Framolf - Kommentare

Alle Kommentare von Framolf

  • 6
    Framolf 23.01.2025, 18:46 Geändert 04.03.2025, 06:35

    Oscar Madness (1 Nominierung)

    Das Sequel 'Alles steht Kopf 2' setzt ungefähr dort ein, wo der rund neun Jahre zuvor produzierte Vorgängerfilm endet, nämlich mit dem Beginn von Rileys Pubertät; ein Luxus, den man sich in animierten Filmen leisten kann, ohne groß umdisponieren zu müssen. Riley, die eine talentierte Eishockeyspielerin zu sein scheint, wird zusammen mit zwei Freundinnen zu einem Trainingslager eingeladen, wo ihr die Aussicht auf ein Stipendium winkt. Dort lernt sie ein neues Vorbild kennen, wobei sie sich ganz bewusst von ihren bisherigen Freundinnen abgrenzt, in der Hoffnung dadurch beliebter bei ihren neuen Bekanntschaften zu werden.

    Auch in dieser Fortsetzung werden die allermeisten Entscheidungen mit einem Widerstreit innerer Empfindungen erklärt. In vielen Fällen klingt die Motivation bestimmter Handlungen durch Freude, Wut, Kummer usw. durchaus plausibel; selbiges gilt für die Visualisierung der entsprechenden Prozesse. Mit dem Beginn der Pubertät spielen nun weitere Impulse und Empfindungen wie Zweifel oder Peinlichkeit eine Rolle, die bisher entweder nicht vorhanden waren oder unterdrückt wurden (wie es aktuell mit der Nostalgie noch der Fall ist). Aus laienhafter Sicht erscheint es schwer zu beurteilen, ob die unzähligen Thesen aus dem Bereich der Psychologie, die hier vertreten werden, auch haltbar sind, doch viele der Herleitungen von Handlungen aus der diesen oder jenen Überlegungen erscheinen durchaus plausibel. Etwas holpriger (und auch komplexer) sieht es mit der Interaktion der Gefühle untereinander aus (wenn beispielsweise die Freude und das unterdrückte Geheimnis aufeinandertreffen). Hier scheint es auf den ersten Blick nicht mehr ganz so weit her zu sein mit der wissenschaftlichen Substanz. Eigentlich spielt diese Frage bei einem Familienfilm zwar keine große Rolle, doch durch den Film von 2015 wurde eben auch eine gewisse Fallhöhe geschaffen, die Zuschauer regelrecht dazu animieren soll, genauer hinzusehen. Schließlich scheint zumindest ein Teil der vertretenen Thesen durchaus Hand und Fuß zu haben. Die Erwähnung, dass sich Pixar auch mit diesem Film in technischer und visueller Hinsicht auf der Höhe der Zeit befindet, erscheint fast schon überflüssig. Daher noch einmal kurz zurück zur Geschichte an sich:

    Ironischerweise wird ausgerechnet Rileys Hang zu einer ganz besonders egoistischen Variante des Run and Gun Hockeys, mittels derer sie sich für das Trainingslager empfehlen konnte, später (nicht zu Unrecht) als Schwachpunkt dargestellt; was aber vielleicht auch damit zu tun haben könnte, dass sie es derart übertreibt, dass sie mit einer Mischung aus Verbissenheit, Egozentrik und Infantilität selbst ihren Teamkolleginnen die Scheibe abnimmt. Ein gesundes Maß aus verschiedenen Extremen (hier: Selbstbezogenheit vs. Kollegialität) ist vielleicht doch nicht der allerschlechteste Weg – womit die Botschaft aus der ersten Episode im Grunde gespiegelt wird.

    KURZFAZIT

    Solide Fortsetzung.

    38
    • 7

      Der Dokumentarfilm 'Am Ende der Welt' (2007) beginnt, womit viele Geschichten über die Titanic enden: Mit einem Eisberg. In einer bizarren Meeres- und Eislandschaft, mehrere hundert Kilometer vom Südpol entfernt, machen die Besatzungen zweier Schiffe von Sea Shepherd Jagd auf japanische Walfänger, die selbst innerhalb von Schutzzonen Wale (vorgeblich zu Forschungszwecken) bejagen. Am Ende einer fast zweimonatigen Verfolgungsjagd kommt es zu einem ereignisreichen Showdown.

      Im Vergleich zur thematisch sehr ähnlich gelagerten Dokumentation 'Sea Shepherd – Verfolgungsjagd auf hoher See' (in der Alex Cornelissen eine noch prominentere Rolle spielt als hier), die mit augenscheinlich höherem Aufwand verfilmt wurde, eine längere Zeitspanne sowie spektakulärere „Actionszenen“ umfasst und zudem etwas mehr Thrill aufweist, wird in 'Am Ende der Welt' ein etwas plastischeres Bild der alltäglichen Beschwerlichkeiten gezeichnet. Auch wenn die entsprechenden Szenen nur wenige Minuten in Anspruch nehmen, erscheinen diese aufgrund ihrer Symbolkraft doch recht aussagekräftig. Gezeigt wird etwa, wie Besatzungsmitglieder die Reling (und weitere Bauteile) von dicken Eisschichten befreien oder wie die Köchin bei ungemütlichem Seegang Essen zubereitet. Kein leichtes Unterfangen.

      Eines muss man den Aktivisten von Sea Shepherd lassen: In Sachen Öffentlichkeitsarbeit und Vermarktung sind sie ihren Kontrahenten meilenweit voraus. Sie präsentieren ihre Sicht der Dinge nicht nur auf herkömmlichen Wegen (Homepages, Videoportale, Social Media etc.), sondern auch in verschiedenen Dokumentarfilmen, wodurch sie vermutlich Zugang zu unterschiedlichen Publikumsegmenten erhalten. Bei der Sichtung von 'Am Ende der Welt' fällt darüber hinaus auf, wie viele verschiedene Kleidungsstücke und Accessoires mit dem Logo der Organisation getragen werden. Erwerben lassen sich nicht nur Shirts und Sweater, sondern beispielsweise auch alkoholische Getränke mit dem Logo der NGO. Eine von verschiedenen Strategien, um den finanziellen Vorsprung einiger zwielichtiger Reedereien zumindest etwas zu verkürzen.

      Von Greenpeace hingegen grenzt man sich in diesem Film deutlich ab. In abwertenden Kommentaren wird den Mitstreitern in der Sache, die bei der Akquise von Spendengeldern auch Konkurrenten sein dürften, fehlender Wille zur Kooperation unterstellt. Aus Zuschauersicht ist der Gehalt derartiger Vorwürfe nur schwer zu verifizieren, da man an Bord des Greenpeace-Schiffes, das mitunter zeitgleich vor Ort ist, vermutlich auch kritisch auf die Leute von Sea Shepherd blicken wird. Vielen Unterstützern beider Organisationen wäre es vermutlich ganz recht, wenn sie zuvorderst pragmatisch kooperieren würden (was mitunter sicher auch vorkommen dürfte).

      KURZFAZIT

      Spannende, wenn auch wahrscheinlich nicht ganz ungefilterte, Einblicke in den Alltag von Artenschutzaktivisten auf hoher See.

      34
      • 8 .5
        Framolf 22.01.2025, 00:57 Geändert 22.01.2025, 09:16

        In Zeiten überfischter Meere und zahlreicher bedrohter Fischbestände dürfte die Einhaltung internationaler Standards ganz besonders wichtig sein. Zwar ist davon unbenommen, dass auch dieses Regelwerk vollkommen unzureichend sein dürfte und es auch zahlreiche Verlierer kennt (wenn beispielsweise lokale Fischer nicht gegen die „Kahlschläge“ großer Trawler ankommen), doch immerhin haben sich Politik und Industrie überhaupt auf irgendwelche Mindeststandards geeinigt. Höchst problematisch dürfte jedoch die mangelhafte Umsetzung derartiger Abkommen sein. Wilderei ist auch (und gerade) auf hoher See ein lukrativer Geschäftszweig und das Risiko entdeckt oder gar sanktioniert zu werden, erscheint vielen windigen Geschäftemachern überschaubar.

