Deciuscaecilius - Kommentare

Alle Kommentare von Deciuscaecilius

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    Deciuscaecilius 17.09.2023, 18:57 Geändert 17.09.2023, 20:17

    Der dumme Titel Live Free or Die Hard weist leider ein bisschen den Weg zur vierten Schöpfung des Die Hard Franchise. Wieder bekommt Willis einen Partner an die Seite und darf diesen aber hier den ganzen Film über betreuen. Der mittlerweile glatzköpfige Willis hat viel von seinem Working Class Charme verloren und wirkt nun wie ein typischer Actionheld in einem typischen Actionfilm der Zweitausender. Das war kein großer Erfolg und dafür gibt es Gründe…
    Beginnen wir damit das Justin Long als Matt sicher sein Bestes gibt, aber besonders beeindruckend ist das leider nicht, die Chemie zwischen diesem Duo hält sich stark in Grenzen, gerade im Vergleich zu den vorherigen Teilen, ist das besonders auffällig. Die Idee, so einen Jungen als Gegensatz zu besetzen, klang auf dem Papier sicher besser, fairerweise kann man aber auch sagen, dass er immerhin nicht nervt. Noch etwas problematischer ist allerdings das der von mir sehr geschätzte Timothy Olyphant, als Thomas Gabriel ebenfalls blass bleibt. Auch hier merkt man eine Anstrengung, die Rolle zum Leben zu erwecken, aber da ist eben nicht wirklich viel, dass es zu bespielen gibt. Ihm fehlt einfach etwas Aktivität, ein starkes Auftreten gegenüber Anderen hätte schon geholfen, um dann nicht nur gegen die Sprüche von McLane abzufallen.
    Dann hätten wir noch den Umbau des verletzlichen einsamen Helden McLane zum modernen unverletzlichen Helden. Da läuft er doch tatsächlich auf einer fliegenden F35 herum, springt aus einem rasenden Auto, das er damit auf einen Hubschrauber schießt und fliegt natürlich auch einmal entspannt einen Hubschrauber. Es ist nicht mehr der Blue Collar Cop McLane, sondern irgendwas zwischen James Bond und Wolverine. Das passt aber natürlich zur absurden Story, die von Logikloch zu Logikloch springt, allein der ganze Teil rund um die F35 könnte ganze Filmreihen mit Logik Löchern versorgen. Mit der Darstellung des scheinbar allmächtigen Hackings will ich gar nicht erst anfangen. Das war natürlich in der Reihe schon immer ein bisschen so, aber hier ist es nicht nur sehr viel, das alles ist, trotz des Aufwands, auch nur gewöhnlich.
    Der Film hat den schrecklichen Dark and Gritty Look der Zweitausender, offenbar waren Farben hier nicht im Sonderangebot. Die Helden kämpfen sich durch dunkle Nächte und industriell wirkende, langweilige und austauschbare Schauplätze und selbst wenn da einmal die Sonne scheint, wirkt das ganze nur künstlicher, weil dann das CGI durchscheint. Es ist wirklich nicht viel Schönes in diesem Film. Die Musik ist unauffällig, aber wenigstens sind einige der Kampfszenen gewohnt professionell in Szene gesetzt. Die Schusswechsel haben Kraft und fühlen sich hart an, die Kämpfe sind gut geschnitten und durchaus vorzeigbar. Es fehlt aber an Innovation, an irgendetwas Erinnerungswürdigen oder an direkter Härte. Hier drehen die beiden Zwischenbösewichte leider zu unglaubwürdig auf und wirkt der Boss Gabriel im Vergleich dagegen viel zu harmlos.
    Trotzdem war ich okay unterhalten, es ist viel Mittelmäßiges im Film aber der Film hat sein Tempo und bügelt dadurch über vieles drüber. Die Elemente sind alle wohlbekannt, aber nett umgesetzt, sodass man das als mittelmäßigen Actionfilm gucken kann. Als was es sich aber gar nicht mehr anfühlt, ist ein Die Hard Film. Die Serie hat immer eine Identität gesucht, aber dieser Film hat auch noch die letzten Reste davon aufgegeben. Das ist nur noch Einheitsbrei mit einem Schlotz Bruce Willis Soße obendrauf.

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      „Die Hard with a Vengeance“ ist der dritte Teil der Serie und addiert einen richtigen Partner für McLane zur Serie. Ansonsten sehen wir eine weitere Copactionnummer, die kaum inhaltliche Verbindungen zu den beiden Teilen zuvor mehr hat, die Serie etabliert hier keinen wirklichen Stil, produziert mehr eine Aneinanderreihung von Filmen mit Bruce Willis. Dafür kehrt John McTiernan als Regisseur zur Serie zurück und macht dabei wieder vieles richtig.
      Das beginnt mit dem Partner. Man kann darüber streiten, ob Die Hard als Serie eine Buddy Cop Reihe sein sollte oder ob die Stärke nicht eigentlich in der Figur des einsamen Wolfes lag, so oder so ist aber Samuel L. Jackson als Zeus eine hervorragende Ergänzung für Teil drei. Jackson spielt seinen Part mit Wut und Freude, passt gut zum New York Szenario und ist großartig wie immer. Er hat Spaß an der Rolle, wie wir auch an dieser Figur des ahnungslosen Zivilisten in einer Extremsituation, er ist eine der tragenden Säulen des Films.
      Die andere ist der hervorragende Bösewicht Simon, gespielt von Jeremy Irons, der so viel Spaß an dieser absurden Persönlichkeit hat. Die Lust am Betrug und an der sinnlosen Rache sprühen aus seinen Worten und seinen Augen, er stiehlt wahrhaftig jede Szene. Es ist wunderbar, dass hier wieder ein pseudo Terrorist mit leicht moralischen Ansätzen eine so schön ironisch verbrämte Rolle bekommt und natürlich das Irons so in der Rolle aufgeht. Jede seiner Anweisungen lässt die Spannung steigen. Das ist die zweite Säule.
      Der Rest ist ein gutes Konzept, die getriebene Hatz durch New York macht eine Menge Spaß und lässt glücklicherweise kaum Zeit zum Nachdenken. Die ganze Story ist nämlich mal wieder absolut unglaubwürdig aber, wie schon im ersten Teil, spielt das kaum eine Rolle, weil man einfach Spaß daran hat, dass dieser Heist existiert. Wenn zu cooler Musik die Trucks in die Bank rollen, steppt man unwillkürlich die Zehen mit. Das ist so, wie ein solcher Film sein soll, Absurdität die so drüber ist, dass man den Rest gar nicht mehr analysieren will.
      Leider bricht diese Atmosphäre dann ab und zu, einmal zum Beispiel wenn McLane „völlig zufällig“ aus einem Lüftungsrohr geschossen Zeus vor das Auto fliegt, manches geht dann eben doch zu weit. Am Ende des Filmes begeht dieser Film dann aber die größte Sünde, er beginnt zu langweilen. Die mehreren Enden, die noch einmal einen weiteren völlig unnützen Twist repräsentieren, sind zu lang, zu unlogisch und es fehlt ihnen an dem Tempo und der Eleganz des restlichen Films. Das ist schade, weil der Film ansonsten gut dasteht, auch noch viele Jahre nach seiner Entstehung.
      Es ist und bleibt aber eine gute Fortsetzung, auch wenn es sich mehr nach Lethal Weapon 4 als nach Die Hard 3 anfühlt. Spaß kann man dabei auf jeden Fall haben und die Action ist wie immer gut gemacht, die kleine Sünde des punktuellen Einsatzes der scheußlichen 90er CGI einmal ausgenommen. Ich war ganz glücklich mit dem Film und wie der erste Teil kann man ihn auch als Klassiker durchgehen lassen. Immer gut so etwas zu haben.

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      • 6

        Die Hard Zwei ist auf eine Art eine typische Fortsetzung, alles ist mehr oder minder wie beim ersten Teil. Die gleichen Sprüche, viele Nebencharaktere, ein Plot mit Twist usw. aber natürlich ist da auch gleich mehr von allem und das größer, mehr Explosionen, mehr Tote, mehr Geballer. Das ist die eine Seite und doch fühlt es sich nicht mehr so an wie der erste Teil. Vielleicht weil der Gedanke eben nicht war, das alles auf zehn zu drehen, sondern weil die Stärke darin lag, es klein und persönlich zu halten.
        Bruce Willis bleibt der Alte, nur dass er hier keinen wirklichen Partner bekommt. Seine Frau bleibt wieder von ihm getrennt und alle anderen Kontakte bleiben Stückwerk, da hilft auch der Cameo von Al Powell nichts. Allen diesen neuen Charakteren fehlt der Charme, sie sind zu verrückt, zu unglaubwürdig und zu drüber. Ich liebe Dennis Franz in NYPD Blue, aber hier ist er nur eine einigermaßen lustige Parodie ohne jeden Inhalt. Das gilt noch mehr für die Bösewichte, die allesamt keine Präsenz haben und auch eh nichts zu tun bekommen. Das Diabolische, der Spaß am Job geht ihnen komplett ab.
        Der Rest ist okay, würde ich sagen, die Stunts sind gut, die Explosionen super und die Cinematography professionell. Leider schleichen sich aber auch hier kleine Mittelmäßigkeiten ein, der Shootout mit dem SWAT-Team ist zum Beispiel furchtbar geschnitten, man erkennt kaum, wer da auf wen schießt, und vor allem ist es chaotisch und wirkt dümmlich. Als dann McLane eingreift, wird selbst für einen solchen Film viel und viel zu deutlich sichtbar daneben geschossen. Das Ganze wirkt fast wie Comedy.
        Das ist dann auch das ganz große Problem: Die Logiklöcher in diesem Film, da passen mehrere Flugzeuge durch. Mein Gott der gesamte Plot ist so dumm und unglaubwürdig. Das zieht sich dann bis in jede Kleinigkeit, von ewig nicht explodierenden Granaten, über zu viele zu passende Zufälle, das ganze McLane beamt sich von einem Ort zum anderen oder überhaupt der ganze „Twist“. Da ist wirklich zu viel Blödsinn auf einen Haufen, selbst für einen neunziger Actionfilm. Dass McLane zu einem unverletzlichen Helden wird, etwas was noch im ersten Teil erfreulicherweise noch nicht so wirkte, ist dann auch doppelt ärgerlich.
        Es bleibt trotzdem ein einigermaßen gut anzusehender “Die Hard“ Film, der aber vermutlich ohne den Brand heute kaum noch jemanden zum Ansehen bewegen würde. Ich war weder tödlich gelangweilt noch richtig ärgerlich, aber dann doch hin und wieder etwas genervt. Das kann man gucken, muss man nicht mehr.

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        • 8 .5

          Eine große Analyse zu “Die Hard” ist vermutlich nicht nötig und sicher kann ich auch nicht viel hinzufügen, dass hier nicht eh schon irgendwo weiter unten stehen wird. Eine Sichtung in 2023 bestätigt aber einmal mehr, dass der Film gut gealtert ist, es gibt gute Gründe, warum man den über dreißig Jahre nach Erscheinen noch immer zu Weihnachten guckt.
          Besonders sichtbar wird es an dem Helden selbst, Bruce Willis als New Yorker Cop John McClane, ist ein Jedermann. Man sieht keinen durchtrainierten Muskelprotz, sondern nur einen fitten aber doch normal gebauten Mann, er ist keine besondere Schönheit und ihn umgibt den ganzen Film etwas Trauriges, die einsame Note eines Mannes, der sich im Hier und Jetzt nicht richtig wohlfühlt. Diese Aura lässt uns mit ihm fühlen, es bringt uns diesen Typen näher, während er leidend, aber trotzdem ab und zu sarkastische Sprüche klopfend durch dieses Hochhaus zieht. Willis ist die Personifizierung des Dad Films, weit genug weg, um beeindruckend zu sein, aber nicht zu weit entfernt, um unerreichbar zu erscheinen. So genau muss das sein und das fühlt sich gut an.
          Speziell wenn man es vergleicht zu der zweiten großen Figur des Bankräuber Hans Gruber die zweite ikonische Rolle von Alan Rickman. Der Gegensatz zwischen diesem sleeken intellektuellen Mann ohne Gewissen und McLane ist Kern des Films. Rickman spielt den Bösewicht europäisch arrogant, skrupellos und mit stark professioneller Attitüde. Das führt auch dazu, dass man fast mit ihm mitleidet, wenn sein toller Plan nur wegen des einen tumben Polizisten den Bach runtergeht. Immer wenn er mit zusammengekniffenen Lippen ermüdet vom kindlichen Gehabe um ihn herum zu seinen gesetzten Sätzen ausholt, läuft es angenehm kalt den Rücken herunter. Es ist eine Freude ihm dabei zuzusehen, einfach böse zu sein.
          Die Hard zeigt, wie wichtig es ist, auch in vermeintlich einfachen Actionfilmen sein Personal zu beachten und ihnen einen Charakter zu schreiben. Nur so entsteht diese Cop Verbrüderung zwischen McLane und Powell oder diese seltsam schmerzhafte Trennungsgeschichte rund um Holly Gennaro-McClane. Diese Figuren geben dem Film den Einsatz und ein Herz, so dass der übergezogene Heldenmut und die Leidensfähigkeit des Helden zwar immer noch übertrieben sind, aber nie so wirken. Hier gibt es etwas zu verlieren und man will diesen Leuten gern zusehen. Der Film ist auf eine Art düster und ein bisschen schwermütig, aber gleichzeitig verpackt er das in herzliche Wärme und viel Ironie. So in etwas sieht dann auch die perfekte Vorlage für einen Actionfilm aus.
          Der Rest ist gar nicht so besonders, wenn es auch alles gut arrangiert ist und dieses Gebäude erstklassig in Szene gesetzt wird. Die Kämpfe sind hart und glücklicherweise einzeln effektvoll inszeniert, jeder Tote, von denen es gar nicht so viele gibt, fühlt sich wertig, dreckig und erkämpft an. Das ist das Gegenteil des modernen Computerspiels mit dem Töten gesichtsloser Massen. Die harte Action mit coolen Sprüchen macht Spaß.
          Am Ende besiegt der hard-working American man den Yuppie und wir alle freuen uns darüber. Es gibt keine große Politik, die Pathetik wird kurz gehalten, die Explosionen sehen gut aus, es ist ein rundherum toller Film.

