Daggiolone - Kommentare

Alle Kommentare von Daggiolone

  • 8 .5

    Aronofsky habe ich bereits seit Jahren aufgegeben. Aus mir unerklärlichen Gründen, endet es dennoch immer damit, dass ich mir seine bemühten Filme ansehe, und mich danach aufrege.

    Ich will nicht behaupten, dass The Whale perfekt sei. Es gäbe vieles das man angefangen bei der völlig unrealistischen Maske, die natürlich von Hollywood prämiert wurde, bis hin zum viel zu abrupten und mal wieder sehr kitschigen Ende kritisieren könnte. Der Film lässt sogar für meinen interpretationsgeilen Geschmack viel zu viel offen. Einige Themen werden nur angeschnitten, ohne, dass sie zu irgendetwas führen.

    Gleichzeitig ist die Stimmung in diesem Film mit all seinem Minimalismus aber derart großartig, dass mich The Whale auf seine tief depressive Art dennoch gepackt hat. Teilweise ist es schwer auszuhalten. Es sind ausgerechnet die teilweise sehr knapp gezeichneten Charaktere, deren Handlungsweisen sehr widersprüchlich sind, die einem ein irrationales Gefühl von Verzweiflung geben.

    The Whale ist sicherlich kein Meisterwerk. Der sehr forcierte Bezug zu Melville ist typisch Aronofsky, genauso wie die vorgegaukelte Tiefe. Wenn aber ein Film es schafft ein Gefühl von Verstörung zu evozieren, mir irgendwann die Tränen über die Wangen laufen, und ich nach dem Abspann erstmal tief durchatmen muss um das gesehene zu verdauen, hat der Film zumindest in emotionaler Hinsicht alles richtig gemacht. Das hat Aronofsky bei mir immerhin seit The Wrestler nicht mehr geschafft.

    10
    • 7 .5

      Etwas ratlos bin ich nach der Sichtung der fünf Teufel*innen. Ratlos, weil ich nicht weiß, wie ich den Reigen bewerten soll. Ratlos, weil ich das Gefühl nicht loswerde, dass wir hier ein Paradebeispiel eines gut kaschierten Style over Substance haben.

      Vor allem aber ratlos weil ich lange Zeit richtig begeistert war, in den letzten 20 Minuten ich jedoch auf ein unvermeintliches Ende zugesteuert werde, welches an Vorhersehbarkeit nicht zu überbieten ist. Und das obwohl der Film lange Zeit bravourös mit dem Geheimnisvollen spielt.

      Leider ist er auf einer inhaltlichen Ebene recht platt. Teilweise sogar unfokussiert, wenn nicht sogar unentschlossen, was er eigentlich beim Zuschauer erreichen will. Der Anfangs wunderbare magische Realismus wirkt irgendwann überflüssig wenn nicht sogar ärgerlich.

      Ich hätte wirklich gerne eine höhere Benotung vergeben, denn wie der Film gerade zu Beginn eine bedrückend-depressive Stimmung aufbaut ist schlicht meisterhaft. Und selbstverständlich trägt hier auch einen riesigen Anteil die wie immer grandiose Adèle Exarchopoulos bei. Aus diesem Aspekt betrachtet halte ich The Five Devils für durchaus sehenswert. Leider bleibt er eben nicht konsequent, da er inhaltlich allerhöchstens Binsenweisheiten vermittelt.

      11
      • 8 .5
        über Alpen

        Der Nachfolger von „Dogtooth“ ist diesem gar nicht mal so unähnlich. Auch hier wird innerhalb der ersten Minuten eine herrliche, irritierende Situation gezeichnet, die nach etwa einem Drittel des Films endlich Sinn ergibt.

        Wobei selbst wenn der Überbau bekannt ist, ist „Sinn“ nur im Lanthimoskosmos zu verstehen. Hier wird das ganze sogar noch deutlich irrationaler als im wunderbaren Vorgänger. Dadurch wirkt der Film vielleicht weniger durchdacht, dafür aber deutlich offener für Interpretationen. Das Spiel mit Symbolen ist noch nicht ganz so abgedreht wie in seinen Folgewerken, die Stimmung dafür umso trister.

        Wer „Dogtooth“ mochte, sollte diesen Film unbedingt antesten.

        10
        • 8

          Ist das der Film der mich zurück in meine verschollene Leidenschaft führen wird? Nicht ganz, dafür fehlt mir dann doch dieses erhabene Gefühl, welches mir ganz besondere Filme bieten.

          Dafür, dass ich McDonagh bisher eher als Durchschnittselegiker betrachtet habe, muss ich diesem Film aber durchaus einen gewissen Reiz attestieren. Besonders die zwischenmenschliche Ebene, die weiterhin irgendwo bei den Coen-Brüdern zuhause ist, hat es mir mit ihrem trockenen oftmals schwarzen Humor angetan.

          Die Bilder? Naja, da stehen einem schon dankbare irische Landschaften zur Verfügung, und man schafft es trotzdem die Grenze zum Kitsch immer wieder zu überschreiten.
          Insgesamt würde ich dieses Werk jedoch als durchaus sehenswert betrachten.

          10
          • 9 .5
            über Mad God

            Ich habe keine Ahnung, was ich vor knapp 10 Jahren auf einem Festival gesehen habe. Eine Frühversion? Den fertigen, aber unveröffentlichten Film? Die Bilder aus dem Trailer kommen mir auf jeden Fall alle bekannt vor.

            Ich warte seit Jahren darauf dieses alptraumhafte Meisterwerk erneut sehen zu können.

            5
            • 6

              Alice Rohrwacher ist für mich seit ich "Glücklich wie Lazzaro" gesehen habe, die erste Hoffnungsträgerin des seit Jahrzehnten schwächelnden italienischen Kinos.

              Quattro strade ist ein poetischer Kurzfilm. Über vier Himmelsrichtungen wird hier das gesellschaftliche Miteinander hinterfragt. Dabei wird vor allem die seit Jahrzehnten gespaltene italienische gesellschaft portraitiert. Vor allem die Straße nach Norden thematisiert hier nicht nur die aktuell überall bestehende Spaltung, sondern handelt in einem Nebensatz den uralten kulturellen Konflikt der geographischen Spaltung der Halbinsel ab.

