Framolf - Kommentare
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Alle Kommentare von Framolf
Ein weiteres (zumindest teilweise) deutsches Remake (in diesem Fall als multinationale Co-Produktion) einer spanischen Produktion, von der wenige Jahre zuvor bereits ein deutsches Remake gedreht wurde. Auf den ersten Blick macht eine derartige Strategie wahrscheinlich besonders dann Sinn, wenn entweder ein anderer Kern aus der Geschichte herausgeschält werden soll oder wenn ein sehr viel höheres Budget für die Produktion zur Verfügung steht. Den ersten Gedanken kann man im Fall von 'Retribution' eigentlich umgehend wieder verwerfen. Zwar wurde eine ganze Reihe inhaltlicher Änderungen vorgenommen, doch gefühlt montiert man hier einen abgenutzten Reifen ab, um als Ersatz einen anderen Reifen mit ebenso geringer Profiltiefe anzubringen. Einleuchtender erscheint hingegen der Anlass, die Geschichte mit einem international deutlich bekannteren Hauptdarsteller zu verfilmen. Auch wenn Wotan Wilke Möhring zu den bekannteren Gesichtern des deutschsprachigen Kinos zählen mag, kann Liam Neeson eben doch ein anderes Gewicht in den Ring werfen. Konterkariert wird dieses Vorhaben jedoch durch ein Drehbuch, das den Darstellern zwar hier und da ein wenig abverlangt, sie ganz gewiss aber nicht zu Höchstleistungen treibt. In diesem Licht betrachtet dürfte es dann wohl doch in erster Linie um die Zugkraft Liam Neesons gehen, die aus Vermarktungsgründen sicherlich ein wichtiger Faktor ist, aber ansonsten keinen wirklichen Gamechanger darstellt. Neeson spielt seinen Part routiniert herunter, zu einem Genre-Highlight kann aber auch er diese Produktion nicht pushen.
Da die Handlung einigermaßen haarsträubend ausfällt, sollte man sich auch gar nicht groß mit der Prämisse aufhalten. Daher nur kurz und knapp: Ein Familienvater wird von einem Anrufer mit verzerrter Stimme bedroht. Das Druckmittel: Eine Bombe unter dem Fahrersitz, deren Zünder ausgelöst wird, sobald sich das Gewicht auf dem Sitz reduziert. Ob der Sprengsatz wirklich existiert, ist zunächst unklar. Doch wer möchte das schon herausfinden? Der Protagonist ganz sicher nicht. Und mal ganz ehrlich: Als Zuschauer kann man auch ganz gut damit leben, es nicht zu erfahren und sich stattdessen einen anderen Film anzusehen.
KURZFAZIT
Just another Remake.
Der filmtastische Festtagskalender 2025, Film #6 - Weltgesundheitstag
[Heute ist Weltgesundheitstag. Zu diesem Anlass ein Filmkommentar von hoher medizinischer Relevanz.]
Herr Blümlein, ein Spießbürger wie aus dem Bilderbuch, hat Rückenbeschwerden. Also verabschiedet er sich von seiner Ehefrau und macht sich auf den Weg zu einem Kurort. Besonders weit kommt er allerdings nicht, denn schon nach kurzer Zeit kommt er an einem Massagesalon der alternativen Art vorbei. Eine der „Behandlerinnen“ wittert schnell verdientes Geld, also nimmt sie ihn mit zu sich nach Hause, um ihn dort auf eigene Rechnung zu „versorgen“, woraus zwei Probleme resultieren: Herr Blümlein ist alsbald pleite und der Betreiber des Salons braucht neues Personal.
Sorry an alle, die bis hierhin gelesen haben, denn im Grunde wurde damit schon die gesamte Handlung gespoilert. Zwar bezieht sich der erste Absatz nur auf das erste Drittel des Filmes, doch sehr viel mehr passiert dann auch nicht mehr. Aufmerksame Leser werden sich jetzt vielleicht fragen, wie Titelheld Dr. Fummel in dieses Szenario passt? Kurzum: Gar nicht. Er ist offenbar kein Doktor (Skandal!) und er fummelt auch nicht, sondern beschränkt sich auf Voyeurismus. In den Rest der Handlung greift er so gut wie überhaupt nicht ein. Der Verdacht liegt nahe, dass er nachträglich in die vorläufige Schnittfassung hineinmontiert wurde, weil irgendwer die Idee zu diesem Filmtitel hatte und man diese nun irgendwie rechtfertigen musste. Augenscheinlich fühlt sich die für den Schnitt verantwortliche Person ohnehin zu Höherem berufen. Die Montage der Tanzszene gegen Ende sowie die parallele Montage der beiden Castings sprechen in dieser Hinsicht Bände. Da Kamera und Schnitt seinerzeit recht oft freie Hand gelassen wurden, liegt die Messlatte für Verwunderung bei Filmen aus den 70er Jahren ohnehin vergleichsweise hoch, doch was genau der Plan hinter dem Wechselspiel aus Bildern von den Tänzern und deren Schatten gewesen sein soll, wird wohl auf ewig ein Geheimnis bleiben.
Vier von zehn angeklebten Bärten.
KURZFAZIT
Typische Brummer-Produktion mit einer noch dürftigeren Handlung als die allermeisten anderen seiner Machwerke.
Wenn Nora Fingscheidt ('Systemsprenger') ein Drama mit Sandra Bullock in der Hauptrolle (sowie Viola Davis, Jon Bernthal und Vincent D'Onofrio in den Nebenrollen) dreht, lässt diese Konstellation sicherlich viele Filmfreunde schon von vornherein aufhorchen. Zu erwarten sind demgemäß eine bessere finanzielle Ausstattung und somit prominentere Darsteller auf der einen Seite und eine möglicherweise nicht ganz so schroffe Inszenierung auf der anderen Seite. Und vorneweg: Der erste Eindruck täuscht nicht, wobei 'The Unforgivable' keineswegs glatt, substanzarm oder gar belanglos ausfällt. Vielmehr handelt es sich dabei um ein vielschichtiges Werk, dessen teilweise recht ambivalent konzipierten Charaktere versiert dargestellt werden. Die Vielschichtigkeit beginnt bereits mit der Genrezuordnung, die sich wohl am ehesten als Sozialdrama mit leichten Anleihen aus dem Kriminalthriller-Subgenre beschreiben lässt.
Nach ihrer Entlassung aus der Haft tritt die Protagonistin eine Arbeitsstelle in einem fischverarbeitenden Betrieb an. Der Kontakt zu anderen ehemaligen Straftätern ist ihr strengstens untersagt. Wie das in einem Großbetrieb möglich sein soll, weiß wahrscheinlich nicht mal ihr Bewährungshelfer, der zwar ein strenges Regime führt, aber immerhin seine Aufgabe ernstzunehmen scheint. Problematischer ist für Hauptfigur Ruth hingegen der Hass, der ihr seitens einer Kollegin entgegenschlägt. Trotz aller Hindernisse schlägt sie sich wacker, denn in erster Linie hat sie ein viel größeres Ziel vor Augen: Sie möchte wieder ein Verhältnis zu ihrer Schwester aufbauen, nachdem der Kontakt während ihrer jahrelangen Haftstrafe zum Erliegen kam.
Fingscheidt begleitet die Antiheldin im Zentrum der Geschichte also auf ihrem äußerst steinigen Weg durch den Alltag. Ein wesentlicher Teil der Botschaft wird eher zwischen den Zeilen vermittelt (die Auswirkungen einer Haftstrafe auf das spätere Leben), andere Aspekte werden vergleichsweise plakativ vorgetragen. Gezeichnet von den Jahren im Gefängnis und den Strapazen des Alltags, bahnt sich Ruth mühevoll, aber stetig, ihren Weg zwischen zahllosen Hindernissen hindurch. Allein dieser Teil der Geschichte reicht eigentlich schon aus, um den Film alleine zu tragen. Zudem blitzen aber auch in unregelmäßigen Abständen Erinnerungsfetzen auf, in denen dem Publikum Ruths Backstory nahegebracht wird. Die Handlung erhält auf diese Weise eine gewisse Kriminalfacette (und damit einhergehend vielleicht auch etwas Spannung), jedoch zu dem Preis eines Finales, das der Erzählung eine deutliche andere Richtung und auch Tonalität verleiht. Ob damit ein Bruch oder ein Mehrwert einhergeht, lässt sich nicht pauschal beantworten und liegt wohl im Auge des Betrachters.
KURZFAZIT
Versiert umgesetztes Drama, in dem Tristesse über weite Strecken zum leitenden Prinzip erhoben wird.
