Daggiolone - Kommentare
Die 5 meist diskutierten Serien
der letzten 30 Tage
-
UntamedUntamed ist eine Thriller aus dem Jahr 2025 von Mark L. Smith und Elle Smith mit Eric Bana und Wilson Bethel.+37 Kommentare
-
MobLand - Familie bis aufs BlutMobLand - Familie bis aufs Blut ist eine Gangsterserie aus dem Jahr 2025 mit Helen Mirren und Pierce Brosnan.+12 Kommentare
Die 5 meist vorgemerkten Filme
-
Weapons - Die Stunde des Verschwindens143 Vormerkungen
-
One Battle After Another119 Vormerkungen
-
Bring Her Back94 Vormerkungen
-
The Long Walk - Todesmarsch81 Vormerkungen
-
Caught Stealing61 Vormerkungen
Alle Kommentare von Daggiolone
Dieser Film ist ikonisch für die 90er. Damals sahen wir den im Kino und waren begeistert. Es tat gut zu sehen, dass es Altersgenossen gab, die deutlich kaputter als die eigene Clique waren. Deutlich! Der Film war außerdem damals ein halber Skandal, was uns natürlich umso mehr bestätigte. Irgendwie fühlte man sich mit den Protagonisten verbunden. Brüder im Geiste, allerdings derart abgefuckt, dass für unsere Peer Group diese Protagonisten eine ähnliche Funktion hatten wie Obdachlose für die Gesellschaft. Solange es jemanden gibt, der noch weiter unten als man selbst ist, ist noch nicht alles verloren. Dann war da noch Chloe Sevigny, die ich damals rattenscharf fand, auch wenn ihre schauspielerischen Künste noch zu wünschen übrig ließen. Heute verhält es sich mit ihr genau anders rum.
Im Laufe der Jahre sah ich mehrere andere Filme aus dieser Familie. Das von Larry Clark später erschienene Ken Park, neben dem Kids wie Frühstücksfernsehen wirkt, oder Harmony Korines völlig verstörendes Meisterwerk Gummo. Gegen diese Filme kann Kids 25 Jahre später nicht mehr anstinken. Kids ist ein Dokument seiner Zeit. Eine Zeit in der Jugendlichen nicht selten Perspektivlosigkeit nachgesagt wurde. In einer Zeit, als eigentlich bereits jeder wusste, dass man sich beim Poppen das HI-Virus einfangen kann, und wir uns daher schön an deren Blödheit aufgeilen konnten. Kids war der damalige Verkehrsunfall, bei dem man einfach hinsehen musste. Es war aber auch eine Zeit, in der sich Clark noch nicht traute erigierte Penisse junger Knaben zu zeigen, und somit seine sexuellen Präferenzen in seine Filme einbaute. Das macht Kids zahmer, als seine späteren Werke, dadurch aber auch deutlich erträglicher.
Ich bin sehr zwiegespalten. Sacha Baron Cohen arbeitet mittlerweile auf eine derart professionelle Weise, dass man eigentlich nicht mehr von einer Mockumentary sprechen kann. Was uns hier präsentiert wird ist politischer Aktivismus in Reinform, und ich ziehe nach wie vor meinen Hut für solche Aktionen. Nun sogar mit hübschem bulgarischen Sidekick. Hier wird nun nicht mehr den Leuten irgendein Vorwand zum Filmen gegeben. Hier werden Kameras versteckt, das Vertrauen zu Leuten wird aufgebaut, um es dann schamlos auszunutzen. Alles schön und gut. Vor allem die politische Ebene ist Gold Wert.
Gleichzeitig ist das Verhalten unserer beiden Pseudokasachen meist derart überzogen, dass die ganze Geschichte und darstellung der "kasachischen" Kultur derart albern ist, dass sich der erste Teil wie eine seriöse Dokumentation anfühlt. Borat 1 lebte vor allem von den subtilen, kulturell bedingten Verhaltensfauxpas des Protagonisten. Szenen wie die, wo Borat Friseur ist, und jede einzelne abgeschnittene Haarsträhne dem Kunden zeigt, sorgten im ersten Teil für Tränen vor Lachen, und sind hier leider die absolute Ausnahme.
Und so staunt man am Ende über die gelungenen Aktionen, fragt sich hin und wieder wo eigentlich eine Grenze ist, freut sich über die Demaskierung eines tief rassistischen Amerikas, vermisst aber den unglaublich komischen Aspekt einer Figur, die man vor 14 Jahren noch vergöttert hat.
Kann mal bitte irgendjemand diese Seite korrigieren? Hier werden zwei unterschiedliche Serien zusammengemischt. Da gibt es zum einen die italienische Fernsehserie mit Nino Manfredi aus dem Jahre 1972, und zum anderen die Zeichentrickserie aus dem Jahre 1976, auf die sich das Titelbild bezieht. Die Informationen aber sind hier wild durchmischt.
1. N - Der Wahn der Vernunft
2. Berlin Calling
3. Aguirre - Der Zorn Gottes
4. Buena Vista Social Club
5. Im Wendekreis der Eidechse
Ich verstehe die Aufregung in den Kommentaren nicht. Die Academy ist und war schon immer in erster Linie eine Scheinpreisverleihung um die eigenen Filme aus Hollywood zu promoten. Es ist eine Maschinerie die Jahrzehntelang kommerziell unglaublich erfolgreich war. Nun will diese Maschinerie ihr Image verbessern, und dafür sorgen, dass Minderheiten im Film nicht mehr als etwas angesehen werden, das erst eine Erklärung benötigt, oder die dort allein aufgrund der Thematisierung ihrer Minderheit sind. Ich halte Schritte in diese Richtung für schon sehr lange fällig. Dies ist ein Thema, dass seit sehr vielen Jahren von unzähligen Soziologen und Kulturwissenschaftlern abgehandelt wird. Dass dies nun vermutlich aus reinen Imagegründen passiert, ist sicherlich traurig, aber wir leben nun mal in einem kapitalistischen System, mit all seinen Vor- und Nachteilen.
Wenn man die Oscars nun als eine echte Preisverleihung betrachtet, die tatsächlich das Kunstwerk kürt, kann man durchaus verärgert sein, da Regeln in der Kunst nichts verloren haben. Die Oscars sind und waren aber schon immer ein kapitalistisch ausgerichteter Betrieb, und daher verstehe ich die Polemik nicht. Warum regt sich denn niemand über die zahlreichen weiteren Einschränkungen auf, die seit Jahrzehnten eine Zulassung zu den Oscars verhindern, und die aus künstlerischer Sicht betrachtet eine Schande sind?
