EddieLomax - Kommentare

Alle Kommentare von EddieLomax

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    Pünktlich zum Abschluss der Arbeiten an der neuen Eisenbahn-Linie kommt John Reid (Armie Hammer) in seine Heimatstadt zurück, um sein frisches Jura-Studium in die Praxis umzusetzen und der Frontier-Stadt die Blumen der Zivilisation in Form des Gesetzes zu bringen. Da trifft es sich gut, dass sein Bruder Dan (James Badge Dale) bereits als Texas Ranger für die Exekutive sorgt. So kann man in Zukunft gemeinsam die Hebel des friedlichen Miteinander betätigen. Eine zügig beschlossene Verbrecherjagd auf den gerade flüchtigen Mörder Butch Cavendish (William Fichtner) eignet sich ganz prima, einander wieder näher zu kommen. Doch leider findet jene Hatz ein frühes gewaltsames Ende durch einen gemeinen Hinterhalt Cavendish's, dem beide Brüder zum Opfer fallen. Der zufällig die Gegend durchquerende Indianer Tonto (Johnny Depp) war aus der Ferne Zeuge der Geschehnisse, findet die Leichen und macht sich gerade an deren Beerdigung als er festellen muss, dass John Reid noch lebt. Tonto weiß um den vorangegangenen Verrat an den Rangers und schwört Reid auf den anstehenden Kampf gegen die Schurken ein. Fortan reiten sie zusammen für die Gerechtigkeit.

    Der jüngste Wiederbelebungsversuch des einstigen Erfolgs-Serials sollte die FLUCH-DER-KARIBIK-Erfolgs-Serie des Trios Jerry Bruckheimer (Produktion), Gore Verbinski (Regie) und Superstar Johnny Depp in neue Sphären leiten, am besten gleich mit einer weiteren Franchise-Kuh, die man dann über Jahre melken kann. Als Co-Star wurden erst George Clooney, später Brad Pitt ins Auge gefasst, die nach rudimentärer Drehbuch-Lektüre dankend ablehnten. Jetzt ist es Armie Hammer, der sich an Depp's Seite behaupten muss und soviel sei gesagt, an ihm liegt es nicht.

    Die Mammut-Produktion verlässt sich völlig auf die Star-Power von Johnny Depp und scheitert beinahe auf ganzer Linie. Nicht nur, dass die Figur des Tonto seit eh und je als Nebenfigur angelegt war und allein deshalb die Geschichte nicht tragen kann, hapert es hier an der Geschichte selbst, die sich nicht mal ansatzweise Mühe gibt zu verschleiern, dass sie nur aus Stückwerk besteht. Löst man die einzelnen Blöcke auf, bekommt man in der ersten halben Stunde einen eigenen kleinen Meta-Film präsentiert, der durchaus für sich stehen könnte. Er führt die Figuren ein, zerberstet förmlich vor Genre-Zitaten und/oder Reminiszenzen, mixt all das mit der Over-the-Top-Comic-Comedy Tex Averys und der Looney Tunes, was vor allem den zweiten Fluch-der-Karibik-Film so reizvoll gemacht hatte, und endet mit einem grandiosen Finale, welches für den gesamten Film gereicht hätte.

    Nur leider läuft das Werk ab hier noch zwei volle Stunden weiter. Es vergeht eine weitere Viertelstunde bis die eigentliche Geschichte beginnt und diese verzettelt sich dann zusehends in Einzel-Szenen, die für sich genommen funktionieren mögen, als Ganzes jedoch völlig zerfahren und uneinheitlich wirken. Der halbstündige Showdown erinnert dann an schlimmste WILD WILD WEST-Zeiten, einem ähnlich teuren und katastrophalen Will-Smith-Vehikel aus den späten Neunzigern. Man kann nicht sagen, der Film wäre nicht unterhaltsam, was er durchaus ist, aber als Western kann man ihn nicht ernst nehmen und das ist schade, gerade weil er von Gore Verbinski ist, der 2011 mit dem Animationsfilm RANGO (ebenfalls unter Beteiligung von Johnny Depp) eindrücklich bewiesen hat, dass er das Genre liebt und verstanden hat. Nach LONE RANGER bin ich mir da nicht mehr so sicher. Seine leidlich unterhaltsame Verfilmung der einstigen Hörspielreihe gerät zum finanziellen Massengrab mit imposanten Set-Pieces.

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      EddieLomax 28.11.2024, 09:20 Geändert 28.11.2024, 09:21

      Als Kind muss John Reid mit ansehen wie seine Eltern ermordet werden. Vor den Banditen versteckt er sich, kann aber dem Indianerjungen Tonto das Leben retten, der ihn mit zu seinem Stamm nimmt, wo Reid Leben und Bräuche des Naturvolkes kennenlernt. Sie schließen Blutsbrüderschaft. Nach einiger Zeit holt ihn sein Bruder Dan, ein Texas Ranger, zurück in die Zivilisation und schickt ihn in den Osten auf die Schule. Zehn Jahre später kehrt John (jetzt: Klinton Spilsbury) zurück um an der Seite von Dan gegen die Verbrecherbande von Butch Cavendish (Christopher Lloyd) zu kämpfen, der sie jedoch in einen Hinterhalt lockt und erschießen kann. John überlebt knapp und wird von seinem Blutsbruder Tonto (Michael Horse) gefunden, der fortan an seiner Seite gegen die Banditen kämpft.

      Zunächst gibt es den Titelsong von Merle Haggard "The Man in the Mask", einen elegischen Country-Song komponiert von Soundtrack-Meister John Barry. Dazu Bilder vom Monument Valley, einer Postkutsche die es durchquert, wunderschön gefilmt mit Lust auf mehr. Das folgende erste Drittel geht auch noch in Ordnung, das einzige was verwundert ist die doch recht heftig dargestellte Gewalt in einem familienfreundlich konzipierten Film wie diesem. Dann merkt man recht zügig, das sich die Story nicht so wirklich vom Fleck bewegt und nach einer geschlagenen Stunde, also zwei Dritteln des gesamten Filmes, geht die eigentliche Geschichte erst los und wird dann im letzten Drittel zügig abgespult.