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          • 8 .5
            Deciuscaecilius 07.09.2023, 22:30 Geändert 08.09.2023, 19:29

            Victoria ist ein deutscher Gangster-/Liebesfilm, dessen komplette Handlung in und um ein paar Blöcke in Berlin spielt, um die eine Gruppe aus 4 Berliner Jungs und eine junge spanische Frau in Echtzeit von vier bis sechs Uhr morgens ziehen. Der Film wurde dreimal komplett und ohne Schnitte in 140 Minuten gedreht, eines der Original Tapes (wohl das dritte) ist nun als der Film Victoria zu sehen. Die eskalierende Geschichte baut sich langsam aber stetig auf und endet schließlich als waschechter Thriller.
            Es ist ein faszinierendes Experiment mit einer wunderbaren Laia Costa als titelgebende Victoria, die ein naturalistisches Bild einer einsamen und abenteuerlustigen Frau erschafft. Sie ist so eine zerbrechlich wirkende Frau, die mal getrieben sehnsuchtsvoll wirkt, wenn sie ihre kleinen und großen Entscheidungen trifft, und dann wieder so entschlossen ist, dass man ihren Weg gut nachvollziehen kann. Das ist wunderbar subtil gespielt, mit großer Selbstbeherrschung ignoriert sie die Kamera und mit sparsamen Gesten erschafft sie die Liebesgeschichte. Eine Liebesgeschichte zum anstrengenden Frederick Lau als Sonne, der mit unbändiger Energie und enervierender Simplizität parallel seine Faszination für Victoria lebt, und gleichzeitig seine Clique um den verzweifelten Boxer, als Getriebener dargestellt von Franz Rogowski, anführen muss.
            Der Film ist im großen Plot etwas unlogisch, aber das spielt hier nie eine Rolle, weil es eben genauso stattgefunden hat, wir waren dabei, wir haben es mit eigenen Augen gesehen. Wir waren die ganze Zeit Teil der Entwicklung, regelrecht Komplizen, die sich am Ende schuldig und zutiefst erschöpft fühlen. Wie konnten wir nur so dumm sein? Selten hat ein filmisches Wunder eine solche Erschöpfung in mir hervorgerufen, erst als ich zum Schluss endlich wieder durchatmen konnte, fiel die Anspannung von mir ab. Der Film hat ruhige Momente, aber er lässt dem Zuseher keine Zeit zum Ausruhen. Man ist eben immer dabei und wird mit Victoria von Szene zu Szene getrieben.
            Das große Wunder des Films ist Sturla Brandth Grøvlen, der eine fantastische Leistung als Kameramann vollbringt. Zwei Stunden lang ist er dabei, mittendrin und hinterher, wenn wir durch Berlin rennen. Das Konzept hängt auf seinen Schultern und er trägt es. Es gibt wenig Musik im Film, aber gerade diese Tanzszenen wirken so atemlos und so unvernünftig ausgelassen. Man spürt, warum unsere Protagonisten so dumm sind und sich hingeben, obwohl es offensichtlich gar nicht vernünftig ist. Der Film hat eine besondere Art Amateure in Extremsituationen zu zeigen, er kontrastiert damit perfekt den immer durchgestylten amerikanischen Heistfilm.
            In diesem Film gibt es keine Geheimnisse und keine Charakterisierungen, alle sind, was wir sehen, sie definieren sich durch ihre Worte, durch ihr Verhalten und durch ihre Taten. Wir sehen wie sie alle, und ganz speziell Victoria, auf das kleine bisschen Hoffnung aus sind, ihm regelrecht hinterherlaufen, ohne dass es einen Moment gibt, an dem man glauben kann, dass es gut ausgehen wird. Es gibt so viel rastlose Fröhlichkeit im Film und gleichzeitig so viel Einsamkeit und Perspektivlosigkeit. Nirgends ist man so allein wie unter den Menschen einer Großstadt.
            Der Film ist nicht für jedermann, es ist ein Konzept, das für Filmliebhaber gemacht ist und das sein Konzept reiten muss und glücklicherweise dabei nicht abgeworfen wird. Atemlos rauscht dieser Film durch die Berliner Nacht und zeigt dabei, was im Film möglich ist, wenn sich die richtigen Leute dafür finden. Es ist ein deutsches Kunstwerk in einer ansonsten häufig mut- und fantasielosen Filmlandschaft. Das muss man gesehen haben.

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              Deciuscaecilius 04.09.2023, 21:42 Geändert 04.09.2023, 21:45

              Training Day ist ein Bad Cop Thriller mit dem üblichen Mix aus düsterer Sicht auf Kriminalität und deren Möglichkeit der Bekämpfung und Actionszenen rund um die Kriminalität selbst. Dabei ist dieser Film für viele Menschen einer der Höhepunkte des Genres, nicht zuletzt wegen der guten Darstellung von Denzel und des interessanten Konzepts, das diesem Plot eine so zeitlich scharfe Beschränkung gibt. Somit habe ich diese Bildungslücke geschlossen.
              Denzel macht sicher einen guten Job und hat Spaß daran, immer tiefer in den Wahnsinn und die Verrücktheit seiner Rolle zu fallen und die Präsenz, die er dabei entfaltet, ist beängstigend. Jede seiner Szenen wird von ihm dominiert und man sieht ihm praktisch dabei zu, wie er immer tiefer in die Brutalität sinkt, um nicht die Kontrolle verlieren zu müssen. Bis zu einem gewissen Maße kann man seinem Partner Jake, gespielt von Ethan Hawke, daher folgen, dass er den Scheiß so lange mitmacht. Hier spielt dann auch der Zeitdruck eine Rolle, der aus dem „Training Day“ Konzept gezogen wird.
              Davon abgesehen aber ist es wieder eine so übertriebene Geschichte, die sich einreiht in so viele Storys, die das Verhalten von US-Cops übertreiben und ständig heftige Gewalt, Gesetzesbrüche und einfältige Rechtfertigungen dafür zeigen. Man kann nicht glauben, dass dieser verrückte Arsch ein solches Netzwerk aufgebaut hat, dass er sowohl das LAPD als auch die gesamte Gang-Szene von L.A. unter Kontrolle hat. Sein ganzer Plan involviert so viele Personen, ist so groß angelegt, dass es keine Chance gibt, dass so etwas funktioniert. Ohne jeden Zweifel gibt es in der US-Polizei große Missstände, aber Verschwörungen dieser Größe und dann auch noch rund um eine so erratisch agierende Figur sind Blödsinn.
              Auch dem sehr hilflos agierenden Jake hätte man da etwas mehr Eier gewünscht, im mitten auf einer Kreuzung geparkten Auto als Cop mit einer Knarre am Kopf einen geklauten Joint zu ziehen, ist schon so unangenehm, dass man denken könnte, er würde dabei Zweifel bekommen an seinem Vorgesetzten und vielleicht etwas unternehmen? Er glaubt vielleicht es wäre ein Test gewesen, das hätte ich zwar auch geglaubt, aber an einen Test, der herausfinden soll, ab wann ich die Verbrechen im Namen des Gesetzes beende oder ob und wie lange ich mir alles gefallen lasse. Das alles überschattete für mich den Vortex der Korruption und Gewalt, dem man während des Filmes nach unten folgen soll. Der Trip ist auf seine Weise hypnotisch aber mir persönlich viel zu konstruiert. Das wirklich erzwungene Ende, eigentlich der gesamte letzte Akt, setzte dem dann auch noch die Krone auf.
              So bleibt nur ein gut gespielter, gut gefilmter Trip durch die Hybris amerikanischer Polizeifilme, der aber leider ohne Reflexion bleibt und dabei manchmal fast wie ein Fantasyfilm wirkt. Ich weiß nicht in was für einem Stockholmsyndrom die Amerikaner in ihrem Widerspruch aus Bewunderung für deren große Härte und gleichzeitigem tiefen Misstrauen gegenüber der Polizei gefangen sind, aber mir war das hier zu viel des Guten. Es wird Zeit, das Genre zu meiden.

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              • 6 .5

                Kiss Kiss Bang Bang ist eine wilde Mischung aus Neo Noir und Buddy Cop Komödie ohne Cops. Der Kern liegt hier auf einer Lust an überdrehter Unterhaltung und dem Spaß an absurdem Whodunit. Das Ganze spielt dazu in einem weihnachtlichen L.A., dass in sich schon eine Absurdität ist, aber gerade deshalb immer wieder ein gern genommenes Sujet in Hollywood Filmen darstellt. Besonders ist der 2005 noch eher ungewöhnlich unbeschwerte Umgang mit Homosexualität.
                Robert Downey, Jr. spielt den Kleinkriminellen Harry, der in eine Ermittlung stolpert und dort zusammen mit Val Kilmer als Privatdetektiv "Gay" Perry zwei seltsam verbundene Fälle rund um seine Jugendliebe Harmony gespielt von Michelle Monaghan lösen muss. Downey spielt seine Figur wie üblich mit rastloser Energie und großem Spaß an der Blödheit, die dann vom unbewegtem Gesicht Kilmers kontrastiert wird. Monaghan spielt die vergleichsweise moderne Variante der „Damsel in Distress“, da sie den meisten „Distress“ selbst lösen darf. Nur im Endgefecht liegt sie dann doch nur daneben, und leider hat sie den ganzen Film lang das Problem, diese unglaubwürdige Beziehung zum „Trottel“ Harry aufbauen zu müssen.
                Da sind dann fast alle meine Probleme mit dem Film versammelt. Ich mag diese spaßigen Trottel Figuren nicht. Der ganze Gag liegt darin, dass er blöd ist und alles trotzdem zu seinen Gunsten ausgeht. Man weiß, wohin das führt, die Frau muss trotzdem mit ihm ins Bett und er muss, wenn auch mehr durch Zufall, zum Helden aufsteigen. Die Fähigkeiten dazu zieht er sich dabei einfach aus dem Arsch, eine Lernkurve zu den Kunstschüssen am Ende ist nicht erkennbar. Man muss das Ganze daher als leichte Komödie begreifen, um Spaß damit zu haben. Denn natürlich sehen wir hier auch eine Parodie auf die Lethal Weapons dieser Welt, in der eben alles was wir eh schon kennen zum Spaß auf zehn gedreht wird, nur existiert dieses Genre heute gar nicht mehr und es stellt sich die Frage, was im Film für sich selbst steht.
                Die Dialoge sind nicht übel geschrieben und werden schnell und elegant vorgetragen, das macht den ganzen Film über Spaß und die Ruhe, mit der Kilmer seine schwule Rolle spielt, hat auch viel Schönes. Dazu kommt der angenehm verworrene, unlogische, aber lustige Fall, der ironisch genug vorgetragen wird, damit man ihn genießen kann. Filmisch ist das alles solide, ohne dass man das abfeiern muss, die wenigen Actionszenen passen aber gut in den Ton des Films. Die Erzählerstimme inklusive der Ironie rund um den gedrechselten Plot ist ungewöhnlich, aber nicht mein Ding, das ist aber Ansichtssache. Wenn man das schon macht, hätte ich mir noch mehr Absurdität davon versprochen, statt doch den normalen Konventionen der Abenteuerreise zu folgen.
                Der Film ist sehr bemüht modern und sich selbst bewusst zu erscheinen, so bemüht, dass es ganz schön auffällt. Sein Bemühen hilft ihm aber auch eine gewisse Stabilität gegen Alterung zu erreichen, der Film wirkt auch heute noch gut unterhaltend, was ihn von vielen Parodien abhebt. Auch wenn ich letztlich über Witze wie die 8% Nummer beim russischen Roulette nicht lachen konnte, hatte ich einigen Spaß mit dem Film aber die ganz großen Lobpreisungen kann ich nicht nachvollziehen. Das Ganze ist eine solide Komödie mit einigen guten Ideen und ungewöhnlichen Charakteren und sie ist unterhaltsam, verlangt aber auch, dass man sich da ganz darauf einlässt.
                Wenn man ein bisschen von oben herab schaut, wirkt der Film aber leider sehr konstruiert und Zeitgeist anbiedernd, ohne dazu etwas zu sagen zu haben, die moderne Attitüde wirkt mehr wie Schein, um die Konventionen bedienen zu können, ohne rückschrittlich zu wirken. Ich fand ihn am Ende zu leer und oberflächlich, um ihn wirklich zu mögen, es ist aber kein schlechter Film.

