Daggiolone - Kommentare
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Alle Kommentare von Daggiolone
Enthält SPOILER
Farewell Amor ist ein Debutfilm einer neuen Regisseurin, die wenn ich es richtig verstanden habe, halb Tansanierin und halb US-Amerikanerin ist. Der Film spielt im Milieu afrikanischer Migranten in Amerika. Das macht ihn sehr interessant, ist aber für den Film eigentlich sekundär.
Hier wird uns ein Drama geboten, das es teilweise trotz häufiger Vereinfachungen durchaus in sich hat. Was mich aber wirklich begeistert hat ist die unglaublich faszinierende Erzähstruktur, die auf jeden Fal deutlich besser funktioniert als in "Die Taschendiebin", wo narratologisch etwas ähnliches versucht wurde, in meinen Augen dabei aber komplett gescheitert ist. Die Bilder gepaart mit dem expressiven Schauspiel runden das Ganze dann wundervoll ab.
Es ist der Schluss, oder besser die letzten 20 Minuten, die so gar nicht zum Rest passen wollen. Der abgefahrene Erzählstil hat ein Ende gefunden, aber vor allem die Einfachheit wie aus dem Nichts im Prinzip unlösbare Probleme aus der Welt geschaffen werden, macht diesen Abschnitt zum Fremdkörper, der aus einem wirklich sehr gelungenen Film einen lediglich guten macht.
Sehenswert ist er auf jeden Fall, und würde jedem der auf so richtig komplizierte Beziehungsdramen steht empfehlen ihm eine Chance zu geben. Freunde ungewöhnlicher und der Dramaturgie dienender Erzählstrukturen die trotz allem aber nicht kompliziert sind, lege ich ihn dagegen ans Herz.
Sean Baker mein Dritter.
Ich frage mich gerade ernsthaft, warum dieser Regisseur nicht schon vor Florida Project viel bekannter war. Seine Art tiefgehende Dramen mit simpelsten Mitteln in sozialen Milieus zu zeigen, die einem als durchschnittlicher Filmnerd in der Regel Fremd sind, ist einmalig und erzielt vor allem in diesem Film eine gewaltige Wirkung.
Manchmal ist das Gesehene unerträglich, und das eigene Herz rast nicht viel langsamer als bei "Der Exorzist". Aber warum eigentlch? Weil eine alte Dame einen Hund sucht? Ja, genau deswegen! Und das ist das Beeindruckende.
Von den drei Baker Filmen die ich kenne ist Starlet ohne Frage nicht nur sein vielschichtigster sondern auch sein raffiniertester Film, der für den Zuschauer eine Menge Überraschungen bietet, und am Ende sogar einen unglaublich großen Interpretationsansatz lässt, der einen geistig den Film Revue passieren lässt. Nichts ist eben in diesem Film so wie es zunächst scheint.
Und dann ist da auch noch Bakers charakteristische Figurenzeichnung, bei der ausnahmslos alle Charaktere ambivalent sind. Eine typische Hollywooddichotomie von Gut und Böse findet man höchstens in Spurenelementen. Aber die größte Stärke des Films sind die zwischenmenschlichen Kontraste. Menschen zusammenzubringen, die normalerweise keine Berührungspunkte haben, dies macht auch ein Jarmusch nicht besser.
Ganz großes Kino! Wie hier Sport mit Kunst vermischt wird, ist Arthouse pur! In elegischen Bildern sehen wir hier Sportarten auf eine nachdenkliche Weise inszeniert die es in sich hat. Der Fokus liegt eindeutig auf den Sportutensilien, was aber die Schauspieler*innen hier abliefern ist bis ins kleinste Detail durchdacht, und Schauspielkunst wie man sie sonst nur vom Broadway kennt.
Es fällt einem nämlich erst auf den zweiten Blick auf, dass neben den Sportarten im Hintergrund auch noch Schauspieler ebenfalls eine wichtigere Rolle zukommt, als man zunächst vermuten mag. Kann man schon mal übersehen, wenn man eigentlich einen majestätischen Tennisplatz bewundert, oder der Golfschläger die Lichteinfälle reflektiert. Man beachte nur, welch experimentelle Körpersprache hier dem Zuschauer vorgesetzt wird. Wie so häufig im Arthouse, erleben wir nebenbei viel Freizügigkeit, aber das unterstützt nur die Metaebene, in der die Natürlichkeit von Sport thematisiert wird.
Natürlich ist das ganze stark von Ingmar Bergman inspiriert. Da täuscht auch nicht die Farbe darüber hinweg. Aber wie es jemand schafft, ohne Dialoge soviel Inhalt in einen Film zu bringen, ist beeindruckend.
Interessanterweise konnte meine damalige Freundin mit diesen avantgardistischen Filmen nicht viel anfangen. Vermutlich war sie noch zu jung dafür. Sie konnte nicht nachvollziehen, dass mich diese expressionistischen bewegten Gemälde derart faszinierten. Sie regte sich sogar darüber auf. Ich vermute aber, dass in Wirklichkeit sie nur Angst hatte, dass ich durch dieses Meisterwerk auch anfangen würde mich für Sportarten wie Cricket zu interessieren, und sie dann hätte zugeben müssen, dass ihr die Regeln nicht vertraut waren.
Ich kann nur jedem der sich für Sport interessiert empfehlen einen Blick zu riskieren. Natürlich muss man beachten, dass ich auch schon mal Tennis gespielt habe. Das erleichtert den Zugang zu diesem sperrigen Kunstwerk ungemein.
Seit ich das bezaubernde Florida Project gesehen habe, befindet sich Tangerine L.A. auf meiner Watchlist. Alles was ich dazu wusste, war die Sache mit dem iPhone. Dazu später mehr. Aber genau diese war es, die mich so lange davon abgehalten hat diesen Film zu sehen.
