Arakune - Kommentare
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Alle Kommentare von Arakune
[...] Somit präsentiert sich THE MASTER tatsächlich weniger als die erwartete Scientology-Dekonstruktion sondern mehr als waschechtes Veteranen-Drama. Zwischen diesen thematischen Ankerpunkten spannt das Autorenkino-Wunderkind eine inhaltliche Brücke aus Größenwahn: Ab dem Zeitpunkt, in dem der krankhaft alkoholsüchtige Freddie auf das ebenso obsessiv veranlagte Multi-Talent Lancaster Dodd (unvorhersehbar erruptiv: Philip Seymour Hoffman) trifft, macht das Werk eine überraschende Kehrtwende und verwandelt sich vom reinen Post-Kriegs-Film zur kryptischen Analogie eines universellen Meister-Lehrling-Prinzips, das auf animalische Zügellosigkeit und matriarchaische Kraft trifft. Was viele als wunderbar ambitioniert betiteln würden, werden ebenso viele wohl als erschreckend überfrachtet empfinden. [...]
"I seen another world. Sometimes I think it was just my imagination."
Mit THE THIN RED LINE beleuchtet der amerikanische Regisseur Terrence Malick objektiv die Schrecken des Krieges in malerischer Pflanzen- und Tier-Kulisse. Ihm dient der regelrecht tragische Kontrast aus erhabener natureller Schönheit und den Schrecken des Kampfes als Katalysator seiner nachdenklich-sibyllinischen Ausführungen, welche bezaubernd viel Raum für mögliche Interpretationen lassen. Die Poesie seines dreistündigen Mammut-Werkes macht sich jedoch nicht nur in seiner majestätischen Semiotik und den wohl nuancierten Hans Zimmer-Kompositionen bemerkbar, sondern begeistert gleichsam in den monologischen Reflexionen seiner Charaktere. Permanent belässt er den Fokus auf diesen, offenbart mithilfe der Offenlegung ihrer tiefsten Gedanken Ideale, Träume und die zum Schutz auferlegte Maskerade der zahlreichen vielschichtig gezeichneten Charaktere. Dadurch gelingt es ihm trotz seines sehr artifiziellen Stils, ein zutiefst berührendes Kino der emotionalen Magie zu kreieren, weil plötzlich selbst Nebenrollen irrational erfassbar werden. Dieser dramaturgische Kniff mag vielleicht nicht unbedingt neu oder revolutionär sein, doch ist er mit einer Virtuosität umgesetzt worden, die weit und breit ihresgleichen sucht und lediglich durch ihre schiere Unüberschaubarkeit kleinere Empathie-Einbuße zu verbuchen hat. Der kontinuierlich spürbare esoterische Unterton seiner Geschichte duftet zwar mild nach Religiosität, überlässt uns glücklicherweise letztlich aber die subjektive Deutung dieser und gibt uns genügend Raum zum Atmen. Malicks Natur ist wunderschön und hässlich zugleich, friedlich und tödlich, edel und hinterlistig – die gleiche stets in sich verwobene Dualität, von der auch seine Figuren gepträgt sind. Seine Welt ist ein behutsames Wechselspiel aus tristem Grau und fantastisch-bunten Farben – der Krieg das tiefste Schwarz, in dem nur selten ein winziger Funke Licht zu erkennen ist. Vielleicht ist THE THIN RED LINE gerade deshalb ein so großer Film, weil ein jeder etwas anderes darin zu sehen vermag.
Erneut verwendet Regisseurin Susanne Bier die Kluft der zwei Welten (Afrika und Europa), um ihre belehrende, beinahe an Michael Haneke gemahnende Geschichte rund um Gewalt, Macht und Sehnsüchte zu erzählen. Wie man auf Unterdrückung reagieren soll und kann, das zeigt sie uns mit überzeugenden Jung- und Altdarstellern, welche den Film über weite Teile glücklicherweise tragen können. Letztlich jedoch kann weder das wiederkehrende Büßer-Motiv mit dazugehöriger Unicef-Ästhetik, noch die nett vorgetragenen Parabeln über das größtenteils zwar ambitionierte aber gleichsam uninspirierte Konzept des Films hinwegtäuschen. Anschließend werden noch einige Häppchen zur Killerspiel-Debatte serviert sowie gefühlte zehn Parallel-Enden abgefrühstückt und fertig ist der dröge Film-Brei über klassische Scheidungsfamilien und kranke Afrikaner. Susanne, Gewalt erzeugt Gegengewalt, hat man Dir das nicht erklärt?
"When we get to the country, we are gonna piss up all the trees to mark our teritory, then we are gonna find a pub and get so drunk we can’t remember how to speak, and we’ll communicate in grunts like neanderthals, before passing out in the woods!"
