Framolf - Kommentare

Alle Kommentare von Framolf

  • 4

    Die Wohnung eines ehemaligen Agenten wird wiederholt von Einbrechern heimgesucht. Als auch auch noch seine Frau entführt wird, ist für ihn Schluss mit lustig und er versucht das Recht in seine eigene Hand zu nehmen, wodurch sich die Lage nur noch weiter verschlimmert. Was genau ist hier los? Hat hier jemand eine Rechnung mit ihm offen? Soll er erpresst werden? Und wenn ja, wie lautet die Forderung der Verbrecher?

    Die Antwort auf diese Fragen liefert Rodolphe Lauga (Regie) auf seine ganz eigene Weise. Zwar werden den Zuschauern durch stetige Tempowechsel immer wieder etwas inhaltliches Futter und Zeit zum Miträtseln gegeben, doch im Verbund mit zahlreichen wilden Zeitsprüngen wird für einen minimalen inhaltlichen Mehrwert ein doch recht hoher Preis entrichtet. Im Ergebnis wird eine gar nicht mal so komplexe Geschichte vergleichsweise konfus vorgetragen. Zwar wird nach und nach Licht ins Dunkel gebracht, doch da davon auszugehen ist, dass die meisten Filmfans diesen Actionthriller eher aufgrund der Actioneinlagen als wegen des Thrillerplots für eine Sichtung auswählen, stellt sich die Frage, ob durch den etwas chaotischen Aufbau wirklich etwas gewonnen ist. Zwar fügen sich die einzelnen Puzzleteile im Verlauf der Handlung durchaus zusammen, doch ob man diesen nicht unbedingt originellen Plot auf genau diese Weise erzählen muss, steht auf einem anderen Blatt. Sobald es allerdings temporeich wird, weiß Laugas Inszenierung durchaus zu überzeugen. Der Protagonist schont weder sich noch seine Kontrahenten. Weshalb sich Drehbuch und Regie nicht stärker darauf fokussiert haben, bleibt wohl das Geheimnis der Produzenten bzw. ist vielleicht auch eine Frage des Budgets.

    KURZFAZIT

    An und für sich solider Actionthriller, der mit Blick auf die Struktur jedoch nicht besonders elegant vorgetragen wird.

    28
    • 6

      Oscar Madness (3 Nominierungen)

      Ende der Vierziger Jahre irgendwo in Polen: Um die Bildung einer neuen Heimatidentität voranzutreiben, soll ein Chor gegründet werden, der die Einheit des Landes und der Bürger im Sinne der vorherrschenden Machtverhältnisse definieren soll. Der 2. Weltkrieg ist vorbei, doch der Kalte Krieg zieht nun empor. Das jahrzehntelange Duell der Klassenfeinde zeichnet sich bereits am Horizont ab, der Kampf um die Gesinnung der Bürger erscheint den Machthabern daher umso dringlicher. Daher lässt man musikalische Menschen aus allen Teilen des Landes zu einem Auswahlverfahren zusammenkommen, um schließlich eine Gesangs- und Tanzgruppe zusammenzustellen. Einer der Verantwortlichen, die mit dem Aufbau dieses nationalen Projekts betraut sind, verliebt sich in eine der Kandidatinnen, was den Beginn er langen Kette von Ereignissen darstellt.

      Im Auftreten könnten beide Hauptcharaktere unterschiedlicher kaum sein. Während Zula sich betont extrovertiert und sich in manchen Punkten bisweilen fast schon rebellisch gibt (und noch dazu eine düstere Vergangenheit zu haben scheint), wirkt Wiktors Handeln zunächst eher reflektiert und angepasst. Doch ganz so einfach ist es dann doch nicht, da sich beide Charaktere als deutlich vielschichtiger erweisen, als es der erste Eindruck vielleicht zunächst vermuten lässt. Beim Blick auf die konkreten Lebenswege der beiden wird schnell klar, dass man keinem der beiden in den Kopf blicken kann, denn beider Schicksale verlaufen anders, als man es zu Beginn vielleicht erwarten würde. Zula entwickelt eine zerstörerische Kraft, die sich gegen ihr Umfeld, aber auch gegen sich selbst richtet. Wiktor hingegen wirkt im direkten Vergleich zwar etwas ausgeglichener und ausgleichender, doch im gemeinsamen Zusammenspiel steuern sie auf eine Situation zu, die mit jedem Treffen auswegloser erscheint. Inwieweit ihre Schicksale als beispielhaft für die polnische Nachkriegsgesellschaft gelten können, vermögen wohl nur Zeitzeugen oder Historiker zu beurteilen, doch streiflichtartige Einblicke in die Zeitgeschichte werden so oder so geboten.

      6 – 6,5 Punkte.

      KURZFAZIT

      Stark personalisierte Chronik der Befindlichkeiten einer Gesellschaft, die sich zunächst im Wandel befindet und deren Lage schließlich auf ernüchterndem Niveau stagniert.

      27
      • 4

        Ein zwielichtiger Polizist überfährt mit seinem silbernen 1998er BMW E46 nachts einen Fußgänger. Statt seine Kollegen zu rufen, wirft er das Unfallopfer in den Kofferraum und düst davon. Wenig später gerät er in eine Verkehrskontrolle. Von da an gerät die Situation vollends außer Kontrolle und die Lage entgleitet ihm zunehmend. Mit jedem Schritt, den er unternimmt, um den Vorfall zu vertuschen, verschlimmert er seine Situation noch weiter. Zwar ist er in seinem Vorgehen durchaus kreativ, er kann sich dabei jedoch auch auf einen wohlmeinenden Filmemacher (Régis Blondeau, verantwortlich für Drehbuch und Regie) verlassen, der ihm mehrmals den Zufall zu Hilfe kommen lässt und der es in mehreren Szenen auch mit der Plausibilität und mit Wahrscheinlichkeiten nicht allzu genau nimmt. Mit dem Fall betraut sind lediglich die Kollegen des fahrerflüchtigen Polizisten. Unter diesen ist er zwar nicht gerade beliebt, aber mit letzter Konsequenz scheinen sie dennoch nicht zu ermitteln. Auf der anderen Seite scheint im ein unbekannter Kontrahent im Nacken zu sitzen. Wird er es also schaffen, seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen?

        Wer mit dem Protagonisten dieser Geschichte mitfiebert und in Sachen Handlung auch mal fünf gerade sein lassen kann, kann mit dem französischen Kriminal- und Actionthriller 'Sans Répit – Ruhelos' eine durchaus gute Zeit haben. Wer Thomas hingegen als unsympathisch oder arrogant empfindet, hofft möglicherweise darauf, dass ihm doch noch das Handwerk gelegt werden wird. So gesehen funktioniert der Spannungsaufbau dieser Räuber- bzw. Raserpistole gleich in zwei Richtungen. Die etwas temporeicheren Abschnitte sind ordentlich in Szene gesetzt und die Atmosphäre passt gut zur Handlung. Das Ergebnis ist ein durchaus kurzweilig erzählter Film, dessen Drehbuch allerdings etwas schludrig erscheint.

        KURZFAZIT

        Solider Actionthriller mit einer allenfalls halbwegs plausiblen Story.

        23
        • 7

          Oscar Madness (1 Nominierung)

          Wie viele weibliche Darstellerinnen und wie viele männliche oscarnominierte Schauspieler braucht man, um ein Drama über den Immobiliensektor zu drehen? Regisseur James Foley ('Die Kammer') liefert auf diese Frage in 'Glengarry Glen Ross' eine ganz eigene Antwort.

