurve und Bedrohungspotenzial zusammenbrechen. Noch absurder: Die Viecher verschwinden oft minutenlang von der Bildfläche, nur um dann in uninspirierten Verfolgungsjagden aufzutauchen, die weder packend noch derbe sind. Wer auf blutig-brutale Zerfleischungen gehofft hat, wird enttäuscht: PROJECT SILENCE bleibt erschreckend zahm.

                    Der Hauptcharakter – gespielt von SUN-KYUN LEE – wirkt zudem durchgehend unsympathisch. Man merkt ihm an, dass er das außer Kontrolle geratene Geheimprojekt lieber vertuschen als aufklären würde, wenn er nicht selbst zum Spielball der Ereignisse würde. Einzig die Beziehung zu seiner Tochter verleiht ihm einen Hauch von Menschlichkeit. Doch das reicht nicht, um emotional mitzufiebern.

                    Zusätzlich untergräbt der Film seinen eigenen ernsten Ton durch Nebenfiguren, die inmitten der Katastrophe unfreiwillig komisch wirken. Die Balance zwischen Thriller, Drama und Gesellschaftskritik wird nicht gehalten – stattdessen herrscht ein konfuser Mix aus Pathos, Pseudo-Tiefgang und plumper Monsterhatz.

                    Was bleibt, ist ein filmischer Unfall mit angezogener Handbremse – unecht in der Optik, fahrig in der Dramaturgie. PROJECT SILENCE hätte ein nervenzerfetzender Kammerspiel-Schocker sein können. Stattdessen breitet man besser den Mantel des Schweigens darüber aus.

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                      999CINEASTOR666 03.05.2025, 18:00 Geändert 03.05.2025, 18:05

                      Signs – Zeichen (OT: Signs / AT: M. Night Shyamalan's Signs) / US / 2002

                      >>> mit Vorsicht zu genießen /// enthält möglicherweise Spuren von leichten Spoilern <<<

                      Mit SIGNS – ZEICHEN inszeniert M. NIGHT SHYAMALAN nicht nur einen Sci-Fi-Thriller über eine mögliche Alieninvasion, sondern vielmehr eine intime Erzählung über Glaube, Verlust und das Bedürfnis nach Sinn in einer chaotischen Welt. Der Film verbindet klassisches Spannungskino à la Hitchcock mit einem zutiefst persönlichen Drama – und schafft es, trotz einiger Schwächen, atmosphärisch dicht und emotional aufwühlend zu sein.

                      Statt den großen Weltuntergang zu zelebrieren, reduziert M. NIGHT SHYAMALAN die Handlung auf eine Farm in Pennsylvania. Der ehemalige Pfarrer Graham Hess (MEL GIBSON) entdeckt dort mysteriöse Kornkreise in seinem Maisfeld – bald darauf überschlagen sich die Meldungen über außerirdische Sichtungen. Doch M. NIGHT SHYAMALAN erzählt kein globales Katastrophenszenario, sondern ein klaustrophobisches Kammerspiel über eine Familie, die mit der Angst vor dem Unbekannten und den inneren Dämonen ihrer Vergangenheit konfrontiert wird.

                      Der Horror entsteht weniger durch spektakuläre Effekte – von denen es nur sehr dosiert welche gibt –, sondern durch Andeutungen, Geräusche, Schatten und die gespannte Erwartungshaltung der Figuren. Diese Reduktion sorgt für eine intensive Atmosphäre, in der die Bedrohung ständig greifbar scheint, ohne je vollständig sichtbar zu werden.

                      MEL GIBSON spielt den traumatisierten Pfarrer mit innerer Leere und unterdrücktem Schmerz. Sein Bruder Merrill (JOAQUIN PHOENIX), ein gescheiterter Baseballspieler, wirkt bodenständiger, aber ebenfalls gebrochen. Die Kinderdarsteller – RORY CULKIN als allergiegeplagter Sohn Morgan und ABIGAIL BRESLIN als eigenwillige Bo – verleihen dem Ensemble emotionale Tiefe. Die familiären Spannungen und die Verarbeitung des Todes der Mutter bilden den eigentlichen Kern der Handlung.

                      M. NIGHT SHYAMALAN setzt auf langsame Kamerafahrten, gedeckte Farben und statische Einstellungen. Das verleiht dem Film eine seltsam entschleunigte, fast meditative Qualität – ungewöhnlich für einen „Alienfilm“, aber im Kontext seiner Themen durchaus passend.

                      Die Auflösung ist auf den ersten Blick simpel – doch M. NIGHT SHYAMALAN inszeniert dies nicht als bloße Wendung, sondern als spirituelle Katharsis. Die zuvor belanglos erscheinenden Eigenheiten der Familie – Bo lässt überall Wassergläser stehen, Merrill hängt dem Baseball nach, Morgan hat Asthma – fügen sich zu einem Muster.

                      Für Graham, der nach dem Tod seiner Frau seinen Glauben verloren hat, ist dies kein Zufall, sondern ein Zeichen: Alles hat einen Sinn. Die Zeichen im Feld – vermeintlich Hinweise der Aliens – werden so zu einer Metapher für die Zeichen Gottes. Das Haus der Familie wird zum Prüfstein seines Glaubens, und der „Angriff der Aliens“ zur Konfrontation mit dem eigenen Schmerz.

                      Die Rückkehr Grahams ins Priestergewand am Schluss wirkt nicht wie ein Happy End, sondern wie eine innere Heimkehr – eine stille Versöhnung mit der Welt und dem eigenen Schicksal. Diese religiös-mythologische Unterfütterung hebt SIGNS – ZEICHEN von anderen Genrebeiträgen ab und macht den Film zu einer Parabel über Verlust, Hoffnung und Vertrauen.

                      Fazit: SIGNS – ZEICHEN ist kein klassischer Sci-Fi-Blockbuster, sondern ein melancholischer, fast elegischer Thriller über einen Mann, der in der Krise seines Glaubens Zeichen sucht – und findet. Die Inszenierung ist ruhig, mitunter zu bedächtig, die Handlung wirkt stellenweise konstruiert. Doch das Zusammenspiel aus starkem Schauspiel, dichten Bildern und dem thematischen Unterbau verleiht dem Film emotionale Wucht. Ein ungewöhnlich leiser Invasionsfilm, der seine Stärke nicht im Spektakel, sondern in der symbolischen Tiefe entfaltet.

