EddieLomax - Kommentare

Alle Kommentare von EddieLomax

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    MAXXXINE von Ti West ist die dritte Zusammenarbeit des Regisseurs mit seinem Star Mia Goth in Folge. Als einzige Überlebende des Texas Porn Star Massakers (X, 2022) ist es ihr gelungen in Hollywood Fuß zu fassen und freut sich nach einigen Jahren Arbeit im Adult-Bereich auf ihr erstes Vorsprechen bei einer seriösen Studio-Produktion. Das es sich dabei um ein Horror-B-Movie handelt, stört sie nicht im mindesten. Das allerdings gleichzeitig der Night Stalker eine Mordserie unter aufstrebenden Starlets begeht schon. Doch Maxine weiß sich zu helfen. Es ist sehr beeindruckend mit welcher Virtuosität West innerhalb der Reihe mit den verschiedenen Genres und Inszenierungsstilen spielt. So kann jeder der Filme für sich stehen, ohne das man Vorkenntnisse benötigt, was enorm hilfreich ist. Mit dem sleazigen MAXXXINE ist ihm jedenfalls sein bisheriges Meisterstück gelungen. Denn wie der 80er-Jahre-Chic ins Blut getaucht wird und Hollywoods Neonglanz zum Schummerlicht in räudigen Hinterhöfen, Nachtclubs und Videotheken verkommt, wie ein ausgesucht abgefahrenes Ensemble voller Spielfreude metaphorischen Dialog zum besten gibt und schließlich der Killer-Highscore kompromisslos in die Höhe schnellt, alles von einem knalligen zeitgemäßen Soundtrack untermalt, deutet mehr als nur an, dass sich hier einer - ganz wie der Star des Films - zu höherem berufen fühlt. Bring it on!

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      EDGE OF ETERNITY von Don Siegel gehört sicherlich zu den weniger bekannten Werken des Regisseurs, ist aber ein unbedingt sehenswerter 50er-Jahre-Krimi um eine Reihe von Morden vor der beeindruckenden Natur-Kulisse des Grand Canyon, welcher hier im Widescreen-Format angemessen inszeniert wird. Gerade visuell entwickelt der Film auch sonst erheblichen Reiz, da all die zeittypischen Elemente Verwendung finden, die heute noch immer nostalgischen Retro-Charme versprühen. Seien es die Interieurs der Wohnbungalows, die Straßenkreuzer oder die Kleidung der Protagonisten, hier findet der geneigte Zuschauer alles, was das Pop-Art-Herz begehrt. Mit Cornel Wilde hat man einen unaufgeregten Ermittler, der sich zunächst mehr für die Damenwelt, denn für den Mord interessiert, der aber zunehmend neugieriger wird, als sich die Spuren in seinem Umfeld mehr und mehr verdeutlichen. Mit Jack Elam und Edgar Buchanan gibt es Support von Format und am Ende sogar Hochspannung mit Nägelkauer-Qualitäten. Für einen gerademal 80 minütigen Who-Dunnit ist das schon eine ganze Menge.

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        BEVERLY HILLS COP: AXEL F von Mark Molloy war lange so etwas wie ein Treppenwitz in Hollywood, aber jetzt ist er da. Immer wieder wurde er angekündigt, sogar schonmal gedreht und im Giftschrank versteckt, doch nun gibt es nochmal alles neu und in Farbe. Überraschend gelungen ist er, unterhaltsam und oft richtig lustig. Das war ganz sicher mehr als man erwarten konnte. Sicherlich spielt da auch das Auge des Betrachters eine Rolle. Der Jugend in der DDR wurde der erste Teil seinerzeit gegönnt, vermutlich weil sich da einer gegen das System stellte, was uns Kids herzlich egal war, denn wir bekamen damals den wirklich heißen Scheiß zu sehen und ich weiß nicht mehr wie oft ich ins Kino gerannt bin. Die anderen beiden habe ich erst später gesehen und Sie waren beide nicht mehr so gut wie das Original, was aber nicht schlimm war. Es ging immer um Eddie Murphy, nicht so sehr um die Qualität der Filme. Der 4. Teil ist selbstverständlich auch nicht besser, jedoch gelingt es ihm über weite Strecken den Spirit von den beiden 80er Jahre-Filmen einzufangen und zu reproduzieren, ohne anbiedernd zu wirken. Viele bekannte Gesichter tauchen auf und werden sinnvoll eingebunden, der Soundtrack wird teils originalgetreu, teils variiert wiedergegeben und manch unvergessene Szene wird neu arrangiert. So kommt schon eine Menge Spaß auf. Aber das wichtigste ist: Eddie kann's noch!

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          PIÙ FORTE RAGAZZI! von Giuseppe Colizzi ist so etwas wie der Prototyp all der Prügel-Klamotten des schlagfertigen Duos und von den Nicht-Western auch klar ihr bester Film. Dabei ist hier vieles noch gänzlich anders, als in den zahlreichen späteren Werken. Es wird eine richtige Geschichte mit lebendigen Charakteren erzählt, die im Grunde eine ernste ist, die wenigen Handgreiflichkeiten ergeben sich aus der Handlung und sind längst nicht so slapstickhaft überzeichnet wie in den Filmen von Enzo Barboni. Bei Colizzi stand zunächst einmal der funktionierende Film im Vordergrund, seine Inszenierung lässt sich niemals gehen und sorgt sogar für herzerwärmende Momente. Bud Spencer ist hier richtiggehend schlank und legt eine große Spielfreude an den Tag, schließlich war er parallel in dieser Zeit auch immer wieder in "seriösen" Rollen zu sehen, während Hill vollkommen in sich ruht und den Schalk walten lässt, wo es geht. Kein Wunder, dass dieses perfekt harmonierende Gespann in die Filmgeschichte eingehen sollte.