Oscar Madness (1 Nominierung)
In Uganda regiert seit Januar 1986 Präsident Yoweri Kaguta Museveni. Angetreten war er einst als Reformer, der das politische Erbe Idi Amins bestmöglich tilgen wollte. Legitimiert sieht er sich durch Wahlen, die seit 1996 in einem fünfjährigen Turnus stattfinden; dies jedoch unter (wohlwollend umschrieben) zum Teil äußerst zweifelhaften Umständen. Im Rahmen der Wahl 2021 tritt gegen ihn der populäre Musiker Robert Kyagulanyi Ssentamu, genannt Bobi Wine, an, der seine Positionen gerne auch in Form von Liedern (Dancehall, Ragga) an seine Anhänger und Wähler bringt. Im Rahmen der Dokumentation 'Bobi Wine: The People's President' begleiten die Filmemacher Christopher Sharpe und Moses Bwayo seine Kampagne, indem sie einige wesentliche Wegmarken seiner politischen Karriere in den Blick nehmen. Gezeigt werden in erster Linie öffentliche Auftritte Bobi Wines, Kundgebungen seiner Anhänger sowie einige kurze Szenen aus seinem Familienleben. Die dargebotene Chronik gleicht eher einer losen Reihe an Einblicken aus dem Inneren seiner Bewegung als einem „Panoramablick“ von oder nach außen. Im Zentrum stehen dabei Maßnahmen, die der Amtsinhaber zur Abwehr der Ambitionen seines aufstrebenden Widersachers unternimmt (Zerschlagung von Versammlungen, Verhaftung von Oppositionellen, Behinderung der Telekommunikation etc.).
Was man hingegen nur in rudimentärem Ausmaß bekommt, sind Blicke über den Tellerrand. Anders formuliert: Der zu überblickende Horizont ist hier äußerst eng gefasst. Zwar wird klar, dass sich Bobi Wine als liberalere Alternative zum bisherigen Machthaber positioniert, doch Details seiner politischen Agenda werden im Rahmen der Dokumentation nicht vermittelt. Seine Standpunkte in zahlreichen politischen Fragen bleiben für Zuschauer ohne nennenswerten Kenntnissen der ugandischen Innen- und Außenpolitik ebenso unklar wie die Frage nach den Finanziers seiner Kampagne. Die restliche politische Landschaft des Landes wird sogar komplett ausgespart. Dass im Rahmen einer Dokumentation über einen einzelnen Politiker bzw. Aktivisten kein kompletter Abriss der politischen Geschichte und Gegenwart eines Landes gegeben wird, versteht sich von selbst; doch mit ein paar kurzen Sätzen über Wines Verhältnis zu anderen oppositionellen Kräften im Inland oder zu anderen maßgeblichen Akteuren hätte sich ohne viel Aufwand ein sehr viel umfassenderes Bild entwerfen lassen. Auch wenn die Sympathien im Westen klar verteilt sind und die Zweifel an der Legitimität von Musevenis Herrschaft aus zahlreichen Gründen größer kaum sein könnten, wäre ein gewisses Plus an Informationen keineswegs schädlich. Letztlich läuft der Kern der Dokumentation auf eine Dichotomie zwischen zwei Kandidaten hinaus. Darüber hinausgehende Informationen werden jedoch nur in Spuren vermittelt.
In doppelter Hinsicht erschreckend wirkt die Vielzahl an Parallelen zur ebenfalls oscarnominierten Dokumentation über die Amtsenthebung von Dilma Rousseff in Brasilien ('Am Rande der Demokratie', 2019). Die Maßnahmen der Widersacher ähneln sich derart frappierend, dass der Gedanke naheliegt, Consulting Agenturen oder Think Tanks könnten regelrechte Play Books für derartige Fälle entwickelt haben (möglicherweise wäre es sogar naiv, nicht daran zu glauben). Auf der anderen Seite ließe sich jedoch auch eine lange Liste informationsarmer (wenn nicht gar tendenziöser) Dokumentationen erstellen, deren Grundlagen zur Meinungsbildung eher auf Emotionen beruhen (unabhängig davon, auf wessen Seite die jeweiligen Filmemacher stehen). Oder anders formuliert: Auch wenn Dokumentationen über Machthaber von zweifelhaftem Ruf in moralischer Hinsicht Selbstläufer sein mögen, kann die Vermittlung eines gewissen Grundstocks an Informationen keinesfalls schaden.
KURZFAZIT
Streiflichtartige Einblicke in die Präsidentschaftskampagne eines ambitionierten Herausforderers, deren exakte Einordnung aufgrund zahlreicher Leerstellen jedoch äußerst schwerfällt.
Oscar Madness (1 Nominierung)
Ein Holocaustüberlebender liest einer Schulklasse einen 'Brief an ein Schwein' vor, in dem er sich für die Rettung seines Lebens bedankt. Er sinniert über religiöse Lehrsätze, wonach Schweine als unrein gelten, ehe er auf das Motiv der Rache zu sprechen kommt. Rache im Sinn von körperlicher Gewalt gegen einen der Täter, aber auch in dem Sinne, dass er jungen Menschen seinen Lebensweg nahebringt. Die derzeitigen und kommenden Generationen sind es, die sein Erbe aufrechterhalten und mit Leben füllen sollen.
Ausgehend von dieser Prämisse widmet sich dieser israelisch-französische animierte Kurzfilm abschließend einer versinnbildlichten Begegnung der Schülerinnen mit einem Schwein, die vergleichsweise kryptisch geschildert wird. Das Leitmotiv des Schweines erfährt gegen Ende hin einen gleich doppelten Bedeutungswandel. Tal Kantor (Regie) verbindet dabei die eingangs etablierte Symbolik des Lebensretters mit der Bezeichnung „Schwein“ als Schimpfwort und letztlich auch mit dem Motiv der Schuld. Doch auch die Schuldsymbolik wird hier auf ambivalente Weise in Metaphern übersetzt, wodurch man als Zuschauer regelrecht zu einer Auseinandersetzung mit der Thematik gezwungen wird - sofern Interesse am Inhalt des Filmes besteht. Kein Film also, dessen Botschaft sich durch rein passive Rezeption zweifelsfrei erschließen lässt.
In der visuellen Ausgestaltung findet der Inhalt insofern eine Entsprechung, dass die allermeisten Charaktere und Motive farb- und vergleichsweise konturenlos gehalten werden. Die jungen Zuhörer stehen eben nicht für spezifische Personen, sondern eher stellvertretend für eine ganze Generation (oder sogar mehrere). Für den Arm und die Hand des Vorlesers, der auch handfeste Vergeltungsmaßnahmen andeutet, gilt dies nicht. Das Schwein hingegen ist der buchstäbliche Farbtupfer in der Geschichte. Nicht umsonst wird es sogar im Filmtitel erwähnt.
KURZFAZIT
Inhaltlich wie formal bewusst sperrig umgesetzter Kurzfilm zu einer Thematik, zu der sich nur äußerst schwer eine angemessene Sprache finden lässt.
Mascha feiert gerne, regelmäßig und oftmals auch ausschweifend. Während sie tagsüber (zumindest in manchen Situationen) eher zurückgenommen wirkt, lässt sie nachts ganz gerne mal die Zügel schleifen. Es wirkt fast so, als würde sie auf den Parties regelrecht die Fesseln abwerfen, die sie im Alltag eher belasten. Jeder ihrer Tänze wirkt somit auch wie ein Akt des Eskapismus. Doch wovor läuft sie weg? Ihrem Beruf als Dolmetscherin scheint sie nicht allzu viel Bedeutung beizumessen, in privater Hinsicht wiederum ist die Lage verworren. Ihrem Partner, der mit einer Sportverletzung im Krankenhaus liegt, hat sie bisher nur manche Facetten ihrer Persönlichkeit gezeigt, zudem lebt sie auch nicht gerade monogam.
Ähnlich wie die Protagonistin mäandert auch Pola Becks Inszenierung über weite Strecken scheinbar ziellos umher. Doch der Eindruck täuscht. Schließlich gehört es zum Wesen eines Kerns, dass er nicht immer auf Anhieb sichtbar ist und oftmals erst herausgeschält werden muss, wozu gelegentlich auch Geduld nötig ist. Lange Zeit erweist sich die abstrakte Essenz der Handlung als ähnlich schwer greifbar wie der Charakter der Hauptfigur, deren Biographie zahlreiche Brüche aufweist. Zusätzlich erschwert wird die Zugänglichkeit durch die Mischung aus Kauderwelsch und Genuschel, mit der sich mehrere Charaktere artikulieren. Verstärkt wird dieser Eindruck durch das fast schon babylonische Sprachgewirr, von dem einige Dialoge durchzogen sind.
