Deciuscaecilius - Kommentare
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Alle Kommentare von Deciuscaecilius
Es ist ein Wunder, dass heutzutage Debüts so aussehen können. Danny und Michael Philippou ist ein brutaler und beeindruckender Film gelungen, der durch sein Tempo und seine Bildsprache eine Moderne in den Horrorfilm bringt und die Ideen der Youtuber im Hollywoodfilm verankert.
Es fällt als erstes auf, dass wir es hier mit ausgesprochen dummen Teenagern zu tun haben. Das ist in Horrorfilmen nicht ungewöhnlich, aber diese Truppe ist schon von manischer Lust getrieben, sich zu zerstören. Die Analogie zum Drogenkonsum liegt dabei fast schon drückend deutlich auf dem Tisch, immer wieder werden Parallelen zu Partydrogen gezogen, haben Eltern Angst vor den Auswirkungen des Alkohols und diskutieren schon 14-Jährige über die Auswirkungen des Zigarettenkonsums, um sich dann eine anzustecken. Alles hier ist ein „sowieso“, es geht um Spaß und um ein Verdrängen des Morgens.
Dazu kommen die immer sofort hoch gerissenen Handys, die jeden noch so verstörenden Spaß digital verewigen und den Postern damit ihre Sekunden des Ruhms gönnen. Im Zweifel wird danach der zu notgeile Hund entfernt und schon geht es weiter. Der Gruppendruck hat sich vom Partyraum auf ein weltweites Publikum erweitert, dem kein Spaß zu absurd ist, um ihn nicht weiter auszureizen. Dann ist da aber noch etwas ganz Altmodisches, die Trauer, eine Trauer, die einem das Leben wegfrisst, die den Toten zu viel Macht über die Existenz gibt, als dass es die Lebenden ausgleichen könnten. Hier helfen auch keine Abschiedsbriefe, die Gedanken der Trauernden drehen sich im Kreis, ihre Dämonen werden tatsächlich nicht locker lassen, obwohl der Film Heilung durch Zeit verspricht.
Das alles ist dick aufgetragen und subtil kann man das wirklich nicht nennen, aber „Talk to me“ ist eben kein konventionelles Drama, es ist ein Horrorfilm. Hier hört sich dann auch folgerichtig eine Kissenschlacht an wie ein Schusswechsel. Den Philippous ist eine bemerkenswerte Audiosprache gelungen. Der Film erzählt mit seinen Klingeltönen, seiner Musik, seinen Wasserplätschern und seinem allgegenwärtigen Krachen eine intensive Geschichte, die dann nur von den reißenden und brechenden Geräuschen der plötzlich einbrechenden brutalen Gewalt unterbrochen wird. Es sind intensive Momente, weil sie so gut vorbereitet sind und weil die Charaktere etwas bedeuten.
Sophie Wilde als Mia ist die Entdeckung des Films, sie trägt diese Welt mit ihrer Trauer und ihrer Unsicherheit, die immer wieder in manische Betriebsamkeit ausartet. Von tiefem Mitleid bis zu verzweifelter, aber entschlossener Gewalt reicht ihr Spektrum und sie trägt damit die Emotionen des Zuschauers über die Zielgerade. Was hier an Schuld dargestellt wird, ist schwer zu ertragen. Ohne Gefühl ist jeder Horror wertlos. Der Rest des Casts hat Stärken und Schwächen, aber Joe Bird als Riley liefert für sein junges Alter ebenfalls eine überzeugende Performance ab. Und natürlich ist es immer schön, die gute Éowyn wiederzutreffen.
Der Film hat einen besonderen Stil, der fast wie im Lehrbuch Einstellungen kreiert, die mit Farben und Kontrasten spielen. Die kippende Kamera ist hier ebenfalls keine Spielerei, sondern eine rhythmisch getaktete Eskalation von Szenen, die immer auf Tempo gehalten werden. Wenn hier der Hintergrund verschwimmt, dann weil er sich der Wahrnehmung unserer Protagonistin entzieht und wenn der Geist sich durch das Milchglas zeigt, dann weil wir langsam in der Trauer zu ertrinken drohen. Es ist erstaunlich, wie reif sich dieser Film anfühlt.
Gut kondensierte neunzig Minuten dauert das Ganze und dabei ist wenig zu sehen, das optional erscheint. Vermutlich ist der Film nicht so sehr in seine Horrorszenen verliebt, dass er jedem Fan gefallen wird, aber die Effektivität, mit der sie eingesetzt wurden, fand ich super. Der Film fühlt sich immer an, als hätte er einen Plan, ein Konzept, das ihn trägt und die schmutzigen Ecken dabei nicht meidet. Das ist kein Marketing Konstrukt, was man besonders am eleganten und ungewöhnlich konsequenten Ende merkt, hier stand die Vision vor der Drehbuch-Überarbeitung durch ein Studio.
So segelt der Film auf einem Grat entlang zwischen Arthouse-Drama und richtigem Horrorfilm, wird dem einen oder anderen zu sehr das Eine oder das Andere sein, aber man könnte ihn auch als befriedigende Ehe beider Seiten sehen. Ich jedenfalls fand ihn optisch fesselnd und interessant in seinen Implikationen, insgesamt damit als einen der besten Horrorfilme, die ich in den letzten Jahren gesehen habe. Das heißt nicht, dass er perfekt ist, aber gerade das hin und wieder improvisiert wirkende oder die Verkürzung und Verwirrung um die Motivation von Mia wirken eben trotzdem wie gewünscht. Das ist eine kleine australische Perle am Genre Himmel.
They Cloned Tyrone ist ein interessanter Mysterythriller in einem Umfeld afroamerikanisch geprägter Verschwörungstheorie Kultur. Das ist ein ungewöhnliches Thema und der Film geht locker und interessant damit um. Ganz speziell haben mir die drei Hauptdarsteller John Boyega, Teyonah Parris und Jamie Foxx gefallen, die alle ein bisschen overacting betreiben, aber das auf eine unterhaltsame Art und Weise. Die Story hat so ihre Logiklöcher und wirkt daher, sicher nicht ganz zufällig, wie eine Nancy Drew Folge für Erwachsene aber das störte mich nicht wirklich. Man kann dem Film vorhalten mit vielen Themen sehr leichtfertig umzugehen, Prostitution, Zuhälterei und Ähnliches sind hier oft nur Witze und die Ernsthaftigkeit des Themas kommt so schwer in Gang. Am Ende hat der Film aber schon ein Herz und erzählt mit viel Verständnis von einem Lebensgefühl, das geprägt ist von Hoffnungslosigkeit und dem vergeblichen Versuch des sozialen Aufstiegs. Das ist dann genug, um einen unterhaltsamen Film zu haben, der über dem Durchschnitt der Netflix Eigenproduktionen liegt, aber auch kein Meisterwerk geworden ist. Es ist aber ein lustiger Zeitvertreib für zwischendurch mit starker Musik.
„Saltburn“ ist ein Psychothriller mit Comedy und Drama Elementen von Emerald Fennell, und damit ihr zweiter Film, nach dem bemerkenswerten Debüt „Promising Young Woman“. Der Film hatte nur einen eingeschränkten Run in den Kinos und ist seitdem ein Hit auf Amazon Prime. Das liegt auch daran, dass er einige wohldurchdachte und explizite, für viele Personen eklig anmutende sexuelle Szenen hat. Das hat ihm sehr geholfen ihn populär zu machen, ist aber auch ein bisschen seine Bürde.
Aber seien wir ehrlich, der Film hat definitiv auch andere Stärken, zum Beispiel sieht er unverschämt gut aus. Cinematographer Linus Sandgren hat nach Babylon den nächsten beeindruckend aussehenden Film geschaffen. Die Bilder aus Oxford und dem namensgebenden Landsitz Saltburn sind betörend schön. Ich liebe diese englischen Landschaften, die Gärten, die Seen und diese großartigen Innenausstattungen, die allesamt nach den Jahrhunderten riechen. Man kann in diesen Bildern schwelgen, die einen in Kombination mit der Ausstattung auf Partys und in erotischen Nächten weghauen können. Leider ist man aber auf die Idee gekommen das Ganze in 4:3 ab zu filmen, und sicher wird es eine elaborierte Erklärung mit künstlerischem Hintergrund dafür geben, ich fand es aber eher prätentiös und unnötig.
Da sind dann auch noch die großartigen Schauspieler, allen voran der fantastische Barry Keoghan als Oliver Quick, der bisher in jedem der Filme, die ich mit ihm gesehen habe, eine verstörend gruselige Performance abbildet. Sein Gesicht, das so alt und gleichzeitig jung wirkt, kann so viel aussagen und mit so kleinen Gesten jeden aus der Ruhe bringen. Man nimmt ihm immer ab, dass ihn seine Mitmenschen gleichzeitig faszinierend und unangenehm finden. Mir hat dann auch Rosamund Pike gefallen, die in ihrer leicht überzogenen Performance für einige Momente wirklich Spaß in den Film gebracht hat.
Das alles hört sich an, als würde jetzt ein „aber“ kommen und ich fürchte, wir werden nicht umhinkommen über den Plot sprechen zu müssen, der sich des „Eat the Rich“ Genres annimmt, aber auch Elemente aller möglichen erfolgreichen Filme dazu wirft. Es entsteht ein Mischmasch an Ideen zwischen „Parasite“, „Interview with the Vampire“, „The Talented Mr. Ripley” und “Power of the Dog”, das vieles will und mich damit etwas frustriert hat. Die Erotik-Thriller Elemente werden konterkariert durch die erzwungene Extreme der Sexszenen, ohne dass Oliver so richtig Hals über Kopf involviert scheint. Die Spannung eines Thrillers will nicht aufkommen, weil der Plot durchschaubar ist, am Ende über erklärt wird und sich eh nicht besonders befriedigend anfühlt. Der „Eat the Rich"-Teil hat dann wiederum keine Seele, das Gefühl für diese Ratte will einfach nicht aufkommen und die Reichen sind Trottel, wie lustig, aber na und, sie sind zu überzeichnet, um glaubwürdig zu sein.
Ich glaube, man liest meine Frustration gut heraus, ich war gut unterhalten, aber nichts fühlt sich befriedigend an, weil sich alles stattdessen so konstruiert und aufgedrängt anfühlt. Es wirkt wie ein fünf Sterne Menü, das auf einem Mülleimer Deckel serviert wird, es ist schön, es riecht gut, aber ich will es trotzdem nicht genießen und das ist schade. Es fehlt dem Film ein Moment der Ehrlichkeit, ein Moment indem diese Figuren etwas von sich selbst zeigen, verletzlich werden, zu realen Menschen werden. Man hat immer das Gefühl, dass dieser Oliver ständig kurz davor ist und doch darf er nicht und bleibt dann immer nur eine Referenz zu anderen Filmen und wird nie zu sich selbst.
Aber um doch noch einmal einen Rückweg zu finden, will ich hier nicht falsch verstanden werden, „Saltburn“ ist meiner Meinung nach ein guter Film. Er ist nur kein Meisterwerk, wie die Filme, auf die er sich bezieht, er löst nichts in mir aus. Ich würde den Film aber trotzdem jedem empfehlen, da sind interessante Ansätze, da spielt ein Film mit Kram, den man ansonsten selten sieht und Keoghan spielt gut damit. Also schaut den Film ruhig, wobei dann doch noch mit mindestens einer Ausnahme: There are too many dicks on the Dancefloor. Wer damit nicht um kann, sollte die Finger davon lassen, ansonsten sieht man vielleicht mehr von Keoghan, als einem lieb ist…
Kathal - A Jackfruit Mystery ist eine romantische Comedy mit sehr dominantem Anteil an Sozialsatire und einem Krimiplot, der anfangs zwar nicht ernst wirkt, aber gegen Ende dann doch an Ernsthaftigkeit und Spannung gewinnt. Der Film ist in Hindi gedreht, liegt aber sehr überraschenderweise bei Netflix auch auf Englisch dubbed vor (Ich habe ihn in Hindi mit Untertiteln gesehen).
Fangen wir mit der Hauptdarstellerin Sanya Malhotra als Inspektor Mahima Basor an, die einfach fabelhaft ist. Dieser ernste Blick mit den leicht nervös zuckenden Gesichtszügen, wenn der ganze Wahnsinn dieser Welt auf sie einbricht, ist super. Das gilt dann auch für die durchdringend vernichtenden und gleichzeitig traurig dreinblickenden Augen, in die der arme Anant V Joshi als Wachtmeister Saurabh Dwivedi immer dann schauen muss, wenn er einmal wieder zu sehr wie ein typischer indischer Polizist gehandelt hat. Die beiden bilden ein süßes Paar, das einen sympathischen Kern für die Sozialsatire bietet, und das, im Gegensatz zu westlichen RomComs, einen wirklichen Konflikt auszutragen hat. Eine besondere Erwähnung verdient Vijay Raaz als Abgeordneter Munnalal Pateria, was ist das für ein ekliger Vogel und wie charmant, genüsslich und gemein spielt er sich das vom Leib. Der Typ ist eine Wucht.
Diese romantische Komödie bildet den Kern des Films, aber alles wird schnell von beißender sozialer Satire überschattet, die aber erstaunlich leichtfüßig und elegant in die Story gewebt wird. Allein der Konflikt, aufgrund der unterschiedlichen Kasten und ihrer Ränge bei der Polizei, unseres zentralen Paares, ist so herzzerreißend wie Mahimas Emanzipationsbestrebungen, die gerne von ihrer Umwelt mit mildem Lächeln oder gar mit offenem Sexismus quittiert werden. Zentral ist dann die offensichtliche Ausnutzung der Strafbehörden für persönliche Belange und die allgegenwärtige Korruption. Der Film greift das alles auf und lässt es wirken, als wäre es nichts. So schön lustig habe ich selten gesellschaftliche Dramen gesehen.