Nach einer zweckmäßigen Kurz-Exposition und dementsprechend wenig Suspense geht das muntere Gemetzel los: Stimmig, aber ziemlich gemächlig temporiert, mit spärlich verwendeten Splatter-Effekten der guten Mittelklasse – der britische Regisseur Jake West läutet zum blutigen Kampf der Geschlechter. Seine recht kreative Grundidee wird dabei jedoch leider nur peripher ausgereizt: DOGHOUSE ist maßlos chauvinistisch und doch kann man dem Film ob seines harmlosen Dödel-Charakters nicht wirklich böse sein – das ist offen zelebrierter Sexismus mit einer klitzekleinen Prise Selbstironie. Stereotype Charakere werden von archetypisch gestalteten (Killer-)Frauen belagert, Klischees treffen aufeinander und werden bedient. Seine guten Momente hat DOGHOUSE allerdings nicht beim munteren Schnetzeln seiner Emanzen-Zombies, sondern in seinen herzlich inszenierten Augenblicken der unverfälschten Männerfreundschaft; daher funktioniert der 2009 produzierte Film eher als klassischer Buddy-Movie und weniger als effektreicher Slasher, dessen einzige Stärke wiederrum durch eine arg konstruiert und oberflächlich wirkende Anti-Helden-Gruppe, deren Freundschaft man sich nur schwerlich im realen Leben vorstellen könnte, etwas zunichte gemacht wird. All seiner Inkonsequenzen und Fehler zum Trotz hätte indes seine Schlusseinstellung nicht passender gewählt sein können – dieser ist es letztlich zu verdanken, dass DOGHOUSE sich (minimal) vom drögen Metzel-Allerlei abhebt und sehenswert bleibt. Geradezu prädestiniert für einen vergessenswert-kurzweiligen Feierabend-Schlitz.
"Well, short help is better than no help at all."
Mit erhabener Schönheit schwebt die vom mehrfachen Oscar-Preisträger John Williams komponierte Film-Musik durch alle drei Teile, beflügelt Schlüsselszenen zu wahrer Größe und verleiht tragischen Momenten den nötigen Schmerz. Durch minimale Variation seiner verwendeten musikalischen Motive gelingt es ihm, maximale Emotionen beim bloßen Abspielen eines Stücks hervorzurufen. Und bei STAR WARS geht es primär Emotionen, denn es fungiert als subjektives Erzählkino par excellence – George Lucas’ Ur-Trilogie steht für eine Zeit des (meist) unschuldigen Gefühlskinos, das heutzutage beinahe vollkommen ausgestorben scheint.
Im Grunde erscheint die KRIEG DER STERNE-Reihe als klassische Gut-gegen-Böse-Geschichte. Märchenhafte Motive, archetypische Charakter-Konstellationen und der vorhersehbare Ausgang der Geschichte sind fester Bestandteil aller Filme; es zählt jedoch weder das Was, noch das Warum, sondern ausschließlich das überaus kreative Wie, mit dem die Geschichte equipiert ist. Erzählerische Raffinesse, überraschende Wendungen, exotische Schauplätze und überbordende Fantasie sind seit jeher das Markenzeichen der stilistisch subversiven Science Fiction-Saga.
Stellte Teil 5 die ergänzende Weiterentwicklung des zugrunde liegenden Erstlings dar, so ist THE RETURN OF THE JEDI die komplettierende Perfektionierung des Konzepts. Sein Wechselspiel aus natürlicher Irrationalität und gigantomanischen Weltraum- und Bodenschlachten wurde nie wieder derart meisterlich umgesetzt und lässt auch einige dramaturgische Schwächen vergessen. Mit gebannter Miene schauen wir der mittlerweile ach so liebgewonnenen Heldengruppe und ihren Verbündeten beim Kampf gegen die imperialistische Terror-Herrschaft zu, bangen, leiden, freuen uns und sind permanent fester Bestandteil von ihnen. Das beseelende Gefühl der Zugehörigkeit wurde selten so intensiv im Medium Film implementiert. Die euphorischen Schluss-Szenen nicht weniger als ein orgiastischer Rausch vollkommener Freiheit.
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Familie und Sex. American Dream und Auflehnung. Seine gutbürgerlichen Familien zelebrieren den amerikanischen Traum, haben Kinder und führen eine – oberflächlich – glückliche Ehe. Ihr Verlangen nach Konsum ist ebenso groß wie das Begehren der hübschen Nachbars-Ehefrau; verloren im bigotten Zwiespalt aus Erhaltungswillen der gemeinsamen Existenz und dem Aufbrechen der Ketten gesellschaftlicher Konventionen; trotz stark divergenter Unterschiede ungemein von den sogenannten Hippies inspiriert, gestehen sich dies aber zu keinem Moment voll ein. Lediglich der typisch adoleszente Drang nach Auflehnung gegen die Erzeuger ist frei jeglicher Heuchelei – Polygamie, Rebellion und Ablehnung der politischen und innerfamiliären Machtapparate; was anfangs wie Chaos anmutet, entpuppt sich alsbald als einzige Wahrheit im undurchsichtigen Geflecht verlogener Träume und Versprechungen.
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Die schiere Riesenwelle an Personen und Nebencharakteren wird immer wieder durch sanfte Komik aufgelockert, wenn z. B. selbstreflexiv und -ironisch auf den mit parabolischen Anekdoten und Lebensweisheiten nur so um sich werfenden Daniel-Day Lewis, der bravurös den alternden Präsident verkörpert, geblickt wird.