Prinzipiell denke ich jedoch schon, dass es weiterhin bedenklich ist, dass Minderheiten in Filmen oft eine "Daseinsberechtigung" benötigen. Egal ob aus Hollywood oder aus anderen Bereichen. Ob eine Quote auf lange Sicht zum Ziel führt, nämlich dass die filmische Präsenz solcher Menschen als selbstverständlich angesehen wird, wird sich zeigen. Die Gefahr des "Quotenschwarzen" über den man sich zu Recht bereits in den 80ern "amüsiert" hat, bleibt allerdings bestehen. Wirklich wissen kann man es aber erst, nachdem man es versucht hat. Dass dann ein Film wie "Lighthouse", in dem nur zwei Darsteller vorkommen vor erheblichen Problemen stehen würde, zeigt aber auch gleichzeitig wie skeptisch man solchen festgelegten Quoten gegenüberstehen kann. Aber sie gelten ja nur für die Oscars. Und Regeln kann man je nachdem wie sie sich entwickeln ja auch anpassen und verändern.
Letzten Endes gibt es ja nur zwei Möglichkeiten. Entweder die Filmemacher machen mit, was unserer westlichen Filmwahrnehmung nur gut tun kann, oder sie distanzieren sich von Hollywood. Ob diese Distanzierung aus künstlerischer Sicht erfolgt oder ein Teilproblem des gesellschaftlich verankerten Rassismus darstellt, wird vermutlich kaum zu klären sein. Vermutlich lässt sich das auch nicht so einfach trennen, da Kunst ja genauso ein Spiegel der Gesellschaft ist. Es würde aber immerhin den Oscars den Status als angeblich "wichtigster" Filmpreis endlich streitig machen. Wie mans dreht und wendet, kann man durch diese Entscheidung also nur etwas dazugewinnen. Und selbst wenn es nur die Erfahrung ist, dass es nicht funktioniert. Vorher und nachher sind immer alle schlauer. Aber Menschen debattieren lieber jahrelang, als einfach mal etwas neues zu auszuprobieren. Vermutungen aufstellen kann jeder. Hellsehen nicht.
Ich fand den Film überraschend gut. Nach dem wirklichen Tiefpunkt von MacFarlane, nämlich Ted, war dies ein durchaus gelungener Film, wo ich nicht selten Tränen gelacht habe. Ganz im Gegenteil zum ziemlich öden Schuh des Manitou.
Jim Jarmusch Werkschau rewatched.... Teil XIII
Man kann sich The Dead don’t Die tatsächlich schöngucken. Aber um es kurz zu machen... Im Vergleich hierzu sind sowohl Only Lovers Left Alive als auch Broken Flowers Meisterwerke. Jarmusch enttäuscht auf ganzer Linie.
Der Film wirkt so, als hätte er zusammen mit altbekannten und für Jarmusch neuen großartigen Schauspielern sich gesagt: „Lasst uns mal auf die schnelle einen witzigen Zombiefilm machen. Was daraus wird, ist egal. Hauptsache wir haben Spaß dabei.“ Der unfassbare Cast fühlt sich an wie Perlen vor die Säue. Außer Driver und Murray enttäuschen so ziemlich alle. Sogar Weltklasseschauspieler wie Sevigny oder Buscemi sind entweder viel zu blass, oder deren Rolle ist für den Film vollkommen irrelevant.
Jim langweilt uns wieder mit enzyklopädischen Präsentationen. Von Horrorfilmen bis Autos wird alles angeschnitten, ohne, dass es zu irgend etwas führen würde. Ich könnte es ja noch akzeptieren, wenn es wirklich beim leichten, witzigen Film geblieben wäre. Aber diese aufgestülpte, erschreckend oberflächliche Sozialkritik ist eine Schande für einen Regisseur, der mit Mystery Train oder Stranger Than Paradise bereits bewiesen hat, wie es richtig geht.
Das oft kritisierte Durchbrechen der vierten Wand wirkt ideenlos, ganz zu schweigen von fliegenden Untertassen. Zum ersten Mal nervt es auch, ununterbrochen diesen einen Song zu hören. Er hat einfach weder die Kraft, noch untermalt er in irgendeiner Form den Film wie es einst „I put a spell on you“, „Mystery Train“ oder „Back in the good old world“ taten.
Und wenn ich mich darüber freue, dass wenigsten Selena Gomez wirklich rattenscharf aussieht, kommt in mir das Gefühl hoch, dass Jarmusch vergessen hat, was er einst mit Paz de la Huerta so treffend kritisiert hat.
Jim Jarmusch Werkschau rewatched.... Teil XII
Die Poesie des Alltags. Damit lässt sich im Prinzip der ganze Film auf den Punkt bringen.
Jarmusch goes zumindest inhaltlich back to the roots. Wir begleiten eine Woche lang ein junges Paar durch ihren völlig unaufregenden Alltag. Er Busfahrer, sie... weiss sie selber nicht so recht. Er Poet, der seine Inspirationen aus Banalitäten wie Busfahrten, Streichholzschachteln oder Kneipenbesuche zieht. Sie, die keine Inspirationen hat, und verzweifelt auf der Suche nach einer Ausdrucksform ist, die aber immer völlig konstruiert ist. Am Ende glaubt sie sogar mit Cupcakes ihre Erfüllung zu finden. Ein Paar wie es unterschiedlicher nicht sein könnte, und welches trotz oberflächlicher Harmonie nie wirklich zueinander findet. Er, der Beruf und Kunst haarscharf trennt, sie, die versucht Kunst und Profession zu vermischen. Er, der Künstler der sich nicht als solcher sieht. Sie, die gerne als Künstlerin angesehen werden möchte, aber in Wirklichkeit verzweifelt nach etwas sucht, das sie ausdrücken könnte, sich aber letzten Endes nur auf ihre Außenwirkung konzentriert, und daran scheitert, dass sie nichts zu sagen hat. Das genaue Gegenteil einer Künstlerin also.
Ein Film der seine Poesie durch das Fehlen von außergewöhnlichen Katastrophen entnimmt. In Feuerbälle hochgehende Busse kennt man lediglich vom Hörensagen aus anderen Filmen. Und dennoch schafft es Jarmusch diese metaphorischen Gegensätze zweier völlig konträrer künstlerischer Ansätze so zu vermischen, dass auch wenn die eine Seite die andere nie komplett verstehen wird, ein gegenseitiger Respekt besteht. Am Ende ist aber dennoch jeder auf sich alleine gestellt, und der innerlich geerdetere ist derjenige, der das weiße Blatt als eine Grundlage unendlicher Möglichkeiten wertschätzt.