Das gilt dann auch für den Fall, der albern blöde mit der Jagd nach gestohlenen Jack Früchten beginnt und dann überraschend düster in Entführung und Menschenhandel abgleitet. Hier ist alles nicht schreiend komisch, aber auch nicht schrecklich dramatisch, auch wenn das alles eben doch ganz schrecklich und dramatisch ist. Die Endschlacht wirkt folgerichtig wie aus einem Benny-Hill-Film geschnitten und doch geht es dabei um das Schicksal eines unschuldigen Mädchens, das nichts getan hat, als zerrissene Jeans zu tragen und berauschenden Tee zu mögen. Das alles fügt sich seltsam organisch in eine leichte Kriminalkomödie zusammen und wirkt gerade daher so intensiv. Wer ohne großes Drama viel über indisches Drama erfahren will, ist hier daher genau richtig.
Der Film geizt mit Musik, es gibt nur ein paar nette Collagen ohne große Gesangseinlagen. Ansonsten ist die Cinematography passend, realistisch gehalten und angenehm praktisch. Das hatte genug Eleganz, um mir zu gefallen, ohne dass es je preiswürdig war.
Was bleibt, ist eine nachdenkliche Satire über das Kastensystem, Arm und Reich, Misogynie, Korruption und alles andere, was so schief laufen kann in der dörflichen indischen Gesellschaft. Ich war überrascht, wie angenehm ich den Film fand, der seine ernsten Themen so nett präsentiert. Ein kleines Juwel liegt da im Netflix Katalog herum. Man sollte aber keine richtige Komödie erwarten, der Film hat seine absurden und lustigen Momente, aber laut lachen musste ich nun nicht.
Jawan ist ein in Hindi gedrehter indischer Actionfilm und sicher ein typischer Vertreter des modernen Bollywood Kino. Die Handlung hier nachzuerzählen, würde das hier ausufernder machen als meine Kritik zu Oppenheimer und das ist der Film dann nicht wert. Sagen wir so viel: Die Story wird in vielen Twists und Rückblenden Stück für zusammengesetzt und dabei wird eine Menge Personal und eine fast wahnsinnige Menge an schicksalhaften und anstrengend dramatisch erzählten Hintergrundgeschichten offenbart.
Wie alle Filme dieses Genres macht der Film dabei alles mit voller Kraft, hier ist alles größer und dramatischer als sonst wo. Niemand hat kein ganz schlimmes Schicksal und nichts ist nicht ganz hoch angebunden. Ein bisschen überrascht war ich, dass ein solcher Blockbuster Film seine Story am Sozialen aufhängt. Es geht die ganze Zeit um die Ungerechtigkeit eines korrupten Staates in Zusammenarbeit mit einem Milliardär, der die Politik kontrolliert und Menschen durch Umweltverschmutzung, finanziellen Ruin, Entzug von medizinischer Versorgung und mit Intrigen in den Abgrund treibt. Was final tatsächlich in einem Aufruf an die Filmzuschauer endet, sich bei Wahlen mehr mit den Zielen der Parteien zu beschäftigen und ernsthafter im Interesse des einfachen Mannes zu wählen, eine überraschende Botschaft in diesem wilden Film.
Lösen kann das Problem dann aber doch nur ein kräftiger, obercooler Mann, so männlich dass er faktisch nur erigiert daherkommt und das gleich in doppelter Ausführung. Shah Rukh Khan ist schon ein Phänomen und ehrlich gesagt von allem Zuviel. Er und er selbst schießen und prügeln sich dann durch die Massen an Gegnern, was fanatisch inszeniert ist und vor allem Adrenalin und Spaß ausstrahlt, was modernen Hollywoodfilmen immer mal wieder abgeht. Die Fantasie, mit denen hier Action-Szenarien erstellt werden, ist überschäumend. Das machte mir tatsächlich großen Spaß und ließ die langen Phasen dazwischen zumindest teilweise vergessen.
Besonders die eingestreuten Musical-Einlagen sind aber schwierig, weil sie sehr wie Fremdkörper wirken und eher mittelmäßig fetzen. Einiges ist gut choreografiert und es beeindruckt immer wieder, was man in Indien noch mit Komparsen machen kann, wenn zum Beispiel an die 100 Leute gleichzeitig zu einer Nummer tanzen, aber irgendwann fing es an, heftig zu nerven. Das trifft dann besonders auf Liebes Nummern zu, die arg schmalzig daherkommen und wie oft kaum irgendeine Chemie zwischen den Protagonisten aufkommen lassen. Dieser Mann küsst hier nur einmal wirklich glaubwürdig und da küsst er sich selbst. Nayanthara als Frau der jüngeren Version von Khan hat mich dagegen kalt gelassen, ich fand die Chemie mies und ihre Performance steif. Sangay Tsheltrim als Stieftochter Suji ist dagegen wirklich süß aber mein Gott wirkt diese Rolle aufgedrückt und kalkuliert.
Dass die Handlung unglaubwürdig ist, muss man bei Bollywood Action nicht dazu sagen, aber auch mit dieser Akzeptanz war mir das zu viel von allem. Es ist irgendwann wie nach der dritten Tüte Kartoffelchips, man sehnt sich nach einem kalten Apfel und einem Brechmittel. Seltsamerweise fasziniert dieser Wahnsinn trotzdem über den größeren Teil seiner ewig langen Laufzeit, was einfach an der unendlichen Energie dieser Filme liegt. Ich mochte auch den Ansatz, einmal einem Milliardär als Bösewicht zu erzählen, und freue mich schon darauf, wenn Hollywood Elon Musk in die Luft sprengt. Aber so überzogen, wie das alles ist, wollte bei mir auch bei den schrecklichsten Schicksalen kein wirkliches Gefühl mehr aufkommen. Das ist alles zu dick aufgestrichen, das kann man nicht verdauen.
Der Gedanke, der mir immer wieder kam, ist eine gewisse Abneigung gegen diese Gewalt gegen Unschuldige, die diese Filme so zelebrieren. Das Erhängen, die erstickten Kinder, die angedrohte Vergewaltigung, die Folterszenen, das alles kommt gefühlt in jedem dieser Filme vor und auch wenn es negativ geframt wird, baden die Filme für meinen Geschmack zu sehr darin. Es ist ein immer wieder zwiespältiges Gefühl, diese Action-Flixs aus Indien zu sehen. Denn da ist eine Faszination, die Hollywood mittelfristig gefährlich werden könnte. RRR hat gezeigt, dass mit etwas mehr Fokus, weniger Musik und etwas besser erzählter Liebesgeschichte ganz schnell ein international konkurrenzfähiges Produkt entstehen kann.
Ich habe das Gefühl, dass diese Filme gar nicht mehr so weit davon entfernt sind, den „Mission: Impossibles" dieser Welt den Kinosaal streitig zu machen. Im Moment ist das aber noch zu unfokussiert, zumindest für mich…
Freaks Out ist ein italienischer Fantasyfilm von Gabriele Mainetti, wobei es sich um eine sehr historisch geerdete Fantasy handelt, die ein Alternate History Setting aufwirft. Was es gleichzeitig zu einem Weltkriegsdrama macht, mit allem, was dazu im faschistischen Italien gehört. Es geht dabei um vier „Freaks“, Menschen mit besonderen Fähigkeiten und besonderem Aussehen, die in ihren Fähigkeiten irgendwo zwischen Superhelden und Kleinkünstlern rangieren. Sie werden unfreiwillig in die Wirren des Krieges gerissen und müssen dann mit einer Art faschistischem Gegenstück ihrer selbst kämpfen.
Das ist viel einfacher im Film, als es hier klingt, im Grunde ist es ein Blockbuster Konzept, das mit typisch italienischen Elementen aufgehübscht ist. Es ergibt sich so eine Mischung aus Inglourious Basterds und Pinocchio, dass mit Satire und abstrusen Humor spielt, und doch ein ernstes Drama ist. Genau das macht den Film dann auch interessant. Er spielt mit so vielen Elementen und etabliert dabei neue und unerwartete Bilder, ganz speziell in seinem Umgang mit dem Faschismus, der, ganz ohne beteiligte Italiener, als deutsche Lächerlichkeit, mit ernsten Auswirkungen und großer Brutalität präsentiert wird.
Davon abgesehen aber wird eine simple Superhelden Story erzählt, die leider durch und durch vorhersehbar ist aber seine Handlungselemente immer wieder als große und zeitaufwendige Kraftakte präsentiert, in denen minutenlang irgendeine weitere Stufe einer Fähigkeit hervorgezaubert wird. Das ist vor allem in seiner Repetition etwas ermüdend, man hat den Dreh dann schon irgendwann raus und weiß das die von Aurora Giovinazzo gespielte Matilde, diese Tür schon aufbekommen wird, aber dass man eben noch fünf Minuten dabei zusehen muss, bis sie ihre Kräfte gesammelt hat.
Das ist ein zauberhafter Film, der ein Gespür hat für die Revue, für absurde Schauplätze aber auch für schöne italienische Landschaften. Das macht die ganze Zeit Spaß, ich jedenfalls mochte es sehr, diese neuen Ideen und Orte zu sehen. Das ist für eine europäische Produktion großartig und überdurchschnittlich gut gelungen. Schauspielerisch war ich nicht ganz so überzeugt, Subtilität ist nicht die Sache des Casts, das alles hat einen massiven Overacting Charme, aber, wenn man sich daran gewöhnt hat, geht das meistens schon. Meins war das aber nicht so ganz und Franz Rogowski als Franz fand ich regelrecht enervierend gerade mit gerade mit seinem Lispeln.
Der Rest ist ehrlich gesagt etwas schwer zu bewerten. Fangen wir so an: Ich mochte den Film und ich mochte seine abstrusen Ideen, das war streckenweise gute Unterhaltung. Der Film bedient sich einer Tradition der absurden Komik und vermischt ihn mit der Nazi Ästhetik und erschafft dabei etwas, das sich neu anfühlt, wie oft kann man das schon von einem Film sagen. Die krasse Mischung aus ernsten Themen mit heftigen Gewaltspitzen und der absurden Komik hat mich zumindest gefesselt.
Wenn man dann aber mal ein bisschen nachdenkt, fällt einiges davon auch wieder in sich zusammen oder wird sogar etwas unangenehm. Es geht sichtlich darum, zu zeigen, dass die Diversität über ein homogenes und in seinem steifen Auftreten lächerliches System siegen wird. Leider mäandert der Film dann aber lange herum, macht ein paar Nebenschauplätze auf und zerfasert sich in einzelne Szenen, die nicht immer so spannend sind. Wie schon geschrieben fehlt ihm hier auch etwas Timing und der Film wird gerne einmal zäh und inkonsequent in den Fähigkeiten seiner Protagonisten.
Der Film ist dann auch etwas zu verliebt in seine Gewalt, das fühlt sich ganz speziell deshalb so merkwürdig an, weil der Film viel aus der Sicht der Nazis erzählt, man könnte dazu neigen Franz als den eigentlichen Hauptdarsteller des Films zu sehen und vor allem als die Figur, welche die Macher am meisten faszinierte. Über die „Freaks“ dagegen erfahren wir erstaunlich wenig, ihre Charaktere und Motivationen blieben untererzählt und daher auch wenig nachvollziehbar. Mal gehen sie problemlos auseinander, dann sind sie wieder ein Team, es ist eine merkwürdige Partnerschaft, die hier gepflegt wird. Die seltsame Liebesgeschichte lasse ich dann ganz außen vor, die ist wirklich eingepresst und unnötig.
Der Film wirkt inkonsequent und wenig zielgerichtet, er ist mehr verliebt in seine Welt als in seine Protagonisten. Das macht ihn interessant, aber als Meisterwerk würde ich das nicht durchgehen lassen. Das ist aber trotzdem eine Empfehlung, einfach, weil es ein so besonderer Film ist, der eine interessante Welt kreiert und damit spielt. Da kann man ruhig einmal reinsehen.
Bottoms ist eine moderne Version der Teenagerkomödie mit leicht anarchistischen, satirischen und fantastischen Elementen von Emma Seligman. Es ist erst ihre zweite Regiearbeit nach dem gefeierten Shivababy und als Genre zumindest eine ungewöhnliche Wahl. Der Film ist dazu ganz sichtlich ein Indie-Film mit überschaubarem Budget realisiert, aber er bietet eine interessante Erfahrung. Ein Team aus zwei Lesben, die sich durch einen Fightclub in die Herzen und an die Körper ihrer Mitschülerinnen, und ganz besonders an die der Cheerleader heranschleichen wollen, ist schon im Ansatz eine gewagte Plotidee.
Bottoms dekonstruiert das Genre Tennagerkomödie, ist dabei eine Satire auf sich selbst und aller Regeln dieser speziellen Welt. Das erschafft dann etwas erfrischend Eigenes, das im Laufe des Films dann auch immer weiter ausufert und schließlich in völliger Anarchie endet. Ich mochte das Ende in seinem ganzen Horrorkomödienhaften Wahnsinn. Die Probleme, die der Film hat, sind aber in allen seinen Stärken immer gleich mit eingebaut. So wie hier der Wahnsinn etwas zu plötzlich aus dem Nichts kommt, weil er zuvor nicht wirklich in der Welt verankert wurde, so trifft das auf viele positive Punkte zu, die ich gleich noch nennen werde. Der ganze Film ist eine einzige Liste von sowohl als auch Punkten.