        Die Meeresschutzorganisation Sea Shepherd hat es sich zur Aufgabe gemacht, unter anderem illegalen Fischfang mit Schleppnetzen aufzudecken, zu behindern und zur Anzeige zu bringen. Dass nicht ausschließlich Umwelt- und Artenschützer, sondern auch legal operierende Fischer Interesse am Erfolg ihrer Missionen haben, liegt auf der Hand und wird von einigen Besatzungsmitgliedern auch gar nicht bestritten. Schließlich wird dadurch die Relevanz derartiger Tätigkeiten keineswegs geschmälert, sondern eher sogar noch erhöht. So verwundert es auch nicht weiter, dass die Aktivisten von Sea Shepherd Unterstützung von Behörden aus zahlreichen Ländern erfahren und dass eine Zusammenarbeit mit Interpol stattfindet. Ein großes Problem besteht jedoch in der Durchsetzung der geltenden Rechte auf internationalen Gewässern. Was nutzt es schließlich, im Recht zu sein, wenn die Kontrahenten über bessere Ausrüstung oder einen längeren Atem verfügen?

        In der vorliegenden Dokumentation geht es konkret darum, dass die Besatzungen der Bob Barker und der Sam Simon ein Schiff namens Thunder ausfindig machen, dessen Besatzung im Südpolarmeer Antarktisdorsche und andere Meeresbewohner rechtswidrig bejagt. Was daraufhin folgt, wäre mit „Actionthriller“ noch untertrieben betitelt. In einer für beide Seiten zermürbenden Verfolgungsjagd, die nahezu vier Monate andauert und die Besatzungen der beteiligten Schiffe regelrecht aufreibt, liefern sich die Jäger im Dienste der NGO und die ursprünglichen Jäger (im Sinn von „Wilderer“), die sich nun plötzlich in der Rolle der Gejagten sehen, eine spektakuläre Verfolgungsjagd, die sich über einen nicht unwesentlichen Teil des Globus erstreckt. Das Duell gipfelt schließlich in einem Finale, das die ohnehin schon aufsehenerregende Verfolgungsjagd sogar noch deutlich in den Schatten stellt. Der Umstand, dass die dabei entstandenen Aufnahmen mit vergleichsweise moderaten Eingriffen montiert wurden, steigert die Immersion noch zusätzlich. Das Ergebnis dieser Produktion geht schließlich weit über eine schnöde Reportage hinaus. Vielmehr wohnt man einer Reihe schier unfassbarer Ereignisse aus naher Distanz bei.

        KURZFAZIT

        Die spannendsten Geschichten schreibt eben vielleicht doch das Leben.

        [Danke an Eudora für den sehenswerten Filmtipp]

        36
        • 3

          ++ Leichte SPOILER ++

          Die Welt war für uns Europäer jahrzehntelang so schön. Wenn unbescholtene Bürger von Monstern oder mutierten Viechern heimgesucht wurden, fand es so gut wie immer Übersee statt; vorrangig in Kanada, den Vereinigten Staaten von Amerika oder in Japan. Die Leute hatten dort Krokodile und Haie in allen Farben und Formen (weiß, mehrköpfig, im Sand, im Schnee oder als Geistererscheinung), den legendären Zombiber, oder auch King Kong und Godzilla. Bei uns gab es zwar auch mal einen Hai-Alarm am Müggelsee, aber hey, wir leben noch! Doch jetzt sind wir vielleicht wirklich am Arsch, denn ein riesiger Hai schwimmt in der Seine. Eine Forscherin und ihr Sidekick bitten zwar die Bürgermeisterin, den bevorstehenden Triathlon abzusagen, doch mal ehrlich, da kann ja jeder kommen. Der Wettbewerb findet natürlich statt! Bürgermeisterin: EINS! Forscherin: NULL! Danke! BITTE!

          Um nicht ganz so viel vorwegzunehmen, wird der nächste Satz total rätselhaft formuliert: Entweder die Schwimmer oder der Hai haben danach erstmal keinen Hunger mehr.

          Eigentlich hätte die „Handlung“ von 'Im Wasser der Seine' sowohl das Zeug zum Trashspektakel als auch zu einem übersteigerten Action-Blockbuster, der sich selbst auf's Korn nimmt. Doch leider haben sich die Produzenten zu einer schnöden B-Movie Variante entschieden, die zwar nicht komplett schlecht ist, deren Höhepunkte man aber dennoch an einer Hand abzählen kann (auch an einer Hand, von der der Hai schon zwei oder drei Finger abgebissen hat). Ein paar wenige Szenen sind halbwegs unterhaltsam oder spannend geraten, der Rest plätschert vor sich hin wie das Wasser der Seine.

          Für diese Durchschnittskost hätte man den Monsterhai nicht unbedingt nach Europa einschleppen müssen.

          3 – 3,5 Punkte.

          KURZFAZIT

          Im Abwasser der Seine. Ob es wirklich Sinn macht, in dieser Brühe zu schwimmen?

          40
          • 5 .5
            über Magpie

            'Magpie' – nicht der schlechteste Titel für einen Psychothriller. Elstern gehen Konflikten mit anderen Vögeln nicht zwingend aus dem Weg und sie schleppen auch ganz gerne mal funkelnde Sachen in ihre Nester, von denen andere Vögel lieber die Finger bzw, den Schnabel lassen. Man könnte den Titel auch mit „Schwätzer“ oder „Sammler“ übersetzen. Je nach Bedeutung ließe sich die Bezeichnung auf verschiedene Charaktere innerhalb der Geschichte anwenden.

            Der Vater (Shazad Latif) eines Mädchens, das sich erste Meriten als Kinderschauspielerin verdient, begleitet seine Tochter regelmäßig an das Set, wo er sich durchaus auch vom Glitzern einer Darstellerin (Matilda Anna Ingrid Lutz) verzaubern lässt. Er fühlt sich augenscheinlich geschmeichelt und verbringt zunehmend Zeit mit ihr. Sie scheint Verständnis für ihn zu haben und spricht Empfindungen in ihm an, um die sich seine Ehefrau (Daisy Ridley) nicht viel zu scheren scheint. Doch wie es im Psychothrillergenre nun mal oft so ist, ist das junge Glück nicht von langer Dauer. Üblicherweise würde sich die neue Geliebte oder vielleicht auch der Familienvater als Psychopath(in) herausstellen und dem Rest der Charaktere das Leben zur Hölle machen. Vielleicht ist dem auch hier so, vielleicht aber auch nicht. Wer mehr wissen möchte, muss es selbst herausfinden, denn Sam Yates (Regie) baut einen Großteil der Spannung auf den Erwartungen und bisherigen Sehgewohnheiten des Publikums auf. Auch wenn einige seiner Finten doch recht durchschaubar daherkommen, hat das Versteck- und Verstellspiel durchaus seinen Reiz. Einige Situationen sind lebensnah genug dargestellt, um die Befindlichkeiten der Charaktere nachempfinden zu können, was letztlich auch zu der Frage führen kann, wie man sich als dieser oder jener Akteur wohl selbst verhalten würde. Zwar ist 'Magpie' von der Fallhöhe eines hochwertigen Ehedramas weit entfernt, doch für halbwegs spannende Unterhaltung reicht das entworfene Szenario allemal.

            KURZFAZIT

            Durchschnittlicher Psychothriller, der hauptsächlich durch sein Spiel mit den Erwartungen punktet.

            37
            • 5

              Erbe verpflichtet – im Fall der Ghostbusters offenbar ganz besonders. Nachdem im Vorgängerfilm 'Ghostbusters: Legacy' (2021) schon im Filmtitel offengelegt wurde, worauf der Fokus gelegt werden soll, setzt man in der Fortsetzung 'Frozen Empire' auf dieses Konzept nochmal einen obendrauf. Sowohl das Handlungsgerüst als auch die Ausgestaltung zahlreicher Szenen orientieren sich derart stark an den Vorgängerfilmen, dass einem hier vermutlich sogar mehr aufgewärmte als neue Ideen begegnen. Zahlreiche Locations oder Situationen werden erneut aufgegriffen und nicht wenige Geister der alten Schule begegnen dem Publikum erneut. Die in der Legacy-Ära neu eingeführten Charaktere erhalten derart ausgiebige Unterstützung durch alte Haudegen, sodass man hier kaum noch von Cameo-Auftritten sprechen kann. Bill Murray und seine Weggefährten verkörpern hier Nebencharaktere; nicht mehr, aber auch nicht weniger.

              Dabei kann sich der Eindruck einstellen, dass es sich das Produktionsteam zur Aufgabe gemacht hat, die Zuschauer möglichst viele bewährte Elemente aus den älteren Filmen wiedererkennen zu lassen; manchmal als schamlose Wiederverwertung, manchmal als Variation. Zwar gibt es auch einen originären Handlungsstrang, doch in Anbetracht der Figur, die in dessen Zentrum steht, hält sich die Spannung in Grenzen. Mit Blick auf eine familienfreundliche Altersfreigabe war höchstwahrscheinlich von vornherein klar, dass Bedrohungssituationen keinesfalls deutlich ausfallen oder lange dauern dürfen. Ein Familienfilm ist zumindest insofern gelungen, dass die Dramaturgie an jüngeren Zuschauern ausgerichtet ist, während die erwachsenen Geisterjägerfans über filmische Zitate (oftmals visueller Art) und eine Handvoll Metagags bei Laune gehalten werden sollen. Der wirtschaftliche Erfolg der Produktion fällt schließlich durchwachsen aus – wie auch der Gesamteindruck dieses Filmes.

