Framolf - Kommentare
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Alle Kommentare von Framolf
Oscar Madness (1 Nominierung)
Schon zu Beginn, als ein Zitat von Elton John eingespielt wird, worin er sich darüber beklagt, dass er zeitweise nichts anderes hatte als seinen Erfolg und die Drogen, wird klar, dass es in dieser Dokumentation wohl hauptsächlich um die Befindlichkeiten des großen Musikstars gehen wird. Dabei wird das Bild eines Mannes gezeichnet, dessen Ehrgeiz sich als zweischneidiges Schwert erweist. Platzierungen in den Top 40 oder Top 20, die für manch andere Musiker ein guter Grund für eine einwöchige Freudenfeier wären, nimmt er als persönliche Niederlagen wahr. Der Umstand, dass er derart hohe Ansprüche an sich selbst stellt, treibt ihn zu immer intensiveren Bemühungen an, woraus schließlich auch größere Erfolge resultieren, während er auf der anderen Seite offenbar nur begrenzt Freude über das bisher Erreichte empfindet. Für den berühmten Musiker selbst mag dies belastend sein, doch als Problemstellung einer Dokumentation taugt dieser Einstieg nur bedingt. Deutlich mehr Fallhöhe weist im Gegensatz dazu schon seiner familiärer Hintergrund auf (gewalttätige Eltern), dessen Nachwirkungen sich durch seine gesamt Karriere zu ziehen scheinen. Doch dafür interessieren sich die Filmemacher R.J. Cutler und David Furnish offenbar nur bedingt. Zwar wird mehrfach thematisiert, dass sich Reginald Kenneth Dwight, so der bürgerliche Name Elton Johns, nach einer intakten Familie ebenso sehnt wie danach, die These seines Vaters, wonach Musik brotlose Kunst sei, zu widerlegen, doch inhaltliche Bezüge zu den Liedern und Texten werden kaum hergestellt. Stattdessen wird nach einem kurzen Exkurs über seine musikalischen Wurzeln und seinen Schaffensprozess (verkürzt gesagt vertont er in erster Linie lyrische Texte seines Freundes und Weggefährten Bernie Taupin) hauptsächlich wieder den Wehklagen über die Einsamkeit Raum eingeräumt. Wiederholt wird dabei erwähnt, dass er eben nichts außer Erfolg, Ruhm, Reisen, Fans, Bewunderung, Sex und Drogen hatte, wobei fast unweigerlich die Frage aufkeimt, wie eigentlich die Steigerung von „First World Problems“ lautet. Ganz so schlimm scheint der Ruhm aber nicht gewesen zu sein, wenn man bedenkt, dass er auf das Wehklagen Mitte der 70er Jahre immerhin noch knapp 50 weitere Karrierejahre folgen ließ.
Randbemerkung: Nachdem er sich selbst laut eigenem Bekunden regelmäßig Alkohol, Kokain und auch große Mengen an Valium gönnte, sieht er sich anno 2024 dazu berufen, für eine Rekriminalisierung von Cannabis einzutreten.
KURZFAZIT
Zielgruppe: Menschen, die erste Informationen übe Elton John als Person und Künstler in Erfahrung bringen wollen und Fans, die sich grundsätzlich über Dokus über ihr Idol freuen. Darüber hinaus lässt sich hier nicht übermäßig viel holen.
Oscar Madness (3 Nominierungen)
++ Kommentar bezieht sich auf den Director's Cut und enthält SPOILER bzw. historische Wegmarken ++
Eine Geschichte wie die von Napoleon würde man wohl jedem Drehbuchschreiber um die Ohren hauen – wenn sie denn fiktional wäre. Revolution, Konterrevolution, politische bzw. militärische Funktionsträger ernennen sich quasi selbst zu neuen Monarchen, ein Feldherr wird verbannt, kehrt zurück und wird erneut verbannt – und erobert zwischendurch gefühlt halb Europa.
Nur wenige historisch verbürgte Persönlichkeiten dürften wohl derart exemplarisch für politische Entwicklungen stehen, die das Volk derart vom Regen in die Traufe kommen lassen. Der Geburtsadel isst ab 1789 keinen Kuchen mehr, dafür tritt eine neue Form von Funktionsadel an deren Stelle, während sich im Hintergrund eine Art Geldadel zu formieren beginnt.
Regisseur Ridley Scott dürfte zunächst vor der Frage gestanden haben, welchen Abschnitt aus dem Leben seines Protagonisten er zum Gegenstand seiner Erzählungen machen möchte und welchen Episoden daraus er die größte Bedeutung zukommen lassen möchte. Er hätte sich einen bestimmten Kipppunkt vornehmen können oder einen besonders symbolträchtigen Lebensabschnitt. Eine andere bewährte Variante wäre es gewesen, einen der ganz besonders prominenten Momente herauszugreifen und anhand dessen symbolträchtige Entwicklungen darzustellen, die sich als pars pro toto begreifen lassen. Doch Scott orientiert sich offenbar am (Anti)Helden seiner Geschichte, denn er will nicht weniger als alles (oder zumindest so viel wie möglich). Also beginnt seine Erzählung mit der französischen Revolution und endet irgendwann nach Napoleons Verbannung auf Helena. Der Preis für die Wahl dieses umfangreichen Zeitfensters besteht in einer Erzählung, in der das Publikum alles und zugleich nichts (bzw. nicht viel) erfährt. Man wird einerseits mit einer Vielzahl an Stationen, Personen und Ereignissen erschlagen, wobei nur bei einem Teil der Szenen wirklich tief in die Materie vorgedrungen wird. Hauptdarsteller Joaquin Phoenix bekommt die Gelegenheit, sich bei einer Vielzahl verschiedenster Stimmungslagen zu entfalten, hat aber andererseits nicht die Möglichkeit, eine einzelne Facette bis in den hintersten Winkel hinein auszuleuchten.
Rein stilistisch lassen sich einige Parallelen zu Luchino Viscontis Historiendrama 'Ludwig II' (1973) erkennen. Die Frage, ob sich dieser Befund auch in Bezug auf den Inhalt stellen lässt, gestaltet sich etwas komplexer. Vereinzelte Gemeinsamkeiten zwischen der Biographien beider Herrscher lassen sich nicht von der Hand weisen, doch um zu erkennen, inwieweit sich das kolportierte Allgemeinwissen mit den historischen Fakten deckt, müsste man wohl Historiker sein.
Festzuhalten bleibt jedenfalls, das Ridley Scott ein umfangreiches Werk zu den Nachwehen der französischen Revolution gelungen ist, das die Titelfigur dem Publikum jedoch nur bedingt näherbringt. Die vielleicht intensivsten Momente erreicht Scotts Biopic ausgerechnet während der Schlacht- oder Massenszenen, in denen Individuen in der Anonymität aufgehen, was nicht weniger ironisch erscheint als zahlreiche Details aus Napoleon Bonapartes Leben.
KURZFAZIT
Kantige Inszenierung einer Filmbiographie über einen sperrigen Charakter.
Oscar Madness (1 Nominierung)
++ Enthält SPOILER ++
Ein Jugendlicher sitzt auf dem Fahrersitz eines Autos. Er telefoniert, als sich offenkundig die Polizei nähert. Wenige Augenblicke später kommt es buchstäblich zu einem harten Aufprall. Doch auch wenn bereits dieser Start in die Erzählung aufrüttelt, so setzt es einen vielleicht noch heftigeren Schlag durch eine Texttafel während des Abspannes, die die Handlung gewissermaßen von der Leinwand in das reale Leben holt. Worum geht es?
Marc, der bei so ziemlich jeder sich bietenden Gelegenheit durchblicken lässt, dass er sich Autoritäten nur sehr ungerne unterordnen möchte, verbüßt eine Jugendhaftstrafe, die jedoch die Möglichkeit eines offenen Vollzuges beinhaltet. Die Zeit während seines Freiganges verbringt er gerne an einem See (überhaupt kommt dem Wasser hier die Funktion eines Leitmotivs zu). Wasser scheint das Element seiner Wahl zu sein. Er sitzt gerne am Ufer, nimmt am Gefängnissport im Pool teil und aktiviert auch ganz gerne mal die Sprinkleranlage, die eigentlich zur Brandbekämpfung gedacht ist. Sein bisweilen plakativ ruppiges Auftreten bedeutet keineswegs, dass er nicht auch zur Selbstreflexion fähig wäre. Schließlich hat er eine Ader dafür, seine Gedanken auf lyrische Weise zu artikulieren. Während sein Freund in der Haftanstalt pubertäre Parolen drischt, schreibt sich Marc in einer Weise seine Gedanken von der Seele, die durchaus die Keimzelle zu literarischen Qualitäten aufweist. Ansatzpunkte, seine Talente zu fördern, sind also durchaus vorhanden, was im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten während der Unterrichtsstunden auch geschieht. Doch Marc hat eben auch enorme Schwierigkeiten mit der Einsicht, Autoritäten zu akzeptieren. Für das Personal ist er somit sicher kein ganz einfacher Fall, jedoch einer, mit dem man durchaus arbeiten kann. Ob der Staat ausreichend viele Sozialarbeiter dafür zur Verfügung stellt, steht auf einem anderen Blatt. Ausbaden müssen derartige Sparzwänge sowohl die betroffenen Jugendlichen als auch das vorhandene Personal - und in vielen Fällen wohl auch die Gesellschaft. Es bleibt zu befürchten, dass es noch zahlreicher ähnlicher Kurzfilme bedarf, bis sich endlich etwas ändern wird.
KURZFAZIT
Tragisches Einzelschicksal, das wohl leider auch stellvertretend für zahlreiche andere steht.