Jim Jarmusch Werkschau rewatched.... Teil XI
Nach dem Roadmovie, dem Western, dem Gangsterfilm, der RomCom und dem Thriller nun der jarmusche Vampirfilm.
Fangen wir mal mit dem Positiven an. Die Atmosphäre ist wirklich gut gelungen, vor allem in Kombination mit der Musik für die zum ersten Mal kein anderer als Jarmusch selbst verantwortlich ist. Die nächtlichen Stadtfahrten durch Detroit und vor allem durch Tangier sind phänomenal. ABER... Night on Earth lässt grüßen. Zum ersten Mal seit Down by Law hatte ich den Eindruck Jarmusch wiederholt sich. Natürlich wieder auf hohem Niveau, aber der Film wirkt auf mich außerdem zerfahren, unfokussiert und zu undurchdacht.
Die Vampirallegorie funktioniert zumindest in Bezug auf die Unsterblichkeit, um das zentrale Thema des Films metaphorisch zu präsentieren. Es ist Jarmusch Lieblingsthema, über das er schon oft philosophiert hat. Dem Wert und der Bedeutung von Kunst im entsprechenden Kontext. Die Abhandlungen die Jarmusch hierzu im Laufe der Jahre verfasst hat, sprechen mir aus der Seele, und dennoch gelingt es ihm nicht richtig etwas wirklich substantielles daraus in diesem Film zu machen. Zum einen erkennt man diese Ebenen auch nur, wenn man sich mit seinen Thesen bereits vorher auseinandergesetzt hat. Und selbst wenn man dies getan hat, bietet der Film einem keine weiteren neuen Erkenntnisse. Statt dessen treibt er die Vampirthematik mit unnötigen Albernheiten wie Blut am Stiel auf die Spitze, ohne dass diese irgendeinen Mehrwert bieten. Auch seine rein enzyklopädischen Exkurse in die Gitarrenwelt oder der Mykologie bieten nichts weiter als bestenfalls eine völlig deplatzierte Huldigung.
Es bleibt somit ein für Jarmuschverhältnisse ziemlich enttäuschendes Filmerlebnis zurück, das ausschließlich durch seine gelungene Atmosphäre von mir eine recht hohe Bewertung erhalten hat. Und natürlich durch den musikalischen Auftritt von Yasmine Hamdan im kleinen marokkanischen Lokal, der für mich eine der besten Jarmuschszenen aller Zeiten darstellt.
Jim Jarmusch Werkschau rewatched.... Teil X (Endlich! :-))
Enthät SPOILER
Der krönende Abschluss der Einsamer-Wolf-Reihe ist ohne Frage Jarmuschs polarisierendstes Werk, mein persönlicher Lieblingsfilm aller Zeiten, der nicht umsonst für das Profilbild gesorgt hat, das hier oben zu sehen ist.
Es ist unfassbar schwierig dieses sperrige Werk in Worte zu fassen, denn The Limits of Control folgt keinem klassischen Erzählschema. Der Film spielt eher mit Andeutungen, Assoziationen, Metaphern und unzähligen sich wiederholenden Mustern. Dabei sind dem Interpretationsspielraum keine Grenzen gesetzt. Ich habe irgendwann mal in einer Szene 6 unterschiedliche Ebenen gezählt.
Aus diesem Grund möchte ich mich hier auch lediglich auf die Hauptallegorie konzentrieren. The Limits of Control ist interessanterweise die totale Abkehr vom Vorgänger Broken Flowers, und ein ganz dicker Fuckfinger an die Unterhaltungsindustrie. Noch mehr zwingt dieses Werk aber den Zuschauer selbst sich kritisch mit seinen eigenen Sehgewohnheiten auseinanderzusetzen, und ganz allgemein gesprochen mit seiner Perzeption von Kunst.
Im eindeutigen Stile eines James Bond Thrillers, fehlen dennoch die Kernelemente dieses Genres. Keine Action, Sex wird dem Zuschauer als leeres Versprechen kurz vor die Nase gehalten, und Technologie, insbesondere in Form von Mobiltelefonen zerstört sowieso jede Möglichkeit das Rätselhafte kognitiv aufzubauen.
Auf der Handlungsebene bewegt sich unser Antiheld von Station zu Station im Stile einer Schnitzeljagd, wobei erst am Ende die einzelnen Stationen Sinn ergeben. Den Rest muss sich der Zuschauer selbst zusammenreimen, und genau dies ist die Quintessenz des Films. Auch ich habe das Ende während meiner ersten Sichtung im ersten Moment als Schlag ins Gesicht empfunden. Aber genau das muss es sein. Wir haben es verlernt selbst zu denken, sind es gewohnt alles präsentiert und erklärt zu bekommen. Wie ist unser Antiheld denn nun in das Gebäude gekommen? Wir haben drei Möglichkeiten. Entweder wir ärgern uns über den Filmemacher und über seine vermeintlich einfache Auflösung. Wir können aber auch einfach akzeptieren, dass er reingekommen ist. Ist es so wichtig zu wissen wie? Alternativ können wir uns aber selbst an der Auflösung beteiligen, indem wir unsere Imagination usen, und genau dies ist die Quintessenz nicht nur des Endes, sondern des ganzen Films, der sicherlich von jedem anders wahrgenommen wird. Dafür müssen wir aber vorher Bill Murray erwürgen. Aber das war ja auch unser Ziel von Anfang an, oder nicht?
The Limits of Control ist das intensivste Erlebnis das ich je bei einem Film hatte. Zweckdienlich dabei sind auch die teils verschwommenen, fieberhaften Bilder eines kochend heißen Spaniens in Smybiose mit dem wohl trippigsten Soundtrack aller Zeiten. Der Doom/Drone von Bands wie Boris oder Sunn o))) gehört auch ohne Bilder zum Intensivsten und Emotionalsten was die Musikwelt zu bieten hat. Hier verschmilzt Bild, Ton und Inhalt in ein einziges perfektes Kunstwerk, das leider nie die Würdigung erhalten hat, die es verdient hätte. Aber so war es mit großer Kunst schon immer.
Jim Jarmusch Werkschau rewatched.... Teil IX
Enthält leichte SPOILER
Zum ersten aber nicht letzten Mal hatte ich bei diesem Film das Gefühl, Jarmusch würde versuchen seine Filme massentauglicher zu gestalten. Was wir hier haben ist wieder ein Einsamer-Wolf-Film der erstaunlich geradlinig ist, und der ohne der großartigen Darbietung von Bill Murray nicht funktionieren würde. Eine Darbietung die man von ihm aber bereits aus Lost in Translation kannte. Es ist eine schöne Geschichte im Stile einer RomCom, die aber einfach nicht die Tiefe erreicht wie seine anderen Filme.
