Framolf - Kommentare

Alle Kommentare von Framolf

  • 6 .5
    Framolf 17.02.2025, 05:27 Geändert 04.03.2025, 06:33

    Oscar Madness (1 Nominierung)

    Drei Brüder begeben sich nach Istanbul, um dort eine Haartransplantation vornehmen zu lassen. Leider ist einem von ihnen ein Fehler unterlaufen, weswegen sie jetzt nur einen einzigen Termin haben. Zwei von ihnen werden also vielleicht glatzköpfig zurück nach Hause fliegen müssen. Dann bliebe ihnen vorerst maximal noch die Chance, sich zur Kompensation ein teures Auto zu kaufen. Doch wenn sie im Geld schwimmen würden, hätten sie den Eingriff wahrscheinlich auch nicht in der Türkei vornehmen lassen wollen. Für einen von ihnen kommt es besonders dick, denn er hat einen Knoten im Genitalbereich ertastet. Im übertragenen Sinn muss er sich also gleich zweier Attacken auf seine Männlichkeit erwehren. Wer also wird den einzigen bestätigten Termin erhalten? Werden sie einen Weg finden, sich auf eine für alle tragbare Lösung zu einigen?

    Während es diese Frage zu klären gibt, wird es nicht nur im sprichwörtlichen, sondern sogar im buchstäblichen Sinne nebulös. Denn ausgerechnet durch eine Art Nebel (zunächst als Wasserdampf, später als Rauch) wird die Sicht auf die Dinge auf kunstvolle Weise verfremdet. Obwohl die Handlung dieser originell animierten Stop Motion Produktion zu Beginn zwar skurril-witzig und hintergründig, aber auch mehr oder minder handfest wirkt, verleihen die verfremdenden Effekte der Geschichte auch eine gewisse Rätselhaftigkeit – und auf diese Weise vielleicht sogar einen dritten Boden. Deutungsversuche sind zwar möglich, gestalten sich wegen der mehrschichtigen Verwendung der Nebelmetaphorik jedoch als einigermaßen tückisch. Zu einem gewissen Maß wird das Publikum allerdings auch im Regen stehen gelassen, denn die Terminfrage wird zwar geklärt, doch der Hintergrund des Nebels bleibt – wie sollte es auch anders sein? - nebulös.

    KURZFAZIT

    Der perfekte Film bei Schluckauf.

    32
    • 6
      Framolf 16.02.2025, 06:56 Geändert 04.03.2025, 06:33

      Oscar Madness (2 Nominierung)

      Eine abgelegene Insel irgendwo im Nirgendwo. Dort hausen ein Bär, ein Hirsch, ein Fuchs und viele andere Tiere (weshalb es von vielen nur ein Exemplar gibt, bleibt ein Rätsel) – und mittendrin: ein Seviceroboter, der darauf programmiert ist, Dienstleistungen zu erbringen. Dieser lernt erstmal die Sprachen verschiedener Tiere (die sich aber ebenfalls untereinander verständigen können) und brütet ein Ei aus. Der Serviceauftrag ist also klar: Das Küken beschützen und großziehen. Konkret geht es darum, dem Kleinen Fressen, Schwimmen und Fliegen beizubringen. Doch als das Küken aus dem Gröbsten heraus ist, zieht eine Gefahr herauf, die nicht nur unseren Roboter, sondern das gesamte Leben auf der Insel bedroht.