Oscar Madness (1 Nominierung)
Der folgende Kommentar enthält nicht einfach nur Spoiler, im Grunde genommen ist er sogar ein einziger Spoiler.
Während der Titel 'Ninety-Five Senses' vor der Sichtung zunächst möglicherweise Fragen aufwirft, kommt der Erzähler Coy (gesprochen von Tim Blake Nelson) innerhalb einer kompakten Laufzeit von gerade einmal rund 13 Minuten doch recht zügig auf den Punkt. Schnell wird klar, dass er – in der Todeszelle sitzend – wohl kurz vor seiner Hinrichtung steht. Er erinnert sich an eine Episode aus seiner Kindheit, die in der Retrospektive wie eine Art Weichenstellung erscheint. Kurz darauf kreisen seine Gedanken um die Tat, die ihn letztlich dorthin brachte, wo er sich jetzt befindet. Nicht zufällig kommt er schließlich auf die Henkersmahlzeit zu sprechen, die gewiss all seine Sinne ansprechen wird, ehe während der Hinrichtung ein Sinn nach dem anderen weichen wird, beginnend mit der olfaktorischen Wahrnehmung und dem Augenlicht, endend mit dem Gehör, welches wohl noch über die Vitalitätszeichen hinaus funktionstüchtig sein soll. Es kann also durchaus Sinn machen, mit sterbenden Menschen etwas länger zu sprechen, als man es vielleicht aus einem unspezifischen Gefühl heraus getan hätte. Was dies für die Vollstreckung einer Hinrichtung bedeuten kann, liegt auf der Hand. Sofern dies ein möglicherweise anwesender Seelsorger nicht berücksichtigt, lässt sich erahnen, welches wohl die letzten Eindrücke des Sterbenden sein dürften. Doch darum geht es in dem Kurzfilm von Jared und Jerusha Hess allenfalls implizit. Vielmehr laufen die Gedanken des Erzählers auf die Theorie hinaus, dass der Mensch womöglich hundert Sinne habe, von denen er zu Lebzeiten nur fünf nutze, woraus Coy die Hoffnung ableitet, nach seinem Tod vielleicht die restlichen 95 nutzen zu können.
Welche Sinne könnten dies sein? Vielleicht ein Sinn der Vorahnung oder Eindrücke spiritueller Verbundenheit? In der Erkenntnistheorie wird beispielsweise die Frage diskutiert, wie der Mensch in die Erfahrung des Numinosen kommen kann. Oder um es anders zu formulieren: Gibt es vielleicht Instrumente der Erfahrung religiöser Eindrück, die jenseits der fünf „unstrittigen“ Sinne liegen? Es erscheint durchaus denkbar, dass in anderen Forschungszweigen ähnliche Problemstellungen erörtert werden. Dies herauszufinden, liegt nach der Sichtung in der Verantwortung der Zuschauer.
Kurzfazit
Die Essenz aus Gaspar Noés cineastischem Ungetüm 'Enter the Void' in Form eines animierten Kurzfilmes.
Oscar Madness (1 Auszeichnung, 1 weitere Nominierung)
Die beiden Cousins David (Jesse Eisenberg, der hier auch als Drehbuchautor und Regisseur fungiert) und Benji (Kieran Culkin) fliegen gemeinsam nach Polen, um dort ihrer verstorbenen Großmutter zu gedenken. In Bezug auf ihr Verhalten könnten beide unterschiedlicher kaum sein. David erscheint eher bieder und unauffällig, während dem deutlich extrovertierteren Benji nachgesagt wird, einen Raum zu erfüllen, sobald er ihn betritt. Auf der anderen Seite teilen die beiden jedoch gleich mehrere Backstorywounds. Neben den familiären Verhältnissen eint beide die Erfahrung einer Situation, die für beide auf verschiedene Weise traumatisch verlaufen sein muss. Als religiös-kulturelles Erbe kommt darüber hinaus der Schrecken der Shoah hinzu.
Konkret geht Eisenberg in seiner Eigenschaft als Autor und Regisseur dergestalt damit um, dass er das Thema zunächst spiralförmig umkreist. Nach der Ankunft in Polen steht beispielsweise der Besuch eines Kriegerdenkmals auf dem Plan, der noch von vergleichsweise heiterer Laune begleitet wird. Stück für Stück bricht sich das Unfassbare – nicht zuletzt durch die Begehung verschiedener Orte – immer stärker Bahn, ehe bei der Besichtigung von Majdanek nach einer kurzen Erläuterung des Reiseführers die Bilder für sich sprechen. Gemäß Adornos Diktum sind dabei auch gar keine Worte mehr nötig. Einige kurze Einstellungen transportieren hier mehr, als in vielen anderen Filmen zu anderweitigen Themen über die gesamte Laufzeit vermittelt wird. Eine große Menge an Schuhen und ein Berg an Asche sprechen dabei für sich.
In Bezug auf den Inhalt sollte der Filmkommentar an dieser Stelle dann auch enden, denn Worte können diesbezüglich kaum noch die Realität erfassen. Eisenbergs (oscarnominiertes) Dreh- und Regiebuch sprechen klar für sich.
KURZFAZIT
Ohne Verbitterung vorgetragene Tragikomödie zu einem Thema, bei dem es äußerst schwer fallen dürfte, innerhalb dieses Genre einen passenden Ton zu treffen. Eisenberg und Culkin finden jedoch einen angemessenen Weg.
Anmerkung: Um Kieran Culkins Part noch als Nebenrolle durchgehen zu lassen, müssen eigentlich schon beide Augen zugedrückt werden, doch letztlich erscheint die Entscheidung der Jury der Academy of Motion Picture Arts and Sciences gerade noch vertretbar.
++ Leichte SPOILER ++
Wer hätte das gedacht? Obwohl sich die Handlung in der Serie über den Motorradclub 'Sons of Anarchy' während der letzten Staffeln weitestgehend nur noch im Kreis drehte, war deren Geschichte mit dem Serienfinale keineswegs auserzählt. Rund vier Jahre nach Abschluss der Mutterserie produzierte Kurt Sutter ein Spin Off aus Sicht derjenigen Biker, die bei den Sons zumeist nur als „Fucking Mayans“ bezeichnet wurden. Ein Spin Off, das im Lauf der fünf Staffeln zu einer regelrechten Parade von Rückkehrern wird. Manche von ihnen haben Gastauftritte, andere wiederkehrende Rollen und einige wenige gehören sogar zur Stammbesetzung. Unter ihnen (in loser Reihenfolge, um nicht zu viel zu verraten): Gemma, Chibs, Happy, Chucky, Potter, Tig, Quinn, Wendy, Packer, Montez, Ramos und allen voran Alvarez. Auch wenn die Erzählung nun aus Sicht der Mayans erfolgt, wird (zumindest in geringen Dosen) durchaus auch die ursprüngliche Geschichte weitererzählt, nur eben aus einer anderen Perspektive.
Statt eines Präsidenten-Stiefsohnes steht nun ein Prospect mit einer doppelbödigen Backstory im Focus. Gleich in der ersten Einstellung überfährt dieser eine Krähe, während er in anderen Episoden (die Fahrt entlang des Grenzzaunes fungiert während der ersten drei Staffeln als eine Art Leitmotiv) anderen Tieren geflissentlich ausweicht. Wer darin eine Kampfansage an SAMCRO (Sons of Anarchy Motorcycle Club Redwood Original) erkennen will, liegt nicht zwingend falsch. Auch wenn es zunächst halbwegs konfliktfrei zwischen beiden Gruppierungen zugeht, so sind sie trotz aller Kooperation eben auch Konkurrenten. Doch zunächst werden andere Felder beackert. Während die Mutterserie über weite Strecken als eine Art freie Hamlet-Neuinterpretation angelegt ist, spielt Sutter in 'Mayans MC' – gleich in mehrerlei Hinsicht - zunächst mit Anklängen an Kain und Abel. Ob die damit verbundenen Verheißungen auch eingelöst werden, gilt es im Verlauf der 50 Episoden herauszufinden. Unabhängig davon: Nicht zufällig tragen die Brüder Namen mit religiösen Konnotationen.
Ezekiel „EZ“ Reyes lässt es jedenfalls nur vordergründig easy angehen. Denn nach und nach wird klar, dass er – trotz seiner regelrecht zur Schau gestellten Todessehnsucht - einen ziemlich klar umrissenen Plan verfolgt, der ab einem gewissen Punkt komplett aus dem Ruder läuft. Während sich Jax Teller in der Stammserie Episode um Episode darüber den Kopf zerbricht, wie er das Zerreißen des Clubs verhindern könnte, betrachtet sein gerissenes Pendant, das noch dazu mit einem fotografischen Gedächtnis gesegnet ist, die Dinge sehr viel direkter. Mit zunehmender Konsequenz und Geradlinigkeit geht ein ums andere mal regelrecht mit dem Kopf durch die Wand. Insofern erscheint es als überaus erstaunlich, dass die lokale Polizei so gut wie keine Rolle innerhalb dieser Geschichte spielt (während sich Bundesagenten im Verlauf der Staffel immer stärker einmischen).
Bemerkenswert erscheint auch die Tatsache, wie oft in dieser Serie Charaktere Fehleinschätzungen unterliegen. Dem Kenntnisstand der Zuschauer sind gleich mehrere Figuren in verschiedenen Situationen meilenweit hinterher. Immer und immer wieder betrachten Charaktere Vermutungen als Gewissheiten, die gar nicht zutreffen, woraus die Dramaturgie wiederholt eine ganz besonders bittere Note erhält.
