Deciuscaecilius - Kommentare

Alle Kommentare von Deciuscaecilius

  • 6 .5

    Ich habe hier eine ganze Weile ausgesetzt, aber ein paar Gedanken zu einem neuen Alien-Film sind es wert, diese Pause einmal zu unterbrechen.
    Da ist er also der neue Alien Film, Alien: Romulus von Fede Alvarez, um genau zu sein, und es ist ein interessantes Werk geworden. Alvarez verabschiedet sich von den slicken modernen Science-Fiction Welten der letzten beiden Filme und kehrt zum dunklen, rostigen und fast postapokalyptisch wirkenden Style der ersten Filme zurück. Das stellt sich dann auch schnell als die beste Entscheidung des Filmes heraus. Die Welt ist wahrhaftig gelungen, die Technik ist etwas Besonderes in ihrer Größe und ihrer Brutalistik, scheint dabei aber immer beschädigt, wie auch alle menschlichen Wesen in dieser dystopischen Konzernwelt. Ich habe den Film in seiner ganzen Optik genossen, fast alle Effekte wirken haptisch greifbar, hart und schmutzig und das gilt auch für das Design der Aliens, die besser aussehen als je zuvor. Der Schleim ist real und die Tunnel wieder bedrohlich.
    Das alles macht den Film sehenswert und seine Darsteller bemühen sich, diese Atmosphäre nicht zu zerstören. David Jonsson als Andy hat eine interessante zweifache Rolle und ihm gelingt es allein mit seinem Gesicht die ganze Spanne von Verletzlichkeit bis zur unangenehmen Bedrohung zu artikulieren. Gerade im Mittelteil des Filmes trägt sein Ausdruck die Spannung. Hauptdarstellerin Cailee Spaeny als Rain nenne ich hier dann nicht ausversehen als zweites, weil sie mir ein bisschen wenig Präsenz ausstrahlte und in den ständigen Reminiszenzen zu den ikonischen Szenen von Sigorney Weaver aus meiner Sicht einfach zu jung wirkte. Ihre Leistung ist aber gut, ihr gelingt es, unser Begleiter in dieser Welt zu sein, wir laufen an ihrer Seite durch den Horror. Der Rest des Cast leidet dann aber noch mehr als sie, darunter nur Stichwortgeber alter Zitate zu sein und irgendwie Stand-In für die Wiederholung von alten Ideen sein zu müssen. Hier ist man weder ohne Grund schwanger noch ist man ohne Grund wütend auf „Künstliche“ und schon gar nicht ist man ohne Grund Space Marine, alles hat seinen Sinn aus der Vergangenheit gestiftet. Der “Auftritt”von Ian Holm ist in diesem Punkt aber sicher der ärgerlichste Moment, wer mir darin zustimmt, dass die digitale Verjüngung eine Pest des Films ist, wird im Kino ein Bier brauchen…
    Die Vorhersehbarkeit dieser Plot Points ist dann auch das Problem des Films und nimmt ihm viel Spannung. Für jemanden, der noch nie einen Alien-Film gesehen hat, könnte das ein Meisterwerk sein, für die Veteranen fühlt es sich aber oft so an, als würde man das Best Off als Remake mit aktualisierter Grafik sehen. Manches mag als Verbeugung durchgehen, vieles ist aber in der Häufung auch ein Zeichen von Mutlosigkeit. Wenigstens wird oft Gutes und Schönes zitiert und dafür der Pseudephilosophiebullshit der beiden letzten Filme über Bord geworfen. Zumindest in den Actionszenen blitzen dankbarerweise dann und wann Lichtblicke auf, immer wenn der Film seine visuellen Stärken spielt, dann tanzen wir in Schwerelosigkeit durch Säurewolken oder sehen planetare Ringe in, wenn auch unrealistisch dichter, aber atemberaubender Schönheit.
    Der Film ist keine besonders logische Konstruktion, vieles wirkt erzwungen, um zum nächsten Punkt zu kommen. In den Szenen selbst gelingt dem Film dann immer wieder eine drückende Atmosphäre aber man weiß immer wie es ausgehen wird und zwischen der Stille aus Alien 1 und dem Gedröhne des modernen Kinos, liegen dann häufig nur Millisekunden oder ein nerviger Jump-Scare. Der Film hält sich und die alten Ideen einer langsameren und intensiveren Ära des Films nicht aus. Der Film ist ein modernes Franchise-Produkt, das seine Vorgänger zwar verstanden hat, aber ihnen nicht gerecht werden darf, weil er nicht mehr in eine einzelne Idee intensiv abtauchen kann, er muss levelhaft dahin laufen, um alle seine Checkpoints zu erreichen.
    So kratzt der Film an den Ideen zur Frage von Menschlichkeit, an einer Kapitalismusdebatte, an der Macht der Weiblichkeit und der Vergänglichkeit menschlicher Körper, aber er kann dem nichts hinzufügen, er zeigt uns die Bilder und muss dann aber schnell weiter. Das reicht aus, um als spannender und effektiver Action-Horrorfilm im Weltall durchzugehen und das ist schon etwas wert. Ich würde sagen, dass es am Ende auch damit etwas zu viel wird, weil er dann noch mal richtig in die seltsamen Ecken seiner Vorgänger vordringt, ohne dazu irgendeine Haltung zu haben aber vermutlich ist das gar nicht so wichtig, der Film beißt nicht, der will wirklich nur spielen.
    Das war trotzdem ein nettes Kinoerlebnis, aber leider nicht mehr als das. Erfolg scheint außerdem da zu sein, so wird es also noch mehr Filme davon geben und mein pessimistischer Teil sagt mir, dass es nicht besser werden wird, also ab ins Kino mit euch, für alle, die den guten alten Alienschleim vermisst haben….

    10
    • 8

      Ich mag Filme wie “Kill Bill”, aber natürlich sind sie nicht nur übertriebene Fantasien, im Prinzip sind Rachefilme auch gefährliche Lügen über die Natur des Menschen und die Art, wie Gerechtigkeit funktioniert. „Sympathy for Mr. Vengeance“ ist ein brutal schmerzhafter Film über eine Vision Rache zu Ende zu denken, sie in ihren Formen und Facetten zu zeigen und sie damit zu entzaubern. Das fängt damit an, dass wir keinen Antagonisten haben und damit auch keine Helden, wir haben nur Täter und die Opfer von Umständen. Das letztere dann manchmal zu ersteren werden bildet den Vortex, den wir hier erleben.
      „Ein gekochtes Schwein hat keine Angst vor heißem Wasser“
      Wenn man nichts mehr zu verlieren hat, wenn das Gesundheitssystem Gesundheit nur gegen Geld verkauft und die eigenen Möglichkeiten beschränkt sind, dann fühlt sich der Einstieg in eine Kriminalität anders an. Das ist der Grund dafür, dass Industrieländer so gebannt nach Schuldigen für ihre Kriminalstatistiken suchen, denn das Ungleichheit Kriminalität verursacht ist zwar klar, aber die daraus folgende Implikation liegt normalerweise nicht auf dem Tisch der Möglichkeiten, die man umsetzen will. Nur wer etwas zu verlieren hat, ist für ein Bestrafungssystem überhaupt erreichbar, wenn in den USA Obdachlose im Winter Verbrechen begehen, weil es im Knast wärmer ist, dann hat man als Gesellschaft versagt.
      Wir sehen hier also der südkoreanischen Gesellschaft beim Versagen zu. Das befreit unsere Protagonisten nicht von ihrer persönlichen Verantwortung, aber seltsamerweise scheinen sie sich derer immer bewusst zu sein, denn sie tragen allesamt ihre Konsequenzen und wirken dabei fast ein wenig dankbar. Sie alle sind an einem Punkt angekommen, der kein Zurück mehr erlaubt und der daher nur in noch mehr Eskalation oder eben im eigenen Tod enden kann. So trifft uns der Film ins cineastische Herz, weil wir diese Rache so lieb gewonnen haben. Es ist ein so schönes Konzept, weil es Wirkmächtigkeit simuliert und dabei erlaubt dem Sieger zur Seite zu stehen und seine Verbrechen dabei rationalisieren zu können.
      Hier aber ist nichts zu rationalisieren, wir sehen das absolute Leid, die absolute Schuld und ein absolutes Ende. In seiner Gnadenlosigkeit ist Park Chan-wooks erster Film seiner “Rachetrilogie” ein Meisterwerk. Nicht alles ist bereits perfekt, der Film hat ein paar Längen und ein paar der Einfälle fühlen sich selbst in diesem Kontext seltsam falsch an, besonders dieser behinderte Junge am See ist eine irritierend abseitige Idee, aber der Film wirkt insgesamt wie er wirken will. Glücklicherweise möchte man fast sagen, bewahrt er sich, aber eine gewisse Abstraktion, eine leicht entrückte Perspektive, das macht ihn etwas leichter zu ertragen. Insgesamt ist das aber ein hartes Seherlebnis, eine soziale Satire, eine beißende Kritik an Gewalt Kino und einer Gesellschaft, die sich weigert, ihren Reichtum gerecht zu teilen.
      Der Film hat nicht umsonst die Karriere von Park Chan-wook ins Rollen gebracht, es ist ein besonderer Film, der schwer zu ertragen ist. Es ist ein Kino, das schmerzt.

      5
      • 9

        Ich mag die Verspieltheit von Woody Allens “Annie Hall”, es ist ein Film voller Ideen, die sich hier frisch und neu anfühlen. Vieles davon hat den Eingang gefunden in die Filmwelt, aber hier ist das alles so konzentriert und mit so viel Liebe zur Kunst eingebaut. Das Durchbrechen der vierten Wand wirkt und die Splitscreens sind wundervoll aufeinander abgestimmt. Die Szene mit den Beiden auf der Couch ist ein Meisterwerk, genau wie sein plötzliches Auftauchen im Klassenzimmer. Es sind Gedankenblitze, die den Film wirken lassen, als hätte man ein ganzes Meer von Ideen über einem Film ausgegossen, eine wilde Anordnung von Gedanken, Ereignissen und Erinnerungen immer subjektiv und immer mindestens amüsant. Szenen aus der Vergangenheit werden der Gegenwart entgegengestellt, die Familien verglichen und Dates gespiegelt, es ist eine Kette von Assoziationen aus einem Leben und einer Liebe.
        Die wunderbare Diane Keaton ist immer gut, aber sie erreicht hier ohne Frage einen Karrierehöhepunkt. Ihre Entwicklung von der seltsamen jungen Frau zu einer Figur, die so weit herausgewachsen ist aus ihrem Film, dass sie am Ende den Protagonisten stehen lassen kann, ist eine Offenbarung. Allen muss man zugutehalten, dass er seine Protagonisten immer machen lässt und man erst dadurch diese Entwicklung so klar sehen kann. Der Mann, der seine Frauen selbstbewusst, intellektuell und weltgewandt mag, aber dann mit ihnen nur alleine im Apartment den ganzen Tag vögeln möchte, verliert sie zurecht, aber wie viele Filme würden das zugeben? Das ist wie in allen Woody Allen Filmen wahnsinnig selbstbezogen und analytisch zugleich, hier erkennt ein Mensch seine Schwächen und lebt sie doch trotzdem als wären sie in die Matrix programmiert.
        Man kann in dieser Welt aus filmischen und kulturellen Referenzen schwelgen und tief in die intellektuelle Welt der Siebziger tauchen, ohne sich je sattgesehen zu haben, so voll ist dieser Film damit. Wieder steht New York im Mittelpunkt, aber wir sehen auch etwas von der Neuen Welt in Los Angeles und den langsam verlaufenden Verschiebungen in der amerikanischen Kultur. Vermutlich ist nicht einmal alles für einen durchschnittlichen europäischen Zuschauer wie mich zu erkennen, aber man bekommt einen Eindruck von dieser Welt und ihrer Faszination.
        Dabei ist das alles doch (nur?) Eine romantische Komödie oder besser gesagt die Mutter des Genres, nur dass man hier schlussendlich wieder die Straßenseite wechselt, anstatt sich in die Arme zu fallen. Diese Liebesgeschichte zieht ihr Gewicht aus der Dringlichkeit, aus der ernsthaft wirkenden Suche nach Liebe und Partner. Dass ihnen die Liebe immer wieder entgleitet, hat eine Dringlichkeit, weil ihnen etwas fehlt, das beide auffüllen wollen, aber nicht beieinander finden können. Es ist das Gegenteil der Filme, in denen sich junge Menschen anlasslos unsterblich ineinander verlieben, hier treffen sich Erwachsene, die es versuchen, aber am Alltag und ihren eigenen Schwächen scheitern. Nur deshalb wirkt das traurig und lustig zugleich, weil es Fallhöhe hat und weil es vom Drehbuch ernst genommen wird.
        So ist Annie Hall ein Film, der seine Kraft aus dem zeitlosen Thema und seiner Experimentierfreudigkeit zieht. Das ist auch heute noch gut anzusehen und auch wenn einige der intellektuellen Referenzen langsam zu verblassen scheinen, ist es eine Welt, die man weiterhin besuchen sollte. Ich habe nicht viel zu kritisieren, der Film trifft immer noch seinen Punkt und seine Komik hat sich erhalten. Es ist ein fast perfektes Filmerlebnis.

