EddieLomax - Kommentare

Alle Kommentare von EddieLomax

  • 6
    EddieLomax 14.12.2023, 08:57 Geändert 14.12.2023, 09:05

    GUNSLINGER von Roger Corman war der sechste von ihm inszenierte Film innerhalb von zwei Jahren, seit seinem Debüt FIVE GUNS WEST. Hier stellt er mal eben die Genre-Regeln auf den Kopf, indem er die Frauen zu tatkräftigen Macherinnen im Wilden Westen erklärt, während die Männer fast allesamt zu nichts zu gebrauchen sind, was für die Entstehungszeit schon sehr ungewöhnlich, aber ein schönes Beispiel für Corman's Chuzpe ist. Wir bewegen uns dabei natürlich wieder im kostengünstigen Rahmen und die Schauwerte sind dementsprechend, doch in Sachen Einfallsreichtum und Freude am Spiel mit den Konventionen ist der legendäre Filmemacher einfach unschlagbar und vermag dadurch noch immer zu überraschen.

    9
    • 6

      OH! SUSANNA von Vielfilmer Joseph Kane ist ein kleiner, für Republic entstandener Armee-Western, der sich ziemlich offensichtlich an den Erfolg von John Ford's Kavallerie-Trilogie dranzuhängen versucht und dabei seine Sache gar nicht so schlecht macht. Der Kanadier Rod Cameron ist in der Hauptrolle noch ganz gut in Form, Forrest Tucker gibt einmal mehr den unsymphatischen Kommandanten und Chill Wills glänzt in einer Nebenrolle als Sergeant. Nicht die schlechtesten Zutaten für einen routiniert hergestellten, im Mittelteil etwas zu geschwätzigen Fließband-Western günstiger Bauart, dessen Drehbuch Dank Charles Marquis Warren trotzdem recht flüssig und mit gewisser Expertise entstanden ist, wenn es auch weit von seinen besten Arbeiten entfernt ist. Der deutsche Titel ist Quatsch und hat mit dem Inhalt nichts zu tun, schließlich handelt es sich bei den Indianern mitnichten um Apachen, sondern um Sioux, was auch in der Synchro fehlerhaft wiedergegeben wird.

      7
      • 7

        THE RED PONY von Lewis Milestone ist ein Familiendrama nach einer Erzählung von John Steinbeck, der auch selbst das Drehbuch verfasste. Mit der nicht mehr ganz jungen Myrna Loy und dem noch jungen Robert Mitchum als Farmhelfer, dem eine zentrale Rolle zukommt, ist der Film attraktiv besetzt. Im Herzen ist es ein Kinderfilm, der aber nicht ausschließlich aus der Perspektive eines Jungen erzählt wird, dessen neues Pony zum Dreh- und Angelpunkt seines Daseins wird. Die Schwierigkeiten des Farm-Alltags werden ebenso thematisiert, wie der Stadt/Landkonflikt, der zu nachhaltigen Familienproblemen führt. Als das Schicksal zuschlägt, muss sich der Junge den Realitäten des Lebens stellen und lernen, das es keine einfachen Wahrheiten gibt. Nostalgisches Kino für Pferdefreunde.

        8
        • 8

          THE BOUNTY HUNTER von André De Toth ist einer von sechs Western, die der Regisseur in der ersten Hälfte der 1950er Jahre mit Randolph Scott drehte, bevor sich dieser auf die Zusammenarbeit mit Budd Boetticher konzentrierte und den RanOwn-Zyklus schuf. Dabei laufen die De-Toth-Werke immer ein wenig unter dem Radar und werden gemeinhin unterschätzt, obwohl sie über eine hohe Themenvielfalt verfügen und im Gegensatz zu Boetticher's Filmen allesamt äußerst unterschiedlich sind. Was bei De Toth ebenso auffällt, ist der stete Versuch größtmögliche Authentizität zu gewährleisten, sowie mit realistischen Darstellungen und Verhaltensweisen zu überzeugen. In THE BOUNTY HUNTER gerät Scott als titelgebender Kopfgeldjäger auf der Spur von drei Banditen in eine Kleinstadt, wo die Gesuchten mittlerweile unerkannt leben, was ihn vor die schwierige Aufgabe stellt, die vermeintlich ehrbaren Bürger zu enttarnen und der Gerechtigkeit zuzuführen. Sein Ruf als bezahlter Mörder sorgt allerdings dafür, dass er nur wenig Unterstützung erfährt. Mit dieser recht komplexen Konstellation erweist sich der Western als spannender Genre-Beitrag mit einem Star in der Hauptrolle, der im Herbst seiner Karriere nochmal so richtig aufdrehte.