              Wenn ich aber ehrlich sein soll, erinnert mich das ganze zu sehr an die Kurzfilmsammlung "Homemade" von Netflix. Mit simpelsten Mitteln wird hier ein Statement zur aktuellen Lage gegeben. Sicherlich deutlich tiefgründiger als die meisten Homemade-Filmchen, aber spätestens in einer Woche habe ich das ganze wieder vergessen.

              7 Minuten lang kann man sich das ohne Frage antun. Muss man aber nicht. Was man aber unbedingt sollte, ist "Glücklich wie Lazzaro" sehen, wenn man das noch nicht getan hat.

              7
              • 6

                So etwas ist mir noch nie passiert. Ich habe diesen Film an zwei Abenden gesehen. Ich habe mich durchgequält, hauptsächlich weil ich verstehen wollte, warum dieser Film, obwohl er eigentlich nach meinem Geschmack ist, mich überhaupt nicht erreichen konnte. Nach einer guten Stunde, und etwa 50 Minuten vor Filmende habe ich mich ergeben, und das ganze abgebrochen.

                Ich hatte bereits bei Santa Sangre Schwierigkeiten Jodorowskis Meisterwerke El Topo und Montana Sacra auszublenden. Wenn es mir gelang, war jener Film jedoch äußerst sehenswert. Bei Dance of Reality funktioniert es nicht. Das liegt nicht nur daran, dass dieses autobiographische Werk inhaltlich nicht wirklich viel zu bieten hat. Jodorowski macht auch 2013 vor Unkonventionalität nicht halt. Nur dass diese sich hier vollkommen als Selbstzweck anfühlt. Vorbei ist diese psychotische Atmosphäre aus den 70ern, die einen vollkommen verstört vorm Bildschirm zurückgelassen hat. Jeder noch so avantgardistische Einfall wirkt vollkommen verkopft, oder ist auf symbolischer Ebene derart in-your-face, dass man der intuitiv-radikalen Herangehensweise von früher regelrecht nachtrauert.

                Sehr schade. Aber mich konnte rein gar nichts fesseln, ich konnte nichts mitnehmen, und nicht selten war ich vollkommen gelangweilt. Es tut mir echt weh zu sagen, aber wenn seine letzten Filme alle so sind, wovon ich ausgehe, dann habe ich von Jodorowski alles gesehen, was ich sehen musste, und gucke mir lieber noch 10 Mal El Topo an.

                9
                • 9
                  Daggiolone 02.05.2021, 22:31 Geändert 03.05.2021, 06:00

                  Durch puren Zufall bin ich auf diese Coming-out Perle gestoßen. Man muss ihn wirklich mal gesehen haben. Vor allem als Heterosexuelle:r. Dass es Homosexuelle in unserer Gesellschaft schwer haben, wird niemand bestreiten. Mit den Problemen mit denen sie zu kämpfen haben, befasst man sich in der Regel aber eher selten.

                  Dieser Film schafft es durch seine wundervoll überzogene Skurrilität den eher uninteressierten Zuschauer dranzuhalten, und sich mit einer Leichtigkeit zahlreichen Aspekten zu widmen. Dadurch ist man doch gezwungen sich mit all dem Irrsinn auseinanderzusetzen, und es fielen zumindest mir Probleme auf, die mir tatsächlich nie in den Sinn gekommen sind. Beziehungen die scheitern können, weil ein Part sich gesellschaftlich nicht zu seiner Sexualität bekennen kann. Und die vielen unterschiedlichen Gründe die dazu führen können.

                  Durch die völlig barbiesque Inszenierung wird einem zusätzlich die Absurdität einiger gesellschaftlicher Ansichten vorgeführt. Zweckdienlich wohlgemerkt, denn immer dann wenn in seltenen Momenten die Mädels sie selbst sein können, zieht der Film auch seine kunterbunte Welt zurück.

                  Der Film ist eine mehr als gelungene Karikatur auf unsere Gesellschaft, schreckt aber genausowenig davor zurück, homosexuelle Klischees derart zu überspitzen, dass er dadurch die Gefahr des moralischen Zeigefingers erfoglreich umgeht. Am Ende ist "But I'm a Cheerleader" (genialer Titel übrigens, wenn man den Film gesehen hat) leichte, sehr amüsante Unterhaltung, die allerdings dem Zuschauer nebenbei auch noch so einiges zum Nachdenken mitgibt.

                  11
                  • 2 .5
                    Daggiolone 01.05.2021, 23:08 Geändert 04.05.2021, 06:17

                    Wie kommt man auf einen fremden Planeten? Ein Problem das Myriaden an Science Fiction Filmen in einer Fußnote zu lösen versuchten. Einige Ideen werden dann Mode, und setzen sich durch. Früher waren es Antriebe in Lichtgeschwindigkeit, danach kam jemand auf die pfiffige Idee, man könne ja Menschen einfrieren und am Ziel wieder auftauen. Wurmlöcher konnten sich eher selten durchsetzen. Das aktuell wohl interessanteste Konzept ist das der zivilisatorischen Schiffe, die über Generationen den interstellaren Raum durchsegeln. Eine faszinierende Idee, bei der wohl bisher niemand auf die Idee gekommen ist, diese Jahrzehnte mal etwas genauer unter die Lupe zu nehmen.

                    Was ist das nur für ein unendlicher Fundus an Möglichkeiten die sich hier öffnen? Was macht ein solcher Exodus mit der Psyche, was macht er mit der kompletten Gesellschaft? Wie entwickelt sich diese?

                    Es ist jetzt nicht so, dass Voyagers all diese Fragen nicht sieht, nur was er daraus macht, tut in Anbetracht dieser genialen Idee wirklich weh. Ein Film der sich überhaupt nicht entwickelt, bei dem wir von der ersten Szene von Ereignis zu Ereignis katapultiert werden, und uns die Charaktere als reine Stereotypen, wenn nicht sogar als reine Schablonen begleiten. Jede Idee von denen es einige wirklich gute gibt, wird sofort abgehakt, und es bleibt bei der reinen Erwähnung. Emotional erreicht einen hier rein gar nichts. Hinzu kommt eine Stimmung wie in einem Teeniefilm.