          Zwei ganz normale Arbeitstage in einem hochseriösen Immobilienunternehmen. Der Vorgesetzte (Alec Baldwin) und seine rechte Hand (Kevin Spacey) wollen die restlichen Angestellten (unter ihnen Al Pacino, Jack Lemmon, Alan Arkin, Ed Harris und Jonathan Pryce) mit einem Wettbewerb zu noch mehr Verkäufen anstacheln. Dem Besten winkt der Gewinn eines Autos, dem Verlierer ganz viel Freizeit (Entlassung). Das Hauen und Stechen beginnt sofort. Wer bekommt die aussichtsreichen Adressen möglicher Kaufinteressenten, die (offenbar aus einer dubiosen Quelle) zugekauft wurden, und wer muss skeptische Anleger oder Pleitegeier abtelefonieren? Wenig überraschend wird schnell klar, dass das wichtigste Hilfsmittel in dieser Firma nicht das Telefon oder der Taschenrechner, sondern der Ellbogen ist. Letzteren nutzt jeder der Makler mit ganz eigenen Mitteln. Einer gibt sich plakativ rücksichtslos, ein anderer wechselt zwischen Wehklagen und Häme und wieder andere versuchen, ihre Kollegen zu instrumentalisieren oder zu Taten zu animieren, die ihnen später beruflich das Genick brechen könnten. Geführt wird der Betrieb wie eine Drückerkolonne. Doch auch gegenüber potenziellen Kunden wird mit harten Bandagen und teils aufdringlichen Methoden gekämpft, um das keineswegs über jeden Zweifel erhabene Produkt unter's Volk zu bringen. Selbst Premiumkunden bleiben nicht davor verschont, über den Tisch gezogen zu werden (zumindest werden entsprechende Versuche unternommen). Doch wer träumt nicht davon, spät abends in den eigenen vier Wänden von einem windigen Verkäufer heimgesucht zu werden?

          Statt auf einen für viele Kinoproduktionen üblichen Spannungsbogen zu setzen, bleibt Foley offenbar bewusst nahe an der Herkunft des Stoffes aus dem Theater, was den Vorteil einer unverstellten Sicht auf die Ereignisse mit sich bringt. Statt der formelhaften Aufbereitung eines Heldenreisekonzepts (oder ähnlicher Konstrukte) wird ausnahmslos alles den Dialogen und den damit verbundenen Aussagen untergeordnet. Die fast schon bedingungslose Fokussierung auf den Cast zahlt sich aus. Durchweg alle relevanten Darsteller liefern überzeugende Leistungen. Al Pacinos Oscar-Nominierung erscheint mehr als folgerichtig; ist jedoch als stellvertretend für den gesamten Cast zu betrachten, aus dem auch Jack Lemmon deutlich herausragt.

          KURZFAZIT

          Kammerspielartiges Drama mit relevanter Thematik und überragenden Darstellern.

          29
          • 5
            Framolf 13.04.2025, 05:47 Geändert 13.04.2025, 06:55

            Chris (Eric André) macht sich mit seinem Kumpel Bud (Lil Rel Howery) auf den Weg nach New York, um dort seinen Highschool Schwarm (Michaela Conlin) zu treffen. Eigentlich stünde einem entspannten Road Trip nichts im Wege, wäre da nur nicht Buds durchgeknallte Schwester Trina (Tiffany Haddish), eine entflohene Strafgefangene, die Jagd auf die beiden macht, weil sie ihr Auto zurückhaben möchte.

            Mit dieser kurzen Einleitung wäre dann (abgesehen vom Finale) auch fast schon der komplette Film gespoilert, denn – man kann es nicht anders sagen – was einem hier als Handlung verkauft wird, ist nichts anderes als ein Schlag ins Gesicht aller Filmfans auf dieser Welt. Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass die Geschichte in diesem Fall nichts anderes ist als eine notdürftig zusammengeschusterte Klammer, die als Vehikel und Rahmen für die Streiche dienen soll, die das Ensemble dutzenden Passanten spielt. Zu der bereits genannten Kernbesetzung gesellen sich ein paar Komparsen, die ebenfalls eingeweiht sind. Die unfreiwillig beteiligten Personen hingegen finden sich wahrscheinlich in einer Art Fieber- oder Albtraum wieder. In einer Mischung aus den Konzepten von 'Jackass', 'Borat' und 'Mein neuer Freund' bringen sich die Protagonisten (allen voran Eric André) von einer peinlichen Situation in die nächste, um letztlich auch die anwesenden „Zuschauer“ in Verlegenheit zu bringen. Zwar fehlt den meisten Szenen der entlarvende Charakter vieler „Versuchsanordnungen“ in 'Borat, doch als reines Festival der Fremdscham funktioniert Kitao Sakurais 'Bad Trip' ohne Zweifel. Auch wenn sich zahlreiche Gags als Rohrkrepierer erweisen und einige andere kilometerweit gegen den Wind stinken, bleibt am Ende doch eine passable Menge gelungener Szenen, die für den einen oder anderen Lacher sorgen können.

            Fünf von zehn liebestollen Gorillas.

            KURZFAZIT

            WTF!?

            24
            • 5 .5

              Das soziale Gefälle fällt in Frankreichs Süden mitunter doch recht massiv aus. Für einige französische Großstädte gilt dasselbe. Analog dazu verhält es sich mit den Kriminalitätsstatistiken – und erst recht mit der gefühlten Sicherheit. Entsprechend potenziert treten derlei Symptome in Marseille auf. In manche Banlieus wagt sich die Polizei nur noch widerwillig. Umso ärgerlicher wird es für gesetzestreue Normalbürger, wenn nicht nur die Verbrecher gegen Recht und Gesetz verstoßen, sondern auch die mehr oder minder szenekundigen Beamten. Wenn Polizisten einem Konsumenten das Gras abnehmen, um es selbst in Rauch aufgehen zu lassen, aber auf der anderen Seite (aus durchaus nachvollziehbaren Gründen) vor den Verkäufern kuschen, dürfte das nicht gerade die Akzeptanz der Maßnahmen fördern.

              Im Fall von 'Bac Nord – Bollwerk gegen das Verbrechen' scheint dies jedoch nur bedingt von Belang zu sein, denn Regisseur und Drehbuchautor Cédric Jimenez interessiert sich allenfalls am Rande für die Durchschnittsbewohner der Stadt. Im Fokus stehen ohne Wenn und Aber die Mitglieder einer Ermittlungseinheit, die es mit dem Gesetz selbst nicht besonders genau nehmen. Ohne Frage: Leicht haben sie es auf keinen Fall in ihrem Kampf gegen ein Syndikat, deren Mitglieder ihnen zahlenmäßig deutlich überlegen sind und die noch dazu eine Art Heimvorteil in ihrem Viertel haben. Ob die kriegsähnlichen Szenen, die Jimenez dem Publikum zeigt, den tatsächlichen Ereignissen aus dem Jahr 2012 entsprechen, auf denen die Handlung lose basiert, sei jedoch dahingestellt; schließlich räumt die Produktionsfirma selbst eine teils massive Fiktionalisierung unumwunden ein. Worauf genau sich dieser Hinweis bezieht, lässt sich nur mutmaßen. Somit obliegt es den Zuschauern, das Geschehen – trotz einer bisweilen etwas tendenziösen Darstellung – selbst einzuordnen.

              Dargeboten wird die Erzählung (in positiver Weise) schroff. Die Protagonisten werden dem Publikum zunächst als Identifikationsangebote verkauft, ehe sie zunehmend über die Stränge schlagen. Mit fortschreitender Laufzeit erinnert die Lage immer stärker an das Szenario der US-Polizeiserie 'The Shield', in der sich kriminelle Polizisten und kriminelle Kriminelle gegenseitig bekämpfen. Konstruktive Ansätze finden sich in 'Bac Nord' nur bedingt. Wie es garantiert nicht funktioniert, wird hier jedoch in einer Spieldauer von rund 105 Minuten skizziert.

              KURZFAZIT

              Überzeichnet, aber spannend.

              26
              • 6 .5

                Drei Geschichten an drei verschiedenen Schauplätzen.

                Indien: Ein Ehepaar schickt seine Tochter unter größten finanziellen Anstrengungen zur Schule. Nachdem der erste Tag dort desaströs verläuft, entschließt sich die Mutter des Mädchens zu einem radikalen Schritt.

                Italien: Ein harter Schicksalsschlag und finanzielle Schwierigkeiten zwingen eine junge Frau zu einer Neuausrichtung alter Gewohnheiten.

                Kanada: Eine Anwältin, die Firmen mit einem äußerst rücksichtslosen Geschäftgebaren vertritt, erhält bei einer medizinischen Untersuchung eine niederschmetternde Diagnose.