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                  Logan Lucky ist eine typische Steven Soderbergh Heist Comedy, die Variante auf die wir hier treffen wurde allerdings in eine neue Community gesetzt. Wir sehen ein Film über die Bewohner Carolinas, gefüllt mit Nationalstolz, der Liebe zu Autorennen, bizarren Wettbewerben und meistens unterschätzt von außen. Soderbergh bemüht sich diese Gruppe lustig aber doch auch ehrlich und nahbar zu präsentieren, um diesen Film von der Oceans Reihe abzusetzen.
                  Das gelingt mehr oder minder gut, der Film präsentiert einige coole Charaktere in der selten filmisch dargestellten Region und erzählt über sie sympathisch angenehm, so gelingen schöne und bewegende Momente. Der Film hat aber dadurch auch seine Pacing Probleme, immer wieder bleibt die Handlung stecken und fasert zu Nebenschauplätzen aus. Nicht alle dieser Schauplätze sind dann vollständig ausgebaut, wirken somit aufgedrängt und nicht völlig bis zum Ende gedacht. Das macht den Charme, aber auch die gefühlte Länge des Films aus.
                  Es helfen die allesamt gut aufgelegten Schauspieler, die ganz besonders spaßig anzuhören sind. Das Spiel mit den „Rednecks“ zugeschriebenen Akzenten ist fast ein separater Teil des Films. Die Schrulligkeit der Truppe ist der große Spaß an dem Film. Ganz besonders gefiel mir Adam Driver als Clyde Logan in einer wunderbar kalten Rolle, in der die starken, aber unterdrückten Emotionen trotzdem wunderbar durch die Oberfläche blitzen. Es ist eine schöne Leistung, die gut kontrastiert wird vom glücklich wirkenden Daniel Craig, der als Joe Bang hier ungestraft overacted.
                  Der Film ist gefüllt mit diesen Charakteren, aber im Mittelpunkt steht der wie immer unglaubwürdige, aber ausufernd unterhaltsam präsentierte Heist inklusive des üblichen Twists am Ende. Hier geschieht zwar nichts, das Besonderes oder neu ist, aber alles ist gut inszeniert und macht Spaß, auch wenn der Twist am Ende fast ein wenig unterentwickelt wirkt. Spaßig anzusehen ist es auf jeden Fall. Das liegt auch an gut eingesetzter Musik und professioneller Cinematography.
                  Etwas heraus sticht eine leichte Kritik an den amerikanischen Verhältnissen, eingebettet in eine besondere Sicht auf die Working Class, ihr Leben und ihr Verhältnis zu Freizeit und Nationalstolz. Wie vieles in dem Film ist aber auch das letztlich nur einer von vielen Schauplätzen und rundet das Ganze lediglich ein bisschen ab.
                  Das ist dann auch die größte Schwäche des Films, durch die vielen Themen und die fehlende Konzentration auf etwas wirkt der Film wie tiefer Sand, durch den es zu laufen gilt. Immer wieder ploppt hier und da eine Nebenstory auf, und als der Film dann eigentlich zu Ende scheint, kommt noch ein ganz neuer Plot hinzu. Das ist häufig zu viel und führt dazu, dass jeder einzelne Punkt nicht so ausgearbeitet ist, wie es schön gewesen wäre. Trotzdem ist es ein guter und leicht überdurchschnittlicher Film, der solide seinen Heist erzählt und ihn mit netten Figuren rahmt. Die ganz große Faszination hinterließ der Film dann aber nicht. Solides Kino.

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                    Deciuscaecilius 31.08.2023, 21:58 Geändert 31.08.2023, 21:59

                    The Big Short ist eine pseudo Dokumentation über mehrere Gruppen an Investmentbankern, welche die Finanzkrise von 2007 rechtzeitig kommen sehen und daher auf fallende Kurse der Immobilienpapiere der großen amerikanischen Investmentbanken wetten. Der Film ist auf der einen Seite ein extensiv schwatzhaft erklärender Film und auf der anderen Seite ein wildes Chaos, das bemüht ist, sein Publikum zu unterhalten.
                    Die beiden Elemente beißen sich etwas. Wir haben ein Horror Drama das für viele Menschen ein finanzielles und damit oft auch menschliches Desaster werden wird, und dann einen Film der seinen Quatsch drumherum macht, in seinen Sprüchen schwelgt und das Ganze als Sportfilm mit Außenseiter Helden erzählt. Die wenigen Momente, in denen dem Film bewusst wird, um was es hier geht, stehen dem Chaos fast hilflos gegenüber.
                    Trotzdem funktioniert dieser Film und er baut eine intensive Wirkmächtigkeit aus seinem verrückten Szenario auf. Die Ereignisse wirken absurd und doch erinnern die seltsam eingeschobenen Brüche der vierten Wand immer wieder an die traurige Realität der Finanzmärkte und ihren von den Menschen entkoppelten Strukturen. Das alleine reicht aus, um den Film zu einem intensiven Erlebnis zu machen. Großen Anteil daran hat der geschickt eingesetzte dokumentarische Ansatz und der chaotische Schnitt, der einen seltsam pressenden, regelrecht jagenden Rhythmus erzeugt, der diesen zwei Stunden Film scheinbar in eine kurze Dokumentation verwandelt.
                    Die Gruppe an Hauptdarstellern verleiht dem Film in seiner ganzen Schrulligkeit eine Menschlichkeit, die den Zuschauer bei der Stange hält. Es ist schwer, dabei jemanden herauszugreifen, obwohl Steve Carell als Hedge Fund Manager Mark Baum, wohl am meisten Energie in den Film bringt und mit seiner Wut stellvertretend für den Zuseher steht, und damit die Illusion für uns aufrechterhält, dass es sich bei den auf den Untergang wettenden Tradern um sympathische Helden handelt. So schnell kann man zur Sehnsuchtsfigur werden, wenn man nur das Schweinerennen gewinnt.
                    Wir lieben diese Menschen, die etwas vor allen anderen wissen und dann gegen alle Widerstände gewinnen. Davon lebt der Film, und wie viele Sportfilme vor ihm entfaltet er dadurch seine Faszination. Ich gebe zu, dass ich mich dem auch kaum entziehen konnte. Nebenbei lernt man viel über die Denkweise der Finanzwelt, ihre Methoden immer weiter zu machen und gegebenenfalls einfach Produkte zu erschaffen, die man verkaufen kann, sobald das alte Produkt ausverkauft ist. Es ist die menschliche Gier, die das System treibt und die auch diesen Film so betörend macht. Am Ende will man der sein, der eine Milliarde macht, indem er gegen die anderen wettet.
                    Der Film funktioniert auf seine Weise und ist definitiv eine Sichtung wert. Ich würde nicht so weit gehen, hier eine Offenbarung gesehen zu haben, aber wer solche Gewinnerfilme mag, wird hier perfekt bedient. Wenigstens verliebt sich der Film nicht so sehr in seine Protagonisten wie The Wolf of Wall Street und ist ab und an bemüht, auch die eigentlichen Opfer nicht zu vergessen. Das und sein leicht aufklärerischer Stil heben ihn letztlich für mich knapp in die „ist großartig“ Kategorie.

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                    • 8 .5

                      Nightcrawler ist ein verstörender Film über uns, uns alle die Zuseher, die wie in einem Dominospiel die Steine der Moral zum Einsturz bringen, bis sich im letzten Glied jemand dafür findet, alle Grenzen zu überschreiten. Sind wir also schuldig oder wird dieser Antiheld alleine vor dem Richter stehen und begründen müssen, warum Geld seine Ersatzreligion geworden ist? Jedenfalls kann er anführen, dass er gut bezahlt worden ist.
                      Das ist ein Film, der komplett um seinen Hauptdarsteller gebaut ist, Jake Gyllenhaal gibt eine bemerkenswerte Performance, nuanciert in seiner Kälte, gruselig in seiner Empathielosigkeit und traurig in seiner gesprächigen Verzweiflung. Er gibt den einsamen Helden, der seine Hoffnung im sozialen Aufstieg hat, so überzeugend, dass man tatsächlich etwas für ihn empfindet, um dann umso verstörter zu sein, wenn sein eingefallenes Gesicht leuchtet, immer wenn er Menschen brutal ausnutzt. Es ist eine der besten Darstellungen seiner Karriere und eine körperlich schmerzhafte Erfahrung ihm dabei zuzusehen.
                      Es drängt sich auf, hier eine moderne Inkarnation von Taxi Driver zu sehen, nur dass sich hier das einsame Wesen in einem neuen Business of Violence versucht. Der Film beschwört eine neue Ära des kalten Kapitalismus, in der auch ein Soziopath seine Berufung finden kann. Interessanterweise arbeitet er aber gerade dort, wo angeblich so viele Emotionen, so viel Mitleid produziert werden soll, und entlarvt damit die Sensationssucht der Menschen, als das, was sie eben nur ist. Jeder Schritt von ihm wird aber letztlich belohnt und damit sehen wir einen klassischen Film des American Dream, wir sehen einen Film über Erfolg.
                      Die Musik spielt dabei eine entscheidende Rolle, denn James Newton Howard hat ihr einen wunderschönen, optimistischen Sound geschaffen, der die Geschichte des Aufstiegs unterstreicht und in den besten Momenten in uns einen regelrechten Schock durch seinen Gegensatz von schrecklichen Bildern und hoffnungsvollen Klängen auslöst. Dazu kommen die hübschen Bilder des nächtlichen LAs mit seinen Lichtern und den Spiegelungen. Alles rundherum hat eine positive Botschaft, wenn da nicht die Aktionen unseres Protagonisten wären.
                      Die Kraft des Films liegt in seiner nonchalanten Grenzüberschreitung. Der Film kommentiert das nicht, er erzählt seinen Stiefel herunter, als wäre den Machern gar nicht aufgefallen, dass sie hier einen Psychothriller erzählen. Die blutigen Bilder, die absoluten Grenzüberschreitungen, führen nur zu mehr Neugier, wohin diese Obsession mit dem Erfolg enden wird. Alles, was darf, geht hier und das ist nicht als Satire angelegt, es wird zu einer, weil es nicht die Realität sein kann. Die dunkle Komik, die hier entsteht, wirkt nicht wie gewollt, sondern mehr wie eine Schutzreaktion des Zusehers vor dem Schuldgefühl, das die eigene Neugier hier so gnadenlos erfüllt wird.
                      Gott schütze uns davor, dass alle unsere Wünsche erfüllt werden. Der Film ist wirkmächtig und zeigt, wie ernsthaft man seine Satire angehen muss. Vielleicht überzieht er damit hin und wieder seine eigene Logik, erweitert seine Handlungen in einen Bereich, der dann doch nicht vorkommen wird, aber das wirkt seiner Spannung nicht wirklich entgegen. Hier nimmt man das ganze True Crime Genre voraus, bedient den Voyeurismus der Menschen über das Maß hinaus, damit es endlich wehtut. Damit ist Dan Gilroy ein beeindruckender, wenn auch schwer zu konsumierender Film gelungen, dem der große Erfolg verwehrt geblieben ist.
                      Man könnte spekulieren dass er irgendwie zu spät und zu früh erschienen ist, erst nach der Phase als sich das Fernsehen bereits in die besser kalkulierbare Scripted Reality zu flüchten begann und aber noch vor der Zeit in der Jeder und Jede das Smartphone draufhalten kann, um den Content direkt in die sozialen Netzwerke zu spülen. Trotzdem ist das ein toller Film, der allein durch seine Schauspieler ein Erlebnis bleibt.

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                        Deciuscaecilius 20.08.2023, 18:53 Geändert 20.08.2023, 18:56

                        Der Film mit dem zu langen Titel, Dungeons & Dragons: Honor Among Thieves, ist eine Fantasy Heist Comedy mit großer Konzentration darauf, eine nette Parodie auf das Genre zu sein. Hier will niemand irgendwen vor den Kopf stoßen, ganz im Gegenteil, die Macher haben versucht, so viele Gaming Referenzen einzubauen wie möglich und gleichzeitig auch noch treu der Vorlage gegenüber zu bleiben. Typische D&D Zauber werden liebevoll inszeniert, ein Eulenbär spielt eine größere Rolle und von Harfnern bis Thayans ist alles dabei und nichts davon wird erklärt. Trotzdem ist das kleine Wunder gelungen, den Film damit nicht an die Wand zu fahren.
                        Das ist eine Mid Budget Produktion und das sieht man dem Film hin und wieder an, aber man hat ein gutes Geschick darin bewiesen, schöne Herr der Ringe artige Landschaftsaufnahmen mit beeindruckender geschickt eingesetzter CGI zu kombinieren. Es gibt Momente, wo der Film etwas künstlich aussieht, aber insgesamt sind die Effekte gelungen, manchmal sogar beeindruckend. Viel weg macht dabei das Tempo vieler Actionszenen, die häufig als hektische Verfolgungen angelegt sind, in denen es kaum Zeit dafür gibt, sich über die ein oder andere Unzulänglichkeit zu beschweren. So ist ein erstaunlich unterhaltsamer Film entstanden, der in Fluchten voller Verwandlungen oder vor dicken Drachen echt beeindrucken kann.
                        Michelle Rodriguez als etwas tumbe Barbarin stiehlt dabei jedem die Show und harmoniert gut mit dem glatten, aber liebenswerten Barden Chris Pine. Zusammen sind sie für unterhaltsame Kämpfe zuständig und für den ein oder anderen guten Gag zu haben. Wenn das nicht mehr hilft, tritt der wunderbar overactende Hugh Grant auf den Plan und lässt der Spielfreude ihren Lauf. Glück gehabt hat der Film auch mit seiner gruseligen Zauberin Sofina gespielt von Daisy Head, die wirklich was her macht. Das ist ein Cast, der für Spaß zusammengestellt wurde und offensichtlich Spaß bei der Arbeit hatte.
                        Die Story dagegen, vielleicht ist Blöde nicht das richtige Wort, aber der Film orientiert sich an Computerspielen oder D&D Sitzungen und gewinnt hier keine Preise für Originalität. Die Idee, alle Plot Points als Quests anzulegen und eine fast klassische Partie nachstellen zu wollen, schränkt den Film dabei noch weiter ein. Das hat die Fans sicher glücklich gemacht, aber dem Film jede Chance genommen filmisch etwas über das Offensichtliche hinaus zu sagen oder darzustellen. So werden die 134 min, trotz Tempos und vielen gut funktionierenden Gags, plötzlich lang. Ein bisschen mehr Freiheit von den Engen der Vorlage hätte da geholfen.
                        Das gilt dann auch für die letztlich oberflächlich bleibende Charakterentwicklung, die über Klischees nicht hinauskommt und dann auch noch eher vereinzelt stattfindet. Das Bonding des zusammengewürfelten Haufens fällt dann auch sehr dünn aus, man muss glauben, dass sie sich alle mögen. Das alles verhindert, dass der Film aus seiner Nische kommt, einige Gags sind so nerdig nischig, dass man sich wirklich wundern muss, dass jemand sich getraut hat, da ein 150 Millionen Budget drin zu versenken, das hätte wirklich schief gehen können.
                        Aber was soll es, der Film ist lustig, fröhlich und in vielen Momenten sprüht er vor Esprit, das ist mehr, als man häufig bekommt. Damit funktioniert der Film als das, was er ist, und in seiner Nische hervorragend. Mir war das sympathisch, ohne dass ich das Gefühl verspürt habe, Höchstnoten vergeben zu müssen. Wie sagt man so schön: Fans greifen bedenkenlos zu, der Rest na ja…