Letztlich befindet sich das Publikum in einer ähnlichen Lage wie Maschas Partner Elias: Man muss eben abwarten, bis sie (bzw. das Drehbuch und die Regie) sich öffnet und selbst Hinweise gibt. Des Pudels Kern erweist sich schließlich als konkreter, als es anfangs vielleicht noch den Anschein hatte, woraus sich in der Retrospektive das Bild einer Tragödie ergibt, die trotz aller Eskapaden und inhaltlicher Arabeske durchaus aus dem Leben gegriffen sein könnte.
KURZFAZIT
Ambitioniertes Drama mit einer sorgsam ausgearbeiteten Hauptfigur.
[Danke an Eudora für die Empfehlung. War ein guter Treffer.]
Oscar Madness (1 Nominierung)
In besonders schwierigen Situationen tritt der Charakter am deutlichsten hervor, heißt es manchmal. Dies scheint sich auch Drehbuchautor Nicholas Martin gedacht zu haben, als es während der Vorproduktion um die Frage ging, wie sich prägnante Stationen einer politischen Laufbahn mit einer beispielhaften Präsentation der Protagonistin verbinden lassen.
Jom-Kippur-Krieg 1973. Israel wird mit einer Art Zangenangriff aus Ägypten und Syrien überrumpelt. Die Schläge treffen die Verteidiger mit voller Wucht und reißen zunächst klaffende Lücken in deren Linien. Ein geheimes Abhörsystem hatte zwar die Hoffnung auf einen Informationsvorsprung genährt, doch infolge einer Abschaltung (im Verbund mit weiteren Außerplanmäßigkeiten) ging die Vorwarnzeit nahe null. Regisseur Guy Nattiv zeigt in seinem Biopic 'Golda – Israels Eiserne Lady', wie Regierungschefin Golda Meir (Helen Mirren) in der Kommandozentrale die darauffolgenden Operationen orchestriert. Ähnlich wie in den britischen Politdramen 'Die dunkelste Stunde' und 'Churchill' (beide 2017) wird also auch hier eine Art Kriegsfilm aus der Perspektive führender Politiker gezeigt. Die Kampfeinsätze selbst werden überwiegend mittels dokumentarischer Einschübe oder aus der Vogelperspektive vermittelt. Heldengeschichten im herkömmlichen Sinne werden hier also nicht nachgezeichnet.
Im Fokus steht vielmehr eine Politstrategin, deren Wirken in den Folgejahren keineswegs als unumstritten galt. Gezeigt wird sie hier (in erster Linie, doch nicht ausschließlich) als resolute, aber (in doppelter Hinsicht) leidende Macherin. Ratschläge nimmt sie zwar zur Kenntnis, allzu viel Bedeutung räumt sie ihnen im Rahmen der hier gezeigten Szenen jedoch nicht ein. Wiedergegeben werden die Ereignisse also zwar durchaus nüchtern, jedoch auch mit einem hohen Grad an Stilisierung. Die außen- und innenpolitischen Interessen der beteiligten Staaten werden (wohl auch aus Zeitgründen) allenfalls marginal angerissen.
KURZFAZIT
Ein kurzer Abriss aus einer äußerst komplexen Gemengelage.
Der filmtastische Festtagskalender 2025, Film #5
Wer bitteschön denkt sich so eine Scheiße aus?
Anna (N. Tschirner) und Ludo (T. Schweiger) führen eine glückliche Beziehung – bis sich plötzlich alles ändert. Der 24-jährige Ludo findet zwischen den Pornoheften seines vermissten dreiarmigen Vaters Fotos, die darauf hindeuten, dass dieser der Klon eines SS-Offiziers sein könnte, der im Rahmen eines Forschungsprojekts gezüchtet wurde – mit dem Ziel, eine Armee dreiarmiger Superkämpfer zu erschaffen (man beachte, dass man an den Plural „Arme“ nur ein „e“ anhängen muss, um eine Armee zu erhalten). Vorteil: Wer drei Arme hat, kann auch mit drei Pistolen gleichzeitig schießen - oder salutieren, während man die beiden anderen Hände anderweitig nutzt. Nachteil: Es müssen mehr Armbinden und völlig andere Hemden produziert werden. Wird sich Ludo unter einem Vorwand in die Armee der Dreiarmigen eingliedern lassen, um dort nach seinem Vater zu suchen oder begehrt er gegen dessen Schöpfer (die indirekt auch seine sind) auf? Und unabhängig davon: Wird es der Naziarmee gelingen, die gefürchtete Bundeswehr zu besiegen, deren Soldaten bereits bereits üben, indem sie mit lauten „Peng, peng“-Rufen durch den Wald laufen?
Dass sich Schweiger für eine derart sinnentleerte Trashproduktion hergibt, überrascht nur auf den zweiten [sic!] Blick. Schließlich hat er sein Publikum mit jahrelanger Gewöhnung an seichte Stoffe und mit betont überschaubaren Darstellerleistungen sukzessive an einen Punkt geführt, an dem die Zuschauer für abstruse Produktionen wie diese bereit sein dürften. Am Ergebnis scheiden sich die Geister. Neben zahlreichen Höchstwertungen fährt der Film auch eine ganze Reihe an Nullern ein. Die Verkaufszahlen der limitierten DVD waren seinerzeit gut, nachgepresst wurde dennoch nicht. Vielleicht auch, weil sich der Zeitgeist in Bezug auf Nazikomödien geändert hat. Cineastisch hält sich der Verlust in Grenzen. Schweiger jedenfalls bietet eine mittelmäßige Vorstellung und somit die vielleicht beste Leistung seiner bisherigen Karriere. Wie sich die anderen namhaften Darsteller in diese Produktion verirren konnten, bleibt jedoch ein Rätsel.
KURZFAZIT
Wer seinen dritten Arm nicht zum Biertrinken nutzt, ist selbst schuld!
Regie und Drehbuch nehmen im Fall von 'Neureiche' zumindest in einer Hinsicht keine Gefangenen, denn gleich zu Beginn wird ein geschwätziger Betrüger als ebensolcher eingeführt. Und er ist ganz gewiss kein Gauner der charmanten Sorte. Stattdessen wirkt er eher unsouverän und äußerst zwielichtig. Seine vermeintliche Schlagfertigkeit gipfelt wiederholt in rüden Beleidigungen, die ihm zwar gelegentlich helfen, seine Ziele zu erreichen, doch um Sympathien des Publikums bewirbt man sich auf diese Weise wohl eher nicht. Dementsprechend folgt man hier als Zuschauer einem Antihelden, den wohl kaum jemand gerne als reale Person im Wohnzimmer sitzen hätte. Doch die Geschichte ändert sich, als der Protagonist auf eine junge Frau trifft, die auf den ersten Blick vielleicht sein weibliches Pendant sein könnte. Ab diesem Zeitpunkt wird es deutlich interessanter, denn als Zuschauer wird man zunächst im Unklaren darüber gelassen, wie ihre persönliche Backstory aussieht und welche Ziele sie verfolgt. Zwar gibt sie hierüber durchaus Auskunft, doch ob man ihren Ausführungen Glauben schenken kann, steht auf einem anderen Blatt. Eine Konstellation, aus der eine gewisse Dynamik entsteht, die die Erzählung immerhin bis zu ihrem Ende trägt.
Die Betrugs- und Kryptothematik hätten mit hoher Wahrscheinlichkeit das Zeug zu einer bissigen Satire, doch Julien Hollande (Regie) entscheidet sich lieber für den Weg einer relativ harmlosen Komödie ohne nennenswerte gesellschaftskritische Ambitionen, denn der Betrüger und Blender ist hier eher ein auf eigene Rechnung handelndes Individuum und kein idealtypischer Vertreter systematisch betriebener Auswüchse des Kapitalismus.
Viereinhalb von zehn extravaganten Glatzen im Hellboy-Style.
KURZFAZIT
Maue Komödie mit einer Handvoll gelungener Gags und einem Protagonisten, der erst durch das Zusammenspiel mit seinem Love Interest angemessen zur Geltung kommt.
Oscar Madness (1 Nominierung)
Bei dem Begriff „Uniform“ kommt vielen Menschen bestimmt zuerst die Dienstbekleidung von Soldaten oder Polizisten in den Sinn. Andere denken vielleicht an Schuluniformen oder sie sehen eine Karnevalsgarde vor ihrem inneren Auge. Darüber hinaus könnte man vielleicht auch an Raumanzüge denken oder an die Trikots einer Sportmannschaft. Derlei Assoziationen sagen zwar sicherlich auch etwas über das Wesen von Uniformen aus, jedoch vielleicht auch über die Herkunft desjenigen, der darüber nachdenkt. Iranische Gesprächspartner haben vielleicht eine Facette des Begriffes im Sinn, die vielen Mitteleuropäern zumindest nicht unmittelbar präsent ist: Wenn beispielsweise der Konformitätszwang zum Tragen eines Kopftuches verpflichtet, ist eben nicht nur eine bestimmte Berufsgruppe oder ein Zusammenschluss von Sportlern uniformiert, sondern pauschal die halbe Bevölkerung. Der Umstand, dass an Schulen teils unterschiedliche Farben für verschiedene Jahrgänge verlangt werden, verschlimmert die Lage nur noch zusätzlich; schließlich sind auch weitere Unterscheidungsmerkmalen denkbar (etwa sozialer, finanzieller oder ethnischer Art).