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                        999CINEASTOR666 03.05.2025, 14:53 Geändert 03.05.2025, 14:54

                        Disquiet / US / 2023

                        >>> mit Vorsicht zu genießen /// enthält möglicherweise Spuren von leichten Spoilern <<<

                        DISQUIET von MICHAEL WINNICK präsentiert sich zunächst als Mystery-Thriller, entpuppt sich jedoch als tiefgründige Allegorie über Schuld, Reue und die Suche nach Erlösung. JONATHAN RHYS MEYERS verkörpert den karriereorientierten Sam, der nach einem Autounfall in einem scheinbar verlassenen Krankenhaus erwacht. Doch dieser Ort ist mehr als nur ein medizinisches Zentrum – er wird zum Spiegel seiner inneren Zerrissenheit.

                        Das Krankenhaus fungiert als metaphysischer Raum, ein düsteres Fegefeuer, in dem Realität und Illusion verschwimmen. Flackernde Lichter, endlose Korridore und das ständige Verschwinden von Personen verstärken das Gefühl der Orientierungslosigkeit. Die Kameraarbeit unterstützt diese Atmosphäre durch subjektive Perspektiven und klaustrophobische Einstellungen, die Sams innere Unruhe visuell widerspiegeln.

                        Zwei Figuren stechen besonders hervor: Lilith (RACHELLE GOULDING) und Virgil (GARRY CHALK). Lilith, die sich selbst als solche bezeichnet, aber lieber "Lily" genannt werden möchte, verkörpert die Ambivalenz zwischen Verführung und Führung. Ihre mythologische Herkunft als erste Frau Adams, oft als Symbol weiblicher Autonomie interpretiert, spiegelt sich in ihrer Rolle als Prüfstein für Sams Charakter wider.

                        Virgil hingegen erinnert an den römischen Dichter Vergil, der Dante durch die Hölle führte. Auch hier dient er als Wegweiser, der Sam durch die Zwischenwelt begleitet, ohne direkte Lösungen anzubieten. Seine ruhige Autorität und sein Wissen um Sams Vergangenheit verleihen der Figur Tiefe und Bedeutung.

                        JONATHAN RHYS MEYERS gelingt es, Sams Entwicklung vom kontrollierten Geschäftsmann zum selbstreflektierenden Individuum glaubhaft darzustellen. Seine Performance zeigt die allmähliche Erkenntnis über eigene Fehler und die Notwendigkeit zur Veränderung. Diese Transformation steht im Zentrum des Films und verleiht der Geschichte emotionale Tiefe.

                        Fazit: DISQUIET ist mehr als ein gewöhnlicher Thriller; es ist ein psychologisches Drama, das sich mit existenziellen Fragen auseinandersetzt. Trotz einiger inszenatorischer Schwächen und vorhersehbarer Elemente überzeugt der Film durch seine symbolische Dichte und die gelungene Darstellung innerer Konflikte. Für Zuschauer, die bereit sind, sich auf eine metaphorische Reise einzulassen, bietet DISQUIET eine lohnende Erfahrung.

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                          999CINEASTOR666 02.05.2025, 23:28 Geändert 02.05.2025, 23:29

                          Rage – Tage der Vergeltung (OT: I am Wrath / AT: Revenge List) / US / 2016

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                          ... ist ein solider, schnörkelloser Rachethriller, der zwar das Genre nicht neu erfindet, aber durch eine geradlinige Inszenierung und einen überraschend engagierten JOHN TRAVOLTA punktet. Regisseur CHUCK RUSSELL (DER BLOB, ERASER) liefert einen Film ab, der sich spürbar an den Klassikern des Rachekinos orientiert – vom Charles-Bronson-Prinzip bis zur modernen Selbstjustiz-Moral.

                          Die Geschichte ist schnell erzählt: Stanley Hill (JOHN TRAVOLTA) verliert seine Frau bei einem brutalen Überfall, fühlt sich von den Behörden im Stich gelassen und wird selbst zum Ermittler – und schließlich zum Rächer. Was zunächst wie ein routinierter 08/15-Racheplot klingt, gewinnt im Verlauf an Tiefe, als Stanley einem Netz aus Korruption, Vertuschung und institutionellem Versagen auf die Spur kommt.

                          JOHN TRAVOLTA spielt den trauernden Ehemann mit einer Mischung aus verletzter Würde und brodelnder Wut. Zwar trägt sein Look streckenweise etwas dick auf, doch seine Präsenz hält den Film zusammen. Auch CHRISTOPHER MELONI, SAM TRAMMELL und REBECCA DE MORNAY sorgen für seriöse Nebenleistungen.

                          Visuell gibt sich der Film schlicht: Keine übertrieben stilisierten Actionszenen, sondern eher düstere, realitätsnahe Auseinandersetzungen in urbanen Umgebungen. CHUCK RUSSELL inszeniert das Geschehen ruhig, beinahe altmodisch – das kommt dem ernsten Tonfall zugute, lässt aber gelegentlich Tempo und Spannung vermissen.

                          Fazit: ... ist kein Film für Freunde des Hochglanz-Actionkinos, sondern ein grundsolider, stellenweise melancholischer Selbstjustizthriller mit einem glaubwürdigen JOHN TRAVOLTA in der Hauptrolle. Klischees bleiben nicht aus, aber das geerdete Spiel und die Korruptionsgeschichte im Hintergrund geben dem Film ein gewisses Profil. Wer Filme wie DEATH SENTENCE – TODESURTEIL oder DIE FREMDE IN DIR mochte, findet hier einen schlichten, aber sehenswerten Genrekollegen.

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                            999CINEASTOR666 02.05.2025, 20:08 Geändert 02.05.2025, 20:08

                            Die Höhle – Das Tor in eine andere Zeit (OT: Time Trap / AT: Timetrap / Synkhole) / US / 2017

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                            ... ist ein ambitionierter Low-Budget-Mix aus Abenteuerfilm, Science-Fiction und Mystery, der mehr aus seiner originellen Prämisse herausholt, als man auf den ersten Blick erwarten würde.