                    In der zweiten Hälfte wird es noch schlimmer. Hier verliert sich der Film in eine völlig hanebüchene Story, die einen auf Orwell zu machen versucht. Mit Protagonisten und Antagonisten wie sie lächerlicher nicht sein könnten.

                    Liebe Regisseure, tut mir den Gefallen, seht Euch diesen Film an, und lasst Euch inspirieren. Wenigstens dafür könnte der Film wirklich gut sein.

                    15
                    • 6
                      Daggiolone 30.04.2021, 22:08 Geändert 30.04.2021, 22:21

                      Lux Aeterna ist der neue Film von Gaspar Noé. Dieser dauert lediglich 45 Minuten. Aber keine Sorge, ich verspreche, dass selbst wenn man den Film gut fand, froh ist, wenn dieser zu Ende ist.

                      Lux Aeterna ist ein ganz seltsames Gebilde, bei dem ich echt keine Ahnung habe wie ich es bewerten soll. Ich werde jeden zukünftigen 0 Punkte Kommentar verstehen, aber auch jeden der den Film feiert. Falls es letzteres geben sollte.

                      Man muss bei diesem Film zwei Makroebenen getrennt betrachten. Die inhaltlich-filmische Ebene, und das grenzwertige Experiment das am Zuschauer vollführt wird. Dazu später mehr.

                      Die erste dieser Ebenen ist leider grottig. Noé hatte wohl eine persönliche Rechnung offen, und setzt uns lange Zeit dem Druck und Stress aus, den er in den Jahren so erlebt hat. Im Stile von Climax nur ohne der sich kongenial langsam aufbauenden Eskalation jenes Meisterwerks, soll nun der Zuschauer auch diesen Stress spüren. Das ganze mit nervigen Splitscreens, eingeschränkten Screens, parallel laufenden Dialogen und inhaltlich für den Zuschauer völlig belanglos, da zu direkt erkennbar ist, dass hier autobiographisches Verarbeitet wird. Das ganze ist belanglos, anstrengend und teilweise auch echt ziel- und Ideenlos. Eine ganz gute Szene bei der Hälfte lässt kurz aufhorchen. Führt aber zu nichts.

                      Doch dann gibt es noch eben jenes Experiment. Ein Kritiker meinte mal nach Irreversibel, Noé würde von der Leinwand auf den Zuschauer schießen. Da kannte er allerdings Lux Aeterna noch nicht, und konnte nicht ahnen, dass seine Metapher mal Wirklichkeit werden sollte. Es ist als würde sich Noé an den Zuschauer für seinen Stress rächen wollen. Er foltert den Zuschauer. Vielleicht auch deswegen der etwas wirre Hexenbezug. Er massakriert den Zuschauer. Allerdings nicht auf emotionale Weise wie sonst, sondern auf physische. Dies wird dazu führen, dass seine Zuschauer Noé hassen werden. Ich denke, das ist ihm bewusst, und dafür bewundere ich ihn.

                      Dieser Film ist jedoch nichts für Leute die ein tolles Filmerlebnis möchten. Es ist etwas für masochistisch Veranlagte, die interessiert daran sind auszutesten, wie sehr sie physisch durch einen Film belastbar sind.

                      Ganz, ganz seltsamen Ding. Vielleicht interessant. Definitiv aber keine Freude anzusehen. Und letzteres ist wohl intendiert.

                      12
                      • 4
                        • 4
                          über mother!

                          Warum habe ich mother! als einen von zwei Filmen überhaupt einen Totenkopf verpasst? Im folgenden möchte ich eine Sichtung Revue passieren, die bereits ein paar Jahre zurück liegt.

                          Als ich mother! sah, fand ich ihn lange Zeit gar nicht so übel. Irgendwo zwischen Funny Games und Borgman, dafür aber mit einer Metaebene. Letztere ist sogar gar nicht mal so uninteressant. Ich finde in diesem Film wird von Seiten der meisten Zuschauer viel zu viel Augenmerk auf die Rolle von Jennifer Lawrence gelegt. Dabei ist sie lediglich Mittel zum Zweck, denn das Psychogramm was hier zwei Drittel des Films trägt, ist das des Ehemanns. Sie ist lediglich unser Point of View, mit dem wir sowohl intellektuell als auch emotional den psychischen Verfall des Mannes betrachten. Ein Künstler mit erheblich gestörtem Selbstbild wird Opfer seines Erfolgs und zieht seine komplette Familie mit rein. Hier wird nicht nur Narzissmus als zentrales Thema abgehandelt, sondern genauso eine Perspektive auf unsere gossipgeschädigte Gesellschaft geworfen, die Kunst nicht als persönliche Anregung betrachtet, sondern als Bewertungsmittel für andere Menschen. Teilweise gar nicht mal so unsubtil das Ganze, und immer mit einem verstörenden Touch, der es durchaus in sich hat.

                          Eine halbe Stunde vor Ende ist dann eigentlich alles längst gesagt worden, und Aronofsky entscheidet sich für ein Filmdrittel, das zum Fremdschämen ist. Der Film der davor höchstens mit magischem Realismus geliebäugelt hat, wird aus dem Nichts surreal. Ich liebe Surrealismus, aber nicht wenn dieser so wie hier eingesetzt wird. Mir kam es vor, als wären all diese abschließenden Szenen lediglich eine metaphorische Erklärung von alldem was bereits eine Stunde zuvor abgehandelt wurde. Das ganze auch noch mit dem Holzhammer auf eine derart plumpe Weise, dass ich mich frage, ob Aronofsky einen für blöd hält. Wenn man somit Sprichwörtliches wörtlich darstellt, und dies als Surrealismus oder Metapher verkauft, wirkt das eher wie der Versuch einen billigen Chianti als edlen Tropfen zu verkaufen.