Im Grunde besteht die Geschichte aus zwei Blöcken. Während die ersten drei Staffeln inhaltlich wie stilistisch wie aus einem Guss wirken, kommt es nach 30 Episoden zu einem deutlichen Bruch. Der Handlungsstrang um den Kartellboss Galindo nimmt eine massive Wendung, während die Lage rund um den MC komplett eskaliert. Die Gewaltspirale nimmt derart stark zu, dass dem Tod während der finalen Staffel keine besondere Bedeutung mehr zukommt. Gnadenlos werfen die Autoren so ziemlich alle Charaktere über Bord, deren Geschichten entweder auserzählt sind oder die für weitere Sequels nicht infrage kommen (wobei Kurt Sutters Aussagen ohnehin eher auf die Realisierung eines Prequels hindeuten). Auf der anderen Seite wird ab diesem Zeitpunkt endlich das riesige brach liegende Potenzial gehoben, das zahlreiche Charaktere mit sich bringen. Während anfangs nur einigen wenigen Figuren Geschichten aus ihrem Leben außerhalb des Clubs zugestanden werden, bekommen nun auch zahlreiche andere Personen aus dem Umfeld des Motorradclubs Backstorys oder einen privaten Rahmen und somit letztlich auch deutlichere Konturen. Sowohl in inhaltlicher als auch in stilistischer Hinsicht wird ab Staffel vier deutlich stärker mit dem Erbe des Westerngenres geflirtet.
Der Protagonist, der sich zunehmend zu einer Bestie entwickelt, macht dabei seine ganz eigene 'Breaking Bad' Entwicklung durch. Bei allen Gemeinsamkeiten, die zwischen Jax und EZ bestehen (worauf auch regelmäßig angespielt wird), könnte die Emanzipierung des aufstrebenden Prospects deutlicher kaum ausfallen. Wo Jax zaudert, um schließlich doch wieder in alte Muster zu verfallen, lässt sich EZ ab einem gewissen Punkt von niemandem mehr hineinreden. Mehr Beratungsresistenz geht kaum noch. Es erscheint, als würde er ungebremst auf eine Wand zurasen – unter völliger Verachtung des eigenen Lebens, aber auch der Leben nahezu aller Menschen um ihn herum. Kann dieses Draufgängertum langfristig gutgehen? Fünf Staffeln 'Mayans MC' bringen die Antwort.
KURZFAZIT
Jünger, wuchtiger, radikaler. Die verdammten Mayans überrollen die Krähe.
Oscar Madness (1 Nominierung)
Der Mai. Symbol für Frühling, Jugend, Frische, Tatendrang und Erneuerung, verbunden mit der Erwartung, dass die ereignisreichste Zeit des Jahres womöglich noch bevorsteht. Der Dezember hingegen weist (auch wenn es Hauptdarstellerin Julianne Moore gegenüber unfair erscheint), auf eine verblühte Vegetation und ein bald endendes Kapitel, aber immerhin auch auf ein Plus an Erfahrung hin. Zusammen ergeben beide Monatsnamen ein geflügeltes Wort zur Umschreibung eines großen Altersunterschiedes.
Ein Altersunterschied, der auch die Beziehung von Gracie und Joe überschattet. Dabei geht es nicht einfach um eine Art von unterstellter oder tatsächlicher Unangemessenheit, sondern um den Umstand, dass sie als erwachsene Frau bereits sexuellen Kontakt zu ihm hatte, als er noch 13 Jahre alt war (der Handlung soll lose auf einer Begebenheit beruhen, nach der eine Lehrerin Sex mit einem Zwölfjährigen hatte), was seinerzeit für einen Skandal in der Klatschpresse gesorgt hatte und juristisch aufgearbeitet wurde.
In der Geschichte von Todd Haynes 'May December' soll rund zwanzig Jahre später ein Live Action Movie über den Fall gedreht werden. Um sich auf ihre Arbeit am Set vorzubereiten, sucht die für die Produktion vorgesehene Hauptdarstellerin (Natalie Portman) den Kontakt zu der besagten Dezember-Dame, um ihr Rollenvorbild zu studieren und ein besseres Gefühl für die Situation und die Rolle zu entwickeln. Während der Vorbereitung auf die Dreharbeiten bemüht sie verschiedene Strategien des Method Actings, während sie selbst immer weiter in den Strudel ihrer Rolle gerät und dabei auch Grenzen überschreitet, die bis hin zu einer gewissen Auflösung ihres Daseins als eigenständige Person führen. Zwar ist ihre Mission rein beruflicher Natur (auch wenn verschiedene Beteiligte den Eindruck gewinnen, sie würden die Darstellerin nun privat kennen), doch durch das immer weitere Vordringen in die Sphäre ihres zu studierenden Rollenvorbildes wird eine Entgrenzung ihres Selbst in Gang gesetzt, die sie ab einem gewissen Punkt kaum noch aufhalten kann oder will.
Dargeboten werden also ein Ehe- und ein Künstlerdrama zugleich; welcher Facette man bei der Interpretation den Vorzug geben möchte, bleibt jedem Zuschauer selbst überlassen. Unübersichtlich wird es jedoch mit Blick auf die von Haynes angewandte Filmsprache. Wiederholt kündigt der Score das Bevorstehen unfassbarer Ungeheuerlichkeiten an, nur um statt des durchaus erwartbaren Gebrülls einen halblauten Rülpser folgen zu lassen. Man mag Haynes zugute halten, dass er bei der Wahl der Stilmittel zur Dekonstruktion der Ereignisse eben alle Register zieht, doch ob er dem Projekt mit der Überfrachtung seiner Agenda einen Gefallen tut, sei dahingestellt. Bei der Academy der Motion Picture Arts and Sciences scheint man ähnlicher Meinung zu sein, denn berücksichtigt wurde 'May December' im Rahmen der Oscarverleihung 2024 ausschließlich in der Kategorie Bestes Originaldrehbuch.
KURZFAZIT
Ambitionierter, aber vielleicht auch etwas überfrachteter Entwurf.
Oscar Madness (1 Nominierung)
++ Leichte SPOILER ++
Dem Hund sagt man nach, der beste Freund des Menschen zu sein. Doch wer ist eigentlich der beste Freund eines Hundes, der in einer Welt der anthropomorphen Tiere lebt?
In Pablo Bergers oscarnominierten Animationsfilm 'Robot Dreams' fällt die Wahl des Protagonistenhundes auf das Robotermodell „Amica 2000“. Ob die blecherne Dame sein Kumpel oder seine Lebensgefährtin werden soll, ist anfangs zwar noch nicht so richtig klar, doch etwas akuter wird diese Frage sowieso erst gegen Ende hin. Zunächst haben die beiden eine wunderbare Zeit, ehe Amica bewegungsunfähig am Strand liegenbleibt. Mangels ausreichender Muskelkraft und aufgrund der äußeren Umstände (Strandsperrung) kann Dog seinen Roboter nicht zur Reparatur bringen, also trennen sich ihre Wege an dieser Stelle. Dem Filmtitel gemäß beginnt Robo von nun an zu träumen (ob in seinen Träumen auch elektrische Schafe vorkommen, wird nicht verraten), während Dog sich nach wiederholten Rückschlägen seinem Alltag (und letztlich auch Alternativen) zuwendet. Werden beide bald wieder vereint sein oder droht ein trauriges Ende?
++ Massive SPOILER ++
Hinsichtlich des Finales gehen Pablo Berger und sein Team ganz bewusst nicht den bequemsten Weg. Sie hätten sich problemlos einen schlanken Fuß machen können, indem sie auf einen der Kniffe zurückgreifen, die sich beispielsweise im Rom Com Genre großer Beliebtheit erfreuen, um um etwa eine Situation herbeizuführen, die sich mehr oder minder zwangsläufig aus den Gegebenheiten ergibt. Stattdessen trifft einer von vier Charakteren eine Entscheidung, die sich zwangsläufig auf die Zukunft dreier anderer Figuren auswirken wird. Der bittersüße Geschmack, der sich daraus ergibt, wird zwar ein wenig durch den Umstand abgefedert, dass die jeweiligen Wohnorte offenbar nicht sehr weit auseinanderliegen, wodurch sich die Betroffenen möglicherweise noch sehr viel öfter begegnen werden und wiederholt die Möglichkeit bestehen wird, die besagte Entscheidung zu revidieren oder zu modifizieren. Doch durch das gewählte Konstrukt führt Berger anhand des Beispiels von Robotern und anthropomorphen Tieren eine Situation herbei, die menschlicher kaum sein könnte und sich deutlich näher am realen Alltag als an klischeehaften Kinoszenen befindet. Nur selten stehen bei Entscheidungen eine schwarze und eine weiße Alternativ zur Verfügung. Oftmals gibt es einfach keine Variante, die die eindeutig bessere darstellt. Wenn eine Beziehung durch äußere Einflüsse zerbricht und sich später eine neue formiert, kann es eben durchaus sein, dass jede damit verbundene Entscheidung mit dem Gefühl Schmerz und / oder Ungerechtigkeit einhergeht. Für berufliche Vorgänge gilt dies analog (wenn beispielsweise jemand für befristete Zeit als Vertretung eingestellt wird und sich als ähnlich kompetent und beliebt erweist wie der zu vertretende Kollege). Dass derlei Dilemmata verfilmt werden, ist keineswegs neu; doch im Rahmen eines Animationsfilmes lässt ein derartiges Konstrukt durchaus aufhorchen. Erst recht, wenn die Geschichte so liebevoll und detailorientiert wie in 'Robot Dreams' erzählt wird.
8,5 – 9 Punkte.
KURZFAZIT
Waustark!
++ SPOILERgefahr für alle, die das Finale der dritten Staffel bzw. die kompletten letzten beiden Staffeln der Hauptserie ('Gomorrha') noch nicht kennen ++
Alles muss man selber machen...