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                          Deciuscaecilius 19.08.2023, 16:37 Geändert 19.08.2023, 16:38

                          Once Upon a Time in Hollywood ist Tarantinos offiziell neunter Film und eine Art Märchenkomödie über das Hollywood der sechziger Jahre. Es geht um den Aufbruch in eine neue Zeit und die Nostalgie, die eine solche Wende mit sich bringt. Ach und natürlich ist es auch ein kleines bisschen ein Film über die Manson Familie und ihren Einfluss auf die Kultur der Zeit.
                          Zuerst ist dieser Film aber eine Hommage an die Zeit, er schwelgt in fantastischen Bildern, wunderbar wird das alte Hollywood gezeugt. Die dynamisch gezeigten Autofahrten durch die nachgebauten Straßen beeindrucken, die Musik ist passend und die Umgebungen zum Niederknien schön. Der Film strotzt von Details, jede Szene und jeder Ort wurde mit Liebe zum Detail nachgebaut und das alles atmet Veränderung und eine große Schönheit zugleich. Es ist ein entspannt lustiger Chill-out Film über eine seltsam unbalancierte Männerfreundschaft.
                          Leonardo DiCaprio als Rick Dalton und Brad Pitt als Cliff Booth spielen aus meiner Sicht beide die beste Performance ihrer Karrieren. Die beiden gehen so auf in diesen Charakteren, als wären diese exakt für die beiden geschrieben worden. Sie spielen diese Schauspieler, die Schauspieler spielen, und spielen damit in ihren Rollen noch einmal andere Rollen, es ist toll, ihnen dabei zuzuschauen. Sowohl dieser Schmerz ihrer sterbenden Welt, wie auch die entspannten Momente ihres Lebens werden überraschend schön repräsentiert und ihre Dialoge sind nicht so künstlich wie es bei Tarantino oft der Fall ist. Die beiden tragen den Film, seine Komik und die Atmosphäre zu großen Teilen.
                          Es ist ein langer und mäandernder Film, bei dem nicht alle Elemente zu irgendwas führen. Es gibt keine wirkliche Story, sondern mehr eine Art gefühlige Reise durch eine verlorene Zeit. Der Blick ist dabei ausgeprägt männlich, die weibliche Hauptrolle ist mit Margot Robbie als Sharon Tate zwar auch hochkarätig besetzt, aber sie hat nicht viel zu sagen bekommen, wichtig waren offenbar ihre Füße und ein nostalgischer Blick auf fröhliche unbeschwerte Hollywood Schönheiten der sechziger, oder zumindest wie man sie sich heute so ausmalt. Während die Männer ihre Seelen hinter der Kamera auspacken dürfen, sind die Frauen hier nur als Stellvertreter besetzt, die einen Typus verkörpern sollen.
                          Oh, this fucking Hippies!
                          Das gilt besonders für die gesamte Gruppe um Manson, der selbst nur einen Kurzauftritt im Film bekommt. Seine Jünger sind hier auch erst einmal nur als Comic Relief besetzt, dürfen aber natürlich ihre Füße zeigen und müssen dann irgendwie für das Ende der Zeiten stehen. Der Film interessiert sich nicht für die Geschichte des Missbrauchs, selbst der Teil der alternativen Historie bezieht sich nur auf einzelne Mitglieder und nicht auf Charles Manson selbst. Man kann das Gefühl bekommen, dass die ganze Sache nur für die Publicity im Film ist, weil man das ganze ansonsten gar nicht hätte vermarkten können. Der Horror, den diese Geschichte noch immer auslöst, half über die fehlende Story des Films hinweg.
                          Trotzdem hängt dieser durch und durch referentielle Film in der Mitte ganz schön durch und kann trotz aller Komik und der heftig explodierenden Gewalt am Ende die Spannung nicht halten. Zu vieles verläuft im Sande und bleibt an der Oberfläche. Tarantinos Interesse gilt nur einem bestimmten Teil Hollywoods, der hier zu Grabe getragen wurde und das wirkt nicht sehr modern. Sein Märchen ist im wahrsten Sinne eines, es erzählt von einem Traum, der so vermutlich nicht nur in Bezug auf die Manson Ereignisse, sondern einfach insgesamt nie existiert hat. Das ist schon sehr selbstverliebt.
                          Trotzdem hat der Film seinen großen Vorteil darin keine Schwere mehr auszustrahlen, jede politische oder gesellschaftlich relevante Position ist verschwunden, es ist eine lockere und entspannte Komödie über alles, was Tarantino so liebt und wenn man es als das auch selbst sehen mag, funktioniert das ganz ordentlich. Es ist nettes Kino in aller Schönheit.

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                            The Hateful Eight gilt ganz offiziell als der achte Film von Quentin Tarantino und ist eine Mischung aus Western Hommage, Whodunit und politischem Statement. Es sind also wieder alle typischen Elemente vertreten, genau wie die üblichen Schauspieler. Wir sehen hart inszenierte Gewalt und schöne Landschaften in einem allerdings zum größten Teil als Kammerspiel angelegten Thriller artigen Stoff. Das ist in seiner Mischung erfrischend und andererseits wirkt es auch ein wenig zielloser als die Vorgänger.
                            Zu den Schauspielern muss man ehrlich gesagt kaum etwas sagen, Samuel L. Jackson spielt zwar offiziell Major Marquis Warren aber primär doch sich selbst in einem Tarantino Film und für Kurt Russell als John "The Hangman" Ruth gilt das ganz ähnlich, beide sind wie immer solide bis beeindruckend, aber nichts an ihrer Darstellung ist neu. Auffällig ist dann Tim Roth als Oswaldo Mobray oder einfach als Christoph Waltz, dessen Präsenz er aber nie erreicht hat und das fällt dann leider auf. Ähnliches gilt für Michael Madsen, der hier wirkt, als fehlte ihm die Energie für irgendeinen Rest von Schauspiel. Jennifer Jason Leigh gibt dann Daisy Domergue und bleibt damit als einzige ein bisschen in der Erinnerung hängen, einerseits weil sie scheinbar in dieser bösartig verrückten Rolle aufgeht und sichtlich Spaß daran hat sich hier durch den Film zu zischen, andererseits weil sie durchgängig gequält wird und einiges an Gewalt gerade an hier abgearbeitet wird.
                            Das ist unangenehm zu sehen. Ich würde hier trotzdem nicht gleich Frauenfeindlichkeit rufen, da letztlich alle Protagonisten hier genüsslich massakriert werden, aber gerade an ihrer Figur fällt auf, dass der Gewalt hier ein Grad an Ästhetisierung fehlt, den Tarantino ansonsten besser beherrscht. Es ist auch ein Bild für ein großes Problem des Films: Alle hier sind Arschlöcher und daher sind auch alle egal. Man weiß nicht so recht, mit wem man in diesem Film mitfiebern soll, es ist eine Schlachterei, die einen entweder emotional völlig kalt lässt oder einfach nur zu viel ist.
                            Das Politische, die ganze Meta-Geschichte um die USA und ihre inneren Konflikte, das unendlich große Misstrauen und der schwierige Heilungsprozess nach dem Bürgerkrieg verliert damit an Kraft. Die Elemente sind da und die unbändige Wut, die aus dem grausamen Monolog von Jackson spricht, ist beeindruckend, aber sie verfehlte bei mir ihre vermutlich beabsichtigte Wirkung. Die Protagonisten versammeln sich hinter der Nation, repräsentiert durch diesen Brief von Lincoln, aber warum eigentlich? Soweit es nach mir geht, hätte die Bude samt Inhalt auch einfach abfackeln können. So plätschert der Film mit den üblichen Stilmitteln sehr lange vor sich hin.
                            Zu lange natürlich, denn er ist viel, viel, viel, zu lang. Die Schneelandschaften von Wyoming sind toll inszeniert und das Innere der Hütte gut und kompetent in Szene gesetzt, nur reicht das über fast drei Stunden hinweg nicht aus. Ein Kammerspiel lebt von einer Dramaturgie und nicht davon, dass jeder mal seine Sätze aufsagen darf. Dazu kommt, dass der eingebettete Krimiplot zwar am Anfang nach Spannung aussieht, in seiner Auflösung sich aber eher als ein warmes Lüftchen von hinten entpuppt. So komplex, wie es scheint, ist hier nichts.
                            Vielleicht ist es als Film konsequent, wir kriegen, was wir erwarten und davon ganz viel, aber mir war das zu wenig Belag auf dem Brötchen. Mich beschlich das Gefühl, das alles schon besser, pointierter und aufregender gesehen zu haben. Hier zitiert einer die Klassiker und erreicht sie dann gar nicht. Das war mir zu wenig.

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                              „Past Lives“ ist das Regiedebüt von Celine Song, das autobiographische Elemente enthält und zweisprachig koreanisch und englisch aufgebaut ist. Es ist ein Liebesfilm, der leise daherkommt, seiner Geschichte und seinen Figuren Raum gibt und einer Einwanderer Identität folgt, ohne ins Klischee fallen zu wollen. Wir sehen einen durch und durch ernsten Film, der wehmütig aber nicht wirklich dramatisch traurig in unsere Beziehungen blickt.

                              Hervorheben muss man das Schauspieler-Trio, indem alle drei ihre Rollen subtil und naturalistisch anlegen. Sie stellen ihre Gefühle dar, ohne alles auszusprechen, und leben damit den Ton des Films. Die beiden Männer Teo Yoko als Hae Sung und John Magaro als Arthur haben mich besonders durch diese angenehme Art beeindruckt, es gibt so viele Szenen, in denen sie nichts sagen müssen, weil ihre Gefühle in ihre Gesichter geschrieben sind. Sie spielen ihre Unsicherheiten durch kleine Momente der Stille nach außen, und wirken manchmal so verloren in der Welt. Beide führen einen seltsamen Kampf in der Sprache des anderen, die sie selbst kaum beherrschen, und hadern mit den Unwägbarkeiten des Schicksals, immer in Zweifel in welcher Position sie dort gesetzt wurden.
                              Greta Lee als Nora steht zwischen Ihnen und bringt eine Ernsthaftigkeit mit, die selten, aber dann umso wirkungsvoller unterbrochen wird, von kleinen Gesten der Liebe oder der Zuneigung. Sie zeigt uns eine Frau in voller äußerer Beherrschung und doch in größter innerer Unruhe.

                              Der Film um dieses Ensemble kommt in ruhiger Schönheit daher, die Cinematography ist unaufgeregt, zeigt aber elegante Einstellungen in schönem Licht und gerade die großen Städte in attraktiven Aufnahmen. Der Spaziergang durch New York erzeugt eine touristische Sehnsucht und die ein oder andere Abendstimmung das Gefühl einer wunderbaren Heimeligkeit. Die Musik ist zweckmäßig und passend, klimperte für mich aber einmal zu oft dominant in eine Stille hinein.

                              About what it is like to exist as a person, about what it is like to choose a life that you live.
                              Wenn man als Kind ein Land verlassen muss, trifft man keine freie Entscheidung darüber, man wird gezwungen und bekommt im besten Fall ein anderes schönes Leben dafür. Das trifft hier zu, Nora hat ein interessantes und schönes Leben, aber es ist auch ein Leben, zu dem es eine alternative Variante, irgendwo da draußen gibt. Das trifft auf uns alle zu, aber manchmal sticht es uns, irgendetwas löst einen Gedanken aus und schon sind wir in diesem Kreisel aus dem Was, Wäre, Wenn…
                              Der Film zeigt uns in einer Parabel drei uns unbekannte Menschen und fragt, was wir über ihre Beziehung vermuten, um uns dann ihr Leben zu zeigen. Entwickelt es sich so, wie wir erwarten, und wie soll es sich weiterentwickeln? Der Film hält uns dabei viel von seiner Stille hin und zeigt uns viel Unsicherheit. Auch seine Protagonisten scheinen nicht zu wissen, was wir als Fremde doch schon gar nicht beantworten können. Vielleicht wissen sie es aber auch alle ganz genau und handeln einfach so, als hätten sie Hoffnung?

                              Warum tut dieser kleine Film so weh? Er tut es, weil wir alle nicht loslassen können, weil wir uns alle nie ganz sicher sind, für was man an uns liebt und weil es immer Sehnsucht gibt nach etwas anderem oder etwas, das die vergangene Zeit betörend gemalt hat. Dieser Film präsentiert keine Alternativen wie irgendein Liebesfilm, er präsentiert ganze Lebensentwürfe, ein ganzes potenzielles Leben manifestiert in Dialogen.
                              Der Film legt seine ganze Kraft in diesen Dialog, der unsere drei miteinander verknüpften Menschen menschlich macht. So reden Menschen, auch wenn wir es hier mit ausgesucht höflichen und rücksichtsvollen Individuen zu tun haben. Sicher ist das eine idealisierte Situation, in der sich alle wie wirkliche Erwachsene verhalten, aber das ist Teil der Anziehung dieses Films. Hier lügt einmal niemand und doch bleiben Dinge ungesagt und erzeugt das nicht Gesagte sichtlich Schmerz und Unsicherheit. Der Naturalismus dieser Gespräche hebt diesen Film aus dem filmischen Einerlei und aus unserem Zeitalter der schwatzhaften Großproduktionen ab.