                          Und dann dieses Ende, welches an Vorhersehbarkeit und Kitsch nicht zu übertreffen ist, und wie die Auflösung am Ende eines Rätselheftes wirkt, zu der man gezwungen wird diese zu lesen, nachdem das Rätsel bereits gelöst, und danach auch noch ausführlich erklärt wurde.

                          Da ich die Bibel nicht wirklich kenne, habe ich bei der Sichtung keine Bibelreferenzen entdeckt. Nachdem ich dann immer wieder darüber gelesen habe, habe ich mich mit den entsprechenden Passagen auseinandergesetzt. Dies hat meinen Eindruck des Films noch verschlimmert. Nichts gegen viele Lehren bezüglich des gesellschaftlichen Zusammenlebens die die Bibel beinhaltet. Nichts dagegen, wenn diese in einen Film mit eingewoben werden. Hier wurden jedoch einfach Anekdoten aus der Bibel in die heutige Zeit und in den Film übertragen. Erinnert ein wenig wie eine Inszenierung von Tristan und Isolde im Waschsalon. Wo ist der Mehrwert? Diese Anekdoten haben zunächst nichts mit dem ganzen Rest zu tun. Es sind auch keine Metaphern. Zumindest keine die nicht bereits schon in der Bibel unzählige Male interpretiert wurden. Aronofky webt somit Bibelbotschaften ohne Zusammenhang in den Film ein, bleibt dabei der Bibel treu wie ein Schäferhund, und erlaubt auch keine Intepretation die über die konservative hinausgeht. Sind diese Passagen bereits ohne Bibelkenntnisse an Plumpheit schwer zu übertreffen, bieten sie wenigstens noch in der ersten Stunde einen kleinen Interpretationspsielraum. Doch selbst dieser wird einem bei Betrachtung der religiösen Perspektive komplett torpediert.

                          Mother! wirkt wie eine im Grunde gute Idee von jemandem der den Zuschauern durchaus etwas zu sagen hat, diesen aber vom Denken abhalten will. Der Autor hatte eine bestimmt Idee, und zwingt diese dem Leser auf. Widerspruch ausgeschlossen. Das Ergebnis ist ein lupenreiner Unterhaltungsfilm der sich aber als besonders anspruchsvoll ausgibt, und sein Publikum damit entweder bestenfalls nicht ernst nimmt, oder schlimmstenfalls sogar verarscht. Mir fällt kein Film ein, der das Attribut „prätentiös“ mehr verdient hätte als dieser Dreck.

                          9
                          • 7 .5

                            Dieser Film steckt natürlich tief in den 80ern. Sowohl von der Machart, als auch vom Humor aber auch aus kultureller Sicht betrachtet.

                            Dieser Film spiegelt eine bestimmte Klientel wider, die noch bevor Kalle Malle entdeckte in Italien ein Bild der bis dahin dort sehr respektierten und bewunderten Deutschen prägte, das bis heute noch anhält. Ob es Bibione, der Gardasee, oder der Chianti ist, findet sich hier eine Spezies vor, die der Meinung ist, die eigene Kultur sei das Maß aller Dinge, und alles Divergierende müsse nicht respektiert werden, und sei sogar minderwertig. Italien wurde zum Spielplatz der Deutschen, noch bevor Mallorca deren Schlaraffenland wurde.

                            Diese Autoironie in diesem Film ist großartig, und traf damals einen Nerv. Dass dann nebenbei dennoch Spitzen in die italienische Richtung geschossen werden, macht diesen Film zu einem kleinen Juwel, der mich als sich zu beiden Kulturen zugehörig empfindet, mir Freudentränen in die Augen gebracht hat.

                            Man kann natürlich den Film auch für nationalistisches Geschwurbel nutzen. Auch um solche Outings zu beobachten ist dieser Film offensichtlich auch heute noch Gold wert.

                            10
                            • 4

                              Yesterday ist ein reiner Wohlfühlfilm. Dafür ist er auch vollkommen in Ordnung.

                              Es ist nur schade, dass eine wirklich gute Idee derart oberflächlich abgearbeitet wird. Muss ja nicht gleich eine Sozialstudie werden, aber ein paar Blicke darauf wie die Beatles unsere Gesellschaft beeinflusst haben, wären schon wünschenswert gewesen.

                              Aber vielleicht hat mich auch einfach nur gestört, dass so wie hier dargestellt, Musik in der kollektiven Wahrnehmung einfach nicht funktioniert.

                              7
                              • 0
                                Daggiolone 18.04.2021, 20:54 Geändert 19.04.2021, 16:52

                                Das ist also die neue international gefeierte Comedysendung? Meine Fresse...

                                Gut, bei den Namen der Teilnehmer der deutschen Version sind sicherlich keine Bauchkrämpfe vor Lachen zu erwarten, aber das ist im Prinzip überhaupt nicht mein Problem.

                                Mein Problem fängt schon beim Konzept an. Ich finde es gibt nichts unlustigeres als Try-not-to-laugh-Videos. Diese Sendung bringt dieses bescheuerte Konzept auf die Spitze. Aber auch damit könnte ich noch leben. Aber eine Sendung, in der alle 5 Sekunden Unterbrechungen mit Interviews, Kommentaren oder unnötigen Grafiken stattfinden, ist nicht lustig sondern anstrengend. Ich hatte mich bis zum Schluss der ersten Folge gefragt, wann das ganze jetzt eigentlich anfängt. Gelacht habe ich nicht ein Mal. Nur fremdgeschämt. Und warum muss ständig der Moderator gezeigt werden, wie er sich angeblich totlacht? Dagegen sind die Lacher vom Band in amerikanischen Sitcoms ja an Subtilität kaum zu überbieten.

                                Ich gucke jetzt weiter Big Bang Theory.