Nachdem die Figur des Ciro Di Marzio zum Ende der dritten Staffel vorerst aus der Serie 'Gomorrha' herausgeschrieben wurde, blieb der Verbleib seines Körpers zunächst ungeklärt. Langjährige Zuschauer werden zwar sicher schon von Anfang an einen gewissen Verdacht gehegt haben, doch Gewissheit gab es zunächst keine bzw. in bester Mafiamanier nur gegen Bezahlung. Denn auch wenn die Veröffentlichung auf dem deutschsprachigen Markt anderweitig erfolgte, schaffte dieser Nebenstrang der Geschichte von 'Gomorrha' in einigen Ländern den Sprung auf die große Leinwand. Durch 'L'Immortale' wird die Lücke geschlossen, die bezüglich der Figur des Ciro zwischen der dritten und der fünften Staffel entstanden ist. Erzählt wird, wie es dem Protagonisten mehrerer Staffeln während der Zeit seines Untertauchens (im doppelten Wortsinn) ergangen ist, wobei die Autoren die Gelegenheit ergreifen und ihre Erzählung mit einer Backstory Ciros unterfüttern. Denn Ciro trifft in seinem Exil auf einen alten Weggefährten, der während seiner Kindheit ein zwielichtiger Mentor für ihn war.
Der Ganove Bruno machte seinerzeit eine Reihe Minderjähriger zu seinen Komplizen und Helfern; rund drei Jahrzehnte später sind die Vorzeichen auf den Kopf gestellt. Ciro spannt Bruno und dessen Leute in seine Geschäfte ein, während eine russische und eine lettische Bande Druck auf sie ausüben. Auf der früheren Zeitebene werden diverse Episoden aus Ciros Kindheit und früher Jugend gezeigt, in denen der Weg zu seiner späteren „Karriere“ bei den Savastanos geebnet wurde.
Regie führt, wie eingangs bereits angedeutet, Hauptdarsteller Marco D'Amore selbst. Gelungen ist ihm damit eine gewisse Veredelung des (visuell ohnehin schon beachtlichen) Stils sowie eine Erzählung, bei der – zumindest während der ersten Hälfte des Filmes – vorerst die Dramenaspekte wieder an Bedeutung gewinnen. Auch wenn der Protagonist sich in der späteren Zeitebene oftmals äußerst wortkarg und knurrig gibt, rücken Dialoge und halbwegs bodenständige Handlungen wieder stärker in den Vordergrund, was besonders dem Erzählfluss zugutekommt. Doch je näher der Abspann rückt, desto stärker wird wieder in jene Muster verfallen, von denen auch die beiden finalen Staffeln der Mutterserie dominiert werden: Erneut werden haufenweise Konkurrenten über den Jordan geschickt, wodurch die Handlung noch vorhersehbarer erscheint, als das das Gegenteil bewirkt wird. Positiv formuliert wird den Anhängern der Serie halbwegs ausgewogener Fanservice geboten, indem während der ersten Filmhälfte an den Erzählton der ersten Staffeln angeknüpft wird, wohingegen man sich gegen Ende hin eher an den Gepflogenheiten aus den späteren Staffeln orientiert.
KURZFAZIT
Folgerichtige Ergänzung der Serie, deren Sichtung für neu hinzugekommene Zuschauer aber wahrscheinlich nur bedingt Sinn macht.
Oscar Madness (1 Nominierung)
Drei Brüder begeben sich nach Istanbul, um dort eine Haartransplantation vornehmen zu lassen. Leider ist einem von ihnen ein Fehler unterlaufen, weswegen sie jetzt nur einen einzigen Termin haben. Zwei von ihnen werden also vielleicht glatzköpfig zurück nach Hause fliegen müssen. Dann bliebe ihnen vorerst maximal noch die Chance, sich zur Kompensation ein teures Auto zu kaufen. Doch wenn sie im Geld schwimmen würden, hätten sie den Eingriff wahrscheinlich auch nicht in der Türkei vornehmen lassen wollen. Für einen von ihnen kommt es besonders dick, denn er hat einen Knoten im Genitalbereich ertastet. Im übertragenen Sinn muss er sich also gleich zweier Attacken auf seine Männlichkeit erwehren. Wer also wird den einzigen bestätigten Termin erhalten? Werden sie einen Weg finden, sich auf eine für alle tragbare Lösung zu einigen?
Während es diese Frage zu klären gibt, wird es nicht nur im sprichwörtlichen, sondern sogar im buchstäblichen Sinne nebulös. Denn ausgerechnet durch eine Art Nebel (zunächst als Wasserdampf, später als Rauch) wird die Sicht auf die Dinge auf kunstvolle Weise verfremdet. Obwohl die Handlung dieser originell animierten Stop Motion Produktion zu Beginn zwar skurril-witzig und hintergründig, aber auch mehr oder minder handfest wirkt, verleihen die verfremdenden Effekte der Geschichte auch eine gewisse Rätselhaftigkeit – und auf diese Weise vielleicht sogar einen dritten Boden. Deutungsversuche sind zwar möglich, gestalten sich wegen der mehrschichtigen Verwendung der Nebelmetaphorik jedoch als einigermaßen tückisch. Zu einem gewissen Maß wird das Publikum allerdings auch im Regen stehen gelassen, denn die Terminfrage wird zwar geklärt, doch der Hintergrund des Nebels bleibt – wie sollte es auch anders sein? - nebulös.
KURZFAZIT
Der perfekte Film bei Schluckauf.
Oscar Madness (2 Nominierung)
Eine abgelegene Insel irgendwo im Nirgendwo. Dort hausen ein Bär, ein Hirsch, ein Fuchs und viele andere Tiere (weshalb es von vielen nur ein Exemplar gibt, bleibt ein Rätsel) – und mittendrin: ein Seviceroboter, der darauf programmiert ist, Dienstleistungen zu erbringen. Dieser lernt erstmal die Sprachen verschiedener Tiere (die sich aber ebenfalls untereinander verständigen können) und brütet ein Ei aus. Der Serviceauftrag ist also klar: Das Küken beschützen und großziehen. Konkret geht es darum, dem Kleinen Fressen, Schwimmen und Fliegen beizubringen. Doch als das Küken aus dem Gröbsten heraus ist, zieht eine Gefahr herauf, die nicht nur unseren Roboter, sondern das gesamte Leben auf der Insel bedroht.
Nachdem es zunächst also recht beschaulich zugeht (abgesehen davon, dass sich einige Tiere immer wieder gegenseitig bedrohen), kippt die Handlung während des Schlussdrittels fast schon in Richtung eines animierten Actionfilmes ab, was inhaltlich zwar schlüssig erscheint, stilistisch allerdings doch einen deutlichen Bruch bedeutet. Der Vorteil aus der Sicht des Verleihs liegt auf der Hand: Wer sich von der einen Stilrichtung nicht abgeholt fühlt, kann vielleicht bei der anderen fündig werden. Der Preis dieser Strategie besteht darin, dass die Handlung nicht besonders originell daherkommt und einer ähnlichen Eskalationsspirale folgt, wie man sie aus dem Superheldengenre kennt; mit dem Hauptunterschied, dass Bedrohungssituationen in 'Der wilde Roboter' kurz genug gestaltet werden, um keine allzu hohe Altersfreigabe zu erhalten. Schließlich soll die anvisierte Zielgruppe möglichst groß ausfallen. Eine Intention, die sich auch in der visuellen Gestaltung widerspiegelt. Wie in mehreren Produktionen aus den Vorjahren kommen auch hier unterschiedliche Animationsstile zur Geltung, woraus sich eine recht kontrastreiche Mischung ergibt. Stilistisch geht man also mit der Zeit, während sich der Inhalt gar nicht mal so weit von „klassischen“ Stoffen in der Tradition von Zeichentrickfilmen wie 'Bambi' entfernt.
6 - 6,5 Punkte.
KURZFAZIT
Zeitloser Stoff, zeitgemäß animiert.
Oscar Madness (1 Nominierung)
Gibt es auch nur ein Land auf diesem Planeten, in dem es keine Thematik mit pädophilen und/oder gewalttätigen katholischen Priestern gibt? Das Muster ist in nahezu allen Dokumentationen, Reportagen oder Artikeln zu diesem Themenkomplex dasselbe: Zunächst wird den Opfern kein Glauben geschenkt, später werden die Ermittlungen nicht unterstützt oder sogar behindert. Sofern es überhaupt Eingeständnisse der zuständigen Würdenträger gibt, dann zumeist erst dann, wenn die Beschuldigten bereits verstorben sind.
Im Dokumentarfilm 'Sugarcane – Der Wahrheit auf der Spur' zeichnen Emily Kassie und Julian Brave NoiseCat die privaten Nachforschungen von Missbrauchsopfern und deren Nachfahren in einem kanadischen Missbrauchskomplex nach, der seinerzeit auch international hohe Wellen schlug. Im Umfeld einer Missionsschule in Kanada kam es jahrelang zu massiver Gewaltanwendung sowie zu Missbrauchs- und Todesfällen. Zudem verschwand eine große Anzahl an Kindern spurlos, deren sterbliche Überreste später in unmarkierten Massengräbern unweit des Schulgebäudes gefunden wurden.
Bezeichnend ist der Umstand, dass staatliche Ermittler (Polizei, Staatsanwaltschaft) keine nennenswerte Rolle in dieser Dokumentation spielen. Implizit spielt in dieser Hinsicht vielleicht auch die Skepsis der Opfer und Hinterbliebenen gegenüber staatlichen Institutionen mit hinein, was in Kenntnis von Produktionen wie der Netflix Dokuserie 'The Keepers' (über einen ähnliche gelagerten Fall mit etwas weniger Beteiligten in Baltimore) auch nicht verwunderlich erscheint.