                              Damit erzeugt dieser Film eine zärtliche Nähe des Verständnisses und lässt uns eintauchen in eine Abfolge stiller Abschiede und immer neuem Beginn. Es ist ein wunderbares kleines, ganz persönliches Meisterwerk. Damit zeigt es die Stärken eines internationalen Kinos, indem die Erfahrungen und Lebenswelten verschiedener Kulturen ineinanderfließen und etwas Neues ergeben. So sollte das Kino sein.

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                                Deciuscaecilius 12.08.2023, 15:45 Geändert 12.08.2023, 23:27
                                über Barbie

                                Puh, es ist alles gesagt, vieles aufgrund des Verstoßes gegen die Community Richtlinien schon wieder ausgeblendet und dann kommt mein Quark auch noch hinzu. Aber was soll’s, manches muss geschrieben werden also gehen wir es an:

                                Der Filmmarkt der letzten Jahrzehnte ist ein Filmmarkt für Männer, in den Sälen dominieren Ermächtigungsfantasien, die Stärke, Schnelligkeit und Kampfkraft zum primären Inhalt haben. Häufig sind diese Fähigkeiten aber an sich wenig nützlich, daher muss dann auch noch der passende Gegner geschaffen werden, um ihn dann mit genau diesen Fähigkeiten besiegt zu werden. Weil nun aber Konzerne in Profit und nicht in Kunst denken, drehen sich diese Fantasien außerdem im Kreis. Tote Helden können nicht als Spielzeug verkauft werden, also kann niemand mehr sterben, ein Roboter wird nicht mehr für den Star-Wars-Film ausgesucht, sondern jeder Star-Wars-Film braucht einen neuen Roboter, damit dieser als Spielzeug verkauft werden kann. Frauen werden hier nur mitgedacht, während Männer ihren kindlichen Fantasien frönen. Das ist alles nicht verboten, aber es geht nun schon ganz schön lange so.
                                Das hat eine große Öde hinterlassen, die Barbie als Film ausnutzt. Schon die Tatsache, dass es hier einmal weiblich zugeht, gewaltfrei und nachdenklich, hebt den Film ab. Es ist eine kleine Hürde aber die pink, bunte, praktisch und weitgehend ohne CGI gebaute Welt mit ihren Kleidern und spaßigen Tanzeinlagen, steht im klaren Gegensatz zu den Hunderten von kalten Dark and Gritty CGI Festen mit ihren übernatürlichen Wesen in Schlafanzügen. In diesem Film dagegen wird lustig, aber mit ernsten Untertönen über Menschen verhandelt und ihre Entwicklung thematisiert. Der Film ist ein leichter Spaß mit vorsichtiger Kritik, ist dabei etwas weniger konservativ und mit ganz viel Eskapismus gefüllt.

                                Seltsam an der ganzen Diskussion um diesen angeblich Männer hassenden Film ist, dass er mir scheinbar genau dieses Aufmerksamkeitssyndrom von Männern anspricht. Vielleicht ist es sogar der Kern des Films. Barbie ist eine Welt für Mädchen, da ist Ken mit dabei, muss aber eigentlich gar nicht genannt werden, er wird mitgedacht. Es ist eh eine Welt ohne Genitalien und Sexualität, es ist eine kindliche Welt, in der es darum geht, eigene Fantasien über die eigene Zukunft und die eigene Ermächtigung zu haben. Diese Ermächtigungsfantasien benötigen, zumindest für Mädchen, aber erst einmal keine Männer. Es reicht, sich erwachsen vorzustellen, sich in Rollen zu träumen, die handlungsbefugt sind, sich auszusuchen, was man anzieht, was man unternimmt, wie man wohnt und wann man an den Strand geht, wann nicht und ob man da mit Beach Ken sein möchte oder eben nicht. In jedem Fall ist man danach wieder allein im Kinderzimmer und ganz bestimmt nicht mit Ken, der soll seinen Scheiß bitte alleine auf die Reihe kriegen.
                                Und das ist das Ding. Barbie hat am Ende des Films Pläne, sie will sich weiterentwickeln, das Kinderzimmer verlassen und die ganze große Welt mit ihren Differenzen, Ambivalenzen und der Mutterrolle erkunden. Das startet dann auch folgerichtig mit dem sicher nicht so erfreulichen aber nötigen Besuch beim Gynäkologen. Ken kann gerne auch in die reale Welt wechseln, aber erst einmal sollte er sich selbst bewusst werden. Erst wenn seine Existenz nicht mehr daran hängt, ob ihn eine Frau ansieht, dann wird er seinen ersten Besuch beim Urologen machen können. Ken hat aus der realen Welt aber leider nur mitgenommen, dass er die Barbies umprogrammieren muss, damit sie ihn statt ab und zu, nun immer beachten, dass sie ihm dabei zuhören, wenn er über Zack Snyder philosophiert, ihm das Bier bringen, hübsch aussehen und sich von ihm helfen lassen. Das alles dreht sich nur um ihn, es ist seine Jungs Fantasie.

                                Mothers stand still so their daughters can see how far they have come.
                                Der Unterschied, auch heute noch, besteht in der Verantwortung. Mental Load ist das Stichwort, man kann keine Mutter sein, ohne sich erwachsen zu verhalten, aber es ist männlich konnotiert, weiterhin mit Spielzeug zu spielen und in einer selbstgebauten „Man Cave“ Modelleisenbahnen zu bauen, Trinkspiele zu spielen und Transformers zu gucken. Statt aber dankbar für das Privileg zu sein und ihren Frauen das gleiche zu gönnen, geht das Gejammer los, wenn auch nur ein einziger Film auf den Markt kommt, der Männer nur mitdenkt, und nicht ständig in den Mittelpunkt stellt…

                                If you want to see the cultural impact of Barbie, do not go to the cinema, go to the shopping center.
                                Dabei hat der Film seine Schwächen, die zum Teil die Gleichen sind, wie die seiner Männerspielzeugbrüder. Der ganze Teil mit und rund um Mattel gehört nicht in den Film, die Verfolgungsjagd mit den sichtlich gesponserten Autos hat keinen Platz hier, es ist Platz, die der Entwicklung der drei Frauen weggenommen wird. Genau diese Entwicklung fehlt nun im eh schon recht langen Film. Barbie hätte Zeit und Erfahrung in der Welt gebraucht, um nachvollziehbar zu wachsen und wirklich eigenständig entscheiden zu können, dorthin zu wechseln. Das Gleiche gilt für Mutter und Tochter, deren Entwicklung wenig nachvollziehbar gehetzt wirkt.
                                Man merkt dem Film an, dass Mattel nicht die gleiche Macht hat wie Disney, dieser Film konnte sichtlich noch freier atmen, seine Regisseurin noch stärker ihre Vision setzen. Das ist aus meiner Sicht auch der Grund für den Erfolg des Films, aber das wird nicht so bleiben. Die zarte Konsumkritik, die hier durchkommt, kann nicht verstärkt werden, weil sie die Systemfrage stellen würde. Das Problem des modernen Kinos ist nicht Wokeness, sondern dass ihr Kunde derjenige aus dem Supermarkt ist und nicht der vor der Leinwand. Kunst und Werbung schließen sich aber gegenseitig aus.

                                So das war jetzt schon zu lange aber noch kurz: Margot Robbie ist fantastisch wie immer und Ryan Gosling zeigt hier einmal mehr sein ganzes komisches Talent. Besondere Aufmerksamkeit gilt der wunderbaren Kate McKinnon, die ihre Szenen wirklich herausreißt. Ansonsten ist das Set Design großartig, die Musik gut und die Cinematography insgesamt bemerkenswert schön. Leider ist es aber auch ein Film voller Kompromisse aus zu viel Zielgruppenmarketing, etwas zu kindlich manchmal, etwas zu viel Spielzeugwerbespot an anderen Stellen und dann auch viel zu schwatzhaft, wenn es um seine Botschaft geht. Subtilität ist nicht die Sache des Films.
                                Das ist für einen solchen Blockbuster aber alles verschmerzbar, es ist ein Ausflug in eine weiblich geprägte kindliche Welt, ein langer Urlaub vom Erwachsensein und dabei erfreulicherweise nicht dumm. Das kann man gucken, vermutlich dürfte es aber für viele Männer auch eine gute Idee sein, das Konzept Barbenheimer wörtlich zu nehmen, die Frau in die bunte Traumwelt zu schicken und sich Nolan reinzuziehen. Ken und Barbie können auch separat existieren und zu Hause, im selben Bett, lässt sich später zusammen gut der Teil hinzuaddieren, der Disney und Mattel fehlt… Die Welt der Erwachsenen kann auch aufregend sein.

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                                  Django Unchained ist nun Tarantinos zweiter Beitrag zu einer Neuanordnung von Geschichte, die Erzählung einer weiteren Rache Story, die wieder im Kern die Frage beinhaltet, warum die Knechte die Herren nicht erschlagen haben. Da ist eine seltsame Obsession mit diesem Gedanken zu spüren, als gäbe es da etwas Neues zu entdecken, als hätten nicht in der gesamten Menschheitsgeschichte Menschen andere Menschen unterdrückt. Das Besondere an der Lage in den frühen USA ist nur, dass hier eine eigentlich bereits in Europa aufgeklärte Gruppe, wieder zurück in vor aufgeklärte Zeiten gefallen ist. Gib einem Menschen Macht…
                                  Jamie Foxx als Django ist ein erfrischend neues Gesicht in diesem Film, der seine Hauptrolle beeindruckend trägt. Seine Leistung ist nicht so auffällig und expressionistisch wie die seiner Kollegen hier aber er übernimmt die Aufgabe, emotionales Zentrum des Films zu sein. Das tut er dann, während Christoph Waltz und Leonardo DiCaprio in ihren Dominanz-Duellen um ihn herumtanzen und der gute Samuel L. Jackson die undankbare Aufgabe ausfüllt, zu zeigen, wie Macht tatsächlich funktioniert. Er zeigt, wie man Menschen auseinanderdividiert, um Gruppen mit gemeinsamen Interessen zu verhindern.
                                  Ansonsten ist aber leider nicht viel neu. Wir haben das alles bereits gesehen, es ist Tarantinos Vermächtnis elegant und versiert Szenen zu schaffen, die im Gedächtnis bleiben, die durch Gewalt abstoßen, durch Spannung erregen und manchmal in ihrer Absurdität zum Lachen bringen. Leider werden diese Szenen aber wieder nur aneinandergereiht, erzählen gerne einmal etwas doppelt und wiederholen sich bis zum erwartbaren Ende nach schlussendlich ermüdenden 165 Minuten. Es passt wieder alles, auch die Musik ist wieder super, das Blut spritzt kräftig und Schmerz sieht nach Schmerz aus, seit Reservoir Dogs ist das eingeübt und wurde perfektioniert.
                                  Was aber will er uns sagen? Sicher geht es um Identität und wie man sie trainieren kann, wie man dadurch ins handeln kommt, um seine Ketten abzustreifen. Der Sklavenhalter spielt seine Kultur nur, denn wahre Kultur ist ohne Moral nicht möglich. Die ganze Sklavenhalterlogik mit ihren blöden Ausführungen zu erfundenen Unterschieden in der menschlichen Anatomie ist bratzendämlich. Ja und? Ich weiß das schon, aber vielleicht weiß das nicht jeder, auch heute wieder fabulieren Menschen über angebliche Vorteile der Sklavenhaltung und erfreuen sich an irgendetwas gutem, dass dabei auch passiert ist. Da wären wir aber wieder ganz oben im Text angekommen: Der Mensch strebt zur Macht und wenn er sie hat, mag er nicht gerne davon lassen. Die Decke der Gesellschaft ist dünn und hat in individualistischen Zeiten Schwierigkeiten, ihre Auswüchse fest einzuwickeln.
                                  Vielleicht müssen wir akzeptieren, dass dieser Film zwar nichts Neues erzählt, aber trotzdem nochmal gesagt werden musste. Auch ist möglich das ein klassisches Drama oder eine gut gemachte Doku nicht an die Orte kommen, wo es gesagt werden müsste. Nur gehen wir dann weiter davon aus, dass Tarantino recht hat, dass das Kino etwas bewirken kann. Kann es das aber wirklich?
                                  Django ist ein unterhaltsamer Neo-Western mit den üblichen Stärken und den mittlerweile auch üblichen Schwächen. Das kann man gut sehen, auch wenn es keine wirkliche Begründung für diese Lauflänge gibt und obwohl man nichts Neues erfährt. Das ist dann aber eben trotzdem noch besser als vieles, was die Kinocharts üblicherweise regiert.