Vielleicht der einzige reine Pluspunkt ist die wunderbare Ayo Edebiri als Josie. Sie schafft es wie schon in der Serie „The Bear", eine Unsicherheit gepaart mit so vielen sympathischen Vibes auszustrahlen, dass ihr das Kunststück gelingt, dieser Figur wirklich Leben einzuhauchen und damit dem Film das bisschen Herz zu geben, das er hat. Rachel Sennott als ihre Partnerin in Crime PJ, scheitert leider an genau dieser Aufgabe etwas, ihre Performance ist von nervöser Energie geprägt, bei der die Tragik häufig außen vor bleiben muss.
Das ist dann auch mein größter Kritikpunkt an dem Film. Für mich fehlte eine Fallhöhe im Film, die nur aus der Freundschaft der beiden und der spürbaren Verzweiflung danach Liebe finden zu wollen, entstehen könnte, und mir war die Beziehung der beiden dafür zu oberflächlich, bzw. wirkte eben nur Josie glaubwürdig verankert in dieser Welt. Mir fehlte in dem ganzen Film ein Gespür für diese Welt, für ihre Ernsthaftigkeit außerhalb des Wahnsinns. Ich fand den Film immer etwas halb und halb, der wollte immer alles und erreichte deshalb zu wenig. Etwas mehr Zeit und Charakterentwicklung hätten auch den anderen Mädchen gut getan, die ich alle mochte, weil sie interessante Tropen repräsentierten, aber sie alle blieben, wie schon die beiden Hauptdarstellerinnen, etwas zu kurz erzählt, hatten immer etwas zu wenig Screen Time und Geschichte.
Dazu kommt der Humor, der ziemlich Geschmackssache ist und mich nicht so getroffen hat. Die erste halbe Stunde des Films fand ich anstrengend und öde, erst als eine der Liebesgeschichten in Gang kam und der Film ganz langsam damit anfing abzudrehen, wurde er für mich interessanter. Leider zieht er das dann alles nicht konsequent durch und bei allem Mut zum bösen Witz zünden diese dann eben oft nicht.
Der Film fühlt sich allerdings wie etwas an, das ausbaufähig ist und vielleicht liegt hier so etwas wie die Neubelebung eines Genres vor. Der Film ist allerdings nicht der letzte Schritt, sondern eher der erste dahin. Vieles ist zu kurz gesprungen und vieles fühlt sich besser gemeint als gemacht an. Dazu kommt ein netter Soundtrack und eine ab und zu ganz interessante Kameraführung mit gutem Framing, aber insgesamt wenig optischen Highlights. Das alles ergibt leider nur einen mäßigen Film, dem ich nicht so viel abgewinnen konnte. Ayo Edibiri wird aber ihren Weg gehen und die letzten 15 Minuten des Films werde ich noch eine Weile in Erinnerung behalten, das ist doch immerhin etwas.
Sonne und Beton ist eine Verfilmung eines in Teilen biografischen Romans von Felix Lobrecht und weckt starke Assoziationen als eine Art deutsches „Kids“. Das ist Filmen auf dem schmalen Grat vor absoluter Peinlichkeit, aber der Film strahlt dabei eine fast dokumentarische Glaubwürdigkeit aus. Dazu trägt bei, dass nur Eltern und Lehrer mit bekannten deutschen Schauspielern besetzt wurden, dagegen sind die Jugendlichen alle ohne Schauspielerfahrung und spielen tatsächlich potentielle Varianten ihrer selbst bzw. ihrer Welten.
Das hilft ganz besonders der Sprache, die einmal nicht gekünstelt rüberkommt, sondern hart und direkt wirkt, wie man das in einem Berliner Brennpunkt erwarten würde. Der Film ist sich da auch nicht zu schade kein gutes Haar an allem zu lassen, was dort abgeht, ohne jemanden zu schonen oder irgendeine Form von Anpassung vorzunehmen. Es ist eine Milieustudie von erstaunlich intensiver Wucht.
Ich mochte sehr, wie unangenehm die Jungs und ganz besonders Julius rüberkommen, was habe ich diesen Wichser gehasst. Was gut ist, denn da ist dann eben Platz für eine Entwicklung, Stück für Stück erfahren wir mehr und da wächst so etwas wie Verständnis heran. Nicht dass man das alles gutheißt, der Film will keine Zustimmung, er will das wir als Zuseher verstehen. Das ist ein großartig erwachsener Ansatz und der gute Julius profitiert davon, weil man ihm am Ende einfach ein schönes Leben wünscht, ganz ohne viel Pathos dabei zu entwickeln. So etwas erlebt man selten in einem Film und noch seltener in einem deutschen Film. Anbiederung ist nicht die Sache des Films, das sinnlose Feiern einer Kiez-Romantik aber gerade auch nicht.
Ich war ehrlich gesagt beeindruckt vom Erlebnis und saß da gespannt wie beim ersten Mal Kids oder Trainspotting schauen. Die Musik wirkt dabei aufgesetzt und unsubtil und ist genau deshalb großartig. Man kann Sidos Arschficksong nicht unironisch spielen aber ein wütender Junge, der gerade verprügelt und gedemütigt nach Hause kommt, und dort nur auf seine 68er Eltern mit ihren pazifistischen Sprüchen trifft, darf genau das so laut aufdrehen, das die Wände wackeln und die Eltern aber auch jede Zeile mithören müssen. Das wirkt und es lockert den Film auf, der in seinen großen und kleinen Dramen nicht immer angenehm, aber unterhaltsam daherkommt.
Der Film ist ein Phänomen und fast ist es da gemein, ihm vorzuwerfen, dass die Kamera ein wenig zu gewöhnlich daherkommt. Die Bilder sind Standard, der Filter zu orange und das alles lässt etwas Eleganz und Erinnerungswürdiges fehlen und doch ist er sich damit eben treu. Immer in der Hektik hat dieser Realismus dann seine Stärken, besonders wenn wir hektisch mit den Jungs durch die Straßen flüchten. Die Bilder blicken auf eine Welt aus Beton mit ein paar grünen Tupfen und sind damit so wie das Leben das diese Jungs führen werden. Aufstieg wird es hier nicht geben.
Das Politische: Der Film ist unpolitisch und doch sehen wir Kanzler Schröder im Fernsehen, wie er daran arbeitet, den Mindestlohnsektor zu etablieren. Wir sehen, wie diese Jungs es aufgegeben haben, von irgendeinem Aufstieg zu träumen, sie brauchen nicht zu sparen, weil es eh nie reichen wird, für das, was sie sich wünschen. Keine Arbeit, die man ihnen anbieten wird, kann sie da herausholen. Es ist ein hoffnungsloser Film, in dem sich die Protagonisten daher ganz folgerichtig immer wieder gegeneinander wenden. Felix wird dann auch von seinem eigenen Bruder abgezogen, es ist die Welt, in der jeder auf den anderen steigen will, um ein Stück näher am Himmel zu sein.
Das ist pragmatisch und wertungsfrei erzählt. Die Illusionslosigkeit dieser Klassengesellschaft ist schonungslos und hart. Das macht diesen Film zu etwas Besonderem und zu einem Film, den man gesehen haben muss…
Mission: Impossible – Dead Reckoning Part One ist der siebte Film der Reihe und irgendwie auch Teil eines Duos, dessen zweiter Teil, der dann nicht mehr zweiter Teil heißen wird, nächstes Jahr erscheinen soll. Es ist ein Film, der nach allem, was man so hört, nicht so erfolgreich war wie erhofft und erwartet. Man liest auch immer wieder erstaunte Stimmen darüber, aber meiner Meinung nach wanderte die Reihe, die ich erst dieses Jahr noch einmal kurz hintereinander gesehen und reviewt hatte, immer auf schmalem Grat, von dem man auch schnell stürzen kann.
Dabei sind es viele kleinere Dinge, die mich am Film etwas verzweifeln lassen haben. Das erste ist dieses schreckliche moderne Ding mit den zwei Teilen. Dieser Film führt nirgendwohin. Wie auch immer der zweite Teil sein wird, eines kann man jetzt schon sagen, diesen Film wird man dazu nicht gesehen haben müssen. Er wird starten mit der Crew, mit einem Auftrag und einer immer noch unbekannten Bedrohung. Es wird sein, als hätte es diesen Film nie gegeben.
Der Film, der dann auch noch in alte Schwächen zurückfällt. Da fängt der gute Tom Cruise tatsächlich wieder damit an, den gesamten Film damit zu verbringen, eine rehäugige mysteriöse Brünette zu retten, die ihn aber die ganze Zeit gegen jede Logik verarscht. Schon wieder wird das Franchise zum Cruise Dating Portal und verlässt den erfolgreichen Weg, eine Frau einmal tatsächlich und wirkungsvoll in das Team zu integrieren. Hayley Atwell ist okay in der Rolle, aber sie hat gar nichts zu tun…
Dazu war die Reihe immer dann am besten, wenn sie einen Heist erzählte, und natürlich gibt es keinen Heist in diesem Film, die Reihe lässt ihren verdammten Signature Move einfach fallen, um dafür ewige simple Bullshit Dialoge über irgendeine Entität zu führen. Es ist so ermüdend dem Film beim Techbubbeln zuzusehen, als wäre ein neues Star Trek Voyager Skript bei McQuarrie auf dem Klo gefunden worden. Der Pathos und die Weltuntergangsstimmung standen Reihe auch noch nie, Cruises unbewegtes Gesicht macht das dann auch nicht besser.
Dazu kommt, dass auch schon wieder ein effektiver Bösewicht fehlt. Die Entität ist körperlos und bisher wenig definiert indem was sie tun will und was sie nun eigentlich für eine Bedrohung ist. Der arme Esai Morales dagegen hat nicht viel zu tun, außer sehr klein mit seinen Messerchen, auszusehen und bedeutungsschwanger zu gucken als wäre er ein Stuntdouble, das man aus Versehen ins Bild geschubst hatte. Pom Klementieff darf dann nicht einmal das, ihr Text passt auf genau einen Bierdeckel.
Der Rest ist dann gewohnt schön, wobei der zumindest auf HD Blu-Ray gar nicht mehr so beeindruckend aussieht wie Oppenheimer, den ich ein paar Tage zuvor gesehen hatte. Die Kamera ist zu nahe dran, die Kontraste zu hoch und insgesamt wirkt es hier mehr künstlich als man von den Practical Effect Königen, um Cruise erwarten würde. Ja, ich meine auch dich: Sandsturm. Trotzdem macht die Verfolgungsjagd durch Rom was her, auch wenn es Cruise immer noch an komödiantischem Talent für eine solche Slapstick-Comedy fehlt. Die ganze Zugszene ist super und auch der Sprung mit anschließendem Fallschirmflug ist etwas Besonderes, allerdings hatte den die ganze Welt eh schon gesehen, ohne den Film gucken zu müssen.
So ist das alles viel zu lang, hat nicht das Licht und die Coolness von John Wick, nicht die Eleganz von Dune und nicht den Score von Oppenheimer. Wenn man dann mitten in den größten Kinohype des Jahres startet, wird man eben gefressen. Hoffen wir, dass die Reihe trotzdem noch einen schönen Abschluss findet, aber dieser Teil war leider nur so mittel. Man kann das gucken, und so viel Auswahl an solchen Blockbustern gibt es normalerweise nicht, aber im großen Ganzen war mir das zu wenig und nach Fallout und Rogue Nation wieder ein Rückschritt.
Das Lehrerzimmer ist ein intensiver, fast Thriller artiger Film über zwischenmenschliche Konflikte. Ein Film über eine Lehrerin, die versucht konsequent bei ihren Überzeugungen zu bleiben, sie will dabei alles richtig machen und macht doch nur alles immer schlimmer. Gute Intentionen sind der Weg in die Hölle, eine Hölle, in der sich alle anschreiben.
Das ist dabei ein arg konstruierter Film, der viel zusammen schmeißen muss, um die Situation zu erhalten, an der er sich abarbeiten will. Das Lehrer unmarkierte Geldscheine in den Portemonnaies Minderjähriger suchen ist schon ein ganz schön gewagter Einstieg in eine Situation, die unter diesen Startbedingungen noch viel früher eskaliert wäre. In unserem Betrieb jedenfalls gibt es definierte Abläufe in Absprache mit HR und Betriebsrat, was das Thema Diebstähle angeht, in dieser Schule macht das offenbar lieber jeder, wie er gerade mag. So soll eben alles an unserer Protagonistin hängen bleiben und der Film hat großes Glück, dass er dafür die richtige Schauspielerin gefunden hat.
Leonie Benesch als Carla gibt eine überragend überzeugende Frau, die mit ihrer Körpersprache und ihrer Mimik alles erklärt, was man wissen muss. Nichts bleibt hier verborgen, was diese Frau fühlt. Das ist subtil gespielt und herzzerreißend gut, alleine ihr Unterricht wirkt so lebensnah. Ganz im Gegenteil, wenn der Film dann plötzlich auch noch mit Visionen auffährt, geht er damit ein bisschen zu weit, es wäre nicht nötig gewesen, wir haben gesehen, was in ihr vorgeht.
Die Kameraführung ist einfach gehalten, erzeugt aber eine überzeugende schulische Atmosphäre, die ein interessantes kaltes Farbspektrum bespielt. Die Idee, das alles auch in dieser Schule spielen zu lassen und uns gar nichts von den Menschen außerhalb dieses Mikrokosmos zu zeigen, erweist sich als sehr wirkungsvoll. Die Musik ist mir aber etwas auf die Nerven gegangen, ich habe schon etwas gefühlt, die Mucke muss mir das dann nicht auch noch aufzwingen wollen.