Was mir vor der Sichtung nicht bewusst war ist, dass der Film mich in ein Milieu mitnehmen würde, zu dem ich keine Berührungspunkte habe, zu dem ich eigentlich wenn man mich vorher gefragt hätte auch keine Berührungpunkte hätte haben wollen, und über das ich offensichtlich doch mehr Vorbehalte habe, als ich mir vorher eingestanden hätte. Während der ersten Minuten war ich doch sehr irritiert, und wusste nicht, was ich von den ganzen Dramaqueens halten sollte.
Die Irritation blieb dann den ganzen Film über. Nicht jedoch wegen des Milieus, sondern weil man die beiden überdrehten Trullas irgendwie anfängt gern zu haben. Mit der Zeit gewöhnt man sich an die schrille Fassade, und es blitzen immer wieder Momente durch, wo einem bewusst wird, wie nebensächlich der ganze Genderüberbau ist. Insbesondere nachdem wir den Anfangs so angenehmen Taxifahrer immer ambivalenter zu betrachten beginnen.
Jenseits der ganzen Milieufrage haben wir dann eine in drei Zeilen erzählte Handlung. Diese ist auch nicht der Star des Films, sondern lediglich Statistin. Viel zentraler ist nicht was erzählt wird, sondern wie es erzählt wird. Der Film ist Erlebniskino vom feinsten. Es ist ein ungemein hektischer Film, der dem Zuschauer nicht eine Verschnaufspause lässt. Momente die witzig sind und tragisch zugleich halten die Anfangs erwähnte Irritation aufrecht. Die Bildsprache ist fantastisch, und muss sich hinter Florida Project nicht verstecken. Trotz oder wegen des iPhones.
Dass das erste was man überall zu dem Film liest, die iPhone-Story ist, kann ich auf der einen Seite zwar verstehen, weil es sowas wohl noch nie gab, es ist aber in meinen Augen nebensächlich. Wir sehen hier nicht einfach Twitter-Aufnahmen, sondern hier war ein Profi an der Kamera. Also am Handy. Ihr wisst schon. Es spielt höchstens auf einer unterbewussten Ebene eine Rolle. Für mich sind es aber die oben erwähnten Aspekte, die diesen Film sehenswert machen.
Random Mubi Movie die Dritte, und ich warte immer noch, dass diese Methode mal nach hinten losgeht. Was ich dadurch für Perlen entdecke ist beeindruckend.
Regisseurin Pelin Esmer scheint das weibliche Pendant zu Nuri Bilge Ceylan zu sein. Und das ganz bestimmt nicht nur, wegen der gemeinsamen Herkunft. Dieser Film nimmt einen im wahrsten Sinne auf eine Reise mit. Eine meditative Reise in eine Gedankenwelt die an einen Theo Angelopoulos erinnert, aber noch zusätzlich eine soziologische Ebene bedient, die im starken Kontrast dadurch steht, dass wir im Großen und Ganzen Menschen beim Nachdenken zusehen. Auch das ist Nuri Bilge Ceylan.
Stilistisch ist der Film in zwei Teile geteilt. Der erste Teil ist wundervoll sinnlich und zermürbend zugleich, und steckt einem im zweiten Teil immer noch in den Knochen. Wer hier an Once Upon a Time in Anatolia denkt, liegt nicht ganz falsch.
Somthing Useful sei wirklich jedem der das hier liest, und der auf poetisches und sinnliches Kino steht ans Herz gelegt. Das ist hier ganz großes Kino. Und wer auf Nuri Bilge Ceylan steht, muss hier sowieso zuschlagen.
Und ENDLICH mal ein Ende, das einem Film die Krönung aufsetzt!
Mubi-Random-Watch die Zweite.
Voreingenommen wie ich war, habe ich einen großen Bogen um den Film gemacht. Gefeierte Filme aus Italien fand ich in den letzten Jahren immer furchtbar. Alice Rohrwacher hat mich eines besseren belehrt.
Aber es hat gedauert, bis ich es erkannt habe. Die erste Hälfte des Films fühlt sich an als sei sie nichts Ganzes und nichts Halbes, und dümpelte so sehr vor sich hin, dass ich nach etwa 30 Minuten ernsthaft abbrechen wollte. Ein Glück hat mich irgendetwas davon abgehalten. Es war ein kurzer Moment, wo dieser unscheinbare Lazzaro einen Satz sagt, der zum ersten Mal dieser Figur eine Ebene verleiht, die zwar noch nicht greifbar ist, aber einen auf irritierende Weise berührt.
Nach einer Stunde werden wir aus unserer Trance durch eine absurde und urkomische Szene gerissen, die auf dem Papier so gar nicht zu diesem Film passen will, es irgendwie aber doch tut. Danach beginnt alles ganz eigenartig zu werden, und wir beginnen zu verstehen, dass die erste Hälfte genauso sein musste wie sie war, um diesen Effekt zu erzielen der sich ab jetzt einstellen wird. Der Film beginnt surreale Züge anzunehmen. Allerdings keinen In-die-Fresse-Surrealismus à la Lynch, und auch keinen oft kognitiv offensichtlichen aber narratologisch irrelevanten magischen Realismus. Es ist ein Surrealismus dessen Anwesenheit man sich nie ganz sicher ist. Immer wieder spielt der Film mit dem Zuschauer durch genau diesen Effekt. Gekrönt wird die Irritation dadurch, dass genau die deutlich realistischer inszenierte erste Hälfte des Films, die auf der Handlungsebene fantastischere ist, wohingegen mit zunehmendem Surrealismus das Setting an Realismus gewinnt. Es fühlt sich nicht selten an wie eine dezente Reise durch Raum und Zeit.