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                                    Da ist er Inglourious Basterds so falsch geschrieben, wie sich auch seine Oberfläche von seinem wahren Kern unterscheidet. Wir sehen eine Alternate History und doch darunter eher eine Hommage an das Kino und eine Komödie über Filmgeschichte, hier ist das Kino noch stärker als das Schwert. Dazu ist es ein Film über Dominanz wie alle Filme von Tarantino und doch hier noch mehr als sonst. Es ist ein selbstverliebter Film, der alles zusammenpacken musste und sich selbst dabei stundenlang zusehen könnte.
                                    Das beginnt und endet mit Christoph Waltz als Hans Landa, eine ikonische Rolle, die Waltz Hollywood Karriere vom Start direkt in den Himmel schießen ließ. Soweit ich das überblicken kann, hat er dafür so jeden Filmpreis bekommen, der möglich war. Die ersten zwanzig Minuten des Films gehören ganz und gar ihm und es ist die eindrücklichste „Dominanz im Dialog“ Szene, die Tarantino je geschrieben hat und das will etwas heißen. Er spielt eher nicht die Hauptrolle im Film, aber es ist trotzdem sein Film und jeder seiner Auftritte lässt das Blut in den Adern gefrieren.
                                    Vielleicht wirkt er aber auch deshalb so gut, weil er zwei so ungewöhnliche Gegenspieler bekommen hat: Mélanie Laurent spielt Shosanna Dreyfus, sie gibt sich viel passiver aber mit intensiven Gesten, toller Mimik und lebensmüder Komik. Ihr Auftritt verleiht dem Film Leben und Nahbarkeit, es ist ein großes Glück, dass ihre Rolle nicht zu einer Actionrolle geschrieben wurde und stattdessen ihre Eleganz und Würde über das Unrecht siegt. Die gemeinsamen Auftritte mit Daniel Brühl sind komisch und bedrückend zugleich. Dann fehlt noch Brad Pitt als Lieutenant Aldo Raine, selten ist eine Person so amerikanisch dargestellt worden. Er spielt Captain America für Erwachsene und hat sichtlich Freude daran. Die “Trunk Shots” mit ihm sind zu Recht zu Filmpostern geworden.
                                    Dieser Film zieht seine Naziparodie vollständig durch und erschafft gleich mehrere dieser berühmten Spannungsaufbau-Szenen im Dialog, für die Tarantino so berühmt geworden ist. Die ganze Szene im Keller, dass Strudel essen und die Milchbauern Hütte sind Highlights dieses Genres. Man kann sich ihrer Faszination nicht entziehen. Interessanterweise steht für mich aber die Szene im Keller vor den anderen beiden, weil hier gleichberechtigte Charaktere um die Macht kämpfen, Soldaten gegen Soldaten, Betrüger gegen Bösewichte, es ist ein urkomischer Aufbau, der zwanzig Minuten Spannung stapelt, um dann großartig zu explodieren. Hitchcock sieht sich das im Himmel sicher gerne an. Ach und mein Gott ist der Schweiger gut darin, eine Leiche zu spielen…
                                    Der Film will ein großer Spaß sein, und transportiert sein Minenfeld Sujet selbstbewusst wie das vielleicht nur Tarantino kann, durch die Fallstricke der Geschichte. Dabei hilft ihm die Metaebene, auf die der Film steigt, sich selbst zu einem Kommentar über die Macht des Films erklärt, und darauf besteht, dass die gemeinsamen filmisch geprägten kulturellen Hintergründe zu einem weltweiten Sieg über den Nationalsozialismus führen können. Das ist so größenwahnsinnig und dabei so vornehm in 4 Sprachen erzählt, dass man es gern glauben will. Ich habe wenig Filme gesehen, die so falsch lagen und sich doch so richtig anfühlen. Der Film hat eine seltene Wirkungsmacht, weil er so elegant daherkommt.
                                    Nur in einigen Szenen mit den unsympathischen Basterds, die sich zu Kriegsverbrechern machen, um Kriegsverbrecher zu bekämpfen, geht dann die Eleganz den Bach herunter. Wer sich in den Schlamm begibt, wird schmutzig wieder herauskommen. Der Film gibt uns ein oberflächlich befriedigendes Ende, indem Standartenführer Landa gerade nicht vor ein israelisches Gericht gestellt wird, sondern stattdessen eine Narbe auf die Stirn bekommt, die sich sicher chirurgisch entfernen bzw. übertünchen lassen wird. Tarantinos Fantasie steht hier wie so oft in der amerikanischen Filmgeschichte außerhalb des internationalen Rechts und der moralischen Vernunft und ersetzt das alles durch billige Selbstjustiz.
                                    So ist dieser lange Film der seltsame Höhepunkt einer selbstverliebten Filmemacherei, die so weit über allem steht, dass es mir bei aller analytischen Kraft nicht gelingt, sie zu hassen. Es ist ein toller Film, der schrecklich befriedigend mit seinen Opfern spielt und ihnen dafür ungeheure Rache gönnt, Rache, die zwar leer ist, weil sie zu ihrem Ende führt, aber die sich doch geil anfühlt. Was ist das für uns Menschen, dass uns an so abstrakten Konzepten Spaß haben lässt? Tarantino und Waltz manipulieren uns und mir gefällt es. Vielleicht ist es die Hoffnung darauf, dass es wirklich gemeinsame filmische Konzepte gibt, die das Böse besiegen können, die uns eine gemeinsame Basis bieten und damit die Ausrede lachen zu können, obwohl es nicht angemessen ist, weil wir wissen, dass wir gemeinsam auf der richtigen Seite stehen. Der Humor des Films ist am Ende dann eben doch eine behagliche Geschichte, eine spaßige Abrechnung mit dem Bösen zieht uns mehr an als das ernsthafte Drama.
                                    And I've been putting out the fire with gasoline… Putting out fire… With gasoline
                                    Man kann es drehen und wenden, wie man will, Inglourious Basterds ist ein Meisterwerk und ein Stück Filmgeschichte geworden, wie es sich der Film selbst erträumt hat. Auf den Stirnen der Zukunft steht eben nicht G. W. Pabst, sondern Q.Tarantino.

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                                      Deciuscaecilius 07.08.2023, 22:05 Geändert 07.08.2023, 22:06

                                      Tja, da hätten wir das nächste ungeliebte Kind. Death Proof veröffentlicht als Double Feature mit Robert Rodriguez's Planet Terror, und nachdem das floppte, dann als einzelner Film. Es ist eine Hommage und Neubelebung des Grindhouse Films und viel zu gut dafür. Damit verpasste der Film nicht nur die Zeit, in der solche Features funktionieren konnten, sondern passte in seiner Art auch nicht wirklich zu Planet Terror. Bei aller nostalgischen Liebe Tarantinos zu den alten Zeiten strahlen seine Filme immer auch einen Hauch von Zukunft aus.
                                      Der Film ist krass zweigeteilt, wir sehen einen sehr stark stilistisch und filmisch an die klassischen Grindhouse Filme angepassten ersten Teil, inklusive Filmwacklern, scheinbar beschädigten Streifen und Tonaussetzern. Auch der Plot entwickelt sich ganz klassisch, wir lernen Frauen kennen, die schön sind, sich sexy geben und viel trinken, während sie von Männern beäugt werden. Schon hier bricht der Film aber zum ersten Mal mit den Traditionen, denn wir erfahren viel zu viel von den Frauen, um sie einfache Opfer bleiben zu lassen. Die Dialoge sind naturalistisch gehalten, die Frauen sind nicht idealisiert, und obwohl sie sexualisiert dargestellt werden, wirken sie nicht wie Objekte. Ihre männlichen Begleiter verhandeln über sie, als wären sie es, aber ohne die brutal einsetzende Gewalt, wäre es ein lustiger Abend geworden, nachdem beide Seiten unter sich geblieben wären.
                                      Da tritt der brillante Kurt Russell als Stuntman Mike auf und offenbart eine traurige Einsamkeit, die bitter geworden ist. Man könnte fröhlich über eine ironisch aufbereitete autobiographische Figur zu Tarantino selbst spekulieren. Mike ist ein Produkt der vergangenen Filmwelt, der dem digitalen Misstrauen entgegenbringt und dem Analogen nachtrauert, er bewundert die Frauen und nähert sich ihnen in einer verstörenden Mischung aus Seltsamkeit und Bedrohlichkeit. Man mag einen Neid an der Jugend diagnostizieren. Eigentlich lässt ihn aber nur seine Bedrohlichkeit einen gewissen Stand halten, ansonsten blitzt fast eine schüchterne Unsicherheit durch.
                                      Im zweiten Teil lernen wir die nächste Gruppe an jungen Frauen kennen, noch selbstbewusster, stock nüchtern und mit der Lust zum riskanten Stunt. Unser Kurt entscheidet sich direkt vom schüchternen Berühren ihrer nackten Füße, zum brutal einschlagenden Akt überzugehen, nur ist er hier an die Falschen geraten. Die sich wiederholenden Einschläge an seiner Rückseite produzieren keine zufällig gewählte Assoziation. Die Zeiten haben sich geändert und der Film endet in einer halbstündigen, großartig inszenierten Auto Verfolgungsszene, die sich vor keiner ähnlichen Szene in irgendeinem Film der Filmgeschichte verstecken muss. Es ist ein fantastisches Finale und ein perfekter Abschluss des Films.
                                      Der Film ist High Trash und sitzt damit brutal zwischen den Stühlen. Die unendlich langen Dialoge, in denen wir die zwei Gruppen an Frauen kennenlernen, sind im höchsten Maße antiklimaktisch, aber nötig für die Botschaft. Dafür gibt es nur eine kurze und eine lange Actionsequenz, beide sind Meisterwerke, aber sie machen kaum zehn Prozent des Filmes aus. Die Langeweile des Films ist eine Hinüberleitung auf diese Momente, aber als Stilmittel untypisch für einen richtigen Grindhouse Film. Damit ist ein seltsam unrunder Film entstanden, besonders, ja einmalig, in seiner Kombination aus modernem Film und Grindhouse Car Chaser, ungeliebt von beiden Fangruppen und final auch von Tarantino selbst. Was er nicht vertragen kann, ist Misserfolg.
                                      Das ist schade, denn sein Bösewicht ist ein erstaunlich moderner Typ, der Film eine interessante Verdrehung gelebter Film Tradition. Ein Double Feature mit Barbie hätte den Film heute vielleicht zum Durchbruch gebracht😉. Auch wenn er mir etwas zu lang ist, mag ich das Ding, wie es ist. Es ist nicht mein Lieblingsfilm, aber ein tolles, mutiges und besonderes Filmerlebnis mit fantastischem Ende. Muss man schon mal gucken…

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                                        Deciuscaecilius 06.08.2023, 19:06 Geändert 06.08.2023, 19:08

                                        Sin City ist ein Film von Robert Rodriguez nach den Comics von Frank Miller, ein Anthology Film, der vier kleine Geschichten erzählt, die nur sehr lose zusammenhängen, weil sie in derselben Stadt spielen und einige Figuren doppelt darin auftauchen. Es sind düstere Geschichten über einsame Männer, die zu Rächern und Beschützern von Frauen werden, in einer Stadt, die von Korruption und Machtmissbrauch gebeutelt wird.
                                        Das, was hier als erstes auffällt, ist der Stil des Films. Alles wurde vor Greenscreens gedreht und in ein kontrastreiches Schwarz-Weiß mit einigen scharfen Farben als Highlights überführt. Das verleiht dem Film einen einzigartigen Look und unterstreicht die kontrastreiche Welt, in der die Geschichte spielt. Diese Optik ist sehr gut gealtert und macht auch heute noch richtig was her. Manches sieht fantastisch aus und wirkt wie ein Comic, dass man sehr bewusst und mit viel Liebe in einen Film überführt hat. Die Technik wurde dabei kompromisslos eingesetzt, um genau diesen künstlerischen Effekt zu erzielen, und das ist so konsequent wie erfolgreich. Leider ist bis zum Erscheinen der Spider-Verse Filme kein Film so einen direkten Weg gegangen, im künstlerischen Ausdruck ist dieser Film ein Meisterwerk.
                                        Worum geht es ansonsten? It’s about nothing! Ein Scherz? Nein, das ist kein Scherz, dieser Film erzählt aus der Welt der Frank Miller Comics. Sin City ist eine Welt die sich lose an Dark Noir Stoffen orientiert und das mit einem modernen Raunen verbindet, einem Raunen über die da oben, über Korruption, Machtmissbrauch und Kindesmissbrauch. Es ist eine Welt der beschädigten traurigen Männer, die Frauen retten müssen, um sich selbst zu bestätigen. Eine Welt des Misstrauens gegenüber der Obrigkeit und einem Gefühl der Hilflosigkeit dagegen. Frauen sind hier erst einmal Opfer und Huren aber dabei immer auch Femme Fatales, lebendig gewordene Sexträume ganz nahe und gleichzeitig ganz fern. Darum drehen sich diese Geschichten, spielen mit den Themen herum und enden dann einfach wieder. Dazu kommt, dass sie sich alle Geschichten sehr ähnlich sind.
                                        Der Film wiederholt im Prinzip zwei Stunden lang dieselben Prämissen und falls man sie trotzdem nicht verstanden hat, wird es einem auch noch ausführlich durch den Offscreen-Sprecher erklärt, und das immer und immer wieder. Dabei sind es simple Geschichten von Gut und Böse und Klischees in Menschengestalt, in einer Welt, die so unlogisch wirkt, dass 300 Spartaner durch die Logiklöcher ziehen können, ohne irgendwo anzuecken. “Toxisch traurige Männer Egos” war als Titel vermutlich zu direkt, daher ist es Sin City geworden, auch wenn das die langweiligste Sündenstadt ist, die ich je gesehen habe. Sünde scheint in Millers Universum primär Prostitution und Gewalt zu sein. Was schade ist, denn nicht wenige europäische Filme haben zur Sünde ein farbenfrohes und lustvoll erotischeres Bild gezeichnet.
                                        Der Film ist einfach zu lang, zu dünn sind die Assoziationen aufs Brot geschmiert. Da ist etwas in diesen noir Bildern das spannend und interessant sein könnte aber es wird nicht komplexer, nur weil man es oft wiederholt. Die Bilder könnten wirken tun es aber selten, weil der Film zu schwatzhaft ist, um sie wirken zu lassen. Am besten ist noch die angedeutete Idee, hier nur Fieberträume dieser einsamen Männer zu sehen, eine Traumwelt geschaffen aus dem amerikanischen Pulp der Wirklichkeit geworden ist, als Flucht vor der realen modernen vielschichtigen Welt, mit ihrer viele Menschen ängstigenden Ambivalenz. Ich fürchte nur das es sich dabei gar nicht um die Botschaft handelt, die der Film vermitteln wollte.
                                        Sin City ist trotz seiner inhaltlichen Leere ein zumindest interessanter Film mit immer noch beeindruckender Optik. Ich denke, dass man das gut mal wieder gucken kann, aber leider konnte er für mich seinem Ruf nicht gerecht werden. Dazu habe ich zu wenig gefunden, dass sich inhaltlich zu sehen lohnt…