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            EddieLomax 02.07.2024, 22:00 Geändert 02.07.2024, 22:01

            RED STONE von Derek Presley ist Teil einer Reihe von selbst produzierten kleinen Genre-Filmen des Hauptdarstellers Neal McDonough, die er in Ermangelung besserer Rollen seit einiger Zeit auf den Weg bringt. Ein Heranwachsender wird Zeuge des Mordes an seinem Bruder und fortan von Gangstern gejagt. Der auf ihn angesetzte Killer hat selbst einige Sorgen und entdeckt sein Gewissen. Klar wird hier das Rad nicht neu erfunden, aber die ungewöhnliche Figurenkonstellation und das gute Dialogbuch bringen den glaubwürdigen und zudem ordentlich gespielten Krimi auf ein solides Niveau. Ähnlich wie bei der ebenfalls von McDonough initiierten Western-Reihe THE WARRANT, gab es auch hier eine Fortsetzung.

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            • Top 10 Schauspieler (Männlich) Alive:

              01. Daniel Auteuil
              02. Gene Hackman
              03. Michael Caine
              04. Tony Leung Chiu-wai
              05. Toni Servillo
              06. Alain Delon
              07. Mickey Rourke
              08. Franco Nero
              09. Kris Kristofferson
              10. Christoph Waltz

              Top 10 Schauspieler (Männlich) Dead & Gone:

              01. Robert Mitchum
              02. Rod Taylor
              03. Götz George
              04. Lee Marvin
              05. Toshiro Mifune
              06. Paul Newman
              07. Steve McQueen
              08. Audie Murphy
              09. Philippe Noiret
              10. Humphrey Bogart

              Besondere Erwähnung: Jeff Bridges & all die coolen New-Hollywood-Leute (Pacino, Duvall, Caan, De Niro, Hoffman und Co. )

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                EddieLomax 30.06.2024, 09:45 Geändert 30.06.2024, 18:46

                84 CHARING CROSS ROAD von David Jones ist die Verfilmung des gleichnamigen Brief-Romans der amerikanischen Drehbuch-Autorin Helene Hanff, hier dargestellt durch Anne Bancroft, die ihren langjährigen Schriftwechsel mit dem Londoner Buchhändler Frank Doel (Anthony Hopkins) dokumentierte. Was zwischen zwei Buchdeckeln einen besonderen Zauber entwickelt, da sich aufgrund der Form die Charaktere der beiden Schreibenden erst nach und nach offenbaren, wird in der filmischen Umsetzung schon durch die Besetzung der Protagonisten logischerweise weniger spannend, unter anderem weil wir durch das Type-Casting unserer gänzlich eigenen Vorstellung derer benommen werden. Bancroft kommt dabei recht gut gelaunt und etwas schrullig rüber, während Hopkins noch vollkommen unbefangen vom freakigen Hannibal-Lector-Ruhm einen introvertierten Mann gibt, der sich langsam öffnet. Visuell krankt die filmische Bearbeitung ein wenig an ihrer Fernseh-Optik und der theaterhaften Innenraum-Dramaturgie, doch der leise Ton der Vorlage wird gut getroffen und die Leidenschaft für Bücher und das Lesen überträgt sich erfreulich verlustfrei auf den Zuschauer. Zwischen den Zeilen wird die leichte Tragik einer unausgesprochenen, einzig dem geschriebenen Wortwechsel konnotierten Liebe deutlich. Erstaunlich auch, wie sich die Verfilmung eines Buches, welches ich vor zwanzig Jahren gelesen habe, als es erstmals in deutscher Sprache erschien, wobei es mir in keinster Weise altmodisch vorkam, dahingehend von der Vorlage unterscheidet, indem sie schon zu ihrer Entstehungszeit Mitte der 80er Jahre hoffnungslos angestaubt gewirkt haben muss, worüber die Reminiszenz an David Leans Klassiker BRIEF ENCOUNTER (1945) nur wenig hinwegzutrösten vermag. Nichtsdestotrotz sehens- aber vor allem lesenswert!

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                  EddieLomax 29.06.2024, 12:09 Geändert 29.06.2024, 12:17

                  ÉTÉ 85 von François Ozon ist eine Literaturverfilmung und basiert auf einem Roman von Aidan Chambers. Da ich das Buch nicht kenne, vermag ich auch nicht zu sagen in wie weit sich Ozon an die Vorlage hält. Mein Interesse wurde neben dem Trailer dadurch geweckt, weil ich einige der frühen Filme des Regisseurs sehr ansprechend fand und die vielen Nominierungen für den französischen, sowie den Europäischen Filmpreis meistens nicht von ungefähr kommen. Insgesamt betrachtet konnte mich dieser SOMMER 85 jedoch nur bedingt überzeugen. Seiner nicht übermäßigen Laufzeit zum Trotz schleichen sich einige Längen und erzählerische Belanglosigkeiten ein, zudem wird die Liason unter den Jugendlichen nicht besonders mitreißend erzählt. Mir gefielen aber die Szenerie an der Küste der Normandie, sowie einige kluge Aussagen des Protagonisten, dessen Unsicherheit dem Leben gegenüber gut zum Ausdruck kommt. Die Hilflosigkeit mit der er den Geschehnissen begegnet wird glaubwürdig präsentiert, ebenso wie die Schwierigkeiten in der Kommunikation untereinander und die oftmals fehlende Bereitschaft den anderen wirklich verstehen zu wollen. Dafür gibt's von mir eine aufgerundete 6,5 (also 7), da ich generell nur volle Punkte vergebe.