                            Die Handlung beginnt klassisch-abenteuerlich: Professor Hopper (ANDREW WILSON) verschwindet während seiner Suche nach einem seit den 70er Jahren vermissten Hippie-Trupp. Seine Schüler, darunter Taylor (REILEY MCCLENDON) und Jackie (BRIANNE HOWEY), folgen ihm in ein unterirdisches Höhlensystem – und stellen bald fest, dass die Zeit dort anders vergeht: Minuten in der Höhle entsprechen Jahren draußen. Ein faszinierender Aufhänger, der das Sci-Fi-Herz höherschlagen lässt.

                            Die Stärke des Films liegt eindeutig in seiner Idee. Die Vorstellung eines isolierten Ortes, in dem Zeit fast stillsteht, eröffnet spannende erzählerische Möglichkeiten, und ... nutzt diese mit zunehmender Laufzeit durchaus kreativ. Es gibt überraschende Wendungen, einige visuelle Highlights und einen Hauch philosophischer Tiefe über Vergänglichkeit und Perspektive.

                            Was den Film jedoch zurückhält, ist seine deutlich spürbare Budgetgrenze. Die Schauspieler machen ihren Job ordentlich, bleiben aber weitgehend blass. Die Effekte schwanken zwischen effektiv und trashig, und einige Dialoge wirken eher wie aus einem Studentenfilm denn aus einem ausgereiften Sci-Fi-Abenteuer. Auch das Pacing leidet zeitweise – der Film braucht etwas zu lange, um wirklich in Fahrt zu kommen.

                            Fazit: ... ist kein Blockbuster, aber ein sympathischer Indie-Science-Fiction-Film mit einer cleveren Prämisse, die trotz kleiner Schwächen Neugier und Spannung erzeugt. Wer ein Faible für Zeitparadoxien und unterirdische Abenteuer hat, kann sich hier angenehm überraschen lassen. Manchmal braucht es eben nicht viel mehr als eine gute Idee und den Mut, sie konsequent durchzuziehen.

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                              999CINEASTOR666 02.05.2025, 19:05 Geändert 02.05.2025, 19:06

                              Sanctum (AT: James Cameron's Sanctum / Sanctum 3D) / US/AU / 2011

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                              ... will ein nervenaufreibender Survival-Thriller sein, verliert sich aber zwischen technischer Schau und erzählerischer Tiefe. Die Prämisse klingt spannend: Eine Gruppe Höhlentaucher wird in einem unerforschten unterirdischen Labyrinth eingeschlossen und kämpft unter Wasser ums nackte Überleben. Obwohl der Name JAMES CAMERON unter den Produzenten aufhorchen lässt, gelingt es Regisseur ALISTER GRIERSON nur bedingt, echte Spannung zu erzeugen.

                              Visuell kann ... zweifellos punkten – zumindest auf der technischen Ebene. Die Unterwasseraufnahmen sind eindrucksvoll, das 3D (zur Zeit des Erscheinens ein Verkaufsargument) wurde nicht einfach nachträglich hinzugefügt, sondern gezielt eingesetzt, um die klaustrophobische Enge der Höhlen eindrucksvoll einzufangen. Leider verpufft diese Immersion oft, weil das Drehbuch schwächelt.

                              Die Figurenzeichnung ist rudimentär: Der gestrenge Vater Frank (RICHARD ROXBURGH), der reiche Draufgänger Carl (IOAN GRUFFUDD) und der rebellierende Sohn Josh (RHYS WAKEFIELD) agieren in bekannten Mustern und liefern sich erwartbare Konflikte. Tiefgreifende Charakterentwicklungen bleiben ebenso aus wie wirklich überraschende Wendungen. Die Dialoge schwanken zwischen funktional und hölzern, was es schwer macht, mit den Figuren mitzufiebern – und das, obwohl mehrere Todesfälle dramatisch inszeniert werden.

                              Dramaturgisch wirkt der Film oft wie ein Tauchgang ohne Kompass: Es geht voran, aber der Weg ist vorhersehbar. Immerhin schafft es ... zeitweise, die existenzielle Angst vor dem Ertrinken und der völligen Isolation spürbar zu machen – vor allem dank der bedrückenden Atmosphäre in den engen Gängen und dunklen Tauchpassagen.

                              Fazit: ... bietet beeindruckende Bilder und solide Spannung, doch das Drehbuch bleibt flach, die Figuren stereotyp und die Emotionen aufgesetzt. Wer sich für Höhlentauchen interessiert oder 3D-Experimente mag, könnte auf seine Kosten kommen. Für alle anderen ist es ein unterkühlter Überlebensfilm mit wenig Nachhall.

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                                999CINEASTOR666 02.05.2025, 18:26 Geändert 02.05.2025, 18:27

                                Message Man – Schatten der Vergangenheit (OT: Message Man / AT: Kill Vengeance) / ID/AU/GB/AE / 2018

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                                ... ist ein solider B-Actionfilm, der genau das liefert, was man von einem Rachethriller mit Ex-Killer auf Selbstfindungstrip erwartet – nicht mehr, aber auch nicht weniger. COREY PEARSON inszeniert die Geschichte von Ryan Teller (PAUL O'BRIEN), einem wortkargen Ex-Auftragsmörder, der auf einer indonesischen Insel die blutige Vergangenheit hinter sich lassen will. Doch natürlich holt ihn die Realität schnell wieder ein – mit einem Schuss Kindesentführung und einer Portion alter Feindschaften.

                                Die Story ist denkbar schlicht und erinnert stark an andere Genrevertreter, nur mit deutlich kleinerem Budget und weniger Raffinesse. Der Film lebt hauptsächlich von seinem Hauptdarsteller, der zwar kein großes Schauspiel zeigt, aber mit stoischer Präsenz überzeugt. Die Actionszenen sind überraschend hart und handgemacht inszeniert, was Fans von Oldschool-Gewalt gefallen dürfte. Besonders auffällig ist die brutale Konsequenz, mit der Ryan seine Gegner ausschaltet – fast schon comicartig überhöht.

                                Was dem Film fehlt, ist ein echter emotionaler Unterbau. Die Bindung zur Insel-Familie wirkt arg schematisch und die Figurenzeichnung bleibt oberflächlich. Auch die Gegenspieler bleiben blass, mehr Abziehbild als Bedrohung. Visuell bietet ... immerhin schöne Landschaftsaufnahmen und solide Kameraarbeit – technisch ist der Film sauber umgesetzt.