      Sie dreht sich um einen Besuch des US-Präsidenten Ulysses S. Grant (Jason Robards) in Texas, den Butch Cavendish entführen will, um die Unabhängigkeit des Staates zu erpressen. Im Gefolge des Präsidenten befinden sich einige illustre Figuren des alten Westens wie Buffalo Bill, Wild Bill Hickock und General Custer, deren Anwesenheit zu keiner Zeit begründet oder gefordert wäre, ergo pures Name-Dropping darstellen. Regelrecht gehetzt wird nun die Befreiungsaktion abgehandelt und dann ist das Ganze auch schon wieder vorbei.

      Die Besetzungsliste liest sich recht namhaft, zumindest bei den Nebendarstellern, leistungstechnisch ist dennoch nicht viel zu holen da ein jeder seine Nummer runterspielt, so als ob allen von Anfang an klar war, das man hier einen kolossalen Flop produziert. Dabei hat Kamera-Größe William A. Fraker als Regisseur zuvor mit MONTE WALSH (1970) einen der besten Spätwestern gedreht und schien hinreichend geeignet für ein solches Projekt. Optisch ist der Film durchaus gelungen, hingegen fehlt eine ordentliche Dramaturgie, ein gutes Drehbuch und ein strukturiertes Gesamtkonzept.

      Den gleichen Fehler machten gut dreißig Jahre später auch Gore Verbinsky und Johnny Depp mit ihrer Version der Legende, die man in Zukunft wohl besser ruhen lässt. Von der naiven Unschuld der 1950er-Jahre-Serie und der dazu gehörigen Kino-Filme mit Clayton Moore sind beide Neuinterpretationen meilenweit entfernt. Wie aus John Reid der Lone Ranger wurde und warum Indianer Tonto ihm im Kampf gegen das Böse zur Seite steht, hier neu erzählt als freudloses Abenteuer mit ansehnlichen Bildern und spannungsarmer Dramaturgie. Ein Flop.

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        THE LONE RANGER AND THE LOST CITY OF GOLD von Lesley Selander ist der dritte und letzte Kinofilm zur Original-Fernsehserie, die von 1949 - 1957 lief und gleichzeitig der finale Auftritt von Clayton Moore, dem die Titelfigur zur Rolle seines Lebens wurde. Leider ist in diesem alle Elemente des vorangegangenen vereinenden Nachklapp nichts mehr von der vormaligen Dynamik und Rasanz der Serie zu finden. Das Publikum bekommt einen familienorientierten, bewusst naiv gestalteten Standard-Western, dessen Unterhaltungswert bestenfalls durchschnittlich ist. Verlässlich hingegen ist die handwerkliche Umsetzung, denn das sieht alles gut aus, die Action-Szenen sind professionell umgesetzt und auch sonst gibt's nicht viel zu bemängeln. Trotzdem wird deutlich, warum mit dem Franchise erstmal Schluss war. Doch der Lone Ranger kehrte zurück...

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          EddieLomax 26.11.2024, 23:24 Geändert 26.11.2024, 23:26

          MINAMATA von Andrew Levitas verbindet das Portrait über den Foto-Journalisten W. Eugene Smith, hier dargestellt durch Johnny Depp, mit dem Umweltskandal in der japanischen Stadt Minamata im Jahre 1971. Dabei gelingt dem Regisseur ein erschütterndes, doch behutsam inszeniertes Drama, dass noch lange nachhallt. Die Besetzung Depp's, der schon seit einer gefühlten Ewigkeit in keinem gehaltvollen Film zu sehen war, erweist sich als großer Glücksfall. Zwar finden sich in seiner Verkörperung durchaus vertraute Wesenszüge aus seinen karrierebestimmenden Standardrollen, allerdings verkommen sie hier niemals zum Selbstzweck, sondern dienen einzig der ernsthaften Charakterisierung seiner Figur, welche er mit äußerster Präzision und Zurückhaltung gestaltet. Smith wird somit für den Zuschauer greifbar und führt ihn hinein in eine Welt aus Hoffnungslosigkeit, Trauer und Schmerz. Das menschliche Leid bestimmt die Erzählung, deren Inszenierung respektvoll bleibt und ohne jede Übertreibung auskommt. Ein auf allen Ebenen gelungener Film.

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            EddieLomax 25.11.2024, 10:23 Geändert 25.11.2024, 10:24

            CONCLAVE von Edward Berger ist die Verfilmung eines Romans von Robert Harris, der sich dieser Tage mit seinem neuesten Buch ABGRUND auch auf Lesereise in Deutschland befindet. Perfektes Timing, würde ich sagen. In KONKLAVE wird eine Papstwahl zum spannenden Thriller, wenn Seilschaften geschmiedet, Intrigen gesponnen und Geheimnisse gelüftet werden, welche die Kirche erschüttern könnten. In den Räumen, Gängen und Sälen der Sixtinischen Kapelle verdichten sich die Konflikte der Kardinäle abseits und abgeschottet von der Außenwelt, und lassen in aufgeladenen Auseinandersetzungen die Atmosphäre einem Schmelztiegel gleich hochkochen, während der Leiter des Konklave alle Hände voll zu tun hat, zu organisieren, auszugleichen und zu beschwichtigen, schlussendlich dafür zu sorgen, dass der richtige Kandidat die nötigen Mehrheiten bekommt, um als nächster Papst den heiligen Stuhl zu besteigen. Das ist, wie nicht anders zu erwarten, großes Schauspielerkino mit Star-Besetzung, handwerklich auf höchstem Niveau, inhaltlich am Puls der Zeit, getragen von einem Ensemble in bester Spiellaune, wobei einige besonders hervorstechen, wie die zurückhaltend agierende Isabella Rossellini und der Szenen-Dieb Sergio Castellito. Allein wie es der Regisseur schafft, den Zuschauer von der ersten Minute an zu fesseln, indem er durch perfekt abgestimmtes Sounddesign in Symbiose mit Schnitt und Soundtrack ein Tempo vorlegt, welches im Verlauf des Films kaum gedrosselt wird, kann nur als meisterhaft bezeichnet werden. Auch wird mit starken Bildern, Dank einfallsreicher Kamera-Arbeit das größtmögliche aus dem engen Rahmen des Schauplatzes herausgeholt, sodass nie der Eindruck eines Kammerspiels entsteht. Das ist klassisches Oscar-Futter im besten Sinne. Das Rennen ist eröffnet.