      Nachdem es zunächst also recht beschaulich zugeht (abgesehen davon, dass sich einige Tiere immer wieder gegenseitig bedrohen), kippt die Handlung während des Schlussdrittels fast schon in Richtung eines animierten Actionfilmes ab, was inhaltlich zwar schlüssig erscheint, stilistisch allerdings doch einen deutlichen Bruch bedeutet. Der Vorteil aus der Sicht des Verleihs liegt auf der Hand: Wer sich von der einen Stilrichtung nicht abgeholt fühlt, kann vielleicht bei der anderen fündig werden. Der Preis dieser Strategie besteht darin, dass die Handlung nicht besonders originell daherkommt und einer ähnlichen Eskalationsspirale folgt, wie man sie aus dem Superheldengenre kennt; mit dem Hauptunterschied, dass Bedrohungssituationen in 'Der wilde Roboter' kurz genug gestaltet werden, um keine allzu hohe Altersfreigabe zu erhalten. Schließlich soll die anvisierte Zielgruppe möglichst groß ausfallen. Eine Intention, die sich auch in der visuellen Gestaltung widerspiegelt. Wie in mehreren Produktionen aus den Vorjahren kommen auch hier unterschiedliche Animationsstile zur Geltung, woraus sich eine recht kontrastreiche Mischung ergibt. Stilistisch geht man also mit der Zeit, während sich der Inhalt gar nicht mal so weit von „klassischen“ Stoffen in der Tradition von Zeichentrickfilmen wie 'Bambi' entfernt.

      6 - 6,5 Punkte.

      KURZFAZIT

      Zeitloser Stoff, zeitgemäß animiert.

      37
      • 7
        Framolf 15.02.2025, 07:01 Geändert 04.03.2025, 06:33

        Oscar Madness (1 Nominierung)

        Gibt es auch nur ein Land auf diesem Planeten, in dem es keine Thematik mit pädophilen und/oder gewalttätigen katholischen Priestern gibt? Das Muster ist in nahezu allen Dokumentationen, Reportagen oder Artikeln zu diesem Themenkomplex dasselbe: Zunächst wird den Opfern kein Glauben geschenkt, später werden die Ermittlungen nicht unterstützt oder sogar behindert. Sofern es überhaupt Eingeständnisse der zuständigen Würdenträger gibt, dann zumeist erst dann, wenn die Beschuldigten bereits verstorben sind.

        Im Dokumentarfilm 'Sugarcane – Der Wahrheit auf der Spur' zeichnen Emily Kassie und Julian Brave NoiseCat die privaten Nachforschungen von Missbrauchsopfern und deren Nachfahren in einem kanadischen Missbrauchskomplex nach, der seinerzeit auch international hohe Wellen schlug. Im Umfeld einer Missionsschule in Kanada kam es jahrelang zu massiver Gewaltanwendung sowie zu Missbrauchs- und Todesfällen. Zudem verschwand eine große Anzahl an Kindern spurlos, deren sterbliche Überreste später in unmarkierten Massengräbern unweit des Schulgebäudes gefunden wurden.

        Bezeichnend ist der Umstand, dass staatliche Ermittler (Polizei, Staatsanwaltschaft) keine nennenswerte Rolle in dieser Dokumentation spielen. Implizit spielt in dieser Hinsicht vielleicht auch die Skepsis der Opfer und Hinterbliebenen gegenüber staatlichen Institutionen mit hinein, was in Kenntnis von Produktionen wie der Netflix Dokuserie 'The Keepers' (über einen ähnliche gelagerten Fall mit etwas weniger Beteiligten in Baltimore) auch nicht verwunderlich erscheint.

        Gegen Ende sieht man in 'Sugarcane' eine Archivaufnahme, die zeigt, wie Kirchenangehörige die Schulkinder das Ave Maria beten lassen. „Heilige Maria, Mutter Gottes, bitte für uns Sünder.“ Die missbrauchten und gepeinigten Schulkinder sind es also, die hier als Sünder um Vergebung bitten sollen. In der kruden Logik der involvierten Priester mag das sogar Sinn ergeben, denn ein Mann berichtet beispielsweise davon, dass er als Kind bei der Beseitigung von Leichen im schuleigenen Krematorium(!) eingespannt wurde. Jedoch blieben auch für einige Geistliche die Taten nicht gänzlich folgenlos. Schließlich berichtet ein Vertreter des Vatikans, dass den Tätern auferlegt wurde, zu beichten und zu beten. Klingt wie Hohn und ist es womöglich auch. Vielleicht nicht vom Vatikansprecher persönlich, aber doch von jenen, die sich selbst und ihrer Zunft derartige Richtlinien zurechtgebastelt haben. Eines ist so sicher wie das Amen in der Kirche: Es wird weitere Dokumentationen über Missbrauchsfälle im Umfeld der katholischen Kirche und über eine bestenfalls mangelhafte Aufarbeitung der Ereignisse geben.