          9
          • 7

            WESTBOUND von Budd Boetticher ist einer von sieben Western, die der Regisseur mit seinem Star Randolph Scott drehte und er gilt gemeinhin als schwächstes Werk der langjährigen Zusammenarbeit. Tatsächlich will der Film inhaltlich nicht so recht zu den anderen, meist thematisch ähnlich gelagerten Genre-Miniaturen passen, doch auch dieser ist ungemein flott erzählt und bietet mit Andrew Duggan und Michael Pate zwei starke Bösewichte auf, wodurch die sehr kurze Laufzeit von gerade mal 66 Minuten vergeht, wie im Fluge.

            8
            • 7

              LEAVE THE WORLD BEHIND von Sam Esmail ist ein kunstvoll arrangiertes Endzeit-Drama mit Thriller-Elementen und feiner Besetzung, die den Zuschauer trotz der üppigen Laufzeit bei Laune hält. Es werden mehr Fragen gestellt, als Antworten gegeben, es gibt einige starke Bilder von Katastrophen-Szenarien, sowie immer wieder perfekt inszenierte Spannungsmomente, die der Literatur-Verfilmung die nötige Würze geben. Mehr als unterhaltsames Star-Kino sollte man allerdings nicht erwarten.

              11
              • 7
                EddieLomax 08.12.2023, 11:02 Geändert 08.12.2023, 11:04

                THE SUN SHINES BRIGHT von John Ford ist eine Quasi-Fortsetzung seines Films JUDGE PRIEST (und basiert wie dieser auf Erzählungen von Irvin S. Cobb) aus dem Jahr 1934 und kehrt nach Fairfield County, eine Kleinstadt in Kentucky zu Beginn des 20. Jahrhunderts zurück. Ein gutmütiger, alter Richter sorgt mit seiner warmherzigen Art für Gerechtigkeit in einigen Fällen, die das Gemeinschaftsgefüge im alten Süden erschüttern. Dabei wird der alltägliche Rassismus ebenso thematisiert, wie gesellschaftliche Intoleranz und rückwärtsgerichtetes Denken, wodurch eine kleine Lehrstunde in Sachen Demokratie verhandelt wird. Für Ford war es einer seiner erklärten Lieblingsfilme, dessen westernähnliches Setting dabei ein großes Plus ist und man kann sich gut vorstellen, dass Harper Lee's TO KILL A MOCKINGBIRD, die ein ähnliches Sujet bedient, wie eine Weitererzählung dessen gelesen werden kann. Natürlich kommt das nach heutigen Sehgewohnheiten ein wenig altväterlich daher und auch die Darstellung der schwarzen Bevölkerung ist nicht mehr zeitgemäß, doch die Kernaussage um universelle menschliche Werte ist unbestritten allgemeingültig und tut in diesen Zeiten einfach mal gut.

                7
                • 7

                  PARACELSUS von Georg Wilhelm Pabst ist eine sehenswerte Film-Biographie über den mittelalterlichen Mediziner, der auf einige andere berühmte, historische Persönlichkeiten trifft. In Form und Struktur ungemein dicht gestaltet und in der Titelrolle herausragend gespielt, weißt der Film seiner Entstehungszeit geschuldet leicht propagandistische Tendenzen auf, die vom Regisseur jedoch subtil konterkariert werden. Besonders hervorzuheben ist der Auftritt von Harald Kreutzberg, was den Film für sich genommen schon zum wertvollen Zeitdokument macht.