Auf inhaltlicher Ebene haben wir eine Sozialkritik, die im ersten Moment plump erscheint, die bei genauerer Betrachtung allerdings unfassbar tiefe Ebenen enthält. Man darf sich von der manchmal zu starken Offensichtlichkeit nicht täuschen lassen. Fans von häufigen aber dennoch dezenten Smybolismen kommen hier auf ihre Kosten.
Und dann ist da noch Lazzaro, den man gerne mal vergisst. Eine Figur die auf unglaublich viele Weisen lesbar ist. Da ist der biblische Lazzaro, der selbstlose Lazzaro, der mit sich zufriedene, der der gesellschaftliche Konventionen nicht kennt, der ausgestoßene, der mental beeinträchtigte, der ausgenutzte, der glückliche Lazzaro. Die Liste ließe sich ewig lang fortsetzen.
Die letzte Szene hätte es aber nicht gebraucht. Im Gegenteil! Wäre die Szene davor die Schlusszene gewesen, wäre ich restlos begeistert gewesen.
Noch eine interessante Randbemerkung für Leute die des Italienischen nicht mächtig sind. In dem Film sind Dialekte aus so ziemlich allen Regionen Italiens zu hören. Selbst die gleiche Person in verchiedenen Zeitebenen kann schonmal zwei völlig gegensätzliche Akzente haben. So irritierend das wirkt, so ist es insbesondere die metaphorische Ebene, die durch diesen Kniff noch eine zusätzliche Würze erhält. Vor allem wenn man darüber nachdenkt, wie vermeintlich unterschiedlich die regionalen Gesellschaften Italiens sind.
Ganz leichte SPOILERgefahr
Wer kennt das nicht? Man will einen Film gucken, stöbert ewig auf Netflix oder auf Amazon und findet einfach nichts was einen interessiert. Ich dachte ich löse dieses Problem, indem ich mir mal einen Zugang zu Mubi verschaffe, aber das Problem ist im Prinzip geblieben. Ich suche immer noch ewig, jetzt allerdings weil mich gefühlt 2 von 3 Filmen interessieren und ich mich nicht entscheiden kann. Nach einer halben Stunde werde ich radikal. Ich mache mal Random, und gucke was kommt. Ich hätte mir diesen Film sonst wohl nie im Leben angesehen.
Dass ich ihn dann doch bis zum Ende geguckt habe, zeigt dann jedoch auch, dass der Film durchaus einige Stärken hat. "Eine Jugendliebe" ist alles andere als ein schlechter Film. Wirklich schöne Aufnahmen die Atmosphäre kreieren und Emotionen unterstützen. Eine mir bis dato unbekannte Hauptdarstellerin, die mich mit ihrem expressiven Spiel verzaubert hat. Eine Liebesgeschichte mit zahlreichen Ebenen. Eine Hauptfigur die gefangen ist in einer jugendlichen Idealvorstellung von Liebe und einer Sehnsucht nach Geborgenheit, die darin gipfelt, dass sie sich Leidenschaft und Sicherheit bei verschiedenen Männern abholt.
Und dennoch hat dieser Film zahlreiche Störfaktoren, die teilweise das Seherlebnis echt negativ beeinträchtigen. Und damit meine ich nicht die EU-Kennzeichen mitten in den 90er Jahren. Es beginnt damit, dass die Figur des Hauptcharakters Sullivan unfassbar schlecht gezeichnet ist. Es wirkt ganz so, als hätte Regisseurin Mia Hansen-Løve die Pathologie Sullivans nicht begriffen. So gut sie die Figur der Camille beleuchtet, dass man als Zuschauer den Schmerz und die Entfremdung mitfühlt, bleibt Sullivan nicht nur unbeleuchtet, er ist auch unglaubwürdig. Dies gipfelt vor allem in Momenten, bei denen er mit Lebensweisheiten um sich schlägt, die völlig im Kontrast zu seinem Alter und seinem Verhalten stehen.
Ganz schrecklich ist dann der Mittelteil. Zeitsprünge sind in der Regel ein Stilmittel das ich liebe. Insbesondere dann, wenn diese nicht auf den ersten Blick ersichtlich sind, und dadurch eine angenehme Irritation geweckt wird. Wenn aber in einem solch emotionalen Film die Zeitsprünge dazu führen, dass wir die emotionale Verbindung zur Hauptfigur verlieren, ist dies wirklich gravierend. Nichts ist mehr wirklich nachvollziehbar. Alles wirkt unglaubwürdig.
Ein Glück fängt sich der Film dann wieder.
Für Freunde von Metaebenen sei noch das Thema Architektur kurz erwähnt. Teilweise wirkt diese allegorische Darstellung des inneren Seelenzustandes sehr erzwungen. Und besser als Greenaway macht das ohnehin niemand. Auf der anderen Seite erleben wir im Film mehr Häuser von innen, als Leute bei einer samstäglichen Wohnungsbesichtigung im Prenzlauer Berg zugegen sind. Diese immer zur aktuellen Lage passenden oder bewusst unpassenden Locations sprechen eine ganz eigene Sprache. Man sehe sich nur das Hotelzimmer an, in welchem eigentlich die leidenschaftlichste Szene des ganzen Films spielen sollte. Diesen Aspekt fand ich gut gelungen.
Schade ist auch, dass zum Schluss Hansen-Løve wohl der Meinung war, noch ein paar plumpe Symbole reinzubringen, für die Leute, die die subtilen Symbole nicht verstanden haben.
Wem kann ich diesen Film empfehlen? Vielleicht Leuten die sentimentale Liebesgeschichten mögen. Vielleicht auch Leuten, die sich für ungesunde Liebeskonstellationen interessieren. Muss man den Film gesehen haben? Nein. Aber diese Lola Créton hat schon was.