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              SANTEE von Gary Nelson bietet im Grunde nur ein schlagendes Argument für eine Sichtung,  denn der verdiente Genre-Star Glenn Ford spielte hier seine letzte Hauptrolle in einem Western der, obgleich thematisch nicht uninteressant, eine Menge Zeit schindet, weil er nicht gerade viel Handlung hat, doch am Ende mit einem brutal-brachialen Showdown überrascht, den man so nicht kommen sieht. Auch der langjährige Indianer-Darsteller Jay Silverheels, den die meisten als Tonto in THE LONE RANGER in Erinnerung haben dürften, ist hier in seiner letzten Rolle zu sehen. Glenn Ford spielte anschließend in seinem geliebten Western-Genre nur noch in der Mini-Serie THE SACKETTS (1979) nach Louis L'Amour mit Tom Selleck eine Nebenrolle als Bösewicht und hatte mit einer weiteren Nebenrolle in der Elmore-Leonard-Verfilmung LAW AT RANDADO (1990) den finalen Auftritt. Nur für Komplettisten.

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                über GTMAX

                GTMAX von Olivier Schneider ist ein in der Motocross-Szene angesiedeltes Krimi-Drama mit Action-Elementen, wobei vor allem das rasant inszenierte Finale als Höhepunkt des klassisch strukturierten Plots fungiert. Die traumatisierte, ehemalige Motocross-Fahrerin Soélie (Ava Baya) gerät, um ihrem jüngeren Bruder zu helfen, unfreiwillig auf die schiefe Bahn, indem sie Maschinen für eine kriminelle Gang tunt. Bald sitzt sie bei einem Coup selbst im Sattel und hat die Polizei im Nacken. Der geradlinige erzählte Film stellt erstmal das Milieu am Beispiel einer Rennfahrer-Familie (u.a. Gerard Lanvin) vor und konzentriert sich auf die glaubwürdig entwickelten Charaktere. Parallel dazu wird die Arbeit einer Motorrad-Einheit der Pariser Polizei geschildert, die hinter der Gang her ist. Langsam spitzt sich die Lage zu und wird zusehends auswegloser für die Protagonistin, die im Verlauf gezwungen ist, ihre eigenen Dämonen zu überwinden und über sich selbst hinauszuwachsen. Dass dies funktioniert liegt nicht nur am überzeugend agierenden Ensemble, sondern auch an der schön geerdet präsentierten Story, die gar nicht mehr sein will, als sie ist. Mir hat's gefallen.

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                  Ostfront 1943: Feldwebel Steiner (James Coburn), desillusioniertes Frontschwein und Träger des eisernen Kreuzes, kennt nur ein Ziel, nämlich sich und die Männer seines Trupps, eine Gruppe von Außenseitern (u.a. Klaus Löwitsch und Vadim Glowna), möglichst unbeschadet durch den Irrsinn den man Krieg nennt zu bringen. Er hasst Offiziere und führt seinen Zug nach eigenen Regeln. Den Regeln eines erfahrenen Soldaten, der längst nicht mehr an den Endsieg glaubt.

                  Als Hauptmann Stransky (Maximilian Schell) auf eigenen Wunsch an die Front versetzt wird und den Befehl über die eingeschworene Gemeinschaft übernehmen soll, stößt der aufstrebende linientreue Nazi in zahlreichen Situation an seine Grenzen und macht sich durch seine harte, starre Haltung schnell unbeliebt. Denn Stransky will, um seine Familienehre zu retten, unbedingt ein eisernes Kreuz. Und dafür ist ihm jedes Mittel recht. Nachdem er festgestellt hat, das er Steiner nicht manipulieren kann, schickt er ihn und seine Männer auf ein Himmelfahrtskommando hinter die russischen Linien, von dem es kein zurück geben kann. Doch Steiner kehrt nach harten Kämpfen und unter schweren Verlusten mit seiner Einheit zurück und er beweist Stransky, das auch eiserne Kreuze diesem Wahnsinn keinen Sinn geben können.

                  Basierend auf Willi Heinrichs zweiteiligem Roman STEINER verfilmte Sam Peckinpah im Auftrag des deutschen Porno-Produzenten Wolf C. Hartwig hier den ersten Teil "Das geduldige Fleisch". Wie fast immer lieferte sich Peckinpah mit dem Produzenten erbitterte Zweikämpfe und schaffte es, trotz der äußerst chaotischen Produktionsbedingungen, einen zwar nicht meisterhaften aber dennoch herausragenden Beitrag des Kriegsfilm-Genres herzustellen, der für sich genommen noch immer eine Rarität bei dieser Art Film darstellt.

                  Er zeigt den Krieg nämlich einzig aus deutscher Perspektive. Peckinpah gelingt es, und das muss man sowohl seinem Genie als auch seiner Herkunft anrechnen, einen objektiven Blick auf die Figuren und die Zustände an vorderster Front zu werfen, ohne freilich seine Liebe zu den Individualisten zu verleugnen. Er stellt dabei der inneren Zerissenheit der Protagonisten, Bilder der ausufernden vernichtenden Gewalt gegenüber, die bis heute einzigartig sind und den ganzen Horror des Krieges eindrucksvoll dokumentieren. Hier trifft in den Figuren Stransky und Steiner das System Faschismus auf das System Soldat und beide sind dabei sich gänzlich aufzulösen weil klar wird, dass weder das eine, noch das andere an diesem Punkt funktionieren können. Die Eigendynamik des Krieges macht jedes dieser Systeme unwirksam und sinnlos. Selten wurde diese Absurdität klarer und greifbarer herausgestellt. Ein in Blut und Schlamm getauchtes Kriegsgemälde, mit dem Sam Peckinpah zwar keine Filmgeschichte schrieb, aber ein einzigartiges Genre-Unikum schuf.