        KURZFAZIT

        Wie viele Einzelfälle braucht es, um von systematisch begangenen Verbrechen zu sprechen?

        36
        • 5 .5
          Framolf 14.02.2025, 00:08 Geändert 04.03.2025, 01:15

          Zwei Aktionen auf einen Streich:
          1) Der filmtastische Festtagskalender 2025, Film #3 – Valentinstag

          2) Valentinstag – Das Weihnachten des Februars. Eine Aktion von KaiserofValentichen und Framolf. (Dieses Jahr sind wir zu zweit, aber es besteht die Chance, dass die Teilnehmerzahl nächstes Jahr durch die Decke gehen wird und wir dann sogar zu dritt oder zu viert sein werden. :D )

          Nachdem es bereits Zeitschleifenfilme (oder ähnliche Konzepte) zu diversen Fest- und Feiertagen wie Weihnachten, Hochzeiten oder gar dem Murmeltiertag gibt, darf natürlich auch der Valentinstag nicht fehlen. Eine Singledame lässt sich auf ein fragwürdiges Date ein, obwohl es um sie herum doch eigentlich nur so vor möglichen Kandidaten wimmelt. Für das Publikum ist die Lage relativ schnell klar, bei der Protagonistin dauert der Prozess aber ein wenig länger. Nach dem Prinzip von Versuch und Irrtum testet sie sowohl bei der Partnersuche als auch im Beruf verschiedene Strategien, was zwar nicht zu großen Gags, aber immerhin zu einer kurzweiligen Erzählung führt. Jeder der möglichen Partner in spe bringt einige Vor- und Nachteile mit sich. Wie oftmals auch im realen Leben gilt es für sie nun herauszufinden, mit welchen Schwächen sie leben kann und welche sich als Ausschlusskriterien erweisen werden. In beruflicher Hinsicht geht es für sie ebenfalls um Prioritätensetzung, doch insgesamt gestaltet sich die Lage dort etwas anders.

          Auch wenn die Geschichte eher oberflächlich bleibt, verbirgt sich durchaus auch ein wenig Substanz unter der Oberfläche (wenn auch nicht allzu viel). Die „cineastische“ Qualität der Produktion erweist sich genregemäß als zweckmäßig. Einerseits wirkt es fast schon ironisch, wenn ausgerechnet Liebesfilme mehr oder weniger lieblos abgefilmt werden, andererseits passt eine „industrielle“ Abfertigung aber schon wieder recht gut zum Geist und zur Geschichte des Valentinstages Der Erzählton jedoch wirkt immerhin halbwegs unbeschwert, wodurch sich 'Immer wieder Valentinstag' für manche Filmfans möglicherweise für eine Sichtung zu diesem künstlich erschaffenen Feststag eignen könnte.

          5 – 5,5 Punkte.

          KURZFAZIT

          Romanze mit einigen vorhersehbaren Entwicklungen, die durch die Zeitschleifenthematik aber immerhin ein besonderes Merkmal aufweist.

          32
          • 7 .5

            ++ Leichte SPOILER ++

            Die Jugend von gestern ist auch nicht mehr das, was sie einmal war.