Enthält SPOILER
Primer ist wohl der am unspektakulärsten inszenierte Zeitreisefilm. Die zufällige Erfindung einer Zeitmaschine ist durch einen übertriebenen Realismus gekennzeichnet, der mich an Gus van Sants Elephant erinnert hat.
Nicht immer leicht zu Folgen, manchmal sogar anstrenged, stellt die Stärke des Films das Gedankenexperiment dar. Dieses kann schon für Hirnknoten sorgen. Ich musste irgendwann unterbrechen, und mir diese schöne Grafik auf Wikipedia ansehen, um nochmal genau zu verstehen, wie das nun eigentlich funktioniert mit diesen Zeitreisen.
Für Freunde von Zeitreisen und ihren Paradoxa ein Muss! Wer allerdings einen spektakulären Film erwartet, sollte lieber vorsichtig sein. Primer ist ein sehr nerdiger Film. Er ist in seiner Machart sehr speziell. Es ist trotz allem kein Film den ich mir ein zweites Mal ansehen würde.
Die 7 Punkte sind sehr wohlwollend, denn der Film hat immerhin eine wirklich schöne Atmosphäre und interessante Bilder. Vor allem das Setting weiß zu überzeugen. Es kann natürlich auch sein, dass ich was Slow Cinema angeht mittlerweile verwöhnt bin, und meine Ansprüche gestiegen sind. Aber inhaltlich konnte mich bei diesem Film wirklich rein gar nichts erreichen. Scheinbar wollte Regisseur Weerasethakul eine Ode an den menschlichen Geist und seine Vorstellungskraft erschaffen, die für den Zuschauer aber einfach nicht über die Kenntnisnahme selbiger Themen hinausgeht. Andere Ebenen konnte ich kaum erkennen.
9 to 5 fühlt sich so an, als hätten wir bei einer Verlosung ein Ticket gewonnen, bei dem wir beim nächsten Pornodreh als Zuschauer am Set sein dürfen. Ab und zu kommen wir dort in kurze Gespräche mit dem einen oder anderen Akteur dieses Mikrokosmos, da diese aber teilweise nicht nur unsympathisch sind, sondern auch nicht wirklich Gesprächsbereit (es sei denn, es geht darum zu erörtern wie toll doch die eigene Person sei), ist unser Besuch in der Branche ein Flop. Wenn wir nicht zufällig dieser Ärztin über den Weg gelaufen wären, die früher selbst aktiv war, wäre der komplette Tag für die Katz gewesen.
9 to 5 nimmt den Zuschauer nicht mit. Der Zuschauer ist der Gast der sich fehl am Platz fühlt, und um den sich kein Mensch kümmert. Wirklich jedes halbwegs interessante Interview, endet mit einem ausführlichen Ausschnitt aus den Dreharbeiten. Teilweise grenzwertige Szenen werden nicht kritisch hinterfragt. Die Akteure können sich in Selbstdarstellung suhlen. Dabei geht es recht selten über technische Details hinaus. Mich interessiert es nicht zu sehen, wie Produzenten mit zweifelhaften "Agenten" stundenlang nach einem Mädchen suchen, um im Anschluss lediglich zu beobachten wie ihr männliche Körperflüssigkeiten vom Gesicht tropfen.
Dies hier ist keine Doku. Dies ist Werbung für die entsprechenden Filme und Darstellerinnen mit Hardcoreszenen alle 5 Minuten. Und wer nun vielleicht hofft, diese Doku als Alibi mit der Freundin zu gucken, um am Ende mit ihr endlich mal nen Porno zu sehen, dem sei gesagt, dass wir fast ausschließlich männliche Gewaltphantasien zu Gesicht bekommen, und diese ebenfalls so dargestellt werden, als sei es das normalste der Welt. Ich kann mir aber einfach nicht vorstellen, dass ich der einzige Mann bin, der es nicht gerade erotisch findet zu sehen, wenn Sex offensichtlich nur mit Erniedrigung und Brutalität funktioniert.
Ein ganz mieser Streifen, der 4 Punkte alleine für besagte Ärztin erhält.
Mein Interesse an klassischer Malerei ist äußerst rudimentär. Ich muss aber zugeben, dass Bruegel immer schon einen gewissen Reiz auf mich ausgeübt hat. Zumal nicht wenige Filmemacher die ein mittelalterliches Setting benötigten, sich oft stark vom flämischen Maler inspirieren haben lassen. Man denke nur an German oder an Tarkowsky.
Einzelne Bilder als Inspiration für einen kompletten Film heranzuziehen ist ebenfalls nicht wirklich neu. Peter Greenaway hat dieses Vorgehen irgendwann zu seinem eigentlichen kreativen Prozess gemacht. Der mir bis heute unbekannte polnische Regisseur Lech Majewski geht aber noch einen Schritt weiter. Anders als Greenaway verwendet er ein Gemälde nicht als inspirierende Kulisse, sondern er stellt penibel Breugels Werke nach, allen voran seine meisterhafte "Kreuztragung". Die Detailverliebtheit Bruegels findet sich auch in Majewskis Vorgehen vor. Da wird sogar auf den Lichteinfall in Stofffalten geachtet, Menschen nehmen schon mal etwas ungewöhnliche Posen ein, und selbst die Gesichter sind eben typische Bruegelgesichter.
Das ist wirklich beeindruckend, denn man fühlt sich, als wäre man in seine Bilder eingetaucht. Es gibt aber leider noch einen Unterschied zu Greenaway. Während der Brite ein Bild als Ausgangspunkt verwendet, und sich daraus eine fantasiereiche Geschichte entwickelt, die auch in jeder anderen Kulisse funktionieren würde, bleibt Majewski bei der reinen Bildanalyse, die zu alldem auch noch recht konventionell geworden ist. Wir beobachten wie ein Bild entsteht, und konzentrieren uns auf die Details. Am Ende bleibt es aber leider nur eine unkonventionelle Bildbeschreibung. Hat man sich erstmal an die umwerfende visuelle Umsetzung gewöhnt, bietet dieser Film leider keinen weiteren Mehrwert außer ein Kuriosum darzustellen, dem man zumindest aufgrund der dahinter steckenden Arbeit und der ausgefallenen Idee Respekt zollen sollte.