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Dennoch fragt man sich, was der heute 66-jährige Amerikaner mit diesem Film nun eigentlich bezwecken wolle, der kein vollkommenes Biopic darstellt aber auch als Legenden-Stilisierung bzw. Demontage zu inkonsequent und ziellos wirkt. Tatsächlich scheint es so, als würde Spielberg die kollektiven Geschichtskenntnisse des amerikanischen Volkes auffrischen wollen, ohne es mit allzu negativen Aspekten gleichzeitig zu verschrecken. Sein zaghafter Versuch einer hinterfragenden Darstellung beleuchtet zu wenig, als dass man den einst berühmtesten Mann der Vereinigten Staaten einigermaßen verstehen könnte. Vielleicht hätte er sich sparen sollen, den manipulativen Moment seines tragischen Todes einzufangen, sondern die Erzählung historisch ein paar Wochen vorher einzusetzen. Ja, vielleicht, aber nur vielleicht, wäre dann aus LINCOLN nicht nur ein kinematographisch ausgezeichneter Film geworden, sondern auch ein konzeptionell gutes Werk. [...]
Häufig sind Susanne Biers Filme geprägt von einer feministischen Weltsicht und auch NACH DER HOCHZEIT kommt nicht ohne den fremdgegangenen Büßer aus, der in eine für sie typische, groteske Familienkonstellation geworfen wird. Spielend kontrastiert sie die Probleme von Arm und Reich, ohne sich jedoch selbstgerechterweise ein abschließendes Urteil über das Gezeigte zu erlauben. Auch hier steht im Zentrum der Geschichte ein schlechter Mensch, der aus seinen Fehlern lernen muss und durch gemeinnützige Arbeit schließlich zur Läuterung gelangt. Getragen wird das Werk hierbei von seiner emotionalen Intensität, die hervorragend von ihren Hauptdarstellern (allen voran: Rolf Lassgård als Jørgen) transportiert wird. Bissige Dialoge und interessante Seitenhiebe auf Kapitalismus und Konsum machen NACH DER HOCHZEIT zu einem überaus sehenswerten Stück Soziologie-Film, dessen teils plumpe Symbolik und die tendenziell langatmige Geschichte eine höhere Wertung leider verhindern.
Äußerst perfide Schreckensfantasie im filmischen Rahmen des Dogma 95-Abkommens, mit dem jedoch mehr als einmal schamlos gebrochen wird. Die schauspielerischen Glanzleistungen von Mikkelsen, Richter und Kaas machen OPEN HEARTS zu einem eindringlichen und niederschmetternden Werk über die Macht von Zufall in der Liebe und gescheiterte Beziehungen. Inszenatorisch präsentiert sich der Film als überraschend schlecht gealtert, doch ansonsten macht sich schon hier Susanne Biers Gespür für bittere Ironie und zynischen Humor schwärzester Couleur bemerkbar. So ist OPEN HEARTS letztlich ein angenehm ambitioniert daherkommender Depri-Film, den man nicht unbedingt in ein Dogma-Gewand hätte kleiden sollen; er lebt ausschließlich von seiner grausamen Grundidee, weiß überdies aber leider nicht allzu viel Neues zu dieser Thematik zu erzählen und bleibt über weite Strecken erstaunlich ziel- und ideenlos. Ein Film für junge Paare über alte und junge Paare. Nimmst Du mir meinen Mann, so nehme ich Dir Deinen.
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Anstatt wie noch im Vorgänger primär die Verkommenheit der Gesellschaft zu karikieren und klassische Feindbilder zu neuen Helden zu verklären, stößt Burton in tiefere Zonen vor und hinterfragt seinen eigenen Protagonisten. Seine zweite satirische Abrechnung gilt der urbanen Politik und den dazugehörigen Intrigen und Rangspielen, welche durch mediale Manipulation die gefährliche Macht des heuchlerischen Volkes erlangt.
Neben Tim Burtons allgegenwärtig wahrzunehmender visueller Ästhetik behandelt BATMAN RETURNS erneut die typischen Motive seines Schöpfers: Er bricht mit der bis dahin üblichen Helden-Ikonisierung und verwischt alle Schwarz-Weiß-Malerei zu einem schmutzigen Grau. Der subversive Perspektiv-Wechsel eines BEETLEJUICE wird abermals aufgegriffen und in die Realität transportiert; everything is kind of evil. Ironischerweise gelingt es lediglich den beiden Antagonisten, sich im Laufe des Films von ihrer manipulierten Opfer-Rolle zu emanzipieren und blutige Vergeltung an Gesellschaft und Politik zu üben; Batman hingegen beißt sich weiterhin an seinen veralteten Dogmen fest und radikalisiert diese bisweilen sogar.