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                    RAGE von Gilberto Gazcon ist ein kraftvolles Drama um einen Arzt in Nöten. In der mexikanisch- amerikanischen Co-Produktion sucht Glenn Ford als Doktor eines Wüstenkaffs sein Seelenheil im Suff, weil er sich für den Tod seiner Frau und seines Sohnes verantwortlich macht. Als er von einem tollwütigen Hund gebissen wird, weiß er dass ihm nicht mehr viel Zeit bleibt. Da wird plötzlich dringend seine Hilfe benötigt und er fasst neuen Lebensmut. Doch die Zeit läuft ihm davon.
                    Spannend, tiefgründig und hochemotional schildert der vergessene Klassiker einen Wettlauf gegen den Tod und bietet mit Glenn Ford's herausragender Darbietung einen Trumpf, der für sich genommen bereits die Sichtung lohnenswert macht. Ihm zur Seite steht Stella Stevens, die nie sexier war, als gefallenes Mädchen mit einem Herz aus Gold. Hier ist wirklich alles drin, vom philosophischen Unterbau bis zum perfekten Thrill. Wenn zur Medikamenten-Beschaffung mit einem Jeep die Wüste durchquert werden muss und allerlei Gefahren das weiterkommen verhindern, glaubt man sich fast bei LOHN DER ANGST wiederzufinden. Das kleine Meisterwerk kann jetzt in exzellenter Qualität auf YouTube entdeckt werden.

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                    • Meine Damenwahl fällt auf:

                      01. Charlotte Rampling
                      02. Faye Dunaway
                      03. Ingrid Bergmann
                      04. Rita Hayworth
                      05. Senta Berger
                      06. Deborah Kerr
                      07. Angie Dickinson
                      08. Patricia Arquette
                      09. Madeleine Stowe
                      10. Frances McDormand

                      sowie die Wackelkandidaten: Maureen O'Hara, Lea Seydoux, Claudia Cardinale, Candice Bergen, Gloria Grahame, Sophia Loren, Romy Schneider, Simone Signoret, Lauren Bacall, Julianne Moore, Catherine Deneuve, Shirley Maclaine, Marylin Monroe, Susan Hayward, Karen Black, Mia Wasikowska, Shelley Winters und so viele mehr...

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                      • EddieLomax 26.06.2024, 08:19 Geändert 26.06.2024, 08:20

                        Schwierige Kiste: Meine BEST Baddies (soweit ich es spontan überblicke...):

                        01. Hagen von Tronje (Hans Adalbert Schlettow) in DIE NIBELUNGEN (Fritz Lang)
                        02. Cody Jarrett (James Cagney) in WHITE HEAT (Raoul Walsh)
                        03. Philip Francis Queeg (Humphrey Bogart) in THE CAINE MUTINY (Edward Dmytryk)
                        04. Sentenza (Lee Van Cleef) in IL BUONO, IL BRUTTO, IL CATTIVO (Sergio Leone)
                        05. Ryūnosuke Tsukue (Tastuya Nakadai) DAI-BOSATSU TÕGE (Kihachi Okamoto)
                        06. Loco (Klaus Kinski) in IL GRANDE SILENZIO (Sergio Corbucci)
                        07. The Gunslinger (Yul Brynner) in WESTWORLD (Michael Crichton)
                        08. Hans Gruber (Alan Rickman) in DIE HARD (John McTiernan)
                        09. Mr. Blonde (Michael Madsen) in RESERVOIR DOGS (Quentin Tarantino)
                        10. Little Bill Daggett (Gene Hackman) in UNFORGIVEN (Clint Eastwood)

                        ...und verdammt nah dran:

                        Captain Bligh (Charles Laughton), Harry Lime (Orson Welles), Nero (Peter Ustinov), Joe Erin (Burt Lancaster), Charlie Gilson (Robert Taylor), Messala (Stephen Boyd), Norman Bates (Anthony Perkins), Tom Ripley (Alain Delon), Frank (Henry Fonda), Christian Szell (Laurence Olivier), Attila (Donald Sutherland), Michael Myers (Tommy Lee Wallace), Toecutter (Hugh Keays-Byrne), Col. Kurtz (Marlon Brando), Dr. Elliott (Michael Caine), Roy Beatty (Rutger Hauer), Tony Montana (Al Pacino), T-800 (Arnold Schwarzenegger), Bob Barnes (Tom Berenger), Bobby Peru (Willem Dafoe), Frank Booth (Dennis Hopper), Gordon Gecko (Michael Douglas), Max Cady (Robert Mitchum & Robert De Niro), Mickey Knox (Woody Harrelson), Fritz Haarmann (Götz George), Col. Hummel (Ed Harris), Bill The Butcher oder Daniel Plainview (Daniel Day Lewis), Herr Yi (Tony Leung), Hans Landa (Christoph Waltz), King Hyperion (Mickey Rourke), Killer Joe (Matthew McConaughey)