              KURZFAZIT

              Inhaltliche Bankrotterklärung, die offenbar durch eine regelrechte Flut an Reminiszenzen an die beiden ersten Episoden kaschiert werden soll.

              35
              • 4 .5

                ++ Minimale SPOILER ++

                Iris (Kelsey Asbille), deren Sohn im Kindesalter verstorben ist, wandert zu einem Felsen, um sich dort an den Abgrund zu stellen. Nur noch ein Schritt und ihre Trauer wird beendet sein. Richard (Finn Wittrock) kreuzt just in diesem Moment ihren Weg, was er dazu nutzt, sie in ein Gespräch zu verwickeln. Schließlich geht sie mit ihm zurück zum Parkplatz und sichert ihm zu, ihrem Leben zumindest an diesem Tag kein Ende zu setzen. Doch nur wenige Augenblicke später beginnt für sie bereits der nächste Albtraum. Es folgt eine Tortur, die sie sowohl körperlich als auch mental an noch tiefere Abgründe führen wird als den, an dem sie ohnehin schon stand (und im übertragenen Sinn immer noch steht).

                Die Möglichkeiten des Katz- und Maus-Spiels wird in Adam Schindlers ('Deadly Home') Thriller 'Don't Move' (2024) vergleichsweise konsequent ausgereizt. Während manche Katzen Mäuse ganz gerne mal entkommen lassen, um sie erneut zu jagen, trifft dies in deutlich gesteigerter Form auch auf den Serienkiller in diesem Film zu. Offenbar tötet er nicht primär um des Tötens willen, sondern er möchte den psychischen und physischen Verfall seiner Opfer regelrecht zelebrieren. Nicht gerade ein originelles Szenario, aber doch eines, das rein handwerklich ansprechend umgesetzt ist. Die Spannung ist in mehreren Szenen regelrecht greifbar – selbst dann (und das ist wiederholt der Fall), wenn sich bereits frühzeitig erahnen lässt, was wohl gleich geschehen wird. Zwar werden die Pläne des Psychopathen immer wieder von Zufällen durchkreuzt, die unwahrscheinlicher kaum sein könnten, doch sowohl für den Täter als auch für das Opfer öffnen und schließen sich immer wieder neue Türen. Der eigentliche Clou der Handlung ist dennoch ein anderer.

                Wer sich von Thrillern gerne überraschen lässt, sollte vor der Sichtung von 'Don't Move' im Idealfall gar nichts über die Handlung lesen, denn auch wenn sie teils enorme Kapriolen schlägt, wurde sie doch recht ansprechend in Szene gesetzt.

                KURZFAZIT

                Versiert inszeniert, aber stark überkonstruiert.

                32
                • 6
                  Framolf 16.01.2025, 20:11 Geändert 16.01.2025, 22:10

                  Eine Horrorkomödie, die mit einem abgewandelten Beatles-Titel überschrieben ist? Vorneweg: Musik spielt hier keine große Rolle und Liebe ebenfalls nicht. Außer vielleicht die Liebe zum Film. Denn Regisseur Bucky Le Boeuf erzählt hier die Geschichte eines jungen Amateurfilmers namens Bucky Le Boeuf (Logan Riley Bruner, Sachen gibt’s...), der zwar am liebsten Arthouse-Filme mag, als neues Projekt aber einen Horrorstreifen drehen möchte, um an einem demnächst bevorstehenden Filmfestival teilnehmen zu können. Also versucht er, beides zu vereinen. Doch woher bekommen er und sein Kumpel Vish (Neel Sethi, 'The Jungle Book') nun Kunstblut und all den anderen Krempel, der für die Produktion eines brutalen Streifens notwendig ist? Glück im Unglück für Bucky: Im Garten schlägt ein Gesteinsbrocken aus dem All ein, der seinen Vater mit einer Zombieseuche infiziert. Wie das Leben halt so spielt.

                  Bucky und sein stummer Freund Vish können nun also loslegen und vielleicht sogar einen Film drehen, der ihr großes Idol, den deutschen Regisseur Hans von Franz (Ronald Guttman), beeindruckt. Verstärkung bekommen sie durch eine Freiwillige (Emma Chasse), die erste Erfahrungen als Produktionsassistentin sammeln möchte und eine Schauspielerin (Mena Suvari), deren beste Tage, die sie eh nie hatte, bereits hinter ihr liegen. Ein bunter Haufen also, der sich hier zusammengefunden hat. Mal sehen, wen der Zombie zuerst beißen wird. Aber vielleicht haben sie ja auch Glück und sie bekommen Besuch...

                  Nahezu nichts an diesem Streifen ist originell (abgesehen vom äußerst trashigen Schildkrötenspaß zum Finale), doch wer keinen Ekel verspürt, auch mal aus der cineastischen Mülltonne zu futtern, kann hier durchaus auf seine Kosten kommen. Neben ein paar heiter in Szene gesetzten Splattereffekten gibt es auch den einen oder anderen Gag über den Arthouse-Bereich zu beschmunzeln. Letztlich fügen sich beide Extreme recht stimmig zusammen, ehe Bucky Le Boef am Ende eine bizarre Trashgaudi zum Besten gibt. Bucky wusste es schon immer: „All you need is blood – and flamingos.“

                  Gerade noch sechs von zehn verspeisten Schildkrötenköpfen.

                  KURZFAZIT

                  'Sohn von Rambow' in blutig.

                  33
                  • 6

                    'The House' (2022): Drei verschiedene Crews legen drei verschiedene Stop Motion Kurzfilme vor, die ebenso viele Unterschiede wie Gemeinsamkeiten aufzuweisen scheinen. Die einzelnen Geschichten stammen aus derselben Feder (von Enda Walsh) und enthalten ähnliche (inhaltliche) Zutaten. In stilistischer Hinsicht hingegen scheinen in alle drei Units unterschiedliche Wege gegangen zu werden. Das Konzept fühlt sich ein wenig so an, als hätte man drei Kochteams die Möglichkeit zur (mehr oder weniger) freien Entfaltung gegeben – unter der Vorgabe, dass sie nur ganz bestimmte Zutaten verwenden dürfen bzw. sich zwingend aus demselben Korb bedienen müssen. Verbindende Elemente zwischen den Geschichten sind beispielsweise:

                    Jemand zieht in ein Haus ein. Die Situation ist dabei in den ersten beiden Episoden gespiegelt. Während zu Beginn eine Familie in ein Haus umsiedelt und sich dort mit einer zwielichtigen Person herumplagen muss, stehen die Vorzeichen in der mittleren Folge umgekehrt, denn dort quartieren sich Leute selbst ein und erschweren dem bisherigen Bewohner das Leben. Oder genauer gesagt: Eine Maus wird von einer Mäuseplage heimgesucht – und nicht nur von der. Eine Situation, die wie ein Kommentar zur Zerstörung der Natur durch den Menschen wirkt. Weitere Gemeinsamkeiten zwischen den Kurzfilmen:

                    Das wohl dominierende Thema lautet Verfall. Dabei geht es um einen Niedergang, der nicht nur vom Zahn der Zeit getrieben wird, sondern an dem auch die Bewohner kräftig mitwirken.

                    Neulinge und bisherige Bewohner stehen sich entweder äußerst kritisch oder extrem unkritisch gegenüber.

                    Das Motiv religiöser Kulte spielt im Hintergrund ebenso eine Rolle wie das Thema finanzieller Anhängigkeiten. An mehreren Stellen werden auch Blauäugigkeit und Skepsis gegeneinander abgewogen. Im Übermaß ist im Umfeld dieses Hauses beides nicht der Weisheit letzter Schluss.

                    Abseits der inhaltlichen Aspekte lassen sich allerdings doch größere stilistische Unterschiede ausmachen. Auch hier verhalten sich die ersten beiden Inszenierungen zueinander wie Negativ und Abzug derselben Fotografie. Während in Kapitel eins die Requisiten (Essen, Brennholz etc.) detailreicher gestaltet wirken als die Charaktere, wird die Situation in Kapitel zwei auf den Kopf gestellt, wenn ein sorgfältig gestalteter Protagonist durch ein Haus mit rudimentärer Einrichtung wandelt.