                Während in den beiden erstgenannten Handlungssträngen im Spannungsfeld zwischen Traditionen, familiären und/oder religiösen Erwartungen alte (persönliche und gesellschaftliche) Gewohnheiten hinterfragt werden, geht es im dritten Arm der Handlung um nicht weniger als das Überleben der Protagonistin. Auch hat sie nicht unter sozialer Ausbeutung oder gesellschaftlicher Marginalisierung zu leiden, sondern sie gehört in beruflicher Hinsicht eher selbst zu jenen Akteuren, die anderen Menschen Unbehagen bereiten. Probleme mit Vorgesetzten und Kollegen dürften nicht ausschließlich diskriminierungsbedingt, sondern durchaus auch dem beruflichen Umfeld geschuldet sein. Bei einem Kanzleichef, der keine Probleme damit hat, Mandanten zu verteidigen, die massive Schäden anrichten, überrascht es eben auch nur bedingt, wenn er nur wenig bis keine Rücksicht auf die Belegschaft nimmt. Klar wird dadurch: Filmemacherin Laetitia Colombani geht es eben nicht um einseitige Betrachtungen, denen alle weiteren Aspekte unterzuordnen sind, sondern durchaus auch um die Darstellung von Grautönen. Die Botschaft ihrer Erzählung wird dadurch keineswegs geschmälert, sondern sie gewinnt eher noch an Glaubwürdigkeit hinzu, was auch und gerade in Anbetracht der verbindenden Elemente der Handlung eine gewisse Erdung verleiht.

                KURZFAZIT

                Episodenfilm, dessen Handlungsstränge, nicht nur auf einen gemeinsamen Zielpunkt zulaufen, sondern auch strukturelle Probleme offenlegen, die unabhängig von Kultur, Religion und Region auftreten.

                27
                • 6

                  An einem abgelegenen Ort im Irland des 19. Jahrhunderts spielt sich ein rätselhaftes Phänomen ab. Ein Mädchen, das auf den ersten Blick einen mehr oder weniger unauffälligen Eindruck macht, soll seit Monaten keine Nahrung mehr zu sich genommen haben. Um der Sache auf den Grund zu gehen, beschließt ein örtlicher Beirat, zwei Beobachterinnen hinzuzuziehen, die die junge Dame abwechselnd rund um die Uhr beobachten sollen. Die mentale und spirituelle Seite soll eine Nonne abdecken, während eine Krankenpflegerin (Florence Pugh) ihre Expertise im Bereich der körperlichen Gesundheit einbringen soll. Wenig überraschend ist erstere durchaus aufgeschlossen gegenüber Wundern, während letztere aus ihrer medizinischen Perspektive schon früh deutliche Zweifel artikuliert. Was also hat es mit dem Fall auf sich und wird er gelöst werden?

                  Die Geschichte, die zunächst als Mystery-Historiendrama beginnt, entpuppt sich im weiteren Verlauf als weit mehr als das. Schließlich werden neben psychologischen und medizinischen auch Glaubensfragen diskutiert, die letztlich auch auf die Charakterisierung einer ganzen Gesellschaft hinauslaufen. Um den Fall lösen zu können, beobachtet die weltlich orientierte Protagonistin nicht nur das besagte Mädchen, sondern auch deren soziales Umfeld, in dem sich erstaunlich wenige Menschen Sorgen um das Wohl der (vermeintlichen oder tatsächlichen) Asketin zu machen scheinen. Einige Anwohner hoffen offenbar auf ein Wunder, die direkten Angehörigen hingegen wirken seltsam verschlossen, statt sich mit der Krankenpflegerin zu verbünden, um das Kind wieder zum Essen zu bringen. Und so wird nach und nach klar, dass hier nicht nur ein Individuum und sein direktes Umfeld, sondern im Grunde eine ganze Gesellschaft unter Beobachtung stehen. Der Befund fällt dementsprechend drastisch aus.

                  ++ Indirekter SPOILER ++

                  Der Schlüssel zur Lösung des Falles liegt in einer fatalen Mischung aus unkritischer Gläubigkeit und einer kruden Art der Vergangenheitsbewältigung.

                  ++ SPOILER Ende ++

                  KURZFAZIT

                  Historiendrama, das den Finger zwar nicht direkt in eine gesellschaftliche Wunde legt, aber das eine Problemstellung so lange umkreist, bis schließlich klar wird, worin die Intention der Erzählung besteht.

                  26
                  • 4

                    Der Name ist hier Programm. Die drei Väter im Zentrum der Geschichte von 'Old Dads' sind zwar nicht wirklich alt, im Vergleich zu vielen anderen Vätern, die Kinder ähnlichen Alters haben, fallen sie dann aber doch auf. Allerdings weniger durch Äußerlichkeiten (schließlich sieht man nicht jedem Menschen sein exaktes Alter an), als durch die Äußerungen, die sie tätigen oder die Verhaltensweisen, die sie an den Tag legen. Zwar verhalten sich die drei Titelantihelden in einigen Punkten durchaus verschieden, doch gleich mehrere Gemeinsamkeiten einen sie: Sie sind Teilhaber an derselben Firma und durchleben gerade alle eine Art Midlife-Pubertät; allerdings jeder auf seine ganz eigene Weise. Einer versucht beharrlich, mit rückwärtsgewandten Sprüchen dem Zeitgeist zu trotzen, ein anderer arbeitet scheinbar an einem imaginären Pick Up Diplom und ihr Kumpel schwebt im siebten Himmel. Wie es sich für eine Komödie gehört, fallen ihre Erfolge weitgehend durchwachsen aus. Aber alles halb so wild, schließlich haben sie beruflich schon einiges erreicht – und darüber kann man sich doch wunderbar selbst definieren – eine Strategie, mit der man garantiert niemals in ein mentales Loch fallen wird...

                    Gleich zu Beginn trifft einer der besagten Väter auf einen seiner Erzfeinde - einen E-Scooter-Fahrer! Eine Metapher, die in diesem Zusammenhang kaum passender gewählt sein könnte. Was Regisseur, Drehbuchautor und Darsteller Bill Burr schließlich über die gesamte Spieldauer in Bezug auf die Gags daraus macht, korreliert wahrscheinlich recht gut mit der Spermienqualität vieler Männer jenseits der 50. Manche davon können durchaus an ihr Ziel gelangen, doch ob sie dort auch eine Wirkung entfalten, steht auf einem anderen Blatt. Letztlich dürften im Vorfeld der Produktion drei Varianten zur Wahl gestanden haben: Man gießt Spott über liberalen Positionen aus, man arbeitet sich am Konservativismus ab oder man veralbert beide Seiten. Das Ergebnis fällt jedoch ziemlich ambivalent und unter dem Strich auch recht zahnlos aus, was in Anbetracht einer angespannten Gesellschaft (aus der schließlich auch möglichst viele Menschen diesen Film schauen sollen) jedoch nicht weiter verwunderlich ausfällt.

                    KURZFAZIT

                    Eine Prämisse mit Potenzial wird zu einer Handlung mit vielen Kompromissen weitergesponnen.

                    28
                    • 4

                      Ein weiteres (zumindest teilweise) deutsches Remake (in diesem Fall als multinationale Co-Produktion) einer spanischen Produktion, von der wenige Jahre zuvor bereits ein deutsches Remake gedreht wurde. Auf den ersten Blick macht eine derartige Strategie wahrscheinlich besonders dann Sinn, wenn entweder ein anderer Kern aus der Geschichte herausgeschält werden soll oder wenn ein sehr viel höheres Budget für die Produktion zur Verfügung steht. Den ersten Gedanken kann man im Fall von 'Retribution' eigentlich umgehend wieder verwerfen. Zwar wurde eine ganze Reihe inhaltlicher Änderungen vorgenommen, doch gefühlt montiert man hier einen abgenutzten Reifen ab, um als Ersatz einen anderen Reifen mit ebenso geringer Profiltiefe anzubringen. Einleuchtender erscheint hingegen der Anlass, die Geschichte mit einem international deutlich bekannteren Hauptdarsteller zu verfilmen. Auch wenn Wotan Wilke Möhring zu den bekannteren Gesichtern des deutschsprachigen Kinos zählen mag, kann Liam Neeson eben doch ein anderes Gewicht in den Ring werfen. Konterkariert wird dieses Vorhaben jedoch durch ein Drehbuch, das den Darstellern zwar hier und da ein wenig abverlangt, sie ganz gewiss aber nicht zu Höchstleistungen treibt. In diesem Licht betrachtet dürfte es dann wohl doch in erster Linie um die Zugkraft Liam Neesons gehen, die aus Vermarktungsgründen sicherlich ein wichtiger Faktor ist, aber ansonsten keinen wirklichen Gamechanger darstellt. Neeson spielt seinen Part routiniert herunter, zu einem Genre-Highlight kann aber auch er diese Produktion nicht pushen.