                                12
                                • Daggiolone 18.04.2021, 17:11 Geändert 18.04.2021, 17:46

                                  Selbstverständlich mache ich auch mit. :-)

                                  Beste Bildsprache
                                  1.) Bela Tarr
                                  2.) Andrei Tarkowski
                                  3.) Wong Kar Wai

                                  Beste Musikwahl
                                  1.) Wong Kar Wai
                                  2.) Panos Cosmatos
                                  3.) Jim Jarmusch

                                  Beste Atmosphäre
                                  1.) Bela Tarr
                                  2.) Nuri Bilge Ceylan
                                  3.) David Lynch

                                  Beste Erzählstrukturen (wie ist eine Story aufgebaut? Wie wird diese erzählt? Linear? Sprunghaft? Assoziativ?)
                                  1.) Bela Tarr
                                  2.) Peter Strickland
                                  3.) Wong Kar Wai

                                  Beste Metaebenen (Was gibt der Film außer der Story noch für Inhalte her?)
                                  1.) Andrei Tarkowski
                                  2.) Peter Greenaway
                                  3.) Wong Kar Wai

                                  Bester Schnitt / Beste Montage
                                  1.) Panos Cosmatos
                                  2.) Gaspar Noé
                                  3.) Hélène Cattet und Bruno Forzani

                                  Beste Immersion (Wie sehr vergesse ich beim Schauen alles um mich herum? Wie sehr setzt mich ein Film in Trance oder einen Rausch?)
                                  1.) Wong Kar Wai
                                  2.) Bela Tarr
                                  3.) Gaspar Noé

                                  Beste Symbiose aus Inhalt, Musik und Bild (Wie sehr passen diese drei Aspekte wirklich zusammen?)
                                  1.) Wong Kar Wai
                                  2.) Jim Jarmusch
                                  3.) David Lynch

                                  Beste filmische Experimente
                                  1.) Gaspar Noé
                                  2.) Alejandro Jodorowsky
                                  3.) David Lynch

                                  Bester Mindfucker
                                  1.) David Lynch
                                  2.) Peter Strickland
                                  3.) Terry Gilliam

                                  Beste Filmographie (Wer hat die durchgehend beste Filmographie, mit Ausfällen die höchstens Ausnahmen darstellen?)
                                  1.) Jim Jarmusch
                                  2.) Wong Kar Wai
                                  3.) Andrei Tarkowski

                                  Überbewertetster Regisseur
                                  1.) Quentin Tarantino
                                  2.) Coen Brüder
                                  3.) Darren Aronofsky

                                  8
                                  • 10
                                    Daggiolone 18.04.2021, 16:22 Geändert 18.04.2021, 16:27

                                    Vor einigeen Jahren gab auch ich Big Bang Theory eine Chance, und guckte das ganze tatsächlich bis zum Ende durch. Eine gute Serie, die man mal gesehen haben sollte.

                                    Warum ich plötzlich auf die Idee gekommen bin mir das ganze nochmal anzusehen, kann ich nicht genau sagen. Vielleicht so ein inneres Gefühl. Und ich merke gerade, dass diese Sitcom vieeel besser ist, als ich es beim ersten Mal wahrgenommen habe. Es gibt in fast jeder Folge mindestens eine Szene in der ich Tränen lache. Alles natürlich vollkommen überspitzt, und dennoch subtiler als es im ersten Moment scheinen mag.

                                    Man muss aber auch sagen, dass die Serie vor allem durch Sheldon lebt. Nicht, dass die anderen Figuren schlecht wären, aber hier wurde ein legendärer Charakter erschaffen, der auch wiederum nur deswegen funktioniert, weil Jim Parsons einfach ein schauspielerisches Genie ist, wie er hier in einer der wohl witzigsten Szenen überhaupt unter Beweis stellt:

                                    https://www.youtube.com/watch?v=2mLMQLSjp_s

                                    6
                                    • 4
                                      Daggiolone 13.04.2021, 00:26 Geändert 21.04.2021, 10:08
                                      über Tenet

                                      Man muss Nolan zugestehen, dass er mit Tenet dem Topos der Zeitreise einen innovativen Anstrich gegeben hat, der das Zeug zum Mindfuck hätte, wenn der ganze Film nicht so wirken würde, als sei der Film an einem halben Abend auf einen Bierdeckel entworfen worden.

                                      Nolan hat sich wie gewohnt wirklich ins Zeug gelegt die Überflut an Actionszenen teuflisch genau zu planen, hat randomly ein paar schöne Locations in Europa ausgesucht, in denen dann eben einige Szenen spielen, und wie gewohnt beeindruckende Bilder erschaffen.

                                      Was er dabei vollkommen vernachlässigt hat, ist eine packende Story. Dieser vor Klischees triefende Rotz, bei dem nichts wirklich Sinn ergibt (und damit meine ich nicht die gedanklichen Zeitspielereien - die sind hier noch das logischste), eine Figurenzeichnung die selbst für Nolanverhältnisse schlicht und einfach nicht existiert, und man sich bis mindestens zur Hälfte dieses viel zu langen Films langweilt, weil man von einer Actionszene in die nächste jagt, und sich überhaupt nichts aufbauen kann, fühlt sich so an, als würde man einem Cricketturnier zusehen. Mein Gott, die Welt geht unter, und ich nehme es mit Achselzucken zur Kenntnis. Und ich mag eigentlich unsere Welt.

                                      Dann haben wir noch den ultimativen Bösewicht mit der Psyche aus einem Superheldencomic. Natürlich ist dieser Russe. Fehlt nur noch der rote Spandexanzug.

                                      Und der eigentliche Kern? Die Zeitrevisionsgeschichte? Bis zur Hälfte ist sie eigentlich völlig irrelevant. Dann kommen 2 - 3 ganz interessante Ideen, und ein Ende das den Film doch noch vor lediglich 2 Punkten rettet. Mindblowing ist aber etwas anderes. Muss ja nicht gleich Dark-Niveau erreichen, aber die Idee wirkt letzen Endes unausgegoren. Da hätte man durchaus mehr daraus machen können. Mich erinnert der Film an eine noch schlechtere Version von Inception. Hier kann allerdings auch die Idee den Film nicht mehr tragen.

                                      Für mich persönlich ist dies der mit Abstand schlechteste Nolan.