So habe ich einen interessanten Film gesehen, der die Unmöglichkeit menschlicher Konflikte gut aufzeigt, Gruppenbildung und Eigeninteressen stehen immer im Weg, wenn es um die Wahrheitsfindung geht. Das hat dann fast den Spannungsbogen eines Horrorfilms und endet auch entsprechend auf einer ironisch gebrochen Note, um den Zuschauer da unbeschadet wieder herzubringen. Das geht sich dann alles einigermaßen aus, auch wenn ich nie wirklich glücklich mit seiner Konstruiertheit war. Ein bisschen zu viel war mir dann Carlas unendlicher Langmut und ihre Naivität, sich ständig in eine weitere unmögliche Situation zu stürzen.
Trotzdem hatte das seine Wirkung und ich musste dann auch kurz anhalten, um herunterzukommen, als wäre das ein Film von Gaspar Noé. Das ist dann auch das, was der Film erreichen wollte, genauso wie die Tatsache, dass wir einmal innehalten und uns über Schuldzuschreibungen, Selbstbezogenheit und Diskussionskultur Gedanken machen. Soweit war das also ganz wirkungsvoll. Das ganze Elend von Eltern-Whatsapp-Gruppen ist aber sicher eh jedem bekannt…
Auf Letterboxd schrieb jemand: “Portrait of a lady on fire but with german bulimic lesbians", das ist ein bissel bös, lustig in seiner Direktheit, aber es trifft nicht wirklich den Kern des Films, also von der “bulimic” einmal angesehen. Einmal mehr dekonstruieren die Österreicher hier ihre heilige Sisi, nur hier mit noch mehr bösen Humor als in Corsage. Das ist im Prinzip eine Screwball Komödie über die Hassliebe zweier Frauen, die sich immer wieder weh tun und doch aufeinander angewiesen sind. Das macht das Ende dann auch glaubwürdiger als jenes in Corsage. Der Film lief völlig unter dem Radar und das ist ein bisschen traurig.
Sandra Hüller belebt Irma Gräfin Sztáray als unsichere Frau mit tiefen religiösen Gefühlen und einer Abneigung gegen Männer. Sie scheut dabei keine Slapstick-Szene und ist in ihrer Art wunderbar komisch. Die Kunst ist hier die Würde zu bewahren und das gelingt ihr auf eine leise und nachvollziehbare Art. Susanne Wolff als Kaiserin Elisabeth (Sisi) dagegen präsentiert ihre Figur mit einer steifen Rastlosigkeit, die sich immer wieder in feinem und gemeinem Sadismus eingeht. Ihre Sehnsucht danach, ihr Leben mit einer wirklichen herosexuellen Liebe zu verbringen, führt sie in dieses unangenehme Tal der Ambivalenz mit den wenigen Personen, die ihr nahe sein dürfen. Eine Kaiserin ist niemals allein. Der Schmerz, den sie dadurch ausstrahlt, ist hart anzusehen, dem Zuschauer bleibt fast nichts anderes übrig, als auch eine Hassliebe zu ihr zu entwickeln. Eine besondere Erwähnung verdient Georg Friedrich als schwuler Erzherzog Viktor von Österreich, der den beiden Starschauspielerinnen jede Szene stielt. Der kocht vor Energie und wilder Obszönität. So daneben benehmen darf man sich auch in deutschen Filmen selten.
Der Film setzt dabei auf wunderschöne Settings in Korfu, England und in Algerien, mit vielen Details sehen diese Orte allesamt fantastisch aus. Kamera und Ausstattung erzeugen einen seltsamen, aber interessanten Mix aus Art Deco Chic und modernen Elementen. Die Welt bleibt damit nahe und doch ist sie in eine zeitlose Traumwelt eingeschlossen. Der verstörend präsente und aggressive Soundtrack tut dann sein Übriges, den Film zu einer bitterbösen Satire zu machen. Besonders schön vereint er sich dann mit den Bildern, wenn Irma plötzlich moderne Popsongs mitsingt, während sie über die Klippen von Korfu stolpert. Das ist gleichzeitig schön anzuschauen und bedrückend in seinem Realismus.
„Wer eine so schöne Nase hat, der kann sich alles erlauben.“
Der Film erzählt wie schon Corsage nicht über eine reale Sisi, sondern über ihre Entsprechung in der aktuellen deutschsprachigen Welt. Man könnte auch sagen über die gleiche Hassliebe die Teile der Bevölkerung mit ihr haben wie Irma auch. Das macht der Film weniger elegant als Corsage, mit dem man ihn zwangsläufig ständig vergleichen muss, aber dafür ist er mit so viel mehr Ironie und Spaß an der Zerstörung gefilmt. Am Ende sahen wir dann etwas zu viel Wiederholung in den immer gleichen Abläufen, aber ich hatte jedenfalls viel Spaß beim Gucken. Das ist für jeden, dem das deutsche Drama in seiner Ernsthaftigkeit zu steif ist aber die normale Komödie zu wenig Tiefgang hat.
Ach und weil ich hier entsprechende Erwartungen gelesen habe: Es gibt keine lesbische Liebe im Film, das ist alles nur unter der Oberfläche.
Holy Spider ist ein beeindruckender, aber gleichzeitig bedrückender Film, der sich an der Oberfläche mit einem Serienmörder im Iran beschäftigt, der aber viel mehr über tief in der Gesellschaft verankerte Frauenfeindlichkeit erzählt. Dafür weicht der Film auch von den wahren Ereignissen um die Morde in Mashhad. Aber auch so sind die Bilder und die bedrückende Welt des Mörders schon intensiv genug. Es wird lieber eine weitere Ebene mit der Journalistin aufgemacht, um nicht noch mehr um den Mörder zu kreisen. Seine Sicht und sein erstaunlich normales Leben mit seiner ihn unterstützenden Frau sind aber trotzdem präsent genug, um sich ein Bild machen zu können.
Beide Hauptdarsteller, aber besonders Mehdi Bajestani als der Frauenmörder Saeed Azimi, geben großartige und überzeugende Vorstellungen, die den Film tragen. Bajestani beeindruckt dabei besonders mit seinem Wechsel zwischen liebem bemühten Vater und Ehemann, einer mehr weniger subtilen Schwäche, die aus einer posttraumatischen Belastungsstörung herzurühren scheint und dem religiösen Fanatismus mit einer unterdrückten auch sexuell geprägten Machtsucht. Das alles wird deutlich und doch erkennen wir schnell, dass alle Aspekte in ihm zu kämpfen scheinen und erahnen, dass manchmal dies und manchmal jenes mehr oder weniger Raum erobert. Zu vereinen scheint das alles nur ein Geltungsdrang, dem sich durch seinen einfachen Stand in der Gesellschaft nicht Ausdruck verleihen lässt.
Ganz im Gegensatz dazu steht Zar Amir Ebrahimi als Journalistin Arezoo Rahimi, die viel Kraft zum Ausdruck bringt, aber auch immer wieder ihre eigene Angst artikuliert. Es ist eine Angst, die allgegenwärtig ist, in dieser für eine Frau so gefährlichen Gesellschaft. Mit ihrem Mut, sich dem entgegen zu stellen, steht sie wiederum im Kontrast zur Frau von Saeed, dargestellt von Forouzan Jamshidnejad, die bedrückend jung gegenüber ihrem Mann erscheint.
Die Bilder des Films sind dabei gelungen und werden von einem intensiv druckvollen Soundtrack unterstützt. Es wurde nicht im Iran gedreht, trotzdem erzeugt der Film eine glaubwürdige Atmosphäre. Die Wohnungen und die Stadt wirken realistisch und überzeugen. Die Morde an den Prostituierten werden hier genauso brutal und direkt gezeigt wie das elende Leben, das diese Frauen in der bigotten Welt dieser Stadt führen müssen. Das ist herzzerreißend anzusehen.
Der Film ist hier zu direkt, indem er die Morde lange und detailliert ausschmückt, damit erzeugt er dann zwar den Ekel, den er erreichen will, aber das Ganze hat auch etwas unangenehm Voyeuristisches. Man merkt dem Film aber immer an, dass er einfach ein breites Bild der Misogynie im Land erzählen möchte. Dazu gehören dann auch die Bilder einer scheinbar glücklichen Familie im Kontrast mit brutalen Tötungen. Ein kurzer Moment bei einem Familienausflug zeigt dann aber auch, wie nahe auch diese Familie daran ist in Gewalt zu versinken. Genauso heftig ist dann auch eine eheliche Sexszene, in dem eh insgesamt erstaunlich expliziten Film, die wirklich verstört mit ihrer Nähe zwischen Sex und Gewalt.
Das alles summiert sich zu einem harten Drama mit einer fast hoffnungslosen Sicht auf das, was die Diktatur und die von ihr vereinnahmte Religion mit dem Iran und seinen Bewohnern macht. Das Ende ist dabei von einer in seinem Realismus erschütternden Direktheit. Es ist harte Kunst zu sehen, aber dabei spannend und intensiv erzählt.
Tja, Tár, der Film mit der schönen Schreibweise, ist etwas, das man vielleicht als typischen Oscar Bait bezeichnen könnte. Im Gegensatz zu Coda hat er ihn aber nicht gewonnen und es ist tatsächlich ein guter Film. Ja, der Film wagt zu wenig, er greift große Themen wie Machtmissbrauch, Cancel Culture und Kunst vs. Künstler auf, aber er macht ehrlich gesagt damit dann wenig. Ins offene Wasser der Ambivalenz will der Film nicht so recht hinaus schwimmen, aber ehrlich gesagt: Who cares?
Ich mochte den Film, der mehr oder minder komplett auf Cate Blanchett als Dirigentin, Genie und Taktgeber Lydia Tár ausgerichtet ist. Sie ist scheinbar auch eine Dirigentin, denn nichts anderes mag man nach dem Film glauben. Was man aber merkt ist, dass der Film ursprünglich für eine männliche Hauptrolle gedacht war, aber dieser Wechsel gibt dem Film etwas Faszinierendes. Gerade weil Frauen diese Herren über Machtinstrumente so selten sind, sie daher auch selten missbrauchen, macht eine Umdrehung der realen Tatsachen hier Spaß und Blanchett interpretiert das brillant. Ihr ganzer Gestus und ihres Präsens einen Raum zu dominieren, ihn zu taktieren, jedes Interview in ihre Richtung zu lenken und alle Anwesenden danach tanzen zu lassen, erzeugt die Wirkung des Films.
Es erzeugt auch die tragische Komik, die den Film umgibt. Diese Frau, die nichts so sehr liebt wie die Kontrolle und die nur dafür zu leben scheint, muss untergehen und wir dürfen ihr dabei zuschauen. Es ist eine minutiöse Studie über den Einfluss von Macht und wie sie zum einzigen Mittel werden kann, wie sie auch sexuelle Lust ersetzt und am Ende jegliche menschliche Zusammenarbeit verdrängt. Es ist eine Sucht, die wir hier sehen, die gefördert wurde vom Geniekult und von den Machtstrukturen patriarchaler Systeme in der Entwicklung klassischer Musik oder wie Tár es einmal ausdrückt: „An orchestra is no democracy“.
Der Film unterstützt das, indem er Blanchett machen lässt und indem er die ganze Welt in kalten Farben taucht, die Interieurs in modernen Designs zeigt und indem ein ständiger strenger Takt den Film bestimmt, auf seinem Weg in den komischen Untergang. Das Ende ist dann angemessen absurd und auch wenn der Film ganz schön lang ist, fühlt sich kaum etwas davon verschwendet an. Das ständig Repetitive, das Aufwachen in der Nacht, das rastlose Joggen, die Autofahrten, das alles wird immer ein bisschen rastloser, immer ein bisschen traumhafter. Je mehr Tár an ihrem Tun und an ihrer Sucht alles zu bestimmen hängt, desto absurder wird das alles.
Was reitet sie nur noch kurz vor dem Untergang mit dieser Russin nach New York zu jetten, als wäre sie im Urlaub. Ist es der Gedanke der eigenen Unangreifbarkeit oder einfach die Sucht nach diesem Spiel? Man wähnt sich hier in einem Philip-Roth-Roman, wenn man sieht, wie sie weiter die Kontrolle spielt, selbst als sie schon längst abserviert wurde. Vielleicht hat sich sich auch längst daran gewöhnt, einmal sehen wir sie, wie sie die Neue streichelt, während die Alte direkt daneben sitzt, es könnte eine Parodie sein, wenn es nicht so viele vergleichbare Geschichten gäbe.
Das ist alles ein bisschen zu gesprächig und man könnte fast sagen, so selbstverliebt wie die Figur Tár, wie der Film da am Anfang zehn Minuten in einem bedeutungsschwangeren Interview hängt, aber irgendwie ist auch das Teil der Aufführung. Wir lernen, wie die Welt ist, die wir gleich erleben werden und wie Tár denkt und wie sie lenkt. Der Film ist da wie sein Protagonist, ähm, seine Protagonistin.
Es hat mir viel Spaß bereitet, dabei zuzusehen, aber hier muss eine deutliche Warnung hin: Das kann bestimmt nerven, zweieinhalb Stunden damit zu verbringen. Einen emotionalen Anker sollte man hier nicht erwarten, der ganze Film ist kalt wie eine Hundeschnauze. Ich fand es aber lustig, fesselnd und elegant und habe wenig zu meckern. Seine Schwächen störten mich nicht, seine Stärken waren frisch anzusehen. Dem hätte man seinen Oscar schon gut geben können.
Also, um ganz ehrlich zu sein, bin ich nicht der größte Fan von Christopher Nolan, das liegt unter anderem daran, dass Batman selbst unter den Superhelden, die ich grundsätzlich nicht mag, noch einmal einen der unteren Plätze einnimmt und weil ich dafür Charakterentwicklung in Filmen sehr mag. Man könnte auch noch anmerken, dass ich gerne Dialoge trotz der Hintergrundmusik verstehen möchte, dass ich auch nichts dagegen hätte, wenn die gut geschrieben wären und dass ich finde, dass kompliziert nicht dasselbe ist wie komplex. Das alles sind jetzt aber Dinge, an denen Filme von Nolan schon einmal scheitern können und das macht unser, zugegeben sehr einseitiges, Verhältnis schwierig.