                  10
                  • 8

                    MON CHIEN STUPIDE von und mit Yvan Attal ist die Verfilmung des letzten, posthum erschienenen Romans WEST OF ROME des großen John Fante und nimmt sich dessen nur in der Grundgeschichte rund um Haus, Hund und Familie an, während der zweite Teil um das Abenteuer mit dem Großvater außen vor gelassen wird. Doch so kann sich der Regisseur ganz auf die dysfunktionale Familie konzentrieren, die durch das auftauchen des Zottelviehs nochmal gehörig durchgerüttelt wird und damit den Raum für kompromisslos, ehrliche Offenlegung bitterer Lebenslügen eröffnet. Die täglichen Zynismen, der Sarkasmus als kommunikative Normalität wird dabei ebenso hinterfragt, wie das Rollenverhalten jedes einzelnen zueineinander. Das wird begleitet von großartiger Situationskomik und manchmal bleibt einem das Lachen im Halse stecken, während das Ende zu Tränen rührt. Damit gelang Yvan Attal die nahezu perfekte Entsprechung eines Werkes von John Fante, von denen bisher nur wenige verfilmt wurden und kaum eines so gut wie hier.

                    5
                    • 7

                      UN HOMME AMOUREUX von Diane Kurys ist im besten Sinne klassisches europäisches Autoren-Kino mit vielen seiner Stärken, aber auch einigen seiner Schwächen. Die elegisch inszenierte Geschichte um eine junge Schauspielerin, die plötzlich die große Chance erhält, an der Seite eines amerikanischen Filmstars zu spielen und sich, wie sollte es auch anders sein, in ihn verliebt, ist edel bebildert, erlesen besetzt und fantastisch gespielt von einem internationalen Cast der Extraklasse. Leider wirkt es manchmal ein bisschen getragen, es kommt zu Längen und für die Laufzeit von knapp über zwei Stunden bleibt die inhaltliche Fülle etwas zu gering. Dennoch ist es ein schöner Sommerfilm mit ernstem Nebenplot und einigen Wahrheiten, getaucht in schwelgerische Aufnahmen von Rom, Paris und der Toskana, wobei der Film-im-Film, ein Bio-Pic über den Autor Cesare Pavese für sich genommen ebenfalls nicht uninteressant gewesen wäre.

                      7
                      • 8
                        EddieLomax 29.11.2023, 18:44 Geändert 29.11.2023, 21:10

                        DIE BÜCHSE DER PANDORA von Georg Wilhelm Pabst ist eine leicht in ihre Entstehungszeit modernisierte Verfilmung von Frank Wedekinds LULU und die Modernisierung zeigt sich vor allem in der Darbietung von Louise Brooks, die hier einen völlig unabhängigen Charakter gibt, auch wenn es das Schicksal schließlich nicht gut mit ihr meint. Dennoch kann man schon darüber staunen, wieviel Pabst aus den verschiedenen Beziehungsgeflechten herausholt, wie differenziert er, mit Andeutungen freilich, über sexuelle Abhängigkeiten zu berichten weiß, womit ein Gesellschaftsbild entsteht, dass den Geist der 20er Jahre des vergangenen Jahrhunderts hinreichend reflektiert. Das Finale mit Jack the Ripper und der Inszenierung des Molochs London setzt dem ganzen die Krone auf.

                        10
                        • 8
                          EddieLomax 28.11.2023, 06:56 Geändert 28.11.2023, 06:57

                          Gloria Grahame (28.11.1923 - 05.10.1983) würde heute ihren 100. Geburtstag feiern!

                          Die ausdrucksstarke Schauspielerin veredelte fast jeden ihrer Filme mit ihrer einzigartigen Aura. So auch diesen:

                          NAKED ALIBI von Jerry Hopper ist ein fieser, kleiner und hartgekochter Film Noir mit einem ambivalenten Helden (Sterling Hayden), einer undurchsichtigen Femme Fatale (der hier hocherotischen Gloria Grahame) und einem soziopathischen Bösewicht (Gene Barry) der Extraklasse.