                                Unterm Strich ist ... ein kurzweiliger, aber auch vorhersehbarer Rache-Actioner, der Genrefans für einen Abend bei Laune halten kann. Tiefgang sollte man nicht erwarten, dafür gibt es eine klare Linie, blutige Konsequenz und einen Antihelden, der schweigend das Richtige tut – oder zumindest das, was er dafür hält.

                                Fazit: Für Freunde kompromissloser One-Man-Army-Action ein kleiner Geheimtipp – alle anderen dürften schnell das Interesse verlieren.

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                                  999CINEASTOR666 01.05.2025, 17:23 Geändert 02.05.2025, 13:35
                                  über Cuckoo

                                  Cuckoo / DE/US / 2024

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                                  Manche Filme haben Stil, aber kein Ziel. CUCKOO, der zweite Langfilm von TILMAN SINGER, will Mystery, Mindfuck, Coming-of-Age und Alptraumkino zugleich sein – und scheitert letztlich an der Überfrachtung der eigenen Ambitionen. Heraus kommt ein visuell aufgeladener, aber inhaltlich zerfahrener Trip, der zwar stellenweise faszinieren kann, aber kaum emotional mitreißt.

                                  Im Zentrum steht die 17-jährige Gretchen (HUNTER SCHAFER), die widerwillig von den USA zu ihrem Vater Luis (MARTON CSOKAS) in ein deutsches Alpenresort zieht. Dort soll er mit seiner neuen Frau Beth (JESSICA HENWICK) eine Ferienanlage ausbauen – und Gretchen findet sich bald in einer Welt aus düsteren Visionen, Identitätsverschiebungen und einem unheimlichen Interesse des mysteriösen Herrn König (DAN STEVENS) an ihrer kleinen Halbschwester Alma (MILA LIEU) wieder. Was folgt, ist ein surreales Puzzle aus Zeitsprüngen, metaphysischen Bedrohungen und psychischer Zersetzung, das mehr Fragen aufwirft, als es beantwortet.

                                  Der Titel „Cuckoo“ fungiert dabei nicht nur als Name, sondern als vielschichtiges Sinnbild: Wie der Kuckuck, der seine Eier in fremde Nester legt, nisten sich in diesem Film fremde Identitäten in bestehende Leben ein – unbemerkt, verstörend, zerstörerisch. Gleichzeitig steht „cuckoo“ umgangssprachlich für Wahnsinn, was zum zunehmend irrealen Erzählfluss und zur schleichenden geistigen Desorientierung der Protagonistin passt. Wiederholungen, Rückkopplungen und kontrollierende Kräfte spiegeln sich im Motiv des Kuckucks ebenso wie in der Struktur des Films selbst.

                                  TILMAN SINGER inszeniert das alles mit formalem Ehrgeiz: Es gibt analoge Kameratechnik, hypnotische Synthie-Scores, skurrile Setpieces und eine betont kühle Inszenierung. Doch all das bleibt letztlich selbstzweckhaft. Die Figuren sind kaum mehr als Hüllen, der Plot verliert sich in stilisierter Rätselhaftigkeit, und der emotionale Zugriff bleibt auf der Strecke. Wer gehofft hat, nach LUZ würde TILMAN SINGER diesmal mehr Substanz liefern, sieht sich erneut mit einer prätentiösen Projektionsfläche konfrontiert.

                                  Fazit: CUCKOO ist ambitioniertes Genrekino, das sich an seiner eigenen Symbolik verschluckt. Ein Film wie der Kuckuck selbst – laut, fremd und seltsam fehl am Platz.

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                                    999CINEASTOR666 01.05.2025, 16:06 Geändert 01.05.2025, 16:08
                                    über Luz

                                    Luz / DE / 2018

                                    >>> mit Vorsicht zu genießen /// enthält möglicherweise Spuren von leichten Spoilern <<<

                                    Manche Filme sind nicht einfach schlecht – sie sind eine Zumutung. LUZ, das Abschlussprojekt von TILMAN SINGER an der Kölner Kunsthochschule, fällt genau in diese Kategorie. Als angeblicher Experimental-Horrorfilm gefeiert, entpuppt sich LUZ als krampfhaft artifizielles, inhaltlich hohles und filmisch dilettantisches Machwerk, das eher an eine missglückte Abschlussperformance im Theaterseminar erinnert als an ernstzunehmendes Kino.

                                    Natürlich kann man in der Geschichte um die traumatisierte Taxifahrerin Luz Carrara (LUANA VELIS), die sich von einem obsessiven Dämon verfolgt fühlt, eine Allegorie auf mentale Abhängigkeit oder die Unausweichlichkeit innerer Dämonen sehen. Der Film versucht offensichtlich, Themen wie seelische Vereinnahmung und spirituelle Besessenheit auf eine abstrakte, formreduzierte Weise zu verhandeln – doch was nützt ein Konzept, wenn die filmische Umsetzung daran scheitert?

                                    Was bleibt, sind kryptische Dialoge, theaterhaftes Overacting und inszenatorische Kargheit, die eine dichte Atmosphäre erzeugen sollen. Statt Spannung gibt es jedoch nur gestelztes Herumstehen in Neonlicht, bedeutungsschwangere Pausen und eine Handlung, die sich unter dem Deckmantel des „offenen Interpretationsspielraums“ letztlich jeder Nachvollziehbarkeit verweigert. Wer sich einen Dämonenfilm erwartet, bekommt ein verkopftes Kammerspiel, das eher einem dadaistischen Ritual gleicht.

                                    TILMAN SINGER inszeniert seinen Erstling in einer Mischung aus 80er-Retroästhetik, analogem Tonband-Charme und minimalistischem Bühnenbild. Das mag auf Festivals Eindruck schinden, wirkt aber wie eine selbstverliebte Fingerübung ohne Substanz. Die wenigen Figuren bleiben blass, ihre Handlungen folgen keiner erkennbaren Logik, und Luz’ angebliche „Verfolgung“ verliert sich in esoterischem Leerlauf. Statt Terror gibt es Trägheit, statt Wahnsinn nur Wirrwarr.