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[...] Subtil, aber einfach erklärt, erzählt FINDET NEMO eine spannende Coming-of-Age-Geschichte, welche den emotionalen Fokus jedoch interessanterweise nicht auf den Heranwachsenden selbst, sondern auf dessen Vater richtet. Konnten Kinder bislang in Kinofilmen nur speziell auf sie zugeschnittene Identifikationsfiguren betrachten, eröffnet sich ihnen nun durch die spezielle Erzählperspektive Marlins eine ganz neue Sicht der Dinge, die subversiver Weise auch dazu beiträgt, gängige Erzählstrukturen zu sprengen und die eigenen Eltern ex abrupto besser zu verstehen. Höchst originell wird duale Narration mit wiederkehrenden Charakteren verwoben, um ein mitreißendes Road-Movie für die ganze Familie zu schaffen.
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Von den neu hinzugefügten 3D-Effekten sollte man keine großen Aha!-Momente erwarten, dienen sie lediglich dazu, der gesamten Szenerie eine höhere Raumtiefe zu verleihen und die Schauplätze noch einen Hauch realistischer zu präsentieren. Dadurch eröffnen sich dem Zuschauer erst ab jetzt die schier unendlichen Weiten des Meeres, die abseits der Kamera im Verborgenen bleiben, was an den richtigen Stellen sogar etwas wie ehrfurchterregende Ungewissheit auszulösen vermag. [...]
[...] Sand. Hitze. Wüste. Unendliche Weiten. Lebensfeindliches Land. Die grausame Gewalt Gottes. Der Sand giert nach Blut, ernährt sich davon, verlangt zeitlebens seinen mörderischen Wegzoll und ist unersättlich; der große Feuerball am Himmel glüht währenddessen unnachgiebig und verbrennt ausgemergeltes Fleischgewebe. Kein Araber liebt die Wüste – er sehnt sich nach grünen Wiesen und erfrischendem Wasser. Nur adipöse Ausländer halten sie fälschlicherweise für einen übergroßen Abenteuerspielplatz, der nach ihren idealistischen Regeln funktioniert. Schnell sollte man diese ablegen, möchte man in der real gewordenen Hölle auf Erden bestehen. Grausame Barbaren. Schlachten sich gegenseitig für eine Karaffe voll Wasser ab – kennen keine andere Sprache als metallische Gewalt, argumentieren schlagfertig. Oh, er war Dein Freund? Nun, die Wüste wollte es nicht anders. Sie wird verzeihen. Nicht mehr lange und auch Du wirst verstehen.
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Obwohl einige Ereignisse fiktiven Ursprungs sind: David Lean zeigt, aber er wertet nicht. Wir erleben beflügelnde Augenblicke unendlicher Schönheit gleichermaßen wie hoffnungslose Eindrücke von der Düsternis des menschlichen Seins. Wir sind verantwortlich dafür, ob wir in Lawrence einen friedenbringenden Propheten, einen desillusionierten Kriegstreiber, der die Achtung vor dem Leben verloren hat, oder eine menschliche Waage beider Extreme sehen wollen. Legenden wurden schon immer vom Volk selbst erschaffen; und von denen, die ihre Geschichte manipulativ niederschreiben. LAWRENCE OF ARABIA als durchdachtes Werk von biblischer Omnipotenz, welches jeden Kritikpunkt mit Leichtigkeit abzuwehren vermag. [...]
"It’s a hard world for little things."
DIE NACHT DES JÄGERS ist weniger wegen seines bemerkenswerten Spannungsbogens der stilbildende Klassiker, der er heute ist, sondern viel eher durch seine Fähigkeit, die Sujets und Versatzstücke vielerlei Genres homogen zu kombinieren und sich letztendlich doch von seiner Patchwork-Attitüde zu emanzipieren. Charles Laughtons erste und einzige Regie-Arbeit thematisiert primär die Rolle der Religion im südlichen Amerika der 1920-Jahre und seine polarisierenden Auswirkungen. Dies wird vor allem in Form des charismatisch-bösen Ex-Häftlings Harry Powell deutlich: Seine einfältigen Mitbürger schöpfen trotz seiner eigenwilligen Art keinerlei Verdacht, solange er jeden seiner Versprecher mit einem vermeintlich tiefgründigen Bibel-Zitat relativiert. In religiösem Eifer werfen sie sich ihm zu Füßen – dem wahrhaftig diabolischen Wolf im Schafspelz. Die Gesellschaft in Laughtons Werk ist eine altertümliche: Nur durch eine traditionelle Rollenverteilung in der Familie scheint es überhaupt möglich, seine Kinder angemessen erziehen zu können. Und so nimmt das bereits abzusehende Unglück seinen Lauf.
Stilistisch deutlich vom expressionistischen Film der Frühzeit inspiriert, gelingt es Laughton in seinem Debut, ausgefeilte Symboliken, die schwierige Religionsthematik, Gesellschaftskritik und das kindliche Älterwerden gleichergestalt in einem surrealen Thriller-Märchen von zutiefst düsterer und bedrückender Gestalt zu vereinen. Seine letzte Aussage ist demgemäß auch ebensowenig autokratisch wie vollkommen herzerwärmend: Religion bleibt letzten Endes immer noch jedem selbst überlassen – manchem benebelt es die ohnehin schon wenigen Gedanken, den anderen treibt es zum tugendhafte(re)n Leben; und wieder andere interessiert es gar nicht. Die Charaktere befreien sich im verdienten Freudentaumel vom eingeflößten Dualismus des Harry Powell und finden das wahre Glück.