Ich bin mittlerweile zu der Auffassung gekommen, dass bei der Frage nach der Trennung von Kunst und Künstler es lediglich auf einen Aspekt ankommt. Kann man selbst die Kunst noch genießen, ohne einen faden Beigeschmack zu haben? Und diese Frage kann nur jeder individuell und je nach Fall für sich selbst beantworten. Und falls man merkt, man kann sich am Kunstwerk eben nicht mehr erfreuen, dann liest/hört/sieht man es sich eben nicht mehr an. Ob es dann aber wirklich einer melodramatischen Bücherverbrennung erfordert, halte ich für mehr als fraglich. Was soll das sein? Ein Ablass dafür, dass man den Künstler mal finanziell unterstützt hat? Eine Fokussierung auf sich selbst, bei der es einem in Wirklichkeit nur um die eigene Inszenierung geht, welche man seinen Mitmenschen präsentiert? Muss auch jeder für sich selbst bestimmen. Bei mir weckt es jedoch ganz andere Assoziationen.
Die drei Affen die sich Ohren, Augen und Mund zuhalten könnten nicht titelgebender sein. Ein Netz an Lügen und Unehrlichkeit, bei dem keiner seinen Primateneid ablegen kann. Aber auch dem Zuschauer wird nur die Affenperspektive geboten. Gespräche deren Verlauf man nur erahnen kann, da anstatt diese zu zeigen, wir die Dialogpartner immer nur in den Phasen danach erleben, wo das von uns nicht Gehörte schweigend verarbeitet werden muss. Schlüsselereignisse sehen wir ebenfalls nicht, und müssen uns aus den Folgeszenen anhand kleiner Indizien das narratologisch Relevanteste zusammenbasteln. Das was in anderen Filmen zentral ist, wird hier gar nicht gezeigt. Wir sehen immer nur die Phasen dazwischen, wo die Affen eine Pause haben.
Vielleicht noch nicht so ganz stark wie Nuri Bilge Ceylans folgenden Filme. Vor allem visuell weiß sogar das ältere und ähnlich gelagerte Uzak mehr zu überzeugen. Ceylans visuelle Stärke liegt eindeutig in den Außenaufnahmen oder jenen die aus der Ferne entstehen. Dennoch ein absolut sehenswerter Film, der nicht nur vor dezent eingestreutem magischen Realismus nicht zurückschreckt, sondern dieser bei genauer Betrachtung sogar den Schlüssel zu dieser ganzen Tristesse darstellt.
Eigenartiger Film. Irgendwo zwischen Spring Breakers, Neon Demon und Leichen unter brennender Sonne. Der Film hat eigentlich weder eine besondere Tiefe, noch einen wirklichen Unterhaltungswert. Und dennoch ist er wie hypnotisierend.
Die Faszination hält Holiday vor allem dadurch aufrecht, dass man bis zum Schluss weder die Konstellationen im Film so richtig durchschaut, und erst Recht nicht die Motivationsgründe der Hauptfigur Sascha. Das Ganze unter einer knallenden Sonne, so dass man selbst vor dem Bildschirm das Gefühl hat, man sollte sich lieber ein wenig eincremen. Dabei werden wir teilweise mit langen Aufnahmen hypnotisiert, um dann im nächsten Moment mit unerträglichen Bildern von Gewalt verstört zu werden. Danach setzt die Hypnose wieder ein, und wir erfreuen uns an einer betäubenden Dekadenz, die uns und Sascha alles vergessen lässt.
Der Schluss macht jedoch sehr viel kaputt.
Lanthimos beweist hier, dass mit ihm noch zu rechnen ist. Sein letzter Spielfilm war im Prinzip reine Regiearbeit. Das fremde Drehbuch beraubte den Griechen seiner eigenen Handschrift. In diesem Kurzfilm präsentiert Lanthimos wieder eines seiner verstörenden Gedankenspiele. Durch die kurze Spielzeit gelingt es ihm jedoch nicht, die Idee so auszubauen, dass sie zu irgendetwas hinführen würde. Man könnte hier richtung Patchworkfamilie interpretieren, und die Frage erörtern, was einen eigentlich zu Eltern macht. Wirklich überzeugen kann der Film aber nur bis zur völlig genialen und unerwarteten Schlüsselszene, die mir einen kurzen Gänsehautmoment beschert hat.
Santa Sangre ist ein großartiger Film.
Es fällt nur schwer das zu erkennen, wenn man im Hinterkopf ständig El Topo und Montana Sacra hat. Über ein Jahrzehnt später ist Jodorowsky zahm geworden. Eine Weiterentwicklung gab es nur in der Verständlichkeit, und dies tut dem Film nicht gut. Wenn Symbolismus der Narratologie wegen dem Zuschauer erklärt werden muss, gibt es drei Möglichkeiten. Entweder traut Jodorowsky seinem Publikum nichts mehr zu, oder er wollte sein Publikum erweitern. Möglich ist aber auch, dass er es nicht mehr kann. Die Naivität der Anfsangstage brachte erst den Wahnsinn rein. Es war radikal. Assoziative Sprünge reichten, um dem Geschehen zu folgen. Hier wirkt dagegen vieles verkopft. Und inhaltlich liegen Welten zwischen diesen Filmen. Die frühere Tiefe weicht einer manchmal erschreckenden Oberflächlichkeit. Hinzu kommt der visuelle Aspekt. Erinnerten seine Frühwerke in ihren schwächsten Momenten an Terry Gilliam in seinen besten, musste ich hier nicht selten an Jeunet in seinen späteren Werken denken.