                    KURZFAZIT

                    Skurriler Stop Motion Episodenfilm, der sich nicht alleine über den Verstand begreifen lässt.

                    32
                    • 5 .5

                      Nach dem Tod seines Vaters reist Christoffer (Mads Mikkelsen) mit seiner Ehefrau nach Prag. Schnell wird klar, dass er offenbar nicht das innigste Verhältnis zu seinen nähesten Angehörigen pflegt. Zu seinem Vater hatte er lange Zeit überhaupt keinen Kontakt, sein Sohn nabelt sich anscheinend gerade etwas von den Eltern ab und das Eheleben von Christoffer und Maja ist geprägt von einer zwiespältigen Mischung aus Distanz und Begierde. Eine Beziehung wie diese muss man vermutlich selbst erlebt haben, um die Dynamiken komplett nachvollziehen zu können.

                      So oder so: Ole Christian Madsen (Regie) lädt das Publikum zu einem Blick durch das Schlüsselloch ein. Schnell kristallisiert sich heraus, dass der Protagonist über die Nachforschungen zu seinem Vater und über seinen eigenen Umgang mit Beziehungsproblemen wohl auch zu sich selbst finden kann – sofern er es denn zulässt. Die Lebensumstände seines alten Herrn verwundern ihn und ihm wird bewusst, dass er ihm sogar noch fremder war als ohnehin schon gedacht; wobei sie sich in manchen Punkten wohl auch gar nicht so unähnlich waren. Womöglich ist genau das auch der Kern dieser Inszenierung. Manchmal entfremdet man sich von engen Angehörigen und stellt in der Folgezeit Spekulationen an, die nicht einmal ansatzweise zutreffen; und trifft auf Grundlage dieser Vermutungen Entscheidungen, die zu einer weiteren Distanzierung führen. Innerhalb von Christoffers Ehe scheint es sich nicht sehr viel anders zu verhalten. Hier liegen die Probleme zwar anders und das Auseinanderdriften findet schleichender statt, aber das Resultat scheint in eine ähnliche Richtung zu gehen. Die Situation erinnert ein wenig an zwei Astronauten in einem Hard Science Fiction Film, die sich bei Außenreparaturen nach dem Riss eines Seiles langsam auseinanderbewegen. Langsam, aber stetig wächst die Distanz zwischen beiden, doch der Drift lässt sich nicht aufhalten. Ob das auch hier der Fall sein wird, muss jeder selbst herausfinden. Eines ist jedoch klar: Der Titel (der nicht zwingend nur auf die Situation des verstorbenen Vaters gemünzt sein muss) verheißt nichts Gutes.

                      KURZFAZIT

                      Trübsinnig vorgetragenes Familiendrama.

                      38
                      • 4

                        Ein Soldat wird in der Republik Moldau von einem bisher unbekannten Gegner attackiert. Zwar lassen sich durch speziellen Brillen und Kameras schemenhafte Erscheinungen und Bewegungen erkennen, doch insgesamt tappen die Spezialkräfte buchstäblich im Dunklen. Aus diesem Grund wird ein Wissenschaftler (James Badge Dale) eingeflogen, um die besagte Technik in der Praxis zu testen, zu bedienen und zu optimieren. Von vielen Soldaten wird er aufgrund seiner fehlenden militärischen Reputation belächelt, doch letztlich ist er die einzige Trumpfkarte, die das Militär hat. Schnell wird jedoch klar, dass er das Bildgebungsverfahren verbessern kann. Immerhin sehen die Soldaten jetzt, von wem oder was sie umgebracht werden. Im späteren Verlauf werden noch weitere Fortschritte erzielt, doch diese lassen den Gegner nur noch bedrohlicher erscheinen...

                        Nic Mathieus 'Spectral' (2016) erweist sich als Mischung aus Kriegsfilm und Science Fiction Thriller, der permanent zwischen seinen Actionszenen und Dialogpassagen pendelt. Auf Kampfeinsätze folgen Besprechungen oder Arbeiten an den technischen Geräten, ehe es erneut in die Schlacht geht. Routiniert wird dieser Wechsel heruntergespult, woraus ein recht nüchterner und bisweilen unterkühlter Erzählton resultiert. Schlechte Scherze und halbgare Witzchen bleiben dem Publikum (weitestgehend) ebenso erspart wie eine Inszenierung, die den Zuschauern vorgaukelt, die Kampfeinsätze hätten etwas mit Spaß zu tun. Auf der anderen Seite wirkt die Inszenierung aber auch stark unterkühlt und irgendwie seelenlos abgefilmt. Zur Thematik mag das einerseits passen, doch im Verbund mit den tristen Kulissen und der überschaubaren Story ergibt die nüchterne Erzählung dann eben doch eine recht graue Veranstaltung (wofür es aber ganz gewiss auch eine große Zielgruppe gibt).

                        KURZFAZIT

                        Solide Sci-Fi-Action.

                        37
                        • 6

                          ++ Leichte SPOILER ++

                          Jill (Amanda Seyfried), die vor wenigen Jahren von einem Psychopathen festgehalten und gequält wurde, ehe sie entkommen konnte, muss eines Tages feststellen, dass ihre Schwester urplötzlich verschwunden ist; und zwar ausgerechnet einen Tag vor einer wichtigen Prüfung an der Uni, auf die sie sich intensiv vorbereitet hatte. Überhaupt gilt die Vermisste als zuverlässig und bodenständig. Jill kann und will also nicht daran glauben, dass ihre Schwester ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt (und noch dazu im Pyjama) ausgebüxt sein soll. Also wendet sie sich an die Polizei, wo man ihr jedoch keinen Glauben schenkt; wohl auch deshalb, weil sie als psychisch labil gilt. Zwar gibt es dort einen Ermittler, der sie immerhin für nicht gänzlich unglaubwürdig hält, doch viel zu melden hat er auf seiner Dienststelle nicht. Also geht die Protagonistin selbst auf eine Ermittlungstour, auf der sie sich wiederholt selbst in Gefahr bringt und durch diverse Grenzüberschreitungen ins Visier der Polizei gerät.

                          'Gone – Ich muss dich finden' gehört zu jenen Kriminalthrillern, in denen dem Publikum zwar eine Ahnung vermittelt wird, wer in diesem Fall im Recht sein könnte, doch nahezu jede neue Erkenntnis wird mit einem kleinen Fragezeichen versehen. Absolute Gewissheit gibt es über weite Strecken also nicht. Genau aus diesem Umstand bezieht die Inszenierung dann auch einen Großteil ihrer Spannung. Problematisch wirkt hingegen das Verhalten einiger Nebencharaktere, das mit „dümmlich“ oder „rüpelhaft“ fast schon beschönigend umschrieben wäre. Die Protagonistin kommt in dieser Hinsicht vom Regen in die Traufe, wobei sie auch selbst eine Art Besessenheit entwickelt.

                          Die vielleicht größte Trumpfkarte der Inszenierung von Heitor Dhalia dürfte in der visuellen Umsetzung und der daraus resultierenden Atmosphäre liegen. Bereits der erste Akt schürt in dieser Hinsicht Erwartungen, wenn verschiedene visuelle Elemente (Cadrage, Farbgebung, Kamereinstellungen und -winkel, sukzessiver Wechsel von beengten und abgelegenen Orten hin zu einem etwas weiteren Blickfeld und lebhafteren Locations), die bei einem Marsch durch den Wald Verwendung finden, bei der Fahrt aus dem Wald in Richtung Stadt erneut zum Einsatz kommen. Der Director of Photography Michael Grady (unter anderem auch verantwortlich für neun Episoden der Dramaserie 'The Leftovers') verfolgt hier also ein klares Konzept, das der gesamten Produktion einen gewissen Hauch von Eleganz verleiht.

                          Grundsätzlich wäre sicher auch eine rein zweckmäßige Verfilmung des Drehbuches als Fernsehfilm denkbar, doch mit dem gewählten Konzept werden durchaus gewisse Ambitionen unterstrichen.

                          KURZFAZIT

                          Vergleichsweise edel abgefilmter Thriller um das plötzliche und rätselhafte Verschwinden einer jungen Frau.