                                      20
                                      • Daggiolone 06.04.2021, 21:38 Geändert 07.04.2021, 13:53

                                        Ich habe mich bewusst dafür entschieden keine Bewertung abzugeben, denn auf der einen Seite zeigt diese Doku Probleme auf, über die es sich lohnt mal genauer Gedanken zu machen. Gleichtzeitig ist sie Teil des Problems.

                                        Ich habe in weiser Voraussicht die folgenden Absätze vor der Sichtung geschrieben. Sie sind eher negativ und teilweise auch herablassend. Weiter unten folgt dann meine Einschätzung nach dieser Sichtung.

                                        Ich war anfang 20, MTV lief nebenbei, und plötzlich sehe ich ein bildhübsches Mädel in Schuluniform. Ich wartete auf die obligatorische Einblendung am Ende des Videos um zu erfahren, dass dieses Mädel sich Britney Spears nennt. In meinem jugendlichen Hormonüberschuss lechzte ich in den folgenden paar Jahren nach diesem jungen Mädel und ihrem Popo. Die Marketingkampagne ging auch bei mir auf.

                                        Nun war es ja nicht unbedingt so, dass Sex Sells in der Popindustrie ein Novum war, aber mit Britney wurde seinerzeit das ganze in neue teils sehr grenzwertige Dimensionen gebracht. Sie war der erste Star, bei dem es wirklich ausschließlich darum ging. Zu Beginn eigentlich noch minderjährig, wurde ihr ein Lolitaimage verpasst, das mehr als zweifelhaft war. Ein paar Jahre später war sie dann das Heißeste im Showbiz. Die Musik? Wen interessiert diese, wenn man eine solche Frau sich knapp bekleidet rekeln sehen kann?

                                        Irgendwann wurde es still um sie. Vor einigen Jahren war ich neugierig, was aus ihr geworden ist, und ich sah eine erwachsene Frau, die allerdings geistig sich eher in die entgegengesetzte Richtung entwickelt hat. Ihre Selbstsicherheit war komplett verschwunden, ihr Intellekt war nach wie vor nicht anwesend, und „künstlerisch“? Da imitiert eine knapp 40 jährige Frau in Klamotten einer 20 Jährigen Tanzbewegungen die den Drive von damals komplett vermissen lassen, ausgestattet mit der Ausstrahlung eines Wasserkochers. Die Musik ist genauso schrecklich wie vor 20 Jahren. Eine natürliche Weiterentwicklung wie sie eine Madonna, eine Katy Perry oder eine Kylie Minogue durchgemacht haben, hat nicht stattgefunden. Ganz so als wüsste Frau Spears, dass sie damals ausschließlich wegen ihres Sexappeals Erfolg hatte, und lieber auf Nummer sicher geht, bis Las Vegas genauso wie einst bei Elvis ihr künstlerisches Grab darstellen wird.

                                        Britney Spears ist eine Symbolfigur dafür, wie das Showbusiness Menschenleben ruinieren kann. Die Kuh wird gemolken, bis sie nichts mehr hergibt, und an den Rand eines Nervenzusammenbruchs gebracht wird. Mit Musik hat das alles nichts mehr zu tun.

                                        ******************************

                                        Dies sind die Gedanken die ich mir vor dieser Doku gemacht habe. Die Musikindustrie alleine für Britneys Fall verantwortlich zu machen war von mir viel zu kurz gedacht. Denn die Musikindustrie befriedigt lediglich die Wünsche der Konsumenten. Und dazu gehört vor allem dieses innere Verlangen seinem Idol im Leben zu begleiten. Es geht nicht um Musik. Es geht noch nichtmal um Sex. Es geht darum seinem Star nahe zu stehen, sein Leben zu kennen, ganz so als handelte es sich um die beste Freundin.

                                        Hierfür benötigt es die Medien. Im Speziellen Paparazzi. Denn letztere haben erkannt, dass es etwas gibt, das wir noch lieber machen. Uns das Maul über andere zerreissen.

                                        Die Tatsache, dass die Medien Britneys Leben geframt haben, hat Britney von einem selbstbewussten und deutlich intelligenterem Mädchen als zunächst gedacht, zu dem psychisch Labilen Wesen gemacht, das sie (vermutlich?) heute ist. Und unabhängig davon wie nun wirklich die Beziehung zu ihrem Vater ist, darf die Frage erlaubt sein, ob auch wenn es gut gemeint ist, die #FreeBritney Bewegung in Zeiten von Social Media nicht die neuen Paparazzi sind. In meinen Augen haben sie sich als ehemalig beste Kunden selbstständig gemacht. Verschwörungstheorie inklusive.

                                        Es ist doch schon dubios, wenn in einer Dokumentation die zwar Paparazzi an den Pranger stellt aber paradoxerweise zu 50% aus eben jenen Bildern und Geschichten besteht, die Protagonistin selbst kein Teil davon sein will. Wann lässt man diese Frau endlich mal in Ruhe ihr Leben leben? Oder muss es erst so weit kommen wie in South Parks "Britney's New Look" Episode? Diese war jedenfalls an der Realität näher dran, als mir bewusst war.

                                        Warum also keine Wertung? Es ist nicht nur der fehlende selbstkritische Blick der Doku. Ich würde zwar nicht so weit gehen, ihr Heuchlerei vorzuwerfen, aber letzten Endes bin ich mir nicht sicher, ob sie damit Britney Spears wirklich einen Gefallen tut.

                                        Ich habe diese Doku echt gerne gesehen, und sie hat mich sehr zum Nachdenken angeregt. Allerdings macht man es sich jetzt zu einfach, den Vater als eigentlichen Schuldigen darzustellen. Dadurch kann eine Selbstkritik des Konsumenten kaum noch stattfinden. Für diese sollte man aber bereit sein.

                                        18
                                        • 9
                                          Daggiolone 24.03.2021, 01:29 Geändert 26.03.2021, 10:32

                                          Enthält einen minimalen SPOILER

                                          10 vor 11 ist ein ganz eigenartiger Film. Einer derjenigen, wo ich Schwierigkeiten habe, seine Fazination zu verstehen, geschweige denn diese in Worte zu fassen. Versuchen wirs trotzdem.