        6
        • 7 .5
          über Suzume

          Suzume ist der 2022er Film von Makoto Shinkai und behandelt dessen übliche Themen, wir haben eine zentrale Liebesgeschichte, getrennt durch magische Umstände und wir haben eine Katastrophe, die Japan bedroht. Beides muss die siebzehnjährige Suzume lösen, die sowohl optisch wie auch in ihren Charaktereigenschaften ein typisches Mädchen aus Shinkais Filmen ist. Ihr Arc ist damit auf Freundlichkeit, Liebe und Trauma beschränkt. Die restliche Welt dagegen ist geprägt von Einsamkeit, unglücklichen Singles, Wahlfamilien und mysteriösen Naturgeistern.
          Das ist dann alles auch das Problem, weil sich diese Filme so ähnlich anfühlen. Viele Themen kommen einem bekannt vor und die Liebesgeschichte ist dann hier nicht einmal so gut ausgearbeitet wie noch in „Your Name“. Die beiden Protagonisten verbringen wenig Zeit miteinander und es blieb mir unklar, warum Suzume so sehr an dieser Liebe hängt, die sie nie richtig erlebt hat. Dazu kommt das auch dieser Roadtrip durch Japan ein bisschen flach wirkt, die Nebencharaktere sind allesamt ausgesprochen sympathisch aber wenig ausgearbeitet und die Ereignisse an den einzelnen Orten ähneln sich sehr.
          Nun ähnelt der Film noch in anderer Weise „Your Name“, er sieht genauso fantastisch aus, ist genauso detailverliebt und zauberhaft gestaltet. Man kann sich an den Hintergründen nie ganz satt sehen, die ländlichen Regionen Japans erstrahlen in Grün, die Städte in leuchtenden Farben und das Jenseits in träumerischer Lilafarbwelt. Dieser Film ist einmal wieder zum Dahinschmelzen schön. Dazu kommt, dass der Soundtrack noch einmal zugelegt hat, die Musik ist ein Meisterwerk.
          „Ob man lebt oder stirbt, ist nur eine Frage des Zufalls.“
          Wir müssen über die mithilfe des Cell Broadcast vor Katastrophen warnenden, rot blinkenden und laut kreischenden Handys der Japaner reden. Dieser Film ist eine Traumaverarbeitung der ständigen Erdbeben-Bedrohung in Kombination mit möglichen Tsunamis und im Besonderen ein Gedenken an die Katastrophe vom 11. März 2011. Der Film verarbeitet den plötzlichen Verlust von Verwandten, Freunden und Bekannten, die an diesem Morgen noch freudig grüßend das Haus verlassen, aber niemals wiederkehren werden. Der Film behandelt auch die ständige Angst vor der nächsten Katastrophe, die jederzeit passieren kann. Seine gesteigerte und manchmal etwas albern wirkende Fröhlichkeit und die fast übertrieben netten Menschen sind damit auch eine Kompensationsstrategie für diese Ereignisse. Dieser Film verarbeitet den Schmerz einer Nation und er tut es so sanft und zärtlich wie möglich.
          Ganz nebenbei verhandelt er dabei auch die sich langsam leer sterbende dörfliche Welt Japans, die unter dem stetigen Bevölkerungsrückgang am meisten zu leiden hat. Hier stirbt die Kultur und eine Welt, die seit Tausenden Jahren existiert und der Film reist einmal hin und zurück in diese Welt, erkundet geschlossene Freizeitstätten, Schulen und ganze verlassene Dörfer. Es sind Orte, wo nur noch Naturgeister leben und von denen aus das Unheil seinen Lauf zu nehmen scheint.
          So erhebt sich der Film über seine schwache zentrale Liebesgeschichte, indem er größere Themen angeht. Die Komik und die gesamte Zurückhaltung wirken aber trotzdem seltsam, weil daher Einiges etwas aus dem Nichts zu kommen scheint. Suzumes ganzer Konflikt mit der Pflegemutter und ihr persönliches Trauma werden zum Beispiel erst sehr spät und dann auch etwas überraschend präsentiert. Das ändert nicht viel daran, dass auch dieser Film wieder eine Wirkmächtigkeit entfaltet, weil er mit der Kombination aus japanischer Mythologie und der Referenz zu modernen Katastrophen den Nerv trifft. Makoto Shinkai hat hier eine Formel entdeckt, die er virtuos bespielt. Ein bisschen mehr Varianz wäre aber nicht schlecht, wenn das auch in Zukunft spannend bleiben soll.

          2
          • 7 .5

            Hannah and Her Sisters ist auf den ersten Blick nichts Besonderes in Woody Allens Filmografie, denn eigentlich ist alles wie immer. Da ist das unvermeidliche New York, da sind Mia Farrow als namensgebende Hannah und Woody Allen als ihr freundschaftlich verbundener Ex Mickey, da geht man fremd, ist Hypochonder, sucht im Glauben und natürlich nach der Liebe, während man kultivierte Gespräche in Loftwohnungen führt. Was das Besondere ist, Hannah and Her Sisters ist die perfekte Zusammenführung dieser Themen. Der Film wirkt nicht abgestanden oder gelangweilt, er wirkt ehrlich interessiert am Sinn des Lebens und auch ehrlich geängstigt von den Wellen, die Glück und Unglück in unserem Leben verursachen.
            Der Film macht dabei keinen Hehl daraus, dass wir es selbst sind, die diese Wellen verursachen. Der selten so lebendig schräg wirkende Michael Caine zum Beispiel sucht nicht erfolglos nach dem Glück, sondern er trampelt darauf herum, weil es irgendwo mehr Glück geben könnte. Es ist dieses zutiefst menschliche, das ihn lächerlich und liebenswert zugleich macht, was für ein Trottel er doch ist und was für Trottel wir alle sind. Dieser Film liebt und hasst seine Protagonisten, wie nur Woody Allen das kann. Der Sinn des Lebens wurde selten so abgeklärt gesucht.
            So stolpert diese schräge Familie durch das Leben, immer kurz vor dem Drama und der Katastrophe und doch immer mit der tiefen Ruhe, wie sie nur eintausend Jahre bürgerliches Selbstbewusstsein erzeugen kann. Diese Welt ist so unangreifbar und dabei so fucking prätentiös, dass man sie lieben muss. Noch gestern dachte Mickey, er hätte Hautkrebs, aber es war nur ein Fleck auf dem Hemd, aber schon heute könnte es auch ein Gehirntumor sein. Man würde sich umbringen, wenn es dann nur nicht zu Ende wäre. Ich liebe diese Welt aus problemlosen Problemen.
            Ist das gut gealtert? Ja und nein, muss man da antworten. Es ist eine seltsam einseitige Welt, in der Afroamerikaner nur als Dienstmädchen und Jazzsänger vorkommen und in der niemand Geldsorgen hat. Es ist eine Welt der weißen Oberschicht, einer bourgeoisen Künstlerwelt, die aber mittlerweile in der modernen globalisierten Welt ihre Wurzeln zu verlieren scheint. Der Film zeigt gut, was man daran vermissen kann und was nicht, er ist da etwas, wie Woody Allen selbst, an dem man genauso viel vermissen kann, wie man es nicht vermissen wird. Seine Welt ist untergegangen, teilweise zu Recht und teilweise zu Unrecht. Hier kann man sie aber noch einmal erleben und genießen, es ist eine lustige Welt, die nie zum Schreien komisch ist, die aber etwas hat, über das man sehr angenehm lächeln kann.

            5
            • 6

              Extreme Job ist eine südkoreanische Action-Comedy in schöner Tradition von Jackie Chan Filmen und Ähnlichem. Es geht um eine wenig erfolgreiche, weil ein bisschen trottelige Polizeieinheit in Busan, die mehr oder minder zufällig, während eines Undercover-Einsatzes ein Schnellrestaurant erwirbt und damit tatsächlich erfolgreich ist. Dann muss aber trotzdem noch der Fall gelöst und eine kleine Liebelei erfolgreich abgeschlossen werden, um dann die wirklich verdiente Beförderung zu erhalten. Wenn der Film aus den achtziger Jahren wäre, würde das sicher niemanden überraschen.
              Der Film ist kein komplexes oder besonderes Meisterwerk, aber eine erstaunlich fröhliche und nett anzuschauende Komödie mit dem typisch asiatisch überdrehten Humor. Wobei es durchaus kompetent und interessant gestaltete Actionszenen gibt, welche die Stimmung auflockern und den Film über die Ziellinie schieben. Man muss solche Filme schon ein bisschen mögen, aber wer an der Albernheit Spaß hat und nebenbei gut choreografierte Kämpfe sehen will, ist hier richtig. Das ist spaßig, leichte Unterhaltung ohne viel Drama, dafür mit ein paar plötzlichen Gewaltausbrüchen und sehr viel mariniertem Hähnchen.

              3
              • 7

                Blue Jasmine ist eine schwarze Komödie von Woody Allen, die 2013 gefeiert wurde als eine Wiederauferstehung, weil Allen hier einmal wieder etwas weniger träumerisch und milde auftritt. Dieser Film hat wieder mehr Biss als seine europäischen Wohlfühlfilme und es behandelt wieder ein amerikanisches Thema. Hier stand Tennessee Williams „A Streetcar Named Desire“ Pate und das Stück wurde in die Zukunft des Finanz- und Schneeballsystem Betrugs versetzt.
                Wie schon das Stück ist auch der Film abhängig von seiner Hauptdarstellerin und Cate Blanchett gibt hier eine ihrer besten Darstellungen, wie auch das gesamte Ensemble passend und überzeugend besetzt ist. Blanchett ist aber dann doch der Mittelpunkt jeder Szene, ihre Ausstrahlung füllt die Räume und erhält damit das Bild von der charismatisch stolzen, aber sehr unangenehmen Frau, die durch ein reiches Leben geht, ohne je zurückzublicken. Es ist die große Freude des Films, hier bei diesem Sturz zuzusehen und ihren langsamen Weg in den Wahnsinn zu verfolgen. Dass Woody Allen diese Umgebung dann mit geerdeten Darstellern auffüllt, macht Macht den Film rund und hilft ihm nicht ganz abzudriften.
                Das ist dann schön anzuschauen und die typische Satire beißt einmal wieder, dass es eine Freude ist. Das ist gute Unterhaltung, wie man sie so elegant selten zu sehen bekommt. Dabei hat der Film aber auch etwas Künstliches an sich. Die gesamte Anordnung unserer Charaktere ist luftig und ein bisschen leer. Allen hat kein Interesse an Realismus oder einer Darstellung von sozialen Schichten und ihren Problemen. Der Film konzentriert sich auf komische Gestalten, die menschliche Schicksale eher spielen, als sie wirklich zu haben. Das Drama entsteht aus dem Unwillen, die Realität zu sehen und das Glück einfach darin zu finden, Negatives zu vergessen. Das ist daher keine Gesellschaftsstudie und damit auch kein Urteil über irgendwen, wir sehen nur die Tragikomik des Menschen an sich.
                Das gelingt in seiner Art daher überzeugend und macht als Film viel Spaß. Mich hat es trotzdem etwas zu sehr an ein Theaterstück erinnert, ohne dann diese Dramatik in den Dialogen, die Lyrik und Geschliffenheit zu bieten, die man von einer Aufführung erwarten würde. Der Film befindet sich für mich in einer Zwischenwelt und passt nicht ganz hierhin oder dorthin. Das ist aber eben genau Woody Allens Lücke, in der dieser Film lebt. Wenn man das mag, wird man hier einen Höhepunkt seines Schaffens finden. Kombiniert mit Blanchetts Präsenz und Sally Hawkins Menschlichkeit ist es ein Highlight dieser Art von Film.

                4
                • 7 .5

                  Tokyo Godfathers ist Satoshi Kons Weihnachtsgeschichte und damit überraschenderweise viel mehr in der Realität gebunden als seine anderen Filme. Die Geschichte nimmt das Thema Wahlverwandtschaften auf und erweitert Obdachlosigkeit zu Familienlosigkeit. Hier finden drei Obdachlose, ein Trinker, ein Transvestit und ein weggelaufenes Mädchen am Weihnachtsabend ein Kind und kümmern sich, wie das Eltern tun würden. Sie beginnen damit eine Reise durch die Milieus von Tokyo und durch viele Schicksale einsamer Menschen.
                  Der Film ist ohne Frage schmalzig und sentimental, aber er hat auch eine feine Ironie, einen schönen typisch japanisch überdrehten Humor und das macht ihn leichtherzig. Kon spielt hier einmal nicht mit Realität, aber er spielt mit uns. Das Spiel ist nur dieses Mal so viele zufällige Verbindungen und Begegnungen zu konstruieren wie möglich. Fast ist es dabei ein Film über Wunder, aber das ist vielleicht doch nicht Kons eigentliche Botschaft. Er lässt Menschen agieren und konstruiert dadurch Chancen, die sie erhalten, weil sie das richtige getan haben. Das ist ein interessantes Spiel, eines, das Spaß macht und den Film trägt.
                  Genauso viel Spaß machen seine drei Protagonisten, die alle ein Schicksal zu tragen haben, dass uns Stück für Stück erzählt wird und dabei nie außer Acht lässt, dass sie alle daran nicht ganz unschuldig sind. Kon hat einen realistischen, aber zutiefst liebevollen Blick auf seine Außenseiter. Ganz offensichtlich mag er sie und so können wir sie mögen und uns mit ihnen durch den Zauber der Weihnacht kämpfen. Das ist schön und passend animiert und hat ein paar kleine, gut gewählte Musikstücke zur Untermalung. So fügt sich das alles zusammen.
                  Ich würde nicht behaupten, den heiligen Gral der Filmkunst gesehen zu haben, und gegenüber seinen anderen Filmen wirkt das alles hier kleiner, einfacher und weniger ambitioniert. Was aber gar keinen so großen Unterschied macht, der Film ist schön, ein Weihnachtsfilm wie man sich ihn vorstellt und eine Ode an eine christliche Nächstenliebe und die Liebe der Menschen untereinander. Wie gesagt hört sich das alles etwas getragener an, als es ist, der Film hat seine alberne Note und er lässt auch ab und zu die Töne von Kons sonstigem Werk anklingen, wenn diese Stadt als Charakter lebt, pulsiert und seine Bewohner aktiv beschützt. So verschmelzen die westliche und östliche Religion angenehm zusammen und schaffen einen angenehmen Film. Einfach schön.