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                    EddieLomax 19.11.2024, 22:51 Geändert 19.11.2024, 23:22

                    JEON, RAN von Kim Sang-man ist ein Schwertkampf-Epos und basiert auf einem Drehbuch von Park Chan-Wook, dass dieser aus terminlichen Gründen nicht selbst verfilmen konnte, aber es zumindest produzierte. Es erzählt die auf historischen Ereignissen fußende Geschichte eines Jungen, der versklavt und seinem etwa gleichaltrigen neuen Herrn zugeteilt wird, sozusagen als dessen Spiegel, Schatten und Auffangbecken jeglicher Strafen für Fehlleistungen fungiert. Sein Freiheitsdrang führt immer wieder zur Flucht. Als die Japaner Korea erobern wollen, finden sich die nun erwachsenen Männer im Krieg wieder. Verwickelt erzählt, kann die komplexe Geschichte lange Zeit unübersichtlich erscheinen, überzeugt aber durch Atmosphäre, starke Bildsprache und tolle Schauspielleistungen. Auch an Action fehlt es nicht, die Kämpfe sind choreographisch hochwertig gestaltet, schnell und brutal. Dennoch war es schwierig für mich, dass Geschehen vollumfänglich zu erfassen und ich könnte mir vorstellen, bei einer Zweitsichtung mit etwas höherer Aufmerksamkeitsspanne eine bessere Wertung zu erzielen. Die vielschichtigen Charaktere und mehrdeutigen Handlungsebenen bergen sicherlich noch einiges an gewinnbringendem Inhalt, vor allem wenn man den historischen Hintergrund berücksichtigt, doch dafür war heute wohl nicht der richtige Zeitpunkt.

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                      MILES DAVIS: BIRTH OF THE COOL von Stanley Nelson bietet einen guten Einstieg in das Schaffen des großen Jazz-Mysteriums ohne dabei, trotz seiner Laufzeit, allzusehr in die Tiefe zu gehen, was durch die schiere Masse an Material, die hier verarbeitet wurde, nahezu unmöglich scheint. Dennoch kommt man dem Genie auf die Spur, was vor allem deshalb gelingt, als dass Davis im Kommentar in eigenen Worten zitiert wird, angereichert durch viele Interviews mit Verwandten und Weggefährten. Als Soundtrack hören wir in dem chronologisch strukturierten Dokumentarfilm zahlreiche berühmte Stücke des Ausnahme-Künstlers, dessen dunkle Seiten ebenso berücksichtigt werden, wie sein Fehlverhalten. Alles in allem ein sehenswertes Portrait, dass noch bis zum 16.12.2024 in der arte-Mediathek zu finden ist:

                      https://www.arte.tv/de/videos/117748-000-A/miles-davis-birth-of-the-cool/

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                        EddieLomax 16.11.2024, 00:06 Geändert 19.11.2024, 19:22

                        GLADIATOR 2 von Ridley Scott könnte auch SHARKIATOR - HAIE IM KOLOSSEUM heißen und würde seinem Titel dennoch vollauf gerecht werden, da sowohl die Assoziation den raubfischähnlich agierenden Machthabern, als auch ihren Widersachern entsprechen kann, wiewohl dem Publikum in der Tat Haie und anderes Getier in der Arena präsentiert werden. Das kann dem Gedanken geschuldet sein, sich im Vergleich zum Vorgänger bei den Kampfszenen um keinen Preis wiederholen zu wollen und deshalb Szenarios entworfen wurden, die genau das nun beweisen, so abstrakt es auch sei, oder man dachte sich nur, je bescheuerter, desto besser.

                        Sir Ridley kommt mir nach seinen letzten filmischen Ergüssen immer mehr wie Opa Hoppenstedt vor, dessen Puls nur noch in Ekstase gerät, wenn er zur lauten Marschmusik im Takt mitgröhlen kann. Immer wieder zeigt er Ansammlungen von rohen, ungewaschenen Kerlen, die durch Brandreden befeuert Zustimmung herausbrüllen, pathetisch bis zur Selbstkarikatur. Überhaupt erscheint das Antik-Stadl oft wie teurer Edel-Trash voller absurder Szenen, bei denen man entweder nur den Kopf schüttelt oder sich enthemmt vor lachen darüber hinwegkringelt. Frauen gibt es im alten Rom Scott's praktisch nicht, mit Ausnahme der übers Ziel hinaus gebotoxten Connie Nielsen und einen anfänglichen zweiminütigen Alibi-Auftritt der Ehefrau des künftigen Gladiatoren, die sich sogleich rachewirksam dahinmeucheln lassen darf.

                        Apropos dahinmeucheln; hier scheint der Regisseur nochmal alle Register ziehen zu wollen, soviel Blut wie hier floss selten in einem seiner Filme. Von der epischen Erhabenheit des Originals ist in der Fortsetzung nichts zu spüren. Hier ist alles Oberfläche, flach wie der Boden des Kolosseums, Tiefgang gibt's nur in den Unterwasser-Szenen, was wohl David Scarpa anzulasten ist, der sich als Lieblings-Drehbuch-Kollaborateur des Regisseurs nach dem desaströsen NAPOLEON mal wieder kaum bemüht zu haben scheint, auch nur einen gehaltvollen Dialog zustande zu bringen. Figurenzeichnung: Fehlanzeige. Das geht vor allem zulasten des Protagonisten, der von einem charismabefreiten Paul Mescal als recht tumber Haudrauf dargestellt wird, wobei ich bezweifle, dass es so beabsichtigt war. Nebenfiguren bekommen kaum Raum, was im ersten Teil noch gänzlich anders war, als man mit den Kampfgefährten des Helden ebenso mitgefiebert hat, wie mit ihm selbst. Hier spielen sie keine Rolle und sind nur da, um das Bild zu füllen.

                        Doch es gibt auch positives zu berichten. Denzel Washington gibt dem CGI-Affen sprichwörtlich ordentlich Zucker und hat offenbar als Einziger erkannt, was angesichts der Script-Eskapaden zu tun ist, um die Toga-Party am laufen zu halten und Pedro Pascal zeigt einmal mehr seine Fähigkeit einen solchen Film über weite Strecken zu dominieren, in dem er sicherlich der geeignetere Hauptdarsteller gewesen wäre. Zudem gibt es einige sehr sehenswerte und aufwändige Panoramen zu bestaunen, Bilder in denen das Römische Reich, womöglich ein letztes Mal, in solcher Größe auf der Leinwand wieder auferstehen kann, was den Kino-Besuch für sich genommen bereits rechtfertigt. Außerdem ist GLADIATOR 2 trotz seiner enormen Länge stets unterhaltsam und niemals langweilig. Purer Eskapismus, der sich kein Stück um Glaubwürdigkeit schert und sich ganz dem Spektakel hingibt, ohne Rücksicht auf Verluste.