                      Da die Handlung einigermaßen haarsträubend ausfällt, sollte man sich auch gar nicht groß mit der Prämisse aufhalten. Daher nur kurz und knapp: Ein Familienvater wird von einem Anrufer mit verzerrter Stimme bedroht. Das Druckmittel: Eine Bombe unter dem Fahrersitz, deren Zünder ausgelöst wird, sobald sich das Gewicht auf dem Sitz reduziert. Ob der Sprengsatz wirklich existiert, ist zunächst unklar. Doch wer möchte das schon herausfinden? Der Protagonist ganz sicher nicht. Und mal ganz ehrlich: Als Zuschauer kann man auch ganz gut damit leben, es nicht zu erfahren und sich stattdessen einen anderen Film anzusehen.

                      KURZFAZIT

                      Just another Remake.

                      28
                      • 4
                        Framolf 07.04.2025, 05:51 Geändert 07.04.2025, 05:52

                        Der filmtastische Festtagskalender 2025, Film #6 - Weltgesundheitstag

                        [Heute ist Weltgesundheitstag. Zu diesem Anlass ein Filmkommentar von hoher medizinischer Relevanz.]

                        Herr Blümlein, ein Spießbürger wie aus dem Bilderbuch, hat Rückenbeschwerden. Also verabschiedet er sich von seiner Ehefrau und macht sich auf den Weg zu einem Kurort. Besonders weit kommt er allerdings nicht, denn schon nach kurzer Zeit kommt er an einem Massagesalon der alternativen Art vorbei. Eine der „Behandlerinnen“ wittert schnell verdientes Geld, also nimmt sie ihn mit zu sich nach Hause, um ihn dort auf eigene Rechnung zu „versorgen“, woraus zwei Probleme resultieren: Herr Blümlein ist alsbald pleite und der Betreiber des Salons braucht neues Personal.

                        Sorry an alle, die bis hierhin gelesen haben, denn im Grunde wurde damit schon die gesamte Handlung gespoilert. Zwar bezieht sich der erste Absatz nur auf das erste Drittel des Filmes, doch sehr viel mehr passiert dann auch nicht mehr. Aufmerksame Leser werden sich jetzt vielleicht fragen, wie Titelheld Dr. Fummel in dieses Szenario passt? Kurzum: Gar nicht. Er ist offenbar kein Doktor (Skandal!) und er fummelt auch nicht, sondern beschränkt sich auf Voyeurismus. In den Rest der Handlung greift er so gut wie überhaupt nicht ein. Der Verdacht liegt nahe, dass er nachträglich in die vorläufige Schnittfassung hineinmontiert wurde, weil irgendwer die Idee zu diesem Filmtitel hatte und man diese nun irgendwie rechtfertigen musste. Augenscheinlich fühlt sich die für den Schnitt verantwortliche Person ohnehin zu Höherem berufen. Die Montage der Tanzszene gegen Ende sowie die parallele Montage der beiden Castings sprechen in dieser Hinsicht Bände. Da Kamera und Schnitt seinerzeit recht oft freie Hand gelassen wurden, liegt die Messlatte für Verwunderung bei Filmen aus den 70er Jahren ohnehin vergleichsweise hoch, doch was genau der Plan hinter dem Wechselspiel aus Bildern von den Tänzern und deren Schatten gewesen sein soll, wird wohl auf ewig ein Geheimnis bleiben.

                        Vier von zehn angeklebten Bärten.

                        KURZFAZIT

                        Typische Brummer-Produktion mit einer noch dürftigeren Handlung als die allermeisten anderen seiner Machwerke.

                        25
                        • 5 .5

                          Wenn Nora Fingscheidt ('Systemsprenger') ein Drama mit Sandra Bullock in der Hauptrolle (sowie Viola Davis, Jon Bernthal und Vincent D'Onofrio in den Nebenrollen) dreht, lässt diese Konstellation sicherlich viele Filmfreunde schon von vornherein aufhorchen. Zu erwarten sind demgemäß eine bessere finanzielle Ausstattung und somit prominentere Darsteller auf der einen Seite und eine möglicherweise nicht ganz so schroffe Inszenierung auf der anderen Seite. Und vorneweg: Der erste Eindruck täuscht nicht, wobei 'The Unforgivable' keineswegs glatt, substanzarm oder gar belanglos ausfällt. Vielmehr handelt es sich dabei um ein vielschichtiges Werk, dessen teilweise recht ambivalent konzipierten Charaktere versiert dargestellt werden. Die Vielschichtigkeit beginnt bereits mit der Genrezuordnung, die sich wohl am ehesten als Sozialdrama mit leichten Anleihen aus dem Kriminalthriller-Subgenre beschreiben lässt.

                          Nach ihrer Entlassung aus der Haft tritt die Protagonistin eine Arbeitsstelle in einem fischverarbeitenden Betrieb an. Der Kontakt zu anderen ehemaligen Straftätern ist ihr strengstens untersagt. Wie das in einem Großbetrieb möglich sein soll, weiß wahrscheinlich nicht mal ihr Bewährungshelfer, der zwar ein strenges Regime führt, aber immerhin seine Aufgabe ernstzunehmen scheint. Problematischer ist für Hauptfigur Ruth hingegen der Hass, der ihr seitens einer Kollegin entgegenschlägt. Trotz aller Hindernisse schlägt sie sich wacker, denn in erster Linie hat sie ein viel größeres Ziel vor Augen: Sie möchte wieder ein Verhältnis zu ihrer Schwester aufbauen, nachdem der Kontakt während ihrer jahrelangen Haftstrafe zum Erliegen kam.

                          Fingscheidt begleitet die Antiheldin im Zentrum der Geschichte also auf ihrem äußerst steinigen Weg durch den Alltag. Ein wesentlicher Teil der Botschaft wird eher zwischen den Zeilen vermittelt (die Auswirkungen einer Haftstrafe auf das spätere Leben), andere Aspekte werden vergleichsweise plakativ vorgetragen. Gezeichnet von den Jahren im Gefängnis und den Strapazen des Alltags, bahnt sich Ruth mühevoll, aber stetig, ihren Weg zwischen zahllosen Hindernissen hindurch. Allein dieser Teil der Geschichte reicht eigentlich schon aus, um den Film alleine zu tragen. Zudem blitzen aber auch in unregelmäßigen Abständen Erinnerungsfetzen auf, in denen dem Publikum Ruths Backstory nahegebracht wird. Die Handlung erhält auf diese Weise eine gewisse Kriminalfacette (und damit einhergehend vielleicht auch etwas Spannung), jedoch zu dem Preis eines Finales, das der Erzählung eine deutliche andere Richtung und auch Tonalität verleiht. Ob damit ein Bruch oder ein Mehrwert einhergeht, lässt sich nicht pauschal beantworten und liegt wohl im Auge des Betrachters.

                          KURZFAZIT

                          Versiert umgesetztes Drama, in dem Tristesse über weite Strecken zum leitenden Prinzip erhoben wird.

                          27
                          • 6 .5

                            Oscar Madness (1 Nominierung)

                            In Uganda regiert seit Januar 1986 Präsident Yoweri Kaguta Museveni. Angetreten war er einst als Reformer, der das politische Erbe Idi Amins bestmöglich tilgen wollte. Legitimiert sieht er sich durch Wahlen, die seit 1996 in einem fünfjährigen Turnus stattfinden; dies jedoch unter (wohlwollend umschrieben) zum Teil äußerst zweifelhaften Umständen. Im Rahmen der Wahl 2021 tritt gegen ihn der populäre Musiker Robert Kyagulanyi Ssentamu, genannt Bobi Wine, an, der seine Positionen gerne auch in Form von Liedern (Dancehall, Ragga) an seine Anhänger und Wähler bringt. Im Rahmen der Dokumentation 'Bobi Wine: The People's President' begleiten die Filmemacher Christopher Sharpe und Moses Bwayo seine Kampagne, indem sie einige wesentliche Wegmarken seiner politischen Karriere in den Blick nehmen. Gezeigt werden in erster Linie öffentliche Auftritte Bobi Wines, Kundgebungen seiner Anhänger sowie einige kurze Szenen aus seinem Familienleben. Die dargebotene Chronik gleicht eher einer losen Reihe an Einblicken aus dem Inneren seiner Bewegung als einem „Panoramablick“ von oder nach außen. Im Zentrum stehen dabei Maßnahmen, die der Amtsinhaber zur Abwehr der Ambitionen seines aufstrebenden Widersachers unternimmt (Zerschlagung von Versammlungen, Verhaftung von Oppositionellen, Behinderung der Telekommunikation etc.).