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                  • 9
                    über Burning

                    Burning ist der 2018er Film von Lee Chang-dong und es ist am meisten ein Psychothriller, es könnte aber auch genauso gut ein anderes Genre sein. Wenn man nichts falsch machen will, dann passt Drama am besten, denn das Leben ist ein Drama und manchmal brennt man und weiß gar nicht so richtig warum. Es ist, als wäre die Welt gegen einen und überhaupt so wenig sinnstiftend, dass man sie verbrennen möchte. Da man es aber nie tut, bleibt davon nichts zurück außer Fragen und ein Gefühl der Leere oder wie es der Film formuliert: “Ohne Tränen hat man keinen Beweis dafür, traurig gewesen zu sein.”
                    Der Film basiert auf einer Kurzgeschichte von Haruki Murakami und wer dessen Werk kennt, wird schon einmal vermuten, dass der Film auch “Slow” Burning hätte heißen können, denn zur Überhitzung neigt der Autor nicht. Der Film tut das dann auch nicht, dafür neigt er aber extrem zur Schönheit. Es ist ein atemberaubend präzises und elegant gefilmtes Werk. Cinematographer Hong Kyung-pyo hat ganze Arbeit geleistet, so sehr, dass ich mich irgendwann gefragt habe, ob das Licht in Korea einfach besser aussieht als hier. Es ist so viel Licht in diesem Film und scheinbar steht es immer tief und es ist so warm, dass man sich darin auflösen möchte. Wobei die Dialogregie hier kein bisschen nachsteht, nichts ist hier ungeplant, keine Komposition ist zufällig. Ob die Charaktere im Bild sind oder nicht, ob sie in der Mitte sind oder von außen milde lächeln, nichts hier wurde dem Zufall überlassen. Dazu kommt eine sehr zurückhaltende, aber auf den Punkt integrierte Musik, was den Film meiner Meinung nach zu einem audiovisuellen Gesamtkunstwerk macht. Nicht nur hierin wirkt der Film daher wie ein erster Schritt zu “Parasite”.
                    Denn da stellt sich auch schon wieder die Klassenfrage oder vielleicht mehr die Frage über die Möglichkeiten einer Klasse, das Leben als Spiel zu betrachten. Ben, kalt und zum Gruseln mysteriös gespielt vom einmal mehr fantastischen Steven Yeun, lebt sein Leben in den kleinen Freuden und hinterfragt die großen Dinge nicht. Sein Leben ist ein Spiel, wie seine Arbeit sich nicht vom Spiel unterscheidet und sein daraus gewachsenes Selbstbewusstsein den Zuschauer und unserem Helden die Gänsehaut auf den Rücken treibt. Seine Freiheit, die sich über die ganze Welt erstreckt, ist der Triumph jedes modernen Steuersystems.
                    Yoo Ah-in spielt dagegen Lee Jong-su, gefangen und gefesselt an den Boden, auf dem er lebt. Er ist zerfressen von den großen Fragen des Lebens und der Frage, was ihn so wütend macht. Für ihn existieren keine Antworten, er weiß nicht, wie das Leben geht, und daher kann er auch nicht darüber schreiben, obwohl das sein Beruf werden soll. Jeon Jong-seo als Shin Hae-mi wird ihm etwas geben, ein paar Fragen auch, aber ganz besonders eine Leidenschaft für den Moment. Sie ist ein mysteriöses Licht, das nur kurz auftaucht und dann wieder verschwindet. Sie ist das Eine, das für ihn alles und für Ben ein Zeitvertreib ist. In einem Film voller Symbolik ist diese Frau die eine, an die wir glauben wollen.
                    Deshalb vergeht kein Moment, an dem wir Ben nicht hassen, weil wir ihn immer durch Jong-sus Augen sehen. Das ist auch der Grund, warum die Wut hier ein Gesicht bekommt. Das Gefühl, dass unser Leben nichts bedeutet und dass man nichts erreichen kann, sei es ansonsten noch so unpräzise, Ben gibt diesem diffusen Gefühl sein Gesicht. Selbsthass ist eine Bürde der modernen Gesellschaft und „die Qualen des Lebens sind wie ein brennendes Haus.“ Wir stehen hilflos paralysiert vor dem Brand, aber wir spüren, wer für das Feuer verantwortlich ist. Chang-dongs Brillanz in diesem Film ist, dass wir aber eigentlich gar nichts wissen. Der Film stellt fast plump die Frage nach Schrödingers Katze, mit einer, nun ja, Katze, die wir gefüttert sehen oder auch nicht, die Hae-mis Katze sein mag oder auch nicht. Der Film weigert sich, das zu beantworten und damit zu verraten, ob es eine Lösung gibt. Damit stellt er letztlich sogar infrage, ob die Frage danach überhaupt legitim ist.
                    Dieser Film stellt überhaupt eine Menge unangenehmer Fragen und beantwortet keine davon. Unser großer Hunger wird in diesem Film jedenfalls nicht beantwortet. Wir wissen nicht, ob es ein Verbrechen gab, wer es verantwortet und ob es gesühnt ist, so wie das so häufig ist in unserer modernen Welt. Wir haben alle keine Ahnung, wer und was schuldig ist, im Grunde suchen wir eh nur einen Ort für unsere Wut. Komplexität kann man nicht so lange verkleinern, bis alles einfach ist, denn dann ist es bereits falsch geworden. Der Film ist ein Meisterwerk für die Menschen, die ihn nicht gucken werden, und für die anderen ist er hart zu ertragen in seiner Schönheit und seiner Leere, die er nicht füllen will, weil er nicht kann. Es ist am Zuschauer das aufzuhalten und sich trotzdem fallen zu lassen und einmal auf die Suche zu gehen, nach dem Ort von wo diese Gefühle kommen und wie wir mit ihnen umgehen müssen, um unseren großen Hunger zu befriedigen. Vor der Kunst sind wir eh allein, versunken in den Flammen, während andere dinieren und scherzen über die Privilegien, die wir ihnen geschenkt haben.

                    9
                    • 8

                      „Perfect Blue“ ist der erste so richtig eigene Satoshi-Kon-Film und es ist ein Psycho Thriller geworden, vielleicht auch ein Psycho Horrorfilm und er steht damit spiegelverkehrt zum darauffolgenden Film „Millennium Actress“, weil wir hier die dunklen Seiten des Fantums und der Anpassung des Schauspiels, inklusive der möglichen Lesarten der realen Charakterzüge der Schauspieler sehen können. Das hat seine traumhaften Seiten und vieles, was Fans tun, ist im guten Willen und in dem Versuch etwas weiterzuentwickeln, es noch schöner zu machen und noch mehr an einen Traum anzupassen, aber was dem einen ein Traum ist, ist dem anderen sein Albtraum.
                      Wir sehen die Karriere einer Girlband- Sängerin, die sich zu einer Schauspielerin weiterentwickeln möchte, und wir sehen die Probleme, die damit einhergehen. Wir sehen sie ganz genau, weil wir einmal wieder eine Verschmelzung sehen, ein zusammenfließen der realen mit der gespielten Welt. Wir sehen wie sich die Fantasien von Fans in die Realität kämpfen und wie diese Welten verschwimmen. Dabei spielt die Sexualisierung von jungen Schauspielerinnen eine besondere und bedrückende Rolle, das geht schon beim Ersatz los den die Girlgroup Sängerinnen im Leben der Fans spielen müssen, und verstärkt sich sogar noch in dieser wilden Welt des Films, indem jede Schauspielerin darum kämpfen muss wahrgenommen zu werden.
                      Kon ist hier einmal wieder ein intensiver Film gelungen, dem man allerdings sein Alter ansieht. Die Animationen sind ein wenig kraftlos und konventionell geraten, dafür ist die Musik wiederum stark. Die Kritik an einer Kunstwelt die sich dem Willen seiner Konsumenten unterworfen hat und die dabei die eigentlichen Künstler auf dem Altar des Geldes opfert, wird in dieser Deutlichkeit selten gezeigt. Man kann den Film fast als ein Fanal bezeichnen, das eine Entwicklung anführte, die heute deutlich weiter ist. Den persönlichen Bedürfnissen von Schauspielern wird heute sicher mehr Rechnung getragen als 1997, aber es ist auch noch nicht alles gut. Der Film hat daher nichts von seinem Punch verloren.
                      Er nimmt einige Ideen vorweg, mit denen wir heute auch viel vertrauter sind. Der Film fragt uns, was für uns real ist, ist es eine Internet Persona oder der Mensch, der da im Garten die Gurken erntet. Ist das eine weniger durchdacht und real als das andere und wie unterscheiden wir eines vom anderen? Das betrifft dann primär die Fans, die sich eine Realität aus den Bits and Pieces gebaut haben und jede Veränderung als persönlichen Angriff betrachten können. Das alles wird zum voyeuristischen Traum, indem auch der Zuseher das alles nicht mehr auseinanderhalten kann, weil es alles in sich zerfließt. Wir wissen nicht, ob das die Lichter eines Autos sind oder die Blitzlichter der Fans, ob dort die Wut auf den Fotografen zu blutigem Gemetzel führt oder sich das alles ein Drehbuchautor ausgedacht hat.
                      Mich hat der Film trotzdem nicht ganz so berührt wie die anderen Filme von Kon, vielleicht weil der zugrunde liegende Thriller sich nicht so besonders anfühlt. Die Motive haben wir immer wieder gesehen und dieser Film hier besteht darauf, im Kern etwas Minimalistisches zu sein, das aber daran hindert, tiefer einzusteigen. Mir war das Ende zu konventionell, auch wenn es sich logisch herleiten lässt, fehlte mir mehr Tiefe in der Beziehung. Die Protagonistin Mima bleibt eine Fläche, die kaum etwas von ihrer eigenen Struktur zeigt und letztlich von der Welt beschrieben wird, das ist die Idee des Filmes und doch war es für mich etwas wenig. Das macht den Film aber insgesamt nicht weniger interessant, diese Welt ist eine Besondere und im Grunde schon Teil der Filmgeschichte. Satoshi Kon ist einer der Meister, die man gesehen haben sollte.

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                      • 7 .5

                        American Made ist eine Action Comedy mit Tom Cruise die irgendwie das tut, was so viele Serien der letzten Jahre versucht haben, eine unterhaltsame Geschichte aus dem Kokainschmuggel der Escobar/Ochoa Ära zu machen. Nur macht der Film das in sehr unterhaltsamen zwei Stunden. Das ist mitnichten historisch korrekt, das ist auch nicht besonders detailliert, das unternimmt keine tiefenpsychologische Analyse irgendeines Beteiligten, es ist einfach nur Spaß.
                        Der Spaß ist dann gut gespielt, nett gefilmt und hat einige coole Ideen um den Zuseher bei Laune zu halten. Das ist es dann aber auch. Mehr ist hier nicht zu holen, aber genau das ist auch gut so. Wer also etwas frustriert darüber ist, wieder 60 Stunden in eine der Serien investiert zu haben, nur um vom Ende enttäuscht zu sein, hier geht das in zwei Stunden und, nun ja, wir wissen, wo solch ein Abenteuer endet. Viel Spaß damit…

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                        • 6

                          Avatar: The Way of Water ist ein hübscher Film, ein Film der viele beeindruckende Bilder findet, ganz besonders von zauberhaften Unterwasserwelten. Nun kann das auch jede gute Doku oder die Außenwelt, der Wald vor unserer Haustür hat auch super realistische Effekte, aber im Mix aus Realismus und künstlicher Sehnsucht, liegt ohne Frage ein Zauber. Man kann eine Weile gut schwelgen in diesem Traum. Es gibt aber auch in diesem an sich perfekten Film ein paar Momente, in denen das bricht, in denen der Greenscreen, die LED-Leinwand und der eine leicht falsche Lichteinfall durchscheinen, das leicht Falsche kämpft sich immer einmal wieder an die Oberfläche.
                          Cameron verhindert das Uncanny Valley dabei effektiv durch seine blauen Gestalten irgendwo zwischen Siamkatze, Leguan und Thin Man aber damit nimmt er dem Zuschauer auch etwas die Empathie zu den Protagonisten, die aber wichtig wäre, um wirklich etwas für diese Kunstwelt zu empfinden. Besonders, weil die Probleme der Leute dort irgendwo zwischen Telenovela und Moby Dick zu chargieren scheinen. Die Story ist nicht wirklich das Highlight des Films, das ist eher etwas, das Winnetou vier hätte werden können und das nie realistisch oder glaubwürdig erscheint. Karl May konnte noch von Amerika träumen, wie Cameron jetzt von Pandora.
                          Alles Böse in dieser Welt ist etwas Böses, das aus unserem wilden Westen entlaufen ist, ohne je irgendwie menschlich und schon gar nicht modern zu wirken. Wir wissen alle, wie Rassismus funktioniert und wie indigene Völker wirklich vertrieben und ausgerottet wurden, diesen Weg will Cameron hier aber nicht gehen. Er will grausame und hasserfüllte Gegner, die aber dann seltsam beschränkt bleiben in ihren Möglichkeiten und der Scala in der sie Schaden anrichten. Wie die Optik findet auch der große Konflikt statt in einer Fantasywelt, die nichts Reales an den Zuschauer lassen möchte. Gleichzeitig aber badet der Film dann in diesen kleinen Grausamkeiten, zelebriert sie regelrecht für den Zuschauer und für dessen Gänsehaut, das ist eine manchmal verstörende Mischung. Die inneren Konflikte sind dann auch nicht besser, basieren gerne auf Missverständnissen oder wenn jemand wieder nur nicht ausreden durfte. So plätschert diese animierte Fototapete seine drei Stunden dahin. Es sind unterhaltsame Stunden, aber anspruchsvolle dann nicht so sehr.
                          Das muss man mögen und man sollte nicht viel mehr erwarten. Der Film ist ein Märchen aus einem Computer, den man mit Sehnsuchtsorten gefüllt hat und der dann mit Konflikten aus „Rauchende Colts“ aufgefüllt wurde. Daran muss nichts Schlechtes sein, aber ehrlich gesagt hat es mich nach einer Weile schrecklich angeödet. Es ist eine kreative Ödnis in diesem angeblich so kreativen Film, eine antipolitische Haltung, eine esoterische Traumwelt und eine technikfeindliche Zynik fließen zusammen, um Schauwerte zu produzieren. Das war es dann leider schon, ganz nett und leicht zu verdauen ist es aber allemal…