"Your weapons, you will not need them."
Größer, schneller, besser: Was bereits in Episode IV trotz einiger Längen hervorragend funktionierte, setzt der neue Regisseur Irvin Kershner routiniert um. Durch das deutlich angezogene Erzähltempo präsentiert sich THE EMPIRE STRIKES BACK als das bessere A NEW HOPE. Herzerwärmende Emotionalität, gigantische Bodenschlachten und mitreißende Verfolgungsjagden machen den zweiten Teil der Ur-Trilogie zu einem Paradebeispiel liebevoller Science Fiction-Unterhaltung, welche heutzutage leider viel zu selten anzutreffen ist. Mit der fantastisch inszenierten Einführung des legendären Charakters Yoda gelingt Kershner etwas besonderes: Binnen weniger Momente vollbringt er es, die altertümliche Mystik des Jedi-Ordens in Form des Planeten Dagobah visuell und irrational erfassbar zu machen. Spätestens jetzt sind die ungleichen Abenteurer zu einer unzertrennlichen Gemeinschaft bedingungsloser Freundschaft geworden, die sogar mehr wiegt als das Wohl der gesamten Galaxie.
THE EMPIRE STRIKES BACK ist ein Manifest der kleinen Großen Gefühle, ein theatralisches Weltraum-Epos. Freundschaft, Liebe, Zorn - sein packendes Finale mit dem wohl berühmtesten Zitat der Filmgeschichte macht den Film aus dem Jahre 1980 zu einem unvergesslichen Erlebnis, welches dank seiner dualen Narration und cleveren Wendungen auch heute noch ein gleichermaßen für Jung und Alt geeignetes Märchen-Abenteuer der fantastischen Art ist; die mit hoch-kreativen Kostümen und beeindruckenden Szenerien ausgestattete galaktische Gigantomanie. Entgegen dem allgemeinen Grundsatz ist Episode V weit mehr als ein dröger, inhaltlicher Lückenfüller: Er ist die konsequente, düstere Reformation seines noch etwas prototypisch wirkenden Erstlings.
"Divine decadence darling!"
CABARET zelebriert die therapierende Wirkung der Kunstform des satirischen Musicals in jeder Sekunde und verwendet im selben Moment verstörend dualistische Perspektiv-Montagen, um an den Wahnsinn und Schrecken des Faschismus’ zu erinnern. Stets bestimmt das aktuelle Tagesgeschehen die lasziv-dekadenten Bühnenprogramme des surrealistisch eingefangenen Kit Kat Clubs im Berlin der 1930er-Jahre. Einfältige Bürger der Arbeiterklasse beginnen derweil, sich in fanatischen Gemeinschaften zu gruppieren, sprießen wie Giftpilze hervor und verpesten das ohnehin schon kritische Klima der deutschen Großstadt. Grausam der gefährliche Kontrast aus brutaler Gewalt und künstlerischer Ausgelassenheit, der anfangs nur vereinzelt, später jedoch omnipräsent auf die Leinwand tritt. Entgegen des Ur-Broadway-Stücks richtet Regisseur Bob Fosse neben den karikierenden Bühnenshows seinen Fokus auf die Beziehung zwischen Sally und Brian; beide fungieren als Archetypen für politische Identitäten. In einer frivolen Dreiecksbeziehung eskaliert das Kokettieren mit dem ideologisch oppositären Gegenüber schließlich – Pro und Contra, artifizielle Scheinwelten und Realität. CABARET ist ein Kind des Dualismus. So befreiend und eskapistisch Kunst auch ist, die Welt vermag sie leider nur in den seltensten Fällen zu verändern.
[...] Die Gegensätze sind es, mit denen Kurosawa spielt - während Sanjuro denen mit aufrichtigem Herzen helfen möchte und nicht viel mehr als etwas Nahrung und Trinken dafür verlangt, giert Muroto nach Macht und geht dabei bisweilen sogar über Leichen; ähnlich verhält es sich mit dem eindrucksvollen Kontrast zwischen dem verträumten, mit wunderschönen japanischen Pflanzen geschmückten Garten, in dem unsere neun Kämpfer hauptsächlich Zuflucht finden, und dem bildlich angedeuteten Kriegsschauplatz, der sich rund um die Mauern dieses beschaulichen Grundstücks herum erstreckt. Doch die anfangs noch leicht zu ermittelnde Relativität von Gut und Böse wird spätestens mit der Schlusseinstellung eindrucksvoll in Frage gestellt. Der 1962 erschienene Film ist ein etwas in die Jahre gekommener, jedoch stets sehenswerter Beitrag über Ying und Yang, Gut und Böse; der herrenlose, umherreisende Sanjuro die veranschaulichte Grauzone dessen.