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                        • Hey Kidhan, besser spät als nie, hier meine Top Ten als Doppel Whopper, einmal die Toten und einmal die Lebenden und arbeitenden:

                          Top Ten - Dead & Gone

                          01. Fritz Lang
                          02. John Ford
                          03. Akira Kurosawa
                          04. David Lean
                          05. Luchino Visconti
                          06. Sam Peckinpah
                          07. Sergio Leone
                          08. John Sturges
                          09. Jean-Pierre Melville
                          10. King Hu

                          Top Ten - Alive at Work

                          01. Martin Scorsese
                          02. Quentin Tarantino
                          03. Joel Coen
                          04. Wong Kar-Wei
                          05. Michael Haneke
                          06. Giuseppe Tornatore
                          07. Paul Thomas Anderson
                          08. Park Chan-Wook
                          09. Christopher Nolan
                          10. Takeshi Kitano

                          ... wobei die Auswahl natürlich immer noch variabel sein könnte, bedenkt man Stimmung und Vorlieben, aber als Querschnitt kann man einen Eindruck bekommen.

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                            EddieLomax 25.06.2024, 10:10 Geändert 25.06.2024, 11:42

                            Seit Trucker Johnny (Tom Hardy) THE WILD ONE mit Marlon Brando im Fernsehen gesehen hat, will er seinen eigenen Motorrad-Club gründen. Gemeinsam mit seinen Kumpels, mit denen er am Wochenende Rennen fährt, bildet er eine Gang die zur verschworenen Gemeinschaft wird. Auch der junge Benny (Austin Butler), der sich von seinen Kompagnons insofern unterscheidet, dass er abgesehen von der Freizeitgestaltung als Biker kein geregeltes Leben führt, wird Teil der Gruppe und verkörpert deren Ideale wie kein Zweiter. Als er auf Kathy (Jodie Comer) trifft, beginnt sich etwas zu verändern. Das Leben mit den Vandals, wie sich der Club nennt, entwickelt eine Eigendynamik, die für Aufsehen sorgt. Ein Foto-Journalist (Mike Faist) schließt sich ihnen an, um für ein Langzeit-Projekt zu recherchieren. Seine Aufnahmen und Interviews dokumentieren eine Sub-Kultur, die zum Vorbild für eine ganze Generation wird.

                            THE BIKERIDERS war der Titel des zugrundeliegenden Bildbands von Danny Lyon, der als Arbeitsgrundlage für den neuen Film von Jeff Nichols (MUD) diente und als semi- dokumentarisch kann man auch die Herangehensweise des Regisseurs bezeichnen, der sich immer schon durch seinen Blick für's Detail auszeichnete. Anhand der Interviews des Journalisten mit Kathy, wird der Zuschauer in eine neue, fremde Welt von Männerbünden und Ritualen eingeführt wie sie selbst und kann sich so nach und nach immer tiefer mit der Lebensweise in der Gegenkultur identifizieren. Ganz ähnlich ging Martin Scorsese Anfang der 90er Jahre bei seinem Meisterwerk GOODFELLAS vor, als er uns von Ray Liotta an die Hand nehmen ließ, um in die dunklen Verbindungen der Mafia vorzudringen. Nichols verwendet dazu ebenfalls zeitgenössische Musik, eine Menge Dialog und echte Typen in den Nebenrollen, welche zudem ziemlich prominent besetzt sind, um eine Vielfältigkeit zu erschaffen, die das Publikum durch den Film trägt und Dank der scharf umrissenen Charaktere ein unvergessliches Ensemble agieren lässt. Michael Shannon, Damon Herriman, Norman Reedus und Boyd Holbrook, um nur einige zu nennen. Doch gerade die Stars wissen zu überzeugen.

                            Tom Hardy bietet nach Jahren in denen er im Marvel-Einerlei (VENOM) und mit bizarren Schauspiel-Stunts wie in CAPONE sein Talent vergeudet hat, endlich mal wieder eine starke Performance, bei der er sich überraschend zurücknimmt und seiner Figur mit differenziertem Spiel eine unterschwellige Sensibilität zuteil werden lässt, bei der immer wieder der Träumer von einst zum Vorschein kommt, der nur seine Idee vom gemeinschaftlichen Beisammensein leben will, bis er von der harten Realität eingeholt wird und erkennen muss, dass er die Dinge, die zum Selbstläufer geworden sind, schon lange nicht mehr steuern kann.

                            Austin Butler gibt den klassischen Rebellen, der von seinem Regisseur geradezu ikonisch in Szenen inszeniert wird, in denen man unweigerlich an Größen wie Marlon Brando oder James Dean denken muss. Er ist ein Loner, ein Einzelgänger und derjenige, der den Traum vom selbstbestimmten Leben, von unbändiger Freiheit und Unangepasstheit, komme was wolle, ohne Kompromisse bis zur Selbstzerstörung durchexerziert. Dabei kommt Butler die beinahe überirdische Aura zugute, die er sich seit seinem Auftritt in ELVIS von Baz Luhrmann erarbeitet hat und die ihn manchmal wie aus der Zeit gefallen wirken lässt.