                          37
                          • 8
                            Framolf 11.01.2025, 23:21 Geändert 20.03.2025, 04:29

                            ++ Leichte SPOILER ++

                            Bei Licht, aus dem die Träume sind, kommen einem schnell die Sterne in den Sinn. Weit entfernte Sonnen, fremde Planeten und physikalische Phänomene, die längst noch nicht alle erforscht sind. Der Mensch wäre aber wohl nicht der Mensch, wenn er seine Träumereien nicht auch auf festen Boden stellen würde. Kameras und Projektoren sind nur zwei von mehreren Beispielen für die Verbindung zwischen Licht und Träumen. Pan Nalin (Regie) verneigt sich in seinem 2021 produzierten Drama voller Ehrfurcht und Hingabe vor derlei Errungenschaften und der sagenumwobenen Kultur, die damit einhergeht.

                            Samay bekommt regelmäßig Ärger mit seinem Vater, weil er die Schule schwänzt, um in der (relativ) nahegelegenen Stadt einem Filmvorführer über die Schulter zu schauen. Der Junge überlässt ihm Köstlichkeiten aus seiner Lunchbox und darf im Gegenzug kostenlos Filme schauen. Zusätzlich bekommt er durch seinen Mentor Erklärungen für verschiedene technische und physikalische Zusammenhänge. Doch im Grunde reitet der Filmvorführer ein totes Pferd, denn die Zeit analoger Filmrollen neigt sich dem Ende entgegen. Und doch ist es für den Jungen unabdingbar, Verständnis für die Entwicklung des Films zu entwickeln, um die Beschaffenheit des Mediums durchdringen zu können.

                            In liebevoller Detailarbeit lässt Nalin sogar einst bahnbrechende Requisiten wie ein Zoetrop oder eine Camera Obscura in seine Inszenierung mit einfließen. Der Junge und seine Freunde nehmen das Wissen mit so viel Begeisterung auf, dass sie sich sogar zum Bau eigener Apparaturen entschließen. Wie eine Art Geheimbund treffen sie sich in einem verfallenen Gebäude, um dort an ihren Geräten zu basteln. Allerdings schlagen sie dabei auch über die Stränge, sodass sie ausgerechnet jene Einrichtung gefährden, die sie so sehr lieben.

                            Spiegelt das Leuchten in den Augen also Faszination und Begeisterung wider oder drückt es wehmütige Trauer aus? Im Fall von 'Das Licht, aus dem die Träume sind' wohl beides. Die letzten Ausläufer einer fast verflossenen Ära verschwinden langsam gen Horizont, während technische Neuerungen zwar bisher unerschlossene Möglichkeiten eröffnen, auf der anderen Seite aber auch unkalkulierbare Veränderungen mit sich bringen werden.

                            Pan Nalin verbindet seine Betrachtungen über das Medium Film und die kulturelle Einrichtung Kino mit diversen Alltagsbetrachtungen aus dem Leben der Charaktere. Die Unterschiede zwischen Tradition und Erneuerung, Lokalkolorit und Weltgewandtheit, Stadt und Peripherie, Wohlstand und Armut, schulischer Bildung und lebenspraktischer Erfahrung sind allgegenwärtig und greifen tief in das Leben der jeweiligen Personen ein; in einem Land, in dem trotz aller Weitläufigkeit oftmals eine Vielzahl unterschiedlichster Lebenswirklichkeiten auf engstem Raum aufeinandertrifft.

                            Stilistisch werden hier auch diverse Motive und Techniken des europäischen Kinos aufgegriffen und mit lokalen Stilelementen verbunden, wodurch die Inszenierung - gemessen an westlichen Sehgewohnheiten - vergleichsweise zugänglich erscheint (was nicht zwingend heißen soll, dass ausnahmslos alle kulturellen Implikationen leicht zu identifizieren wären). In diesem Sinne werden hier auch Cineasten aus verschiedensten Ländern und Kulturkreisen adressiert. Wer das Kino liebt und bodenständige Dramen mag, gehört eindeutig zur Zielgruppe dieses cineastischen Schmuckstücks.

                            KURZFAZIT

                            Pan Nalin blickt voller Faszination, Ehrfurcht, Wehmut und Begeisterung auf ein magisch anmutendes Medium und die damit verbundene Kultur.

                            [Danke an Eudora für die Erinnerung]

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                              Eines muss man Woody Allen lassen: Nach zahlreichen ähnlich gelagerten Filmen mit teilweise auch ähnlich gestrickten Charakteren ging der Übergang in seine europäische Phase mit teils durchaus gravierenden Änderungen in seinen Konzepten einher. Zwar bleiben einige Story- und Charakterarchetypen (in mal mehr, mal weniger veränderter Form) erhalten, doch Allen lässt auch unverkennbar Veränderungen zu, indem er lokale oder zeitgemäße Einflüsse aufgreift und in seinen Stil einhegt. So auch in 'Ein Glücksfall'.

                              Einmal mehr werden dabei Angehörige der Upper Class porträtiert. Im Zentrum der Handlung stehen ein Geschäftsmann, der – so legen es diverse Andeutungen nahe - mutmaßlich Dreck am Stecken haben dürfte ('Blue Jasmine' lässt grüßen) und seine Ehefrau, die in sich auf seinem Parkett zwar sicher bewegt, aber augenscheinlich auch etwas mit ihrem Leben in dieser Gesellschaft fremdelt. Als sie eines Tages einem früheren Mitschüler über den Weg läuft, ändert sich alles. Beide verbringen viel Zeit miteinander, ihr Kleidungsstil ändert sich und sie beginnt nachzudenken, welche alternativen Wendungen ihr Leben wohl hätte nehmen können. Ein Szenario also, das abgesehen vom der Situierung in einem recht exklusiven gesellschaftlichen Umfeld, relativ alltäglich wirkt. Die erste Hälfte der Erzählung erinnert dementsprechend ein wenig an Filme wie Richard Linklaters 'Before'-Reihe. Die beiden Hauptcharaktere treffen schlendern durch die Stadt und reden über Gott und die Welt - bis plötzlich das ganze Szenario in Richtung eines Kriminalthrillers kippt.

                              Allen treibt von nun an seine Späße mit den Charakteren, ihren Rollen in der Gesellschaft und mit der Situation an sich. Hier und da bringt er die eine oder andere gesellschaftspolitische Spitze unter, ansonsten verlegt er sich zunehmend auf seinen Thriller- und Krimiplot, den er schließlich zu einem diskussionswürdigen Ende bringt. Zwar erscheint der Schluss im Zuge der inneren Logik der Geschichte durchaus folgerichtig, doch ein an den Haaren herbeigezogenes Finale mit einem lapidaren Spruch zu rechtfertigen, kann auch Zweifel aufwerfen.

                              ++ Massiver SPOILER ++

                              Auf die Sekunde genau in dem Moment, in dem ein Charakter jemanden erschießen und die Tat als Jagdunfall verschleiern will, wird er selbst Opfer eines tödlichen Jagdunfalles.

                              KURZFAZIT

                              Woody Allen bringt mit seinem Genrehybriden 'Ein Glücksfall' durchaus Abwechslung in seine Filmographie, stellt dabei aber einmal mehr unter Beweis, dass seine Stärken in den Bereichen Regie und Drehbuch recht unterschiedlich gelagert sind.

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                                Nach ihrer Rückkehr von einem Kriegseinsatz wird eine Soldatin (Olga Kurylenko) bei einer Einheit im französischen Inland eingesetzt. Einige Jahre nach dem verheerenden Anschlag von Nizza sollen die Sicherheitskräfte an der dortigen Strandpromenade patrouillieren, um beispielsweise verdächtige Gepäckstücke ausfindig zu machen, wobei es in erster Linie wahrscheinlich darum gehen dürfte, einfach nur Präsenz zu zeigen; einerseits zur Abschreckung und andererseits wohl auch als innenpolitisches Signal. Protagonistin Klara nimmt diese Versetzung offenbar als Degradierung oder gar als Demütigung wahr; jedenfalls fühlt sie sich augenscheinlich unterfordert und vielleicht auch gelangweilt. Doch das gilt nur für ihr Berufsleben, denn privat verordnet sie sich selbst eine Mission: Rache für ihre Schwester, die massiv misshandelt und sexuell missbraucht wurde. Also prügelt sie sich ihren Weg durch die Reihen der Verdächtigen.

                                Eigentlich ein klassischer Rachefilm also; Zumindest während der ersten Hälfte. Spätestens ab ihrem „Hausbesuch“ am Wohnsitz des Hauptverdächtigen kippt die Handlung aber noch stärker in Richtung Märchenstunde als ohnehin schon. Die Logik, die der Handlung zugrunde liegt, fühlt sich nach einer Mischung aus Videospiel und Superheldencomic an; sei es die Flucht vor ihren Widersachern oder die Beschaffung der Waffen kurz vor dem Finale. Viele der Nebencharaktere sind eigentlich nur lebende Slalomstangen, zwischen denen sie hindurch navigiert. Natürlich dürfte kaum jemand von einem Actionthriller wie diesem eine durchgehend plausible Handlung erwarten, doch wenn die Albernheiten nicht auf handlungsbezogene Notwendigkeiten beschränkt bleiben, stellt sich die Sinnfrage unweigerlich. Im Tennis würde man wohl von unforced errors sprechen. Auf diese Weise zieht sich ein eigentlich durchschnittlicher Actionthriller schließlich selbst den Zahn.