Gegen Ende sieht man in 'Sugarcane' eine Archivaufnahme, die zeigt, wie Kirchenangehörige die Schulkinder das Ave Maria beten lassen. „Heilige Maria, Mutter Gottes, bitte für uns Sünder.“ Die missbrauchten und gepeinigten Schulkinder sind es also, die hier als Sünder um Vergebung bitten sollen. In der kruden Logik der involvierten Priester mag das sogar Sinn ergeben, denn ein Mann berichtet beispielsweise davon, dass er als Kind bei der Beseitigung von Leichen im schuleigenen Krematorium(!) eingespannt wurde. Jedoch blieben auch für einige Geistliche die Taten nicht gänzlich folgenlos. Schließlich berichtet ein Vertreter des Vatikans, dass den Tätern auferlegt wurde, zu beichten und zu beten. Klingt wie Hohn und ist es womöglich auch. Vielleicht nicht vom Vatikansprecher persönlich, aber doch von jenen, die sich selbst und ihrer Zunft derartige Richtlinien zurechtgebastelt haben. Eines ist so sicher wie das Amen in der Kirche: Es wird weitere Dokumentationen über Missbrauchsfälle im Umfeld der katholischen Kirche und über eine bestenfalls mangelhafte Aufarbeitung der Ereignisse geben.
KURZFAZIT
Wie viele Einzelfälle braucht es, um von systematisch begangenen Verbrechen zu sprechen?
Zwei Aktionen auf einen Streich:
1) Der filmtastische Festtagskalender 2025, Film #3 – Valentinstag
2) Valentinstag – Das Weihnachten des Februars. Eine Aktion von KaiserofValentichen und Framolf. (Dieses Jahr sind wir zu zweit, aber es besteht die Chance, dass die Teilnehmerzahl nächstes Jahr durch die Decke gehen wird und wir dann sogar zu dritt oder zu viert sein werden. :D )
Nachdem es bereits Zeitschleifenfilme (oder ähnliche Konzepte) zu diversen Fest- und Feiertagen wie Weihnachten, Hochzeiten oder gar dem Murmeltiertag gibt, darf natürlich auch der Valentinstag nicht fehlen. Eine Singledame lässt sich auf ein fragwürdiges Date ein, obwohl es um sie herum doch eigentlich nur so vor möglichen Kandidaten wimmelt. Für das Publikum ist die Lage relativ schnell klar, bei der Protagonistin dauert der Prozess aber ein wenig länger. Nach dem Prinzip von Versuch und Irrtum testet sie sowohl bei der Partnersuche als auch im Beruf verschiedene Strategien, was zwar nicht zu großen Gags, aber immerhin zu einer kurzweiligen Erzählung führt. Jeder der möglichen Partner in spe bringt einige Vor- und Nachteile mit sich. Wie oftmals auch im realen Leben gilt es für sie nun herauszufinden, mit welchen Schwächen sie leben kann und welche sich als Ausschlusskriterien erweisen werden. In beruflicher Hinsicht geht es für sie ebenfalls um Prioritätensetzung, doch insgesamt gestaltet sich die Lage dort etwas anders.
Auch wenn die Geschichte eher oberflächlich bleibt, verbirgt sich durchaus auch ein wenig Substanz unter der Oberfläche (wenn auch nicht allzu viel). Die „cineastische“ Qualität der Produktion erweist sich genregemäß als zweckmäßig. Einerseits wirkt es fast schon ironisch, wenn ausgerechnet Liebesfilme mehr oder weniger lieblos abgefilmt werden, andererseits passt eine „industrielle“ Abfertigung aber schon wieder recht gut zum Geist und zur Geschichte des Valentinstages Der Erzählton jedoch wirkt immerhin halbwegs unbeschwert, wodurch sich 'Immer wieder Valentinstag' für manche Filmfans möglicherweise für eine Sichtung zu diesem künstlich erschaffenen Feststag eignen könnte.
5 – 5,5 Punkte.
KURZFAZIT
Romanze mit einigen vorhersehbaren Entwicklungen, die durch die Zeitschleifenthematik aber immerhin ein besonderes Merkmal aufweist.
++ Leichte SPOILER ++
Die Jugend von gestern ist auch nicht mehr das, was sie einmal war.
Die Formalia zuerst: Erzählt werden drei halbwegs von einander unabhängige Geschichten über drei Cliquen von Jugendlichen, die sich trotz eines recht geringen Altersunterschiedes fast schon als verschiedene Generationen bezeichnen lassen. Jeder Generation werden jeweils zwei Staffeln gewidmet. Darüber hinaus erhalten einige der Charaktere (bzw. deren Geschichten) während der siebten Staffel ein Update in Form von auf zwei Episoden aufgeteilten Fernsehfilmen. Verbindendes Element zwischen allen drei Generationen ist der enorme Hang zum Hedonismus (bezogen auf einige Charaktere) und zu Ausschweifungen (alle Charaktere). Berauschende Substanzen jedweder Art werden mit einer Selbstverständlichkeit konsumiert, mit die meisten Zuschauer wohl allenfalls Kaffee oder Cola zu sich nehmen. Hieraus leitet sich auch der Titel der Serie ab („skins“ als Szenebegriff für rolling papers). Sex wiederum ist für die meisten Charaktere kein großes Ding (man hat ihn einfach bei fast jeder sich bietenden Gelegenheit), während sich für sie auf der anderen Seite aber auch quasi alles darum dreht. Überspitzt gesagt machen die Jungs und Mädels aus 'Skins' die ganze Stadt zu einem gigantischen Szeneclub, in dem überall konsumiert, kopuliert und sich hin und wieder auch geprügelt wird. Die Jugendlichen lassen es also ordentlich krachen, während die Erwachsenen fast durchweg als Zerrbilder oder gar als Witzfiguren erscheinen.
In personeller Hinsicht wiederum erscheinen die Konstanten etwas spärlicher gesät als in Bezug auf die Thematik. Doch immerhin: Es gibt sie. Effy, Nebenfigur in Staffel eins und zwei steigt zur zentralen Protagonistin der zweiten Generation auf. Zudem tauchen einige Erwachsene wie Effys Mutter, der Schulleiter, der Sportlehrer und andere über mehrere Staffeln hinweg auf, wodurch sich (neben einigen inhaltlichen Verbindungen) eine personelle Klammer für die Geschichten ergibt.
Mit Blick auf die Besetzung erweist sich besonders die erste Staffel als regelrechte Talentschmiede, denn mit Nicholas Hoult, Dev Patel, Kaya Scodelario und Daniel Kaluuya oder auch den Castmitgliedern von 'Game of Thrones', Hannah Murray und Joe Dempsey, konnte eine ganze Reihe der Darsteller auf einer noch größeren Bühne reüssieren, während von den in der dritten Staffel neu hinzugekommenen Schauspielern unter anderem Kathrin Prescott und Jack O'Connell ihren Weg im Filmgeschäft gehen konnten.
Auch wenn die Thematik der Serie im Großen und Ganzen konstant erhalten bleibt, ändert sich die Akzentierung doch recht deutlich. Während zu Beginn die großen und kleinen Tragödien des Lebens im Vordergrund stehen, schlägt die Handlung ab dem Finale der zweiten Generation doch deutliche Kapriolen. Wie aus dem Nichts taucht beispielsweise ein psychopathischer Killer auf, von einigen weiteren Auswüchsen ganz zu schweigen. Die finalen Abschlusserzählungen 'Fire', 'Pure' und 'Rise' treffen schlussendlich weder den Erzählton der vorherigen Episoden noch fangen sie den inhaltlichen Geist dieser ein, was aber keineswegs bedeuten soll, dass die Geschichten aus der Luft gegriffen wären. Geboten bekommt man einen Finanzthriller, ein psychologisches Drama sowie einen Kriminalthriller, die zwar durchaus zu den jeweils involvierten Charakteren passen, aber dennoch eher wie Spin Offs wirken. Besonders im Fall der zwar atmosphärisch dicht inszenierten Abschlussfolge stellt sich in gleich mehrfacher Hinsicht die Frage nach der Plausibilität.
Wer sich nach Abschluss der Sichtung einen Blick auf das US-Remake gönnen will, bekommt bereits mit der ersten Einstellung einen Fingerzeig darauf, was einen dort erwarten wird: Statt nackter Menschen ist auf die Bettwäsche von Tonys US-Pendant ein Superheld aufgedruckt. Sehen wollte das aber wohl kaum jemand, denn die Produktion des Remakes wurde recht rasch wieder eingestellt.
KURZFAZIT
Rauschhafte Hatz von einem Exzess zum nächsten.
Auf den eigentlich schon recht runden Abschluss der stark fiktionalisierten Historienserie 'The Last Kingdom' wird mit dem Spielfilm 'Seven Kings Must Die' ein weiterer Deckel gesetzt. Die Handlung setzt das Geschehen mehr oder weniger nahtlos fort, die Kenntnis der Charaktere und der vorhergehenden Ereignisse wird als gegeben vorausgesetzt. Zwar werden zu Beginn Vorkommnisse aus den fünf Staffeln der Serie aus dem Off rekapituliert, doch die Zusammenfassung fällt derart grob und rudimentär aus, dass sie wohl kaum einem Zuschauer nutzen dürfte. Für all jene, die die 46 Episoden gesehen haben, fällt die Einführung zu knapp aus, da nur wenige Wegmarken wiedergegeben werden, während Neulinge im Universum dieser Serie zu wenig Detailinfos bekommen. Namen und Funktionen der Charaktere müssen sich letztere selbst erschließen, was so gut wie unmöglich erscheint. Als eigenständiger Film funktioniert 'Seven Kings Must Die' also so gut wie gar nicht, als Epilog zur Serie aber immerhin bedingt.