                          7
                          • 4

                            NAPOLEON von Ridley Scott ist ein Film für ein Publikum, welches noch keinen Film über den Eroberer gesehen und sich auch sonst nicht mit ihm befasst hat. Als Ansatz mag das nicht verkehrt sein, doch als zweieinhalbstündiger Film funktioniert es nur bedingt, zumal man praktisch nichts über den Menschen erfährt, während seine wichtigsten militärischen "Erfolge" nur bruchstückhaft dargestellt werden, womit es ein Film ist, der irgendwie zwischen den Stühlen sitzt, auch weil die Beziehung Napoleons zu Josephine, die den Haupteil der Erzählung einnimmt, nur an der Oberfläche bleibt und sich in banalen Dialogen ergeht. Da schleichen sich schonmal Längen ein und ich will mir gar nicht vorstellen, wie der nochmal 2 Stunden längere Director's Cut wohl aussehen mag. Viel größere Probleme als mit der Herangehensweise des Star-Regisseurs hatte ich mit der Darstellung von Joaquin Phoenix, der mich nur optisch überzeugen konnte, während sein Spiel völlig daneben lag und dieser Figur nichtmal ansatzweise Glaubwürdigkeit vermitteln konnte. Mag sein, dass es nur mir so geht, aber das war mal nichts.

                            13
                            • 6

                              FIVE GUNS WEST von Roger Corman war das Regie-Debüt des findigen Filmemachers und ist ein frühes Beispiel des Men-on-a-Mission-, oder Kommando-Filmes, die erst einige Jahre später populär werden sollten. Zudem ist es ein recht zynischer und dreckiger kleiner Vertreter des Low-Budget-Western, der sich lose an William A. Wellman's Meisterwerk YELLOW SKY orientiert und dabei auch viele Elemente des Italo-Western vorweg nimmt, womit der Einfluss Corman's auf das Genre nicht zu unterschätzen ist.

                              9
                              • 8

                                '99 RIVER STREET von Phil Karlson ist einer von drei FILM NOIR 's, die der Regisseur mit John Payne in der Hauptrolle drehte und er könnte klassischer nicht sein. Hart, schnell und auf den Punkt wird die Geschichte vom gefallenen Boxer erzählt, der zwischen seiner untreuen Ehefrau, die sich mit einem Gangster eingelassen hat, einem aufstrebendem Starlet, welches ihn zunächst für ihre Zwecke missbraucht und einem Verbrecher-Syndikat in fürchterliche Bedrängnis gerät. Dabei konzentriert sich die in einer einzigen Nacht spielende Story ganz auf den inneren, wie äußeren Konflikt des impulsiven Mannes, der zum Glück nicht gänzlich verlassen, auf einen guten Freund zählen kann, der ihm in entscheidenden Momenten zur Seite steht. Gibt's bei YouTube.

                                6
                                • 2

                                  DEAD MAN'S HAND von Brian Skiba ist ein hundsmiserabler Möchtegern-Western übelster Machart. Jau, der war mal richtig schlecht. Einzig Stephen Dorff zieht sich hier erhobenen Hauptes aus der Affäre, wahrscheinlich weil er als Co-Produzent, Soundtrack-Verantwortlicher und Antagonisten-Darsteller, wenn auch auf's falsche Pferd gesetzt, so doch hinreichend motiviert war. Val Kilmer' s Sohn Jack ist mit der Hauptrolle mehr als nur überfordert und Cole Hauser, der mit seinem YELLOWSTONE-Einsatz die Rolle seines Lebens gefunden hat, taucht kaum auf und wenn doch, wandelt er wie auf Valium durch die Gegend. Über den ganzen Rest muss man kein weiteres Wort verlieren.

                                  7
                                  • 8
                                    über Bone

                                    BONE von Larry Cohen ist das starke Regie-Debüt des Drehbuchautors, Regisseurs und Produzenten, der sich später vornehmlich dem Genre-Kino zuwendete. Exploitation-Elemente finden sich allerdings auch hier, in einem Film, der als Home-Invasion-Thriller startet und sich bald in eine ätzende Gesellschaftssatire verwandelt, die sich völlig unvorhersehbar von einer absurden Situation in die nächste steigert und dabei allerhand Themen verhandelt, die in den frühen Siebzigern genau so aktuell waren, wie sie es heute noch sind. Seien es Alltagsrassismus, sexuelle Selbstbestimmung oder Klassenunterschiede, Cohens Drehbuch zerschneidet wonnevoll die Selbstbetrügereien der Upper Class ebenso, wie er deren Lebenslügen entlarvt und dabei hart mit ihnen abrechnet. Die Angst vor dem schwarzen Mann, in Form von Bone, wird dabei zum Katalysator. Dank an Eudora Fletcher für den Tipp!