                            Was man hingegen nur in rudimentärem Ausmaß bekommt, sind Blicke über den Tellerrand. Anders formuliert: Der zu überblickende Horizont ist hier äußerst eng gefasst. Zwar wird klar, dass sich Bobi Wine als liberalere Alternative zum bisherigen Machthaber positioniert, doch Details seiner politischen Agenda werden im Rahmen der Dokumentation nicht vermittelt. Seine Standpunkte in zahlreichen politischen Fragen bleiben für Zuschauer ohne nennenswerten Kenntnissen der ugandischen Innen- und Außenpolitik ebenso unklar wie die Frage nach den Finanziers seiner Kampagne. Die restliche politische Landschaft des Landes wird sogar komplett ausgespart. Dass im Rahmen einer Dokumentation über einen einzelnen Politiker bzw. Aktivisten kein kompletter Abriss der politischen Geschichte und Gegenwart eines Landes gegeben wird, versteht sich von selbst; doch mit ein paar kurzen Sätzen über Wines Verhältnis zu anderen oppositionellen Kräften im Inland oder zu anderen maßgeblichen Akteuren hätte sich ohne viel Aufwand ein sehr viel umfassenderes Bild entwerfen lassen. Auch wenn die Sympathien im Westen klar verteilt sind und die Zweifel an der Legitimität von Musevenis Herrschaft aus zahlreichen Gründen größer kaum sein könnten, wäre ein gewisses Plus an Informationen keineswegs schädlich. Letztlich läuft der Kern der Dokumentation auf eine Dichotomie zwischen zwei Kandidaten hinaus. Darüber hinausgehende Informationen werden jedoch nur in Spuren vermittelt.

                            In doppelter Hinsicht erschreckend wirkt die Vielzahl an Parallelen zur ebenfalls oscarnominierten Dokumentation über die Amtsenthebung von Dilma Rousseff in Brasilien ('Am Rande der Demokratie', 2019). Die Maßnahmen der Widersacher ähneln sich derart frappierend, dass der Gedanke naheliegt, Consulting Agenturen oder Think Tanks könnten regelrechte Play Books für derartige Fälle entwickelt haben (möglicherweise wäre es sogar naiv, nicht daran zu glauben). Auf der anderen Seite ließe sich jedoch auch eine lange Liste informationsarmer (wenn nicht gar tendenziöser) Dokumentationen erstellen, deren Grundlagen zur Meinungsbildung eher auf Emotionen beruhen (unabhängig davon, auf wessen Seite die jeweiligen Filmemacher stehen). Oder anders formuliert: Auch wenn Dokumentationen über Machthaber von zweifelhaftem Ruf in moralischer Hinsicht Selbstläufer sein mögen, kann die Vermittlung eines gewissen Grundstocks an Informationen keinesfalls schaden.

                            KURZFAZIT

                            Streiflichtartige Einblicke in die Präsidentschaftskampagne eines ambitionierten Herausforderers, deren exakte Einordnung aufgrund zahlreicher Leerstellen jedoch äußerst schwerfällt.

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                            • 5 .5

                              Oscar Madness (1 Nominierung)

                              Ein Holocaustüberlebender liest einer Schulklasse einen 'Brief an ein Schwein' vor, in dem er sich für die Rettung seines Lebens bedankt. Er sinniert über religiöse Lehrsätze, wonach Schweine als unrein gelten, ehe er auf das Motiv der Rache zu sprechen kommt. Rache im Sinn von körperlicher Gewalt gegen einen der Täter, aber auch in dem Sinne, dass er jungen Menschen seinen Lebensweg nahebringt. Die derzeitigen und kommenden Generationen sind es, die sein Erbe aufrechterhalten und mit Leben füllen sollen.

                              Ausgehend von dieser Prämisse widmet sich dieser israelisch-französische animierte Kurzfilm abschließend einer versinnbildlichten Begegnung der Schülerinnen mit einem Schwein, die vergleichsweise kryptisch geschildert wird. Das Leitmotiv des Schweines erfährt gegen Ende hin einen gleich doppelten Bedeutungswandel. Tal Kantor (Regie) verbindet dabei die eingangs etablierte Symbolik des Lebensretters mit der Bezeichnung „Schwein“ als Schimpfwort und letztlich auch mit dem Motiv der Schuld. Doch auch die Schuldsymbolik wird hier auf ambivalente Weise in Metaphern übersetzt, wodurch man als Zuschauer regelrecht zu einer Auseinandersetzung mit der Thematik gezwungen wird - sofern Interesse am Inhalt des Filmes besteht. Kein Film also, dessen Botschaft sich durch rein passive Rezeption zweifelsfrei erschließen lässt.

                              In der visuellen Ausgestaltung findet der Inhalt insofern eine Entsprechung, dass die allermeisten Charaktere und Motive farb- und vergleichsweise konturenlos gehalten werden. Die jungen Zuhörer stehen eben nicht für spezifische Personen, sondern eher stellvertretend für eine ganze Generation (oder sogar mehrere). Für den Arm und die Hand des Vorlesers, der auch handfeste Vergeltungsmaßnahmen andeutet, gilt dies nicht. Das Schwein hingegen ist der buchstäbliche Farbtupfer in der Geschichte. Nicht umsonst wird es sogar im Filmtitel erwähnt.

                              KURZFAZIT

                              Inhaltlich wie formal bewusst sperrig umgesetzter Kurzfilm zu einer Thematik, zu der sich nur äußerst schwer eine angemessene Sprache finden lässt.

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                              • 7

                                Mascha feiert gerne, regelmäßig und oftmals auch ausschweifend. Während sie tagsüber (zumindest in manchen Situationen) eher zurückgenommen wirkt, lässt sie nachts ganz gerne mal die Zügel schleifen. Es wirkt fast so, als würde sie auf den Parties regelrecht die Fesseln abwerfen, die sie im Alltag eher belasten. Jeder ihrer Tänze wirkt somit auch wie ein Akt des Eskapismus. Doch wovor läuft sie weg? Ihrem Beruf als Dolmetscherin scheint sie nicht allzu viel Bedeutung beizumessen, in privater Hinsicht wiederum ist die Lage verworren. Ihrem Partner, der mit einer Sportverletzung im Krankenhaus liegt, hat sie bisher nur manche Facetten ihrer Persönlichkeit gezeigt, zudem lebt sie auch nicht gerade monogam.

                                Ähnlich wie die Protagonistin mäandert auch Pola Becks Inszenierung über weite Strecken scheinbar ziellos umher. Doch der Eindruck täuscht. Schließlich gehört es zum Wesen eines Kerns, dass er nicht immer auf Anhieb sichtbar ist und oftmals erst herausgeschält werden muss, wozu gelegentlich auch Geduld nötig ist. Lange Zeit erweist sich die abstrakte Essenz der Handlung als ähnlich schwer greifbar wie der Charakter der Hauptfigur, deren Biographie zahlreiche Brüche aufweist. Zusätzlich erschwert wird die Zugänglichkeit durch die Mischung aus Kauderwelsch und Genuschel, mit der sich mehrere Charaktere artikulieren. Verstärkt wird dieser Eindruck durch das fast schon babylonische Sprachgewirr, von dem einige Dialoge durchzogen sind.

                                Letztlich befindet sich das Publikum in einer ähnlichen Lage wie Maschas Partner Elias: Man muss eben abwarten, bis sie (bzw. das Drehbuch und die Regie) sich öffnet und selbst Hinweise gibt. Des Pudels Kern erweist sich schließlich als konkreter, als es anfangs vielleicht noch den Anschein hatte, woraus sich in der Retrospektive das Bild einer Tragödie ergibt, die trotz aller Eskapaden und inhaltlicher Arabeske durchaus aus dem Leben gegriffen sein könnte.

                                KURZFAZIT

                                Ambitioniertes Drama mit einer sorgsam ausgearbeiteten Hauptfigur.

                                [Danke an Eudora für die Empfehlung. War ein guter Treffer.]