Während das Wiedersehen mit den Überresten des noch verbliebenen Rumpfcasts (viele Charaktere haben bereits das Zeitliche gesegnet) durchaus nostalgisch ausfällt, wirkt die Erzählung an sich äußerst gehetzt. Zahlreiche Stationen werden binnen kürzester Zeit abgearbeitet, wodurch der Eindruck entstehen kann, man bekäme hier den Trester der Serie zu sehen. Dementsprechend konzentriert schlagen auch die Stärken und Schwächen der Produktion durch. Indiskretionen, Verrat, Intrigen oder Meinungsänderungen verpassen den Entwicklungen wiederholt einen neuen Drall. Protagonist Uhtred mäandert, wie man es seit Jahren gewohnt ist, ohnehin zwischen den Zentren der Macht hin und her – sofern es diese überhaupt auch faktisch gibt. Das Tragen einer Krone befähigt in der Vor- und Frühzeit Englands noch keineswegs automatisch zur Ausübung von wirksamer Herrschaftsgewalt. Die Claims sind vorerst nur unzureichend abgesteckt und die Kräfteverhältnisse ändern sich fast monatlich – zumindest entsteht dieser Eindruck.
Gerade mit Blick auf die Häufigkeit des Wechsels von politischen Allianzen (die in diesem Spielfilm noch enger getaktet erscheint) kann durchaus der Eindruck entstehen, dass hier eigentlich ein in das 10. Jahrhundert (bzw. in der Serie auch 9. Jahrhundert) verlegter Spionageplot erzählt wird. Uhtred erschiene im Rahmen dieser These als Doppelspion, der in mehreren Herrschaftshäusern ein und aus geht und der abwechselnd mal mit diesen und mal mit jenen Akteuren kooperiert (auch wenn er vorwiegend um Ausgleich und das Löschen teils sprichwörtlicher, teils buchstäblicher Brände bemüht ist).
So oder so steht jedoch am Ende eine Erzählung, die trotz starker Fiktionalisierung (die wohl auch großen Lücken in der Geschichtsschreibung geschuldet sein dürfte) einen Blick auf eine Ära wirft, die zuvor nur sehr überschaubaren Widerhall in fiktionalen Produktionen fand.
Gerade noch 6 Punkte.
KURZFAZIT
Solider Epilog zur Hauptserie, der als für sich stehender Spielfilm jedoch so gut wie gar nicht funktioniert.
Die Prämisse ist schnell umrissen: Das heutige England stellt sich als Flickenteppich verschiedener Königreiche dar. Im Zentrum der Geschichte von 'The Last Kingdom' steht die fiktive Figur des Uhtred von Bebbanburg. Er wird als Kind von Wikingern entführt und großgezogen, ehe er sich viele Jahre später mit König Alfred von Wessex verbündet, da sich ihre Interessen teilweise überschneiden. Im Spannungsfeld zwischen Identitätskrise und Akzeptanzproblemen möchte sich Uhtred näher an die Stellung kämpfen, derer er seinerzeit beraubt wurde. Dabei kreuzen sich seine Wege mit zahlreichen anderen Charakteren, die jeweils ganz eigene Interessen verfolgen, woraus ein permanentes und teils wüstes Hauen und Stechen resultiert.
Sobald man sich als Zuschauer im Gewirr zahlreicher ähnlich klingender Namen zumindest halbwegs einen Überblick verschafft hat (Beispiele: Aethelflaed, Aethelred, Aethelhelm, Aethelstan, Aethelwold, Aelswith, Aelflaed, Aelfwynn, Aelfweard, Aelfric usw.), breitet sich eine durchaus spannende Geschichte aus, die vor allem von Intrigen, Täuschungen und Verrat geprägt ist. Alleinstellungsmerkmale findet man jedoch überwiegend im Bereich des Produktionsdesigns.
Die Ausstattung wirkt im Vergleich zu vielen anderen Historienproduktionen äußerst spartanisch, doch gerade in den Kategorie Szenenbild und Kostüm dürften die Verantwortlichen von 'The Last Kingdom' deutlich näher an der zeitgenössischen Realität liegen als in Sachen Inhalt. Karg eingerichtete Räume, zweckmäßige Kleidung und sogar eine recht schlichte Krone laufen vielleicht den anfänglichen Erwartungen einiger Zuschauer zuwider, könnten aber halbwegs den Stil der gezeigten Ära abbilden. Unabhängig davon: Die Quellenlage ist dünn und der Wahrheitsgehalt der wenigen Überlieferungen lässt sich mitunter nur schwer verifizieren. Die Drehbuchautoren einer derart umfassenden Erzählung (fünf Staffeln und ein Spielfilm) sind also gezwungen, nicht nur in Detailfragen, sondern auch hinsichtlich grober Entwicklungen massiv zu improvisieren. Wenn der überlieferte Unterbau mehr Leerstellen als Substanz aufweist und die Auftraggeber (Produzenten, Fernsehsender, Streamingdienst) die Einhaltung diverser Kriterien fordern (regelmäßige Spannungspitzen an klar definierten Punkten etc.), kann sich jeder Zuschauer selbst ausrechnen, dass zwar vielleicht der grobe Rahmen gut getroffen sein mag, in Detailfragen jedoch vieles spekulativ bleibt.
Randnotiz: Während einige Gast- und Nebenrollen mit international bekannten Namen (wie beispielsweise Rutger Hauer, Charlie Murphy oder Ian Hart) besetzt sind, findet sich mit Emily Cox sogar eine deutschsprachige Actrice in der Kernbesetzung wieder. Peri Baumeister ist zudem in einer Nebenrolle involviert.
KURZFAZIT
Stark fiktionalisierte Historienserie, die sich formal – im Vergleich zu vielen ähnlichen Produktionen – relativ aufgeräumt präsentiert.
Mit Spieleabenden ist es oft so eine Sache. Wenn sich die richtigen Leute zusammenfinden, steht einer vergnüglichen Zeit nicht viel im Weg, ob mit Spielen oder ohne. Hat man es mit Unsympathen oder als Neuling mit einer bisher geschlossenen Gruppe zu tun, können die Spiele vielleicht helfen, das erste Eis zu brechen. Letzteres ist zwar auf irgendeine schräge Weise auch hier der Fall, doch darauf könnte der Protagonist wahrscheinlich gerne verzichten.
Jedenfalls bringt ihn seine neue Freundin (Janina Uhse) erstmals zu einem dieser Abende in Berlin Grunewald mit. In Grunewald!! Dort geht für Durchschnittsbürger bekanntlich immer alles schief, wie Hauptcharakter Jan (Dennis Mojen) von seinem besten Freund (Edin Hasanovic) erfährt. Und dieser sollte recht behalten...
In der dortigen Villa angekommen, darf sich unser Antiheld zunächst ein paar herablassende Sprüche durch den Gastgeber (Axel Stein) gefallen lassen, in denen vornehmlich Bildungslücken des Gastes ins Visier genommen werden. Gerade in diesen Momenten ist die Inszenierung von Marco Petry ('Die Klasse von '99 – Schule war gestern, leben ist jetzt', ebenfalls mit Axel Stein) vielleicht am eindringlichsten. Die Mischung aus Skepsis und kalter Abneigung, die dem Protagonisten zunächst entgegenschlägt, ist regelrecht mit den Händen zu greifen. Sekunden betretenen Schweigens können sich dabei wie Kaugummi in die Länge ziehen. Jeder kennt solch unangenehme Situationen (wenn auch vielleicht aus anderen Lebensbereichen), in denen sich mehrere Mitglieder einer mehr oder minder verschworenen Gruppe zunächst nach außen abschotten, während sich nur manche Anwesende etwas mehr Mühe für einen halbwegs offenen Empfang geben. Jan tut durch eigene Fehler sein Übriges dazu und schlittert so immer tiefer in einen Abend, der sich aber mal so richtig unangenehm gestaltet.
Mit zunehmender Dauer häufen sich dann auch skurrile Ereignisse, was schließlich in einem Finale mit Trashcharakter gipfelt – und auf diese Weise dem vorherigen Geschehen wieder ein wenig den Zahn zieht.
Gerade noch sechseinhalb im Netz gefangene Tollpatsche.
KURZFAZIT
Gut, dass sich dieser Abend nur auf der Mattscheibe - und nicht im realen Leben - abspielt.
Oscar Madness (6 Nominierungen)
Die Academy im Dirigentenfieber. Auf die sechs Oscarnominierungen für 'Tar' im Jahr 2023 folgen ein Jahr später sieben Nominierungen für das Bernstein-Biopic 'Maestro'. Doch obwohl beide Entwürfe einige inhaltliche Parallelen aufweisen, klaffen doch tiefe Gräben zwischen beiden Geschichten.
In Todd Fields Psychodrama 'Tar' verkörpert Cate Blanchett eine gefeierte Dirigentin, die sich im Lauf ihrer Karriere eine enorme Fallhöhe erarbeitet hat. Das Publikum sieht zu ihr auf; ihr beruflicher Status fällt dementsprechend beachtlich aus. Ihre Personalentscheidungen werden zwar vielleicht stirnrunzelnd hinterfragt, aber nicht wirklich angefochten. Immer wieder schlagen ihr skeptische (und vielleicht auch warnende) Blicke entgegen, wovon sie sich jedoch augenscheinlich nicht großartig beirren lässt. Der Umstand, dass sie zudem berufliche Entscheidungen mit ihrem Privatleben verquickt, erhöht die Gefahr eines überspannten Bogens erst recht. In fachlicher Hinsicht hingegen möchte sie jede Problemstellung so akribisch wie nur möglich lösen.