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                          • 4

                            Tja, IT Chapter Two ist die Fortsetzung des sehr erfolgreichen ersten Teils und der Versuch, den Erfolg noch einmal auszubauen, indem die Zielgruppe erweitert wird. Dieser Film ist faktisch ein Geschenk des Zielgruppenmarketings. Ein Film, der nun noch weniger ein klassischer Horrorfilm ist, obwohl er noch mehr Szenen mit dem Monster hat, diese aber häufig entspannter, ja lustiger präsentiert, und der sich dabei außerdem weniger mit den schweren Schicksalsschlägen beschäftigt. Es geht im modernen Selbstoptimierungsansatz um die Überwindung der eigenen Traumata durch geistige Disziplin und Stärke, wenn du dich nur hart genug konzentrierst, dann wird das Trauma schon schrumpfen.
                            Das ergibt dann einen glatten Film, der weiterhin gut aussieht und immer mal wieder eine Szene trifft aber vielmehr ist es ein Film geworden der feige um die Konflikte des Buches herumlaviert und in ewiger Repetition, die immer gleichen Clown Szenen präsentiert. Seine fehlende Fokussierung hat dazu geführt, dass ihn die alten Buchfans gar nicht mehr mochten, und neue Fans sind trotzdem nicht aufgetaucht, ein schönes Beispiel für die moderne Filmindustrie.
                            Aber kommen wir zu den Details: Es geht hier um die Erwachsenen, die nun da „Es“ nach siebenundzwanzig Jahren wieder aufgetaucht ist, von Mike, der als einziger in der Stadt geblieben ist, nach Derry zurückgerufen werden, um noch einmal in den Kampf zu treten. Der Film startet dabei mit einer der effektiveren Szenen, indem er dem Buch folgt und einen homophoben Angriff mit dem ersten Übergriff von „Es“ kombiniert. Hier hat der Film noch etwas Punch, den er dann aber über die vielen Ähnlichen, aber dann alle Konsequenzlosen Szenen des ewig langen Films verlieren wird.
                            Die Geschichte der Erwachsenen war meiner Meinung nach immer der weniger interessante Teil des Buches und wie auch schon der 1990 Fernsehfilm hat auch dieser Film hier damit zu kämpfen irgendetwas rauszuquetschen, aus dem dünneren Teil der Geschichte. Versucht wird es mit blöd hinein fantasierter indigener Mythologie und mit eben der erwähnten Traumatherapie. Beides ist nicht besonders interessant und hilft vor allem der Charakterentwicklung nicht, die darunter leidet, dass wir diese Erwachsenen nicht kennen und auch kaum kennenlernen. Ihre aus der Kindheit stammenden Traumas werden zwar immer kurz angerissen, aber, weil der Film keine Eier hat, nie wirklich ausgebaut. Ganz offensichtlich will der Film nicht die Stimmung kaputtmachen mit geschlagenen Frauen, Selbstmord, Homophobie und Kindermorden, musste es aber anbringen, weil das nun einmal die Themen der Geschichte sind. Der Kompromiss ist dann kurze Anrisse zu zeigen, die kaum etwas erzählen und schnell vorbei sind.
                            Diese Methode wird dann auch bei den Horrorszenen in den Konfrontationen mit „Es“ verwendet, nur dass hier auch noch ein seltsamer, nach Horrorkomödie klingender Ton dazu kommt, der endgültig falsch wirkt. Jedenfalls findet der Film so zu keinem Zeitpunkt irgendeinen eigenen Tonfall oder wird der Vorlage gerecht. Die Stadt Derry spielt keine Rolle mehr, die Einschübe über die Erlebnisse der Kinder bringen keine neuen Ergebnisse, wiederholen nur noch einmal das, was wir eh schon wissen. Ganz seltsam ist eine angedeutete Homosexualität von Richie, die irgendwie ein Begehren für Eddie im Ergebnis haben sollte, aber auch das, was ein interessanter Konflikt hätte sein können, wird einmal wieder nur angerissen aber nicht erkundet. Es ist ein Feigling Film der keinen Mut hat zu etwas zu stehen, nicht zu den harten Themen des Romans, nicht zu einem konstant gefährlichen Monster, nicht zu seinem erwachsen gewordenen menschlichen Mörder aus dem ersten Teil und auch nie indem er die Konflikte auserzählt.
                            Dieser Film will spannend, irgendwie ein bisschen lustig, irgendwie ein bisschen romantisch und immer nahe am Ufer bleiben, um niemals irgendeine Zielgruppe ausschließen zu müssen. Das ist der McDonalds Burger unter den Horrorfilmen, oder besser gesagt zwanzig davon, denn die Lauflänge macht sich spätestens im überlangen und sehr konvoluten Finale bemerkbar. Satt ist man danach jedenfalls nicht, außer vielleicht könnte Pappsatt passen zur Fokusgruppen- Optimierung. Das sind dann die ein oder zwei guten Szenen nicht wert. Das ist wirklich schade, der erste Teil hatte schöne Ansätze, aber es wurden genau die falschen Erkenntnisse aus dem Erfolg des ersten Teils gezogen.

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                              Deciuscaecilius 25.03.2024, 19:52 Geändert 25.03.2024, 19:54
                              über Es

                              Dieser “Es” Film ist die Neuverfilmung von 2017 und ein Film, der sich eine interessante Nische gesucht hat, denn er erzählt nur den Kinderteil des Romans. Die Seite des Erwachsenen wird angeteasert, aber kommt im Film nicht vor. Das ist ehrlich gesagt für diesen Film ein Segen, zu dem zweiten Teil müssen wir dann aber (leider) noch kommen.
                              Der Film ist dabei nicht mutig, er erzählt anfangs Szene für Szene den alten Film von 1990 nach, lässt eben nur die Erwachsenen weg. Was dabei aber auffällt, ist, dass er den Szenen etwas Neues gibt, er gibt ihnen Punch, Eleganz, einen richtigen und schönen Score und überhaupt eine Art Dringlichkeit. Dieser Film fühlt sich härter an, ist viel gruseliger und konsequenter in allem, was er tut und daher funktioniert er über weite Strecken. Auch wenn er dann über die Länge langsam die Version von 1990 verlässt und speziell am Ende Neues probiert, ist das nicht perfekt, aber gelungen. Ein bisschen zieht sich das schon, aber da der Film bei seinen Stärken bleibt, geht sich das aus.
                              Am meisten aber profitiert er von den guten Darstellern, Sophia Lillis als Beverly ist zauberhaft und der Traum eines jeden Jugendlichen. Jaeden Lieberher als Bill und Jeremy Ray Taylor als Ben sind ein Geschenk für den Film und unterstützen die heftigen Stranger Things Vibes, die der Film ausstrahlt. Es ist eine schöne Schleife, dass sich eine ES-Verfilmung bei ihrem eigenen Kind für eine neue Ästhetik bedient. Man merkt dem Film an, dass er mächtig klaut, aber er macht das effektiv, er weiß, dass er eine zeitlose Geschichte hat und dass Cosy Gruppendynamiken von sogenannten „Losern“ einfach funktionieren. Auf dieser Welle reitet der Film und dem kann man sich schwer entziehen. Von Mobbing, über die Probleme mit den Eltern, bis zu unglücklicher Liebe, ist der Film ganz bei sich und man versinkt darin. Daran ist allerdings nicht viel neu, die Charaktere bleiben etwas oberflächlich, man merkt dabei eine starke Konzentration auf die, ähm, sorry, “Mé·nage-à-trois” Gruppe. Die drei sind der Kern des Films.
                              Dabei hilft, dass er schöne Bilder findet. Chung-hoon Chung hat hier einmal wieder großartige Arbeit geleistet. Die Barrens sind so dargestellt, wie man sie sich als Kind beim Lesen erträumt hat, der Regen sieht super aus und die Kontraste in den dunklen Ecken der Keller, Schächte und verfallenen Häuser machen richtig was her. Auch Bill Skarsgård als Pennywise nimmt der Rolle die Silliness, die Tim Curry ihr gegeben hat, und fügt Gruselfaktor hinzu, eine großartige Leistung. Der Film wird deshalb nicht zum Horror-Schocker, aber alle seine bedrohlichen Szenen hinterlassen mehr Impakt. Das liegt daran, weil er tief eintaucht in die Ängste der Kinder und diese gut visualisiert. Die Angst vor Einsamkeit, vor Sexualität, vor Spott und vieles mehr bekommen ein Gesicht und das gibt auch erwachsenen Zuschauern zu denken. Die Erwachsenen im Film stehen da kaum zurück, sehr schön werden sie hier zu den Gründen für das Trauma der Kinder und verstärken diese, bis sich eine eigene isolierte Welt um diese herum bildet, weil ihnen wirklich niemand helfen kann und will. Das ist der Geist des Romans, eine Kinderwelt, in der Erwachsene fremd bleiben und nur die Kinder die Wahrheit über die Grausamkeit der Welt sehen. Besonders intensiv wirken dabei Bevs Erlebnise mit ihrem Vater und Bills Konfrontation mit seinem Schuldkomplex, da macht der Film ganz gute Arbeit.
                              So fügt sich das schön zusammen und macht einen interessanten Gruselfilm. Die Änderungen an der Geschichte, das langsame Abgleiten vom Original sind dabei in Ordnung, man kann sich zwar darüber streiten, ob das Ende ein etwas zu realer Kampf ist, der Film ist hier aber wenigstens klar positioniert. Das ist, genau wie einige in der Häufigkeit etwas anstrengende Horrorszenen, ein Zugeständnis an moderne Zuschauer, aber ich fand es unterhaltsam. Ich mag den Film so, wie er ist, als eine schöne Umsetzung von Kings Thema der Angst selbst bzw. der Angst vor allem sozialen, manifestiert im gruseligsten Clown der Literaturgeschichte. Kann man gut gucken…