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                          TERRITORY von Greg McLean (WOLF CREEK 1& 2 + Serie) ist eine (bislang) sechsteilige Serie und so etwas wie YELLOWSTONE light. Es geht um die Familie Lawson, welche die größte Ranch der Welt im australischen Northern Territory betreibt und ständigen Intrigen, Machtkämpfen und Fehden ausgesetzt ist. Daneben gibt es reichlich innerfamiliäre Verwerfungen und Konflikte, denen ebenso viel Raum gegeben wird, wie der Organisation des Arbeitalltages und den nicht immer legalen Nebenbeschäftigungen einiger Familienmitglieder. Das ganze ist gut geschrieben, dabei nicht so überdreht wie das US-Vorbild, aber dennoch spannend und steigert sich von Folge zu Folge, wobei keinerlei Längen entstehen. Das Finale wird dann so richtig dramatisch, lässt sich allerdings eine Hintertür offen, kann jedoch ebenso gut als Abschluss fungieren. Besonders punktet die aufwändig produzierte, zeitgenössische Western-Serie durch die ausgezeichnete Besetzung um Anna Torv (MINDHUNTER) und Robert Taylor (LONGMIRE), sowie einem frischen jüngeren Cast, der wirklich Laune macht. Sehr positiv ist mir im Verlauf die Einbindung der australischen Ur-Einwohner bei den zu verhandelnden Themen aufgefallen, deren historische Rolle in der Gesellschaft des fünften Kontinents unterschwellig immer mitschwingt und kein gutes Licht auf den aktuellen Umgang mit dieser Bevölkerungsgruppe wirft. Der wahre Hauptdarsteller ist ohne Wenn und Aber die überwältigende Landschaft des Outback, die jederzeit ins rechte Licht gesetzt wird und eine nicht zu unterschätzende Funktion in der Erzählung besitzt. TERRITORY ist eine erfreuliche Überraschung. Von mir aus kann es gern weitergehen.

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                            Ralph Fiennes modernisiert den Shakespeare-Stoff intelligent und zeitgemäß, spielt seine Parade-Rolle von den Theater-Bühnen mit Hingabe, scheitert aber inszenatorisch am eigenen Anspruch. Das kann und muss nicht jedermanns Sache sein, ist für Shakespeare-Liebhaber aber trotzdem einen geschulten Blick wert. Im ersten Drittel dominieren wilde Action-Szenen, Häuserkampf wie in FULL METAL JACKET, Massen-Proteste, Schießereien und Prügel-Szenen. Da fällt es nicht leicht den Überblick zu behalten, wird dies doch immer wieder von den typischen klassischen Dialogen gebrochen. Etwas irritierend ist das schon.

                            Wenn der Erzähl-Rhythmus erstmal gefunden ist, besticht der Film, wie die meisten Shakespeare-Verfilmungen, eher durch die erlesene Besetzung und deren schauspielerische Leistungen, gibt es doch kaum etwas dankbareres sein Talent zu zeigen, als in einem Stoff des Mannes aus Stratford upon Avon, dessen Dialoge, wenn auch hier leicht verändert, wie immer brilliant und zeitgemäß funktionieren, wuchtig und aussagekräftig daherkommen. Mit derartigen Updates habe ich zwar hin und wieder meine Probleme, muss jedoch feststellen, dass es hier überaus gelungen ist. Die Verlegung in ein postmodernes Italien zwischen Occupy und Bürgerkrieg passt auf den Punkt, der filmische Stil schwankt zwischen italienischem Politkino der Siebziger Jahre und modernem Mockumentary-Stil. Das ist zugegeben etwas sperrig, aber wenn man im Shakespeare-Modus angekommen ist, zieht es einen doch noch in seinen Bann. Insgesamt gelungen, wenn auch mit Abstrichen.

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                              Texas um 1890: Nachdem der Raubmörder Purvis (David Arquette) in der Wildnis nach schrecklicher Tat knapp mit dem Leben davongekommen sein Heil in Bright Hope zu finden sucht, gerät er durch sein verdächtiges Verhalten sogleich mit dem Sheriff Hunt (Kurt Russell) und dessen Deputy Chicory (Richard Jenkins) aneinander, was ihm eine Kugel im Bein und eine Nacht im Gefängnis einbringt. Dort ärztlich behandelt von Samantha O'Dwyer (Lili Simmons), der Frau des verunfallten Cowboys Arthur (Patrick Wilson), soll die Nacht abgewartet werden und die Klärung der Verhältnisse am nächsten Tag erfolgen. Als Sheriff Hunt am nächsten Morgen nicht nur einen Mord aufklären muss und im Gefängnis niemanden mehr vorfinden kann, wird schnell klar das es einen Zwischenfall gegeben hat, bei dem Mrs. O'Dwyer, der Gefangene und ein weiterer Deputy entführt wurden. Gemeinsam mit Chicory, Arthur und einem besorgten Bürger namens Brooder (Matthew Fox), startet Hunt eine Suchaktion, die direkt in die Hölle zu führen scheint.

                              Große Fußstapfen sind es, in die Multitalent S. Craig Zahler da steigt und er schlägt sich wacker. Unverkennbar von Vorbildern wie (zu Beginn) Howard Hawk's RIO BRAVO oder (im Verlauf) John Ford's THE SEARCHERS beeinflusst (wenn auch ein paar Nummern kleiner), erweist sich sein Regie-Debüt als durchaus eigenständiger Genre-Bastard, der als atmosphärischer Mix von Filmen wie THE MISSING (Ron Howard) und RAVENOUS (Antonia Bird) zu gefallen weiß. Wird die Suche zunächst konventionell erzählt, den Charakteren dabei Tiefe und Glaubwürdigkeit verliehen, wandelt sich die Geschichte im letzten Drittel schleichend in einen lupenreinen Horrorfilm, der auch vor drastischen, teilweise verstörenden Bildern nicht halt macht. Das sich alles dennoch zu einem homogenen Ganzen fügt, ist nicht nur der Klasse der Schauspieler dieses in nur 21 Tagen abgedrehten Low-Budget-Western, was man ihm zu keiner Zeit ansieht, sondern dem romanhaft entwickelten Drehbuch geschuldet, für welches Zahler, neben der Arbeit an Schnitt und Soundtrack ebenfalls verantwortlich zeichnet.