                                    8
                                    • 7

                                      THE LIQUIDATOR von Jack Cardiff ist der zweite von drei gemeinsamen Filmen des Oscar-Preisträgers mit seinem Star Rod Taylor, nach dem Künstler-Portrait YOUNG CASSIDY und vor dem düsteren Söldner-Abenteuer DARK OF THE SUN. Im Gegensatz zu diesen beiden Filmen geht es hier vornehmlich heiter und beschwingt zu, wenn der Allrounder Taylor auf dem schmalen Grat zwischen Slapstick und Agenten-Action wandelt. Der auf einem Roman von John Gardner, welcher später die James-Bond-Reihe von Ian Fleming übernehmen sollte, basierende Mix aus Screwball-Comedy und Thriller ist zwar nicht ganz so gut gealtert wie die Bond-Serie, überzeugt aber immer noch mit Witz und Pfiff und einer gehörigen Portion Sex, der natürlich ganz zeitgemäß gerade so ausreizt, was damals im Mainstream-Kino möglich war. Die attraktive Besetzung (u.a. Trevor Howard & Jill St. John) tut ihr übriges, womit die schwungvolle Swinging-Sixties-Kapriole immer noch einen Blick wert ist. Gibt's bei YouTube.

                                      7
                                      • 7

                                        THE AMERICANO von William Castle sollte eigentlich nach THE MAN FROM THE ALAMO die Zusammenarbeit von Regisseur Budd Boetticher und Glenn Ford fortsetzen, scheiterte aber aufgrund widriger Umstände bei den Dreharbeiten in Brasilien, weshalb die Produktion abgebrochen werden musste und erst ein Jahr später in Kalifornien, mit teilweise neuem Personal vor und hinter der Kamera, fortgesetzt werden konnte. Nichtsdestotrotz ist ein unterhaltsamer, wenn auch nicht besonders innovativer Südamerika-Western entstanden, der klar von seinen Stars profitiert. Während Ford wie immer eine Bank ist, erfreut vor allem sein Zusammenspiel mit Cesar Romero, dessen schlitzohriger Bandit jede Menge Sympathiepunkte sammeln kann. Klar ist aber auch, dass Boetticher sicherlich weit mehr aus dem interessanten Stoff herausgeholt hätte.

                                        9
                                        • 9
                                          EddieLomax 16.11.2023, 23:27 Geändert 16.11.2023, 23:40

                                          LE OTTO MONTAGNE von Felix Van Groenigen und Charlotte Vandermeersch ist nach kurzer Zeit bereits der zweite Film von Van Groeningen, der mich in seiner Wahrhaftigkeit geradezu begeistern kann. War schon BEAUTIFUL BOY für mich eine erzählerische, wie inszenatorische Offenbarung, ist LE OTTO MONTAGNE nach dem Roman von Paolo Cognetti ein weiterer Beweis, dass im zeitgenössischen Kino noch etwas möglich ist. Die episodische Struktur wird niemals zum Stückwerk, im Gegenteil, alles fließt dahin mit einer Natürlichkeit, wie der Fluß des Lebens selbst, wobei sich ebenso natürlich irgendwann Längen einschleichen, was etwas ist, dass einem Film nicht zwangsläufig zum Nachteil gereichen muss. Denn wer kennt keine Phasen des Lebens, in denen sich vermeintlich nichts bewegt, womit so etwas durchaus als künstlerisches Stilmittel gelten kann, so lange es der Handlung dienlich ist. Allein mit der Besetzung beweißt Van Groeningen erneut ein sicheres Händchen, denn sowohl Luca Marinelli (MARTIN EDEN), als auch Alessandro Borghi (IL PRIMO RE) zählen aktuell zur Speerspitze des italienischen Kinos und wissen in ihren Rollen mitzureißen. Das existenzielle Drama erzählt nicht nur eine Coming-of-Age-Geschichte, sondern versucht das Leben selbst einzuordnen, inklusive der Fehlleistungen, die wir zwangsläufig begehen, ebenso wie der Wahrnehmungsfragen des Einzelnen, der nie wissen kann, wie sein Gegenüber wiederum wahrnimmt. Das Menschsein also, im 4:3-Format verdichtet, spektakuläre Bilder inklusive, als Hommage an das Leben, mit allem was dazu gehört.