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                                “Es” oder auch “Stephen Kings Es” ist ein Fernseh-Zweiteiler von 1990, der kreuzbrav den berühmten Roman nacherzählt. Die beiden Teile sind je eineinhalb Stunden lang und beide werden mittlerweile als ein Film vertrieben. Im Zeitalter der drei Stunden Filme ist das kein Problem mehr. Schon etwas problematischer ist aus heutiger Sicht, dass der Film sehr nach Fernsehen aussieht, die Kamera ist solide aber uninspiriert, das Bild nett aber ohne Highlights und der Score unauffällig. Der Film schwimmt nicht gerade in Inspiration, was dann die Längen spürbar macht. Leider setzt sich das mit den Schauspielern fort, die solide, aber wiederum nicht wirklich herausstechende Jobs machen. Das alles ist nett anzuschauen, aber nie mehr als das.
                                Trotzdem, und das ist primär der zeitlosen Vorlage zu verdanken, hat der Film eine gewisse Faszination. Das kommt aber hauptsächlich in den ersten eineinhalb Stunden zur Geltung, wenn die Geschichte der Jugendbande erzählt wird. Das ist zeitlos schön, eine Verbrüderung von „Losern" mit einem super coolen Mädchen und den Charakteren, die zu einer solchen Gruppe gehören. Man hat den Anführer, den Ideengeber, den Spaßmacher, den ängstlichen und den soliden Kumpel, diese Zusammenstellung kann seinen Zauber entfalten, weil sich der Film langsam und methodisch am Roman abarbeitet und der Gruppe viel Raum gibt. Ich mochte schon immer diesen ersten Teil und daran hat sich auch nichts geändert.
                                Es ist der „Stand by Me“ Vibe, der hier funktioniert und es ist die seltsame, ein bisschen märchenhafte Bedrohung, die so sehr zu Stephen King passt. Dort lebt etwas Böses, aber es scheint eher eine Manifestation des Menschlichen zu sein, das Mobbing, die Religion, die Autoritäten und die eigene Unsicherheit mit sich, dem eigenen Körper und den eigenen Gefühlen, bilden die Hürden, die zu überwinden sind. Solange der Film hier verweilt, versinkt man einmal mehr in dieser Traumwelt einer Jugend, die für niemanden so war, aber von der man träumen kann. Wirklicher Horror entwickelt sich dabei nicht, Tim Curry spielt sich den Wolf aber, seien wir ehrlich, das ist heute nicht viel gruseliger als "Die Goonies“. Das bildet aber auch immer den Kern von Kings besten Romanen und man kann da nicht viel falsch machen bei der Umsetzung.
                                Was dann leider doch nicht so ganz stimmt, denn es ist eben ein Roman über kindliche Ängste, die Erwachsenen Perspektive ist nur Teil davon, sie ist meiner Ansicht nach gar keine eigene Geschichte, also kein eigener Film. Die Traumata-Bewältigung sollte die Story abschließen, nicht sie noch einmal neu erzählen. Durch die klare Zweiteilung vermasselt sich der Film den zweiten Teil, die zweite Stunde ist lange nicht so gut wie die erste, weil wir mit diesen Erwachsenen rumhängen und die ganze Zeit nur darauf warten, dass sie endlich den Hintern hochkriegen. Das ist ein bisschen langweilig und wenig befriedigend, ihre Probleme sind weiter die ihrer Kindheit, metaphorische Kämpfe funktionieren bei Kindern, nicht so sehr bei Erwachsenen. Die fehlenden sonstigen Stärken des Filmes spielen hier dann auch noch mit rein, so wird der Film eine lange Stunde zäh.
                                Das ist dann aber leider noch nicht alles, denn das Finale ist, so deutlich muss man es leider sagen, Botched. Vollständig möchte man sagen, das Monster Design kickt nicht, die Szene ist viel zu lahmarschig, die Schauspieler kommen nicht aus sich raus, das alles hat keinen Punch und kein Gewicht, das ist am Ende von drei Stunden Film wirklich ärgerlich. Das Finale der kindlichen Story ist auch nicht das von Aliens, aber für die Kinder Story in Ordnung, für die Erwachsenen funktioniert dies aber nicht. Der Film kann sich nicht entscheiden, will er einen Kampf gegen ein reales Monster oder nur Überwindung, so entsteht ein Mischmasch, der nichts davon richtig macht.
                                Was bleibt, ist eine solide Umsetzung, die sich einreiht in viel Filme, die Schwierigkeiten hatten, den Zauber von Kings Romanen einzufangen, das Märchenhafte, der stille Grusel, die Assoziationen mit unserer realen Umgebung, diese Dinge sind alle schwer filmisch zu erfassen und die Lösung ist leider nicht es nacheinander herunterzählen. Da fehlte etwas Eleganz und der Mut, wirklich einen Einzigen in sich stimmigen Film zu machen.

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                                  Deciuscaecilius 22.03.2024, 21:14 Geändert 22.03.2024, 21:17

                                  Love Exposure liegt hier auf DVD und beim ersten Sehen dachte ich, auf der ersten wäre der zwei Stunden und zwanzig Minuten lange Film und auf der zweiten Bonusmaterial, aber nein, auf der zweiten sind die restlichen anderthalb Stunden des Films. Nun wird man sich fragen, was man in vier Stunden Film zu erzählen hat und ob das nicht langweilig wird und da kann man beruhigen, diese wilde Mischung aus Sex und Religion kickt wie eben eine Mischung aus Sex und Religion kickt.
                                  Dabei hilft der, man möchte sagen, übliche japanische Wahnsinn, der sich hier über Kampfszenen, Upskirt Fotografien, Beichtszenen und diverse Entführungen entspannt. Die ganze erste Dreiviertelstunde wird getaktet von einem Countdown und von Ravels langsam aufbrausendem Bolero, mündet dann in einem etwas überraschend auftauchenden großen brutalen Kampf auf einer japanischen Verkehrsinsel, was den Ton für den Rest setzt. Dieser Film ist sich für kein noch so großes Gefühl zu schade und in dem man schon einmal von einer jungen Frau voller Wut Bibelverse ins Gesicht geschrien bekommt, also minutenlang selbstverständlich.
                                  Man kann sich dieser Faszination schlecht entziehen und der Film entzieht sich damit auch etwas einer vernünftigen Rezeption. Es ist alles ein Kampf zwischen der ach so süßen Sünde mit der katholischen Scham, die eine Gesellschaft in den Zügeln halten soll. Unser japanische Held Yū Honda gespielt vom Boyband Star Takahiro Nishijima ist zerrissen zwischen diesen beiden Extremen und lebt seinen sorgsam vom Vater aufgebauten Schuldkomplex aus, indem er Schmuddelkram macht und sich unsterblich in die Einzige verliebt. Das ist schmalzig und absurd, aber der glatte Junge kämpft sich als Mann und Frau gnadenlos gegen alles und jeden durch diese Liebe und verleiht ihr damit Gewicht. Nishijima macht das überzeugend, sein Schmerz und seine Verzweiflung tragen diese Geschichte.
                                  Seine „Virgin Mary“ Yōko wird gespielt von Hikari Mitsushima, die ihr die Wut gibt, die nur ein Teenager empfinden kann, und der Film lässt dann auch nichts aus, um sie entsprechend ihrer Rolle leiden zu lassen. Das ist dann manchmal ganz schön dick aufgetragen, aber wie alles im Film hat es auch immer Abstand zu den Figuren und wirkt bei allen Schicksalsschlägen soweit ironisch, dass es nicht wirklich zu viel wird. Dann ist da noch Sakura Ando als Femme fatale Aya Koike, die wiederum genauso absurd überzeichnet um Yu kämpft. Das ist fast noch merkwürdiger, aber reitet den gleichen Schuldkomplex und denselben japanischen Teenager Weltschmerz. Es ist nicht das erste Mal, dass ich in einem japanischen Film sehe, wie die Jugend wütet und als Gesellschaft müsste man das einmal hinterfragen, aber hier hat es auch etwas Kathartisches, es ist eine Befreiung, auch wenn sie erst einmal in die Auflösung des Selbst führt.
                                  Überhaupt ist der Film ein Wutausbruch der Jugend gegen diese Gesellschaft, gegen ein Japan der Alten, der Traditionen, der Religion und der sexuellen Verklemmtheit. Es prangert nicht nur die seltsame Unbestimmtheit der jungen Männer zwischen Pornografie und realer Impotenz an, sondern auch die Sexualisierung junger Mädchen. Dabei nimmt der Film kein Blatt vor den Mund und zeigt das alles schonungslos und doch lässt sich mit einem Blick der Kenntnisreichtum und eine gewisse Empathie gerade den jungen Männern gegenüber erkennen. Es ist eine Ode an die kleinen Perversen und ihre Unfähigkeit eine normale Sexualität zu leben. Das alles wäre in einem anderen Film schwere Kost, aber hier ist das alles ein Teil der allzu menschlichen Komik genau wie auch des Dramas.
                                  So fügt sich das alles ganz schön zusammen ohne je ein Film für jedermann zu werden. Dazu ist es zu Japanisch, zu absurd und zu drüber. Wenn man damit aber umgehen kann, dann entblättert sich hier eine ganz neue Filmwelt, eine Welt mit neuen Bildern und unverbraucht wirkenden Ideen, die auch nach vier Stunden nicht ausgehen. Sion Sono hat hier ohne Frage etwas Bemerkenswertes geschaffen. Trotzdem ist da etwas seltsam Düsteres unter der Oberfläche, das man in vielen japanischen Filmen spüren kann, aber hier mehr auffällt. Diese Liebe und das Verständnis für diese seltsame männlich geprägte Pornokultur inklusive der Stalker haften Anbetung der Frauen ist etwas zu dick aufgetragen. Man würde sich wünschen, auch eine weibliche Perspektive zu sehen. Der Film nimmt sich Anleihen bei Shakespeare und erzählt eine Gender Bending Verwechslungskomödie, was Spaß macht, aber in seinem Ton auch etwas zu sehr in der Zeit bleibt, in der diese Stücke entstanden sind. Der Film wirkt so schrecklich aktuell und ein bisschen unangenehm veraltet zugleich. Er prangert Sexualisierung an und lebt sie doch auch ein bisschen selbst.
                                  So oder so kann man das als Spaß und als Stück über die japanische Kultur sehen und wird dann nicht enttäuscht werden. Das ist großes Kino, auch wenn es ein bisschen das Memo verpasst hat, indem der Feminismus aus Maria der Göttin einen ernst zu nehmenden Menschen gemacht hat. Vielleicht ist das aber genau die Botschaft, wer weiß, einfach mal (wirklich versprochen!) kurzweilige vier Stunden reinschauen…

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                                    Deciuscaecilius 20.03.2024, 23:02 Geändert 21.03.2024, 23:17

                                    Ich weiß nicht, wie viele Menschen, während ich diesen Text schreibe, an Hunger sterben, aber es werden einige sein. Der Mensch blendet aus und selektiert in seiner Wahrnehmung, er sieht die Nutella Werbung in der Werbepause inmitten einer Doku über den Südsudan und kann beides trennen. Es ist etwas, das unser Gehirn vor Überlastung schützt, aber es ist auch etwas, das die Banalität des Bösen erst möglich macht. Nicht immer ist das so nahe beieinander wie in diesem Film und glücklicherweise sind wenige Menschen wirklich aktiv daran beteiligt, ihre Welt in ein Horrorkabinett zu verwandeln, aber manchmal ist da tatsächlich nur eine Mauer zwischen Paradies und Hölle.
                                    Jonathan Glazer inszeniert ein stilles, fast absurdes Meisterwerk über das Grauen der Verdrängung und die Macht unseres Geistes, die Welt auszublenden. Christian Friedel spielt Rudolf Höss als kleinen Mann des mittleren Managements, ein Soziopath, der keine wirkliche Zuneigung zeigen kann, außer zu Tieren. Es ist ein Mensch, der Sünde und Reue nicht versteht, auch wenn er seinen Kindern darüber vorliest. Ein Mann, der auch in seinem größten Triumph, wenn seine Wünsche in Erfüllung gehen, folgerichtig nichts spürt, außer der Sehnsucht, wieder seinen technokratischen Töten nachgehen zu können. Das ist erschreckend brillant gespielt und seltsamerweise kaum beachtet, vielleicht weil es von der auffälligen Rolle von Sandra Hüller, als seiner Frau Hedwig, überschattet wird. Wieder einmal ist sie so normal und doch so kurz vor dem Brodeln. Ganz nahe unter der Oberfläche dieser Frau scheint es zu brennen und man merkt es, auch wenn sie noch so freundlich durch ihren Garten schleicht.
                                    Die beiden tragen den Film und geben der berühmten Familie ein Gesicht. Vieles, was wir von Höss wissen, hat er selbst in den Tagebüchern verfasst oder in Interviews rund um die Nürnberger Prozesse erzählt. In meiner Jugend habe ich Robert Merles „Der Tod ist mein Beruf“ gelesen, der auf diesen Interviews basiert, und schon da konnte ich nicht glauben, dass so etwas Wieselartiges so viel Zerstörung anrichten kann. Glazer findet nun tatsächlich einen Weg das zu zeigen, indem er es nicht zeigt. Nichts kann das in Bilder fassen, also lässt er seinen Sound sprechen und erzeugt damit die Wirkmacht dieses Films. Der ist dabei auch noch brillant gefilmt, präsentiert diesen Garten und seine Bewirtschafter in hellen Farben und taucht die restliche Welt in überzeugendes Grau. So realistisch ist diese Welt, das es manchmal eine Naturdokumentation sein könnte
                                    Dabei tragen diese Szenen der Ehe, wenn sie ihre Streitigkeiten ausfechten oder Befindlichkeiten austauschen, erstaunlich lange. Alles inklusive des Missbrauchs von Frauen aus dem Lager wird nur angedeutet und doch macht es das umso wirksamer. Auch dieses seltsame Verhältnis der Eheleute, indem er ängstlich, scheu und sprachlos agiert und sie stolz aufträgt, um ein großes Leben führen zu können, ist Teil davon. Wir wissen, dass beide sich selbst belügen, dass er auch unter seinesgleichen merkwürdig wirkt, und erleben, dass sie eigentlich nur allein ist. Es ist so seltsam, ein Ehedrama vor diesem Hintergrund zu sehen, und doch macht es etwas mit einem. Es erzeugt das ganze Gefühl, das der Film erzeugen will. Es reißt einem das Herz heraus, ohne dabei etwas zeigen zu müssen.
                                    Das ist der beste Film über den Holocaust den ich bisher gesehen habe und es ist ein Wunder, wie dieser Film dabei auch noch verspielt wirkt. Die Arbeit mit den Schwarzblenden, mit den Nachtaufnahmen der Hoffnung, präsentiert durch ein Mädchen, das hilft im Auge des Schreckens, die brutalen gutturalen Geräusche, die schaurig zynischen Kommentare, alles ist da und macht den Film interessant ohne ihn je pietätlos wirken zu lassen. Sein Porträt ist akkurat und von großer Menschlichkeit, weil er uns das Gegenteil davon präsentiert. Diese deutschen Gestalten könnten noch aus einem Fünfzigerjahre Film stammen, man fragt sich unwillkürlich, was jemand vom Film halten würde, was er verstehen würde, hätte er noch nie etwas vom Holocaust gehört.
                                    Kritisch kann man anmerken, dass es manchmal gar nicht wie ein Film wirkt, sondern mehr wie ein Kunstexperiment, eine Installation, die etwas illustrieren soll, das man ansonsten nicht darstellen kann, das ist aber gerade das Besondere des Werks. Selbst die Langeweile, die in dieses langweilige Leben eingewoben ist, macht als Teil der Erzählung Sinn. Dieses Böse ist nicht charismatisch, es ist elendig, öde und asozial. Empathielosigkeit ist nicht nur für die Außenwelt ein Gräuel, es macht auch das Leben der Empathielosen arm und einsam. Mitleidlosigkeit ist keine Errungenschaft, die glücklich macht. Man sagt, dass man ohne Geruch weniger Gefühle hat und nie war das nachvollziehbarer als hier.
                                    Entstanden ist ein anstrengender, aber beeindruckender Film, voll mit Ideen und zutiefst verstörend in seiner Rezeption. Es ist ein Genre-Mix aus gespielter Dokumentation und fiktionalen Details und als das ein Film mit besonderer Wirkung. Das sollte man eigentlich gesehen haben…