                              Kurt Russell, der 2015 gleich für zwei Western (außerdem Quentin Tarantino's THE HATEFUL 8) vor der Kamera stand, trägt das Werk mühelos mit seiner natürlichen Art und verleiht der Geschichte ihre nötige Bodenständigkeit. Richard Jenkins' Chicory ist die heimliche Hauptfigur und erinnert in ihren besten Momenten an Walter Brennans legendäre Sidekick-Rollen in einigen Western-Klassikern als pausenlos plappernder alter Hilfssheriff. Patrick Wilson, der Timothy Olyphant ersetzte, gibt einmal mehr den Normalo der sich durchbeißt und Matthew Fox überzeugt als arroganter Indianer-Hasser, der im letzten Moment Verständnis für seine Figur aus der Unsympathen-Rolle herauskitzeln kann.

                              Ein düsterer Horror-Western der morbiden Art mit einigen drastischen Gewalt-Szenen, der als im positiven Sinne kruder Genre-Mix mit atmosphärischer Inszenierung und tollen Schauspielerleistungen zu überzeugen vermag.

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                                PEDRO PÀRAMO ist das Regie-Debüt des Star-Kameramannes Rodrigo Prieto (KILLERS OF THE FLOWER MOON) und die bereits vierte Verfilmung des gleichnamigen Roman-Klassikers von Juan Rulfo aus dem Jahr 1955 (auf Deutsch bei Hanser erschienen), dabei vermutlich die erste für ein internationales Publikum. Ein Mann sucht nach dem Tod der Mutter seinen Vater, den er nie kennengelernt hat und findet ihr Heimatdorf in der nordmexikanischen Einöde verlassen vor. Einzig die Haushälterin der Familie lebt noch hier in der Geisterstadt, was durchaus wörtlich zu nehmen ist, und nimmt ihn auf. An diesem Ort herrscht eine merkwürdige Stimmung, denn die Frau kann offenbar mit den Verstorbenen kommunizieren, der Mann bekommt seltsame Träume, begegnet den Toten, die Nachts durch die Straßen wandeln, ihm Geschichten über seinen Vater Pedro Pàramo erzählen und nur wenig positives über ihn zu berichten haben. Langsam ergibt sich das Portrait eines Menschen, der aufgrund seiner Erlebnisse in Kindheit und Jugend zum Despoten wurde. Der Tod ist allgegenwärtig in dieser Geschichte des Niedergangs und kann als Parabel gesehen werden. Das sehr ruhig erzählte Drama übersetzt den magischen Realismus des Romanes in atmosphärische Bilder mit suggestiver Wirkung, arbeitet mit den filmischen Mitteln des Fantasy-Horror in einem typischen Western-Setting, ohne dabei die Ernsthaftigkeit seiner Erzählung zu vernachlässigen.

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                                  THE TAKE von Robert Hartford-Davis ist eine ungewöhnliche Mischung von Blaxploitation-Action und Neo Noir aus britischer (!) Produktion mit komplett amerikanischer Besetzung, allen voran Billy Dee Williams als durch und durch korrupter, stets auf den eigenen Vorteil bedachter Cop, der in New Mexico mit Hilfe eines Gangster-Bosses (Vic Morrow) Karriere machen will. Auch seine Kollegen, u.a. A Martinez, Eddie Albert & Albert Salmi haben alles andere als eine weiße Weste, was den gesamten Polizei-Apparat in keinem besonders guten Licht erscheinen lässt. Anfang und Ende des Films bieten handfeste Action, dazwischen geht es mehr um charakterliche, wie institutionelle Untiefen, die allerdings nicht sehr differenziert ausgearbeitet werden. Dennoch kann man sich das seltene Stück mal geben. Die Gelegenheit dazu findet sich neuerdings bei YouTube.

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                                    UTAH BLAINE von Fred F. Sears ist die Verfilmung eines Romans von Louis L'Amour und dreht sich um einen Konflikt zwischen Landräubern und Farmern, die unerwartet Hilfe von einem Revolvermann erhalten. Mike Blaine, genannt Utah Blaine, saß in Mexiko im Knast. Nun sucht er den Typen, der ihn dort hineingebracht hat. Er findet ihn zufällig, als er einen Farmer vor dem lynchen rettet, der zum Opfer von Landräubern geworden ist. Blaine stellt sich auf die Seite der Farmer, um seine Rechnung zu begleichen. Eine exemplarische Western-Geschichte, gut geschrieben, gut gespielt und solide inszeniert, profitiert natürlich ungemein von der Präsenz Rory Calhouns, dem auch bei positiv besetzten Charakteren immer etwas hintergründiges und gefährliches anhaftet. Solch ambivalente Figuren lagen ihm einfach und hoben so manchen seiner Western über den Genre-Durchschnitt, so auch hier.

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                                      MR. & MRS. BRIDGE ist eine Literaturverfilmung von James Ivory nach zwei Romanen von Evan S. Connell. Eine Besonderheit ist dabei die Besetzung des Ehepaares Joanne Woodward und Paul Newman als Titelfiguren, was dem formal klassisch gediegen inszenierten Drama eine sehr glaubwürdige Komponente verleiht und natürlich an der hohen schauspielerischen Qualität der beiden Stars liegt. Vor allem Newman ist hier völlig gegen den Strich besetzt und zeigt mit der Verkörperung des distanzierten und vermeintlich gefühlskalten Ehemannes und Familienvaters eine der besten Vorstellungen seiner langen Karriere, wobei er die Bühne zumeist seiner Frau überlässt, welche die Gelegenheit über die Maßen zu glänzen zu nutzen weiß. Oscar- und Golden-Globe-Nominierungen waren ihr Lohn. Zu sehen in der arte-Mediathek.

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                                        SUR LES CHEMINS NOIRS von Denis Imbert basiert auf dem gleichnamigen Reise-Bericht von Sylvain Tesson, in dem er von seiner Wanderung einmal quer durch Frankreich erzählt, die er nach einem schweren Unfall unternahm, ins Leben zurückzufinden. Während die Bücher Tessons immer wieder reflektierend von Grenzerfahrungen erzählen und dadurch sehr bereichernd sein können, ist es beim Medium Film schon schwieriger eine ähnliche Wirkung zu erzielen, da wir die meiste Zeit einem wandernden Mann dabei zuschauen, wie er eine überwältigende Landschaft durchschreitet und währenddessen viel nachdenkt. So ist es seinem Darsteller Jean Dujardin zu verdanken, dass wir ihm bis zum Ende folgen, seinem inneren Monolog lauschen und vor allem die Bilder genießen. Der Selbstfindungstrip als Flucht nach draußen in die Weite des Landes wird zur Reise ins Ich.