[...] Kein Mensch ist perfekt. Nur allzu oft erlauben wir uns ein vorschnelles Urteil über jene, die ihren Imperfektionismus nicht heuchlerisch unter einer Maske verstecken. Konventionen schreiben uns vor, wie wir zu handeln und zu denken haben; was gut und was schlecht ist; was richtig und falsch; was Liebe bedeutet und wen wir zu lieben haben. Doch SILVER LININGS zelebriert das Entsagen dieser – es lebe die ungeschönt-ehrliche Andersartigkeit! Haben wir nicht alle irgendwo unsere schrägen Eigenheiten?
Ab Ende des zweiten Drittels folgt der atmosphärische Bruch. Aus dem schwarzhumorig-finsteren, psychologisch intendierten Charakter-Drama wird allmählich eine zumeist heiter inszenierte romantische Komödie. Glücklicherweise jedoch gelingt es Regisseur David O. Russell, trotz allem hinzugewonnen Optimismus nicht seine maliziösen Wurzeln zu vernachlässigen und den Übergang harmonisch-fließend zu gestalten. Nicht gänzlich ohne subversiven Charakter vollbringt er es, über die gesamte Laufzeit hinaus gleichermaßen selbstironisch wie -reflexiv auf gängige Genre-Sujets zu blicken und dennoch stets als wesentlicher, emotionaler Bestandteil von diesen zu existieren. Kurzzeitig, scheinbar nebensächlich, vermittelt er auf manipulative, aber höchst effektive, Weise das euphorisierende Gefühl des sportfanatischen Zusammenhalts, um die Endorphine kurz darauf in einer brutalen Ausschreitung schon wieder rasch verebben zu lassen – stets spielt SILVER LININGS suggestiv mit den vorhersehbaren Empfindungen des Zuschauers. [...]
"Any world that can produce the Taj Mahal, William Shakespeare, and Stripe toothpaste can’t be all bad."
Mit Schirm, Charme und Melone entwirft Regisseur und Autor Billy Wilder im historischen Kontext des Kalten Krieges eine schlagfertige Real-Satire und aristophanische Polit-Karikatur. So ist der gebürtige Österreicher zwar nie auch nur annähernd wertungsfrei, doch werden gleichermaßen Ost wie West, Links wie Rechts auf die hinterfragende Schippe genommen – Wilder wütet mit komödiantischem Geschick und niemand ist vor seinen bissigen Hieben sicher. Mit sichtlicher Freude demontiert er politische Ideale und Lebensstile, rechnet auf humoristische Art mit Korruption und Mitläufertum des deutschen Volkes ab, ohne sich allerdings mit erhobenem Zeigefinger über sie zu stellen.
Vor allem – aber nicht nur – aus damaliger Sicht dürfte EINS, ZWEI, DREI für ein mulmiges Bauchgefühl gesorgt haben, als der damals 55-Jährige gleichermaßen das kapitalistische Patriarchiat wie auch die Doppelmoral der Kommunisten ad absurdum führt, im dialogischen Zusammentreffen beider Gegensätze wortspielerische Glanzleistungen und wohl pointierte Leichtfüßigkeit kombiniert und somit fein- wie auch hintersinnige Komik kreiert. Das ungleiche junge Liebespaar fungiert als burleske Metapher für das Poussieren mit dem [ideologischen] Feind und die Blindheit der Liebe, die anfänglich alle Grenzen und Gesetze außer Kraft zu setzen weiß – bis der Blick durch die rosarote Brille allmählich aufklart und sich eine der beiden Seiten entscheiden muss. Mit einem rasanten Crash-Kurs in Sachen Kapitalismus endet der 1961 produzierte Film schließlich und präsentiert sich bis in die letzte Kamera-Einstellung als das, was er im Grunde ist: Ein wohl akzentuierter, mit einem perfekten Drehbuch ausgestatter Witz, ein skurriles Zeitgeist-Portrait der DDR, bei dem wohl jeder Zuschauer zum Wenigsten ein paar verschmitzte Backpfeifen kassieren dürfte. Billy Wilder, der charmante Karikaturist.
"These aren’t my rules. Come to think of it, I don’t have any rules."