                                          10
                                          • 6

                                            BOOTLEGGERS von Charles B. Pierce spielt im Moonshiner-Milieu der 1930er Jahre in den Südstaaten und erzählt episodisch die Abenteuer zweier junger Schnapsbrenner, die ständig Scheiße bauen, immer den Sheriff im Nacken haben, mit einer Familienfehde belastet sind und sich zu allem Überfluss noch verlieben. Dramaturgisch wie inhaltlich bleibt das alles ein bisschen beliebig, doch die Bilder des späteren Star-Kamera-Mannes Tak Fujimoto sind immer wieder ganz außerordentlich und die Besetzung um den in den Siebzigern omnipräsenten deutschen Paul Koslo, in seiner einzigen Hauptrolle, Jaclyn Smith, in ihrer ersten Rolle überhaupt und Sam-Peckinpah-Veteran Slim Pickens liefert solide Leistungen. Für einen entspannten Nachmittag taugt das schon mal.

                                            9
                                            • 6
                                              EddieLomax 14.11.2023, 09:03 Geändert 14.11.2023, 09:11

                                              THE MIDNIGHT STORY von Joseph Pevney wird zwar dem FILM NOIR zugerechnet, ist aber größtenteils ein unter der strahlenden Sonne San Franciscos spielendes Familiendrama, dem die Krimihandlung nur den Rahmen bildet. Ein junger Verkehrspolizist beginnt nach dem Mord an seinem Ziehvater, einem Priester, auf eigene Faust zu ermitteln. Dabei findet er in der italienischen Gemeinde im Hafenviertel ein neues zu Hause und die Liebe. Das ganze wird recht naiv und konstruiert abgebildet, während die Glaubwürdigkeit der Geschichte arg strapaziert wird. Die Stars jedoch reißen es raus. Tony Curtis spielt sehr engagiert und das Highlight ist (einmal mehr) Gilbert Roland, der mit seiner natürlichen Präsenz jede Szene an sich reißt, obwohl er für die Rolle mindestens zwanzig Jahre zu alt ist. Ich kann zwar nicht beurteilen in wie weit das dargestellte italoamerikanische Milieu zum Entstehungszeitpunkt des Filmes bereits bekannt war, aber auf mich wirkt die Szenerie sehr melodramatisch und klischeebeladen. Den inhaltlichen Schwächen steht zumindest eine hochwertige Produktion gegenüber.

                                              12
                                              • 8
                                                EddieLomax 13.11.2023, 09:11 Geändert 13.11.2023, 09:24

                                                THE SHEPHERD OF THE HILLS von Henry Hathaway wurde für Paramount in der schönen Landschaft von Missouri gedreht und ist der erste Farbfilm des hier noch jugendlich wirkenden John Wayne, der beweißt, dass er ein weit besserer Schauspieler war als der, den man lange in ihm gesehen hat. Eine familiäre Tragödie führt Jahre später zu einem Vater-Sohn-Drama, in dem unterschwellig viele gesellschaftliche Themen verhandelt werden. Hathaways hochklassige Inszenierung gibt allen Figuren genügend Raum und Tiefe und lässt einen nie den Überblick verlieren, trotz der Vielzahl an Charakteren, denen in der Geschichte eine Bedeutung zukommt. Bei der bezaubernden Betty Field laufen die Fäden zusammen, sie ist das Herz des Films. Mit Harry Carey und Ward Bond sind zudem einige langjährige Weggefährten von Wayne mit an Bord. Das berührende Western-Drama lebt von starken Bildern, die zuweilen symbolisch aufgeladen sind, dabei aber nie überfrachtet wirken. Im besten Sinne klassisches Hollywood-Kino mit Botschaft und Verstand.