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                                          IN THE LAND OF SAINTS AND SINNERS von Robert Lorenz ist nach THE MARKSMAN die bereits zweite Zusammenarbeit des Regisseurs mit Liam Neeson und auch hier schwebt wieder ein Hauch von Clint Eastwood durch den Film, was nicht nur der Tatsache geschuldet ist, dass Lorenz der langjährige Regie-Assistent der Hollywood-Legende war, sowie später sein Regisseur bei TROUBLE WITH THE CURVE, auch dessen Stamm-Kameramann Tom Stern ist hier mit von der Partie, sowie einige andere Regulars im Stab. Für Neeson bildet der IRA-Thriller eine Rückkehr in seine Heimat Irland, wie er einst im ähnlich gelagerten A PRAYER FOR THE DYING von Mike Hodges an der Seite von Mickey Rourke schon einmal als Killer von der grünen Insel auf der Leinwand zu erleben war. An seiner Seite gibt's mit Colm Meaney und Cirian Hinds alte Weggefährten zu sehen und Kerry Condon konterkariert ihren Auftritt in der Irland-Farce THE BANSHEES OF INISHERIN wahrhaft monströs. Für die größte Überraschung sorgt jedoch GAME-OF-THRONES-Bösewicht Jack Gleeson als junger Killer mit Tiefgang. Das Thriller-Drama bewegt sich dabei dramaturgisch immer nah am Western-Genre und sorgt schon durch seinen Soundtrack für das nötige Feeling. Die Geschichte um den alternden Auftragsmörder entwickelt sich langsam und glaubwürdig, auch wenn sie bereits mindestens einmal zu oft erzählt wurde, doch die hochwertige Inszenierung, der unverbrauchte Schauplatz und das 70er-Jahre-Setting sind reizvoll genug um den geneigten Zuschauer abendfüllend zu fesseln.

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                                            EddieLomax 03.11.2024, 01:04 Geändert 03.11.2024, 08:10
                                            über Boon

                                            BOON von Derek Presley ist Teil einer Reihe von selbst produzierten kleinen Genre-Filmen des Hauptdarstellers Neal McDonough, die er in Ermangelung besserer Rollen seit einiger Zeit auf den Weg bringt und gleichzeitig eine Fortsetzung zum Vorgängerfilm RED STONE. Nachdem Boom im ersten Teil seinen Boss, einen Mafioso, umnietete als sich sein Gewissen gemeldet hatte, ist er auf der Flucht, natürlich mit einer Horde Killer an den Hacken. Einer von ihnen (Jason Scott Lee) erwischt ihn hart, verletzt ihn, sodass er in einem kleinen Kaff abtauchen muss. Doch auch hier gibt es einen Gangster (Tommy Flanagan), der das sagen hat. Boon hat zu tun, muss auf die Beine kommen und die Dinge regeln. Noch konzentrierter als der Vorläufer, besser besetzt und geschrieben, kann der kleine Genre-Reißer sein geringes Budget gut kaschieren und im selbst gesetzten Rahmen vollumfänglich überzeugen.

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                                              EddieLomax 02.11.2024, 22:55 Geändert 02.11.2024, 22:57

                                              IL DIVO von Paolo Sorrentino ist Biografie, Polit-Thriller und gallige Satire zugleich, fordert höchste Aufmerksamkeit, zeitgeschichtliches Verständnis und einen offenen Blick für einen stilsicheren Mix aus Fakten und popkulturellen Versatzstücken, versetzt den Zuschauer zum Dank in einen mäandernden Rausch aus Bildern, Gedanken und Reflektionen, zieht ihn hinein in den Geist des Protagonisten, versucht dessen subjektives monologisieren zur Manipulation zu nutzen, belehrt stattdessen mit kalten Eckdaten und erbarmungslosen Schicksalen am Wegesrand eines Machtmenschen, dessen Gewissen stets durch seine Religiosität abgesichert ist, der niemals zweifelt oder strauchelt, sich so seinen Platz in der italienischen Geschichte erobern konnte und dafür mit einem biblischen Alter belohnt wurde. Toni Servillos Darstellung wird dem deutschen Untertitel so gerecht, wie sie es nur sein kann, er spielt Andreotti wie einst Max Schreck den Grafen Orloff in NOSFERATU als scheinbar stets schwebenden Blutsauger, der niemals auch nur eine Miene verzieht und seinen Opfern nicht die leiseste Regung zuteil werden lässt. Ein Ansatz, den Pablo Larraín im vergangenen Jahr mit seiner Diktatoren-Horror-Show EL CONDE auf die Spitze trieb.

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                                                EddieLomax 02.11.2024, 08:33 Geändert 02.11.2024, 08:35

                                                TRADING PAINT von Karzan Kader ist ein zu jeder Zeit vorhersehbares Rennfahrer-Drama, sozusagen die White-Trash-Version von "Rivalen der Rennbahn" in der Dirt-Race-Edition. Ende der 90er spielte Quentin Tarantino eine Weile mit dem Gedanken John Travolta und Michael Madsen als THE VEGA BROTHERS vor die Kamera zu bringen, hier nun hat es geklappt, allerdings zwanzig Jahre zu spät. Während es für Travolta ein weiterer Stein des Abstiegs im Business ist, bedeutet der Film für Madsen eine der seriöseren Verpflichtungen, betrachtet man seine Engagements der vergangenen Jahre. Doch wenn sich zwei Best Ager mit über sechzig hinter dem Lenkrad semiprofessionelle Autorennen liefern, kann man das nur noch bedingt Ernst nehmen. Malen nach Zahlen und Beziehungskitsch im Quadrat, Dank der "Rolle" von Shania Twain, die offenbar nur für's Poster gecastet wurde, machen TRADING PAINT zu einer Provinz-Soap an der Rennstrecke, deren bemühte Ernsthaftigkeit so locker daherkommt, wie die steife Hüfte meiner Oma (R.I.P.).