Cate Blanchett also in einer prototypischen Männerrolle? Ja und nein, denn Autorenfilmer Todd Field setzt in 'Tar' Ironie- und Verfremdungseffekte derart unkonventionell ein, dass auch und gerade Erklärungsmodelle wie der hermeneutische Zirkel an ihre Grenzen geraten. Wenn das vermeintliche Vorwissen der Zuschauer nicht nur auf den Kopf gestellt, sondern nebenbei noch auf links gekrempelt wird, während andere Elemente exakt den Erwartungen und Klischees entsprechen, wird es für ideologisch motivierte Kritiker schwierig, in reflex- oder schablonenhaft vorgetragene Tiraden zu verfallen. Wenn man so möchte, erweist sich Fields Entwurf als auf Zelluloid (bzw. Binärcodes) gebanntes uneigentliches Sprechen, wodurch die inhaltliche Substanz Rezipienten regelrecht durch die Finger gleiten kann.
Normalerweise ließe sich der letzte Absatz dieses Filmkommentars mühelos in einem leicht lesbaren Satz auf den Punkt bringen; doch dem Wesen dieses Künstlerdramas würde er dann so gar nicht mehr entsprechen. Wer lieber im Konkreten bleibt, fühlt sich möglicherweise bei 'Maestro' wohler. Doch dieser Film hat seine ganz eigenen Ecken und Kanten.
KURZFAZIT
Zuschauer, denen 'Tar' gefällt, mochten auch: …
...niemand weiß es! Denn Todd Field stellt mit seiner Herangehensweise Sehgewohnheiten gezielt auf den Kopf und treibt das Spiel mit den Erwartungen auf die Spitze.
Drei bestenfalls semi-professionelle Verbrecher (unter ihnen Casey Affleck und Matt Damon) lassen sich für einen Profijob anheuern. Sie sollen den Safe des korrupten Bürgermeisters (Ron Pearlman) während des Trubels in der Wahlnacht ausräumen. Wie im Heist-Movie-Genre üblich, dürfte schon bei der Besprechung (des nicht besonders ausgeklügelten) Planes klar sein, dass es zumindest so schon mal nicht laufen wird. Erwartungsgemäß täuscht dieser Eindruck auch nicht und es bricht das pure Chaos aus, sodass statt des Raubes schon nach kurzer Zeit die Flucht der Delinquenten im Vordergrund steht. Und noch verheerender: Nach einer irrwitzigen Verfolgungsjagd wählen sie ausgerechnet jene „Verstecke“ als Unterschlupf, in denen die Polizei wohl zuerst suchen dürfte. Werden die Hobby-Gangster also einen Weg finden, ihren Kopf noch aus der Schlinge zu ziehen?
Bei einem Film mit dem Titel 'The Instigators' könnten einem so manche Erwartungen in den Sinn kommen; die Wahrscheinlichkeit steht jedoch hoch, dass diese unerfüllt bleiben werden. Irgendetwas werden sich die Marketingstrategen bei der Wahl des Filmtitels bestimmt gedacht haben, doch den Kern der Handlung macht er ganz gewiss nicht aus (außer man bezieht ihn auf zwei Nebencharaktere).
Im Großen und Ganzen fühlt sich das „Abenteuer“ der beiden Protagonisten nach einem filmischen Ausflug zurück in die 90er Jahre an, als Drehbücher wie dieses Hochkonjunktur hatten. Die beiden Hauptcharaktere streiten, arbeiten dennoch irgendwie zusammen und ziehen eine Spur der Verwüstung hinter sich her. Action- und Dialogszenen wechseln sich munter ab und natürlich sind auch die Gegenspieler der beiden Aushilfsgangster keine Waisenknaben. Manche Probleme lösen sich erstaunlich leicht in Wohlgefallen auf, während es die beiden trotzdem schaffen, sich immer tiefer in die Grütze zu manövrieren. Zwar kein großer Wurf, aber eine unterhaltsame Veranstaltung allemal.
KURZFAZIT
Grundsolider Heist-Thriller mit Buddy-Movie-Einflüssen.
Katherine (Famke Janssen) befindet sich in einem komatösen Zustand. Die zuständige Therapeutin (Anna Friel) gibt sich äußerste Mühe, auch nur das kleinste Anzeichen an mentaler Wachheit zu entdecken. Man könnte fast meinen, sie hätte sonst keine anderen Patienten. Jedenfalls bemüht sie sich sehr um Kommunikation mit Katherine. Selbst eine Bewegung der Augen oder ein Blinzeln wäre schon ein großer Erfolg. Vielleicht kann auch die einzige anwesende Angehörige (Rose Williams) unterstützend mitwirken? Jedoch macht diese keinen großen Hehl aus ihrer Distanziertheit gegenüber der nicht ansprechbaren Dame, die offenbar einen Unfall hatte. Die Pflegerin schafft es dennoch, sie in ein Gespräch zu verwickeln und ihr Informationen über die Vorkommnisse zu entlocken. Lina gibt schließlich Auskunft und holt dabei extrem weit aus, ehe sie schließlich auf den Punkt kommt.
Nach und nach wird dem Publikum eine Geschichte präsentiert, die lange um den Kern der Geschichte herumkreist, ehe schließlich etwas Klarheit in den Fall kommt. Eigentlich hätte sich das Wesentliche auch binnen weniger Minuten zusammenfassen lassen, doch dann wäre wohl nur ein Kurzfilm aus der Idee entstanden; und wahrscheinlich nicht mal ein besonders spannender. Doch so wurde es eben ein mauer Spielfilm. Die Erzählerin täuscht mehrmals in verschiedene Richtungen an, sodass sich zwar eine gewisse Tendenz abzeichnet, die über weite Strecken aber dennoch mit einem Fragezeichen versehen wird. Einen Großteil der ohnehin nur rudimentär vorhandenen Spannung bezieht 'Locked In' (2023) aus der Frage, welches von zwei denkbaren Szenarien wahrscheinlicher erscheint. Eigentlich macht die Schuldfrage keinen großen Unterschied, zudem weiß man durch die rückblickenden Schilderungen quasi von Beginn an, wie es enden wird. Daher schleppt sich die Erzählung eher mühsam ans Ziel, der Unterhaltungsfaktor fällt dementsprechend überschaubar aus.
3,5 – 4 Punkte.
KURZFAZIT
Passend zur Komathematik soll das Publikum wohl zum Einschlafen gebracht werden.
Oscar Madness (1 Nominierung)
Die Revolution liegt lange zurück und ist größtenteils in Vergessenheit geraten. Vielen Affen ist gar nicht mehr so richtig klar, wo ihre kulturellen Wurzeln liegen und welchen Weg ihre Vorfahren gegangen sind. Auf der anderen Seite ist man in diesem Szenario noch ein ganzes Stück von einer ausdifferenzierten Gesellschaft entfernt, wie man sie aus der ursprünglichen 'Planet der Affen' Reihe kennt ('Planet der Affen', 'Rückkehr vom Planet der Affen', 'Flucht vom Planet der Affen', 'Eroberung vom Planet der Affen', 'Die Schlacht um den Planet der Affen'). Aktuell wiederholen die Affen so einige Fehler der Menschen, indem sie sich im Streben um Macht das Leben gegenseitig zur Hölle machen; zumindest einige von ihnen. Affen sind eben auch nur Menschen (oder so...). Mitten in diesem Szenario bahnt sich ein junger Charakter seinen Weg, auf den verschiedene Einflüsse einwirken. Wem kann er vertrauen? Welche Richtung soll er einschlagen? Und kann es vielleicht sein, dass noch große Prüfungen auf ihn warten werden? Es fühlt sich jedenfalls danach an.
In 'Planet der Affen – New Kingdom' wird der stilistische Weg der Vorgängertrilogie konsequent weitergegangen. Animierte Charaktere interagieren mit realen Menschen, bewegen sich durch Kulissen, die sich (trotz eines massiven Einsatzes von CGI) eher den Sehgewohnheiten aus dem Live Action Movie Bereich zuordnen lassen. Oder verkürzt formuliert: Ein animierter und ein „real-menschlicher“ Charakter erleben Abenteuer. Ein Erfolgsrezept, das viele noch aus den 80er Jahren kennen – aus der Serie 'Meister Eder und sein Pumuckl'...
Aber Koboldsspaß beiseite, im Großen und Ganzen bleiben die zugeschriebenen Eigenschaften aus der ursprünglichen Reihe erhalten. Orang Utans sind also wieder bildungsaffin, aber potentiell verschlagen, während Gorillas deutlich grobschlächtiger unterwegs sind. Kein leichtes Umfeld für die Schimpansen, die in erster Linie wohl auch nicht zuletzt als Identifikationsfiguren dienen sollen. Die Handlung an sich ist weder besonders spektakulär noch unspektakulär. Vorrangig lebt Wes Balls Inszenierung vom durchaus ambitionierten Aufbau einer Welt, die man als Zuschauer gemeinsam mit dem Protagonisten erkundet. Eine Welt, die sich einen Teil davon zurückgeholt hat, was ihr einst durch die Menschen genommen wurde, und bei der nun die Frage im Raum steht, wie wohl die Affen mit ihr umgehen werden.
KURZFAZIT
Affen( gemeinsam )stark!