            Die Formalia zuerst: Erzählt werden drei halbwegs von einander unabhängige Geschichten über drei Cliquen von Jugendlichen, die sich trotz eines recht geringen Altersunterschiedes fast schon als verschiedene Generationen bezeichnen lassen. Jeder Generation werden jeweils zwei Staffeln gewidmet. Darüber hinaus erhalten einige der Charaktere (bzw. deren Geschichten) während der siebten Staffel ein Update in Form von auf zwei Episoden aufgeteilten Fernsehfilmen. Verbindendes Element zwischen allen drei Generationen ist der enorme Hang zum Hedonismus (bezogen auf einige Charaktere) und zu Ausschweifungen (alle Charaktere). Berauschende Substanzen jedweder Art werden mit einer Selbstverständlichkeit konsumiert, mit die meisten Zuschauer wohl allenfalls Kaffee oder Cola zu sich nehmen. Hieraus leitet sich auch der Titel der Serie ab („skins“ als Szenebegriff für rolling papers). Sex wiederum ist für die meisten Charaktere kein großes Ding (man hat ihn einfach bei fast jeder sich bietenden Gelegenheit), während sich für sie auf der anderen Seite aber auch quasi alles darum dreht. Überspitzt gesagt machen die Jungs und Mädels aus 'Skins' die ganze Stadt zu einem gigantischen Szeneclub, in dem überall konsumiert, kopuliert und sich hin und wieder auch geprügelt wird. Die Jugendlichen lassen es also ordentlich krachen, während die Erwachsenen fast durchweg als Zerrbilder oder gar als Witzfiguren erscheinen.

            In personeller Hinsicht wiederum erscheinen die Konstanten etwas spärlicher gesät als in Bezug auf die Thematik. Doch immerhin: Es gibt sie. Effy, Nebenfigur in Staffel eins und zwei steigt zur zentralen Protagonistin der zweiten Generation auf. Zudem tauchen einige Erwachsene wie Effys Mutter, der Schulleiter, der Sportlehrer und andere über mehrere Staffeln hinweg auf, wodurch sich (neben einigen inhaltlichen Verbindungen) eine personelle Klammer für die Geschichten ergibt.

            Mit Blick auf die Besetzung erweist sich besonders die erste Staffel als regelrechte Talentschmiede, denn mit Nicholas Hoult, Dev Patel, Kaya Scodelario und Daniel Kaluuya oder auch den Castmitgliedern von 'Game of Thrones', Hannah Murray und Joe Dempsey, konnte eine ganze Reihe der Darsteller auf einer noch größeren Bühne reüssieren, während von den in der dritten Staffel neu hinzugekommenen Schauspielern unter anderem Kathrin Prescott und Jack O'Connell ihren Weg im Filmgeschäft gehen konnten.

            Auch wenn die Thematik der Serie im Großen und Ganzen konstant erhalten bleibt, ändert sich die Akzentierung doch recht deutlich. Während zu Beginn die großen und kleinen Tragödien des Lebens im Vordergrund stehen, schlägt die Handlung ab dem Finale der zweiten Generation doch deutliche Kapriolen. Wie aus dem Nichts taucht beispielsweise ein psychopathischer Killer auf, von einigen weiteren Auswüchsen ganz zu schweigen. Die finalen Abschlusserzählungen 'Fire', 'Pure' und 'Rise' treffen schlussendlich weder den Erzählton der vorherigen Episoden noch fangen sie den inhaltlichen Geist dieser ein, was aber keineswegs bedeuten soll, dass die Geschichten aus der Luft gegriffen wären. Geboten bekommt man einen Finanzthriller, ein psychologisches Drama sowie einen Kriminalthriller, die zwar durchaus zu den jeweils involvierten Charakteren passen, aber dennoch eher wie Spin Offs wirken. Besonders im Fall der zwar atmosphärisch dicht inszenierten Abschlussfolge stellt sich in gleich mehrfacher Hinsicht die Frage nach der Plausibilität.

            Wer sich nach Abschluss der Sichtung einen Blick auf das US-Remake gönnen will, bekommt bereits mit der ersten Einstellung einen Fingerzeig darauf, was einen dort erwarten wird: Statt nackter Menschen ist auf die Bettwäsche von Tonys US-Pendant ein Superheld aufgedruckt. Sehen wollte das aber wohl kaum jemand, denn die Produktion des Remakes wurde recht rasch wieder eingestellt.

            KURZFAZIT

            Rauschhafte Hatz von einem Exzess zum nächsten.