Was dagegen wirklich gelungen ist, ist wie man erst über die vergangenen Beziehungen unseres Don Juans seine Vergangenheit und somit auch ihn selbst nach und nach besser kennenlernt. Der Schluss ist wirklich gelungen. Nicht nur aufgrund des Wissens um wen es sich bei dem jungen Schauspieler am Ende wirklich handelt, sondern einfach, weil trotz aller Massentauglichkeit Jarmusch es vermeidet ein kitschiges Happy End zu präsentieren, und sich statt dessen für eine viel realistischere Wendung entscheidet, die sich durch eine starke Situationskomik am Ende dann doch wieder gegen konventionelle Erzählmuster wehrt.
Jim Jarmusch Werkschau rewatched.... Teil VIII
Während der Halbzeit der Einsamer-Wolf-Tetralogie brachte Jarmusch diese Ansammlung von Kurzfilmen bzw. Sketches die sich im Laufe der Jahre bei ihm angesammelt hatten als „Coffee and Cigarettes“ heraus. Als gemeinsames Konzept haben wir 11 Episoden die im Prinzip nichts weiter gemein haben, als dass die seltsamsten und skurrilsten Gestalten sich bei Kaffee und Zigaretten in farbloser Umgebung unterhalten. Smalltalk auf höchstem Niveau, wohlgemerkt. Dabei begegnet uns hier das Who is Who der Jarmuschfreunde und –bekannten.
Ein Film der eigentlich keiner ist, der aber unglaublich viel Spaß macht. Einzig der Wiedersichtungsreiz ist erschreckend gering, da mittendrin doch immer wieder etwas schwächere Szenen auftauchen, und selbst die stärksten außer der Gesprächsebene nichts weiter zu bieten haben. Einmal gesehen haben, sollte man das ganze aber unbedingt mal. Am besten mit einer Kanne Kaffee und ein paar Zigaretten. Wer nicht raucht kann sich ja Snus unter die Lippe schieben, oder sich eine Dampfe besorgen. Dieses leicht ungesunde Gefühl wird dadurch schön verstärkt.
Jim Jarmusch Werkschau rewatched.... Teil VII
Ich gebe es zu. Ghost Dog war bei mir keine Liebe auf den ersten Blick. Ich wusste zunächst nicht wirklich was ich mit diesem Film anfangen sollte. Erst nach mehrfacher Sichtung erkannte ich nach und nach die zahlreichen Metaebenen in einem Film der für Jarmusch extrem modern wirkte, und dennoch Dead Man näher war als es zunächst den Anschein machte.
Als Kulisse muss dieses mal der Gangsterfilm herhalten. Sieht man aber genauer hin, merkt man, dass dieses Genre kulturell bedingt ist. Welche Gangster meinen wir denn nun? Die amerikanischen Gangsterrapper? Die italienische Mafia? Oder gar die fernöstliche Unterwelt? Jarmusch vermischt all diese Elemente zu einer homogenen Einheit. Unser einsamer Wolf ist ein Gangster in der amerikanischen Großstadt. Wir sympathisieren hier als Zuschauer mit einem Killer. Einem Killer mit einem Ehrencodex, den er wiederum aus der Philosophie der Samurai entlehnt hat. Im Gegensatz dazu steht die völlig überzogen karikierte Cosa Nostra, bei der man nicht selten das Gefühl hat Comicfiguren zu beobachten.
Eine wirklich zentrale Botschaft kann ich bis heute nicht aus dem Film ziehen, und hier liegt für mich vielleicht der einzige Schwachpunkt eines ansonsten überragend guten Films. Dafür werden mal wieder unendlich viele kleinere Metaebenen präsentiert. Das ganze in Bildern die selbst für Jarmuschverhältnisse Spitzenniveau erreichen.
Und dann ist da noch diese Atmosphäre, die vor allem während der Autofahrten durch den psychedelischen Hip Hop von RZA unbeschreiblich eindringlich sind. Ein Film zum Lachen, zum Sinnieren und zum Träumen, und mittlerweile einer meiner liebsten Jarmuschs.
Jim Jarmusch Werkschau rewatched.... Teil VI
Dead Man konnte zum ersten Mal aufgrund von Johnny Depp die Massen erreichen, stellt paradoxerweise aber den bis dato unzulänglichsten und bis heute poetischsten Film Jarmuschs dar. Gleichzeitig bildet Dead Man einen Bruch in seiner Filmographie. Die Langsamkeit, die alltagsphilosophischen Gespräche, und der lakonische Humor sind geblieben. Neu hingegen ist eine Vorgehensweise, die uns noch in 3 weiteren Filmen begleiten sollte, und die ich als „Einsamer-Wolf-Reihe“ bezeichne. Ein wortkarger Protagonist wandert wie ein Zombie durch die Umgebung, beobachtet diese, und veranlasst den Zuschauer die Botschaft des Filmes aus hauptsächlich visuellen Mitteln zu ziehen. Fast schon meditativ erlebt man diese Filme. Wenn nicht sogar tranceartig.
Neu hinzu kommt auch, dass Jarmusch sich ab jetzt immer wieder verschiedenen Filmgenres bedient, ohne diese aber selbst zu bedienen. Die Genres dienen lediglich als Gerüst, können teilweise als Hommage angesehen werden, werden aber gleichzeitig hinterfragt, und manchmal sogar karikiert. Und dennoch wirkt alles wie aus einem Guss.
Den Anfang dieser Reihe macht also Dead Man, auf den ersten Blick ein Western. In Schwarz Weiß. Die Ebenen dieses Streifens kann man eigentlich alle gar nicht aufzählen, da diese von der entsprechenden Interpretation abhängen. Aufdrängen tun sich aber eindeutig eine Kritik am Kolonialismus, eine Liebe für William Blake sowie eine tiefe philosophische Abhandlung über das Leben, über falsche Helden und über irreführende Romantisierung. Aber vor allem eines von Jarmuschs Lieblingsthemen, die Unfähigkeit seinen Platz in der Gesellschaft zu finden, weil man zwischen den Stühlen steht, wird wunderbar nicht nur über den Namensvetter von Blake vermittelt, sondern vor allem auch durch den schwer einzuordnenden Charakter von Exaybachay, alias Nobody.
Die Krönung ist ohne Frage Neil Youngs Musik. Dieser hat seine Gitarrenmotive live während seiner Filmsichtung improvisierend eingespielt, und sorgt dabei sogar für psychedelische Momente. All dies zusammen verschmilzt zu einer einzigen homogenen Masse, die als einer der mit Abstand besten Filme aller Zeiten angesehen werden kann.