Auch mit BEETLEJUICE hat man einen allzu typischen Tim Burton-Film vor sich, der mit den altbekannten Elementen kokettiert: Erneut ist der Ort der Handlung das beschauliche Städtchen, das von einer skurrilen, zumeist verdorbenen Gesellschaft bevölkert wird, welche durch ein prägendes Erlebnis geläutert wird; sein zentrales Thema der Tod und dessen Umgang. Anstatt jedoch die sich stetig ähnelnden Sujets lediglich repetativ zu verwenden, ordnet er sie in den verschiedensten Konstellationen an, variiert und schafft somit ein Mehr an gern gesehener Abwechslung. Der Amerikaner reichert das ohnehin fantastische Konzept mit prägnanten Ideen und ergötzlichen Spezial-Effekten an, demontiert geschickt das oft verwendete Haunted House-Schema und gönnt diesem zugleich mit seiner subversiven umgekehrten Erzählperspektive die bitter nötige Frischzellenkur. Das Jenseits als eine bürokratische Verwaltungshölle, in der man von der purpurnen Selbstmörder-Sekretärin zum überrollten Sachbearbeiter-Verteiler weitergeleitet wird, um schlussendlich bei einem kettenrauchenden Angela Lansbury-Verschnitt zu landen. Burton vermengt treffsichere Gentrifizierungssatire mit dem anarchistischen Schauspiel des größtenteils improvisierenden Michael Keaton, der als titelgebender Poltergeist Beetlejuice herhält und durch seine wunderbar überzogenen Gesten sowie unbändigen Sexismus am meisten Freude und Kurzweil verbreitet. Er präsentiert sich als ikonischer Gegenentwurf zum prüden Spießertum, auserkoren, um die dröge Welt der Sterblichen zum wenigsten einmal drastisch in Mark und Bein zu erschüttern. Betrachtet man es aus dieser Sichtweise, ist Beetlejuice der verklärte Held seines Films: Aus Weigerung, sich den Konventionen und Regeln der [menschlichen und übernatürlichen] Gemeinschaft zu fügen, wird er auf ewig verdammt. Abseits dieser tragischen Thematik geriert sich Burton dahingegen trotz seiner zweifellos vorhandenen misanthropischen Ader wieder ganz als der galante Idealist; sein Leben nach dem Tod ist die lang ersehnte zweite Chance, nochmals miteinander glücklich zu werden. Eben ein hemmungsloser Romantiker.
[...] Trotz seiner archetypischen und parabolischen Charaktere verkommt TITANIC nie zu geschmacklosem Kitsch, sondern berührt und begeistert mit lebendigen Emotionen, die man in solcher Intensität mittlerweile viel zu selten bewundern darf. Ausgestattet mit seiner fabelhaften Dramaturgie, durch die bei über drei Stunden Laufzeit keinerlei Längen aufkommen und bei der keine Szene überflüssig wirkt, gehört Camerons pompöses Romantik-Epos schon jetzt zu den modernen Klassikern, das ebenfalls mit interessanten populärkulturellen Verweisen und sanftem Humor begeistern kann.
Seine Aussagen sind ebenso simpel wie hocheffektiv vorgetragen: Alles ist möglich; Dein Leben ist ein wertvolles Geschenk; Du selbst bist Deines Glückes Schmied. Sein cleverer Kniff, den Film auf zwei unterschiedlichen Zeitebenen zu erzählen, nimmt auf diese Weise eine Art der Rezeption sogleich vorweg: Rationalität sucht man hier vergebens. TITANIC zelebriert das subjektive Geschichtenerzählen, er kann sogar als wunderschöne Parabel auf das Kino selbst betrachtet werden. Das mit elf Oscars ausgezeichnete Werk macht die realen Ausmaße der tragischen Katastrophe irrational fühlbar; selbst eigentlich belanglosen Nebencharakteren wird noch ein letzter berührender Auftritt spendiert. Der Film aus dem Jahr 1997 ist eine auf unzähligen Ebenen funktionierender Sturm der ungehemmten Emotionen, der mit unendlich viel Leben angefüllt ist und etwas besitzt, das heutzutage nicht mehr viele Geschichten innehaben: Eine Seele. Für Filme wie TITANIC existiert das Kino.
[...] Bereits von Beginn an ist unsere Protagonistin ein Final Girl, denn sie hat permanent mit der beängstigenden [zwischenmenschlichen] Einsamkeit zu kämpfen, die sie umklammert und nur selten ihren festen Griff löst. Lediglich ihre Lieblingsmusik auf dem Walkman vermag das Gefühl der hilflosen Angst zu verdrängen, die sie innerlich gefangen hält. Im Angesicht der überwältigenden Gefahr befreit sie sich von ihren metaphysischen Fesseln und wächst inmitten eines emanzipatorischen Rausches über sich hinaus, handelt ausgesprochen mutig und logisch. Doch trotz allem Respekt, den West seiner geliebten Protagonistin entgegenbringt, beendet er seinen Konflikt der Generationen auf äußerst hinterhältige Weise – Heute triumphiert über Gestern; aber nicht, ohne zu einem Großteil davon beeinflusst und manipuliert worden zu sein. Sein gefilmter Konflikt lässt sich partiell auch auf den Bruch zwischen ursprünglichem und modernem Horrorkino anwenden.
Das düstere, geheimnisvolle Anwesen, die spannende quälend-lange Einleitung, das gnadenlose Finale. In einer brutalen Klimax zerreißt West mit fortschreitender Filmdauer sämtliche Nerven des Zuschauers, penetriert und verwöhnt ihn mit beeindruckend kreativen Kameraeinstellungen und lässt ihn schließlich mit spärlich dosierter Gewalt verstört zusammensinken. THE HOUSE OF THE DEVIL ist das gezielter verspielte Äquivalent zu Rob Zombies HAUS DER 1000 LEICHEN, das spannendere TEXAS CHAINSAW MASSACRE. Lächelnd poussiert er mit den Genre-Meilensteinen in ihren Schatten, um letztlich daraus hervorzutreten und ihnen auf Augenhöhe einen liebevollen Kuss zu geben. Denn Horror-Film, das ist oft eben auch pure Leidenschaft.