            34
            • 6

              Auf den eigentlich schon recht runden Abschluss der stark fiktionalisierten Historienserie 'The Last Kingdom' wird mit dem Spielfilm 'Seven Kings Must Die' ein weiterer Deckel gesetzt. Die Handlung setzt das Geschehen mehr oder weniger nahtlos fort, die Kenntnis der Charaktere und der vorhergehenden Ereignisse wird als gegeben vorausgesetzt. Zwar werden zu Beginn Vorkommnisse aus den fünf Staffeln der Serie aus dem Off rekapituliert, doch die Zusammenfassung fällt derart grob und rudimentär aus, dass sie wohl kaum einem Zuschauer nutzen dürfte. Für all jene, die die 46 Episoden gesehen haben, fällt die Einführung zu knapp aus, da nur wenige Wegmarken wiedergegeben werden, während Neulinge im Universum dieser Serie zu wenig Detailinfos bekommen. Namen und Funktionen der Charaktere müssen sich letztere selbst erschließen, was so gut wie unmöglich erscheint. Als eigenständiger Film funktioniert 'Seven Kings Must Die' also so gut wie gar nicht, als Epilog zur Serie aber immerhin bedingt.

              Während das Wiedersehen mit den Überresten des noch verbliebenen Rumpfcasts (viele Charaktere haben bereits das Zeitliche gesegnet) durchaus nostalgisch ausfällt, wirkt die Erzählung an sich äußerst gehetzt. Zahlreiche Stationen werden binnen kürzester Zeit abgearbeitet, wodurch der Eindruck entstehen kann, man bekäme hier den Trester der Serie zu sehen. Dementsprechend konzentriert schlagen auch die Stärken und Schwächen der Produktion durch. Indiskretionen, Verrat, Intrigen oder Meinungsänderungen verpassen den Entwicklungen wiederholt einen neuen Drall. Protagonist Uhtred mäandert, wie man es seit Jahren gewohnt ist, ohnehin zwischen den Zentren der Macht hin und her – sofern es diese überhaupt auch faktisch gibt. Das Tragen einer Krone befähigt in der Vor- und Frühzeit Englands noch keineswegs automatisch zur Ausübung von wirksamer Herrschaftsgewalt. Die Claims sind vorerst nur unzureichend abgesteckt und die Kräfteverhältnisse ändern sich fast monatlich – zumindest entsteht dieser Eindruck.

              Gerade mit Blick auf die Häufigkeit des Wechsels von politischen Allianzen (die in diesem Spielfilm noch enger getaktet erscheint) kann durchaus der Eindruck entstehen, dass hier eigentlich ein in das 10. Jahrhundert (bzw. in der Serie auch 9. Jahrhundert) verlegter Spionageplot erzählt wird. Uhtred erschiene im Rahmen dieser These als Doppelspion, der in mehreren Herrschaftshäusern ein und aus geht und der abwechselnd mal mit diesen und mal mit jenen Akteuren kooperiert (auch wenn er vorwiegend um Ausgleich und das Löschen teils sprichwörtlicher, teils buchstäblicher Brände bemüht ist).

              So oder so steht jedoch am Ende eine Erzählung, die trotz starker Fiktionalisierung (die wohl auch großen Lücken in der Geschichtsschreibung geschuldet sein dürfte) einen Blick auf eine Ära wirft, die zuvor nur sehr überschaubaren Widerhall in fiktionalen Produktionen fand.

              Gerade noch 6 Punkte.

              KURZFAZIT

              Solider Epilog zur Hauptserie, der als für sich stehender Spielfilm jedoch so gut wie gar nicht funktioniert.

              33
              • 7 .5

                Die Prämisse ist schnell umrissen: Das heutige England stellt sich als Flickenteppich verschiedener Königreiche dar. Im Zentrum der Geschichte von 'The Last Kingdom' steht die fiktive Figur des Uhtred von Bebbanburg. Er wird als Kind von Wikingern entführt und großgezogen, ehe er sich viele Jahre später mit König Alfred von Wessex verbündet, da sich ihre Interessen teilweise überschneiden. Im Spannungsfeld zwischen Identitätskrise und Akzeptanzproblemen möchte sich Uhtred näher an die Stellung kämpfen, derer er seinerzeit beraubt wurde. Dabei kreuzen sich seine Wege mit zahlreichen anderen Charakteren, die jeweils ganz eigene Interessen verfolgen, woraus ein permanentes und teils wüstes Hauen und Stechen resultiert.