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                                      Beim Schauen von Miranda Julys Kajillionaire muss man unwillkürlich darüber nachdenken, wie man Quirky akkurat ins deutsche bringt, lieber schräg, ausgefallen, skurril, schrullig oder einfach nur merkwürdig? So ist dieser Film, und man muss zugeben, manchmal bis an die Grenze des Erträglichen, einfach quirky. Doch hat er ein Herz, eine tiefe Empathie für seine Welt und seine Protagonistin, was ihm Tiefe verleiht, die diesen Film dann erst interessant macht.
                                      Die drei Gestalten die dort als scheinbar gleichberechtigte Diebesbande aus Vater, Mutter und Tochter auf kleiner Flamme und noch kleinerer krimineller Energie durch das Leben mäandern, sind zauberhaft und gruselig zugleich, alleine Evan Rachel Woods merkwürdige Körperspannung ist ein Staunen wert. Sie spielt dabei nicht im eigentlichen Sinn, sie interpretiert Außenseitertum, etwas fremdes Unausgewachsenes, eine Frau, die irgendwie nicht Frau geworden ist und schon gar nicht Teil einer Gesellschaft. Man braucht tatsächliche eine Weile bis man so richtig bemerkt, dass man einer Sechsundzwanzigjährigen beim coming-of-age zusieht. Dabei verändert sich das von verstörend zu mitleid erweckend, immer nahe am Cringe und zauberhaft verspielt zugleich.
                                      Da sind wir dann auch ganz nebenbei zu einem der Probleme des Films gekommen, der etwas zu langsam in Fahrt kommt. Die ganzen kleinen Gaunereien sind seltsam aber nicht wirklich spannend und auch lange Zeit nicht emotional bewegend. Der Film lässt sich hier Zeit, ist aber dafür ein bisschen zu schräg. Man ahnt nur, das der noch irgendwo hin will aber es ist schwer zu sagen wohin eigentlich. Dann aber kommt endlich die heimliche Hauptdarstellerin des Films ins Spiel: Gina Rodriguez betritt mit ihrem ganzen Charme die Bühne und bricht mit demselben das Beziehungsgefüge dieser Familie auseinander. Ihre Energie und ihre Zärtlichkeit und Empathie ergibt zusammen mit den Erkenntnissen, die man aus den kurzen Episoden des skurrilen Mutterschaftskurses zieht, plötzlich den Film.
                                      Und ab da geschieht das Wunder und dieser Film funktioniert plötzlich, seine ganze Schrulligkeit wird sympathisch und dramatisch, weil wir bei der Menschwerdung zuschauen dürfen. Es ist die Not des Menschen, danach geliebt zu werden, die Dringlichkeit verleiht. Ist man authentisch, wenn man distanziert bleibt, ist das ehrlich nicht zu lieben, ist also Liebe nur ein Schauspiel? Ist unser wahres Gesicht das des kalten Einzelgängers oder des liebevollen Familienmenschen? Vater Richard Jenkins und Mutter Debra Winger wollen unabhängig von der Gesellschaft leben, sie wollen auf niemanden angewiesen sein und ohne soziale Lügen leben, welches hehres Ziel und wie leer diese Idee dann doch ist. Man mag sie verstehen, aber man versteht schnell auch, wie blöde die beiden sind. Fast will man an unsere modernen Querdenker denken, sie erkennen die Verschwörungstheoretiker, die doch einfach nur einmal umarmt werden müssten.
                                      Was ist der Mensch ohne sein soziales Korsett, fragt der Film ganz simpel und tut das dabei so ausgefallen, dass man es lieben muss. Es ist ein bisschen das Gegenteil von Poor Things, was wir hier sehen. Hier ist der Mensch, der das Soziale braucht, wie das Wasser zum Leben und dem nicht ein kalter Aristokrat, sondern eine nette junge Frau begegnet. Frankensteins Monster wurde hier erzogen von kühler Sachlichkeit und wir erkennen, wie unmöglich das ist. Das Kalte ist das Einsame in der Welt.
                                      Dieser Film wird nicht jedem gefallen, zu quirky ist das Ganze, einfach zu künstlich, zu sehr in seiner eigenen Welt. Doch ich fand es großartig. Das ist etwas Besonderes, das man hier geboten bekommt, etwas, das in einer eigenen Welt lebt und dabei nur darauf aus ist, den Zuschauer beim Gefühl zu packen. Das kann man übergriffig finden oder auch nervig und ich bin mir sicher, viele werden das so sehen, aber man kann dahintreiben in diese Welt des Merkwürdigen und in der Liebesgeschichte schwelgen. Es ist ein Liebesfilm, wie es nicht viele gibt und daher muss man das gesehen haben, wenn man dafür anfällig ist. Ich bin es jedenfalls und der Film ist genau daher ein Wunder

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                                      • 7 .5

                                        Days of Being Wild ist ein Frühwerk von Wong Kar-Wai und das sieht man im positiven wie negativen. Der Film kann nicht ganz mit seinen Nachfolgern mithalten, wenn es um seine Cinematography oder die Musik geht, aber man sieht auch hier Ansätze dazu. Die asiatischen Nächte sind wieder so bedrückend und gleichzeitig schön, wie wir sie kennen. Auch alle Grundthemen, ganz speziell die endlose Suche nach dem Glück im Leben, nach einem Sinn und einer Bestimmung sind vorhanden. So wirkt das alles hier wie ein erster Entwurf, etwas, das noch rauer ist, ein bisschen kratzig aber schön.
                                        Der Film hat dabei keinen Helden, sondern eine Abfolge von Figuren die uns vorgestellt werden und mit denen wir einen Teil der Suche in ihrem Leben erleben. Noch weniger als alle Nachfolger gibt es dabei auch nur die Hoffnung auf so etwas wie Erlösung. Ganz im Gegenteil, alles wird immer so weitergehen. Der Film könnte auch zehn Stunden lang sein, wir würden immer weiter von suchenden Männern zu den suchenden Frauen weiterspringen und doch nie so etwas wie Erlösung erhalten. Das Bild im Film dazu ist der Vogel ohne Beine, dem niemals ein Moment der Ruhe vergönnt sein wird, er muss fliegen bis in seinen Tod. Diese Grundstimmung ist so düster und hat etwas Friedhofshaft Schönes an sich.
                                        Schwierig dabei ist aber, dass wir viel Zeit mit Leslie Cheung als Yuddy verbringen, einem unangenehmen Mann, der seine Umgebung mit aller Toxizität quält, zu dem Menschen fähig sind. Er ist rastlos und gedankenlos, nichts scheint ihm nahe außer seinen eigenen Impulsen zu folgen. Man möchte alle Frauen schütteln und anschreien, die auch nur fünf Minuten mit diesem Elend von Mann verbringen. Dabei wirkt seine Haltlosigkeit auch wie Staffage, seine familiäre Herkunft wirkt wie eine Ausrede dafür, niemals ankommen zu müssen, um sich niemals irgendeiner Konsequenz stellen zu müssen. Die Zeit mit ihm ist anstrengend, gerade weil er allen anderen seine Zeiteinteilung aufzwingt. Seine Idee, dieser einen Minute so viel Bedeutung zu verleihen, ist ein Großakt der grausamen Genialität. Gegen das, was er Su hier antut, sind James Bond Bösewichte engelsgleiche Wesen.
                                        Andy Lau als Polizist und Träumer Tide ist dagegen ein netter Zeitgenosse, der aber, wie immer in den Wong Kar-Wai Filmen, wenig davon hat, nett zu sein. Diese leere Großstadt Welt des Won Kar-Wai ist unendlich misstrauisch gegenüber Empathie, man könnte fast meinen, dass sie aus seiner Sicht nicht in diese Stadt passt, nicht in diese Welt gehört, die keine Vergangenheit hat und keine Zukunft in Aussicht. Die schönen Momente muss man sich daher einteilen und immer wieder auf die nächste Figur hoffen, die uns präsentiert wird. Maggie Cheung als Su Lizhen und Carina Lau als Leung Fung-ying sind dann auch die wahren Opfer dieser Welt. Sie suchen und begehren Nähe und sind dabei bereit, sich aufzuopfern, aber prallen ab am männlichen Gehabe.
                                        Die Welt ist hier schon hypnotisch und trotz ihrer Düsternis faszinierend. Dass der Mensch keinen Nutzen hat, dass er sich nur selbst für zentral hält, aber nie ist, schmerzt bis tief in die Knochen der eigenen Seele. Es ist eine zerstörerische Weltsicht, die einen schwermütigen Film erschafft. Man kann fast von Glück reden, dass es immer weitergeht und nach Yuddy Weitere kommen werden. Leider wissen wir bereits, dass es Hongkong geht wie dem Vogel, der hier beschrieben wird, auch dem Staat und seiner speziellen Kultur waren nur eine kurze Zeit beschieden. Kaum der britischen Herrschaft entkommen, wird er im chinesischen Einheitsstaat zerfließen. Die Menschen hier scheinen es zu spüren und suchen nach Identität und Heimat und der gekaufte amerikanische Pass scheint einen letzten Hinweis darauf zu geben, dass die Zukunft für viele von ihnen eine in der Diaspora sein wird.
                                        Ich mochte den Film, aber habe ihn nicht wirklich genossen, es ist ein bisschen wie Arbeit ihn zu genießen, weil man diese Menschen alle wachrütteln möchte. Natürlich geht das nicht, weil ihr enges Leben in diesen kleinen Wohnungen und in diesem kleinen umschlossenen Land nicht so einfach ist. Man will sie zum landen zwingen, aber dann werden sie fragen: Wo denn? Das Schauen von Wong Kar-Wai Filmen ist ein Erlebnis, das man schlecht vergleichen kann, eine Reise in eine seltsame Welt der Sprachlosigkeit illustriert in wunderschönen Bildern. Es ist ein Kino aus einer fernen Welt.

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                                          Deciuscaecilius 06.03.2024, 20:11 Geändert 06.03.2024, 20:15

                                          Fallen Angels steht für mich leider ein bisschen zu Chungking Express wie 2046 zu in The Mood for Love, als ein Film, der vieles übernimmt, weiterdreht und dabei leicht die Grenze überschreitet. Von der audiovisuellen Brillanz, über die Zahlenmystik, von den einsamen Männern bis zu den geheimnisvollen Frauen ist hier wieder alles vertreten. Die Nacht in Hongkong scheint nun nur noch länger zu gehen und die Gestalten noch etwas düsterer zu sein, die Erotik der Musik ist plakativer und die Lichter scheinen noch greller, es ist mehr von allem und doch spürte ich weniger.
                                          Aber fangen wir von vorn an, der Film hat einen wunderschönen Soundtrack, Frankie Chan hat unglaubliche Musik geschaffen, verträumte Popsongs, die einen in den Schlaf verfolgen. Dazu wurden wieder andere Songs perfekt arrangiert, um diesen Film pulsieren zu lassen. Nicht ganz zufällig gibt es wieder eine ganze Szene rund um eine Musikbox, bei der die Kamera regelrecht Sex mit der Musik hat, es ist hypnotisch und wenn dann der Film mit “Only You” ausklingt, ist es fast unmöglich davon nicht gefangen zu sein. Die Cinematography steht dem in nichts nach, der Film spielt in den Nächten Hongkongs und die bunten Neonröhren sind die Farbe des Films. Die Kamera streift wieder rastlos durch die Bars und über die Straßen der Metropole und zelebriert jedes Bild der engen Wohnungen und der städtischen Architektur. Dabei hat sie keinen Halt, wechselt den Scope und die Geschwindigkeit, wirkt gehetzt und fängt doch immer wieder Mystisches ein. Hongkongs Nacht ist die neue Braut, mit der Christopher Doyle hier tanzt. Wieder ist es ein Meisterwerk der Form und Farbe geworden.
                                          Auch der Rest weist wieder Ähnlichkeiten auf, wir haben es wieder mit den zerschnittenen Geschichten zweier verlorener Männer und den seltsamen Frauen in ihrer Umgebung zu tun. Wieder sind diese Männer passiv bis zur Schicksalsergebenheit und kämpfen so von Nacht zu Nacht. Die Frauen stehen hier in nichts nach, sind einsam, rachsüchtig, verzweifelt und verloren in den Lichtern und schnellen Schnitten der Geschichte. Leider ist es so aber auch schwer ihnen nahezukommen, die Gestalten sind so schwer zu fassen. Nichts an ihnen macht Spaß, sie sind verloren und dabei seltsam unangenehm. Alles, was diese Menschen tun, ist entrückt und kalt, wenig mag man ihnen zugestehen, was mit Hoffnung zu tun hat. Mich haben diese Menschen verloren, wie sie sich selbst verloren haben.
                                          Diese beiden ewig rauchenden Männer sind zwei Seiten einer Medaille, einer will alles geben und der andere nimmt, was Glück versprechen könnte, bekämen sie nur die Chance passende Partner zu finden. So bräuchten beide nur einen Moment, der sie dazu bringt aufzubrechen, wobei sie den Call auch nutzen müssten, um aus dem Hamsterrad brechen zu können. In diese Geschichte ist mehr Action eingebunden als in Chungking Express, wir sehen interessant angerichtete Shoot Outs und rasante Hektik, wenn die Kamera plötzlich ausbricht. So fügt sich wieder ein besonderer Film zusammen, der jedenfalls nie uninteressant wird.
                                          Fallen Angels ist die böse Schwester seines Vorgängers, die an noch dunkleren Orten spielt und mit noch seltsameren Menschen agiert. Es ist auch die sexy Version des Ganzen, das keinen Hehl daraus macht, dass diese Farben und Klänge auch eine dunkel erotische Anziehungskraft haben. Den Zugang muss man sich wie immer bei Wong Kar-wai etwas erarbeiten und das fiel mir hier schwerer als sonst. Das lag daran, weil ich diese Menschen oft nicht besonders mochte und weil der Film wenig dafür getan hat, sie mir näher zu bringen. Er ist so weit weg und diese Figuren mit ihm, dass ich sie nicht mehr spüren konnte. Faszinierend war der erneute Ausflug nach Hongkong trotzdem, aber ich würde mir wünschen, einmal mehr Zeit mit diesen Protagonisten und ihren Geschichten verbringen zu können. Speziell die Frauen bleiben hier nur seltsam erotische Engel, ausgestellt zur Beobachtung, aber nie im Fokus einer emotionalen Begegnung. Hier waren sie mir alle zu flackernd scheu im Licht der Nacht, was ihr anstrengendes Leben auf mich als Zuseher übertragen hat. Immer noch ein großes filmisches Erlebnis, aber leider kein so emotionales.