                            Jodie Comer ist ganz klar das Herzstück und Zentrum des Films, der allein durch ihre Erzählung zu einem modern aufbereiteten Stück Zeitgeschichte wird. Denn durch die Perspektive Kathys erhalten wir nicht nur einen zunächst distanzierten Blick von außen auf einen Mikrokosmos, ganz ähnlich wie wir es durch die Fotografien des Journalisten in seinem Bildband erhalten würden, sondern sie nimmt uns einmal mit hinein in diese Welt und führt uns am Ende auch wieder heraus, ganz unabhängig davon, wie wir das gesehene erlebt haben und für uns bewerten. Ihre Darstellung ist absolut makellos. Was sie hingegen modern macht, hat andere Gründe. In den Jahrzehnten, in denen der Film spielt, also die 60er und 70er Jahre, in welchen ja gleichzeitig das Sub-Genre des Biker-Movies reüssierte, wäre die Geschichte vermutlich entweder aus Sicht des Gang-Leaders, wie einst Marlon Brando, oder aus Perspektive des Rebellen erzählt worden. In den 80er und 90er Jahren, in denen der Film stilistisch verhaftet ist, hätte man mit hoher Wahrscheinlichkeit den Journalisten zur Hauptfigur erkoren. In den 2020er Jahren aber ist Sie und Sie allein diejenige, deren Blick das Geschehen differenziert durchleuchtet. Und diese Verschiebung spricht nicht allein für die Zeit in der Geschichten erzählt werden, sondern auch für die Art und Weise, in welcher Zusammenhänge abgebildet werden, was wiederum für den Filmemacher spricht.

                            Denn THE BIKERIDERS ist soviel mehr, als eine Story über eine Gang. Er ist eine Genre-Reflektion über das bereits genannte Sub-Genre des Biker-Movies und gleichzeitig eine Hommage an das Kino des NEW HOLLYWOOD, jener Ära als Filmemacher in Hollywood das Zepter übernahmen und Filme drehten, die ehrlich, kompromisslos und direkt waren, bis teure Mißerfolge dafür sorgten, dass Produzenten und Investoren das Ruder herumrissen und das Blockbuster-Kino entstand. Als Ursprungsfilm des kurzlebigen Genres gilt der bereits mehrfach genannte THE WILD ONE von Laslo Benedek (1953), der ebenfalls auf eine reale Begebenheit aus den 40er Jahren zurückging, als eine Biker-Gang eine Kleinstadt zerlegte. Etwa zehn Jahre später sorgte Skandal-Filmer Russ Meyer mit MOTORPSYCHO für eine Wiederbelebung im kleinen, bis mit dem umtriebigen Roger Corman und seinem WILD ANGELS (1966), der auch auf dokumentarischem Material basierte, so etwas wie die Initialzündung für das umsatzstarke Genre gelang, dass mit EASY RIDER (Dennis Hopper, 1969) seinen Höhepunkt, und mit THE NORTHVILLE CEMETARY MASSACRE (William Dear & Thomas L. Dyke, 1976) sein Ende fand, also parallel zum NEW HOLLYWOOD seinen Aufstieg und Niedergang erlebte.

                            Dabei ist das typische Biker-Movie von Handlungsarmut und Exzess geprägt, was häufig geringen Produktionkosten geschuldet war, wobei vor allem letztere Motive in THE BIKERIDERS zu finden sind. Standardsituationen wie Straßenszenen, Schlägereien, Motorradrennen, wilde Partys mit Drogenkonsum und Alkoholmißbrauch sind hier ebenso zu finden wie der allgegenwärtige politische Hintergrund bei dem Vietnam thematisiert wird, ein Thema welches durch Filme wie THE LOSERS (Jack Starrett, 1970) zu einer eigenen Genre-Abwandlung führen sollte und maßgeblich zur Abwendung unzähliger junger Menschen von Gesellschaft und Zivilisation führte, die sich in Gegen- und Sub-Kulturen, wie der Hippie- oder Biker-Bewegung flüchteten. Der größte Verdienst von THE BIKERIDERS ist, dass er aus den Bikern, die in der Filmgeschichte fast immer Figuren der Oberfläche, der Projektion waren, Menschen aus Fleisch und Blut macht, normale Typen, die auf dem Motorrad ihre individuelle Freiheit suchen und ihren Träumen hinterher jagen, ihren kleinen Geschichten und Lebensläufen Raum gibt. Menschlicher als hier sind diese Menschen nie zuvor gezeichnet worden.

                            All diese Aspekte vereint ein Film, der natürlich erstmal als eigenständige, originäre Geschichte funktioniert, aber auf mehreren Ebenen betrachtet werden kann, der hoffentlich zum Vorbild für viele Filmschaffende wird, wieder  mehr zu wagen und sich nicht auf einfache Formeln zu verlassen. THE BIKERIDERS ist untypisch in der heutigen Kino-Landschaft und wirkt wie sein Inhalt altmodisch, jedoch auch klassisch, zeitlos und eben doch modern.