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                                • 6

                                  Oscar Madness (1 Nominierung)

                                  In besonders schwierigen Situationen tritt der Charakter am deutlichsten hervor, heißt es manchmal. Dies scheint sich auch Drehbuchautor Nicholas Martin gedacht zu haben, als es während der Vorproduktion um die Frage ging, wie sich prägnante Stationen einer politischen Laufbahn mit einer beispielhaften Präsentation der Protagonistin verbinden lassen.

                                  Jom-Kippur-Krieg 1973. Israel wird mit einer Art Zangenangriff aus Ägypten und Syrien überrumpelt. Die Schläge treffen die Verteidiger mit voller Wucht und reißen zunächst klaffende Lücken in deren Linien. Ein geheimes Abhörsystem hatte zwar die Hoffnung auf einen Informationsvorsprung genährt, doch infolge einer Abschaltung (im Verbund mit weiteren Außerplanmäßigkeiten) ging die Vorwarnzeit nahe null. Regisseur Guy Nattiv zeigt in seinem Biopic 'Golda – Israels Eiserne Lady', wie Regierungschefin Golda Meir (Helen Mirren) in der Kommandozentrale die darauffolgenden Operationen orchestriert. Ähnlich wie in den britischen Politdramen 'Die dunkelste Stunde' und 'Churchill' (beide 2017) wird also auch hier eine Art Kriegsfilm aus der Perspektive führender Politiker gezeigt. Die Kampfeinsätze selbst werden überwiegend mittels dokumentarischer Einschübe oder aus der Vogelperspektive vermittelt. Heldengeschichten im herkömmlichen Sinne werden hier also nicht nachgezeichnet.

                                  Im Fokus steht vielmehr eine Politstrategin, deren Wirken in den Folgejahren keineswegs als unumstritten galt. Gezeigt wird sie hier (in erster Linie, doch nicht ausschließlich) als resolute, aber (in doppelter Hinsicht) leidende Macherin. Ratschläge nimmt sie zwar zur Kenntnis, allzu viel Bedeutung räumt sie ihnen im Rahmen der hier gezeigten Szenen jedoch nicht ein. Wiedergegeben werden die Ereignisse also zwar durchaus nüchtern, jedoch auch mit einem hohen Grad an Stilisierung. Die außen- und innenpolitischen Interessen der beteiligten Staaten werden (wohl auch aus Zeitgründen) allenfalls marginal angerissen.

                                  KURZFAZIT

                                  Ein kurzer Abriss aus einer äußerst komplexen Gemengelage.

                                  22
                                  • 2
                                    Framolf 01.04.2025, 06:23 Geändert 02.04.2025, 05:41

                                    Der filmtastische Festtagskalender 2025, Film #5

                                    Wer bitteschön denkt sich so eine Scheiße aus?

                                    Anna (N. Tschirner) und Ludo (T. Schweiger) führen eine glückliche Beziehung – bis sich plötzlich alles ändert. Der 24-jährige Ludo findet zwischen den Pornoheften seines vermissten dreiarmigen Vaters Fotos, die darauf hindeuten, dass dieser der Klon eines SS-Offiziers sein könnte, der im Rahmen eines Forschungsprojekts gezüchtet wurde – mit dem Ziel, eine Armee dreiarmiger Superkämpfer zu erschaffen (man beachte, dass man an den Plural „Arme“ nur ein „e“ anhängen muss, um eine Armee zu erhalten). Vorteil: Wer drei Arme hat, kann auch mit drei Pistolen gleichzeitig schießen - oder salutieren, während man die beiden anderen Hände anderweitig nutzt. Nachteil: Es müssen mehr Armbinden und völlig andere Hemden produziert werden. Wird sich Ludo unter einem Vorwand in die Armee der Dreiarmigen eingliedern lassen, um dort nach seinem Vater zu suchen oder begehrt er gegen dessen Schöpfer (die indirekt auch seine sind) auf? Und unabhängig davon: Wird es der Naziarmee gelingen, die gefürchtete Bundeswehr zu besiegen, deren Soldaten bereits bereits üben, indem sie mit lauten „Peng, peng“-Rufen durch den Wald laufen?

                                    Dass sich Schweiger für eine derart sinnentleerte Trashproduktion hergibt, überrascht nur auf den zweiten [sic!] Blick. Schließlich hat er sein Publikum mit jahrelanger Gewöhnung an seichte Stoffe und mit betont überschaubaren Darstellerleistungen sukzessive an einen Punkt geführt, an dem die Zuschauer für abstruse Produktionen wie diese bereit sein dürften. Am Ergebnis scheiden sich die Geister. Neben zahlreichen Höchstwertungen fährt der Film auch eine ganze Reihe an Nullern ein. Die Verkaufszahlen der limitierten DVD waren seinerzeit gut, nachgepresst wurde dennoch nicht. Vielleicht auch, weil sich der Zeitgeist in Bezug auf Nazikomödien geändert hat. Cineastisch hält sich der Verlust in Grenzen. Schweiger jedenfalls bietet eine mittelmäßige Vorstellung und somit die vielleicht beste Leistung seiner bisherigen Karriere. Wie sich die anderen namhaften Darsteller in diese Produktion verirren konnten, bleibt jedoch ein Rätsel.

                                    KURZFAZIT

                                    Wer seinen dritten Arm nicht zum Biertrinken nutzt, ist selbst schuld!

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                                    • 4 .5

                                      Regie und Drehbuch nehmen im Fall von 'Neureiche' zumindest in einer Hinsicht keine Gefangenen, denn gleich zu Beginn wird ein geschwätziger Betrüger als ebensolcher eingeführt. Und er ist ganz gewiss kein Gauner der charmanten Sorte. Stattdessen wirkt er eher unsouverän und äußerst zwielichtig. Seine vermeintliche Schlagfertigkeit gipfelt wiederholt in rüden Beleidigungen, die ihm zwar gelegentlich helfen, seine Ziele zu erreichen, doch um Sympathien des Publikums bewirbt man sich auf diese Weise wohl eher nicht. Dementsprechend folgt man hier als Zuschauer einem Antihelden, den wohl kaum jemand gerne als reale Person im Wohnzimmer sitzen hätte. Doch die Geschichte ändert sich, als der Protagonist auf eine junge Frau trifft, die auf den ersten Blick vielleicht sein weibliches Pendant sein könnte. Ab diesem Zeitpunkt wird es deutlich interessanter, denn als Zuschauer wird man zunächst im Unklaren darüber gelassen, wie ihre persönliche Backstory aussieht und welche Ziele sie verfolgt. Zwar gibt sie hierüber durchaus Auskunft, doch ob man ihren Ausführungen Glauben schenken kann, steht auf einem anderen Blatt. Eine Konstellation, aus der eine gewisse Dynamik entsteht, die die Erzählung immerhin bis zu ihrem Ende trägt.

                                      Die Betrugs- und Kryptothematik hätten mit hoher Wahrscheinlichkeit das Zeug zu einer bissigen Satire, doch Julien Hollande (Regie) entscheidet sich lieber für den Weg einer relativ harmlosen Komödie ohne nennenswerte gesellschaftskritische Ambitionen, denn der Betrüger und Blender ist hier eher ein auf eigene Rechnung handelndes Individuum und kein idealtypischer Vertreter systematisch betriebener Auswüchse des Kapitalismus.

                                      Viereinhalb von zehn extravaganten Glatzen im Hellboy-Style.

                                      KURZFAZIT

                                      Maue Komödie mit einer Handvoll gelungener Gags und einem Protagonisten, der erst durch das Zusammenspiel mit seinem Love Interest angemessen zur Geltung kommt.

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                                      • 7

                                        Oscar Madness (1 Nominierung)

                                        Bei dem Begriff „Uniform“ kommt vielen Menschen bestimmt zuerst die Dienstbekleidung von Soldaten oder Polizisten in den Sinn. Andere denken vielleicht an Schuluniformen oder sie sehen eine Karnevalsgarde vor ihrem inneren Auge. Darüber hinaus könnte man vielleicht auch an Raumanzüge denken oder an die Trikots einer Sportmannschaft. Derlei Assoziationen sagen zwar sicherlich auch etwas über das Wesen von Uniformen aus, jedoch vielleicht auch über die Herkunft desjenigen, der darüber nachdenkt. Iranische Gesprächspartner haben vielleicht eine Facette des Begriffes im Sinn, die vielen Mitteleuropäern zumindest nicht unmittelbar präsent ist: Wenn beispielsweise der Konformitätszwang zum Tragen eines Kopftuches verpflichtet, ist eben nicht nur eine bestimmte Berufsgruppe oder ein Zusammenschluss von Sportlern uniformiert, sondern pauschal die halbe Bevölkerung. Der Umstand, dass an Schulen teils unterschiedliche Farben für verschiedene Jahrgänge verlangt werden, verschlimmert die Lage nur noch zusätzlich; schließlich sind auch weitere Unterscheidungsmerkmalen denkbar (etwa sozialer, finanzieller oder ethnischer Art).