                Sobald man sich als Zuschauer im Gewirr zahlreicher ähnlich klingender Namen zumindest halbwegs einen Überblick verschafft hat (Beispiele: Aethelflaed, Aethelred, Aethelhelm, Aethelstan, Aethelwold, Aelswith, Aelflaed, Aelfwynn, Aelfweard, Aelfric usw.), breitet sich eine durchaus spannende Geschichte aus, die vor allem von Intrigen, Täuschungen und Verrat geprägt ist. Alleinstellungsmerkmale findet man jedoch überwiegend im Bereich des Produktionsdesigns.

                Die Ausstattung wirkt im Vergleich zu vielen anderen Historienproduktionen äußerst spartanisch, doch gerade in den Kategorie Szenenbild und Kostüm dürften die Verantwortlichen von 'The Last Kingdom' deutlich näher an der zeitgenössischen Realität liegen als in Sachen Inhalt. Karg eingerichtete Räume, zweckmäßige Kleidung und sogar eine recht schlichte Krone laufen vielleicht den anfänglichen Erwartungen einiger Zuschauer zuwider, könnten aber halbwegs den Stil der gezeigten Ära abbilden. Unabhängig davon: Die Quellenlage ist dünn und der Wahrheitsgehalt der wenigen Überlieferungen lässt sich mitunter nur schwer verifizieren. Die Drehbuchautoren einer derart umfassenden Erzählung (fünf Staffeln und ein Spielfilm) sind also gezwungen, nicht nur in Detailfragen, sondern auch hinsichtlich grober Entwicklungen massiv zu improvisieren. Wenn der überlieferte Unterbau mehr Leerstellen als Substanz aufweist und die Auftraggeber (Produzenten, Fernsehsender, Streamingdienst) die Einhaltung diverser Kriterien fordern (regelmäßige Spannungspitzen an klar definierten Punkten etc.), kann sich jeder Zuschauer selbst ausrechnen, dass zwar vielleicht der grobe Rahmen gut getroffen sein mag, in Detailfragen jedoch vieles spekulativ bleibt.

                Randnotiz: Während einige Gast- und Nebenrollen mit international bekannten Namen (wie beispielsweise Rutger Hauer, Charlie Murphy oder Ian Hart) besetzt sind, findet sich mit Emily Cox sogar eine deutschsprachige Actrice in der Kernbesetzung wieder. Peri Baumeister ist zudem in einer Nebenrolle involviert.

                KURZFAZIT

                Stark fiktionalisierte Historienserie, die sich formal – im Vergleich zu vielen ähnlichen Produktionen – relativ aufgeräumt präsentiert.

                35
                • 6 .5

                  Mit Spieleabenden ist es oft so eine Sache. Wenn sich die richtigen Leute zusammenfinden, steht einer vergnüglichen Zeit nicht viel im Weg, ob mit Spielen oder ohne. Hat man es mit Unsympathen oder als Neuling mit einer bisher geschlossenen Gruppe zu tun, können die Spiele vielleicht helfen, das erste Eis zu brechen. Letzteres ist zwar auf irgendeine schräge Weise auch hier der Fall, doch darauf könnte der Protagonist wahrscheinlich gerne verzichten.

                  Jedenfalls bringt ihn seine neue Freundin (Janina Uhse) erstmals zu einem dieser Abende in Berlin Grunewald mit. In Grunewald!! Dort geht für Durchschnittsbürger bekanntlich immer alles schief, wie Hauptcharakter Jan (Dennis Mojen) von seinem besten Freund (Edin Hasanovic) erfährt. Und dieser sollte recht behalten...