                                KURZFAZIT

                                Halbgarer Actioner, dessen Produzenten wohl gar nicht erst die Ambition hegen, ihren Film roh, wild, elegant oder wie auch immer zu gestalten.

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                                  Oskar (Harald Krassnitzer) hat als Schutzengel versagt. Nun soll er ausgerechnet die junge Frau (Maresi Riegner) anlernen, deren Leben er eigentlich hätte beschützen sollen. Doch wie sich nach einer Weile herausstellt, ist der ihnen zugeteilte Fall deutlich komplizierter als zunächst gedacht.

                                  Beschützen sollen die beiden einen großspurig auftretenden Dealer, der sich fast schon mutwillig in Gefahr begibt. Doch irgendeinen Grund wird es schon haben, weshalb er den beiden zugeteilt wurde. Aber ehe sie das herausfinden, muss das ungleiche Team zunächst ein paar Meinungsverschiedenheiten und heikle Situationen überstehen.

                                  Auch wenn 'Engel mit beschränkter Haftung' von der ARD als Weihnachtsfilm beworben wird: Die Handlung spielt im Sommer und weihnachtliche Traditionen oder Rituale spielen für die Geschichte keine Rolle. Vielleicht ist das auch gar nicht so schlecht, denn was stattdessen geboten wird, geht weit über die meisten typischen Adventsgeschichten hinaus. Erzählt wird eine vergleichsweise unverbrauchte Story, in der auch graue Zwischentöne zugelassen werden, statt sich auf reine schwarz-weiß Malerei zu fixieren. Besonders erscheint in dieser Hinsicht die imaginäre Linie, die hier vom Drogendealer zur [SPOILER] Pharmaindustrie gezogen wird, [SPOILER ENDE] denn letztlich wird hier von völlig unterschiedlichen Akteuren und mit verschiedenen Methoden dasselbe Geschäftsfeld beackert. Der Hauptunterschied zwischen den Verkäufern liegt eigentlich nur darin, ob sie einen Anzug oder einen Jogginganzug tragen und wie sie sich ausdrücken. Natürlich bekommt man via einer Fernsehproduktion, die ein möglichst breites Publikum ansprechen soll, keine Tragödie kredenzt, in der jede Facette der Thematik ausgeleuchtet wird, doch im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten wird ein durchaus kantiges Szenario ausgerollt (in dem Sinne, dass eine These zur Diskussion gestellt wird, statt mit einer aalglatten Geschichte auf möglichst breiten Konsens zu spekulieren).

                                  Sieben von zehn Händen im Nacken.

                                  KURZFAZIT

                                  Unscheinbares Fernsehspiel mit Potenzial.

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                                    Netflix und seine Endzeitfilme... Wie auch immer die Strategie dieses Streamingdienstes aussehen mag, dystopische Szenarien scheinen dabei eine ganz wichtige Rolle zu spielen. Also lässt man in 'How it Ends' (2018) einmal mehr die Zivilisation untergehen. Die Rahmenbedingungen sind also oftmals ähnlich, während die variablen Parameter in erster Linie die jeweiligen Charaktere betreffen. Hier geht es im konkreten Fall um einen Mann (Theo James), der mit seinem Schwiegervater (Forest Whitaker) aufbricht, um zu seiner Partnerin (Kat Graham) zu gelangen. Beide sind sich nicht besonders grün und dementsprechend reserviert treten sie auf, doch das gemeinsame Ziel vereint sie. Zudem erscheint fraglich, ob die lange Reise unter derlei Rahmenbedingungen überhaupt alleine zu bewerkstelligen ist; daher raufen sich die beiden zusammen und ziehen (zumindest einigermaßen) am selben Strang. Dass dabei Konflikte ebenso wenig ausbleiben wie verbindende Elemente, versteht sich fast von selbst.

                                    Zu sehen bekommt man also eine Art Buddy-Movie, nur ohne die genretypische Leichtigkeit. Statt lockerer Sprüche und halbgarer Witzchen dominiert hier also der Eindruck von Schwere, Bedrohung und Verzweiflung, die jedoch von einem gewissen Hang zur Hoffnung eingebremst werden. Mangels genaueren Wissens um die Lage im Rest des Landes können die Protagonisten auch keinen richtigen Plan für die Zeit nach der Ankunft bei Samantha schmieden (bzw. sie können zwar einiges aushecken, doch ob das auch umsetzbar sein wird?). So oder so: Das Finale hält nochmal einen Wechsel der Tonlage parat. Vielleicht wäre es sogar ratsam gewesen, den Großteil der Handlung auf der finale Konstellation aufzubauen. Zumindest liegt gegen Ende hin deutlich mehr Spannung in der Luft als über weite Strecken zuvor.

                                    KURZFAZIT

                                    Durchschnittliches Endzeitdrama, das phasenweise in Richtung Thriller tendiert.

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                                      Framolf 06.01.2025, 23:56 Geändert 04.03.2025, 01:16

                                      Der filmtastische Festtagskalender 2025

                                      Film #2 - Hl. Dreikönigstag

                                      Drei Freunde – gespielt von Seth Rogen, Joseph Gordon Levitt und Anthony Mackie - wollen es in der Weihnachtszeit ordentlich krachen lassen. Ebenfalls mit dabei: Lizzy Caplan, Mindy Kaling, Jillian Bell und Michael Shannon. Aber eigentlich müsste man nur Seth Rogen nennen, um den Humor von 'Die Highligen Drei Könige' zu beschreiben. Sexwitze, Drogengags, manische Charaktere, einige überdrehte Szenen, hier und da ein Schlag in die Fresse und natürlich darf auch ein Dickpic nicht fehlen. Filme mit Seth Rogen: Kennste einen, kennste (fast) alle; zumindest wenn es sich um Komödien handelt, bei denen er sowohl als Hauptdarsteller als auch als Produzent fungiert.

                                      Auch wenn die Handlung von Jonathan Levines Verfilmung nicht viel mit dem Dreikönigstag als Feiertag zu tun hat, sondern im Dezember spielt (der Originaltitel lautet 'The Night before', der deutschsprachige Titel ist eine Ausgeburt der hiesigen Vermarktungsstrategen), tragen die drei ähnliche Geschenke wie ihre biblischen Vorbilder mit sich herum. Marihuana statt Weihrauch, Dollars statt Gold und Pilze statt Myrrhe. Wohin das führt, besonders wenn der von Seth Rogen gespielte Charakter der Hauptkonsument ist, kann sich jeder bereits vor der ersten Sichtung ausrechnen. Und so wird man eben Zeuge eines ziemlich irren und durchaus kurzweilig inszenierten Trips, bei dem sich die Fremdscham stets im Schlepptau der drei „Könige“ befindet. Dabei ist so ziemlich alles garantiert – nur keine niveauvolle Unterhaltung. Ist aber nicht weiter schlimm, denn schließlich schaut man einen Film mit dieser Truppe ganz sicher nicht, um auch nur ansatzweise anspruchsvoll bespaßt zu werden. In diesem Sinne:

                                      „Hi(gh)!“
                                      ・ „Wo?“
                                      „In der ganzen Stadt!“

                                      Passend zum Datum gerade noch sechs Punkte.

                                      KURZFAZIT

                                      Durchgeknallter Großstadttrip. Fröhliche W-high-nachten!

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                                        Leilanie (Issa Rae) und Jibran (Kumail Nanjiani) hatten einen guten Start in ihre Beziehung. Auch einige Zeit später scheinen sie durchaus aufeinander fixiert zu sein, doch wirkliches Verständnis haben sie füreinander noch nicht so richtig entwickelt. Einerseits fehlen ihnen die Faktoren Zeit und Erfahrung, durch die langjährige Paare eine gewisse Eingespieltheit erreichen, zudem haben beide ihre Egos nur bedingt im Griff. Trotzdem würde Leilanie gerne an einer Gameshow teilnehmen, bei der es extrem wichtig ist, gemeinsam am selben Strang zu ziehen. Doch es kommt es kommt ganz anders – und irgendwie doch nicht.