                                        Der Zwang zum Tragen eines Kopftuches kann teils absurde Züge annehmen, etwa wenn es darum geht, sich die Haare schneiden zu lassen. Mitglieder der Revolutionsgarden oder der Sittenpolizei kümmert das erwartungsgemäß nur wenig.
                                        Passend zum Inhalt wird die nur wenige Minuten dauernde essayistsche Erzählung in einen visuellen Stil gekleidet, der mit dem gesprochenen Wort kaum besser korrespondieren könnte, denn gezeigt werden die Motive sogar buchstäblich vor einem textilen Hintergrund. Im Stop Motion Stil werden dabei verschiedene Szenen aus der Schulzeit der Erzählerin wiedergegeben und mit den besagten Kleidungsstücken assoziert. Der Begriff „Stoff“ bezieht sich hier tatsächlich nicht nur auf den Inhalt, sondern auch auf die Form.

                                        KURZFAZIT

                                        Kompaktes und halbwegs subtiles Plädoyer gegen die religiöse Rechtfertigung einiger ganz besonders perfider Auswüchse des Patriarchats.

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                                        • 4

                                          Oscar Madness (4 Nominierungen)

                                          Als die Produktion einer Fotoserie für ein Modemagazin ins Stocken gerät, beschließen die Verantwortlichen, das Setting zu wechseln und ihre Arbeit in einem Buchladen fortzusetzen. Die dort anwesende Mitarbeiterin (Audrey Hepburn) möchte die Crew am liebsten wieder aus dem Laden komplimentieren, stößt jedoch auf taube Ohren. Also wird mit wenig Gespür für die Situation, aber dafür umso größerer Arroganz, das nur mäßig talentierte und noch weniger motivierte Model eben dort geshootet, während die Verkäuferin als Staffage dienen soll. Völlig „überraschend“ stiehlt diese jedoch ihrer (zumindest auf dem Papier) professionellen Kollegin die Show, sodass schließlich beschlossen wird, sie für weitere Aufnahmen nach Frankreich einzuladen. Man lockt sie unter dem Vorwand einer Buchbestellung in die Konzernzentrale, prellt sie mutmaßlich um die Zeche (mit letzter Sicherheit wird diese Frage nicht beantwortet) und nimmt sie kurzerhand mit nach Europa, wo sie sich wiederholten Übergriffen des rund dreißig Jahre älteren Fotografen (Fred Astaire) ausgesetzt sieht. Natürlich ist sie ab einem gewissen Punkt auch selbst Feuer und Flamme und einer herzerwärmenden Romanze steht kaum noch etwas im Weg. Vielleicht liegt es an der absurden Flugstrecke, die sie beim Anflug über Paris zurücklegen (nahe vorbei am Eiffelturm und an Notre Dame, aber womöglich hat(te) man in den USA einfach nur eine völlig andere Vorstellung gelungenen Approachings.

                                          Durch Musicaleinlagen mit fragwürdiger Anbindung an den Rest des Geschehens und teils rätselhafter Instrumentalisierung wird die spärliche Handlung zwar gegliedert, doch wirkliche Ablenkung von den Inhalten eines Drehbuches, das in der vorliegenden Form wirklich nur ein Mann geschrieben haben kann (in diesem Fall Oscar-Kandidat Leonard Gershe), gelingt dadurch allenfalls bedingt.

                                          Randnotiz: 30 Jahre zuvor (also zwei Jahre vor Audrey Hepburns Geburt) wirkte Fred Astaire bereits an der Seite seiner Schwester Adele Astaire am Gershwin-Musical 'Funny Face' mit, auf dem die Verfilmung durch Stanley Donen basiert.

                                          Gerade noch 4 Punkte.

                                          KURZFAZIT

                                          Flirten nach Art der 50er.

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                                          • 4 .5

                                            Tom (Liam Neeson) plagt das schlechte Gewissen, als er eine Frau kennenlernt, mit der er einige Zeit später zusammenziehen möchte. Er will dieses neue Kapitel in seinem Leben nicht mit einer Lebenslüge oder einem großen Geheimnis beginnen und wahrscheinlich möchte er auch die belastende Angst vor den Ermittlungsbehörden loswerden. Also ruft er bei der Polizei an, um sich zu stellen, denn er ist ein gesuchter – und offenbar auch berüchtigter – Verbrecher, der noch immer eine stattliche Beute in Millionenhöhe bunkert. Die mit dem Fall betrauten Ermittler schenken ihm anfangs nicht viel Glauben, weshalb sie zunächst zwei weniger renommierte Beamte zu ihm schicken. Das Problem: Besonders integer sind die beiden nicht gerade (um es vorsichtig zu formulieren).

                                            Kurz nachdem die eben skizzierte Prämisse ausgebreitet wurde, ist es für Tom also schon wieder vorbei mit dem kurzzeitig ereignislosen Leben im Verbrecherruhestand. Hauptdarsteller Liam Neeson ist also wieder voll in seinem Element; wenn auch etwas gebremster als in manch anderen Filmen. Jedenfalls hat er nun zwei waschechte Gegenspieler – mindestens. Neeson macht von hier an also wieder Neeson-Sachen, nur dass er hier in erster Linie mit Sprengstoff hantiert.

                                            Genauer nachdenken sollte man aber weder über die Vorbereitung seiner Anschläge noch über die Handlungen der korrupten Cops. Auch die Kommunikation zwischen dem Protagonisten und seiner Lebensgefährtin wirft Fragen auf. Zwar befinden einige dieser Facetten noch knapp am diesseitigen Rand der Plausibilität, doch jenseits der Wahrscheinlichkeitsgrenze sind die allermeisten. Viele Details der Handlung erscheinen also nicht besonders glaubwürdig, könnten aber gerade noch begründet werden. Das Resultat ist eine Handlung, die gerade noch zum Vehikel eines halbwegs soliden Thrillers taugt.

                                            KURZFAZIT

                                            Allenfalls durchschnittlicher Gangsterthriller mit Liam Neeson in der Hauptrolle.

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                                            • 7

                                              Eigentlich müsste man einem Kommentar zu 'Pandemonium – Die Hölle kennt keine Vergebung' eine dicke Spoilerwarnung vorausschicken, da dieser düstere und bisweilen sogar morbide Trip zu jenen Filmen gehört, an deren Sichtung man mit möglichst wenig Vorwissen herangehen sollte. Doch leider legt der Verleih mit dem deutschsprachigen Nebentitel schon selbst die Karten offen auf den Tisch. Offenbar sollen interessierte Zuschauer schon vorab wissen, was sie ungefähr erwarten wird, damit es nicht allzu viele lange Gesichter geben wird. Aber gut, so kann man wenigstens darüber schreiben, ohne ständig um den heißen Brei herum reden zu müssen.

                                              Alles beginnt mit einem Autounfall irgendwo im Nirgendwo. Beide Fahrer bemerken schnell, dass etwas nicht stimmt. Als kurze Zeit später ein Mädchen hinzukommt und sich zwei Tore öffnen, müssen die Unfallbeteiligten und die Zuschauer nicht mehr großartig rätseln, was hier los ist: Die Leute sind tot und sollen nun entweder nach oben zu Franz von Assisi oder nach unten zu Franz Josef Strauß. Sie dürfen die für sie bestimmte Pforte zwar aus eigenem Antrieb passieren, doch eine freie Wahl haben sie nicht; dafür ist es jetzt zu spät.