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                                          Kill Bill Volume 2 schließt die begonnene Rachegeschichte ab, schließt dabei einige Lücken in der Story, präsentiert seinen Bösewicht und kreiert ein optimistisches Ende. Der Film hat damit alle Vorteile auf seiner Seite, kann mit den Bällen spielen, die Volume 1 geworfen hat und quetscht trotzdem noch reines Posing in den Film.
                                          Das ist etwas, das Tarantino nicht lassen kann, sein sexueller Fetisch sind Füße, aber narrativ liebt er diese Dialoge rund um Dominanz bzw. die Infragestellung derselben. Dabei verrennt er sich gerne einmal, das wird besonders deutlich in der ganzen überflüssigen Szene zwischen Thurman und Michael Parks als Esteban Vihaio. Auch der ansonsten brillante Bösewicht David Carradine als Bill, hat in seinen ganzen Dialogen voller Charme, seine Momente, in denen es übertrieben wird. Ganz passend leitet er dann zum Beispiel seine holprige Superman-Analogie mit „Just long enough to finish my point“ ein. Dies alles führt zwangsläufig zur Frage, ob nicht ein Film genug gewesen wäre, ob nicht eine Zwei Stunden plus x Geschichte, es getan hätte, und nicht auch viel intensiver gewesen wäre.
                                          Aber nun haben wir zwei Filme, von denen der zweite vieles besser macht als der erste. Das liegt an der wunderbar bedrohlichen Szene in der Kirche, dem grandiosen Michael Madsen und seinem heruntergekommenen Leben und an diesem Bösewicht und seinem Stil. Der Film nimmt sich die Zeit, seine Szenen vorzubereiten, gibt seinen Charakteren mehr Raum und setzt die Action viel effektiver ein. Das erschafft dann ikonische Momente wie die im Grab oder den Kampf im Wohnwagen. Bei aller Länge seiner Ausführungen muss man dem Film zugestehen, dass es ihm gelingt, seinen Punkt genau zu treffen, um so präzise Emotion zu erzeugen.
                                          Die Überraschung am Ende ist natürlich keine, aber Tarantino scheint eh nicht an den Twist zu glauben, seine Entwicklungen werden uns immer vorab erzählt und das macht interessanterweise Spaß und wirkt gar nicht langweilig. Hier ist immer wieder der Weg das Ziel, ohne damit das Ziel zu entwerten. Action gibt es dabei weniger, aber gleichzeitig ist sie weniger langatmig. Dieser Film ist dann auch eher ein Western, der seine Spannung aus der Hinarbeitung zieht und nicht so sehr aus dem Konflikt selbst. Wir bekommen ein Bild des tieferen Konfliktes, der hinter der ganzen Rache liegt.
                                          In dieser Welt ist kein Platz für Mutterschaft, es ist kein Platz für normales Leben im Ganzen, es ist ein Fantasy Leben in einer sexuell und gewalt geladenen Kunstwelt. Beatrix hatte keine andere Chance, als auszusteigen, denn der bezaubernde Bill ist eben gar nicht bezaubernd, sondern nur ein toxischer Macho mit Macht Komplexen. Sein Leben träumt sich in die Welten der Superhelden und Zurückweisung existiert in dieser Welt nicht. Wir sehen ihn dann auch scheinbar liebevoll mit B.B. umgehen aber auch hier liegt bereits die Drohung in der Luft, sein Erziehungsziel kalte Mörderin ist unterschwellig aber deutlich genug, um klar zu machen, dass man dem rechtzeitig ein Ende setzen muss.
                                          Meiner Meinung nach ist es eine gute Idee, die Tarantino Filme zusammen mit den Tarantino Drehbuch Filmen zu sehen. Der Unterschied ist erstaunlich deutlich, denn wo er selbst inszeniert, verwendet er die gleiche Symbolik, die gleichen Motive, aber sie bekommen Brechungen. Das alles hat einen zweiten Boden, es hat seine Zweifel und es ist mehr Komplexität als auf den ersten Blick zu erkennen ist. Er hat einfach mehr Empathie für seine Figuren, als das auf den Seiten der Drehbücher steht. Es ist Selbstreflexion in seinen Filmen und das gibt den Gewaltorgien erst ihre Kraft. Vielleicht ist hier Michael Madsens Gestalt noch wichtiger als Bill, bei ihm wird am deutlichsten, wie es endet, wenn dir die Empathie fehlt.
                                          Kill Bill Volume 2 hat mich versöhnlich entlassen, es ist immer noch ein großartiger Film und zusammen mit seinem Vorgänger eine wundervolle Hommage an Western und Eastern gleichermaßen. KIll Bill ist fabelhaft…

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                                            Kill Bill Volume 1 leidet naturgemäß daran der Volume 1 zu sein, vielleicht sollte man daher dazu keine Kritik veröffentlichen, weil es ein unvollständiger Film ist, ein Film, der seinen Bösewicht nicht zeigt, seine Geschichte nur andeutet und insgesamt zu keinem Ergebnis kommt, streng genommen nicht einmal zu einer Entwicklung führt. Denn wir sehen wenig Entwicklung in der Hauptfigur und keine in ihren Antagonisten.
                                            Das bedeutet aber nicht, dass es uninteressant ist, Uma Thurman als „the Bride“ beim Schnetzeln zuzusehen. Der Film ist sichtlich inspiriert vom japanischen Samurai- und Martial Arts Film, zitiert dies ausgiebig, fügt dem aber nicht wirklich irgendetwas hinzu. Es ist fast eine Art Remake, das asiatische Kanten abschmirgelt und für amerikanische und europäische Geschmäcker rund macht. Rache Filme kennen wir ganz speziell aus dem Western, der dann aber erst im zweiten Teil so richtig beliehen wird, aber die Referenzen reichen schon aus, um den Film in den Sehgewohnheiten des „Westens“ zu verankern.
                                            Genau daran hat der Film dann auch seinen größten Spaß, er schnetzelt sich in wunderbar choreografierten Szenen von Blutfontäne zu Blutfontäne und spielt dazwischen mit allem, was Tarantino so geil findet. Thurmans Füße hätten einen eigenen Absatz im Abspann verdient, japanischer Humor wird abgehakt und es wird sich herrlich brutal und ganz nebenbei an amerikanischen Hicks gerächt. Der Film hat dann aber auch seine ehrenvolle Unterbrechung des Kampfes bei der Anwesenheit von Kindern und kultiviert damit Tarantinos Vorliebe für Mörder mit Stil und Anstand.
                                            Das alles macht immer noch viel Spaß und ist selten langweilig, auch wenn sich die O-Ren Ishii Szene gefühlt eine Ewigkeit hinzieht. Es hat „Style over Substance“ bis zum Abwinken, dafür sind Lucy Liu und die gruselig lustige Chiaki Kuriyama als ihr Bodyguard immer noch der Knaller. Der Film mag auch seine kleinen filmischen Freiheiten, spielt mit Schwarz-weiß oder Einschüben von Anime-Szenen, leider kann man schwer erkennen, was damit eigentlich bezweckt werden soll, außer irgendwie zu zeigen, dass man es kann. Trotzdem faszinieren seine Kameraeinstellungen, die für jede Situation optimiert sind, Abwechslung schaffen und manchmal einfach nur cool aussehen sollen. Zu viel kann das dann schon einmal werden, wenn man ein Hattori-Hanzo-Schwert erwerben möchte und dazu gefühlt sehr viele überflüssige Minuten verschwendet.
                                            Entwickelt sich in diesem Film irgendeine Figur weiter? Gibt es Fortschritte oder erfahren wir spannende Details aus dem Leben von hochstilisierten Auftragsmördern? Nein, sicher nicht und aus heutiger Sicht fällt es auch schwer, den feministischen Ansatz zu erkennen, der in den Zweitausendern so hochgehalten wurde. War es damals so ungewöhnlich, dass sich eine Frau durch die Massen schnetzelte und war es ausreichend Frauen in einem Film als zentrale Figuren zu besetzen, um damit gesellschaftspolitisch bereits ganz weit vorn zu sein? Ich weiß es nicht, ich habe jedenfalls meine Zweifel, aber ich fand den Film trotzdem wieder geil.
                                            Kill Bill Volume 1 ist ein seltsamer Film, seine Werte sind isoliert vom zweiten Teil leider überschaubar, aber seine ganze Ästhetik, seine kompromisslose Welt sind ein großer Spaß. Man kann das kaum verstehen, ein Film wie Natural Born Killers, der sich bemühte, kritisch zu sein, hat mich total aufgeregt und diese konstruierte Gewaltorgie finde ich super. Vielleicht ist es die Ehrlichkeit, mit der dieser Film an sein Sujet geht, vielleicht seine Spielattitüde in Bezug zu allem, was kickt. Jedenfalls geht das Ding zwar nirgendwo hin, fetzt dabei aber voll. Die Musik ist wie in allen Tarantino Filmen dabei super treibend, unterhält und gibt den Kämpfen einen passenden Rhythmus. Man kann Kill Bill Volume 2 einfach gucken ohne Teil eins zu sehen, aber man sollte nicht, weil man dann die ganze schöne Gewalt verpasst… Bizarr.

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                                              „Jackie Brown” ist die dritte Regiearbeit von Quentin Tarantino und bisher die Einzige zu einem Film, dessen Drehbuch adaptiert ist. Ich habe den Roman nie gelesen, aber die Story ist wohl stark verändert, allerdings wurden viele Dialoge ganz oder teilweise übernommen. Das macht es fast ein wenig schade, dass Tarantino so etwas nicht öfter versucht hat, der Film strahlt eine ruhige Eleganz aus, die seinen Filmen manchmal abgeht.
                                              Das hat aber auch etwas mit den überragenden Schauspielern zu tun. Pam Grier als Jackie ist fantastisch, diese Ruhe und Kontrolle, die sie ausstrahlt, gepaart mit einem ganz zarten Spiel ihrer Augen und Mundwinkel offenbart so viel ihres Charakters. Sie bringt diese Traurigkeit mit, die den Film unterschwellig bestimmt und die sich in ihrem Partner spiegelt. Max wird von Robert Forster gespielt und er vervollständigt diese einsame, aber kontrollierte Note mit einem genauso zurückhaltenden wie ausdrucksvollen Spiel. Die beiden sind so süß, dass man nicht umhin kann, ihnen eine gemeinsame Zeit zu wünschen, auch wenn der Film im Ganzen wenig Hoffnung darauf macht.
                                              Kontrastiert wird das von der besten Leistung von Samuel L. Jackson als Waffenhändler Ordell, mein Gott ist er cool und mein Gott wie meisterhaft er diese Bedrohlichkeit zwischen diesem lockeren Alltags-Gequatsche durchscheinen lässt. Der Rest der Riege ist aber nicht weniger gut, bis in die kleinsten Rollen ist das hier eine Meisterleistung des Casts.
                                              Vielleicht auch weil ihnen exzellente Dialoge gegeben wurden, nicht so expressive wie sonst bei Tarantino, dafür sind sie leiser und intensiver. Alles wirkt etwas naturalistischer, hier ist mehr Gefühl in den Szenen und ganz oft liegt ein dunkler Unterton in den Dialogen. Man kann die Zeit damit verbringen, den Leuten zuzuhören und in eine Welt einzutauchen, eine Welt der Blaxploitation Filme, die hier eigentlich schon vorbei war, aber in dieser Hommage weiter existiert. Vieles, was diese Welt definierte, ist untergegangen in der kühlen Moderne, der Kampf um Gerechtigkeit ist dem Konsum gewichen, die Supermalls haben die dunklen Gassen ersetzt. Tarantino begeht hier einen Akt der kulturellen Aneignung und entwickelt die Idee dabei weiter, setzt das Szenario in eine Welt des Konsums und der Einsamkeit fort. Er schafft damit ein Kunstwerk, das über seine Inspiration hinausgeht.
                                              Die Musik spielt dabei eine besondere Rolle, der ganze Film vibriert dazu, ganze Szenen verschmelzen mit dem Rhythmus, dass es fast ein Musical sein könnte, wenn denn irgendjemand singen würde. Viele der Songs werden für immer mit diesem Film verknüpft sein und sofort Figuren im Kopf hervorrufen. Pam Grier im Querschnitt auf dem Laufband z.B.:
                                              Across 110th Street
                                              Pimps trying to catch a woman that's weak
                                              Across 110th Street
                                              Pushers won't let the junkie go free, oh
                                              Across 110th Street
                                              A woman trying to catch a trick on the street, ooh baby
                                              Across 110th Street, look
                                              You can find it all in the street
                                              Yes, you can
                                              Es ist ein langer Film, es ist ein viel leiserer Film als wir es von Tarantino gewohnt sind, es ist ein Film, der sich erwachsen und reif anfühlt. Er wird daher nie alle Fans begeistern können, wird nie so im Mittelpunkt stehen wie Django oder die Basterds und war und ist nicht Pulp Fiction 2. Das ist auch gut so, denn er hat etwas, bei dem sich seine anderen Filme schwer tun: Er ist so feinfühlig. Diese komplexe Beziehung zwischen Jackie und Max macht den Film aus und auch wenn vieles heute von anderen Filmen adaptiert wurde, werden ihre Dialoge und das Gefühl dabei, diese vom Leben isolierten Menschen bei ihrem Erfolg zu sehen, bleiben. Der Diebstahl selbst ist sicher heute auch schon dynamischer erzählt worden, aber zum Beispiel das Finale der Beziehung zwischen Robert De Niros Louis und Bridget Fondas Melanie hat mich auch beim vierten Mal noch zusammenschrecken lassen. Oder denken wir an diesen Shoot aus weiter Ferne auf Odell, wie er den Kofferraum öffnet…
                                              Wenn ein Film so leise ist. Dann braucht er auch nicht so zu schreien, um Eindruck zu machen, dafür ist dieser Film das beste Beispiel.