                                          Das erste was mir aufgrund der Machart sofort in den Kopf schoss, war Nuri Bilge Ceylans Uzak. Ein paar Stadtaufnahmen von Istanbul, viele einsame Menschen zu Hause beim Denken, und eine bedrückende Atmosphäre, die zwar nicht an Uzak rankommt, aber den ganzen Film ununterbrochen trägt. Eigentlich hatte ich mir nach Watchtower vorgenommen die Ceylanvergleiche bleiben zu lassen, da sich Pelin Esmer kein bißchen hinter ihrem Landsmann verstecken muss, aber wer genau hinsieht, kann ein Gewisses Detail zu Beginn einfach nur als Anspielung verstehen.

                                          Inhaltlich werden ebenfalls sehr ähnliche Emotionen abgehandelt und dem Zuschauer kongenial vermittelt. Da ist aber noch ein Überbau der eine Problematik behandelt, die mich an den poetischen Dokuhybrid "N - Wahn der Vernunft" erinnert. Wenn Leidenschaft zur Neurose wird, wenn das ganze Leben von dem eigenen Konstrukt abhängt, man in seinem System vereinsamt, alles nach mentalem Plan läuft, dann ist Freude etwas Fremdes. Nie sehen wir unseren Protagonisten grinsen oder gar lachen. Nejat Isler spielt hier wirklich phänomenal, mit einem expressiven Gesicht und subtilsten Nuancen.

                                          10 vor 11 hat mir wirklich sehr gut gefallen. Es ist einer dieser Filme die nichts für Handlungsfetischisten sind. Die Handlung ist in drei Sätzen erzählt, und dennoch dauert es fast zwei Stunden, bis sie einem komplett offenbart wird. Der Zuschauer wird lange Zeit im Dunkeln gelassen, und muss sich Stück für Stück das Setting zusammenreimen. So richtig hell wird es dabei allerdings nie, und genau das macht auch die Faszination des Films aus. In einer perfekten Schlussszene, die mir nochmal 0,5 Punkte entlockt hat, lässt uns der Film in einem dunklen, leeren Raum zurück, und wir müssen zusehen, wie wir mit dem Gesehenen zurecht kommen.

                                          Ganz klare Empfehlung für Leute die gerne über das Leben nachdenken, nicht vor Slow Cinema zurückschrecken, und Film als Erlebnis betrachten.

                                          Ganz klare Warnung für Leute, die sich schon bei Jarmusch langweilen, eine klare Erzählung wünschen, Antworten auf Fragen erwarten und sich von einem Film nicht runterziehen lassen möchten.

                                          8
                                          • 8 .5

                                            Vor vier Jahren entdeckte ich Andrea Arnold durch diesen Film, und verfasste folgenden Kommentar:

                                            "Ein Film der mich tief beeindruckt hat. Vor allem auch wegen der Tatsache, dass es mir schwerfällt genau zu erklären warum."

                                            Eigentlich hätte ich auch gar nichts schreiben können, aber ich begriff tatsächlich nicht, was es war, das mich so sehr faszinierte, dass ich mir im Anschluss die DVD kaufte, Arnolds Filmographie nachholte, und mir American Honey gestern zum vierten oder fünften Mal ansah.

                                            Heute fühle ich mich in der Lage dem "Warum" auf die Spur zu gehen.

                                            In traumhaften Bildern erzählt uns Arnold die Geschichte der jungen Star. Ein Mädchen aus einer White Trash Familie, aufgewachsen zwischen extremer Armut und sexuellem Missbrauch, befreit sich von ihren Fesseln, schließt sich einer Gruppe Jugendlicher an, die ebenfalls alle von ihrem kurzen Leben gezeichnet sind, und quer durch die USA von Tür zu Tür Abos für Zeitschriften verkaufen.

                                            Ähnlich wie bei Arnolds phänomenalen Meisterwerk Wuthering Heights spielt die Handlung hier lediglich eine stützende Rolle, die als Filmgerüst angesehen werden kann. Worum es hier wirklich geht, ist ebenfalls wie beim Vorgänger die Vermittlung von Emotionen. Als Zuschauer fühlt man sich 2,5 Stunden plötzlich selbst wieder jung. Man erlebt am eigenen Leib dieses Gefühl von Freiheit, von Aufbruchsstimmung, von Erwachsensein. Man fühlt sich unzerstörbar, euphorisch und lässt seine Sorgen irgendwo zurück, wo sie einen nicht einholen können.

                                            Dass dies natürlich nur ein Konstrukt ist, weiß man als Erwachsener, und auch als Zuschauer kommen immer wieder Zweifel, ob diese Lebensphase tatsächlich die Offenbarung schlechthin ist. Man spürt es regelrecht, dass die Euphorie Risse bekommt, dass äußerlich vielleicht alles eine Art jugendliches Paradies ist, innerlich es aber immer stärker brodelt.

                                            Untermalt wird das ganze mit radiofreundlicher Popmusik aus dem letzten Jahrzehnt. Faszinierend dabei ist, dass Arnold den Zuschauer so sehr in eine Verjüngungskur geschickt hat, dass man diese Liederchen sogar mit jungen Ohren hört, und plötzlich merkt, was für eine Kraft diese verhasste Musik tatsächlich haben kann. Ja, ich habe tatsächlich angefangen durch diesen Film Rihanna gerne zu hören.

                                            Und wer bei der Schlussszene am Lagerfeuer bei "God's Whisper" von Raury (wer auch immer das ist) immer noch nicht die einzigartige Magie fühlt, der soll bitteschön in Zukunft Filme ohne mich gucken.