                                    Man könnte LUZ als mutigen Versuch werten, Genrekonventionen zu unterwandern – aber Mut ist nicht gleich Qualität. Das Ergebnis wirkt, als hätte jemand POSSESSION von ANDRZEJ ŻUŁAWSKI aus dem Jahr 1981 und ein VHS-Archiv deutscher Polizeiserien zusammengeschnitten, dann die Tonspur durch einen Gitarrenverstärker gejagt und es als „Kino“ verkauft. Dass manche Kritiker hier tiefere Bedeutung erkennen wollen, sagt wohl mehr über das Bedürfnis nach Relevanz aus als über den Film selbst.

                                    Fazit: LUZ ist der Prototyp eines Films, der sich hinter Arthouse-Allüren versteckt, weil er nichts zu sagen hat. Leer, zäh, unfreiwillig komisch – und völlig frei von echter Spannung, erzählerischem Geschick oder emotionaler Wirkung. Ein Film wie ein schlechter Drogentrip auf der Theaterbühne eines stillgelegten Parkhauses.

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                                      999CINEASTOR666 01.05.2025, 14:48 Geändert 01.05.2025, 14:49

                                      Hana's Game (OT: Latency) / US/TH / 2024

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                                      Was wie ein spannender Mix aus Sci-Fi-Thriller, Psychodrama und Mediensatire klingt, entpuppt sich in HANA'S GAME als visuell ambitioniertes, aber inhaltlich erschreckend leeres Konstrukt. Regisseur JAMES CROKE inszeniert die Geschichte um eine agoraphobische Profigamerin mit futuristischem Flair, doch weder die Figuren noch die Story schaffen es, die anfängliche Neugier in echte Spannung zu verwandeln.

                                      Im Mittelpunkt steht Hana (SASHA LUSS), eine zurückgezogene Spieletesterin für neue Gaming-Technologie, die ihre Wohnung aufgrund starker Agoraphobie nie verlässt. Als sie die ominöse Spielekonsole ‚Omnia‘ testen soll, die eine direkte neuronale Interaktion erlaubt, beginnen die Grenzen zwischen Simulation und Realität zu verschwimmen. Ihre Wahrnehmung bricht zusammen – aber ist es ihr Verstand oder steckt etwas Systematisches dahinter?

                                      Die Grundidee von HANA'S GAME ist durchaus reizvoll: Es geht um Kontrollverlust, um die Manipulierbarkeit menschlichen Bewusstseins durch Technologie – und letztlich um die Frage, ob wir im digitalen Zeitalter noch wissen, wer wir sind. Doch statt diese Themen konsequent zu erkunden, verliert sich der Film in vagen Andeutungen, redundanten Bildern und einer zunehmend undurchsichtigen Handlung, die weder zum Mitdenken noch zum Mitfühlen einlädt.

                                      SASHA LUSS gibt sich Mühe, bleibt in der Rolle der verunsicherten Hana jedoch blass – was weniger an ihrem Spiel liegt als an der eindimensionalen Figurenzeichnung. ALEXIS REN wird ebenfalls verschenkt und dient eher als hübsches Beiwerk in einer Erzählung, die sich selbst nicht traut, Klartext zu reden.

                                      Die audiovisuelle Gestaltung ist aufwendig, aber letztlich ermüdend: Hologramme, Interfaces und futuristische Details verschwinden oft in schattigen, lichtarmen Szenen. Der permanente Mangel an Helligkeit wirkt nicht atmosphärisch, sondern schlicht monoton. Zwar will der Film Hanas psychischen Zustand visuell spiegeln, doch das Ergebnis ist eine visuelle Düsternis, die nicht fesselt, sondern abstumpft.

                                      Interessant ist, dass der Originaltitel Latency (Latenz) ein weit passenderes Bild für das liefert, was der Film eigentlich erzählen will: die Verzögerung zwischen Reiz und Reaktion – sei es auf neuronaler Ebene, im psychischen Rückzug der Protagonistin oder in der manipulierten Realität durch Technologie. Latency deutet auf einen Kontrollverlust, der schleichend und unbemerkt einsetzt. Leider bleibt genau dieser thematische Kern unterentwickelt.

                                      Fazit: HANA’S GAME will ein moderner Techno-Paranoia-Thriller sein über Überwachung, Identitätsverlust und digitale Kontrolle – doch all das bleibt im Nebel einer überinszenierten, unterentwickelten Handlung stecken. Stilistisch glatt, erzählerisch wirr und emotional kalt, verfehlt der Film sein eigenes Ziel. Ein visuell gedimmter Sci-Fi-Albtraum, der seine stärksten Ideen im Dunkeln lässt.

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                                        999CINEASTOR666 01.05.2025, 09:38 Geändert 06.05.2025, 13:39

                                        Speak No Evil / US/HR/CA / 2024

                                        https://youtu.be/PSoOFn3wQV4?si=b2ZJC_FD2vTX7Jyl

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                                        Mit SPEAK NO EVIL liefert JAMES WATKINS (EDEN LAKE) eine international koproduzierte Neuverfilmung des dänisch-niederländischen Psychodramas von 2022 – atmosphärisch dicht, schauspielerisch stark, aber auch deutlich zahmer. Die US-kanadisch-kroatische Produktion verlegt die Geschichte in ein ähnlich entrücktes Setting und setzt erneut auf psychologischen Druck statt plakative Gewalt. Wer das Original kennt, wird sich eine Zeit lang fühlen wie beim Déjà-vu: Die erste Stunde ist nahezu eine 1:1-Kopie, bis der Film im letzten Drittel eine deutlich andere Richtung einschlägt.

                                        Zunächst wird man erneut Zeuge, wie sich zwei Familien im Urlaub begegnen und scheinbar blendend verstehen. Bald darauf folgt das amerikanische Paar Louise (MACKENZIE DAVIS) und Ben (SCOOT MCNAIRY) mit ihrer gemeinsamen Tochter Agnes (ALIX WEST LEFLER) der Einladung der britischen Gastgeber Paddy (JAMES MCAVOY) und Ciara (AISLING FRANCIOSI) – in ein abgelegenes Landhaus, das zur Falle wird. Mit dabei ist auch deren Sohn Ant (DAN HOUGH), der im Zusammenspiel mit Agnes eine zunehmend beklemmende kindliche Dynamik entfaltet. JAMES MCAVOY brilliert als Charmeur mit kontrollierter Unberechenbarkeit, MACKENZIE DAVIS überzeugt mit innerer Zerrissenheit, und auch die Kinder agieren beunruhigend natürlich.