Nun kam allerdings der Punkt, an dem er sich ein Biopic vorgenommen hat, ein Genre das von der Psychologisierung zum überwiegenden Teil wehrloser, weil bereits toter, Menschen lebt und dass diese dann aber, sozusagen im Ausgleich, gerne zu tragischen, Helden stilisiert. Wir hatten da in den letzten Jahren so vieles davon, dass man denken könnte, wir wären bald mit allen Musikern, Prinzessinnen, Start-up- Königen und Politikern durch, die das letzte Jahrhundert so bevölkert hatten. Dem Genre wäre also ein bisschen Nolan zu wünschen und Oh Boy, er hat es dem Genre gezeigt.
Aber fangen wir an, wo eh Nolans größte Stärken liegen: Mein Gott, was ist dieser Film schön! Was Nolan, Kameramann Hoyte van Hoytema und Editorin Jennifer Lame hier geschaffen haben, ist Kunst. Jedes Bild ist wahrhaft durchdacht kreiert, das hat seinen absoluten Höhepunkt beim Trinity Test und der Rede Oppenheimers nach den Atombombenabwürfen, aber das gilt für den ganzen Film. Ob Einstein der Hut wegfliegt, Oppie durch New Mexico reitet, Menschen an einem Blumenbukett vorbeireden oder er und Jean Tatlock nackt im Hotelzimmer hocken, alles ist arrangiert und farbenprächtig gestaltet, keine Szene ist langweilig und alles ist groß. Jedes Gesicht erzählt in Großaufnahme eine Geschichte und selbst die ewigen Konferenzräume können in ihren vielen Details spannend sein. Der Film ist eine Augenweide.
Das gilt dann auch für das ganze Sounddesign und den Score, Nolan und Göransson haben hier ein Wunder vollbracht. Der Sound ist ganz knapp vor nervig und doch auf genau dieser Linie so beeindruckend. Manchmal ist es ein bisschen zu viel, aber in so vielen Szenen baut sich erst durch den Sound die Spannung auf und man ist gefangen in den Tönen, wie wohl bei keiner anderen Produktion in diesem Jahr. Der Sound erzählt uns die Geschichte und er erzeugt mehr Spannung als alle Actionfilme des Jahres zusammen. Puh, gut, dass die Wände hier dick sind…
Und dann bekommt Nolan die Schauspieler, die er will und er lässt sie machen. Wenn sie dann etwas drauf haben, dann wird es großartig. Cillian Murphy erzählt mehr mit seinen Augen als manche Filme über die ganze Länge. Sein Gesicht und sein dürrer Körper sind so sehr Teil der Geschichte und so wunderbar erzählt er in kleinen Gesten seine Zerrissenheit. Wohlgemerkt spricht er sie nur ganz selten eindeutig aus, er zeigt sie einfach. Das gilt dann auch für den fantastischen Matt Damon und auch Robert Downey Jr., der endlich einmal wieder schauspielern darf. Ohne hier aber alle aufzählen zu wollen, die sind alle durch die Bank großartig. Was für ein Ensemble.
Nun kommen wir zu Nolans Problemfeldern und die sind glücklicherweise weniger von Belang. Dem Film tut es gut, dass Oppenheimer als Mensch nicht auserzählt wird, dass er eine zerrissene, aber auch immer etwas undurchsichtige Figur bleiben darf. Niemand weiß, was er wirklich dachte, einiges ist überliefert, das ihn als irgendetwas zwischen einem Soziopathen, einem Nerd und einem netten freundlichen Menschen mit viel Empathie beschreibt. Alle diese Elemente greift Nolan daher zeitweise auf, lässt aber keines überwiegen. Sicher ist nur, und es wird dargestellt, dass Oppie kein einfacher Mensch war. Sein Umgang mit Frauen zum Beispiel.
Es kommt Nolan entgegen, hier primär einen Männerclub zu haben, aber interessanterweise zieht er daraus auch eine interessante Prämisse, indem er die beiden Frauen, in ihrer eher kurzen Screentime, zu Vertrauten Oppenheimers macht. Er behandelt beide nicht gut, aber doch werden sie, im Gegensatz zu den konkurrierenden Wissenschaftlern, dem undurchsichtigen Staat und besonders seinen politischen Vertretern, hier als unabhängige und daher vertrauenswürdige Figuren inszeniert. Sie bilden damit die Hälfte der Stimmen der Vernunft im Film. Diese kleinen Einschübe lockern den Film auf, aber lassen das glaubwürdig am Rand, in einem Leben, das von der Arbeit geprägt war.
Das große Thema Verantwortung nimmt dagegen den gesamten Film ein. Hier kommt die andere Hälfte der Vernunft, in Form der beiden unabhängigen Protagonisten Einstein und Bohr zum Tragen, und Oppenheimer bleibt die Figur zwischen der Vision für die Zukunft und der rastlosen Arbeit der Kriegsjahre. Sichtlich versteht er, was er tut und welche Konsequenzen es haben wird, aber er ist ein Wissenschaftler, der helfen will und der irgendwann auch nicht mehr zurück kann, vielleicht auch gar nicht will. Trotzdem trifft ihn diese Verantwortung brutal in dieser eindrucksvollen, traumartigen Szene im Moment seines größten Triumphs. Die ebenfalls großartige Szene mit Truman sagt ihm und uns zwar klar, dass hier andere mehr Blut an den Händen haben und sich viel weniger darum sorgen, aber er kann sich davon trotzdem nicht befreien. Es ist schön, dass diese Ambivalenz so stehen bleiben kann.
Das hat auch etwas mit der Konstruktion des Films zu tun. Man kann sich fragen, warum Nolan schon wieder mit den Zeitebenen spielt, aber hier ist es nicht kompliziert. Hier erklärt die Vergangenheit die Aussagen der Zukunft. Manchmal, wie bei der Frage, ob Damons General Groves Oppenheimer die Freigabe noch einmal geben würde, muss man auf die Antwort fast eine Stunde warten, aber das funktioniert. Der Film stellt eine Frage und macht sich dann an die Arbeit, eine Antwort aus dem Leben zu finden, manchmal bleibt diese sichtlich von einer Ansicht oder einer Person geprägt, aber auch das zeigt der Film ganz offen. Zum Teil mit seinem Wechsel aus der individuell geprägten Sicht in Farbe und der allgemein erzählten Welt in Schwarz-Weiß, manchmal aber auch einfach, weil es andere Weggefährten erzählen und diese offensichtlich parteiisch sind. Hier wird tatsächlich einmal Geschichte erzählt, Stück für Stück erläutert und dann einfach stehen gelassen.
Trotzdem ist das zugegebenermaßen etwas sehr lang geworden, gerade die ganze politische und juristische Detailarbeit am Ende des Films fühlt sich, nach dem eigentlichen Climax der Trinity, etwas angehängt an. Aber auch hier muss man Nolan zugestehen, dass dies auf etwas hinausführt, es klärt die Zuständigkeiten und die Verantwortung und es führt zum brutalen Ende. Ein Ende, das wie der ganze Film ein Produkt eines Dialogs ist, und sich doch wie ein Peitschenhieb anfühlt. Das schwierige Verhältnis der Politik zur Wissenschaft konnte man sich in der Pandemie gut ansehen und Nolan erklärt hier schön, dass es sich nicht um einmalige Widersprüche handelt. Nicht nur Matt Damon wäre bei der Antwort auf die Frage, ob die Welt untergeht, ein „Zero“ lieber gewesen als „the risk is acceptably low“.
Gibt es also nichts zu kritisieren? Jedenfalls nicht viel und nichts Wichtiges. Ich fand, dass die Dialoge immer noch etwas flach und manchmal langweilig geschrieben sind, die Musik ist, wie schon geschrieben, hart an der Grenze zur Belästigung und vielleicht hätte es auch ein wenig mehr Charakterisierung geben können. Es ist und bleibt ein kühler Film, dessen Stärke es nicht ist, Nähe zu seinen Protagonisten zu erzeugen. Das kann dann die drei Stunden noch ein bisschen länger machen als nötig. Insgesamt haben wir hier meiner Meinung nach aber Nolans besten Film vorliegen und damit wohl auch ein Meisterwerk des Filmens allgemein. Alle Achtung.
Fangen wir mit dem Positiven an, A Haunting in Venice sieht nicht mehr so schrecklich aus wie sein Vorgänger. Man hat sich hier sichtlich Mühe gegeben, Venedig und den verfluchten Palazzo gut aussehen zu lassen. Ein Teil der schlechten Nachricht ist, dass dem Team ein wenig das Geschick abgeht, wirklich beeindruckende Bilder zu schaffen. Die Kamera wirkt bemüht, aber ein bisschen ziellos, wie sie da herumirrt, uns atemlos eine Szene von oben, von unten, wieder von der Seite zeigt, um dann doch nur wieder einen langen Dialog in Shot/Reverse Shot zu präsentieren. Es ist ein heilloses und verwirrendes Durcheinander, das dem teils wunderschönen Schauplatz die Seele raubt. Man darf nie verweilen, immer muss etwas passieren, der Film hat nicht die Ruhe und das Vertrauen, seine Schauwerte einmal wirken zu lassen.
Nun gehören die exotischen Schauplätze als ein Teil der Faszination zu den Hercule Poirot Geschichten genau wie ein cleverer Fall und ggf. ein bisschen Grusel. Der Film integriert also gerade diesen Grusel und das ist keine so schlechte Idee, die Geister, die hier Poirot zu jagen scheinen, geben Kenneth Branagh etwas zu tun. Die Zweifel stehen ihm fast besser als das unendliche Selbstbewusstsein, das die literarische Figur auszeichnet. Man könnte sagen, dass die Autoren damit das Grundübel der Reihe angehen, einen Hauptdarsteller zu haben, der in dieser Rolle nicht aufgeht. Zusammen mit den allesamt etwas unterfordert wirkenden Darstellern Michelle Yeoh, Kelly Reilly und Jamie Dornan ergibt sich dadurch wenigstens ein altmodischer, aber ganz angenehmer Charme, der den Film eine Weile am Leben hält. Das alles sprüht weiterhin nicht vor Magie, aber wenigstens hat es etwas Klassisches.
Der Fall selbst ist leider wieder so eine Sache, wenn die Grusel-Elemente nicht wären, könnte er auch eins zu eins aus einer durchschnittlichen Folge Midsomer Murders stammen. Das Haus und die ganze Atmosphäre, inklusive ein paar leider lahmer Jump-Scares, lockern es allerdings so auf, dass es seine Kino-Herkunft rechtfertigen kann. Das ist immer noch nicht in der Nähe der Umsetzungen mit Peter Ustinov und hat auch nicht den Charme der TV-Produktionen mit David Suchet, aber der neue Ansatz bringt die Reihe inhaltlich und stilistisch weiter von den Vorbildern weg und gibt ihr damit etwas Exklusives.
Ich bin mir nicht sicher, ob das der große Durchbruch ist, aber der Film war so ganz unterhaltsam und hatte seine Momente. Die Kameraarbeit ging mir auf den Wecker, aber sie schien auch vielen Menschen zu gefallen. Was wir also hier haben, ist ein solider und starbesetzter Whodunit in hübscher Kulisse. Ganz nett und damit vielleicht genug für die Zukunft und einen ruhigen TV-Abend.
Roter Himmel ist der aktuelle Film von Christian Petzold und die Wikipedia bezeichnet ihn als Beziehungsdrama, ohne bessere Definition müssen wir das dann erst einmal so hinnehmen. Es ist ein deutscher Film, der ein bisschen was von der guten alten Berliner Schule hat und der leise und langsam über die Natur des Menschen und sein Verhältnis zur Kunst nachdenkt. Das kann anstrengend werden, es kann aber auch sehr belohnend sein, den Film einmal Freiraum in den eigenen Gedanken zu geben.
Da ist also diese Gruppe von Menschen, die sich einen Urlaub an der Ostsee gönnen und die es in dasselbe Ferienhaus verschlagen hat. Ihr Urlaub steht im Angesicht des Klimawandels, der in Form von Waldbränden den Rahmen rund um den Lebens- und Liebeshändel der Gruppe bildet. Sie ignorieren das Äußere dabei, manche aus Lust am Leben, manche aus Frust und unsere Hauptfigur, Leon, zum Leben erweckt von Thomas Schubert, weil ein Künstler eben über diesen profanen Dingen steht. So wie er über allem steht: Über den Gefühlen seiner Mitmenschen, besonders denen, die doch nur arbeiten, und konsequenterweise auch über den eigenen Gefühlen. Letzteres stellt sich dann aber als komplizierter heraus, als sich Leon das gedacht haben mag. Wir sehen diese Brüche von der ersten Minute an, weil wir die Kunst konsumieren, aber er, der mittendrin ist, hat einen schweren Prozess vor sich.