                            ( siehe hierzu: https://www.moviepilot.de/liste/biker-movies-from-hell-eddielomax )

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                              ANGELS HARD AS THEY COME von Joe Viola wurde produziert und co-geschrieben von Jonathan Demme (für Roger Corman), der hier zum ersten Mal mit Scott Glenn zusammenarbeitet (siehe auch FIGHTING MAD, THE SILENCE OF THE LAMBS), welcher hier den harten Zweirad-Leader auf Abwegen gibt, der mit zwei Members unterwegs zu einem Drogendeal ist. Eine Biker-Gang übernimmt eine von Gary Busey angeführte Hippie-Kommune in einer Geisterstadt in der Wüste. Als ein Mädchen vergewaltigt und umgebracht wird, erklärt der durchgeknallte Rocker-Boss (Charles Dierkop) während eines Schau-Prozesses willkürlich Neuling Glenn und seine Mannen zu Schuldigen. Was folgt ist Folter und Gewalt, zudem gibt's Partys mit Sex, Drugs & Rock'n'Roll, incl. Titten. Motorrad gefahren wird auch. Das Setting könnte aus einem Western stammen und RASHOMON stand Pate, wovon man aber nichts merkt. Die späteren Stars können bereits überzeugen, wobei vor allem Gary Busey heraussticht. Leider war die Qualität der von mir gesichteten Kopie ganz schauerlich, sodaß die Bilder des späteren BLUES-BROTHERS-Kameramannes Stephen M. Katz kaum Wirkung entfalten konnten. Ich könnte mir gut vorstellen bei einer restaurierten Fassung noch ein Pünktchen mehr rauszurücken.

                              ( siehe hierzu: https://www.moviepilot.de/liste/biker-movies-from-hell-eddielomax )

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                                EddieLomax 23.06.2024, 20:22 Geändert 23.06.2024, 21:29

                                LUCKY LADY von Stanley Donen ist eine um Leichtigkeit bemühte, zur Zeit der Prohibition spielende Komödie, die mit fortschreitender Laufzeit immer schwerfälliger gerät und den Schwung seiner früheren Arbeiten anfangs zwar noch erahnen, schlussendlich jedoch vermissen lässt. Es gibt vieles was gefällt, doch auch einige Längen. Die ungewöhnliche Ménage-à-trois der Stars weiß zu amüsieren und an ihrer Spielfeude liegt es nicht, dass dieses altmodisch geschnürte Paket schon nicht mehr in seine Entstehungszeit passte. Für Fans und Komplettisten ist die Gangster-Screwball-Comedy mit krassem Finale aber sehenswert.

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                                  Anlässlich des Todes von Donald Sutherland:

                                  THE ROSARY MURDERS von Fred Walton ist eine Literaturverfilmung nach einem Roman von William X. Kienzle, der von Elmore Leonard adaptiert wurde. Dabei entstand ein exquisit besetzter und superb gespielter, gediegener Old-School-Krimi, der freilich besser als sein Ruf ist. Gerade Donald Sutherland vermag den Film durch sein zurückgenommenes Spiel intensivieren, denn wie er die Zerissenheit des Priesters in Gewissensnöten darstellt, ist beachtlich. Nicht der schlechteste Film zum Gedenken an den Ausnahme-Schauspieler.

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                                    EddieLomax 20.06.2024, 10:32 Geändert 20.06.2024, 11:22

                                    HELLS ANGELS ON WHEELS von Richard Rush kann als exemplarisch für das Sub-Genre des Biker Movies gesehen werden, denn er vereint sowohl die Stärken, als auch die Schwächen des selben. Entstanden unter Beteiligung des wohl berühmtesten und gleichzeitig berüchtigsten Höllenengel Sonny Barger, sowie vielen seiner Club-Mitglieder, zeigt der Film mit Genre-Star Adam Roarke in der Hauptrolle den Alltag einer Motorrad-Gang, die mal so richtig einen draufmachen will. Ein wütender, junger Tankwart (Jack Nicholson), der von seinem Job die Schnauze voll hat, schließt sich ihnen kurzerhand an und bereut dies später bitterlich. Wie bei vielen Bike Flicks ist auch dieses von der genretypischen Handlungsarmut geprägt und dramaturgisch ist hier nicht allzuviel zu holen. Interessant ist allerdings der Blick auf die amerikanische Gesellschaft, sowie die sich dadurch ergebende Haltung des Filmemachers, der sichtlich bemüht ist, kritisch auf die zeitgeschichtlich bedingten Umbrüche hinzuweisen und klar Stellung zu beziehen. Die Aufnahmen des späteren Star-Kameramannes László Kovács spielen ihm dabei dankbar in die Hände.

                                    ( siehe hierzu: https://www.moviepilot.de/liste/biker-movies-from-hell-eddielomax )

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                                      EddieLomax 20.06.2024, 10:05 Geändert 20.06.2024, 10:13

                                      Audie Murphy (20.06.1924 - 28.05.1971) würde heute seinen 100. Geburtstag feiern. Grund genug um an einen der außergewöhnlichsten Hollywood-Stars wider Willen zu erinnern, dessen erfolgreiche, vornehmlich im Western-Genre stattfindende Karriere in der Tatsache begründet lag, dass sie eine Belohnung seines Einsatzes für's Vaterland im Zweiten Weltkrieg war, aus dem er als höchstdekorierter Soldat der U.S. Army zurückkehrte. Mit seinem Babyface wurde er oft als naiver, jugendlicher Held besetzt, der angesichts der Gefahr über sich selbst hinaus wächst. In TO HELL AND BACK von Jesse Hibbs, der auf seiner Autobiographie basiert und die traumatisierenden Kriegserlebnisse Revue passieren lässt, spielte er sich selbst und erzielte den bis dahin größten kommerziellen Erfolg für die UNIVERSAL-Studios. Mit dem Film selbst war der Star nicht besonders glücklich: "... den Krieg dreimal zu durchleben, ist einfach zu viel. Erst der Krieg selbst, dann das Buch und dann der Film." Mag Murphy, der zeitlebens unter posttraumatischen Belastungsstörungen litt auch nicht der beste Schauspieler gewesen sein, so war er doch vor allem eins, authentisch. Und das macht diesen schwer greifbaren Charakter in seinen Filmen noch immer interessant.