                                        Der entscheidende Unterschied zum Original liegt jedoch im letzten Akt: Statt sich auf die zermürbende Passivität und den absoluten Fatalismus des dänisch-niederländischen Films einzulassen, wechselt JAMES WATKINS in einen klassischen Überlebensmodus – mit Handlung, Gegenwehr und Katharsis. Das ist konventioneller, aber auch emotional lohnender. Wo man sich im Original über die grenzenlose Opferbereitschaft der Protagonisten frustriert zurückgelassen fühlte, bietet das Remake zumindest einen Hauch von Hoffnung und Selbstbehauptung.

                                        Allerdings geht dieser Richtungswechsel auch mit einem inhaltlichen Rückschritt einher: Die Täter werden nicht mehr als Symbol gesellschaftlicher Mechanismen oder sozialer Zwänge inszeniert, sondern schlicht als kaputte Menschen mit kaputter Kindheit. Ein vererbtes Trauma, das sie zu dem macht, was sie sind – das ist simpel, psychologisch unterkomplex und nimmt der Geschichte viel von ihrer ursprünglichen Wucht. Aus bitterer Gesellschaftsanalyse wird ein psychologischer Erklärversuch auf Sparflamme.

                                        Fazit: SPEAK NO EVIL ist atmosphärisch und spannend, bietet starke Performances und eine greifbare Dramaturgie – opfert dabei jedoch die gesellschaftliche Tiefe und unbequeme Konsequenz des Originals zugunsten von Genrekonventionen. Für sich genommen ein starker, wenn auch nicht mutiger Film. Ein fesselndes Remake, das mehr tröstet als verstört.

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                                          999CINEASTOR666 29.04.2025, 21:43 Geändert 29.04.2025, 21:47

                                          Immer Ärger mit Grandpa (OT: The War with Grandpa / AT: War with Grandpa / Roomies) / US/GB/CA / 2020

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                                          Mit IMMER ÄRGER MIT GRANDPA inszeniert TIM HILL eine harmlose Familienkomödie, die sich ganz auf das Duell zweier Generationen verlässt – leider ohne die Sprengkraft, die das Aufeinandertreffen von ROBERT DE NIRO und seinem jungen Gegenspieler OAKES FEGLEY eigentlich versprechen würde.

                                          Die Prämisse klingt simpel, aber vielversprechend: Ein Junge will sein Kinderzimmer zurück und erklärt seinem Opa den Krieg. Was folgt, ist eine Reihe von Streichen, Slapstick-Momenten und gegenseitigen Retourkutschen, die sich zunehmend abnutzen. Zwar bemüht sich der Film, das kindliche Vergnügen an kleinen Rebellionen und den familiären Zusammenhalt humorvoll zu verpacken, doch der Witz bleibt meist vorhersehbar und bieder.

                                          ROBERT DE NIRO wirkt bemüht, bringt aber kaum mehr als routinierte Präsenz mit. Dass ein Oscarpreisträger sich für Rutschpartien auf Murmeln oder versteckte Schlangen im Bett hergibt, mag man als charmanten Altersmut deuten – oder als Zeichen dafür, dass selbst Legenden irgendwann keine guten Drehbücher mehr finden. OAKES FEGLEY macht seine Sache solide, doch das Drehbuch gönnt ihm keine echte Entwicklung. Die übrige Besetzung – etwa UMA THURMAN als gestresste Mutter oder CHRISTOPHER WALKEN als altersmilder Kumpel – bleibt blass und karikiert.

                                          Inszenatorisch ist IMMER ÄRGER MIT GRANDPA sauber, aber völlig uninspiriert. Tempo, Rhythmus und Humor zielen klar auf ein jüngeres Publikum, doch selbst Kinder dürften schnell merken, wie austauschbar das alles ist. Die Konflikte bleiben oberflächlich, die Versöhnung am Ende kommt mit Ansage – ohne wirklich verdient zu wirken.

                                          Fazit: Unterm Strich ist IMMER ÄRGER MIT GRANDPA ein nett gemeinter, aber austauschbarer Spaß, der sein Potenzial verschenkt und von seinen prominenten Namen lebt, ohne ihnen gerecht zu werden. Ein Film, den man schnell wieder vergisst – selbst wenn einem der Opa leid tut.

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                                            999CINEASTOR666 29.04.2025, 21:19 Geändert 29.04.2025, 21:19

                                            The Wolf of Wall Street (AT: The Wolf of Wallstreet) / US / 2013

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                                            THE WOLF OF WALL STREET von MARTIN SCORSESE ist eine atemberaubende Tour de Force, die Kino in seiner reinsten Form zelebriert: wild, respektlos, hypnotisch. Basierend auf den Memoiren des Börsenbetrügers JORDAN BELFORT, ist dieser Film nicht nur ein Porträt hemmungsloser Dekadenz – er ist eine brillante Satire auf die Gier und Maßlosigkeit der Finanzwelt.

                                            LEONARDO DICAPRIO liefert hier eine der besten Leistungen seiner Karriere ab. Mit schier unerschöpflicher Energie verwandelt er Belfort in eine charismatische Naturgewalt – charmant und abstoßend zugleich. Seine Fähigkeit, extreme Emotionen zu kanalisieren, besonders in den grotesk überzeichneten Momenten von Drogensucht und Größenwahn, ist schlicht atemberaubend. Dass LEONARDO DICAPRIO für diese Rolle keinen Oscar erhielt, bleibt bis heute ein Skandal.

                                            MARTIN SCORSESE inszeniert das Geschehen mit einem irrwitzigen Tempo, das keine Atempause lässt. Jede Szene pulsiert vor Leben, sei es durch die exzellente Kameraführung oder durch den mitreißenden Schnitt. Die Mischung aus grellem Humor, schonungsloser Härte und abgründiger Tragikomik trifft stets den richtigen Ton.

                                            Auch JONAH HILL, MARGOT ROBBIE und eine Vielzahl brillanter Nebendarsteller tragen dazu bei, dass keine Figur bloßes Staffage bleibt. Besonders MARGOT ROBBIE beeindruckt als Naomi Lapaglia – stark, verführerisch und viel mehr als das "typische" Opfer eines Narzissten.