Der Film zeigt uns diesen Menschen als isoliertes Wesen, das auf uns herabblickt und vielleicht gerade deshalb nichts Gutes zustande bringt. Ein einsamer Mensch, der sich keine Gedanken machen will und doch zu uns muss, um Mensch sein zu können. Schubert, brilliert, wie seine Kollegen, unter der Regie von Petzold, in dieser Rolle. Kleine Regungen erzählen uns seine Geschichte viel mehr als alles, was um ihn herum passiert. Damit ist er nicht der Einzige, dieser Film trifft diejenigen, die behaupten, das deutsche Kino würde es nicht können. Dabei sind Paula Beer als Nadja, Langston Uibel als Felix und Enno Trebs als Devid genauso gut darin, uns ihre Gefühle zu offenbaren, ohne sie aussprechen zu müssen. Da muss man schon weit über den Dingen stehen, um die Spannung nicht zu sehen, wenn sie entsteht. Ach und dann ist da noch der gute alte Matthias Brandt als Verleger Helmut, eine zerbrechliche Figur hinter der Bastion der Stärke, die seine Figur darstellen mag.
Sie alle erzählen uns, warum das Feuer da draußen keine Rolle spielt, weil wir eh sterblich sind, weil wir eh nur diese Momente haben und es keinen Zweck hat, sie zu verschwenden. Es sei denn, wir können Kunst erschaffen, also wirklich große Kunst, nicht Bücher, die „Club Sandwich“ heißen. Damit sind sie dann aber auch Figuren, die uns etwas erzählen, weil sie Teil einer Kunstinstallation sind, die etwas über das Leben erzählen will und das alles zusammen ist in seiner Selbstreflexion und seiner Eleganz ganz großes Kino. Es sind Bilder zum Schwelgen und kleine Gesten zum Bewundern. Unter dem drohenden roten Himmel entsteht etwas, das einem nahe geht, weil es sich so menschlich anfühlt. Der Film erzählt uns von sich und seiner Kunst mit großer Nähe und gleichzeitiger Abgeklärtheit. Wenn man das aushalten kann, dann ist man hier ganz richtig.
Denn so schnell geht das alles nicht. Etwas spröde sind seine Figuren natürlich, etwas künstlich dazu. Jede Szene, in der Heine Gedichte vorgetragen werden, kann und muss auch prätentiös wirken, aber es funktioniert, weil wir immer auf einen doppelten Boden blicken. Leon ist unser Blick in diese Welt, und seine Genervtheit gegenüber dem allzu Menschlichen erhält den Abstand, den man braucht, um das zu genießen. Muss man unglücklich sein, um Kunst herstellen zu können, und stirbt man wirklich, wenn man anfängt zu lieben?
Auf jeden Fall vergisst man die Gefahr und das kann gefährliche Folgen haben. Hoffen wir also, dass immer jemand bleibt, der das verbrannte externalisiert und fiktionalisiert, damit wir daran wachsen können. Roter Himmel ist ein wunderschöner Film, der alles hat, das Kunst ausmacht und alles gibt, um sie genießen zu können. Also los: Geht euch lieben, der Himmel brennt schon…
Indiana Jones and the Dial of Destiny ist der neue und hoffentlich letzte Indiana Jones Film mit Harrison Ford. James Mangold hat hier sichtlich versucht, wieder klassisches Abenteuerfeeling aufkommen zu lassen, und dafür einige ganz gute Actionsetpieces kreiert. Insgesamt ist dabei ein langer Film entstanden, in dem Ford für die ersten zwanzig Minuten digital verjüngt wird, aber ansonsten in seinem Achtzigjährigen selbst die Action primär im Sitzen durchleben kann. An seine Seite wurde mit Phoebe Waller-Bridge eine Schauspielerin gesetzt, die ihre Stärken in der Darstellung moderner, nur ironisch gebrochen, ertragbarer Charaktere hat.
Im Grunde habe ich den vielen Kritiken im Netz nichts hinzuzufügen, der Film ist ein Autounfall in fast jedem Bereich. Dabei ist es trotzdem nicht unerträglich, ihn zu gucken, es gibt unterhaltsame Actionszenen und ein paar Momente, die witzig sind. Auch die Musik spielt hier wieder eine große Rolle. Wenn das Indiana Jones Theme erklingt, wird einem immer noch warm ums Herz. So ist das als Streaming Abend durchaus erträglich. Bei aller Gelassenheit ist das Ende aber selbst für diesen Autounfall noch frech, eine 400 Millionen Produktion so blöde im Finale einfach abzubrechen, ist schon ein Sonderfall in der Filmgeschichte. Goethes Leerstellentechnik als Finale, darauf muss man auch erst einmal kommen…
Der Film versucht sich an schönen Schauplätzen, sieht aber durchgängig künstlich nach CGI aus, bei den Actionszenen war das noch zu erwarten, aber auch alle Hintergründe strahlen keine Natürlichkeit aus. Damit fehlt auch die ganze Körperlichkeit, der Kampf auf dem Zug zum Beispiel wirkt daher nie wie etwas, das auf einem Zug stattfindet, weil da kein Wind ist, kein Widerstand und keine Bewegung, nur der ruhige Platz vor einem Greenscreen. Damit einher geht die moderne CGI-Dunkelheit, die selbst auf modernen Helligkeitsmonstern unangenehm auffällt. Highlight ist hier eine seltsame Verfolgung eines Flugzeuges auf dem Motorrad, die komplett im dunklen Matsch verschwimmt. Mein größtes Problem ist allerdings, dass keine Chemie entsteht. Das liegt nicht nur an der sehr gezwungen wirkenden Story, sondern auch an der Fehlbesetzung mit Waller-Bridge. Ich mag die Schauspielerin in Fleabag sehr, aber das ist eben eine spezielle Rolle, deren Charakteristika so gar nicht zu einem Blockbuster Abenteuerfilm passen würden. Ihr Spiel wirkt hölzern und deplatziert, als wäre sie nur ganz versehentlich in diesen Film geraten.
Was fehlt noch? Ach ja, der gute Harrison Ford ist achtzig Jahre alt! So reitet, springt und kämpft sich also immer nur etwas durch den Film, das entweder reine CGI ist oder es wird gleich ganz darauf verzichtet, Ford im Bild zu fokussieren. Warum das sein musste, ist mir unbegreiflich. Hat sich wirklich auf diesem Planeten keine Person gefunden, die diese Rolle übernehmen konnte? Bleibt noch die sinnlose Schnitzeljagd nach ein paar McGuffins und den Hinweisen die daraufhin führen, das ist langweilig, aber nun wirklich in seiner Einfallslosigkeit nicht ungewöhnlich. Den armen Mats Mikkelsen allerdings in dieser schrecklichen Naziparodie (mein Name ist Voller, Jürgen Voller 😂) zu verheizen, hat schon etwas von filmischer Hinrichtung. Keine Ahnung, was diese unangenehmen Nazisprüche in diesem Film sollen oder was dieser verwirrende CIA-Plot darin vermischt zu suchen hat, aber aus der Richtung charismatischer Bösewicht war das auf jeden Fall auch gar nichts.
Der Film zeigt schön, dass man nicht einfach alles auf einen Haufen werfen kann und dann damit das erhält, was einmal gut war. Viel macht nicht viel gut. Zu den traurigen Erwähnungen gehören dann auch noch der neue junge Ethann Isidore, der eine Ke Huy Quan Parodie geben muss, John Rhys-Davies der kurz auftaucht und zwei Sätzchen sagt und Antonio Banderas der sterben darf (huch Spoileralarm!). Wobei die im Grunde noch Glück hatten und nicht wie die bemitleidenswerte Shaunette Renée Wilson, die schwarze Quotenfrau geben mussten, damit auch diese Checkbox bei Disney abgehakt werden konnte.
Das ist dann eben doch ein neuer Indiana Jones Film und kein Direct to Streaming Abenteuerfilm für den Samstagnachmittag Binge. Was den Film dann einfach ärgerlich macht. Das, was die Reihe einmal ausmachte, kann der Film nicht mehr leisten, Harrison Ford wird auch mit 100 CGI-Leuten nicht wieder jung, nur zur seiner eigenen Parodie und ein Abenteuerfilm darf sich nicht nach Arbeit und Konstruktion anfühlen, sondern müsste Spaß ausstrahlen. Der Film hat aber genau das nicht, er macht keinen Spaß, er ist ein seelenloses Marketing Konstrukt, das verkrampft versucht, eine Vergangenheit zu kopieren, anstatt etwas Neues zu erschaffen.
The Killer, der aktuelle Film von David Fincher ist ein recht konventioneller Action-Thriller um einen Auftragsmörder, der einen Auftrag verbockt, aus dessen Ergebnis sich ein Rachefeldzug ergibt. Das ist nicht der Gipfel der Innovation, eigentlich nicht einmal der erste Anstieg, aber es ist Fincher typisch elegant umgesetzt und gut erzählt. Der Film setzt seinen Fokus auf eine präzise Erzählung und detailliert erzählte Mordanschläge inklusive großer Teile der Vorbereitungen.
Michael Fassbender trägt diesen Film, ist zeitweise der Film, lediglich in der Konfrontation mit der Figur, die von Tilda Swinton gespielt wird, kommt so etwas wie eine Herausforderung auf. Es ist eine wie üblich körperlich beeindruckende Darstellung, sein unbewegtes Gesicht und sein ganzes Auftreten sind einschüchternd. Die Faszination, die von seiner kalten Figur ausgeht, bestimmt diese Geschichte. Wie immer ein cooler Auftritt.
Der Film selbst lebt von seiner Detailverliebtheit, die ganzen Aktionen sind bis in kleinste Teile hinab gebrochen. Alles wird ausgearbeitet und in schönen Bildern gezeigt. Die Kamera ist genau und findet immer wieder schöne Locations und abwechslungsreiche Perspektiven. Dazu kommt ein sehr passender und in einigen Momenten knallender Soundtrack von Reznor und Ross. Der ganze Film hat dabei einen Rhythmus, den der Score vorgibt und nach dem der ganze Film angenehm pulsiert. Allein wegen des Technischen kann man das schon gut gucken. Auch einige der Actionszenen, insbesondere ein heftig brutaler und lange währender Kampf in der Mitte des Films hauen rein. Das alles ist gut gemacht und langweilte mich keine Minute.
Das liegt aber daran, weil ich diese Idee lustig fand. Der Film hat einen ganz leisen, aber tiefschwarzen Humor mit dem die ganze Geschichte erzählt wird. Unser Protagonist ist so drüber, und dann doch immer eine weniger neben sich, dass man das ironisch lesen kann. Ich habe dieses nihilistisch Sarkastische genossen, kann mir aber auch gut vorstellen, das es so nicht jedem gehen muss. Der Film inszeniert seinen Helden als eine Art Arbeiter, der strikt seinen Job macht und dann regelrecht überrascht zu sein scheint, dass sich sein sonst so freundlicher Arbeitgeber plötzlich zu so extremen Maßnahmen hinreißen lässt. Da bekommt man immer zu Weihnachten so nett etwas aus dem Merch-Shop des Arbeitgebers geschenkt und dann stellt sich der aber plötzlich als brutaler Kapitalist heraus, der seine Entscheidungen ausschließlich nach der dicksten Brieftasche trifft. Was für eine Enttäuschung.
Die fiese Ironie im Gegensatz zu einem so unprätentiösen Arbeitsstil des Blue Collar Workers bei seiner harten Arbeit hat mir Spaß gemacht. Davon abgesehen kann der Film aber trotzdem nicht verbergen, dass er nicht sehr viel mehr zu erzählen hat. Die Grundstory ist Legion und der Rest elegant aber eigentlich auch ein bisschen belanglos, was auch daran liegt, dass kaum irgendeine emotionale Komponente erzählt wird. Hier ist ein Film, der eine sehr gerade Linie in den Sand malt, wenn man dieser Linie folgen mag, wird man belohnt damit, dass hier nichts abschweift, aber der Film bestraft gnadenlos denjenigen, der hofft, hier wäre mehr verborgen. Wie sein Held ist dieser Film ein präziser Arbeiter, der seine Aufgabe erfüllt, aber nie überperformt.
Aus meiner Sicht ist Platz in dieser Welt genau dafür. Im Zeitalter, in der noch von jeder Urgroßtante einer Nebenfigur alle potenziell traumatisierenden Ereignisse der Jugend ausführlich nacherzählt werden, konnte ich diesem Film genau wegen seines Verzichts auf alles Emotionale etwas abgewinnen. Das ist aber ein reiner Genrefilm, nicht mehr und nicht weniger.
Decision to Leave von Park Chan-wook ist eine Neo Noir Romance mit einem Krimiplot. Wie immer bei ihm, ist er getaucht in sorgsam gestalteten Bildern und zeigt uns Menschen, die aneinander vorbeileben. Es ist ein schönes, und ein bisschen einsames Südkorea, das wir hier zwischen verschiedenen Mordermittlungen sehen. Eine Welt, die in unerfüllter Liebe und Begehren schwelgt.
Der unter Insomnia leidende Ermittler Jang Hae-jun wird mit trauriger Eleganz dargestellt von Park Hae-il, wir sehen einen aufrechten Mann, brillant als Ermittler aber schwerfällig in sozialen Beziehungen, unfähig dazu seinen Sorgen, die ihm den Schlaf rauben, Ausdruck zu verleihen. Hae-il beeindruckt mit der subtilen und überzeugenden Darstellung, der er ein erschöpftes Gesicht gibt. Dazu ist es schön, die wunderbare Tang Wie wieder sehen zu können, die nichts von ihrer hypnotischen Anziehungskraft verloren hat. Glücklicherweise ist sie dem chinesischen Bann entkommen. Sie spielt Song Seo-rae, eine mysteriöse chinesische Migrantin, die mit einer Mischung aus Mandarin und Korean zusätzliche sprachliche Verwirrung in die Beziehung bringt. Ihre Darstellung ist von betörender Schönheit, die aus einer stolzen Form der Fremdheit herrührt. Ihre Chemie mit Hae-il hat etwas verdorben Erotisches ohne das die beiden dazu mehr tun müssten, als sich anzublicken.