                                        Ehe sie sich versehen, werden die beiden in einen Mordfall verwickelt. In rasender Panik treffen sie eine Fehlentscheidung nach der anderen. Da sie sich selbst als Hauptverdächtige wähnen, flüchten sie vor der Polizei. Auf ihrer Flucht versuchen sie, dem wahren Mörder das Handwerk zu legen. Wenig überraschend sind sie sich zunächst nur selten einig. Hinzu kommt, dass beide in ihren Gaga-Dialogen mehrmals äußerst exklusive Schlussfolgerungen ziehen und sich in ihrer Aufgelöstheit auch noch gegenseitig zusätzlich verunsichern. Und so reiten sie sich immer tiefer in die Ausweglosigkeit hinein. In der besagten Gameshow hätten sie sich wohl blamiert, doch ansonsten wäre das wohl folgenlos geblieben. Nun müssen sie sich unter Extrembedingungen beweisen – heiter für die Zuschauer, übel für die beiden. Aber immerhin können sie so für ihren geplanten TV-Auftritt trainieren – sofern sie nach ihrer anstehenden Verhaftung eines Tages wieder aus dem Knast kommen...

                                        In einer kurzweilig inszenierten Mischung aus Buddy-Movie, Beziehungsgroteske, Kriminalthriller und Actionkomödie streiten sich die beiden Protagonisten durch eine absurd anmutende Handlung. Natürlich raufen sie auch sich mit zunehmender Spieldauer zusammen, denn nachdem der durchaus skurrile Kriminalfall ausgebreitet wurde, erlebt man hier keine allzu großen Überraschungen mehr (abgesehen von einer Pointe zum Ende der Ermittlungen). Filme wie diese braucht die Welt nicht, aber für einen einzelnen Abend kann man in der richtigen Stimmung durchaus solide Unterhaltung bekommen.

                                        KURZFAZIT

                                        Nicht gerade originell, aber immerhin recht kurzweilig inszeniert.

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                                          über Solo

                                          Basierend auf wahren Begebenheiten...

                                          Ein Mann rutscht an einem Steilhang an der Küste ab und kann gerade noch Halt im Sand finden. Wenige Augenblicke später rutscht er erneut, ehe er sich kurz darauf an einer isolierten Bucht wiederfindet. Aufgrund einer multiplen Verletzung sind seine Möglichkeiten eingeschränkt. Zwar ist er als Surfer durchaus sportlich, doch das Zusammentreffen aus einer anspruchsvollen Topographie und seiner körperlichen Lädierung erschweren seine Rückkehr in die „Zivilisation“ ganz extrem. Und so beginnt er, kritische Ereignisse aus der jüngeren Vergangenheit (vornehmlich in Bezug auf seine Beziehung) aufzuarbeiten, während er versucht, den entlegenen Strand zu verlassen.

                                          Der hier gewählte Ansatz, neben der akuten Notlage auch die „inneren Dämonen“ des Protagonisten zu visualisieren, bringt den Vorteil mit sich, dass man ihn dadurch etwas besser kennenlernt und er als Charakter greifbarer wird. Das Problem dabei: Infolge seines Verhaltens gegenüber anderen Menschen erscheint er dadurch nicht gerade sympathischer. Die Mischung aus Ignoranz, Desinteresse und emotionaler Kälte, mit der er manch anderen Personen begegnet, verleiht der Inszenierung zwar durchaus Authentizität (in dem Sinne, dass man als Zuschauer keinen Seemanns- bzw. Surfergarn vorgesetzt bekommt, bei dem sich jemand selbst in möglichst gutes Licht setzen will), doch selbst als Zuschauer im Fernsehsessel kann man sich durchaus angenehmere Gäste im Wohnzimmer vorstellen (auch wenn er nur via Bildschirm oder Leinwand vorstellig wird). Natürlich wünscht man ihm alles Gute, denn trotz aller Ecken und Kanten scheint er ja keineswegs „böse“ zu sein, doch Alain Hernández (Regie) scheint auch keinen allzu großen Wert darauf zu legen, mehr Spannung zu erzeugen als unbedingt nötig. Vielmehr scheint es der Plan zu sein, eine mehr oder minder meditative Inszenierung vorzulegen.

                                          Deutlich weniger ambivalent stellen sich hingegen die Drohnenaufnahmen von der Steilküste dar, von denen sich einige als äußerst sehenswert erweisen.

                                          KURZFAZIT

                                          Müde inszenierte Geschichte, die sich vor einer durchaus imposanten Kulisse abspielt.

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                                            über iBoy

                                            Es gibt Filme, bei denen liest sich schon der Titel wie eine einzige Warnung; dementsprechend lässt man sie vielleicht auch jahrelang auf der Watchlist oder bei den Vorschlägen des Streamingdienstes verstauben, ohne überhaupt nur eine Zeile bezüglich der Prämisse zu lesen. 'iBoy' ist ein heißer Anwärter auf einen Platz in dieser imaginären Hall of Shame.

                                            Aber gut, (fast) jeder Film hat eine Chance verdient, warum also nicht auch dieser? Das Problem mit dem Kommentieren dieses Machwerks beginnt bereits damit, dass man sich eigentlich fast schon für die Zusammenfassung der Ausgangslage schämen müsste:

                                            Ein junger Mann wird angeschossen, wobei Splitter seines Smartphones in seinem Gehirn landen (und auch nicht operativ entfernt werden können). Fortan kann er seinen Körper als Handy nutzen (leider kein Witz). Er kann Funksignale empfangen, Nachrichten verschicken und diverse Elektrogeräte fernsteuern. Und das Beste daran: Er hat offenbar die Nummern aller anderen Menschen im Kopf und muss noch nicht mal sein Guthaben aufladen bzw. eine Rechnung begleichen.

                                            Im Grunde wird hier also die Origin Story eines neuen Superhelden dargeboten. Eine gute Gelegenheit, ein ganzes Genre durch den Kakao zu ziehen. Doch weit gefehlt. Inszeniert ist dieser grobe Unfug nicht etwa als Parodie oder Satire, sondern über weite Strecken bitterernst. Als Gegenspieler bekommt iBoy einen Kriminellen, der wie ein blasses Abziehbild derjenigen Gangster wirkt, die in herkömmlichen Filmen als Punching Ball herhalten müssen, wenn ein neuer Superheld erstmals seine neu erworbenen Fähigkeiten oder neue Ausrüstung ausprobiert. Unfassbar spannend...

                                            Als Kirsche auf dem Misthaufen thront eine deutschsprachige Synchronfassung, die selbst hinter das Niveau von Asylum und Co. zurückfällt. Wenn ohnehin schon zweifelhafte Szenen auch noch mit dümmlichen Dialogen unterlegt werden, fällt es schwer, neben der vergleichsweise kurzen Laufzeit noch weitere Pluspunkte zu finden (für die Akten: auch Maisie Williams kann hier nicht viel retten). Zumindest eine visionäre Facette hat diese Produktion dann aber doch, denn immerhin trägt sie schon (mehr oder weniger) die passende Punktewertung im Titel.

                                            KURZFAZIT

                                            1Boy

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                                            • 5 .5

                                              Das dunkle Verlies wird wieder gefüttert. Mit reichlich Menschen – und mit ein wenig Nahrung. Nach dem wilden Hauen und Stechen in der ersten Episode und der (nicht ganz so überraschenden) Erkenntnis, dass die Trickle Down Theorie in der Praxis doch nicht funktioniert, organisieren sich einige Insassen nun selbst. Legislative, Judikative und Exekutive liegen nun gewissermaßen in der Hand eines selbsternannten Anführers und seiner Jünger. Sie definieren die Regeln der Essensverteilung und sanktionieren tatsächliche oder vermeintliche Verstöße. Dabei stützen sie sich auf eine Art Spitzelsystem, das vielleicht auch deshalb recht effektiv funktioniert, weil die Gruppierung über einen Gründungsmythos verfügt, der offenbar bei genügend Menschen verfängt. Der Anführer geriert sich wie ein religiöser Anführer und vergibt entsprechende Titel an seine Gefolgsleute. Seine Gruppierung errichtet also innerhalb des Unterdrückungsregimes des Gefängnisses ein eigenes Unterdrückungsregime, in dem sie nicht nur alle drei Gewalten an sich reißt, sondern zudem noch eine religiöse Funktion für sich beansprucht. Die Durchsetzung der Regeln soll durch die Androhung und den Vollzug regelrechter Gewaltexzesse gewährleistet werden. Kann eine Schreckensherrschaft, die (vielleicht vorgeblich, vielleicht auch aufrichtig) hehre Ziele mit derart drastischen Mitteln durchzusetzen versucht, langfristig überhaupt funktionieren?