                                            Was THE WOLF OF WALL STREET so einzigartig macht, ist seine konsequente Weigerung, zu moralisieren. MARTIN SCORSESE zeigt den Wahnsinn – er kommentiert ihn nicht. Der Zuschauer soll selbst urteilen, was ihn fesselt oder abstößt. Diese Ambivalenz macht den Film nicht nur provokant, sondern auch unbequem ehrlich.

                                            Selten hat ein Film dreistündige Exzesse derart kurzweilig gestaltet. THE WOLF OF WALL STREET ist ein Triumph des modernen Erzählkinos, ein Abgesang auf den amerikanischen Traum, der längst zur Farce verkommen ist.

                                            Fazit: THE WOLF OF WALL STREET ist ein entfesseltes Meisterwerk, das in seiner Radikalität ebenso verstört wie begeistert. Mit unbändiger erzählerischer Wucht, brillanten Darstellern und einem gnadenlos entlarvenden Blick auf den Kapitalismus entwirft MARTIN SCORSESE ein grelles Sittenbild unserer Zeit – hemmungslos, exzessiv und bitterkomisch. Ein Film, der nicht belehrt, sondern herausfordert. Und gerade deshalb so lange nachhallt.

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                                              999CINEASTOR666 28.04.2025, 21:51 Geändert 28.04.2025, 22:07

                                              Ziemlich beste Freunde (OT: Intouchables / AT: Les Intouchables / The Intouchables / Untouchable / The Untouchables) / FR / 2011

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                                              ZIEMLICH BESTE FREUNDE ist einer dieser seltenen Filme, die das Herz berühren, ohne kitschig zu wirken, und die zum Lachen bringen, ohne den Ernst ihrer Geschichte zu verraten. Basierend auf einer wahren Begebenheit erzählt der Film die Freundschaft zwischen dem reichen, querschnittsgelähmten Philippe (FRANÇOIS CLUZET) und dem lebenslustigen Driss (OMAR SY) – und schafft dabei eine emotionale Achterbahnfahrt, die einfach alles richtig macht.

                                              Was den Film so außergewöhnlich macht, ist die perfekte Balance zwischen Tragik und Komik. Trotz der ernsten Ausgangslage – ein Mann, der vom Hals abwärts gelähmt ist – wird keine Minute in Mitleid gebadet. Stattdessen entwickelt sich eine authentische, ehrliche Beziehung zwischen zwei Menschen, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Driss bringt mit seiner respektlosen, aber warmherzigen Art eine Leichtigkeit in Philippes Leben, die diesem alle bisherigen Begleiter versagt hatten.

                                              FRANÇOIS CLUZET und OMAR SY liefern schauspielerische Glanzleistungen ab. Besonders OMAR SY überzeugt mit einer Präsenz, die gleichermaßen charmant, frech und unglaublich sympathisch ist. Seine Darstellung brachte ihm völlig verdient den César als bester Hauptdarsteller ein. Auch FRANÇOIS CLUZET spielt mit beeindruckender Zurückhaltung und großer Tiefe.

                                              Inszenatorisch bleibt ZIEMLICH BESTE FREUNDE angenehm zurückhaltend. Regie und Kameraarbeit stellen sich ganz in den Dienst der Geschichte und lassen die beiden Hauptfiguren und ihre Dynamik glänzen. Der Soundtrack – allen voran die wundervollen Klavierstücke von LUDOVICO EINAUDI – unterstreicht die Stimmung perfekt, ohne sich in den Vordergrund zu drängen.

                                              Was bleibt, ist ein Film voller Lebensfreude, echter Emotionen und unvergesslicher Momente. ZIEMLICH BESTE FREUNDE zeigt, dass Freundschaft alle sozialen Schranken überwinden kann, und vermittelt diese Botschaft auf eine Weise, die weder belehrend noch konstruiert wirkt.

                                              Fazit: ZIEMLICH BESTE FREUNDE ist ein Film, der Herz und Verstand gleichermaßen anspricht – warmherzig, witzig, klug und lebensbejahend. Für mich ein perfektes Kinoerlebnis.

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                                                Fast & Furious: Hobbs & Shaw (OT: Fast & Furious Presents: Hobbs & Shaw / AT: Hobbs & Shaw / Hobbs and Shaw / The Fast and the Furious Spinoff / Fast and Furious Presents: Hobbs & Shaw / Fast & Furious - Hobbs & Shaw / Wild Speed: Super Combo) / US/JP / 2019

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                                                Mit der Fast-&-Furious-Reihe hatte ich eigentlich abgeschlossen – spätestens nach dem dritten Teil war für mich die Luft raus. Doch als bekannt wurde, dass DWAYNE JOHNSON und JASON STATHAM in einem eigenen Spin-off zusammen antreten würden, war klar, dass ich nicht widerstehen konnte. Und tatsächlich wurde ich nicht enttäuscht.

                                                Der Film setzt voll auf das, was man von einem Action-Blockbuster erwartet: spektakuläre Stunts, explosive Verfolgungsjagden und jede Menge kernige Sprüche. Was ... aber besonders macht, ist die grandiose Chemie zwischen seinen beiden Hauptdarstellern. Ihr ständiges Necken, die Schlagabtausche und das perfekt getimte gegenseitige Aufziehen verleihen dem Film eine Leichtigkeit, die ihm richtig guttut. Man merkt ihnen an, dass sie Spaß an ihren Rollen haben – dieser Funke springt sofort auf das Publikum über.

                                                Die Story ist, wie zu erwarten, eher zweitrangig: Der kybernetisch verbesserte Superschurke Brixton (IDRIS ELBA) bedroht die Welt, und Luke Hobbs (DWAYNE JOHNSON) und Deckard Shaw (JASON STATHAM) müssen sich trotz aller Animositäten zusammentun, um ihn zu stoppen. Logik sollte man hier nicht auf die Goldwaage legen – dafür bekommt man aber Actionsequenzen geboten, die herrlich übertrieben und bewusst unrealistisch inszeniert sind. Genau diese Selbstironie macht einen großen Teil des Charmes aus.