Oscar Madness
Witwer Karl erscheint in der Leichenhalle, um dort Abschied von seiner gerade erst verstorbenen Ehefrau zu nehmen. Womöglich wird er dort zum letzten mal ihr Gesicht sehen; auch wenn vielleicht die Mundwinkel hängen oder die Haut einen gelblichen Stich haben könnte, wie ihm mehrfach gesagt wird. Doch Karl fühlt sich nicht wohl dabei. Erst einmal möchte er herausfinden, warum die Lampe in dem Raum flackert.
Sobald er wieder zu Hause ist, wird er eine Wohnung oder ein Haus vorfinden, in dem nach langjähriger Ehe keine Gattin mehr sein wird. Ein harter Aufprall droht. Also schindet er noch etwas Zeit und begibt auf die Toilette, wo er Torben kennenlernt, der ebenfalls Witwer und ungefähr im selben Alter ist. Gibt es Torben wirklich oder stellt er nur eine externalisierte Facette der Persönlichkeit von Karl dar?
Im späteren Verlauf der Handlung wird diese Frage beantwortet werden; doch zuvor beschließt Karl, seinem Leidensgenossen beizustehen, wenn dieser seine Frau zum letzten mal sehen wird. Doch nach der Öffnung des Sarges kommt alles ganz anders als gedacht...
Autorenfilmer Lasse Lyskjær Noer bringt den Schmerz nach einem Todesfall in seinem lediglich rund 25 Minuten dauernden Kurzfilm vielleicht besser auf den Punkt, als es in so manchen Spielfilmen zur selben Thematik der Fall ist. Noch mehr gilt dies für die Konsterniertheit, die sich oftmals einzustellen beginnt, wenn ein Verlust zunehmend greifbarer wird und im Alltag allmählich durchschlägt. Manche erleben den Aufprall schon einige Stunden oder Tage danach, andere sehr viel später und wieder andere vielleicht niemals. Nicht zuletzt dieser Umstand wird in 'Ridder Lykke' eingefangen. Hinzu kommt das Motiv mehrerer Hinterbliebener, die sich gegenseitig Halt zu geben versuchen oder zumindest auch mal fünf gerade sein lassen, wenn sie eine Verbundenheit in Schmerz und Ratlosigkeit verspüren. Keine schlechte Bilanz für einen nicht einmal halbstündigen Kurzfilm.
KURZFAZIT
Eine schwierige (wenn auch leider zum Leben gehörende) Lage prägnant auf den Punkt gebracht.
Oscar Madness (1 Nominierung)
Eine Gruppe junger Abenteurer trifft im Weltraum auf eine offenbar verlassene Raumstation. Auf eigene Faust begeben sie sich auf Erkundungstour. Eine großartige Idee! Wie kann es sein, dass vorher noch niemand darauf gekommen ist...?
Eigentlich würde man den Anriss der Synopse vielleicht mit einem reißerischen Satz beenden, der im Idealfall etwas Spannung erzeugt, doch bei einem Film, der die Bedrohung schon im Titel trägt, ist die Luft in dieser Beziehung natürlich schon von vornherein raus. Also stellt sich in erster Linie die Frage nach dem Wie und Wann. Zudem dürfte nach dem Auftauchen kleinerer Aliens so ziemlich jedem Zuschauer klar sein, dass man über die Monster im Zwergenformat wohl schon bald nur noch schmunzeln wird. Dementsprechend lenken die Produzenten ihren Fokus auf andere Aspekte.
Zuvorderst fällt hierbei das Produktionsdesign auf. Die durchaus düstere Atmosphäre, die aus der bedrückenden Enge der Gänge in der Raumstation resultiert (wohingegen manche Räume eher überdimensioniert wirken), ist angelehnt an Kulissen aus der ersten Episode der Reihe. Offenkundig standen die Verantwortlichen vor der Frage, wie mit dem Design der Bildschirmgeräte umzugehen ist. Wählt man einen zeitgemäßen Ansatz oder bleibt man dem damaligen Produktionsdesign treu, was jedoch nur zu dem Preis möglich ist, dass eine Art 80er-Jahre Pendant zum Steampunk-Look daraus resultiert. Angesichts der Ansiedlung der Geschichte zwischen den ersten beiden Filmen hat man sich für zweitere Variante entschieden, woraus sich auch ein gewisses Markenzeichen ergibt, das wie eine Visitenkarte von 'Alien: Romulus' wirkt.
Eine weitere Hommage an die Anfänge der Reihe findet sich in der Ausgestaltung der Überreste des Charakters von Ian Holm ('Herr der Ringe'), die wohl auch maßgeblichen Anteil bei der Entscheidung für die Nominierung für einen Oscar in der Kategorie Beste visuelle Effekte gehabt haben dürfte. Gerade in Verbindung mit einer Reihe handgemachter Filmtricks kommt dabei ein Konzept zum Ausdruck, das zwar durchaus Angriffspunkte bietet, aber immerhin einen mehr oder minder eigenständigen Weg geht.
Angesichts der handwerklichen Kunstfertigkeit, die dabei zum Ausdruck kommt, erscheinen die Kapriolen, die die Handlung gegen Ende hin schlägt, dann doch etwas kühn, auch wenn sie sich durchaus an manche Entwicklungen aus vorherigen Filmen der Reihe anfügen.
KURZFAZIT
Technisch und handwerklich versiert, künstlerisch streitbar, inhaltlich grenzwertig.
Oscar Madness (1 Nominierung)
Bosnien, 1993. Ein zusammengewürfelte Reisegesellschaft, die in dieser Form nicht mehr aufeinandertreffen wird, sitzt in einem Zugabteil. Eine junge Frau hört Musik auf ihrem Walkman, zwei Männer schweigen (noch), einer blickt verängstigt drein, ein anderer zieht nervös an seiner Zigarette. Aus gutem Grund, denn der Zug wurde von bewaffneten Männern gestoppt, die eine Personenkontrolle durchführen wollen. Mit welcher Legitimation das geschehen soll, bleibt zunächst unklar, denn ausweisen wollen sie sich nicht. Sind es Polizisten, Soldaten, Grenzschützer oder Freischärler? Ein Verdacht kommt schnell auf, Gewissheit gibt es allerdings erst später.
Filmemacher Nebojša Slijepčević zeigt in seinem Kurzfilm 'Der Mann, der nicht schweigen wollte', wie schnell eine scheinbar alltägliche Situation in einer gesellschaftlich und politisch explosiven Lage in eine absolute Katastrophe umschlagen kann. Zwar erscheint zunächst unklar, was genau vor sich geht, doch die Kameraarbeit und das Wissen um die allgemeine Gemengelage (durch einige Requisiten wird signalisiert, in welcher Zeit sich das Geschehen wohl abspielen muss) verheißen nichts Gutes. Die Charaktere befinden sich in einer Situation, aus der es buchstäblich kein Entrinnen gibt. Der enge Gang im Waggon wird in beide Richtungen versperrt. Wonach suchen die Bewaffneten? Und falls es sich um keine reguläre Aktion zur Verbrechensbekämpfung handelt: Wie würde man sich als Zuschauer in einer ähnlichen Situation wohl selbst verhalten?
Slijepčević stellt dem Publikum nicht mehr Informationen zur Verfügung, als unbedingt notwendig, wodurch man als Zuschauer regelrecht zu aufmerksamer Rezeption gezwungen wird. In der Folge kann dabei fast ein Gefühl entstehen, als wäre man als stiller Beobachter selbst dabei, was für einen Film von gerade mal knapp 14 Minuten Laufzeit mehr als beachtlich erscheint.
KURZFAZIT
Cineastisches Denkmal für ein leuchtendes, aber zugleich tragisches. Beispiel an Zivilcourage.
Japanuary 2025 - Oscar Edition II, Film 9 / 9 (2 Nominierungen)
Ein Fremder aus der Stadt wird in einem Sandloch festgehalten, in dem eine Hütte steht. In der Hütte lebt eine Frau, die dort ebenfalls festsitzt. Von oben rieselt stetig Sand nach. Wasser und Nahrung sind streng rationiert, zudem fordert die sengende Hitze ihren Tribut. Es scheint kein Entkommen möglich zu sein. Der Protagonist sieht sich dadurch jedoch erst recht angestachelt. Was hat es mit diesem sonderbaren Ort auf sich? Und wird die Flucht gelingen?
Nachdem der Gefangene einige dürftige Informationen von seiner „Mitbewohnerin“ erhält, zeichnet sich bereits ab, worum es hier wohl gehen dürfte; dafür generiert sich in der Folgezeit die Spannung über die Frage, wie man vielleicht aus dieser verzwickten Lage entkommen könnte – und wie sich der Alltag bis dahin einigermaßen erträglich gestalten lässt.
In stilistischer Hinsicht verhält es sich umgekehrt proportional zur vordergründig minimalistischen Handlung (die jedoch nachdrücklich zu Interpretationen einlädt). Denn auch wenn 'Die Frau in den Dünen' kein prototypischer Experimental- oder Avantgardefilm ist, so kommt in den wohlkonzipierten und -komponierten Bildern ein beachtlich großes Maß an Kreativität und Experimentierfreude zum Ausdruck, was die Herzen vieler Cineasten auch Jahrzehnte später noch höher schlagen lässt. Insofern erscheint auch der Einfluss kaum verwunderlich, den Hiroshi Teshigaharas für zwei Oscars nominierte Inszenierung (zunächst in der Sparte Bester Internationaler Film, ein Jahr später in der Kategorie Beste Regie) – auch und gerade im Subgenre der klaustrophobischen Thriller - auf spätere Produktionen ausübt(e), in denen ein vergleichbarer Nihilismus zum Ausdruck kommt (auch wenn es sich in dieser Frage hier ein wenig komplexer verhält als in manch anderen Produktionen).
KURZFAZIT
Sandtastisches Filmhandwerk.