                                              Auf diesen Auftakt folgen zunächst kurzfilmartige Einschübe über andere „Höllenbewohner“, ehe die Rahmenhandlung zu einem grimmig vorgetragenen Ende gebracht wird. Mit einem düsteren Blick auf das Abseitige und einem bitterbösen Sinn für Ironie bringt Quarxx (Regie und Drehbuch) diesen finsteren Trip schließlich zu einem Abschluss, der mit einem diabolischen Grinsen vorgetragen wird.
                                              Eigentlich werden nur zwei Trumpfkarten ausgespielt, doch diese reichen auch aus: Die bisweilen düstere Atmosphäre und eine Handvoll ungewöhlicher Ideen. Wer zugunsten eines halbwegs unverbrauchten Ansatzes auf Perfektion verzichten kann, sollte vielleicht ebenfalls erwägen, in diesen filmischen Abgrund hinabzusteigen.

                                              7 Punkte mit leichter Tendenz Richtung 7,5.

                                              KURZFAZIT

                                              Düster, abgründig, boshaft.

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                                              • 4

                                                Die Ehe von Emilia (Christiane Paul) und Paul (Christoph Maria Herbst) steckt in einer Krise. Über ihre Wünsche, Hoffnungen und Lüste sprechen die beiden nicht mehr und ob der Sex (noch) gut ist, wissen sich nicht. Das letzte prickelnde Erlebnis ist viel zu lange her, um sich noch daran erinnern zu können. Zwar bietet ihnen der Alltag wiederholt Begebenheiten, an die sich andocken ließe, doch da Paul zumeist das Gespräch darüber verweigert, verstreichen die Gelegenheiten eben ungenutzt. Wenig überraschend steuern die beiden also auf eine Auszeit zu, unter der vor allem die drei Kinder leiden. Für Emilia und Paul Chance und Risiko zugleich. Werden sie das Beste daraus machen oder geht ihre Ehe endgültig den Bach runter?

                                                Florian Gallenbergers Komödie 'Es ist nur eine Phase, Hase' schreit dem Publikum zu nahezu jeder Minute ins Gesicht, dass sie in erster Linie auf Zuschauer zugeschnitten ist, die bei der Veröffentlichung von 'American Pie', also rund um die Jahrtausendwende, ungefähr 30 Jahre alt waren (wie auch Gallenberger selbst). Ein Großteil der Humoreinlagen atmet den Geist der seinerzeit beliebten Filmreihe. Mehrfach lässt sich der Protagonist in pikanten Situationen oder bei Peinlichkeiten jeglicher Art erwischen. Eigentlich fehlt nur noch ein Apfelkuchen. Für diejenigen Zuschauer, die von der ersten Minute an geschlafen haben (die meisten anderen dürften das Spiel mit den besagten Vibes wohl mitbekommen haben), wird kurz vor Ende schließlich der extra-große Holzhammer herausgeholt. Denn wer selbst den Tanz zu 'Macarena' verpasst hat, wird schließlich durch einen Vortrag von H. P. Baxxter auf den Stand der Dinge gebracht.

                                                Neben einer leicht zotigen Komödie, die im Verbund mit einem Ehedrama auf die Leinwand oder den Bildschirm gebracht wird, soll also auch ein Porträt der Generation X und ihrer Moralvorstellungen gezeichnet werden. Zwar scheitert Gallenbergers Ansatz mit keiner der drei Ideen gänzlich, dennoch stellt sich die Frage, ob ein etwas schlankeres Konzept mit stärkerer Fokussierung (zumindest in inhaltlicher Hinsicht) nicht vielleicht gewinnbringender gewesen wäre.

                                                KURZFAZIT

                                                Gallenbergers Generation X Pendant zum Boomer Humor.

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                                                • 6 .5

                                                  ++ Leichte SPOILER ++

                                                  Zwei Sprayer, die gerne mal in Wohnungen einbrechen, um dort ihr Throw-up mit der Botschaft „I Came By“ zu hinterlassen, diskutieren darüber, inwieweit sie ihr Hobby mit gesellschaftlichem Aktivismus verbinden sollen. Einer von beiden hat Anhaltspunkte entdeckt, dass ein recht bekannter ehemaliger Richter gerade ein schwerwiegendes Verbrechen begehen könnte. Da sich mindestens ein Opfer in akuter Lebensgefahr befinden könnte, ist schnelles Handeln gefragt. Gibt es nun also die Notwendigkeit, die Einbruchsfähigkeiten zur Rettung eines Lebens einzusetzen? Oder könnten die vermeintlichen Retter dann womöglich selbst zu Opfern werden?

                                                  Bevor in dieser Hinsicht eine Entscheidung fällt, werden zunächst die Schwierigkeiten des Protagonisten gezeigt, sich in seinem Alltag zurechtzufinden. Er hadert mit seiner Situation und seine Mutter verzweifelt an seinem Gejammer und Gemecker. Nach Abschluss dieser „Aufwärmphase“ geht Regisseur Babak Anvari ('Wounds', 'Under the Shadow') mit einer garstigen Inszenierung in die Vollen, indem er das Bedrohungsszenario an Fahrt aufnehmen lässt. Die Schlinge zieht sich immer enger – sowohl um den verdächtigen Richter als auch um seinen neuen Stalker; und letztlich auch um den Zuschauer, der eine Erzählung geboten bekommt, die zumindest nicht durchgängig auf ausgetretenen Pfaden wandelt. Zwar gehen einige Haken, die die Handlung schlägt, auf Kosten der Bodenständigkeit, doch zumindest eine gewisse Unberechenbarkeit bleibt auf diese Weise erhalten. Erschwert wird die Rezeption auf der anderen Seite von einer unklaren zeitlichen Struktur (oft ist nicht ganz klar, wie viel Zeit zwischen zwei Szenen vergangen ist) und den Umstand, dass die maßgeblichen Charaktere nur unzureichend untereinander vernetzt sind. So werden wiederholt Erfolge dank guter Einfälle von Charakteren durch mangelnde Absprachen wieder zunichte gemacht. Als Metapher zu Behördenfehlern bei der Aufarbeitung von Misshandlungsskandalen vielleicht kein schlechter Ansatz – doch ob es wirklich auch so gemeint ist, erscheint zumindest fragwürdig.

                                                  KURZFAZIT

                                                  Relativ spannende Umsetzung eines streckenweise etwas holprigen Skripts.

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                                                  • 4 .5

                                                    Während der Titel '60 Minutes' in den USA seit Ende der 1960er Jahre für ein Nachrichtenmagazin steht, das besonders mit seinen Interviews Aufsehen erregt, wird der deutschsprachige Raum anno 2024 von einem (fast) gleichnamigen Actionstreifen heimgesucht, der so ziemlich alles sein dürfte, nur nicht alltagsnah. Konkret geht es um einen MMA-Kämpfer (Emilio Sakraya), der sich wenige Augenblicke vor einem Kampf zum Verlassen der Halle entschließt, um zur Geburtstagsfeier seiner Tochter zu gelangen – sehr zum Missfallen einiger zwielichtiger Geschäftemacher, die unbedingt sicherstellen wollen, dass der geplante Kampf stattfindet. Mit jedem Schritt, den der widerspenstige Sportler unternimmt, verschlechtert sich seine Lage zusätzlich und das Geschehen nimmt immer weiter an Dynamik auf, sodass es ab einem gewissen Zeitpunkt den Anschein hat, der flüchtige Fighter wäre in einen Sog geraten, dem er nur noch äußerst schwer entrinnen könnte.

                                                    Das Grundgerüst von Oliver Kienles Inszenierung orientiert sich am Konzept zahlreicher erfolgreicher Actionblockbuster, wodurch eigentlich alles für ein großes Spektakel angerichtet ist. Eine an den Haaren herbeigezogene Handlung mit fragwürdigem Timing macht jedoch einen Teil der vielversprechenden Ausgangslage wieder zunichte. Wenn eine Drehbucheskapade der nächsten folgt, kann es durchaus schwer werden, dem Geschehen noch ausreichend Bedeutung zuzumessen. Der Umstand, dass der Protagonist wiederholt durch unwahrscheinliche Zufälle in Gefahr gerät, legt eben auch die Vermutung nahe, dass eine ebenso unwahrscheinliche Problemlösung oder Rettung möglich sein dürfte, wodurch sich das Skript in gewisser Hinsicht selbst den Zahn zieht.

                                                    KURZFAZIT

                                                    Temporeich inszenierte Mischung aus Großstadthatz und Klopperei, deren spärliche Handlung allerdings nur wenig bis gar nicht überzeugt.

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