Trotz eines interessanten und lobenswerten pseudo-dokumentarischen Konzepts scheitert der Film des französischen Regisseurs Alain Tixier an seinem Anspruch, eine gleichzeitig emotional-spannende und informative Geschichte über die oft unbeachteten Bonobo-Affen erzählen zu wollen. Seine undressierten tierischen Darsteller beeindrucken mit authentischem “Schauspiel”, die musikalische Untermalung könnte stimmiger nicht sein und doch krankt BONOBOS an seiner unausgegorenen Dramaturgie und dem wenigen Inhalt, der selbst die eigentlich kurzen 90 Minuten Laufzeit einige Längen aufweisen lässt. Er kratzt dokumentarisch lediglich an der haarigen Oberfläche, schneidet viele wichtige Themen bloß an und belässt es meist dabei. Hinzu kommt die vollkommen klischeehaft verwendete pseudo-adoleszente Sichtweise des namensgebenden Protagonisten, welche höchstens für U-10 Kinder spannend oder unterhaltsam sein dürfte. Somit bleibt BONOBOS ein überaus nett gemeinter, irrationalisierender Moral- und Informationsfilm für jüngere Zuschauer – alle anderen sollten sich vielleicht lieber eine ordentliche Dokumentation über die kleinen Menschenaffen ansehen.
Diesmal - wenn es nach mir ginge - mehr ankuscheln als anecken, dennoch wieder sehr lesenswert, wenngleich ich der "In Bruges"-Schelte nur bedingt zustimmen würde. Außerdem: Deinetwegen rückt "Chungking Express" wieder ganz weit nach oben auf meine Vormerk-Liste. Bin schon sehr gespannt auf "Die meistüberschätzten Filmemacher aller Zeiten, Part 2". :-)
"It's hard to love your job, when no one else seems to like you for doing it..."
Nach seinem vielversprechenden Trailer erwartet man von WRECK-IT RALPH einen vor Referenzen und Anspielungen nur so überschäumenden Film mit kindgerechtem, aber feinsinnigem, Humor und einer zumindest halbwegs unkonventionellen Geschichte. Die freudigen Erwartungen können jedoch nur teilweise eingehalten werden: Im Grunde ist Disneys jüngster Animationsfilm eine typisch-naiv inszenierte Moral-Story im Retro-Spiele-Gewand, der es leider viel zu selten vermag, sich inhaltlich von seinen konservativen Ketten zu lösen und eigene spannendere Wege zu gehen. Nichtsdestotrotz vereint WRECK-IT RALPH viele kreative Einfälle samt dazugehöriger Original-Lizenzen mit einer grundsätzlich sympathischen Feel-Good-Geschichte. Dass der eigentliche Lollipop-Overkill-Hauptschauplatz ab der Mitte des Films mit seinem mittelmäßigen Rennfahrer-Plot denkbar schlecht gewählt wurde und er beizeiten zu sehr in kindlich-peinlichen Klamauk-Humor verfällt, daran stören sich die jüngeren Zuschauer sicherlich nicht. Jeder Videopiel-Freund, der ein ähnlich furios inszeniertes Referenzen-Feuerwerk wie SCOTT PILGRIM erwartet hat, dürfte von der beinahe nebensächlichen Games-Thematik und dem etwas unglaubwürdigen Ende dennoch ein wenig enttäuscht sein.
[...] Dem geschundenen Aschenputtel gleich verharrt der junge Luke Skywalker, anstatt zur Universität zu gehen, Saison um Saison auf der Farm seines Onkels und hilft bei der Ernte. Es ist die brutale Vorherrschaft des ländlichen Verdingens, die sämtliche luxuriös anmutenden Bildungsmöglichkeiten zunichte macht. Der primär gezeigte Planet Tatooine bevölkert von zwielichtigen Gestalten und pragmatischen Kaufleuten, die bei aller Schwarz-Weiß-Malerei stets erkennen lassen, dass sämtliche Charaktere lediglich Produkte ihrer rauen Umwelt sind. Mit dem Auftauchen des altersweisen Obi-Wan Kenobi folgt der inhaltliche Umbruch: Komplett losgelöst von der eintönigen Gegenwart macht sich unsere Heldengruppe auf den Weg, ein großartiges Abenteuer zu erleben. Die erste Episode der Ur-Trilogie erzählt von swingenden Jazz-Aliens, exzentrischen und allzu menschlichen Androiden und vom Mystischen, Ursprünglichen in einer komplett technologisierten Welt. Kenobi der letzte Vertreter eines sagenumwobenen Elite-Ordens – verstoßen und belächelt von der Gesellschaft, sind sie die einzigen, die an eine Zeit des harmonischen Zusammenlebens erinnern. [...]