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                                              • 6 .5

                                                „From Dusk till Dawn“ ist die zweite Zusammenarbeit von Robert Rodriguez und Quentin Tarantino und ein Genre-Mix aus Gangster Flick und B-Movie Horrorfilm. Ohne Frage ist dies ein Kultfilm, speziell wegen des plötzlichen 180° Turn in der Mitte des Filmes, gerade wenn man sich auf etwas eingestellt hat, kommt etwas überraschend Neues. Das ist genau das, was viele Zuseher am Film feiern, dass ich aber eher medioker finde. Meiner Meinung nach beissen sich beide Teile zu sehr, man spürt, dass Tarantino einer fremden Story seinen Stempel aufgedrückt hat.
                                                Aber im Einzelnen, es ist nicht Clooneys erster Kinofilm aber sein erster markanter Erfolg und man merkt im Film deutlich, wie viel Mühe er sich gibt und man kann zu dem Eindruck kommen, dass es ein bisschen schade ist, dass seine Karriere so primär am „Good Guy“ hängen geblieben ist. Sein Auftritt ist bemerkenswert, seine Präsenz treibt den Film voran und speziell seine Chemie mit Harvey Keitel beeindruckt. Tarantino selbst hat sich hier eine sehr passende Rolle geschneidert und kommt damit ohne zu beeindrucken, aber solide durch den Film. Juliette Lewis dagegen hat mich nicht wirklich überzeugt und Ernest Liu, der ihren Bruder spielt, ist schrecklich. Ich weiß das Tom Savini und Fred Williamson Fan Lieblinge sind, aber die beiden sind leider sehr typische Vertreter des B-Movie Genres. Den kleinen Vietnam-Vortrag von Williamson zum Beispiel, muss man lustig finden, ansonsten treibt einem der Cringe die Nackenhaare hoch.
                                                Eine besondere Erwähnung braucht die zu recht berühmte Filmmusik, nicht nur die Songs von Tito & Tarantula sind hervorragend, auch alle anderen Songs geben dem Film eine passende Atmosphäre und machen einen großen Anteil am Kultstatus des Filmes aus. Das sollte man ganz laut drehen.
                                                Der Film beginnt wie ein typischer Tarantino Film, mit den typischen Dialogen, den typischen Typen und dem üblichen Konflikt zwischen professioneller Grausamkeit mit Ganovenehre und reinem soziopathischen Verhalten. Das ist wie immer unterhaltsam und legt noch einmal zu, wenn es zur Begegnung mit der Familie des Ex-Priesters kommt, den Keitel darstellt. Bis hierher ist es ein guter bis sehr guter Gangsterfilm mit einem interessanten zentralen Konflikt.
                                                In Mexico wandelt sich der Film dann in einen Horrorfilm mit exzessivem Kampf gegen Vampire, der aber dabei, bis auf ironische One-Liner, eher ernst bleibt. Der Ton des Films lässt eine parodistische oder horror-komödienhafte Darstellung nicht zu, so entwickelt sich eine Splatter Schlacht, die so übertrieben sie auch ist, dramatisch inszeniert daherkommt. Das funktionierte beim Publikum gut, prallte in der Wiedersichtung, aber an meinem kalten Herz ab. Ich erinnere mich, dass ich beim ersten Sehen beeindruckt war, aber dieses Gefühl will sich hier nicht so recht wieder einstellen.
                                                Für mich fällt dieser zweite Teil des Films ab, auch wenn das alles nicht wirklich schrecklich ist. Einige Sprüche funktionieren, aber die Action erschien mir langsam, behäbig und spannungsarm. Da machen dann die vielen Splatter Szenen auch keinen richtigen Unterschied. Wirkliche Gefahr strahlen die Vampire nichts aus, jeder tritt brav nacheinander zur Vernichtung an. Wenn es unseren Helden einmal wirklich an den Kragen gehen soll, werden diese brav vorher markiert, damit wir uns auf ihr Schicksal schon einmal einstellen können. Danach wird dann wieder schön Abstand gehalten. Die zweite Hälfte zog sich dann tatsächlich ein bisschen. Wenigstens hatte Tarantino mit Salma Hayeks Füssen seinen Spaß.
                                                Es ist und bleibt ein interessanter Film, der nicht langweilt und über seine Laufzeit gut unterhält. Insgesamt ist das für einen Horrorfilm dieser Spielart damit überdurchschnittlich, aber im Rahmen meiner Erwartungen an einen Action-Horrorfilm nur mittelmäßig. Kann man aber wieder ansehen.

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                                                • 6 .5

                                                  Wenn man einen Tarantino Rewatch unternimmt, dann muss man auch einen kleinen Blick auf das ungeliebte verstoßene Kind werfen. Four Rooms wird nicht mehr erwähnt, vielleicht weil es kein erfolgreicher Film war, vielleicht weil Tarantino hier so viel Kritik an seiner eigenen Darstellung entgegen schlug oder einfach, weil der Film ihm nicht gefällt. So ganz klar ist das nicht, aber man kann sagen, dass der Film kein Meisterwerk ist, aber auch, dass er nicht so schlecht ist, dass man ihn aus der eigenen Filmografie verbannen müsste. Der Episodenfilm, gefilmt in vier Teilen und von vier verschiedenen Regisseuren inszeniert, ist einen Blick wert.
                                                  Fangen wir mit dem verbindenden Element an, Tim Roth spielt Ted den Hotelpagen eines mysteriösen Hotels mit einer Menge seltsamer Gäste. Roth ist nicht der geborene Comedy-Darsteller, er überacted stark und das ist nicht jedermanns Sache, man gewöhnt sich aber im Verlauf des Films daran. Es ist eine interessante Darstellung, die aber vielleicht davon profitiert hätte etwas subtiler angelegt zu werden. Trotzdem mochte ich den Wahnsinn seiner Figur und die Energie, die er dem Film bringt, ich denke er überbrückt die unzureichend zusammenhängenden Stücke effektiv.
                                                  Das ist dann auch das größte Problem des Films, die einzelnen Episoden haben kaum bis gar keine Verbindung zueinander und sie sind tonal und qualitativ sehr unterschiedlich. Der Film ergibt so kein großes Ganzes. Alle Episoden sind interessant auf ihre eigene Art aber die Episoden drei und vier von Rodriguez und Tarantino sind kleine Gags, verpackt in 20 Minuten Film, die gut funktionieren, als was sie sind, während eins und zwei von Allison Anders und Alexandre Rockwell größere Ideen anschneiden, aber darin versacken und am Ende unbefriedigendes Stückwerk bleiben.
                                                  Die Slapstick-Comedy von Rodriguez funktioniert dabei isoliert am besten, fügt aber keinen größeren Gedanken zu irgendetwas hinzu. Die seltsam feministisch sexuell aufgeladene Geschichte von Anders wirkt dagegen, wie etwas dessen Welt hätte erkundet werden müssen, die aber in dieser Kurzform nur wie Fanservice mit Brüsten wirkt. Der Film hat hier eine gewaltige Schieflage als hätten zwei Regisseure komplexere Filmideen kürzen müssen, während die anderen beiden eh nur zwanzig Minuten Spaß haben wollten.
                                                  Aber das ist trotz der großen Schwäche, keine kohärente Geschichte erzählt zu bekommen und nicht über den ganzen Film hinweg auf demselben Niveau zu bleiben, ein lustiger Film. Der Film ist so drüber, so expressionistisch in seinen Auswüchsen, dass man speziell im Jahr 2023 fast erschreckt sein muss. Was hier an sexuellen Anspielungen, Fetischen, kleinen und großen Provokationen präsentiert wird, ist, solange man das mit ironischem Abstand betrachten kann, immer noch ein großer Spaß. Ich mag den Film und kann mir gut vorstellen, dass es anderen Menschen auch so gehen könnte.
                                                  Schade ist, dass Tarantino selbst nicht im Nachhinein über diesen Film lachen kann, es ist eine coole Erfahrung, bei der man sowohl über Stärken als auch über die vielen Schwächen lange quatschen kann, und das ist doch etwas. Der gute Tarantino ist halt kein großartiger Schauspieler, aber seine das N-Wort murmelnde Rolle in Pulp Fiction, war nun wirklich auch nicht das Highlight des Films, also was solls. Er ist ein großartiger Regisseur. Who gives a fuck about his acting…? Ein bisschen Spaß an alten Fehlern kann man ruhig haben. Der Film mag formal der schlechteste Film in seiner Regie Karriere sein, aber er ist dafür ein unterhaltsamer Unfall, und damit immer noch viel besser als vieles, was andere Regisseure mal verbockt haben. Also ruhig einmal reinsehen…

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                                                  • 10
                                                    Deciuscaecilius 28.07.2023, 22:35 Geändert 28.07.2023, 22:38

                                                    Vermutlich gibt es zu Pulp Fiction nicht mehr viel zu sagen, was alle anderen nicht schon gesagt haben. Der Einfluss auf alle Filme danach ist groß und vermutlich hat jeder Filmfan diesen Film mindestens einmal gesehen. Die Musik ist legendär und jede einzelne Szene Kult. Es ist eine Komödie, die dramatisch ist und ein komisches Drama um die Konsequenzen von Kriminalität. Beschränken wir uns also auf ein paar Gedanken zum Konzept des Films.
                                                    Wie schon Reservoir Dogs arbeitet der Film mit einer wilden Zeitstruktur, in der verschiedene Episoden und verschiedene Charaktere in nicht chronologischer Reihenfolge aneinandergereiht werden und zueinanderfinden. Das erzeugt wieder zusätzliche Spannung, weil man die Charaktere kennenlernt, aber sich dann von ihnen trennen muss, um neue genauso interessante Charaktere kennenzulernen. Das funktioniert aber nur, weil die ganze Truppe so spannend ist. Zu Recht berühmt sind die Dialoge, die keinen Anspruch auf Realismus haben, niemand redet so, aber sie machen Spaß. Das ist der Fokus, die Leute reden so, wie sie charakterisiert werden sollen und so dass es dem Zuseher Spaß macht, dass kultige Zitate entstehen und dass keine Sekunde langweilig wird.
                                                    Ansonsten spielt der Film mit den Zufällen des Lebens. Wie wir durch ein Leben stolpern und dabei ständig unsichtbare Verbindungen entstehen, Verbindungen, die wir einem Gott zuschreiben können oder die wir einfach Schicksal nennen könnten. Zuerst sieht es auch tatsächlich so aus, als wenn niemand diesen Zufällen entkommen könnte, als wäre das Leben der Charaktere in Pulp Fiction, und damit vielleicht auch unser aller Leben, ein unvorhersehbares Chaos. Doch der Film hat gerade hier einen kleinen Twist, es gibt diese Entscheidungen, die wir treffen können. Es gibt Richtungen, die wir aktiv beeinflussen können. Wir können uns von der Gewalt trennen, wir können die Schwachen beschützen, wir können in den Keller zurückgehen, um einen, in diesem Moment, Unschuldigen zu retten. Es sind Momente, die unser Schicksal bestimmen und die uns so wirkmächtig machen, dass wir uns von einigen Elementen des Zufalls befreien können.
                                                    Es sind auch Momente, in denen das Motto des Films aufblitzt: Respekt. Vor wem haben wir Respekt und wie wichtig ist das für uns? Können wir den fremden Glauben akzeptieren, die fremde Not, die anderen Lebenswege, die Schwäche, die Familientradition? Wenn ja, dann ergeben sich plötzlich ganz neue Verbündete, denn in bestimmten Situationen ist das alles bedeutungslos, steht hinter diesem Gefühl zurück auf der grundsätzlich gleichen Seite zu stehen, derselbe Mensch zu sein, auch wenn das nicht immer auf dieselben Überzeugungen hinausläuft.
                                                    Es gibt nur diese zwei Bösewichte im Film, diese beiden Vergewaltiger und mutmaßlichen Serienkiller, der Rest, so gewalttätig, drogensüchtig und kriminell sie sein mögen, sind Versuchte, Gejagte, die ihr Leben in die Gewalt treibt. Natürlich sind sie dafür immer noch selbst verantwortlich, aber sie versuchen in erster Linie professionell zu sein, die Gewalt als profanes Mittel ihrer Arbeit zu betrachten und danach ein normales, ganz zivilisiertes Gespräch zu führen. Das ist der Grund, warum wir diesen brutalen Männern nicht böse sein können, weil sie die sind, die von bösen Männern getrieben werden, was letztendlich darauf hinausläuft, dass sie sich gegenseitig vorantreiben. Trotzdem gibt es einen Weg daraus, man muss es nur wollen. Das Schicksal kann gnädig sein, man muss nicht auf dem Klo abgeknallt werden.
                                                    Eine milde Botschaft am Ende eines spaßigen Meisterwerks, das nichts von seinem Charme verloren hat. Ein wunderbarer Film ohne Plot und dafür mit so vielen Charakteren und ihrer Entwicklung, ein Film über die Menschen aus den Fantasien eines Pulp Autoren. Alle da zu unserem Vergnügen und so cool, wie wir alle nie sein werden. Ein Glück, dass wir Quentin Tarantino haben.

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