                                              Die Versuchsanordnung in dieser Fortsetzung wirkt deutlich weniger aufgeräumt als noch in der ersten Episode. Der bisweilen betont kryptische Modus der Erzählung verkompliziert die Lage zusätzlich. Für den Fall, dass trotzdem noch jemand durchblickt, steuert auch noch ein Hobbyphilosoph seine Gedanken bei. Der Verdacht liegt nahe, dass sich die Produzenten entweder ein wenig verhoben haben könnten oder dass hier ganz bewusst Verwirrung gestiftet wird, um was auch immer zu überdecken. Etwas weniger wäre hier vielleicht mehr gewesen.

                                              KURZFAZIT

                                              Mit dieser Fortsetzung verhält es sich wie mit dem zugeteilten Essen auf den Etagen 20 - 40. Zu viel oder zu wenig des Guten? Man weiß es nicht genau.

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                                                Framolf 02.01.2025, 21:56 Geändert 03.01.2025, 21:38

                                                Das Leben von Julie (Laetitia Dosch) ist aktuell etwas chaotisch. Sie ist knapp bei Kasse, eventuell schwanger und ihre berufliche Situation ist eher verworren. Ausgerechnet in dieser Lage findet sie den Abschiedsbrief einer Schülerin, die ihren Freitod für die kommende Nacht ankündigt – und Julie ist vielleicht die einzige Person, die das noch verhindern kann. Gleich zu Beginn ihrer Recherchen macht sie einen Lehrer der Jugendlichen ausfindig, der ihr (zunächst eher widerwillig) hilft. Auch er hat sein Päckchen zu tragen. Augenscheinlich ist er Alkoholiker und lebt zurzeit in seinem Auto. Es hat sich also eine schräge Zweckgemeinschaft zusammengefunden. Beide Beteiligte haben eigentlich selbst genug Probleme. Auf der anderen Seite bringt die Hobbydetektivarbeit auch etwas Abwechslung und Ablenkung mit sich; also werfen sie sich recht engagiert in ihren selbstgegebenen Auftrag. Zwar geraten sie sich wiederholt in die Haare, doch irgendwie scheint die gemeinsame Suche auch etwas therapeutisches für beide zu haben.

                                                Als Zuschauer wohnt man in 'Petite leçon d'amour' einer nächtlichen Schnitzeljagd bei, die durch verschiedene Ecken von Paris führt. Neu ist der Ansatz zwar nicht, doch dank zweier recht lebensecht agierender Hauptdarsteller weist die Inszenierung genug Erdung auf, um zumindest halbwegs glaubwürdig zu wirken. Zwar wurde beiden Charakteren eine Vielzahl von Skurrilitäten und Übertreibungen auf den Leib geschrieben, doch die Art und Weise, wie dies durch Regie und Darsteller an das Publikum verkauft wird, lässt auch die unwahrscheinlicheren Ereignisse halbwegs plausibel erscheinen.

                                                Kurios: Weihnachtsdeko vor einem Haus in einem Pariser Vorort im Frühjahr. Passt allerdings gut zu den sonstigen Ansonderlichkeiten dieser Geschichte.

                                                KURZFAZIT

                                                Augenzwinkernd erzähltes Großstadtabenteuer mit solidem Unterbau.

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                                                  Framolf 01.01.2025, 21:12 Geändert 04.03.2025, 01:16

                                                  Ein frohes und gesundes neues Jahr euch allen!

                                                  [Neues Jahr, neues Projekt: Zu ausgewählten Festtagen im Jahr (müssen nicht zwingend offizielle Feiertage sein) poste ich einen passenden Kommentar. Los geht es mit Neujahr.]

                                                  Der filmtastische Festtagskalender 2025

                                                  Film #1 - Neujahr

                                                  Vorneweg: Der Filmtitel geht eher in Richtung Marketingschachzug, denn der Höhepunkt der Handlung spielt sich an Silvester ab und weite Strecken des Handlungsaufbaus an verschiedenen über das Jahr verteilten Zeitpunkten. Speziell der Neujahrstag spielt eigentlich keine nennenswerte Rolle (abgesehen davon, dass die Hauptcharaktere den Trubel der Silversternacht für ihre Pläne nutzen wollen); aber sei's drum.

                                                  Die Prämisse: Ein bunt zusammengewürfelter Haufen gründet eine Tanzgruppe, um die in Dubai stattfindende Tanzweltmeisterschaft als Deckung für einen Coup der ganz anderen Art zu nutzen. Ein Teil des Finales wird bereits zu Beginn vorweggenommen, aber wie man es eben auch aus vielen anderen Produktionen kennt, bildet der Auftakt natürlich nur einen Teil der Wahrheit ab. Und genau daran zeigen sich schon eine wesentliche Stärke und eine grundlegende Schwäche der Inszenierung von Farah Khan. Zwar wird eine stattliche Anzahl an bewährten Erfolgsrezepten kopiert, allerdings zu dem Preis eines hohen Ausmaßes an Vorhersehbarkeit. Nahezu sämtliche markante Wegmarken der Handlung stinken mehrere Kilometer gegen Wind – und viele von ihnen sind nicht einmal plausibel. Dementsprechend wird hier vor allem über diverse kleinere Entwicklungen gepunktet. Besonders bei den Humoreinlagen findet ein steter Wechsel zwischen beiläufig eingestreuten Gags und geradezu absurden Späßen statt, was – im Verbund mit den schrulligen Charakteren – über die Vielzahl an Plattitüden im Drehbuch hinwegtröstet. Irgendwie passt die Inszenierung von ''Happy New Year – Die Herzensdiebe' somit auch recht gut zum Jahreswechsel an sich. Eis ist zwar vom groben Ablauf her jedes Jahr dasselbe, aber die Details ändern sich und irgendwie sind meistens auch verrückte – wenn auch unspektakuläre - Ereignisse dabei.

                                                  5,5 – 6 Punkte.

                                                  KURZFAZIT

                                                  Ocean's Six auf indisch.

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                                                    Im Jahr 2024 hat das dänisch-isländische Survivalabenteuer 'Against the Ice' gerade einmal zwei Jahre auf dem Buckel und kann schon aus einer Perspektive betrachtet werden, die die Weltöffentlichkeit zunächst wahrscheinlich noch nicht auf dem Schirm hatte. Konkret geht es um zwei Entdecker, die sich auf eine äußerst lange und beschwerliche Reise durch Grönland machen. Unter anderem sollen sie dabei herausfinden, ob die Hauptinsel im Norden durch einen Kanal zerteilt wird (streng genommen ist dies nicht ihr primäres Ziel, da bereits andere Forscher vor ihnen in dieser Causa unterwegs waren). Davon wiederum hängt ab, welche Nation die aussichtsreichsten Chancen bei der Durchsetzung ihrer territorialen Ansprüche haben wird. Ein Thema, das rund 120 Jahre später erneut bzw. immer noch von hoher Brisanz sein dürfte. Die dänische Regierung gibt Ende 2024 zweistellige Milliardenbeträge zum Aufbau weiterer Verteidigungskapazitäten frei, während nicht zuletzt der designierte US-Präsident Donald Trump erneut Ansprüche auf das Territorium erhebt. Rohstoffvorkommen und die strategische Lage wecken eben Begehrlichkeiten.

                                                    Jedenfalls haben Ejnar Mikkelsen (Nicolaj Coster-Waldau) und Iver Iversen (Joe Cole) mit so ziemlich allen Widrigkeiten zu kämpfen, die sich im Vorfeld als mögliche Komplikationen erahnen lassen. Für die Zuschauer hat diese Geschichte den Vorteil, dass hier nicht ein Reisender alleine unterwegs ist; denn so kann der jüngere von beiden als Captain Obvious seinem Weggefährten wiederholt Erklärungen liefern, die eigentlich an das Publikum adressiert sind. Überhaupt trägt die Einbindung mehr oder weniger durchgängiger Dialoge merklich dazu bei, dass nicht allzu viele unnötige Längen aufkommen; auch wenn die Gespräche oftmals ähnlich unterkühlt wirken wie das Wetter. Abseits davon lassen die Produzenten in allererster Linie die Magie ihres Settings wirken. Die Landschaft, die deutlich weniger eintönig wirkt, als es anfangs vielleicht laienhaft zu vermuten wäre, erweist sich somit als heimlicher Star der Inszenierung.

                                                    Gerade noch 6 Punkte.

                                                    KURZFAZIT

                                                    Nicht unbedingt angenehmer, aber doch recht sehenswerter Trip durch eine eisige Landschaft.

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