                                                9
                                                • 6
                                                  EddieLomax 12.11.2023, 20:54 Geändert 12.11.2023, 20:57

                                                  THE BANDITS (AT: LOS BANDIDOS) von Robert Conrad (und Alfredo Zacarias) stellt das Regie-Debüt des beliebten Fernseh-Stars dar und entstand in einer Drehpause zwischen zwei Staffeln von THE WILD WILD WEST on Location in Mexiko. Drei Bankräuber sollen nördlich der Grenze am nächsten Baum aufgeknüpft werden, als eine Gruppe mexikanischer Banditen dazustößt und den Lynchmob daran hindert. Nach einer Schießerei tun sich die siegreichen Bandidos mit den befreiten Gringos zusammen und man beschließt zukünftig auf mexikanischer Seite gemeinsame Sache zu machen, gerät jedoch in die Wirren der Revolution. Der unabhängig produzierte Film ist ein typisches Erstlingswerk mit Licht und Schatten. Das schmale Budget sorgt für einen recht eng gesteckten Rahmen, während die imposante Landschaft häufig gut eingefangen wird und davon ablenkt. Im Mittelteil gibt es etwas Leerlauf, aber die an THE MAGNIFICENT SEVEN angelehnte Geschichte ist hinreichend interessant und in den wichtigeren Rollen gut besetzt und gespielt von einem zum großen Teil mexikanischen Ensemble, dessen bekanntester Schauspieler Pedro Armendariz jr. sein dürfte. Beachtenswert ist auch das Filmdebüt des blutjungen Jan-Michael Vincent, der einen der drei Gesetzlosen spielt. Conrad zieht seinen Stiefel bis zum konsequenten Finale mit bitterer Pointe durch, wofür man ihm durchaus Respekt zollen kann. Man kann den Film (zwar ungekürzt) leider nur in äußerst bescheidener Qualität auf YouTube sehen.

                                                  8
                                                  • 8

                                                    THE KILLER von David Fincher hat im Nachgang betrachtet etwas von einer Fingerübung, ist aber fraglos - wie zu erwarten - technisch perfekt und auf allerhöchstem Niveau inszeniert. Man kann auch sagen, David Fincher hat einen typischen David-Fincher-Film gedreht, was ihn in Anlehnung an Leute wie Alfred Hitchcock zu einem Regisseur macht, der praktisch sein eigenes Genre ist. Das wiederum führt dazu, jeden seiner Filme nicht bloß für sich zu betrachten, sondern im Kanon zu sehen. Und hier nimmt THE KILLER wiederum eine wichtigere Rolle ein, da es sich um einen Genre-Film handelt, in dessen Sujet kaum jemand arbeitet, der so kontinuierlich starke Werke schafft, wie eben David Fincher. Sieht man sich im größeren Rahmen um, kommt einem natürlich LE SAMOURAI von Jean-Pierre Melville sofort in den Sinn, der vor allem zu Beginn überdeutlich zitiert wird, sei es durch die Farbgebung der Bilder, die Kargheit der Kulissen oder schlicht die Herausstellung der Isolation des Protagonisten, der uns an seinem Innenleben teilhaben lässt, dabei aber keineswegs verlässlich ist. Menschen haben Schwächen, machen Fehler, woran von Anfang an kein Zweifel gelassen wird. Michael Fassbender schafft eine ähnlich schwer greifbare Figur, wie einst Alain Delon, bleibt aber nicht wie dieser die leere Hülle, spielt ausdrucksstärker, weniger distanziert. Delon gelang es durch seine ausgestrahlte Kälte, den perfekten Anti-Helden zu schaffen, dem man trotz fehlender Identifikationsmöglichkeiten die Daumen drückt mit seinem Spiel durchzukommen, während Fassbender, dessen richtigen Namen wir nie erfahren, keinen Zweifel daran lässt, dass ihm nicht nur der Job völlig egal ist, sondern das es auch ein öder Job ist, von Mechanismen und Routinen geprägt, viel auf Reisen, viele Hotels, viel Fast Food, ständig Materialbeschaffung, Planung, Logistik etc., sprich ein Knochenjob mit wenig Schlaf, Freizeit oder Entspannung. So gesehen entwickelt Fincher eine neue Form von Killer-Film, von denen es ja unzählige gibt. Die Auftritte der wenigen Prominenten passen dann wieder in die Kategorie Fingerübung, womit sich der Kreis auch wieder schließt. Ausgezeichnet.

                                                    13