Der Zwang zum Tragen eines Kopftuches kann teils absurde Züge annehmen, etwa wenn es darum geht, sich die Haare schneiden zu lassen. Mitglieder der Revolutionsgarden oder der Sittenpolizei kümmert das erwartungsgemäß nur wenig.
Passend zum Inhalt wird die nur wenige Minuten dauernde essayistsche Erzählung in einen visuellen Stil gekleidet, der mit dem gesprochenen Wort kaum besser korrespondieren könnte, denn gezeigt werden die Motive sogar buchstäblich vor einem textilen Hintergrund. Im Stop Motion Stil werden dabei verschiedene Szenen aus der Schulzeit der Erzählerin wiedergegeben und mit den besagten Kleidungsstücken assoziert. Der Begriff „Stoff“ bezieht sich hier tatsächlich nicht nur auf den Inhalt, sondern auch auf die Form.
KURZFAZIT
Kompaktes und halbwegs subtiles Plädoyer gegen die religiöse Rechtfertigung einiger ganz besonders perfider Auswüchse des Patriarchats.
Oscar Madness (4 Nominierungen)
Als die Produktion einer Fotoserie für ein Modemagazin ins Stocken gerät, beschließen die Verantwortlichen, das Setting zu wechseln und ihre Arbeit in einem Buchladen fortzusetzen. Die dort anwesende Mitarbeiterin (Audrey Hepburn) möchte die Crew am liebsten wieder aus dem Laden komplimentieren, stößt jedoch auf taube Ohren. Also wird mit wenig Gespür für die Situation, aber dafür umso größerer Arroganz, das nur mäßig talentierte und noch weniger motivierte Model eben dort geshootet, während die Verkäuferin als Staffage dienen soll. Völlig „überraschend“ stiehlt diese jedoch ihrer (zumindest auf dem Papier) professionellen Kollegin die Show, sodass schließlich beschlossen wird, sie für weitere Aufnahmen nach Frankreich einzuladen. Man lockt sie unter dem Vorwand einer Buchbestellung in die Konzernzentrale, prellt sie mutmaßlich um die Zeche (mit letzter Sicherheit wird diese Frage nicht beantwortet) und nimmt sie kurzerhand mit nach Europa, wo sie sich wiederholten Übergriffen des rund dreißig Jahre älteren Fotografen (Fred Astaire) ausgesetzt sieht. Natürlich ist sie ab einem gewissen Punkt auch selbst Feuer und Flamme und einer herzerwärmenden Romanze steht kaum noch etwas im Weg. Vielleicht liegt es an der absurden Flugstrecke, die sie beim Anflug über Paris zurücklegen (nahe vorbei am Eiffelturm und an Notre Dame, aber womöglich hat(te) man in den USA einfach nur eine völlig andere Vorstellung gelungenen Approachings.
Durch Musicaleinlagen mit fragwürdiger Anbindung an den Rest des Geschehens und teils rätselhafter Instrumentalisierung wird die spärliche Handlung zwar gegliedert, doch wirkliche Ablenkung von den Inhalten eines Drehbuches, das in der vorliegenden Form wirklich nur ein Mann geschrieben haben kann (in diesem Fall Oscar-Kandidat Leonard Gershe), gelingt dadurch allenfalls bedingt.
Randnotiz: 30 Jahre zuvor (also zwei Jahre vor Audrey Hepburns Geburt) wirkte Fred Astaire bereits an der Seite seiner Schwester Adele Astaire am Gershwin-Musical 'Funny Face' mit, auf dem die Verfilmung durch Stanley Donen basiert.
Gerade noch 4 Punkte.
KURZFAZIT
Flirten nach Art der 50er.
Tom (Liam Neeson) plagt das schlechte Gewissen, als er eine Frau kennenlernt, mit der er einige Zeit später zusammenziehen möchte. Er will dieses neue Kapitel in seinem Leben nicht mit einer Lebenslüge oder einem großen Geheimnis beginnen und wahrscheinlich möchte er auch die belastende Angst vor den Ermittlungsbehörden loswerden. Also ruft er bei der Polizei an, um sich zu stellen, denn er ist ein gesuchter – und offenbar auch berüchtigter – Verbrecher, der noch immer eine stattliche Beute in Millionenhöhe bunkert. Die mit dem Fall betrauten Ermittler schenken ihm anfangs nicht viel Glauben, weshalb sie zunächst zwei weniger renommierte Beamte zu ihm schicken. Das Problem: Besonders integer sind die beiden nicht gerade (um es vorsichtig zu formulieren).
Kurz nachdem die eben skizzierte Prämisse ausgebreitet wurde, ist es für Tom also schon wieder vorbei mit dem kurzzeitig ereignislosen Leben im Verbrecherruhestand. Hauptdarsteller Liam Neeson ist also wieder voll in seinem Element; wenn auch etwas gebremster als in manch anderen Filmen. Jedenfalls hat er nun zwei waschechte Gegenspieler – mindestens. Neeson macht von hier an also wieder Neeson-Sachen, nur dass er hier in erster Linie mit Sprengstoff hantiert.
Genauer nachdenken sollte man aber weder über die Vorbereitung seiner Anschläge noch über die Handlungen der korrupten Cops. Auch die Kommunikation zwischen dem Protagonisten und seiner Lebensgefährtin wirft Fragen auf. Zwar befinden einige dieser Facetten noch knapp am diesseitigen Rand der Plausibilität, doch jenseits der Wahrscheinlichkeitsgrenze sind die allermeisten. Viele Details der Handlung erscheinen also nicht besonders glaubwürdig, könnten aber gerade noch begründet werden. Das Resultat ist eine Handlung, die gerade noch zum Vehikel eines halbwegs soliden Thrillers taugt.
KURZFAZIT
Allenfalls durchschnittlicher Gangsterthriller mit Liam Neeson in der Hauptrolle.
Eigentlich müsste man einem Kommentar zu 'Pandemonium – Die Hölle kennt keine Vergebung' eine dicke Spoilerwarnung vorausschicken, da dieser düstere und bisweilen sogar morbide Trip zu jenen Filmen gehört, an deren Sichtung man mit möglichst wenig Vorwissen herangehen sollte. Doch leider legt der Verleih mit dem deutschsprachigen Nebentitel schon selbst die Karten offen auf den Tisch. Offenbar sollen interessierte Zuschauer schon vorab wissen, was sie ungefähr erwarten wird, damit es nicht allzu viele lange Gesichter geben wird. Aber gut, so kann man wenigstens darüber schreiben, ohne ständig um den heißen Brei herum reden zu müssen.
Alles beginnt mit einem Autounfall irgendwo im Nirgendwo. Beide Fahrer bemerken schnell, dass etwas nicht stimmt. Als kurze Zeit später ein Mädchen hinzukommt und sich zwei Tore öffnen, müssen die Unfallbeteiligten und die Zuschauer nicht mehr großartig rätseln, was hier los ist: Die Leute sind tot und sollen nun entweder nach oben zu Franz von Assisi oder nach unten zu Franz Josef Strauß. Sie dürfen die für sie bestimmte Pforte zwar aus eigenem Antrieb passieren, doch eine freie Wahl haben sie nicht; dafür ist es jetzt zu spät.
Auf diesen Auftakt folgen zunächst kurzfilmartige Einschübe über andere „Höllenbewohner“, ehe die Rahmenhandlung zu einem grimmig vorgetragenen Ende gebracht wird. Mit einem düsteren Blick auf das Abseitige und einem bitterbösen Sinn für Ironie bringt Quarxx (Regie und Drehbuch) diesen finsteren Trip schließlich zu einem Abschluss, der mit einem diabolischen Grinsen vorgetragen wird.
Eigentlich werden nur zwei Trumpfkarten ausgespielt, doch diese reichen auch aus: Die bisweilen düstere Atmosphäre und eine Handvoll ungewöhlicher Ideen. Wer zugunsten eines halbwegs unverbrauchten Ansatzes auf Perfektion verzichten kann, sollte vielleicht ebenfalls erwägen, in diesen filmischen Abgrund hinabzusteigen.
7 Punkte mit leichter Tendenz Richtung 7,5.
KURZFAZIT
Düster, abgründig, boshaft.