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                                          • 4 .5

                                            Da wäre unser nächster Kandidat mit dem dümmsten deutschen Titel für einen Little Women Film. Die Version von 1949 trägt den schön scheußlichen Titel: Kleine tapfere Jo. Die namensgebende kleine Jo wird von der damals zweiunddreißig jährigen June Allyson gespielt und leider ist das einer der größeren schauspielerischen Unfälle, die ich in letzter Zeit gesehen habe. Wer auch immer die merkwürdige Entscheidung getroffen hat, eine der 4 Schwestern über zehn Jahre älter zu casten als den Rest, dem kann man allerdings für diesen Film nur recht geben, da sich diese Entscheidung eigentlich ganz schön einfügt in das merkwürdig alberne Overacting und dem kunterbunten Kitsch aus der Vorhölle des Hollywood-Studiosystems.
                                            Der Film übernimmt den gesamten szenischen Aufbau und viele der Dialoge eins zu eins von der Verfilmung von 1933. Das führt zu der Frage, was denn eigentlich neu ist und das ist interessant. Der Film hat den gesamten leicht düsteren Kriegspart abgestoßen, stattdessen sieht man John Brooke in schnieker Uniform und Laurie darf als Held erscheinen, weil er eben nicht auf dem College war, sondern heimlich bei der Army. Der Film entwickelt hier echten Patriotismus und verlagert die Probleme auf die ökonomische Ebene. Wobei auch hier eben nicht der Krieg ursächlich ist, sondern falsche Business Entscheidungen des Vaters. Außerdem streicht der Film jede Romantik, alle vorehelichen Küsse und alles, was auch nur nach Flirt aussehen könnte. Das kommt allerdings wenigstens der Figur von Jo entgegen, weil sie hier eh mehr wie Lauries neue Mutter wirkt, denn wie sein Love Interest. Interessant ist vielleicht noch, dass hier auf den gesellschaftlichen Druck eingegangen wird, für die Familie finanziell vorteilhaft zu heiraten. Das bleibt dann auch der einzige Punkt, in dem der Film progressiv erscheint, indem er den Punkt verneint und als besonders liebevolle Entscheidung verkauft, dass die Töchter hier selbst entscheiden können.
                                            Was aber bringt der Film dann auf den Tisch? Nun, nicht viel möchte ich erwidern. Die Kulissen sind kunterbunt, riesig, und ausgesprochen künstlich, ein oft irritierender Anblick, auch wenn es Fans dieser opulenten Malkunst gibt. Die einigermaßen aufwändig gestalteten Innenräume rissen es für mich jedenfalls dann auch nicht mehr raus. Da der Plot vom Film aus 1933 übernommen ist, fällt dann auch noch besonders ins Gewicht, dass Allyson der Rolle nicht gewachsen war, weil sie so viel des Films hätte tragen müssen. Was Hepburn noch gelang, geht hier schief und es hilft nicht, dass die Regie von Mervyn LeRoy scheinbar erpicht darauf war, aus dem Roman eine leichte Komödie zu machen. Das bekommt dann auch die siebzehnjährige Elizabeth Taylor zu spüren, die in der Rolle der Amy ordentlich albern auftragen muss, glücklicherweise ist sie hinter der Skulpturhaft dicken Schicht aus Schminke eh kaum zu erkennen.
                                            Eigentlich schaffen nur Janet Leigh, die viel später erst in Hitchcocks Dusche ihren Karrierehöhepunkt erreichen wird, als Meg und die junge Margaret O'Brien als Beth ein gutes Niveau. Ansonsten wird der Film zerdrückt vom Overacting, den Kulissen und einem dicken Schmalz, der alles zudeckt. Es ist schwer, dem Film etwas abzunehmen, am allerwenigsten echte menschliche Gefühle. Das ist auch für die Zeit ein schwer vermittelbarer Film, dem jede Innovation abgeht. Was er neu macht, macht er nicht gut, und was er kopiert, kopiert er schlecht. Uff.

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                                            • 10

                                              Chungking Express ist Wong Kar-wais dritte Regiearbeit und wohl sein internationaler Durchbruch. Es ist eine kleine Anthologie, in der zwei Geschichten um an Liebeskummer leidende Polizisten erzählt werden. Das Ganze spielt in Hongkong, das als Ort auch sehr präsent ist, faktisch als Teil der Erzählungen fungiert, und es geht um seine Bewohner, die als ständig murmelnde und sich bewegende Kulisse der Bewegung, um die in ihren Erinnerungen im Stillstand gefangenen Polizisten 663 und 223 tanzen.
                                              Dieser Film ist eine optische Offenbarung. Diese Stadt lebt und pulsiert mit der Kamera, die sich ständig in Bewegung befindet, ohne je ein Bild zu vermasseln. Es gibt diese Einstellungen des Stillstands vor der sich bewegenden Stadt, wir sehen die vielen Lichter und die Bewohner durch kleine Lücken in der Architektur. Der Film spielt mit uns und seiner Stadt, indem er uns durch seine Winkel, Fenster, Absperrungen und vor allem seine Spiegelungen führt. Ständig sehen wir die Charaktere miteinander oder mit etwas Fremden verschmelzen, spüren ihre Abstände zur Welt und ihren Schmerz. Es ist eine enge Stadt und es sind Charaktere, die es schwer haben hier Ruhe zu finden und etwas loszulassen, das ihnen einmal nahe war. Diese Nähe, so wertvoll sie ist, so selten ist sie in der Millionenmetropole. Diese Bilder haben Macht über den Zuseher und nehmen ihn in Gefangenschaft, in eine schwermütige und bedrückende Gefangenschaft, aber gleichzeitig lässt sie uns in ihrer Lyrik versinken. Das ist einer der elegantesten Filme, die ich je gesehen habe.
                                              Dazu nimmt uns diese Musik gefangen, die jede Szene zusätzlich zu den hypnotischen Bildern ins Sentimentale taucht, ohne je auf die Nerven zu gehen. Wie alles im Film ist es gediegene Subtilität, die keine Lautstärke braucht, hier wird man nicht angeschrien, hier wird man zärtlich zugedeckt. Niemand wird nach diesem Film California Dreamin hören können, ohne sofort wieder diese tiefe Sehnsucht nach Veränderung zu empfinden. Musik ist Teil der Stadt, Teil des Lebens und manchmal auch das Trennende zwischen den Seelen, weil auch sie Raum einnimmt und damit den Menschen die Möglichkeit gibt allein zu sein inmitten der belebten Welt.
                                              Wir müssen über die Zeit sprechen, die in diesem Film verschwimmt. Eigentlich spielt die erste Geschichte an einem Tag, aber das wird nicht sofort klar, alles in diesem Film hat etwas Unklares, Verträumtes, etwas, das in Erinnerung versinkt. Die Trauer und die Unmöglichkeit, sich von der Vergangenheit zu trennen, sind die großen Themen hier und sie sind so hoffnungsvoll und hoffnungslos zugleich. Liebe reicht hier nicht aus, um sich zu entscheiden, denn alles hat ein Verfallsdatum und wer will sich schon ständig in die Gefahr begeben, diesen Ablauf mitansehen zu müssen. Wer erträgt ständigen Verfall, wenn doch alles ein Enddatum hat. Wenn sich Takeshi Kaneshiros He Qiwu diese ganze abgelaufene Ware auf einmal und mit Alkohol hineingeschüttet, will er die Zeit des Schmerzes verkürzen, sie komprimieren und am Ende einfach wieder herauswürgen, aber so richtig will das ihr niemanden gelingen.
                                              Das gilt auch für die fantastisch unwirkliche Faye Wong als Faye im zweiten Teil des Films. Es dürfte, schwer sein sich hier nicht in sie zu verlieben, in dieses zerbrechliche Wesen mit der großen Sehnsucht nach etwas Besonderem im Leben und dem Mut Polizist 663, gespielt vom unvermeidlichen Tony Leung, die Vergangenheit aus der Gegenwart zu kratzen. Diese Frau ist ein Traum, wie alle in diesem Film, die darauf aus sind, die Macht über die Zeit zu erlangen. Trotzdem geht das Leben immer weiter, während Essen geholt wird in dieser unsicheren Stadt kurz vor dem nächsten politischen Übergang. Es sind Menschen, deren Zukunft unklar ist und die ein Leben unter einer ganz dünnen Schicht von Identität führen. Ihre Sehnsucht nach etwas Festen ist eingebrannt in dieses Meisterwerk von Wong Kar-wai.
                                              Was gibt es noch zu sagen? Man muss das gesehen haben, wenn man die Lyrik des Films verstehen will und man muss sich etwas Mühe geben, denn man bekommt es nicht leicht gemacht. Der Film hat weder Lust seine Handlungsstränge zu erklären, noch seine Zeitschiene oder überhaupt irgendein Ziel auszugeben. Es ist eine Meditation über Liebe, Sehnsucht und Zeit, die keinen Anfang und kein Ende kennt. So sehr, wie einfach jede kleine Einstellung hier nach Kunst aussieht, wirkt der Film wie aus dem Ärmel geschüttelt. Eine Leichtigkeit in der Cinematography, die man so selten zu sehen bekommt, die aber in ihrer Geschichte kein Gegenstück findet. Wong Kar-wais Obsession mit Zahlen, Farben und Räumen kann anstrengend werden, seine traurig sehnsüchtigen Männer und seine geheimnisvollen Frauen sind wortkarg und verstehen sich noch viel seltener. Das ist nicht jedermanns Cup of Tea, aber ohne Frage die große Kunst, die ich liebe. Das ist fantastisch.

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                                                Little Women von 1933 ist die erste Tonfilm Adaption des Romans von Alcott, es ist ein Prä-Code Film, auch wenn man davon nicht allzu viel merkt und es ist ein Film über das Gefühl, im Krieg zu leben. Dieser Film setzt einige Standards für die zukünftigen Roman-Umsetzungen, alle Vignetten, die zum Beispiel in der Umsetzung von 1994 zu sehen sind, kann man hier bei ihrer Einführung erkennen. Diese Strukturierung wird dann erst von Greta Gerwig 2019 aufgebrochen und modernisiert. Gleichzeitig sehen wir das hier noch mehr der Fokus auf der Hauptfigur Jo liegt, die hier von der Mittzwanzigerin Katharine Hepburn am Beginn ihrer Karriere verkörpert wird.
                                                Der Film ist ein Ausstattungs Wunder, das mit großer Liebe zum Detail die Welt von Alcots Roman nachbaut. Dabei lässt man die ökonomischen Probleme wie im Roman extern, bei den armen Nachbarn oder in der Hilfsmission für die Mutter March arbeitet. Im Gegensatz zu späteren Verfilmungen und parallel zum Buch sind die Marchs keine arme Familie. Das ist der amerikanische Mittelstand, aber eben mit der Gefahr des Abrutschens aufgrund des Krieges und der Einberufung des Vaters. Der Roman, und das wird hier im Film viel deutlicher gespiegelt, zeigt eine Welt im Krieg, die in einer romantischen Vergangenheit schwelgt und gleichzeitig Angst vor der Zukunft hat. Das reüssierte beim Publikum 1933, die vor einem anderen Krieg Angst hatten, aber nichtsdestotrotz in der gleichen Stimmung waren.
                                                Damit kommt auch Hepburn zur richtigen Zeit, ihre unbändige Energie und der leise Feminismus, den sie allein dadurch ausstrahlt, dass sie Handlungsmacht einfordert, geben eine Hoffnung auf Entwicklung. Gleichzeitig geht der Film dabei nie zu weit, er porträtiert eine brave Welt, die sich an Konventionen hält aber diese vorsichtig weiterentwickelt. Das Hepburn, wie ihre Kolleginnen im Film, schon etwas zu alt ist für die junge Jo, kommt ihr dabei zugute, weil sie der späteren Rückkehr ins bürgerliche Leben mehr Glaubwürdigkeit verleiht. Im Zusammenspiel mit dem älteren Paul Lukas als Professor Bhaer zeigt sie viel mehr Ebenbürtigkeit, als mit dem jugendlich verspielten Douglass Montgomery als Laurie, demgegenüber sie fast wie eine ältere Schwester wirkt. Insgesamt muss man sagen, dass ihre Präsenz sowohl in der jugendlichen Wildheit als auch in der traurigen, aber entschlossenen Phase großartig dargestellt wird. Sie ist das Zentrum des Films und dankbarerweise zeigt sie zwar Trauer darüber durch ihre Entscheidungen, etwas verloren zu haben, aber gleichzeitig die Kraft es nicht zu bereuen.
                                                Leider lässt die Konzentration auf Jo die anderen drei Schwestern etwas zurückfallen. Hier wirkt sich auch störend aus, dass alle Schauspielerinnen, besonders Joan Bennett als Amy March etwas zu alt besetzt sind. Das Kindliche Wilde einer Zwölfjährigen nimmt man der dreiundzwanzigjährigen Schauspielerin wirklich nicht ab. Ihre Motivationen, wie die der beiden anderen, bleiben vergleichsweise unter erzählt, vielleicht auch weil die drei alle in klassische Rollenbilder der Zeit fallen. Man merkt sehr, wie Film und Roman hier spätere Tropes der Darstellung von jungen Frauen, säuberlich eingeordnet in Schubladen, prägen.
                                                Trotzdem ist das ein gelungener Film seiner Zeit, eine schöne Coming of Age Geschichte, hervorragend gespielt und großartig ausgestattet. Das ist ein Klassiker der Filmgeschichte, auch wenn er eine sehr amerikanische Geschichte erzählt, die in Europa nie so populär war. Man kann hier schön sehen, wie jede Generation etwas Neues in diese Geschichte bringt und trotzdem die immer gleiche Sehnsucht nach einem einfachen und liebevollen Familienleben alle Generationen zusammenhält.
                                                PS: Der große Streit zwischen Jo und Amy wird hier allerdings ausgelassen und damit muss auch "leider" niemand ins Eis einbrechen...