Jim Jarmusch Werkschau rewatched.... Teil V
Der vermutlich beste Episodenfilm aller Zeiten. Das Konzept... eine Nacht, fünf Städte in verschiedenen Zeitzonen und fünf Taxifahrten.
Dieser Film stellt in meinen Augen alle Essenzen der Frühphase Jim Jarmuschs dar, und schließt diese auch krönend ab. Der Regisseur entführt uns in fünf Großstädte, und bringt uns deren Atmosphäre auf unschlagbare Weise näher. Dabei sehen wir die Seiten der Stadt, die Besuchern meist verwehrt bleibt. Enge Gassen, kleine Läden, große Werbetafeln, versteckte Ecken und vor allem ein Licht das tatsächlich jeder Stadt ihren eigenen Stempel aufdrückt. Dass Jarmusch dabei die Originalsprachen partout behalten wollte ist ihm als großer Pluspunkt anzurechnen.
Und dann ist da das Taxi. Ein Ort in dem Gespräche zwischen Menschen entstehen, die sich sonst nirgendwo etwas zu sagen hätten, und zu den absurdesten Situationen führen. Ob dies nun soziale, kulturelle oder moralische Divergenzen sind, oder ob die Gesprächspartner am Ende doch mehr Gemeinsamkeiten haben, als es zunächst erscheinen mag, ist von Episode zu Episode verschieden. Und so wirken die Fahrten auch unterschiedlich. Von subtiler Komödie, über Klamauk bis hin zu tragischen Begegnungen ist alles dabei. Man könnte über jede Episode eine eigene Hausarbeit schreiben, das erspare ich mir hier aber.
Tom Waits bildet dabei unseren musikalischen Reiseführer, der uns von einer Stadt in die nächste trägt, und Night on Earth zu einem der kurzweiligsten Filmerfahrungen der Geschichte macht. Wer diesen Film tatsächlich nicht kennen sollte, hat etwas einmaliges verpasst und dringenden Nachholbedarf.
Jim Jarmusch Werkschau rewatched.... Teil IV
Jarmusch hat aus Down by Law gelernt, dass ein Künstler idealerweise immer eine Gratwanderung zwischen eigener Stilistik und Weiterentwicklung durchführen muss. Nicht alles was einmal funktioniert hat, ist immer zweckdienlich. Und so findet der Regisseur nicht nur wieder Freude an Farben, sondern entdeckt den Episodenfilm als „Genre“ für sich.
Im Zentrum des Films steht dieses Mal weniger die innere Psyche des einzelnen, sondern eine gesellschaftliche. Dabei steht Memphis hier nicht nur symbolisch für eine Stadt, dessen goldene Zeiten längst der Vergangenheit angehören. Man kann den Film allen Metaebenen zum Trotz dennoch als eine Hommage an jene Stadt sehen, die den Rock’n’Roll wie keine andere geprägt hat. Der Geist von Elvis erscheint hier nicht nur in personifizierter Form, sondern ist ständig auf allen Ebenen präsent.
Insgesamt bekommen wir drei völlig unterschiedliche Perspektiven auf die Stadt geliefert. Die erste aus der Ferne, personifiziert durch ein japanisches Pärchen, das sich selbst irgendwo zwischen Idolisierung und Ernüchterung durch die Stadt jagt, und uns eine idealisierte Vision von Memphis zeigt, die es so nicht gibt, auch wenn die beiden es sich kaum eingestehen mögen. Doch gleiches könnte man auch über ihre Beziehung behaupten.
Wir erhalten aber auch eine sehr nüchterne Perspektive durch Nicoletta Braschi, die aufgrund tragischer Umstände gezwungen ist, eine Nacht in Memphis zu verbringen. Durch sie erleben wir Memphis als eine Stadt wie jede andere auch. Die Besucherin interessiert sich weder für die Geschichte, noch für die Menschen der Stadt, obwohl sich ihr beides aufdrängt. Selbst Elvis ist der Meinung ihr zu zeigen, welch glorreiche Vergangenheit hinter den bröckelnden Fassaden steckt. Hier zeigt sich, wie die Stadt sich in Nostalgie verloren hat, wie sie ihre Geschichte ausschlachtet, um dann in der letzten Episode uns aufzuzeigen, wie das Leben dort tatsächlich abläuft.
Das Leben welches wir dort sehen ist ein tragisches, das wir als Besucher lieber ausblenden. Die einzigen Schnittstellen dieser drei Perspektiven finden sich in einem Hotel, einer Radiosendung und einem Schuss wieder. Zu wenig um den jeweiligen Protagonisten einen echten Perpektivenwechsel zu bieten. Das Leben geht für alle auch nach dem Schuss wie gewohnt weiter. Aber als Zuschauer haben wir ein Gesamtbild von einer Stadt bekommen. Wenn nicht sogar von einem Mikrokosmos wie es sie unzählige weltweit gibt.
Jim Jarmusch Werkschau rewatched.... Teil III
Man nehme Stranger than Paradise, tausche die drei Migranten mit verurteilten (Klein)kriminellen aus, die New Yorker Wohung mit dem Knast, den Roadtrip mit einer Flucht aus selbigem, und die Hotelzimmer mit Verstecken. Und hier deutet sich mein Problem mit einem der beliebtesten Jarmuschfilme an. Jarmusch dreht Stranger Than Paradise ein zweites Mal, nur in einer anderen Kulisse.
Als Location dienen hier die Sümpfe von Louisiana, die natürlich eine großartige Atmosphäre bieten. Roberto Benigni sorgt dafür, dass der Humor viel vordergründiger ist, und die Musik ist phänomenal. Nein, missen möchte ich diesen Film ganz bestimmt nicht, aber im direkten Vergleich zum Vorgänger, hat Down By Law nicht nur nichts neues zu bieten, sondern kann mich emotional einfach nicht so sehr packen. Nicht mal ansatzweise. Und da die Grundaussage wie erwähnt identisch ist, möchte ich zwar nicht von Dienst nach Plan sprechen, aber dafür bleibt Down By Law nicht mehr als eine sehr gut gelungene Fingerübung.
Jim Jarmusch Werkschau rewatched.... Teil II
Enthält ganz leichte SPOILER
Den deutlich amüsanteren Anstrich als seinen Vorgänger kompensiert Jarmusch mit einer kompletten Farbtilgung. Vom Grundsatz her von Permanent Vacation gar nicht mal so weit entfernt, haben wir dieses Mal aber eine richtige Handlung. Wir befindet uns erneut in New York. Vermutlich ebenfalls in den 50er oder 60er Jahren. Und wieder sind es Auswanderer, Fremde, Gestrandete in der Großstadt, die sich in der Anonymität dieser verloren haben. Eine tiefe Tristesse begleitet uns gemeinsam mit Screamin Jay Hawkins, zusammen mit dem Wunsch auszubrechen. Oder ganz konkret dem Wunsch nach Florida zu fahren um das Meer zu sehen.