Der Film ist schön, ein kinematografisches Meisterwerk, das uns Korea, seine Küsten und Berge zeigt wie Bilder einer Ausstellung. Wir klettern und laufen mit den Protagonisten hinauf und zum wilden Meer wieder hinunter und schwelgen dabei in jeder Aufnahme. Dazu begeistert der Soundtrack von Jo Yeong-wook einmal mehr, indem er den Film mit Anspannung füllt. Wieder ist es ein Film, an dem man sich kaum sattsehen kann.
“The wise love water, the good love mountains. The wise are active, the good are tranquil. The wise are joyful, the good enjoy a long life.”
Chan-Wook füllt den Film mit Symbolik, neben der sprachlich bedingten Verständnisprobleme unseres zentralen Paares, ist das primär die konfuzianische Idee vom Unterschied zwischen dem wild unbeständigen Meer und den stabilen Bergen. Wie in Beziehungen baut man auf Stabilität, ist aber letztlich das Geheimnisvolle der Weite, das, was die Spannung aufbaut. Unsere beiden Protagonisten zeigen uns den Gegensatz und fahren dabei in ihrer Bewegung von einem Extrem ins andere, glatt aneinander vorbei. Die Symbolik wird dabei wenig subtil präsentiert und ist bei Weitem nicht die Einzige im Film. Man hat das Gefühl, das hier so ziemlich alles Symbol ist, von den grünen und blauen Farben bzw. dem changierenden Kleid dazwischen, den Gipfeln als Moment des Triumphs und gleichzeitig des Stillstands oder die Augentropfen, als Hilfe um die Welt ganz neu betrachten zu können.
Hinter all dieser Symbolik bleibt die Geschichte unserer Beiden, so hypnotisch sie sein mag, leider zurück, die Spannung, die uns hier vermittelt werden soll, versinkt in philosophischen Betrachtungen der Welt. Ein finales Opfer fühlt sich hier wenig erarbeitet an, mir kam es fast sinnlos vor, weil doch so gar nichts Wichtiges auf dem Spiel steht. Die Protagonisten sind so gefangen in sich selbst und den symbolischen Fängen des Schicksals, dass man ihnen kaum Eigenständigkeit zugestehen will. Hier steht nichts auf dem Spiel, weil ihnen scheinbar nichts etwas bedeutet. Ich war so gebannt von diesem Film und dann versank das alles in seinen eigenen Bildern.
Das Werk hinterlässt ein seltsames Gefühl des Verlusts, was beabsichtigt ist, aber für mich ist der Verlust eher der einer Welt, die zu wenig real geworden ist, die zu wenig Schwere aufgebaut hat, um mich zu berühren. Ich wollte aber berührt werden. Man will diese Menschen anbrüllen, sich einmal anzupacken, aber Chan-Wook will in seiner mythischen Welt darüber verharren. Vielleicht ist es trotzdem oder gerade deswegen ein Meisterwerk, das nur einfach zu weit oben ist, um profane Gefühle zuzulassen. Für mich aber fehlt der Anker in einer Welt, die auch meine ist und die nicht nur in Symbolen existiert. Das ist dann aber mein Verlust in einem der schönsten Filme des Jahres.
Super Deluxe ist ein “Kollywood” Film, im Original gedreht in Tamil von Thiagarajan Kumararaja, das Filmgenre ist aus europäischer Sicht etwas schwer zu benennen. Vielleicht ist es am ehesten ein Thriller, ein Film, der seine Spannung langsam aber unerbittlich anzieht, ein Film der aus komisch überzogenen Leben Dramen erschafft, die tief in die sozialen und gesellschaftlichen Abgründe der Menschen dringen. Es ist ein langer Film, der dabei verschiedene Leben miteinander verschränkt und sie am Schicksal misst, das ihre Existenz zusammenhält.
Das ist elegant inszeniert, die Mühe, einen Stil zu finden, ist dem Film in jeder Szene anzusehen. Wie häufig, in den aber zugegeben wenigen indischen Filmen, die ich bisher gesehen habe, wirken viele Schauplätze und Handlungen sehr szenisch inszeniert. Die Kamera ist bemüht um interessante, aber distanzierte, fast dokumentarische Einblicke in das Leben anderer Menschen, als wenn wir sie wie ihre Nachbarn beobachten würden. Es gibt aber auch immer Momente, in denen es hektisch wird und wir plötzlich mitgerissen werden und mit der Kamera den Protagonisten hinterhereilen. Dann sind wir plötzlich doch wieder ganz in einem fiktional inszenierten Werk, als wenn die Hilfeschreie die Künstlichkeit der Bühne in die reale Welt zurück verwandeln würden. Das hält die drei Stunden frisch und ist kombiniert mit den heftigen Farben, die fast rauschhaft aufblühen, eine große Faszination über den ganzen Film hinweg.
Das Drama, das die Leben dieser Menschen erwischt, schlägt dagegen erstaunlich unerwartet ein. Der filmische Aufbau bedingt eine unaufhaltsame Expansion in das Drama der Menschen und einen immer größer werdenden Druck auf den Zuschauer. Anfangs wird man eingelullt in eine überzogen komödienhafte Welt, um dann nicht mehr weg zu können, ohne dem Schicksal bei seiner Arbeit bis zum Ende zugesehen zu haben. Die Hilflosigkeit des Einzelnen, vor der Gesellschaft, vor den Regierenden, vor der Religion und den indischen Kasten erfasst den Zuschauer und drückt heftig auf ihn ein.
Dabei rührt der Film dann aber weiterhin seine Screwball Elemente, seine Krimikomödie, seine Religions Satire und zuletzt sogar Fantasy Elemente in den Mix, dass man nicht zur Ruhe kommt und die Spannung des Schicksals umso intensiver spürt. Dabei will der Film die Gesellschaft fast ein wenig brechen, will die Macht den Menschen aus der Hand nehmen und sie an eine höhere Macht übergeben, eine Macht mit mehr Verständnis und einer weniger engen Weltsicht. Der Film öffnet die Augen seiner Zuschauer für die Zwänge der Welt und sieht kaum einen anderen Ausweg außer mehr Freiheit des Einzelnen. Es ist ein Film, der einen Schrei nach Individualität abgibt, ohne diese zu glorifizieren. Alle Probleme unserer Protagonisten haben hier ihren Ursprung und doch ruft der Film nach Gnade mit Ihnen. Wir sollen unsere Individualität leben können, aber dann doch nie vergessen, dass wir zusammen leben.
Ein Wort muss man an den Bösewicht des Films, diesen ekelhaften Polizisten richten: Das ist ohne Frage einer der schlimmsten Mistkerle, der mir seit Langem im Film begegnet ist. Die Gnadenlosigkeit, wie hier der Film in der Gemeinheit seines Antagonisten schwelgt, hat im Hollywoodkino kein Gegenstück. Dort wo neuerdings jeder Antagonist zu Tode psychologisiert wird, ist hier jemand einfach ein Schwein, bis dem Zuschauer Mordfantasien hochkommen. Seltsam irritierend für uns Westler ist dann aber die Hilflosigkeit dieser Menschen in Anbetracht ihrer Obrigkeit. Es bleibt eine fremde Welt, die ein Alien nicht so einfach verstehen dürfte.
Das ist dann aber damit auch ein sehr intensiver Film, der sich in seinem fröhlich bunten Aufbau heimlich anschleicht, um dann seine ganze Kraft auf den Zuseher zu drücken. Die Verzweiflung dieser Menschen ist greifbar und real, auch wenn ihre Welt wie eine Kulisse erscheint. Ich glaube, ich habe hier einen der besseren Thriller der letzten zehn Jahre gesehen. Diese fremde Welt des südlichen Indiens ist wirkmächtig in Szene gesetzt und wird aufgebaut zur Frage, wer eigentlich über richtig und falsch entscheidet und auch wenn es dazu keine wirkliche Antwort gibt, scheint dann wenigstens das Schicksal den einfachen Menschen in Anbetracht der Mächte dieser Welt gewogen zu sein. Der Blick durch dieses Fenster ist es jedenfalls wert.
Confessions von Tetsuya Nakashima ist ein düsterer und eiskalter Thriller mit psychologischen Horror-Elementen. Die Handlung dreht sich um einzelne Geständnisse, hervorgebracht von verschiedenen Mitgliedern einer Schulklasse und in einzelne Teile zerbrochen, die bis zum Finale die Geschichte abrunden. Es geht um Mord und die Verantwortung dafür, um Schuld und um die Frage, wie Sühne aussieht, wenn die Täter noch schuldunfähig sind. Es ist ein Rachethriller, so kalt ist, dass warme Socken nötig sind und so abstrakt, dass man manchmal ein Fernrohr benötigt, aber wir starten lieber von Anfang an:
Der Film verbringt seine erste halbe Stunde atemlos mit Takako Matsu als Lehrerin Yuko Moriguchi. Eine Schauspielerin, der man nicht abnehmen will, dass sie die japanische Stimme von Elsa in den Frozen Filmen ist. Diese Frau ist die lebende Kälte und ihre rastlosen Bewegungen durch dieses chaotische und wild durcheinander plappernde Schulzimmer eine Tour de Force, wie man sie selten erlebt. Diese Frau erzählt uns, und den anfänglich völlig desinteressierten Schülern, ihre Geschichte, warum sie den Job aufgibt und was für ein Berg von Schmerz sich in ihrem Herzen angesammelt hat. Die Wucht dieser Geschichte trifft ihre Schüler wie den Zuseher mit der Gewalt eines Orkans, es ist eine halbe Stunde, die mithalten kann mit den großen Momenten der Filmgeschichte. Die Gewalt, die aus diesem bedrohlich pulsierenden Klassenraum dringt, der Horror der Schule an sich, die Härte von Schülern untereinander und die Hilflosigkeit die Erwachsene umfasst, im Angesicht dieser nihilistischen Momente, die manchen Jugendlichen zeitweise erfassen kann. Das alles zusammen ist eine Sequenz, die man gesehen haben muss. Was für ein Beginn.
Das ist dann aber auch ein bisschen der Fluch des Films, der danach deutlich abfällt. Dieses Tempo und diese Intensität kann er nicht halten, insbesondere, weil er immer eine große Distanz zu seinen Protagonisten wahrt. Die sind eh schon kalt erzählt, aber durch die Entfernung fällt es umso schwerer so etwas wie Gefühl, zu ihnen aufzubauen. So bleibt der Film nach seinem Intro ein Thriller, der gut konstruiert ist und immer wieder eisenhart auftritt, aber dem doch eine Seele fehlt. Das mag intendiert sein, immerhin ist diese fehlende Seele das Thema des Films, aber so fühlt sich das Konstruierte, das dem Film eh innewohnt, noch künstlicher an.
Der Film ist ein Fest der entsättigten Farben, das einiges fast schwarz-weiß wirkt und er beeindruckt durch einen effektvoll eingesetzten Soundtrack. Mal wieder sind es Radiohead, die den besonderen Moment darin markieren. Das ist beeindruckend zu sehen, besonders die elegant konstruierten Schnitte und sein Gefühl für die Kälte städtisch japanischer Architektur machen den Film auch visuell zu etwas Besonderem. Aber auch das verstärkt seinen abstrakten künstlichen Eindruck, der einfach nicht verschwinden will. Alles in diesem Film muss sich einer Idee, einem Zwang zur Erzeugung eines bestimmten Horrors unterordnen. Alles hier ist Mittel zum Zweck und damit Werkzeug und nicht organisches Abbild einer Wirklichkeit.
Es ist schade, dass der Film nicht mehr Momente findet, seinen Protagonisten etwas Nähe entgegenzubringen, so blieb mir diese Welt nicht nur fremd und bedrohlich wie gewollt, sondern auch fremd im Sinne von unnahbar. Das heißt nicht, dass hier kein Meisterwerk geschaffen wurde, es ist ein effektiver Film, dessen Konstruktion zwar jeder Glaubwürdigkeit entbehrt, der aber den Grusel dieser Schülerwelt fantastisch klar und kalt serviert. Die Schärfe in seinen Mitteln und seinem Ausdruck kühlt den Raum aus, in dem man sitzt, und genau das macht einen Thriller aus.
Aufgrund dieser Ambivalenz blieb mir der Film allerdings immer fremd aber ich werde diese erste halbe Stunde nicht vergessen. Als Thriller muss man das gesehen haben, aber als Drama bleibt er leider aus meiner Sicht nur an der Oberfläche. Als Genre Vertreter verdient er damit eine Höchstnote und ist als Gesamtwerk glücklicherweise insgesamt immer noch gut über dem Schnitt vieler nicht so konsequenter Filme dort draußen. Es ist also einfach Wahnsinn aus Japan…
Beyond the Infinite Two Minute ist das Debut von Junta Yamaguchi und als das ein beeindruckender Start in eine hoffentlich lange Karriere. Der Film ist eine Science Fiktion Comedy, die sich bemüht eine Art Mind Fuck zu erzielen und dann damit seine Scherze zu treiben. Der Ort, an dem das alles spielt, ist ein kleines Café und die daran anliegende Wohnung.
Das ist alles ein lustiger kleiner Scherz, nett in einer Art No-Cut-Simulation gefilmt und mit wirklich ansteckender Begeisterung gespielt. Man merkt dem allerdings dabei auch an, dass es ein rundherum nerdiger Spaß ist, der sich um seine männlichen Protagonisten dreht, und den Frauen in ihrem Leben eher eine Nebenrolle zuweist. Das ist für einen solchen Film mit dieser überschaubaren Idee sicher in Ordnung, aber es kneift einiges von der zentralen Liebesgeschichte ab, die für mich kaum spannend wirkte und die mich daher auch nicht besonders begeistert hat.