                                            13
                                            • 2
                                              Daggiolone 11.03.2021, 23:47 Geändert 11.03.2021, 23:49

                                              "Ärgerlich" als Bewertung passt wie die Faust aufs Auge. Wie kann ein Regisseur der eine derartig gewaltige Bildsprache beherrscht, der in der Lage ist, Licht auf eine unfassbar expressive Weise einzusetzen, und der es immer wieder schafft, den Zuschauer in tranceartige Zustände einzulullen, wie kann so jemand einen derartigen Humbug verfilmen? "Midsommar" hat so viel Tiefgang wie "Ich weiss was Du letzten Sommer getan hast". Streut aber noch eine gewaltige Prise Zirkus rauf.

                                              Dabei fing es ja wirklich vielversprechend an. Nach einer halben Stunde stellte sich jedoch Ernüchterung ein. Doch dann wurde es von Minute zu Minute derart albern, dass auch die oben erwähnten großartigen Aspekte nicht mehr in der Lage waren, den Film zu tragen.

                                              Was noch? Die Figurenzeichnungen! Alta... Die Dialoge! Meine Fresse... Und dafür wird auch noch ein so wundervolles Fest wie Midsommar als Kulisse missbraucht? Das ganze ist näher an Indiana Jones als an Skandinavien. So hat man Geschichten noch in den 80ern erzählt. Ari Aster, nicht nur die Bildsprache hat sich seitdem weiterentwickelt! So wirkt das ganze nur unfreiwillig komisch, kitschig, plakativ und vor allem ärgerlich wegen der Diskrepanz zwischen Form und Inhalt.

                                              Wäre ich Schwede, wäre ich beleidigt.

                                              12
                                              • 8

                                                Wenn das Leben auswegslos erscheint, entfremdet man sich immer mehr von der Gesellschaft. Die dadurch entstehende Einsamkeit und Entwurzelung aus seinem zu Hause ist ein Aspekt den dieser Film mit fantastischen, sehr ruhigen Landschaftsaufnahmen einer unerwartet waldigen Türkei den Zuschauer spüren lässt. Dies gelingt Watchtower den Großteil des Films über, daher auch die hohe Bewertung.

                                                Ich schaffe es aber nicht unerwähnt zu lassen, dass man leider nicht selten aus seiner Trance herausgerissen wird. In Momenten wo Zeitsprünge dazu führen, dass man Handlungen der Akteure nicht mehr nachempfinden kann, wirkt das ganze plakativ. Es sind zwar immer nur Momente. Diese fühlen sich aber wie Schmutzflecken auf einem wunderschönen Bild an.

                                                Dennoch gefällt mir Pelin Esmer, und da gerade die meisten ihrer Filme momentan auf Mubi sind, bin ich auf jeden Fall neugierig auf die übrig gebliebenen zwei. Watchtower ist auf jeden Fall ein Film, dem Freunde des Slow Cinema eine Chance geben sollten. Wer sich aber wirklich beeindrucken lassen will, sollte lieber ihren letzten Film "Something Useful" sehen.

                                                10
                                                • 7
                                                  Daggiolone 26.02.2021, 00:00 Geändert 26.02.2021, 20:14

                                                  Dieser bizarre Film macht es mir schwer ihn zu bewerten. Die ganze Zeit dachte ich, Lanthimos hätte seine Idee für Dogtooth während der Dreharbeiten zu diesem Film gesammelt, so offensichtlich ist die Parallele. Nur dass Dogtooth greifbarer ist, ganz so als hätte Lanthimos Attenberg genau wie ich unausgereift gefunden. Als ich im Nachhinein sah, dass Dogtooth bereits ein Jahr zuvor erschienen ist, wurde mir bewusst, dass Attenberg ganz einfach nicht die Klasse eines Dogtooths hat.

                                                  Attenberg greift viele Themen auf, schneidet sie aber lediglich an, ohne dass diese zu einem großen Ganzen führen würden. Auch der skurrile Überbau führt nicht wirklich zu viel. Zu 100% erschließt sich mir das ganze auch nicht, und der Symbolismus wirkt derart erzwungen, dass man nicht wirklich den Drang verspürt seinen Interpretationsansätzen ernsthaft zu folgen.

                                                  Attenberg ist kein schlechter Film. Aber wer Dogtooth noch nicht kennt, soll sich lieber den ansehen. Und wer Dogtooth schon kennt, braucht Attenberg höchstens aus Interesse. Der Film ist im Ansatz durchaus nicht uninteressant. So richtig überspringen wollte zumindest bei mir der Funke jedoch nicht.

                                                  6
                                                  • 8
                                                    Daggiolone 23.02.2021, 22:11 Geändert 24.02.2021, 13:35

                                                    Enthält SPOILER

                                                    Farewell Amor ist ein Debutfilm einer neuen Regisseurin, die wenn ich es richtig verstanden habe, halb Tansanierin und halb US-Amerikanerin ist. Der Film spielt im Milieu afrikanischer Migranten in Amerika. Das macht ihn sehr interessant, ist aber für den Film eigentlich sekundär.

                                                    Hier wird uns ein Drama geboten, das es teilweise trotz häufiger Vereinfachungen durchaus in sich hat. Was mich aber wirklich begeistert hat ist die unglaublich faszinierende Erzähstruktur, die auf jeden Fal deutlich besser funktioniert als in "Die Taschendiebin", wo narratologisch etwas ähnliches versucht wurde, in meinen Augen dabei aber komplett gescheitert ist. Die Bilder gepaart mit dem expressiven Schauspiel runden das Ganze dann wundervoll ab.

                                                    Es ist der Schluss, oder besser die letzten 20 Minuten, die so gar nicht zum Rest passen wollen. Der abgefahrene Erzählstil hat ein Ende gefunden, aber vor allem die Einfachheit wie aus dem Nichts im Prinzip unlösbare Probleme aus der Welt geschaffen werden, macht diesen Abschnitt zum Fremdkörper, der aus einem wirklich sehr gelungenen Film einen lediglich guten macht.

                                                    Sehenswert ist er auf jeden Fall, und würde jedem der auf so richtig komplizierte Beziehungsdramen steht empfehlen ihm eine Chance zu geben. Freunde ungewöhnlicher und der Dramaturgie dienender Erzählstrukturen die trotz allem aber nicht kompliziert sind, lege ich ihn dagegen ans Herz.

                                                    7