Die Ehe von Emilia (Christiane Paul) und Paul (Christoph Maria Herbst) steckt in einer Krise. Über ihre Wünsche, Hoffnungen und Lüste sprechen die beiden nicht mehr und ob der Sex (noch) gut ist, wissen sich nicht. Das letzte prickelnde Erlebnis ist viel zu lange her, um sich noch daran erinnern zu können. Zwar bietet ihnen der Alltag wiederholt Begebenheiten, an die sich andocken ließe, doch da Paul zumeist das Gespräch darüber verweigert, verstreichen die Gelegenheiten eben ungenutzt. Wenig überraschend steuern die beiden also auf eine Auszeit zu, unter der vor allem die drei Kinder leiden. Für Emilia und Paul Chance und Risiko zugleich. Werden sie das Beste daraus machen oder geht ihre Ehe endgültig den Bach runter?
Florian Gallenbergers Komödie 'Es ist nur eine Phase, Hase' schreit dem Publikum zu nahezu jeder Minute ins Gesicht, dass sie in erster Linie auf Zuschauer zugeschnitten ist, die bei der Veröffentlichung von 'American Pie', also rund um die Jahrtausendwende, ungefähr 30 Jahre alt waren (wie auch Gallenberger selbst). Ein Großteil der Humoreinlagen atmet den Geist der seinerzeit beliebten Filmreihe. Mehrfach lässt sich der Protagonist in pikanten Situationen oder bei Peinlichkeiten jeglicher Art erwischen. Eigentlich fehlt nur noch ein Apfelkuchen. Für diejenigen Zuschauer, die von der ersten Minute an geschlafen haben (die meisten anderen dürften das Spiel mit den besagten Vibes wohl mitbekommen haben), wird kurz vor Ende schließlich der extra-große Holzhammer herausgeholt. Denn wer selbst den Tanz zu 'Macarena' verpasst hat, wird schließlich durch einen Vortrag von H. P. Baxxter auf den Stand der Dinge gebracht.
Neben einer leicht zotigen Komödie, die im Verbund mit einem Ehedrama auf die Leinwand oder den Bildschirm gebracht wird, soll also auch ein Porträt der Generation X und ihrer Moralvorstellungen gezeichnet werden. Zwar scheitert Gallenbergers Ansatz mit keiner der drei Ideen gänzlich, dennoch stellt sich die Frage, ob ein etwas schlankeres Konzept mit stärkerer Fokussierung (zumindest in inhaltlicher Hinsicht) nicht vielleicht gewinnbringender gewesen wäre.
KURZFAZIT
Gallenbergers Generation X Pendant zum Boomer Humor.
++ Leichte SPOILER ++
Zwei Sprayer, die gerne mal in Wohnungen einbrechen, um dort ihr Throw-up mit der Botschaft „I Came By“ zu hinterlassen, diskutieren darüber, inwieweit sie ihr Hobby mit gesellschaftlichem Aktivismus verbinden sollen. Einer von beiden hat Anhaltspunkte entdeckt, dass ein recht bekannter ehemaliger Richter gerade ein schwerwiegendes Verbrechen begehen könnte. Da sich mindestens ein Opfer in akuter Lebensgefahr befinden könnte, ist schnelles Handeln gefragt. Gibt es nun also die Notwendigkeit, die Einbruchsfähigkeiten zur Rettung eines Lebens einzusetzen? Oder könnten die vermeintlichen Retter dann womöglich selbst zu Opfern werden?
Bevor in dieser Hinsicht eine Entscheidung fällt, werden zunächst die Schwierigkeiten des Protagonisten gezeigt, sich in seinem Alltag zurechtzufinden. Er hadert mit seiner Situation und seine Mutter verzweifelt an seinem Gejammer und Gemecker. Nach Abschluss dieser „Aufwärmphase“ geht Regisseur Babak Anvari ('Wounds', 'Under the Shadow') mit einer garstigen Inszenierung in die Vollen, indem er das Bedrohungsszenario an Fahrt aufnehmen lässt. Die Schlinge zieht sich immer enger – sowohl um den verdächtigen Richter als auch um seinen neuen Stalker; und letztlich auch um den Zuschauer, der eine Erzählung geboten bekommt, die zumindest nicht durchgängig auf ausgetretenen Pfaden wandelt. Zwar gehen einige Haken, die die Handlung schlägt, auf Kosten der Bodenständigkeit, doch zumindest eine gewisse Unberechenbarkeit bleibt auf diese Weise erhalten. Erschwert wird die Rezeption auf der anderen Seite von einer unklaren zeitlichen Struktur (oft ist nicht ganz klar, wie viel Zeit zwischen zwei Szenen vergangen ist) und den Umstand, dass die maßgeblichen Charaktere nur unzureichend untereinander vernetzt sind. So werden wiederholt Erfolge dank guter Einfälle von Charakteren durch mangelnde Absprachen wieder zunichte gemacht. Als Metapher zu Behördenfehlern bei der Aufarbeitung von Misshandlungsskandalen vielleicht kein schlechter Ansatz – doch ob es wirklich auch so gemeint ist, erscheint zumindest fragwürdig.
KURZFAZIT
Relativ spannende Umsetzung eines streckenweise etwas holprigen Skripts.
Während der Titel '60 Minutes' in den USA seit Ende der 1960er Jahre für ein Nachrichtenmagazin steht, das besonders mit seinen Interviews Aufsehen erregt, wird der deutschsprachige Raum anno 2024 von einem (fast) gleichnamigen Actionstreifen heimgesucht, der so ziemlich alles sein dürfte, nur nicht alltagsnah. Konkret geht es um einen MMA-Kämpfer (Emilio Sakraya), der sich wenige Augenblicke vor einem Kampf zum Verlassen der Halle entschließt, um zur Geburtstagsfeier seiner Tochter zu gelangen – sehr zum Missfallen einiger zwielichtiger Geschäftemacher, die unbedingt sicherstellen wollen, dass der geplante Kampf stattfindet. Mit jedem Schritt, den der widerspenstige Sportler unternimmt, verschlechtert sich seine Lage zusätzlich und das Geschehen nimmt immer weiter an Dynamik auf, sodass es ab einem gewissen Zeitpunkt den Anschein hat, der flüchtige Fighter wäre in einen Sog geraten, dem er nur noch äußerst schwer entrinnen könnte.
Das Grundgerüst von Oliver Kienles Inszenierung orientiert sich am Konzept zahlreicher erfolgreicher Actionblockbuster, wodurch eigentlich alles für ein großes Spektakel angerichtet ist. Eine an den Haaren herbeigezogene Handlung mit fragwürdigem Timing macht jedoch einen Teil der vielversprechenden Ausgangslage wieder zunichte. Wenn eine Drehbucheskapade der nächsten folgt, kann es durchaus schwer werden, dem Geschehen noch ausreichend Bedeutung zuzumessen. Der Umstand, dass der Protagonist wiederholt durch unwahrscheinliche Zufälle in Gefahr gerät, legt eben auch die Vermutung nahe, dass eine ebenso unwahrscheinliche Problemlösung oder Rettung möglich sein dürfte, wodurch sich das Skript in gewisser Hinsicht selbst den Zahn zieht.
KURZFAZIT
Temporeich inszenierte Mischung aus Großstadthatz und Klopperei, deren spärliche Handlung allerdings nur wenig bis gar nicht überzeugt.
Mateus und einige andere junge Männer, die sich bisher überwiegend als Tagelöhner verdingen, erhalten ein Jobangebot aus Sao Paulo, von dem allerdings anfangs nicht ganz klar ist, was sie eigentlich tun sollen. Also lassen sie sich erstmals in ihrem Leben in die große Stadt fahren, wo sie nicht schlecht über die imposante Architektur staunen. Ihr Ziel liegt jedoch auf einem heruntergekommenem Hinterhofschrottplatz, dessen zwielichtiger Betreiber erstmal die Reisepässe aller Neuankömmlinge haben möchte – zu Verwaltungszwecken, wie er behauptet. Die Unterkunft der Wanderarbeiter ist mit gleich zwei Stahltoren gesichert, was ebenfalls nicht gerade Vertrauen schafft. Und ehe sich die Jungs versehen, finden sie sich in einem regelrechten Albtraum wieder.