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                                                  EddieLomax 31.10.2024, 11:17 Geändert 31.10.2024, 22:44

                                                  Die Tage des Zorns beginnen, als Frank Talby (Lee van Cleef) in die Stadt kommt. Zunächst ahnt niemand was der Fremde will, doch verwundert es die meisten schon, dass er sich ausgerechnet des wandelnden Fuß-Abtreters Scott (Giuliano Gemma) annimmt. Dieser weiß erst einmal nicht wie ihm geschieht, ist aber froh endlich jemanden gefunden zu haben, dem er nicht egal ist. So ist es denn auch nicht verwunderlich, dass er bald zu Talbys größtem Fan wird. Er ist schließlich ein ganzer Kerl und nimmt sich einfach was er will. Mit dem Schießeisen kann er auch gut umgehen. Talby gibt sich Scott gegenüber abweisend und knochentrocken, weiß aber insgeheim schon längst, dass er in dem jugendlichen Taugenichts einen gelehrigen Schüler gefunden hat, den er nach Lust und Laune manipulieren kann. Da Talby noch die eine oder andere Rechnung zu begleichen hat, macht er sich auf den Weg zum abkassieren, immer mit Scott im Schlepptau. Der offenbart mit der Zeit manch verborgenes Talent und als der Zahltag näher rückt, sind die Verhältnisse längst nicht mehr so klar, wie zu Beginn der Partnerschaft. Talby muss sich gut überlegen, ob er in seinem Zauberlehrling nicht seinen Meister finden wird.

                                                  Entgegen so mancher euphorischer Kritiken zu diesem Film würde ich ein wenig Unmut auf mich ziehen indem ich den Film nicht als Meisterwerk deklariere. Wenn man den Italo-Western in Kategorien einteilen würde, wobei die drei Sergios (Leone, Corbucci, Sollima) sowie einige wenige andere Regisseure zumindest mehrere Werke der ersten Stufe geschaffen haben, käme I GIORNI DELL'IRA von Tonino Valerii in die zweite Kategorie. Das liegt auch daran, dass Valerii zwar gut bei seinem Meister Leone aufgepasst hat, jedoch nicht über dessen Talent verfügt. So bleibt sein bester Film dann auch IL MIO NOME È NESSUNO, bei dem der Großmeister in nicht nur einer Szene deutlich selbst Hand angelegt hat. Wie das so ist mit dem Einfluß der Mentoren.

                                                  Der Mentoren-Western hingegen ist ein kleines Subgenre welches Perlen wie DA UOMO A UOMO oder im US-Western THE TIN STAR und NEVADA SMITH hervorgebracht hat, daneben aber auch viele schwächere Filme. DER TOD RITT DIENSTAGS gehört zwar zu den besseren Spaghetti-Western, bleibt aber trotzdem hinter den Erwartungen zurück. Das liegt nicht am Spiel der beiden Hauptdarsteller. Während Lee van Cleef hier fast so schön böse sein darf wie in IL BUONO, IL BRUTTO, IL CATTIVO, bietet der von Luchino Visconti entdeckte Giuliano Gemma hier eine seiner besten Vorstellungen im Genre. Seine Rolle ist vielschichtig und gut geschrieben und bietet dem Italiener die Möglichkeit seine ganze Bandbreite zu zeigen. Vom naiven Jüngling, der ständig das Opfer ist, bis zum harten unerbittlichen Revolvermann, der noch rechtzeitig sein Gewissen entdeckt. Auch die Nebendarsteller wissen zu überzeugen, vor allem der unvergessliche Al Mulock, der schon bei Leone sein eindrucksvolles Gesicht zeigen durfte. Die Musik von Riz Ortolani ist fetzig, die Action-Szenen können sich sehen lassen.

                                                  Die Schwächen sind bei diesem Film ebenso klar zu definieren wie die Stärken. So beginnt der Film doch recht holprig, um dann nach gut zwanzig Minuten seinen Rhythmus zu finden. Einige Szenen sind, wie in vielen anderen Italo-Western auch, schlampig inszeniert. Der Spannungsaufbau will erst gegen Mitte des Filmes richtig funktionieren, von einigen Logiklöchern und Ungereimtheiten bezüglich der Motivation einiger Figuren abgesehen. Zuweilen gibt es melodramatische Momente, die nicht so recht ins Bild passen wollen und dann und wann wurden die berühmten Vorbilder allzu deutlich kopiert. Insgesamt hätten dem Film einige Minuten weniger an den richtigen Stellen gut zu Gesicht gestanden. So bleibt ein meist kurzweiliger, am Anfang etwas schwerfälliger Western der härteren Gangart mit überzeugendem Hauptdarsteller-Duo, der besser als die meisten seiner Art ist, mit den Großtaten des Genres aber nicht mithalten kann. Und was das alles mit Dienstag zu tun hat erklärt sich auch nicht wirklich. Vermutlich haben die deutschen Titelgeber den Film an einem Dienstag gesehen und es ist ihnen nichts besseres eingefallen. Es bleibt anzumerken ein überdurchschnittlich guter Italo-Western aus der Blütezeit des Genres mit guten Schauspielerleistungen, aber beileibe kein Meisterwerk.

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                                                    DER SCHIMMELREITER von Alfred Weidenmann ist die zweite von drei Verfilmungen der meisterlichen Novelle Theodor Storm's und wenn auch nicht die vergleichbare Intensität des zugrundeliegenden Textes erreicht wird, so kann man doch konstatieren, dass es sich um eine überaus gelungene Adaption handelt. Allein die Besetzung mit dem unvergessenen Gert Fröbe als altem Deichgraf, wie auch die hohe Qualität von Umsetzung und Schauspiel in den weiteren Rollen machen diese Version des zeitlosen Stoffes immer noch sehenswert. Es wird viel Wert auf eine detailgetreue Schilderung der Lebensumstände gelegt, ebenso spielen individuelle Verhaltensweisen in aufeinander angewiesenen Gemeinschaften eine wichtige Rolle, nicht zuletzt geprägt durch den jeweiligen Bildungsstand, Religion und Aberglaube. Der Amerikaner John Phillip Law mag zwar nicht der größte Schauspieler gewesen sein, passt jedoch, obwohl etwas zu alt, gut in die Rolle des Mannes, der stets das richtige will, auch wenn sich alles gegen ihn wendet. Allein seine unbestreitbare Präsenz verleiht der Produktion einen Hauch von internationaler Klasse, die dem universellen Inhalt gerecht wird. Der äußerst selten gezeigte Film kann auf YouTube gesehen werden.

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