Was sich hier als Roadtrip andeutet, und rein technisch gesehen auch einer wird, fühlt sich aber irgendwie nicht als solcher an. Man kann von seinen Problemen zwar davonrennen, diese werden einen aber immer wieder einholen. Die Wahrnehmung der Außenwelt bleibt eine rein subjektive, und so ist es kein Zufall, dass ein Hotelzimmer in Florida wie eine Kopie der New Yorker Wohnung aussieht. Lebensglück kommt von innen und kann von außen nicht erzwungen werden. Dies die zentrale Aussage.
Und dennoch... trotz aller Tristesse ist dies ein überraschend komischer Film, bei dem man als Zuschauer ununterbrochen zwei konträre Emotionen erlebt, ohne dass diese sich auch nur eine Sekunde lang beißen würden. Die leicht monotone Intonation des Ungarischen kann dabei Zufall sein. Wenn man aber bedenkt, wie wichtig Fremdsprachen in Jarmuschs Frühwerken sind, bin ich überzeugt davon, dass eine italienische Familie der Atmosphäre nicht dienlich gewesen wäre.
Für mich bis heute einer der fünf besten Jarmuschs überhaupt. Einfach und dennoch gleichzeitig tiefgründig.
Jim Jarmusch Werkschau rewatched.... Teil I
Permanent Vacation dürfte wohl Jarmuschs unbekanntestes Werk sein. Und seien wir ehrlich. Wohl kaum jemand wird diesen Film unter seinen Top 3 Jarmuschstreifen auflisten. Sehenswert ist er aber allemal, vor allem dann, wenn man die Entwicklung des Ausnahmeregisseurs besser verstehen will.
Der Film wirkt teilweise etwas zerfahren, unfokussiert und ziellos. Man könnte argumentieren, dass diese Attribute auch auf den Hauptcharakter zutreffen, aber dies mag wohl eher Zufall sein. Permanent Vacation spielt im New York der 50er Jahre. Wir begleiten einen jungen Mann, der von einem Tag auf den anderen lebt, durch Manhattans Straßen irrt, und auf die skurrilsten Personen trifft. Dies das komplette Konzept. Anders als in Jarmuschs späteren, durchaus ähnlich gelagerten Filmen, ist die Grundstimmung hier allerdings nicht so flauschig, sondern überraschend belastend. Es ist ein Film der teilweise sogar leicht verstört.
Und obwohl dies dadurch wohl der Jarmusch ist, der in seiner Filmographie etwas herausfällt, finden wir hier schon Hinweise auf Stilmerkmale, die man später als typisch für den Filmemacher bezeichnen wird. Das beginnt damit, dass die Ästhetik und somit die Atmosphäre einer Stadt eine zentrale Rolle spielt, geht damit weiter, dass Gespräche zwischen konträren Charakteren im Mittelpunkt stehen, und endet mit dem wohl auffälligsten Stilmittel, einer gechillten Langsamkeit die ausnahmslos jeden Jarmuschfilm ausmacht. Geht man noch weiter in der Analyse kann man sogar schon leichte Ansätze seines subtilen, lakonischen Humors ausmachen, der auch in späteren Jahren nur selten vordergründig ist, hier aber nur erkennbar ist, wenn man hinter die teilweise sehr triste Fassade blickt.
Auch musikalisch erkennt man hier bereits Jarmuschs Grundkonzept, und seine Liebe zur Musik. In seinen Filmen featured Jarmusch oft nur einen einzelnen Song, einen einzigen Künstler, oder zumindest ein einziges Genre. Das Saxophon von John Lurie ist hier heimlicher Star. Der Jazz/Swing aus diesem Film ist selbst wenn man kein Fan dieser Musik ist, unfassbar emotional, und passt wie die Faust aufs Auge. Wie so oft in seinen Filmen, besonders in seinen frühen, ist die Musik meist auch nicht einfach überblendet, sondern kommt szenisch betrachtet aus einer bestimmten Ecke, von einem Saxophon auf der Straße, oder von einem Plattenspieler.
Wer Jarmusch noch nicht kennen sollte, dem empfehle ich, lieber mit einem anderen Werk einzusteigen. Man muss Permanent Vacation auch nicht unbedingt gesehen haben. Für Jarmuschfans die diesen allerdings noch nicht kennen sollten, ist dieser Film aber ein Muss. Definitiv sehenswerter als so mancher seiner späteren Filme.
Sacha Baron Cohen ist in meinen Augen ein Genie. Dass viele es anders sehen, kann ich verstehen, da er trotz allem immer wieder rote Linien überschreitet. Wie aber ein Mensch es fertig bringt, sich derart in Rollen einzudenken, sich teilweise in größte physische und juristische Gefahr begibt, und nicht ein Mal out of character bricht, selbst wenn er vom FBI kontrolliert wird, ist unfassbar.
Nach dem eher durchschnittlichen Ali G, seiner Paraderolle Borat und dem Gegenpart Brüno hat sich Cohen dann von der Mockumentary verabschiedet, und ist in seinen zwei gescripteten Filmen in meinen Augen komplett gescheitert. Wie soll aber auch jemand mit diesem Bekanntheitsgrad weiterhin Leute reinlegen können? Da hatten ein paar pfiffige Maskenbildner eine Idee, und widererwartend kam dabei eine solch großartige Show wie „Who is America?“ raus.
Dabei bedient Cohen hier nicht nur eine Rolle, sondern gleich mehrere. Zu erkennen ist er dabei wirklich kaum. Da gibt es den italienischen Millionär, den britischen Ex-Sträfling der sich jetzt an haftthematische Kunst versucht, einen völlig durchgeknallten dänischen Moderator, den ultraliberalen Amerikaner, sein Gegenstück der Südstaaten-Konföderations-Verschwörungstheoretiker, und allen voran, seine neue Paraderolle Erran Morad, ein israelischer ehemaliger Nichtmitarbeiter des Mossads. Gerade letzter sieht zum Brüllen komisch aus, und führt hochrangige Politiker derart vor, dass einige nach der Sendung zurückgetreten sind.