Zentral sind hier eher die Scherze rund um diesen zwei Minuten Loop, der schnell und unkompliziert etabliert wird und dessen Idee dann konstant bis zum Ende verstärkt und alterniert wird. Das war cool, mir hat das wirklich gut gefallen. Der Film ist dabei viel zu kurz, um sein positives Ansehen schädigen zu können, sobald man denkt, dass es jetzt auserzählt sein könnte, ist es das auch schon. Sein großes, rastloses Tempo kommt dem Film hier sehr zugute. Da macht es dann auch keinen so großen Unterschied, dass sich nicht alles, was da erzählt wird, immer in dieselbe Logik pressen lässt und dass es etwas uninspiriert zu Ende geht.
So oder ähnlich müssen Debuts sein, gute Idee, gute Ausführung und im Ergebnis ein kleiner konzentrierter Film mit kleineren Schwächen. Der ist zu Recht hochgelobt.
O Beautiful Night ist so ein deutscher Film, ein Liebesfilm, vielleicht auch eine schwarze Komödie oder eine Groteske, jedenfalls ein traumhafter kleiner Ausflug in das unvermeidliche Berlin. Man kann bei dem Film die Fingerübung kaum übersehen und doch macht er geschickt, und, für einen Erstling, fast zu routiniert sein Ding.
Es geht um einen jungen Mann, der einsam und in seinen düsteren Zukunftsgedanken verloren auf den Tod trifft und mit ihm ganz real durch Berlin zieht, das so wohl nur im Traum existiert. Dabei fällt als erstes dieser Tod auf, der so schön abgeklärt und angeranzt präsentiert wird von Marco Mandić, dessen osteuropäischen Akzent man ganz entspannt für kleine Witzchen einsetzt. Er ist aber auch ein lebendes Klischee mit seinem österreichischen Schmäh, gepaart mit diesem Osteuropa-Gehabe, so überzeichnet, dass er unglaublich viel Spaß macht.
Gleiches gilt für den so passiv wie möglich und so traurig wie nötig gespielten Juri, dargestellt von Noah Saavedra. Der ist dann fast zu viel des Guten mit seinem Understatement und seinem Weltschmerz, ein erfolgloser Komponist und absurderweise auch Hornist, der sich dann natürlich in eine schwarze Dahlie verliebt. Vanessa Loibl gibt dieser „Giftblume“ dann alles, was man im Theater so lernt, um eine mysteriöse, aber faszinierende Frau darzustellen. Sie ist sexy, aber auf so eine düstere nachdenkliche Art, natürlich liest sie Nietzsche und konsumiert ganz altmodisch Opium, während sie der Kamera und dem geneigten Zuschauer schmeichelt. Der Unterschied zu anderen Produktionen, die dieses Gefühl gerne erzeugen würden, ist aber, dass es hier funktioniert, also ich wollte mich jedenfalls sofort verlieben…
Und das meinte ich mit: „Einer dieser deutschen Filme“, es ist ein einziges Klischee, das man aber dann gleich lieben muss. Die Bars, die schmutzige Welt der Prostitution, die seltsame Nummer mit dem russischen Roulette, der Film ist immer so nahe an seiner eigenen Parodie, wenn er dann nicht immer so verträumt und (gespielt) verpeilt dabei wäre. So rennt man ganz sinnlos mit diesen drei Leuten durch die Nacht und wundert sich darüber das man, obschon man schon weiß, dass es nur zu einem seltsam romantischen Ende führen wird, und ansonsten nirgends hin, dem Kram dann doch so gerne zuschaut. Man könnte so etwas auch hier vor Ort und fast jederzeit im Theater sehen, aber der Film macht das stylischer und bespielt eine größere Welt, eine Welt präsentiert mit der Liebe zu diesen alten Schauplätzen.
Es ist ein Traum von einem Film, genau das richtige zwischen drei Stunden langen Bedeutungsmonstern, ein kleines Fernsehspiel mit vorhersehbarem Ende und kleiner deutscher Welt, die so nicht existiert aber die wir so träumen. Ein Werk, wie es Filmstudenten machen wollen, aber meistens so nicht hinbekommen. Dabei bezaubert ein erstaunlich passend wunderbarer Soundtrack und weiß die Kamera einige gute Momente zu erwischen und selbst wenn nicht, schaut diese Nacht immer gut aus, beeindrucken die Shots in das Interieur einer Welt des Vergnügens. So sieht man diesen Film und ist ganz zufrieden mit der Welt und sich.
Ist das prätentiös, ja klar ist es das, aber ist es auch schön? Ich mochte es immens gern, dieses kleine Drama zwischen Leben, Tod und Erotik zu sehen, und habe es genossen. Niemand wird diesen Film in einer Oscar-Nacht erwähnen, aber als Abendunterhaltung vor dem Fernseher ist es das wert. Ein schöner Traum zum Mitträumen…
Ach, ähm, vielen Dank an die Spenderin…😉
Blade of the Immortal ist ein Film des viel beschäftigten Takashi Miike, bekannt für diverse Kontroversen um die Gewalttätigkeit in seinen Filmen. Dieser hier macht da keinen so großen Unterschied, auch wenn es nie so richtig unangenehm wird. Es ist ein Samurai Actionfilm und fast schon zwangsläufig damit eine Rache Story, die mit Fantasy- und leichten Horror Elementen angereichert ist. Da muss wieder ein Mädchen beschützt werden, hier nur mit dem Unterschied, dass unser Held, wie der Film Name schon verrät, nicht nur Plot Immunität, sondern ganz direkt Unsterblichkeit besitzt.
Wir müssen hier nicht über politische und soziale Komponenten sprechen, das ist ein Spaßfilm. Die Geschichte hat ihren Zweck und dem wird dann alles untergeordnet. Die Gegner sind vielfältig und mit viel Fantasie aus der Manga-Vorlage heraus adaptiert. Jeder hat damit seine individuelle Verrücktheit und seinen besonderen Kampfstil, was Spaß macht. Dazwischen gibt es dann viel Kanonenfutter, das zu Hunderten in ziemlich langen und etwas ermüdenden repetitiven Sequenzen abgemetzelt wird. Der Film hat keinen Anspruch auf irgendeine Glaubwürdigkeit, falls man das überhaupt dazu schreiben muss.
Soweit so gut funktioniert das und hat seine Schauwerte. Der Film hat eine fesselnde Ästhetik, einen coolen Start in kontrastreichem Schwarzweiß und auch danach immer wieder ein Auge für einige schöne Bilder und Landschaften. Die Kämpfe sind größtenteils hervorragend und schön matschig blutig inszeniert, nur bei den großen Schlachten geht die Übersicht schon einmal verloren.
In den Szenen zwischen den Kämpfen versucht sich der Film dann an einer grundlegenden Moral und stellt einige Überlegungen zur Natur der Unsterblichkeit an, das bringt etwas Abwechslung hinein und ist nicht so flach, wie man das erwarten könnte. An einem Philosophie-Festival wird der Film aber trotzdem nicht teilnehmen. Die Kleine ging mir ein bisschen auf den Geist, aber sie kann ordentlich wütend losbrüllen, Wut kommt auf Japanisch immer gut rüber. Takuya Kimura als Blade gibt dagegen einen typisch düster traurigen Helden mit dem Herz am rechten Fleck, das war ganz angenehm .
Das war dann auch fast alles, was man sagen kann und muss. Vielleicht noch, dass dem Film eine leichte, aber immer spürbare Ironie zu eigen ist, der nimmt sich nicht ernst und das kommt dem Film sehr zu Gute. Manchmal ist das ganze regelrecht komisch in seiner steifen japanischen Haltung, vor allem dann, wenn das mal aufgebrochen wird und Blade von seiner Aufgabe genauso entnervt so sein scheint wie wir Zuschauer. Das, was der Film sein will, macht er hervorragend, wer da mal in Blut und abgehackten Körperteilen baden will, kann das hier tun und der Film ist so cool das sich vermutlich selbst Tarantino schnell noch einen heißen Tee dazu aufbrüht. Das fetzt und wird nur ein bisschen in der Mitte und dann, am etwas zu sehr in die Länge gezogenen Finale, etwas nervig, aber ansonsten kann man das schauen. Viel Spaß.
Kommentar zum 2. Advent für EudoraFletcher68 im Rahmen der Community-Advents-Wichtel-Aktion.
Cain and Abel ist ein Thriller von Lino Brocka, der allerdings auch viele Elemente von Familien- und Gesellschaftsdramen enthält. Die Konflikte drehen sich um eine Landbesitzer Familie und primär um das Erbe einer alternden Witwe, um das ihre zwei Söhne kämpfen. Der Film spielt grob in der damaligen Gegenwart und damit inmitten der Marcos Diktatur und indirekt reflektiert er die gewalttätige Ära.
Der Film beginnt langsam als eher klassisches, etwas schmalziges Familien-Rührstück, das dann aber Stück für Stück zu einem wahrhaft antiken Drama ausartet. Aus dieser Spirale zieht der Film seine Spannung und seine Faszination. Die beiden Brüder werden dabei überzeugend von Christopher de Leon als Ellis und Philipp Salvador als Lorenzo "Lorens" Laurente dargestellt, ihre Darstellung ist entscheidend für den Film, weil die widersprüchlichen Gefühle in ihren Gesichtern ablaufen. Die Konflikte, die beide in der letztendlich drastischen Wirkung gar nicht haben wollten, hinterlassen in den Figuren tiefe Risse und durch diese ist ihre Verzweiflung zu erkennen. Das stellen beide überzeugend dar. Das komplette weibliche Ensemble steht, bis auf die resolute und von der Sturheit ihrer Ansichten gezeichnete Mutter Senyora Pina Laurente, gespielt von Gloria Lerma Yatco, leider etwas dahinter zurück.
Dabei sind die Aktionen der Männer das, worunter in erster Linie die Frauen in dieser Welt leiden müssen. Der Film erzählt aus einer verstörend misogynen Welt, in der Frauen immer die allerersten Opfer der Großmannssucht ihrer Männer werden. Wenige feministische Filme haben toxische Männlichkeit so gut illustriert wie dieser Film hier. Das ist dabei nicht immer schön anzusehen und trifft uns schwer, wenn die Gewalt einmal mehr in dieser Welt einschlägt. Dankbarerweise blendet der Film aber die schlimmsten Momente aus, trotzdem bleiben diese Gewalteskapaden in Erinnerung.
Mich hat der Aufbau anfangs ein wenig verwirrt, der Film ist anstrengend in seiner ersten halben Stunde, stellt dort Figuren vor die alle ihre unsympathischen Seiten zeigen und präsentiert eine Welt, die einerseits schmalzig gefühlig ist und gleichzeitig völlig gefühllos den Schwachen gegenüber. Erst mit der Zeit drängt sich der Gedanke auf, dass uns hier mit Absicht eine solche Welt gezeigt wird, trotzdem war ich mit dem Tempo des Films nicht immer zufrieden. Die zwei Stunden ziehen sich dann schon ganz schön hin. Das hat auch damit zu tun, dass die eigentliche Action einen sehr realistisch anmutenden Look hat, das erhöht dann einerseits ihren Impact aber dafür ist sie nicht besonders unterhaltsam, dabei häufig unübersichtlich und viel passiert aus dem Nichts heraus. Der Film ist hier viel mehr Drama als Actionfilm.
Letzteres macht ihn dann aber erst richtig interessant, es ist eine ungeschönte Bebilderung einer uns fremden Welt, eine Welt der Gewalt, in der Schnellfeuerwaffen schneller auftauchen, als man Überraschung sagen kann und in der alles so schnell eskaliert, weil einfach jeder Mann hier Lust darauf zu haben scheint, einen Kleinkrieg vom Zaun zu brechen. Das Leid ihrer Frauen wird dabei als Ausrede genutzt, um diese Gewalt zu rechtfertigen und sie an den Frauen des „Gegners“ wiederum selbst ausleben zu können. Das ist damit ein hartes Stück Film aus einer harten Zeit in einem armen Teil unserer Welt. Alleine der Blick an diesen Ort ist eine Sichtung wert. Was weiß man schon von diesen Inseln am anderen Ende der Welt.
Vielleicht muss man aber auch noch über Religion sprechen. Ganz offensichtlich ist schon im Titel ein christliches Motiv zu erkennen, dieses Motiv der unversöhnlich vor Gott streitenden Brüder. Interessant ist aber, dass diese hier erst von ihrer Mutter zu Feinden gemacht wurden, wie immer ist also das Weib schuld. Auch die sexuelle Anziehung wird hier im Sinne der christlichen Religion verbogen, es ist die Frau welche die Sünde auslöst und der Mann, der hier hilflos zum “Opfer” fällt. So ist es am Ende nicht nur die Struktur der gierigen und unersättlichen Diktatur durch Marcos, die sich hier spiegelt, sondern auch der kalte Griff der katholischen Kirche der Erneuerung und Abkehr vom alten Denken verhindert.
Die Musik des Films ist leider viel zu dick aufgetragen und geht in seiner Direktheit ein bisschen auf die Nerven. Die Bilder sind dagegen solide, da weiß jemand, wie man Filme macht, aber ich fand den Film trotzdem nicht im eigentlichen Sinn schön. Auch in seinen Bildern steht eben ein ungeschminkter Realismus an erster Stelle, zweckmäßig trifft das Gefühl hier daher am besten. Es ist ein Film, der seine Botschaft im Sinn hat und diese entsprechend ausbuchstabiert. Das ist wirkungsvoll und trotz aller Länge spannend. Das Leben in einer Diktatur prägt die Menschen und das ist hier schrecklich realistisch inszeniert zu sehen. Aus meiner Sicht kann man das als Einstieg in diese Welt gut ansehen.