All dies muss man ausblenden. Es gelingt nicht immer, aber wenn es gelingt, merkt man, dass der Film dennoch ein kleines Juwel des abgedrehten Kinos ist, das Spaß macht, und dennoch etwas zu sagen hat. Und wenn es nicht viel ist. Und einige Passagen sind echt stark.
Wer übrigens diesen Film mag, dem lege ich "Bibliotheque Pascal" ans Herz. Ich wette Regisseur Hajdu war Santa Sangre zumindest bekannt.
Harry Potter ist sicherlich ein eigenes Universum. Eines das mich wie kein anderes mitgenommen hat. Harry Potter, und das wussten wir von Anfang an, würde sich auf 7 Bände beschränken. Darauf hat man sich eingestellt, und nach den letzten Zeilen des siebten Bandes war dann Schluss. Alles hat Sinn ergeben. Es war eine einmalige Reise, die man nie vergessen wird, und die man immer und immer wieder gerne antritt.
Wenn man dieses Universum nun als Schablone für unzählige andere Filme, Spiele, Serien, Bücher, Theaterstücke oder Sportarten nimmt, zeigt dies gut auf, wie die Melkmaschine funktioniert. Wer Spaß daran hat, dem sei das gegönnt. Mir persönlich erschließt sich der Sinn darin nicht, warum man sich gerade als Fan eine derartige Einmaligkeit nehmen lässt. Sieht man sich hier die Kommentare zu den Grindewald-Filmen an, entsteht nicht selten der Eindruck, die Antwort auf die Frage sei in Wirklichkeit eine Freude am Pöbeln, Nörgeln und einer Früher-war-alles-besser-Mentalität.
Man sollte aufhören wenn es am schönsten ist. Die Verfilmungen der sieben Bände waren schon ein Risiko, das dann erstaunlicherweise wunderbar funktioniert hat. Da Harry Potter mittlerweile eine Marke ist, wird es leider nicht aufhören. Das Schöne ist jedoch, dass ich diese nicht konsumieren muss. Und somit auch keine larmoyanten Kommentare verfassen muss.
Uralter Westernpathos begrüßt uns. Ein Lonesome Warrior reitet durch die Wüste. Dass da ein nacktes Kind dabei ist, mag kurz irritieren, wird aber schnell hingenommen. Dass dann Vater und Kind durch ein Dorf laufen, in dem uns detailliert gezeigt wird, wie es nach einem Massaker aussieht, ist dann doch nicht unbedingt das, womit man gerechnet hat, aber gut, dann ist das eben ein ziemlich brutaler Film. Ist er auch. Doch dann kommt der rote Luftballon. Im Anschluss erleben wir die komplette erste Hälfte The Doors auf Meskalin in der Wüste. Woher die zweite Frau jetzt plötzlich auftaucht, ist dann auch nicht mehr die Frage die man sich stellt. Wir wollen schließlich einen Meister töten. Oder etwas von ihm lernen. Oder uns selbst finden. Oder parallelen zu Tieren finden. Leider endet der Trip knapp nach der Hälfte, und irgendwie ist nichts mehr wie vorher. Wir erkennen uns selbst kaum wieder. Und diese Haare! Aber irgendwie war es in der Wüste gemütlicher. Kein Wunder dass man Drogen braucht, wenn man der Stadt entfliehen will. Im letzten Drittel unserer Reise müssen wir uns plötzlich mit Philosophien vom heiligen Berg rumschlagen, und weinen den Kakteen aus der Wüste hinterher. Einen Sohn hatten wir übrigens auch mal, wie uns dann plötzlich bitter bewusst wird, ausgerechnet als wir unsere hochschwangere - mit Betonung auf Schwanger - unsere schwangere Frau heiraten wollen. Egal, schließlich war uns die Futurama-Bevölkerung aus den Abflüssen immer schon sympathisch. Deswegen ist man am Ende auch so fertig. Aber das Leben geht weiter.
Vor einiger Zeit entdeckte ich Greenaway, und begann mich durch seine riesige Filmographie zu arbeiten. Die anfängliche Begeisterung legte sich nach ein paar Filmen. Spätestens seit seiner Bettlektüre merkte ich, dass vor allem seine späteren Werke mich einfach nicht erreichen.
Man mag mir verzeihen, wenn ich Prosperos Bücher Unrecht tue. Aber diese Schnittspielereien, die mir schon bei der Bettlektüre sauer aufgestoßen sind, ruinieren hier so ziemlich alles an einzigartiger Kulisse. Nach 20 Minuten war ich darüber derart frustriert, weil ich durchschnittlich alle 20 Sekunden aus meiner Immersion geholt wurde. Fühlte sich an wie Schlafdeprivation. Und das ist ärgerlich, denn der Traum in den ich immer wieder mal reinschauen konnte, wirkte durchaus interessant.
In einer Zeit, wo ich nach einem Jahr Filmpause mich regelrecht dazu zwingen muss, mich wieder auf Filme einlassen zu können, habe ich keine Lust 2 Stunden Frust über mich ergehen zu lassen. 20 Minuten sind zu kurz um einen Film zu bewerten, aber lang genug, um zu erahnen, dass ich Prosperos Bücher wohl nie sehen werde, und wohl akzeptieren muss, dass ich Greenaways Meisterwerke bereits alle gesehen habe.
Vielleicht macht es mir Jodorowsky heute Abend einfacher. Mal sehen.
TRIGGERWARNUNG für Metaller!