„Who is America?“ ist Cohen as it’s best. Er zeigt wie immer das hässliche Gesicht Amerikas, die Heuchelei, die Korruption und das Geltungsbedürfnis der vorgeführten Protagonisten. Sicherlich kann man sich darüber streiten, ob das Zerstören ganzer Karrieren welches teilweise vorkommt, tatsächlich moralisch unabhängig vom Hintergrund tatsächlich in Ordnung ist. Sicherlich kann man argumentieren, dass Cohens Interviewpartner stets die Wahl gehabt hätten, bei dem Unsinn nicht mitzugehen. Es bleibt manchmal jedoch ein Nachgeschmack von Selbstjustiz und Selbst-Schuld-Wenn-Die-So-Dumm-Sind-Mentalität übrig. Bei rassistischen Kriegsverbrechern kann ich für meinen Teil hier noch mitgehen, bei einem renommierten Restaurantkritiker und einer Bachelorette hingegen weniger. Schließlich gibt es ja auch ein Publikum, dem man den gleichen Vorwurf machen könnte. Andererseits kann man es auch aus der Perspektive betrachten, dass wenn man schon der Meinung ist Leute vorführen zu müssen, ein Oliver Pocher wohl hochkant aus der Baron-Cohen-Schule fliegen würde.
Ich habe mich sehr auf die neue Staffel gefreut. Ich war neugierig, wie nun nach dem Cliffhanger der zweiten Staffel es weitergehen würde, und wurde recht schnell ernüchtert. Es geht nämlich gar nicht weiter. Staffel 3 macht einen kompletten Zeitsprung vor Staffel 1. Da diese Erzählweise kaum einen Mehrwert gibt, erreicht mich das Gefühl, dass die Staffel einfach so dazwischen geschoben wurde, weil man keinen genauen Plan hatte, in welche Richtung die Reise gehen sollte.
Dadurch bleibt eine wie immer witzige Staffel übrig, die Spaß macht zu sehen, die wieder unzählige psychosoziale Verhaltensweisen an den Tag bringt, und der Prämisse folgt, dass vor einem Jahrtausend, die Gesellschaft ähnlich funktionierte wie unsere heutige. Das ist lustig, macht Spaß und ist in etwa 3 Stunden durchgebingt. Das narratologische Element das einen gegen Ende von Staffel 1 und in der kompletten Staffel 2 an die Couch fesselte, ist komplett verschwunden. Hier geht es eigentlich nur noch um den Humor. Das ist immer noch gut, aber eben nicht derart genial wie zuvor.
Wer die Serie noch nicht kennt, der kann ja mal versuchen diese Staffel als erste zu gucken, und dann erst mit 1 anzufangen. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass man als Zuschauer so mehr an Norsemen gebunden wird.
Nolan der Publikumsliebling. Ich gebe es zu. Es gibt einige Filme in seiner Filmographie die wirklich gut sind. Vor allem Memento ist in meinen Augen ein Meisterwerk. Prestige hatte auch etwas bis auf einen alles kaputt machenden Schluss. Und Dunkirk ist definitiv auch sehenswert.
Und dennoch sehe ich in Nolan nicht den Ausnahmeregisseur zu dem er von vielen stilisiert wird. Was bei Nolan wirklich hervorzuheben ist, sind seine Grundideen, die es teilweise echt in sich haben. An der Umsetzung scheitert er aber oft. Auflösungen die an den Haaren herbeigezogen sind, eine Fokussierung auf massenkompatible Elemente, wie überflüssige und nicht enden wollende Actionsequenzen, oberflächliche Charaktere die jegliche zwischenmenschliche Dynamiken im Keim ersticken, und das für mich wohl größte Problem, dem Fehlen einer eigenen Handschrift.
Was ich so ärgerlich finde ist, dass ich ja durchaus Potential sehe. Memento hat es in meine Top 100 geschafft. Danach hat er sich aber dafür entschlossen den künstlerischen Aspekt zu vernachlässigen, und Unterhaltung für die Massen zu machen. Diese auf zugegeben deutlich höherem Niveau, als das was sonst so aus Hollywood kommt. Es ist und bleibt aber Hollywood. Eine Form von Kino die mich bis auf wenige Ausnahmen eher gruselt.
Als ich das erste Mal las, dass Netflix Kurzfilme von renommierten Regisseuren ins Programm nehmen will, konnte ich es kaum glauben. Ausgerechnet Netflix wendet sich dem vielleicht besten "Genre" überhaupt zu? Schafft es endlich der Kurzfilm die Massen zu erreichen? Leider wurde ich sehr schnell ernüchtert.
"Homemade" enthält leider mehr Konzept als es für mich zunächst klang. Die Filmchen sind nicht nur während der Pandemie entstanden, sondern handeln scheinbar alle auch von dieser. Und wie es nun mal angesichts dieser Lage nicht anders möglich ist, sind alle Filmchen mit einfachsten Mitteln entstanden. Einige Filmemacher waren dabei äußerst kreativ um aus den Rahmenbedingungen das Bestmögliche zu machen.
Aber wenn ich ehrlich sein soll... sieht man mal von der phänomenalen Bildqualität der meisten Filme ab, hatten viele Filme bestenfalls Instagram-Niveau. Ladj Ly versucht sich mittels Drohne an Sozialkritik. Sorrentino ist noch unerträglicher als sonst und beglückt uns mit einer peinlichen Playmobilshow. Kristen Stewart auf die ich sehr gespannt war, scheint auch in Anbetracht ihres ersten Kurzfilms auch hier zu beweisen, dass sie auf schnelle, radikale Schnitte steht, die beste Schauspielerin der Welt ist, aber wohl glaubt, ihre eigentlich recht oberflächliche Kernaussage mit Avantgardismus zu kaschieren. Oder Ana Lily Amirpour, die mittels cooler Kamerapositionierung uns nichts weiteres zeigt als einen leeren Hollywoodboulevard.
Vielleicht ist diese Ansammlung an Dokumenten in 10 - 20 Jahren interessant, um sich die aktuelle Lage in Erinnerung zu rufen. Im Moment aber, findet man auf YouTube teilweise Material, das die Pandemie besser wiederspiegelt.
Wirklich interessante Reihe, die einem traditionelle Sportarten, bzw. Wettbewerbe näher bringt, von denen nur die wenigsten jemals etwas gehört haben sollten. Beginnend beim florentinischen Calcio storico, also einer Mischung aus Rugby und Barenuckle Boxen, oder vereinfacht gesagt, einer Massenschlägerei mit Ball, werden wir einmal um die ganze Welt geschickt. Vielleicht sind die einzelnen Folgen etwas zu lang. Interessant fand ich das ganze aber allemal.