Doch das ist nur ein Teil der Geschichte, die hier erzählt wird. Mit zunehmender Laufzeit taucht die Erzählung auch tiefer in die Welt der Hintermänner ein. Je nachdem, aus welcher Perspektive man die Handlung betrachtet, handelt es sich bei der brasilianischen Filmproduktion '7 Gefangene' also um ein Sozial- oder Kriminaldrama. Erzählt wird von einem System, das nur wenige Gewinner, aber zahlreiche Verlierer (oder besser: Opfer) kennt. Offenbar geht es also nicht nur um kriminelle Auswüchse, sondern eher um syndikatähnliche Strukturen zur systematischen Ausbeutung mehr oder weniger mittelloser Menschen. Und um es nur vage anzudeuten: Der vielleicht erschütterndste Aspekt der Thematik wird noch nicht mal vollständig durchdekliniert, weil auch das Gezeigte schon tragisch genug erscheint, um den wesentlichen Punkt der Handlung klarzumachen.
Regisseur Alexandre Moratto legt bei der Inszenierung augenscheinlich großen Wert darauf, das Publikum an die Hand zu nehmen und als stumme Zeugen einzubinden, wodurch der Eindruck entstehen kann, man wäre auch als Zuschauer in das Geschehen involviert. Spätestens als Kunde, der unter prekären Verhältnissen hergestellte Produkte kauft, ist man es letztlich ohnehin. Der (im Film ausführlich thematisierte) Umstand, dass es auch unter den Arbeitern vereinzelte Krisengewinnler gibt, ist von diesem Befund schließlich unbenommen. Wie würde man sich selbst in einer derartigen Situation verhalten? Vermutlich sollte man besser zwei mal über diese Frage nachdenken, bevor man den ersten Stein wirft. Der springende Punkt bleibt jedoch die Frage nach den mafiösen Strukturen, die hinter dem Menschenhandel und den damit verbundenen Arbeits- und Lebensbedingungen stehen. Moratto macht diese in Form eines fast schon thrillerartig inszenierten Dramas sichtbar.
KURZFAZIT
Der FDP gefällt dieser Film NICHT.
Oscar Madness (2 Nominierungen)
Zwei Polizisten (Michael Douglas und Andy Garcia), die in einem Restaurant Zeugen eines Mordanschlages werden, sollen wenig später den Täter nach Japan ausliefern, wo sie unmittelbar nach ihrer Ankunft in eine Falle tappen. Aus dem vermeintlichen Routinetrip wird somit eine Mission, die gefährlicher kaum sein könnte. Statt wie erhofft eine ruhige Kugel schieben zu können, müssen sie nicht nur um ihre Reputation bangen, sondern im wahrsten Sinn des Wortes auch um ihr Leben kämpfen.
Coole Typen, coole Action, coole Musik – so ähnlich hätten manche Zuschauer 'Black Rain' vielleicht kurz nach der Veröffentlichung beschrieben. Einige Jahrzehnte später hingegen wird deutlich, dass alleine schon die Betonung eines einzigen Adjektivs einen riesigen Unterschied machen kann. Was Ende der 80er vielleicht noch modern war (Betonung auf der zweiten Silbe), beginnt einige Jahre später schon zu modern (Betonung auf der ersten Silbe). Machogehabe, das seinerzeit manchen Menschen vielleicht sogar als Inbegriff der Männlichkeit galt, wirkt in der Retrospektive vielleicht präpubertär bis infantil. Das Motorradrennen, mit dem die Erzählung eröffnet wird, verheißt in dieser Hinsicht jedenfalls nichts Gutes. Tatsächlich täuschen die Vorzeichen auch nur sehr bedingt. Ein Teil der vermeintlichen Wendungen stinkt kilometerweit gegen den Wind und die Dynamik zwischen den US-amerikanischen Cops und ihren japanischen „Gastgebern“ könnte unwuchtiger kaum sein. Was wären die Asiaten nur ohne die (ungebetenen) weisen und gütigen Ratschläge und Erklärungen ihrer selbsternannten amerikanischen Mentoren?
Deutlich besser gealtert als der Inhalt erscheint hingegen der vergleichsweise düstere Stil der Inszenierung. Auch wenn bei der Darstellung Japans ein Klischee auf das andere folgt, so kann einen die Atmosphäre durchaus in ihren Bann ziehen. Auch die Action ist mehr als solide inszeniert, wodurch sich 'Black Rain' hervorragend für eine cineastische Zeitreise zurück ins Thrillerkino der späten 80er Jahre anbietet – mit allen damit verbundenen Vor- und Nachteilen.
KURZFAZIT
Es hätte völlig ausgereicht, 'Black Rain' mit einem Drittel des Budgets und Michael Dudikoff in der Hauptrolle zu verfilmen.
Nielsen Madness (17.569 Auszeichnungen)
„Ihr Hund, er hat so einen erstaunlichen Blick im Gesicht.“
- „Tja, nur weil Sie in sein Hinterteil blicken.“
„Dann wird er das Leckerli, das ich ihm gerade reingesteckt habe, wohl kaum genießen können.“ (8:35)
Auch wenn Leslie Nielsen eine Reihe mehr oder weniger ernsthafter Rollen in seiner Filmographie stehen hat, so lässt sich für seine Klamaukfilme doch eine Besonderheit feststellen: Zumeist spielt er dort nicht nur irgendeine Rolle, sondern er spielt Leslie Nielsen, der eine Blödelrolle spielt, wodurch seiner Rollenhistorie eine zusätzliche Facette verleiht. Oder anders formuliert: Der Stempel, den er seinen Gaudirollen aufdrückt, erscheint derart markant, dass man die Rollen wahrscheinlich selbst dann noch als Leslie-Nielsen-Parts identifizieren würde, wenn man sein Erscheinungsbild komplett verfremden würde. Wer Leslie Nielsen für eine Komödienproduktion bucht, will eben zumeist auch ein ganz bestimmte Art von Performance dafür bekommen. So oder so ähnlich muss wohl auch Produzent Bernd Eichinger beim Einstieg in dieses Projekt gedacht haben. Und ohne jeden Zweifel: Genau das hat Eichinger schließlich auch bekommen. Überhaupt wird hier ein Gagfeuerwerk abgebrannt, das in einer derartig kurzen Taktung nicht allzu oft zu erleben ist.
Die fast schon exzessiv durchexerzierte Blödelorgie sollte daher nicht darüber hinwegtäuschen, dass über weite Strecken durchaus hohe Aufmerksamkeit gefragt ist, denn Pat Profts Inszenierung erweist sich als geradezu vollgestopft mit Gags und Easter Eggs jeglicher Art. Zwischenrufe aus der Peripherie, Nonsense-Zeitungsartikel (die man nur im Standbild vollständig lesen kann) oder diverse Albereien im Abspann (beispielsweise die Preisliste der Kantine) sind nur einige Beispiele, die im Gewitter der Slapstick-Einlagen oder der fast durchweg auf Humor getrimmten Dialogzeilen untergehen könnten.
In Sachen Handlung orientiert sich Profts Grundgerüst an Andrew Davis' Kinoadaption der Erfolgsserie 'Auf der Flucht' (besonders an der Figur des Ermittlers), während in Bezug auf den Protagonisten schon beim Namen klar wird, dass sein Charakter nicht ausschließlich im Dienst der besagten Vorlage steht, sondern durchaus auch im Sinne weiterer Produktionen mit Harrison Ford (bspw. die Jack Ryan Filme) – und nicht nur ihm – zu verstehen ist. Weitere Referenzen an Filme wie 'Titanic', 'Braveheart', 'Die üblichen Verdächtigen', 'Mission Impossible', 'Baywatch', 'Star Wars', '3 Engel für Charlie', 'Der unsichtbare Dritte', 'Die Vögel' u.v.m. runden das Konzept schließlich ab.
Doppelte Ironie: In der Mutterserie 'Auf der Flucht' (1963-1967) bekleidet Leslie Nielsen gleich zwei verschiedene Gastrollen.
KURZFAZITZ
Leslie Nielsen.
Eine Gruppe junger Menschen (unter ihnen Alycia Debnam-Carey aus 'Fear the Walking Dead') trifft sich, um einen lustigen Abend zu verbringen. Einer von ihnen fehlt, doch er scheint es faustdick hinter den Ohren zu haben; schließlich kursieren verschiedene Gerüchte über ihn. Überhaupt ist hier zu Beginn vieles in der Schwebe, denn auf die Zuschauer wird ein zunächst vergleichsweise unübersichtliches Figurentableau losgelassen. Viele der Charaktere werden vorerst nur mit stakkatohaft vorgetragenen Dialogfetzen eingeführt, was nicht unbedingt dazu beiträgt, ausnahmslos allen von ihnen sofort Konturen zu verleihen. Was beispielsweise Slashergenre oftmals nicht weiter von Belang ist (wenn die meisten Figuren ohnehin bald das Zeitliche segnen), kann in einem Science-Fiction-Mystery-Irgendwas-Hybrid wie 'Zeig mir, wer du bist' schnell zu einem Problem werden. Als wenig überraschend der ominöse „Freund“ doch noch auftaucht, bringt er eine Partyidee mit, die man als Zuschauer nur in vollständiger Kenntnis der Eigenarten der maßgeblichen Charaktere komplett auskosten kann; andernfalls würde ein Verwirrspiel folgen, bei dem große Teile des Sehvergnügens wohl auf der Strecke bleiben dürften.