Full Metal Village ist ein Film der den Metaller auf eine neue Weise ins öffentliche Bewusstsein rückte. Der Metaller war nun nicht mehr der teufelsanbetende, drogenabhängige und gewaltverherrlichende Extremist. Der Metaller war nun plötzlich der belächelte Looser, der ja eigentlich ganz lieb ist, aber auch irgendwie peinlich ist. Daran ist aber der Film nicht alleine Schuld, sondern primär das Wackenpublikum selbst. Szeneintern ein höchst umstrittenes Festival, vor allem auch gerade wegen des Ballermannflairs inklusive riesiger Plüschkostüme und Hüpfburgen.
Full Metal Village ist aber auch ein Film den dennoch jeder Metaller sehen wollte, und dieser am Ende vermutlich irritierter war als der vermeintlich spießige angepasste Zuschauer. Mit der Hoffnung ein wenig geile Musik in einem Kinofilm zu sehen, strömten wir seinerzeit alle ins Lichtspielhaus, und kamen verdutzt heraus. Nicht wegen der Wacken-Metaller. Auf diese Subspezies waren wir innerlich vorbereitet. Aber dass in Wacken auch Menschen leben, die diesen Quatsch jedes Jahr aufs neue aushalten müssen, und dabei trotz aller Spießigkeit innerlich offener eingestellt waren als unsereins, war dann doch überraschend.
Full Metal Village ist ein Film der von seinen Kontrasten lebt, diese aber leider auch meiner Meinung nach nicht genug ausschöpft, und recht schnell repetitiv wird, und letzten Endes daran scheitert, dass er ein Kuriosum darstellt, ohne eine wirkliche Zielgruppe zu haben.
Als es noch kein Corona gab, fuhr ich regelmäßig alle zwei Jahre nach Venedig um mir in 3 Tagen die Biennale anzusehen. Dort stolperte ich ständig auf Experimentalfilme, die mich manchmal richtig flashten. Doch leider kann ich diese dort nie richtig genießen, geschweige denn komplett sehen. 3 Tage reichen ohnehin nicht aus um die komplette Ausstellung zu sehen, und Filme sind die schlimmsten Zeitfresser. In der Regel schreibe ich mir dann nach 5 Minuten Künstler und Titel auf, mit der Hoffnung den irgendwie abseits der Biennale zu Gesicht zu bekommen.
Nun hole ich mir mit Koyaanisqtsi einen Film ins Wohnzimmer, der mich wiederum gedanklich nach Venedig katapultiert. Anstatt mich zu freuen aber, bin ich frustriert. Nach 15 Minuten erreicht mich immer noch gar nichts, und ich beginne den Film nebenher laufen zu lassen.
Vermutlich tue ich diesem Film Unrecht, aber ein Film ohne Handlung muss mich auf Anhieb packen. Vermutlich bin ich verwöhnt, aber Koyaanisqatsi wäre in Venedig einer dieser Filme, bei denen ich mich freue, dass ich weiterlaufen kann, ohne ein schlechtes Gefühl dabei zu bekommen.
Der Film hätte auch Melankholiya heißen können, Tarkowskij hat sich jedoch für das etwas präzisere Nostalghia entschieden. Eine Ode an die Nostalgie. Ob es nun Nostalgie zur Heimat ist, zur Familie, zur eigenen Kindheit, allgemein zu Zeiten in denen das Leben unbeschwert war. Nostalgie nach Liebe, nach einer Gesellschaft die sich auch wie eine solche Verhält und zusammenhält. Ein aktuelles Thema.
Tarkowskij gelingt es erneut eine vage Prämisse zu erschaffen, die dieses Mal erstaunlich autobiographisch ist, in welcher er persönliche und soziologische Fragen so zusammenführt, dass diese nicht mehr voneinander trennbar sind. Vielleicht nicht ganz so tiefgründig wie in Stalker, dafür aber schwieriger überhaupt zu erreichen.
Der russische Regiepoet will uns zum Innehalten führen. Er will, dass wir lernen unsere Perspektive ändern zu können. Dass wir uns selbst hinterfragen. Als Mensch und als Gesellschaft. Eine Gesellschaft der ein "Verrückter" sagen muss, dass sie sich schämen sollte. Dabei ahnen wir doch auch schon, dass die vermeintlich verrückten näher an der Wahrheit sind als sonst jemand.
Unser innerer Seelenzustand ist immer abhängig von äußeren Umständen, und die Entfremdung von unserer Welt bringt uns der Erkenntnis näher, hat aber auch einen bitteren Preis. Die Gesellschaft selbst ist am Ende genau die Bremse die uns in unserer Entwicklung aufhält. Wir müssen uns von ihr entfernen, um verstehen zu können. Gleichzeitig stehen wir aber vor dem Dilemma, dass die Gesellschaft für uns Lebensnotwendig ist. Wenn nicht sogar fundamental für unsere Existenz ist. Diese Spagatleistung könnte man als Quintessenz aus Nostalghia ziehen.
********************
Dies war nun meine Zweitsichtung, und eine Aufwertung von 7,5 auf 10 ist die Folge. Auch diesen Tarkowskji habe ich erst beim zweiten Mal kapiert, und mir wird gerade bewusst, dass die 7,5 damals viel zu hoch gegriffen war, weil ich wirklich nichts verstanden hatte. Aber wie so viele Filme mit fehlendem dramaturgischen Aufbau, funktioniert auch dieser beim zweiten Mal, nachdem man beim ersten gelernt hat, wie der Film überhaupt zu konsumieren ist. Ich fand ihn dieses Mal sogar erstaunlich einfach, und überlege nun, ob ich mich demnächst doch noch mal an diesen furchtbar verwirrenden Spiegel rantrauen sollte.