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                                                  No Shit Sherlock, Dune: Part Two ist ein audiovisuell überwältigender Film, der viel seiner Kraft aus überlebensgroßen Bildern des Wüstenplaneten, seiner riesigen Sandwürmer und der brutalistischen Architektur der Harkonnen zieht. Damit ist er hier ähnlich wie der erste Teil, beide Filme schwelgen in ihrer Größe und beeindrucken damit. Der zweite Teil kann hier einen drauflegen, weil ihm ein paar sehr gute Actionszenen gelingen, vom Ritt auf dem Sandwurm, über die Leni-Riefenstahl-Gedächtnis Szene auf Giedi Prime, bis zum finalen Kampf, ist alles eine beeindruckende Präsentation von dem, was heute technisch möglich ist. Der Film wirkt dabei nie wie moderne eingeengte Filme, die vor Greenscreens oder LED-Wänden spielen, dieser Film sieht nach der Welt aus, die er erschafft. Das hat das Zeug zum modernen Klassiker. Dazu trompetet der Soundtrack von Hans Zimmer durch den Kinosaal, der das macht, was er am besten kann, Spannung erzeugen und der gleichzeitig auch das macht, was er oft tut, zuviel und zu lange Spannung zu erzeugen, dass man immer nahe an der Erschöpfung fährt. Das ist damit eines der Dinge, die hart am Wind segeln, je nachdem wie man das empfindet.
                                                  Die Geschichte ist dazu in jeder einzelnen Position mit Stars des modernen Kinos besetzt, die allesamt einen guten Job machen. Manche wie Christopher Walken als Shaddam IV, Dave Bautista als Rabban Harkonnen oder Florence Pugh als Prinzessin Irulan, haben allerdings wenig zu tun und wirken auch daher eher solide aber andere wie Timothée Chalamet als Paul Atreides machen ihre Sache wirklich gut. Chalamet hat immer noch seine kleinen Schwächen darin, den großen Anführer zu spielen, aber ihm gelingt eine interessante und abwechslungsreiche Darstellung seiner Gewissenskonflikte und seinen Zweifeln an der Macht. Man könnte ihm abnehmen, dass er einfach weiter und bis in alle Zeiten mit Chani durch die Wüste mäandern würde. Apropos Zendaya als Chani, sie muss vieles in der Kürze der Zeit machen und sie ist dabei meine größte Überraschung im Film. Ich finde, ihr gelingt eine wundervolle und herzliche Darstellung der Liebesgeschichte und des sich langsam aufbauenden Konfliktes zwischen den beiden. Bleibt noch Austin Butler als Feyd-Rautha Harkonnen, der eine verstörend gemeine Attitüde vor sich herträgt und den Harkonnen ein neues grausames Gesicht hinzufügt. Seine Präsenz ist aus Eis.
                                                  Aber langsam müssen wir leider auch aus dem ganz großen Lob herauskommen. Der Film hat sich viel vorgenommen und man kann sagen, dass er den zweiten Teil des langen Romans gut und nachvollziehbar zusammenfasst, aber solide ist leider nicht immer großartig. Der Film muss seine vielen Elemente gegeneinander abwägen, seine Lebensgeschichte, seine politische Seite, die Religionskritik und die Rachegeschichte, dass alles braucht Zeit und Raum, der dann jedes Mal mehr oder minder ausgeht. Der Film hat seinen Rhythmus aus Actionszenen und Story Fortgang, der sich oft gerecht verteilt anfühlt, aber der dafür nie einen besonderen Punkt macht. Man weiß nicht so richtig, was Macher Villeneuve denn nun außerhalb der erhabenen Bilder nun wirklich wichtig war, weil er nichts wirklich herausstellt.
                                                  Der Film hat ein Problem damit Farbe zu bekennen, so sehr er in die religiöse Geschichte eintaucht, hält sich die Tragik der Sache dann in Grenzen, der Konflikt zwischen Paul und seiner Mutter bekommt kaum Zeit, das politische noch weniger und letztlich ist die ganze Rache vorhersehbar und etwas nebenbei erledigt. Der Film kann nicht verbergen, dass er ein großartiger Blockbuster Film sein will, was ihm sicher gelingt, aber darüber vergisst er, dass er etwas erzählen könnte, das über das abhacken von Elementen hinausgeht, etwas das sich emotional schwer anfühlt. Die fast drei Stunden Laufzeit haben damit ihre Schwierigkeiten damit den Zuschauer zu halten, insbesondere weil es der Film so sehr versucht, jede Szene zu einem monumentalen Moment hochkocht und dann einfach Erschöpfung erzeugt.
                                                  Es ist diese Erschöpfung des ganzen Pathos, das dem Film am Ende in die Kniekehle grätscht. Man wünschte sich, alles hätte sich irgendwo nach zwei Stunden plötzlich gemütlich zum Nachmittagskaffee gesetzt, um den nächsten Sonntagnachmittag zu besprechen. Ein Moment der Stille und der Kontemplation, ein Moment mit den Figuren und in ihrer Welt, um die wir uns doch sorgen sollten. Der Film arbeitet alles ab und wirkt dabei wie der Musterschüler, der sich zu viel angenommen hat und nun vom Lehrer gefragt wird, was der Geist seiner Geschichte ist, wo die Seele liegt und was ihm am besten gefallen hat. Die Antwort darauf könnte sich nun schon wieder um einen Film verschieben und das ist ein bisschen traurig.
                                                  Der Film sollte gesehen werden, weil er ein großartiger Blockbuster ist, seht ihn im Kino, weil das als sozialer Ort Hilfe braucht, ehrt ihn auf großen Leinwänden und mit großem Sound. Leider aber ist an ihm mehr zu sehen und zu hören, als man fühlen kann. In den besten Momenten sind Zendaya charmant und Chalamet zerbrechlich und man gerät in diesen ersten dreißig Minuten wirklich nahe an ihre Welt. Dann aber verurteilt der Film Zendaya dazu böse und missmutig zu gucken und Chalamet dazu entschlossen nach vorn zu sehen. Auch wenn wir wissen, warum das alles so ist, hätte ich es gerne auch gefühlt.
                                                  Dune ist ein Film, der die großartige Léa Seydoux in zwanzig magischen Minuten auf Austin Butler treffen lässt, um sie dann verschwinden zu lassen, so wie das mit vielen ihrer Kollegen in diesem Film passiert. Sie alle haben sich unterzuordnen unter die akkurate Umsetzung des Romans und den Rhythmus des Films. Es ist Unterordnung, die den Film anstrengend und kühl werden lässt, und mir wäre lieber gewesen, er hätte mehr gewagt, mehr weggelassen und sich mehr konzentriert auf etwas, das uns wirklich erzählt werden sollte. So war es für mich nur die Rettung des großen Kinosaals und leider doch nicht die Rettung des Kinos.

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                                                  • 6 .5

                                                    Man muss diese Verfilmung von Louisa May Alcotts Little Women schon deshalb lieben, weil er im Deutschen den schmerzvollen Titel „Betty und ihre Schwestern“ bekommen hat. Was als erstes Fragen aufwirft: Who the fuck is Betty? Und wenn man davon ausgeht, dass Beth gemeint ist: Seit wann ist Beth die Hauptfigur des Romans? Aber lassen wir das. Über der Verfilmung von 2019 steht: Greta Gerwigs Little Women und hier steht Winona Ryder. Das macht den ersten Unterschied zwischen den beiden Werken klar. Gerwigs Film ist eine Ensembleleitung, die die Aufmerksamkeit stärker verteilt, sich vielmehr um die Eleganz und Evolution des Romans kümmert und ihn als Film abstrakter und etwas traumhafter anlegt.
                                                    Gillian Armstrong folgt hier klarer dem Roman und macht Winona Ryder in der Darstellung der Jo March zur zentralen Hauptfigur, um sie herum ist der Film gebaut und ihre Zweifel, ihre Fremdheit mit der Welt und ihre Ambitionen stehen noch stärker im Fokus als 2019. Diese Idee zieht sich auch durch andere Teile des Films, der zum Beispiel steigt noch stärker in den Feminismus ein, weil er die ungewöhnlich freie Erziehung der vier Töchter klarer als abweichend von der damaligen Norm aufzeigt. Die ökonomischen Probleme werden ebenfalls noch deutlicher, immer wieder geht es um das liebe Geld und den Schmerz es nicht zu haben. Der Film möchte die Elemente herausarbeiten, die am Roman 1868 fortschrittlich und modern waren, vergisst dabei aber, dass es schon 1994 ist. Authentisch zum Roman, aber seltsam ist dann auch das Ryder hier die große Liebe zum doppelt so alten Gabriel Byrne, als Friedrich spielen muss. Auch wenn sich der Film dafür Zeit nimmt und die Liebe als etwas Intellektuelles und Reifes erzählen will, ist es ein bisschen schwer, den beiden diese Nummer abzunehmen. Der Mitte vierzigjährige Professor und seine zwanzigjährige Studentin ist ein Klischee, das 1869 Alcott selbst für den zweiten Roman aufgezwungen wurde, da hätte man wenigstens im Film etwas variieren können.
                                                    Das alles zeigt sich auch in den technischen Aspekten, der Film ist konventionell geradlinig erzählt und ebenso gefilmt. Die Welt besteht aus mit viel Liebe gemachter Kulisse in Innenräumen und naturalistisch geprägten Außenansichten. Das sieht arg altmodisch aus, aber es verleiht dem Film auch eine stärker geerdete Atmosphäre, die dieses heimelige Gefühl des Romans besser widerspiegelt. Das Drama und die Zweifel des Romans finden somit auch etwas mehr Widerhall. Leider erzeugt das alles zusammen aber etwas unwirklich Schmalziges, die eh schon grundgütige Story wird an manchen Stellen zu dick aufgetragen.
                                                    Schauspielerisch ist auch diese Variante hochkarätig besetzt. Das fängt mit Ryder an, die Jo überzeugend interpretiert, ihr eine Rastlosigkeit und gleichzeitige Verzweiflung gibt, die dem Film guttut. Ich fand, das war einer der großartigen Darstellungen von ihr. Auffällig ist auch die zwölfjährige Kirsten Dunst, gerade noch am Set für Interview mit einem Vampir, strahlt sie hier wieder einmal das wilde und ungeduldige kleine Mädchen aus. Leider wird sie nach dem Zeitsprung gegen Samantha Mathis ausgetauscht. Das war für die Liebesgeschichte nötig, aber Mathis überzeugte mich leider nicht so sehr. Erwähnen muss man den jungen Christian Bale als Laurie, der sich bemüht und eine gute Leistung zeigt, speziell im Zusammenspiel mit Ryder, der aber oft etwas steif wirkt.
                                                    Ich mochte auch diese Verfilmung des Stoffs, sie hat nicht die Eleganz von Greta Gerwigs Variante, aber dafür fühlt sie sich mehr nach dem Roman an. Das ist schmalzig, aber damit authentisch. Die Geschichte an sich funktioniert auch hier hervorragend, es erzeugt ein zeitloses Gefühl von Familie und Heimat, was wiederum wohlige Wärme erzeugt. So sehr ich auch über die Kulissen lächeln musste oder die übertriebene Liebe aller Beteiligten, das war trotzdem schön anzusehen. Ein Meisterwerk ist das aber nicht geworden, der Film lebt von den guten Darstellern und der Romanvorlage, leider hat er darüber hinaus zu wenig Eigenständiges zu bieten.

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