Greg Jardin (Regie & Drehbuch) kommt hier also mit einer Idee um die Ecke, die zwar grundsätzlich nicht unbedingt neu ist, in einem (zumindest zeitweilig) derart temporeichen Vortrag jedoch schnell zu einer Herausforderung werden kann; zumindest wenn man die Geschichte in all ihren Facetten erfassen will. Erschwerend kommt hinzu, dass man sich als Zuschauer über weite Strecken auf dem Kenntnisstand einiger Charaktere befindet und man somit teilweise auch selbst nur mutmaßen kann, was gerade vor sich geht bzw. wie sich die Dynamik zwischen verschiedenen Personen gerade entwickelt.
Als Zuschauer nimmt man so an einer Art Spieleabend teil, der den großen Vorteil bietet, sich nicht selbst mit dieser Clique treffen zu müssen. Gegen Ende überschlagen sich schließlich die Ereignisse und es folgt ein Epilog, der fast mehr Entwicklungen zeigt als die „reguläre“ Handlung zuvor.
KURZFAZIT
Vergleichsweise temporeich vorgetragenes Verwirrspiel.
Oscar Madness (1 Nominierung)
Die kritischen Töne zuerst: Die Dokumentation 'To Kill a Tiger' beginnt mit der Einblendung von Texttafeln, in denen darum gebeten wird, keine Bilder der Minderjährigen, die gezeigt werden, anderweitig zu verbreiten; wohlgemerkt bei einer Produktion, die via Netflix ausgestrahlt wird. Aber sei's drum, die grundsätzliche Intention dahinter erscheint zumindest nachvollziehbar. Dennoch kann hier (nicht nur in dieser Hinsicht) das stellenweise etwas unsensible Vorgehen der Produzenten womöglich noch einen hohen Preis nach sich ziehen, denn der Umstand, dass beispielsweise gezeigt wurde, wie der Nebenklägerin einige Blätter mit ihrer bevorstehenden Aussage zum Auswendiglernen vorgelegt werden, könnte eventuell bei der Berufungsverhandlung vor dem obersten Gericht thematisiert werden.
„Einen Tiger kann man nicht alleine töten“ (1:57.45)
Über allem schwebt der Begriff der Ehre. Notfalls muss, wenn es nach dem Willen vieler Außenstehender geht, auch mal ein Verbrechen ungesühnt bleiben, bevor es überregional Wellen schlägt. Doch eigentlich scheint die dominierende Kraft die Angst zu sein. Verbrechensopfer haben Angst vor den Angehörigen ihrer Peiniger, unbeteiligte Dorfbewohner decken Täter aus Angst vor einem Verlust der Ehre des Dorfes und Lokalpolitker fürchten den Zorn der Dorfbewohner, wenn sie sich vorbehaltlos auf die Seite der Opfer stellen. In städtischen Gebieten herrschen andere Strukturen vor. Dort kann sich der Vater des Opfers in diesem Fall frei bewegen, ohne dass ihm jemand Prügel androht. Auf der anderen Seite wird er dort mit Situationen konfrontiert, die ihn (aus nachvollziehbaren Gründen) verunsichern. Wird er den Staatsanwalt überzeugen können, den Fall seiner Tochter mit Nachdruck zu verfolgen? Wird er auch sonst alles richtig machen und zudem dem Druck standhalten, der ihm an seinem Wohnort entgegenschlägt?
„Einen Tiger kann man nicht alleine töten.“ (1:57.45)
Um seine Erfolgsaussichten zu erhöhen, werden der Vater und seine Familie von drei Abgesandten der Srijan Stiftung unterstützt, die ihm Rechtshilfe leisten und ihm beratend zur Seite stehen. Diese wiederum werden selbst zum Ziel von Anfeindungen. Doch sie lassen sich nicht beirren. Sie machen sich auf die Suche nach Personen, die zugunsten des Opfers aussagen könnten, sprechen mit dem Staatsanwalt, organisieren Fahrten in die Stadt und stehen für Nachfragen zur Verfügung. Es ist davon auszugehen, dass sie wohl in einem mehr oder minder urbanen Umfeld wohnen werden; denn an vielen Stellen wird deutlich, wie sehr sich die Lebenswirklichkeiten innerhalb vergleichsweise kurzer Distanzen ändern können. Noch dazu steht die These im Raum, dass es im Osten Indiens (wohlwollend formuliert) deutlich traditioneller, aber auch ruppiger, zugeht als als in anderen Landesteilen.
„Wir sind hier in Jharkhand, nicht im Westen. Ich kann hier nicht mal meinem Sohn trauen.“ (42.20)
Söhne, deren Stellenwert (ganz besonders in ländlichen Gegenden) ohnehin als sehr viel höher angesehen wird als der von Töchtern, glauben, sich in diesem Umfeld nahezu alles erlauben zu können. Vergewaltigt ein Mann eine Frau, soll er sie eben heiraten, um die Schande der Frau(!) zu beseitigen. Sind mehrere Täter daran beteiligt, reicht es, wenn das Opfer einen von ihnen heiratet. Die anderen gelten dann als automatisch unschuldig. Werden derlei Fälle über die Gemeindegrenzen hinaus öffentlich, trifft die Schande alle Bewohner. Für den seltenen Fall, dass es zu einer Verurteilung kommt, geht die Schande gewissermaßen vom Opfer (das die Täter angeblich zu ihrer Tat provoziert hat) auf die Dorfgemeinschaft über, da dann ja von einer unabhängigen Instanz festgestellt wurde, dass das Opfer eben kein Täter ist. Ungefähr so lässt sich die Logik beschreiben, auf denen die Handlungen vieler Dorfbewohner beruhen. Manche sind voller Zorn auf die Familie des Opfers, andere meiden den Kontakt zu ihnen – entweder aus Scham oder aus Angst vor Repressalien der Dorfgemeinschaft.
Nisha Pahuja (Regie) zeichnet also das Bild einer fatalen Gemengelage nach, stellt dabei aber das Wirken progressiver Kräfte in den Vordergrund, die mit großem Idealismus einen beharrlichen Kampf gegen Windmühlen führen.
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Porträt über zivilgesellschaftlichen Einsatz für Gerechtigkeit.
Sich in betrügerischer Absicht als Experte für okkulte Phänomene auszugeben, führt im Horrorgenre nur selten zu etwas Gutem. Meistens geht es nur so lange gut, bis die Schwindler tatsächlich in Kontakt mit dem Bösen (in Gestalt von Menschen oder irgendwelchen Entitäten) kommen. Angela (Florence Pugh) und ihr Bruder versuchen trotzdem, ihren Kunden mit einer Mischung aus Technik und Schauspielerei das Geld aus der Tasche zu ziehen. Zwar setzt sich Angela dafür ein, es nicht zu übertreiben, aber nicht zuletzt aufgrund rätselhafter Erscheinungen, die sie aktuell plagen, hat sie aktuell andere Prioritäten, als sich ein neues Auskommen zu suchen. Also nehmen die beiden (gemeinsam mit ihren zwei Komplizen) den Auftrag einer etwas rätselhaften Dame an, in deren Haus irgendwo im Nirgendwo mysteriöse Dinge vor sich gehen. Ein böser Fehler!
In dieser Geschichte und Inszenierung, die sich irgendwo zwischen 'Der letzte Exorzismus' und 'The Borderlands' (beide 2013) bewegen, ist eigentlich schon von vornherein klar, dass es für die Hochstapler wohl in den Graben laufen wird. Die Spannung generiert sich also fast ausschließlich über die Frage, ob bzw. wie zumindest manche der Charaktere ihren Kopf aus der Schlinge ziehen werden. Das Gemäuer an sich erscheint zwar wie geschaffen für eine Horrorstory, doch die Setzung einer düster-morbiden Atmosphäre gelingt nur bedingt. Stattdessen wirkt die Stimmung über weite Strecken eher unterkühlt als düster. Auch wenn der Grad der Bedrohung mit fortschreitender Handlungsdauer steigt, trägt die Figurenkonstellation nicht gerade zum Aufbau von Spannung bei. Alleine schon die Zusammensetzung der Gruppe liefert Hinweise, in welcher Reihenfolge die Charaktere voraussichtlich in Gefahr geraten werden. Etwas mehr Unberechenbarkeit im Skript hätte nicht geschadet. So bleibt am Ende nur ein solider Genrebeitrag von der Stange.
KURZFAZIT
Stangenware mit renommierter Hauptdarstellerin.