Ich beneide wirklich jeden, der diese Serie noch nicht gesehen hat, denn genau jetzt ist der beste Zeitpunkt, um damit zu beginnen. Wer jetzt bei Staffel 1 anfängt, kann bis zum Schluss durchbingen, ohne zwei Mal sein Gedächtnis auffrischen zu müssen, was bei dieser Serie, trotz Stammbäume, Zusammenfassungen oder Videos die man auf YouTube sehen kann, alles andere als einfach ist. Und so musste ich auch diesmal bis zur Folge 5 zwar immer seltener aber dafür immer wieder anhalten, um zu verstehen, wer wie wo und vor allem wann ist. Dabei den Stammbaum aus Staffel 2 immer griffbereit.
„Dark“ ist eigentlich wenn man es genau nimmt nicht übertrieben anspruchsvoll. Die Serie setzt kein bestimmtes Vorwissen voraus, Leerstellen werden alle früher oder später gefüllt, und viel Interpretationsspielraum bietet „Dark“ überraschenderweise auch nicht. Wer sich nicht auf die unzähligen Metaebenen einlassen will, der kann einfach einer spannenden Zeitreisegeschichte folgen, und kommt hier dabei voll auf seine Kosten. Die Story selbst ist eigentlich auch nicht kompliziert, sie sticht aber durch eine wirklich hohe Komplexität an Charakteren, gepaart mit einer unfassbar intelligenten, aber verwirrenden Erzählstruktur hervor, bei der man sich nie sicher ist, ob man gerade etwas nicht versteht, weil man nicht aufgepasst hat, oder weil es einfach noch nicht zu verstehen ist. „Dark“ wirft aber auch immer wieder einen Rettungsring aus, um Ertrinkende nicht ganz zu verlieren. Meistens geschieht dies sehr geschickt und unauffällig. Ob dann gelegentliche Holzhammererklärbären wie bei Schrödingers Katze wirklich notwendig gewesen wären, sei mal dahingestellt, zumal die Quantenmechanik schon die Folgen davor sich unweigerlich aufdrängte. Wirklich störend ist es aber auch nicht. Um „Dark“ also zu folgen, benötigt es lediglich etwas Konzentration. Zumindest empfand ich es bisher so. Aber Staffel 3 erfordert etwas mehr Konzentration. Ok, zugegeben, deutlich mehr. So war es bei meiner Sichtung nicht ungewöhnlich, dass ich innerhalb einer Folge immer wieder ganze Szenen erneut sehen musste, da ich sonst meinen eigenen Gedanken nicht hätte folgen können. Stammbaum aus Staffel zwei immer zur Hand.
Die Betrachtung von Zeit als vierte räumliche Dimension macht Zeitreisen als Gedankenexperiment überhaupt erst möglich. Dies hat schon in unzähligen Geschichten zu großartigen Paradoxa geführt, von denen solche Stories leben. Schon in Staffel 1 ging „Dark“ immer einen Schritt weiter als andere Zeitreisegeschichten und sorgte somit für einen netten Mindfuck. Staffel 2 ging nochmal ein paar Schritte weiter, so dass dem Zuschauer dabei schon mal ganz schwindelig werden konnte. In Staffel 3 schießen die Macher aber den Vogel ab. Was sich im Cliffhanger bereits andeutete wird hier bis zum Exzess zelebriert. Was wäre also wenn man zu den drei räumlichen Dimensionen und der zeitlichen Dimension noch eine zusätzliche fünfte Dimension einbezieht, nämlich die Dimension der Realität? Als Zuschauer kann man sich eigentlich nur noch auf seine eigene Realität vor dem Fernseher verlassen. Hier wird der Mindfuck gefühlt manchmal zum Mindrape. Mir ist es jedenfalls nicht gelungen, mehr als zwei Folgen hintereinander zu gucken, weil ich danach erst damit beschäftigt war die ganzen Knoten in meinem Hirn zu lösen. Und was mich am meisten überrascht hat... Am Ende ergibt alles einen Sinn, und selbst die Paradoxa fühlen sich nicht mehr als solche an, wenn es einem gelingt den metaphysikalischen Konzepten zu folgen, welche zu einem Ende führen, das offener ist als es zunächst erscheinen mag. Hier saßen entweder Genies am Werk, oder Leute die das ganze Projekt über wirklich akribisch gearbeitet haben. Vermutlich beides.
Und als wäre all dies nicht schon eine immense Leistung, gibt es ja noch die zahlreichen Metaebenen, über die man hier komplette Masterarbeiten füllen könnte. Hier drängen sich philosophische Fragen wie auf der einen Seite der nach der Existenz eines freien Willens und der Frage nach Schicksal auf der anderen Seite auf. Welchen Einfluss haben Entscheidungen, und gibt es überhaupt richtige Entscheidungen? Natürlich ist die Liebe die Kraft die alles verbindet, aber „Dark“ belässt es bei Weitem nicht bei dieser Feststellung die schnell ins Kitschige abdriften kann, und geht der Frage nach, wie sich diese Liebe entwickeln und verändern kann. Wie sich jeder Mensch selbst im Laufe des Lebens verändern kann, und somit auch seine Beziehung zu anderen. Ist eine Beziehung überhaupt möglich, bei der ein Teil der Partnerschaft sich und alles um sich herum aufgibt, um sich der anderen Person auszuliefern? Oder kann man in Wirklichkeit nur lieben, wenn man den anderen gehen lässt, und vor allem seine eigene Vergangenheit und somit seine eigene Welt loslassen kann? Oder läuft es ohnehin immer darauf hinaus, dass man sich entfremdet? Dabei wird in „Dark“ anhand sowohl biblischer Analogien als auch durch den Romeo-und-Julia-Topos auf archetypische, menschliche Grundmechanismen verwiesen. Und wie sieht es mit einem selbst aus? Wie steht man zu seinen eigenen Ichs aus der Vergangenheit? Bekämpft man sie, oder integriert man sie in ein komplettes Selbstbild? In Dark ist unser zukünftiges Ich unser Schicksal das uns lenkt. Oder auch nicht. Diese Metapher ist sicherlich die stärkste der ganzen Serie.
Und als wäre all dies noch nicht genug, gibt es für Liebhaber des künstlerischen Aspekts bei Bewegtbildern noch am Ende einer jeden Folge eine großartige musikalische Sequenz, die nicht nur den aktuellen narratologischen Stand zusammenfasst, sondern auch neben all den mentalen Masturbationsorgien den so wichtigen Emotionen ihren notwendigen Platz einräumt.
Und wenn dann während eines dieser oben erwähnten unauffälligen Rettungsringe die aktuelle Situation erklärt wird, man als Zuschauer hochkonzentriert dem Ganzen versucht zu folgen, es zwar durchaus irgendwie Sinn ergibt, sich aber vollkommen mindblowing anhört, bringt es Bartosz auf den Punkt, und mich zu einem der größten Lachanfälle seit langem:
„Ihr tickt doch alle nicht ganz richtig!“