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                                        EddieLomax 18.06.2024, 09:08 Geändert 18.06.2024, 09:11

                                        NORTHVILLE CEMETARY MASSACRE von William Dear und Thomas L. Dyke kann als der ultimative Abgesang auf das Sub-Genre des Biker Movies verstanden werden, welches einst mit Marlon Brando in THE WILD ONE (Laslo Benedek, 1953) seinen Ursprung und in EASY RIDER (Dennis Hopper, 1969) seinen Höhepunkt fand. In NORTHVILLE, der unter Beteiligung eines echten Biker-Clubs entstand, nimmt ein Polizist ein von ihm selbst begangenes Verbrechen als Vorwand, um die Mitglieder einer eigentlich friedlichen Motorrad-Gang der Reihe nach aus dem Hinterhalt abzuschießen. Dabei sorgen das niedrige Budget und die konventionelle Inszenierung für die nötige Bodenhaftung, alles wirkt sehr authentisch und realistisch, beim Soundtrack wird größtenteils mit verschiedenen Songs gearbeitet, während die anfangs lockere und unbeschwerte Stimmung zusehends einer bitteren Tonalität weicht, die sich im finalen Shootout auf einem Friedhof entlädt. Nicht zu Unrecht wurden häufig Vergleiche zu THE WILD BUNCH (Sam Peckinpah, 1969) oder THE HUNTING PARTY (Don Medford, 1971) gezogen, die in ihrer graphischen Darstellung der Gewalt ähnlich drastisch und radikal vorgingen und mit Zeitlupeneffekten, Zooms und Schnitten arbeiteten. Zwar erreicht das Werk nicht ganz die Intensität seiner Vorbilder, unter anderem weil es keinerlei Identifikationsmöglichkeiten gibt, doch allein sein Schlussbild beschreibt schon das Ende einer Ära, die mit dem NEW HOLLYWOOD begann und zum Entstehungsjahr des Films bereits im Niedergang begriffen war: FREEDOM - R.I.P.

                                        ( siehe hierzu: https://www.moviepilot.de/liste/biker-movies-from-hell-eddielomax )

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                                          THE WARRANT: BREAKER'S LAW von Brent Christy ist die Fortsetzung zum drei Jahre zuvor entstandenen THE WARRANT vom selben Team und natürlich kehrt Neal McDonough in der Hauptrolle des, nunmehr Marshal 's John Breaker zurück, der hier weit von seiner Heimat entfernt in Arizona unterwegs ist, um einen Gefangenen zu überführen. Auf seinem Weg verschlägt es ihn in ein verlassenes Goldgräber-Städtchen, in dem er auf einen alten Bekannten trifft, der sich einer Horde von Banditen erwehren muss, die es auf seinen gut gefüllten Safe abgesehen haben. Dabei ist dieses Sequel in allen Belangen seinem Vorgänger überlegen, auch weil es sich einige subtile Genre-Reminiszenzen gestattet. Dramaturgisch deutlich runder, Dank der Location visuell wesentlich attraktiver, inhaltlich gehaltvoller, zudem prominenter besetzt, kann der Film für sich stehen und zum Ende hin sogar noch eine echte Überraschung aus dem Hut zaubern. McDonough passt die selbst entwickelte Rolle wie eine zweite Haut und es macht große Freude ihn darin agieren zu sehen. Von mir aus kann es ruhig noch einen dritten Teil geben.

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                                            JEANNY von Andreas Kopriva - Der Film zum Song. Überraschend gelungenes Thriller-Drama nach Motiven des Super-Hits aus den 80er Jahren. Der Besetzungs-Coup mit dem einstigen Falco-Darsteller Manuel Rubey (FALCO - VERDAMMT, WIR LEBEN NOCH, Thomas Roth 2008) ist nur eines der vielen originellen Elemente des stark gespielten, spannend erzählten und mit mehreren Meta-Ebenen arbeitenden Krimis.

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                                              RICCHI A TUTTI I COSTI von Giovanni Bognetti dreht sich um die Familie einer alten Millionärin, die einem Heiratsschwindler auf den Leim zu gehen droht, doch ihre Kinder und Enkel setzen alles daran, ihn los zu werden, wenn nötig auch durch Mord. Da es sich um eine ziemlich vergnügliche Unterhaltungskomödie handelt, wird es nie so richtig ernst, aber der Dialog-Witz ist schön sarkastisch und die Situationen häufig originell, sodass keine Langeweile aufkommt, was nicht zuletzt dem spielfreudigen Ensemble zuzuschreiben ist. Das es von dieser Sippe bereits einen ersten Film gibt, habe ich erst hinterher mitbekommen und man braucht ihn auch nicht vorher gesehen zu haben, da der neue Film völlig eigenständig funktioniert. Nach einem arbeitsreichen Tag kann man sich hierbei jedenfalls gut zerstreuen.