Oscar Madness (1 Auszeichnung)
Als Marie Antoinette (Kirsten Dunst) an den Hof von Versailles kommt, stellt sie fest, dass der dortige Tagesablauf vor allem aus drei Elementen besteht: Während die Männer auf die Jagd gehen, probiert sie selbst Schuhe an. Ansonsten schlagen sie und Ludwig XVI. (Jason Schwartzman) sich vornehmlich die (erstaunlich flachen) Bäuche voll; vorwiegend mit Schokolade in allen denkbaren Facetten. Warum auch nicht, wenn alles reichlich vorhanden ist und man kein Gramm zunimmt? Auch um das Volk, das all den Luxus schließlich finanziert, müssen sie sich keine großen Gedanken machen; schließlich hat der Pöbel ja seinen Kuchen. Zwischendurch geht es hin und wieder in die Oper, wo die Gemahlin des Königs mangels entsprechender Vorbildung gerne auch mal eigene Gepflogenheiten einzuführen versucht. Immerhin gelingt es ihr damit, einen Indikator für die Sicherheit ihrer eigenen Stellung zu etablieren. Ob sie daraus zu gegebener Zeit auch adäquate Schlüsse ziehen wird, steht auf einem anderen Blatt.
Unvorhergesehene Konzeptionen und radikale Neuausrichtungen gehören zum täglichen Brot bei der Inszenierung historischer Stoffe. Schließlich lassen sich auf diesem Wege oftmals Sachverhalte konkretisieren, auf die der Blick andernfalls vielleicht verstellt geblieben wäre. Bis zu welchem Punkt sich derlei Stilmittel als gewinnbringend erweisen, ist wahrscheinlich nicht ganz einfach zu beantworten. Durchaus strittig erscheint beispielsweise die Frage, ob hier mit zeitgemäßen Stilmitteln neue Bezüge zu gegenwärtigen Phänomenen freigelegt werden oder ob der innere Kern von Marie Antoinettes Biografie einfach nur weitgehend ausgehöhlt wurde. Zudem sind sich selbst zahlreiche renommierte Kritiker nicht einig, ob Sofia Coppola hier einen Perspektivwechsel oder Geschichtsklitterung betreibt. Natürlich gehört es zu den inhaltlichen Hauptaufgaben des Dramengenres, tradierte Sichtweisen zu hinterfragen und sich gerne auch mal durch Gepolter Gehör zu verschaffen, doch im Fall der vorliegenden Adaption können durchaus auch Fragen nach der Relevanz aufkeimen. Folgt man Coppolas Argumentation, könnte man durchaus auch zu der Ansicht gelangen, Marie Antoinette sei schlichtweg nur ein Opfer der äußeren Umstände. Diese These mag bedingt auch zutreffend sein, denn ein Produkt der Rahmenbedingungen und zeitlichen Begleiterscheinungen ist schließlich jeder. Was man als Zuschauer jedoch mit einem derartigen Befund anfangen soll, wird wohl nur die Regisseurin selbst wissen.
KURZFAZIT
Genialer Perspektivwechsel oder plumpe Geschichtsklitterung?
Detroit, Michigan: Eine blühende Oase der Industriekultur - das war einmal. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts müssen einige Viertel der Stadt als Sinnbild für Verfall und wirtschaftlichen Niedergang herhalten. Während Jim Jarmusch wesentliche Szenen seines dystopischen Vampirdramas 'Only Lovers Left Alive' in dem besagten Umfeld ansiedelt, wählt Zach Cregger in 'Barbarian' eine andere Herangehensweise, die allerdings auch nicht sehr viel hoffnungsvoller erscheint.
Tess (Georgina Campbell) bucht sich in einer Unterkunft ein und muss vor Ort feststellen, dass dort bereits ein anderer Gast (Bill Skarsgard) residiert. Zumindest gibt der Fremde sich als Gast aus. Ob seine Ausführungen der Wahrheit entsprechen, muss sich erst noch herausstellen. Deutlich schneller klar wird jedoch eines: In dem Haus gehen rätselhafte Dinge vor sich; und sie verheißen nichts Gutes. Im Keller (worin die verfallenden Häuser als Sinnbild für die Vergangenheit ihre Entsprechung finden) spielen sich düstere Szenen ab. Wird auch Tess in den Sog der Gewalt geraten?
In drei Kapiteln (nebst eines eingeschobenen Rückblicks) wird in 'Barbarian' (2023) eine finstere Geschichte über systematische Unterdrückung und massive Gewaltexzesse erzählt, in der die Täter ironischerweise nicht nur ihre Opfer zerstören, sondern letztlich auch sich selbst. Scheinbare Nebenhandlungen fügen sich zu einem pessimistischen Blick auf die Ellbogengesellschaft zusammen.
Abseits der thematischen Aspekte wird man hier als Zuschauer durch Kulissen geführt, die stimmungsvoller (und somit effektiver) kaum in Szene gesetzt werden könnten, womit die Drehorte zu den heimlichen Stars der Produktion avancieren. Hinter jeder Ecke kann das Grauen lauern, wobei Cregger in den meisten Räumen einfach nur Assoziationen in den Köpfen der Zuschauer ihre Wirkung entfalten lässt. Die Ereignisse finden in bedrückender Enge statt und wiederholt werden Andeutungen entweder über zurückliegende oder in anderen Räumen stattfindende Gräueltaten gemacht. Das Grauen am Horizont oder hinter der nächsten Ecke bekommt so einen noch höheren Stellenwert als die aktuelle Präsenz des Bösen. Doch dieser Ort ist nicht nur gottverlassen, auch die Polizei hat dieses Viertel und seine Bewohner längst aufgegeben. Sollen sie doch selbst schauen, wo sie bleiben. Auch wenn die Protagonistin mehrere schlaue Ideen entwickelt und in die Tat umsetzt, steht ihr eine regelrecht Tour de Force bevor, die mit „barbarisch“ noch euphemistisch umschrieben ist.
KURZFAZIT
Seelische Abgründe tun sich in düsteren Kulissen (und doch mitten in der Gesellschaft) auf.
„Zickezacke, zickezacke“ – „Hoi, hoi, hoi!“
Mit Liedern aus der Mottenkiste und Slogans aus den 80ern Jahren gelangt ein eigentlich nur mäßig erfolgreicher Musiker zu Reichtümern, die er sich von den Konzerteinnahmen und sonstigen Verkaufserlösen normalerweise nicht einmal ansatzweise leisten könnte. Seine Bandkollegen rätseln über die Tätigung dieser oder jener Investition, doch deren Bedenken wischt er zumeist wahlweise lapidar oder theatralisch weg. Wie also kann er seinen aufwändigen Lebensstil realisieren?
In der Tragikomödie 'The Polka King' wird das Bild eines nur mäßig talentierten Musikers (Jack Black) gezeichnet, der seinen Fans zweifelhafte Geldanlagen anbietet, um seinen Shows mit den eingeworbenen Mitteln einen glänzenderen Anstrich zu verleihen. Oder handelt es sich bei ihm zuvorderst um einen Anlagebetrüger, der seine absurden Shows in erster Linie dazu nutzt, arglose Investoren in eine Art Schneeballsystem zu locken?
Wer sich schon immer einmal im nüchternen Zustand wie auf Drogen fühlen wollte, dürfte bei den aberwitzigen Veranstaltungen des Polka Kings genau richtig sein. Wie man jedoch auf die Idee kommen kann, er sei ein seriöser Verwalter privater Vermögen, steht auf einem anderen Blatt. Genau dieser Frage gehen die Drehbuchautoren Maya Forbes und Wallace Wolodarsky in der Tragikomödie 'The Polka King' nach.
Unterschätzen sollte man den Polka King jedoch tunlichst nicht. Was einige der Geschädigten offenbar nicht auf dem Schirm haben: Er gibt sich zwar gerne als Clown, doch er scheint ein sehr gutes Gespür dafür zu haben, welche Knöpfe er in welcher Situation drücken muss. Wiederholt stellt er im Film unter Beweis, dass er, sobald er sich in die Enge getrieben fühlt (und nicht nur dann), zielgenau an jene Empfindungen appelliert, die er bei seinem Gegenüber gerade als Ansatzpunkt oder gar als Schwachstelle ausmacht. Der Erfolg gibt ihm offenbar recht, denn immer wieder gelingt es ihm, bei seinen Gesprächspartnern eine radikale Abkehr von deren ursprünglichen Anliegen (hin zu einer Haltung in seinem Sinne) zu bewirken. Besonders daraus generieren sich in der Inszenierung von Maya Forbes wiederholt Komik und Tragik zugleich.
KURZFAZIT
„Zickezacke, zickezacke“ – „Ha, ha, ha!“ [sic!]