Im direkten Vergleich zu Stalker fehlt vielleicht die ganz große Erkenntnis. Im Vergleich zu Solaris die Dramaturgie. Dafür finde ich Nostalghia auf einer poetischen Ebene von diesen drei Filmen am gelungensten. Wie sich hier Inhalt, Bild und Ton in einem homogenen Nebelklumpen vermischen ist mehr als nur Kino. Es ist Tarkowskji. Ein Regisseur dessen Geist sich einem erst mit jeder Sichtung seiner Werke immer mehr offenbart und immer beeindruckender wird. Alles was man hierfür braucht ist Zeit und Geduld. Dann wird man auch wundervoll belohnt.
(Danke an BossMarco, der mich ohne es zu wissen, dazu inspiriert hat, diesem Meisterwerk doch noch eine Chance zu geben. Es hat sich wirklich gelohnt!)
Mindfuckmeister... soso...
Gerade zum ersten Mal gesehen, und ich gebe zu, dass mir die Sichtung nicht immer leicht gefallen ist. Anders als ein Solaris, das heute noch genauso funktioniert wie damals, oder ein Stalker das ohnehin zeitlos ist, merkt man Andrej Rubljow seine Jahre an. Gar nicht mal so sehr aus visuell-technischer Perspektive, sondern inhaltlich.
Die genze Glaubensfrage des Filmes, welche eine zentrale Rolle übernimmt, fühlt sich 2021 nicht mehr neu an. Diese Fragen sind geklärt. In Bezug zu den soziologischen Themen, aber vor allem zu den persönlichen erreicht einen dann aber irgendwann doch diese außerordentlich vielschichtige Allegorie. Erinnerungen an Stalker werden wieder wach, und man fragt sich, wie dieser Film wohl 1966 gewirkt haben muss.
Und dann sind da noch diese Bilder, die wohl so einige meiner Lieblingsregisseure beeinflusst haben müssen. "Es ist schwer, ein Gott zu sein." lässt grüßen.
Ich weiß aber auch nicht, ob ich Andrej Rubljow ein zweites Mal sehen muss. Dann lieber einen weiteren Versuch irgendetwas in Nostalghia zu kapieren.
Braucht es eine weitere Verfilmung von Pinocchio? Die ursprüngliche Serie aus den 70ern mit Nino Manfredi war vermutlich die beste Verfilmung die es je gegeben hat. Dann gab es noch Disney, die wie immer Kulturvergewaltigung betrieben haben. Vor einigen Jahren bringt Benigni dann noch eine völlig überflüssige und nervige eigene Version raus, die seine zu dem Zeitpunkt ohnehin angeschlagene Reputation den endgültigen Todesstoß gab.
Und nun, einige Jahre später schon wieder Pinocchio? Mit Benigni diesmal als Geppetto? War das wirklich notwendig? Man könnte aus italienischer Sicht argumentieren, dass Benigni wie kein anderer den toskanischen Geist transportiert. Aber wer außer Literaturkritiker Pancrazi sieht in Pinocchio tatsächlich toskanische Klischees bedient? Der Fairness halber sei aber gesagt, dass ich Benigni seit Jahren nicht mehr so gut erlebt habe. Er bringt eine gewisse Tragik mit rein, und gleichzeitig erlaubt ihm Garrone aus Geppetto eine typische Benigniperformance zu machen. Seine improvisierten Redeschwälle waren seit 30 Jahren nicht mehr so gut, wenn auch deutlich subtiler als in vergangenen Zeiten. Und wenn selbst Thunfische mit toskanischem Akzent sprechen, sind das dann doch diese versteckten Details, die dem Film eine gewisse Komik geben, die dem ausländischen Publikum dann aber leider auch verwehrt bleiben.
Machen wir es kurz. Es gäbe tatsächlich eine Daseinsberechtigung für einen neuen Pinocchio. Nämlich eine Verfilmung die dem Roman gerecht wird. Wie heisst es so schön? Von der Form her für Kinder gedacht, vom Inhalt für Erwachsene. Und genau dies macht Collodis Pinocchio zur Weltliteratur. Leider haben fast alle Verfilmungen – Disney mit Getöse voran – ausschließlich den formalen Aspekt berücksichtigt. Die Serie mit Manfredi bildete hier eine kleine Ausnahme, wobei auch hier der Fokus eindeutig auf die kindgerechte Oberfläche gelegt wurde.
Collodi erleidet somit das gleiche Schicksal wie Carroll mit Alice im Wunderland. Nur dass man bei einem Tripbericht darüber gerne hinwegsehen kann. Dass Collodi in Wirklichkeit aber eine brutale Sozialkritik über den italienischen Geist des Risorgimento als Kinderroman verkleidet hat, ist für Garrone zwar nicht von zentraler Bedeutung, außer an den wenigen Stellen wo es ohnehin offensichtlich ist. Und dennoch bin ich ziemlich erstaunt, wie gut ich doch seine sehr konservative Umsetzung finde.
Ich weiß nicht wie ich den Film bewerten soll. Schlecht ist er ganz bestimmt nicht. Er ist sogar deutlich besser als viele andere Verfilmungen. Er bleibt den allgemeinen Adaptionen treu, und ist dennoch dem Buch näher als seine Geschwister, ist schön anzusehen, aber es gelingt ihm nicht irgendwelche neuen Akzente zu setzen. Vielleicht war das aber auch nicht Garrones Ziel. Realismus und schöne Bilder reichen eben nicht aus, um seinen Pinocchio herausragend zu machen. Was aber bleibt ist die mit Sicherheit beste Verfilmung seit Manfredi. Ob man diese gesehen haben sollte, muss jeder für sich selbst entscheiden. Für Kinder ist das ganze aber auf jeden Fall empfehlenswert. DIE Pinocchio Verfimlung die sich vor Collodis Werk in seiner Gesamtheit verneigt, ist es aber auch dieses Mal nicht geworden. Sie hält aber die Figur am Leben, und lässt vergangene Totalausfälle vergessen machen.