                                                Optisch wird ein Feuerwerk abgebrannt: Von London über Russland bis nach Samoa – die Schauplätze wechseln rasant und sorgen für eine ständige Dynamik. Auch der Soundtrack passt sich perfekt an das Geschehen an und treibt die Action zusätzlich an.

                                                Natürlich ist ... kein Film, den man für seine tiefgründige Handlung lobt. Aber als das, was er sein will – ein brachialer, spaßiger Actiontrip mit zwei charismatischen Hauptdarstellern – funktioniert er hervorragend.

                                                Fazit: Wer DWAYNE JOHNSON und JASON STATHAM in Bestform erleben will, kommt an ... nicht vorbei. Es ist genau das richtige Maß an Over-the-Top-Action, Humor und Coolness. Für mich eine sehr positive Überraschung.

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                                                  Die etwas anderen Cops (OT: The Other Guys / AT: The B Team / The Back Ups / Very Bad Cops) / US / 2010

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                                                  ... versucht eine Parodie auf klassische Buddy-Cop-Filme zu sein, bleibt dabei aber weit hinter seinen Möglichkeiten zurück. Regisseur ADAM MCKAY setzt auf eine wilde Mischung aus Slapstick, absurden Dialogen und schrägen Charakteren – doch vieles davon wirkt einfach nur überdreht und selten wirklich lustig.

                                                  MARK WAHLBERG und WILL FERRELL spielen zwei Polizisten, die normalerweise nur Schreibtischarbeit erledigen, sich aber plötzlich inmitten einer großen Verschwörung wiederfinden. Während die Figur von WILL FERRELL auf übertrieben spießige Art schrullig ist, gibt MARK WAHLBERG den aufbrausenden Macho – eine Dynamik, die zwar hin und wieder für ein Schmunzeln sorgt, aber schnell ermüdet. Beide Hauptfiguren bleiben karikaturenhaft und schaffen es kaum, echte Sympathien zu wecken.

                                                  Kurzzeitig sorgen DWAYNE JOHNSON und SAMUEL L. JACKSON als übertriebene Supercops Danson und Highsmith für Tempo und Witz. Ihr Auftreten parodiert herrlich die Macho-Actionhelden der 80er und 90er Jahre. Doch nachdem sie früh aus dem Film ausscheiden, fällt das Tempo spürbar ab – eine Lücke, die MARK WAHLBERG und WILL FERRELL nicht wirklich zu füllen vermögen.

                                                  Der Humor des Films ist extrem durchwachsen: Manche Gags zünden, viele jedoch versanden in der Belanglosigkeit oder wirken erzwungen. Gerade die Running Gags verlieren schnell ihren Reiz. Auch die satirischen Elemente, die eigentlich Kritik an Korruption und Finanzskandalen üben sollen, wirken halbherzig und passen nicht zum sonst albernen Ton des Films.

                                                  Technisch ist der Film solide produziert: Es gibt ein paar gut inszenierte Actionszenen und der Soundtrack ist abwechslungsreich. Doch das kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Handlung zerfahren ist und der Film sich häufig selbst im Weg steht.

                                                  Fazit: ... hätte eine clevere Komödie werden können, ist aber letztlich eine anstrengende Aneinanderreihung lauwarmer Gags und verschenkter Ideen. Trotz einiger weniger guter Momente bleibt unterm Strich eine enttäuschende Erfahrung.

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                                                    999CINEASTOR666 28.04.2025, 20:35 Geändert 28.04.2025, 20:54

                                                    Cop Out – Geladen und entsichert (OT: Cop Out / AT: A Couple of Cops / A Couple of Dicks) / US / 2010

                                                    >>> mit Vorsicht zu genießen /// enthält möglicherweise Spuren von leichten Spoilern <<<

                                                    ... ist eine klassische Buddy-Cop-Komödie, die sich auf die bewährten Elemente des Genres stützt: zwei gegensätzliche Polizisten, jede Menge Chaos und eine Handlung, die von einem Missgeschick ins nächste stolpert. BRUCE WILLIS und TRACY MORGAN geben das ungleiche Duo – und genau ihre Chemie ist es, die den Film trotz seiner Schwächen am Laufen hält.

                                                    Die Story ist simpel: Zwei altgediente Cops verlieren eine wertvolle Baseballkarte, die BRUCE WILLIS Figur verkaufen wollte, um die Hochzeit seiner Tochter zu finanzieren. Auf der Jagd nach der Karte geraten sie an Gangster, Drogendealer und allerlei skurrile Situationen. Der Humor schwankt dabei zwischen gelungenen Gags und Albernheiten, die nicht immer zünden. Vor allem TRACY MORGAN setzt auf übertriebene Grimassen und lautes Drauflosspielen – was je nach Geschmack entweder nervt oder unterhält.

                                                    Was ... jedoch sympathisch macht, ist sein spürbarer Hang zur Hommage an 80er-Jahre-Actionkomödien. Die Musik, die Dialoge und die völlig überzogene Action erinnern stark an Filme wie LETHAL WEAPON oder BEVERLY HILLS COP. Regisseur KEVIN SMITH, selbst bekennender Fan solcher Filme, bringt diese Atmosphäre durchaus authentisch rüber. Leider mangelt es dem Drehbuch an Frische: Viele Pointen wirken altbacken, und die Handlung folgt sehr vorhersehbaren Bahnen.

                                                    BRUCE WILLIS spielt seine Rolle routiniert herunter – er wirkt manchmal fast zu gelangweilt –, während TRACY MORGAN den Film mit seinem schrillen Humor fast allein trägt. In einigen Szenen funktioniert das gut, in anderen überdreht es die Balance.

                                                    Technisch ist der Film solide umgesetzt: flotte Schnitte, ein treibender Soundtrack und ein insgesamt stimmiges Tempo. Wer keine allzu großen Erwartungen hat und Lust auf einen unkomplizierten Buddy-Cop-Film im Retro-Stil verspürt, kann mit ... einen unterhaltsamen Abend verbringen.

                                                    Fazit: ... ist weder ein Highlight noch ein völliger Reinfall. Er lebt von der Chemie seiner Hauptdarsteller, der Nostalgie für das 80er-Genre und einigen gelungenen Gags. Insgesamt nett, aber weit entfernt von einem Klassiker.

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