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                                                EddieLomax 09.06.2024, 23:59 Geändert 12.06.2024, 21:02

                                                UN DETECTIVE von Romolo Guerrieri entstand in Folge der Rückbesinnung auf die klassischen Hardboiled-Krimis der 40er Jahre, welche in den späten 60ern eine kleine Renaissance feiern konnten. Stars wie Frank Sinatra, Paul Newman und James Garner wurden in verschiedenen Adaptionen zum Private Eye und auch Franco Nero darf im nächtlichen Rom einer familiären Intrige mit mörderischem Ausgang auf die Spur kommen. Dabei verliert der Zuschauer schnell die Orientierung, während der gewiefte Ermittler scheinbar klarer sieht, sich jedoch auch häufiger irrt als ihm lieb ist. Nero ist dabei wie immer eine Bank, zudem hier glattrasiert und maßbeanzugt äußerst attraktiv und Adolfo Celi als undurchsichtiger Auftraggeber lange Zeit ein scheinbar seriöser Anwalt, dessen Fassade bald Risse bekommt. Florinda Bolkan, Delia Boccardo und Susanna Martinková haben als weibliches Verdächtigen-Triumvirat einerseits die Aufgabe dem Detektiv im Sexy Sixities Flair den Kopf zu verdrehen, als auch ihn zu manipulieren, auf falsche Fährten zu locken oder ihn zu unterstützen, wobei es keine Frage ist, dass es auch auf dieser Seite Opfer geben wird. Stimmung und Atmosphäre bei passender zeitgenössischer Untermalung werden hier groß geschrieben in einem Who-Dunnit, der die Frage, ob es A-Man's-World ist, nicht eindeutig beantwortet.

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                                                  EddieLomax 09.06.2024, 20:10 Geändert 10.06.2024, 08:14

                                                  BASTARDEN von Nikolai Arcel ist ein im Jütland des 18. Jahrhunderts spielender Heide-Western um einen Hauptmann, der das karge Land für den dänischen König urbar machen will, weil er sich einen Adelstitel davon erhofft, es jedoch mit einem sadistischen Gutsherrn zu tun bekommt, wodurch ein Kleinkrieg ausbricht, bei dem es keine Sieger gibt. Wie schon beim Dänen-Western THE SALVATION (Kristian Levring, 2014) hat auch hier wieder Anders Thomas Jensen seine Finger im Spiel (Drehbuch), Mads Mikkelsen spielt erneut die Hauptrolle und Regie-Kollaborateur Arcel schwingt das Zepter, wie bereits beim Historien-Stück DIE KÖNIGIN UND DER LEIBARZT (2012). Einerseits sehen wir klassische Genre-Kost irgendwo zwischen ROB ROY (Michael Caton-Jones, 1995) und MICHAEL KOHLHAAS (Arnaud des Pallières, 2013), andererseits (ebenfalls) eine Literaturverfilmung nach Ida Jessen, deren Verdienst es ist, anders als in früheren Geschichtsdramen meist männlicher Urheberschaft, die Rolle der Frauen in ein realistischeres, aber auch umso aktiveres Licht zu setzten, was daran verdeutlicht wird, dass die Akteurinnen zusehends in den Handlungsverlauf eingreifen, je mehr sich die immer ratloser werdenden männlichen Protagonisten in ihren Konflikt verrennen und die sich hochschaukelnde Situation schon lange nicht mehr überblicken. Je tiefer sich die Gewaltspirale dreht, desto weniger Kontrolle behalten die Beteiligten. Das ist zwar alles andere als neu, wurde aber selten so konzentriert und mit zunehmender Laufzeit intensiver umgesetzt als im vorliegenden Werk, welches aus der Unabhängigkeit von Hollywood heraus, natürlich nicht dessen Regeln unterliegt. Der stark besetzte und gespielte Film bietet zudem den deutschen Kinobesuchern einige bekannte Landsmänner wie Felix Kramer und Martin Feifel in Nebenrollen. KING'S LAND, so der "deutsche" Titel ging für Dänemark als Bester Ausländischer Film bei den Oscars ins Rennen und Mikkelsen gewann völlig zurecht den Europäischen Filmpreis für seine unterkühlte und doch hochemotionale Darbietung. Der Gang ins Lichtspielhaus versteht sich angesichts der großen Bilder von selbst.

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                                                    EddieLomax 09.06.2024, 00:15 Geändert 09.06.2024, 00:17

                                                    LO SPIETATO von Renato De Maria basiert auf einem Tatsachen-Roman von Piero Colaprico und Luca Fazzo und erzählt die Geschichte eines Lebens in der Mafia. Dabei bäckt die italienische GoodFellas-Variante deutlich kleinere Brötchen als das große Vorbild und startet flott und stark, bis klar wird wo die Reise hingeht, wonach zugegeben etwas vorhersehbar die üblichen Verbrecher-Karriere-Stationen abgearbeitet werden und den gewohnten Gang gehen, während der Tonfall von humorvoll langsam aber stetig einer nihilistischen Düsternis weicht. Mit Riccardo Scamarcio verfügt der Gangsterfilm zudem über einen charismatischen Hauptdarsteller, dem es mühelos gelingt den Weg vom bauernschlauen Provinzgauner zum skrupellosen Mafiaboss zu zeichnen.

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