                  In der dortigen Villa angekommen, darf sich unser Antiheld zunächst ein paar herablassende Sprüche durch den Gastgeber (Axel Stein) gefallen lassen, in denen vornehmlich Bildungslücken des Gastes ins Visier genommen werden. Gerade in diesen Momenten ist die Inszenierung von Marco Petry ('Die Klasse von '99 – Schule war gestern, leben ist jetzt', ebenfalls mit Axel Stein) vielleicht am eindringlichsten. Die Mischung aus Skepsis und kalter Abneigung, die dem Protagonisten zunächst entgegenschlägt, ist regelrecht mit den Händen zu greifen. Sekunden betretenen Schweigens können sich dabei wie Kaugummi in die Länge ziehen. Jeder kennt solch unangenehme Situationen (wenn auch vielleicht aus anderen Lebensbereichen), in denen sich mehrere Mitglieder einer mehr oder minder verschworenen Gruppe zunächst nach außen abschotten, während sich nur manche Anwesende etwas mehr Mühe für einen halbwegs offenen Empfang geben. Jan tut durch eigene Fehler sein Übriges dazu und schlittert so immer tiefer in einen Abend, der sich aber mal so richtig unangenehm gestaltet.

                  Mit zunehmender Dauer häufen sich dann auch skurrile Ereignisse, was schließlich in einem Finale mit Trashcharakter gipfelt – und auf diese Weise dem vorherigen Geschehen wieder ein wenig den Zahn zieht.

                  Gerade noch sechseinhalb im Netz gefangene Tollpatsche.

                  KURZFAZIT

                  Gut, dass sich dieser Abend nur auf der Mattscheibe - und nicht im realen Leben - abspielt.

                  34
                  • 7
                    über Tár

                    Oscar Madness (6 Nominierungen)

                    Die Academy im Dirigentenfieber. Auf die sechs Oscarnominierungen für 'Tar' im Jahr 2023 folgen ein Jahr später sieben Nominierungen für das Bernstein-Biopic 'Maestro'. Doch obwohl beide Entwürfe einige inhaltliche Parallelen aufweisen, klaffen doch tiefe Gräben zwischen beiden Geschichten.

                    In Todd Fields Psychodrama 'Tar' verkörpert Cate Blanchett eine gefeierte Dirigentin, die sich im Lauf ihrer Karriere eine enorme Fallhöhe erarbeitet hat. Das Publikum sieht zu ihr auf; ihr beruflicher Status fällt dementsprechend beachtlich aus. Ihre Personalentscheidungen werden zwar vielleicht stirnrunzelnd hinterfragt, aber nicht wirklich angefochten. Immer wieder schlagen ihr skeptische (und vielleicht auch warnende) Blicke entgegen, wovon sie sich jedoch augenscheinlich nicht großartig beirren lässt. Der Umstand, dass sie zudem berufliche Entscheidungen mit ihrem Privatleben verquickt, erhöht die Gefahr eines überspannten Bogens erst recht. In fachlicher Hinsicht hingegen möchte sie jede Problemstellung so akribisch wie nur möglich lösen.

                    Cate Blanchett also in einer prototypischen Männerrolle? Ja und nein, denn Autorenfilmer Todd Field setzt in 'Tar' Ironie- und Verfremdungseffekte derart unkonventionell ein, dass auch und gerade Erklärungsmodelle wie der hermeneutische Zirkel an ihre Grenzen geraten. Wenn das vermeintliche Vorwissen der Zuschauer nicht nur auf den Kopf gestellt, sondern nebenbei noch auf links gekrempelt wird, während andere Elemente exakt den Erwartungen und Klischees entsprechen, wird es für ideologisch motivierte Kritiker schwierig, in reflex- oder schablonenhaft vorgetragene Tiraden zu verfallen. Wenn man so möchte, erweist sich Fields Entwurf als auf Zelluloid (bzw. Binärcodes) gebanntes uneigentliches Sprechen, wodurch die inhaltliche Substanz Rezipienten regelrecht durch die Finger gleiten kann.

                    Normalerweise ließe sich der letzte Absatz dieses Filmkommentars mühelos in einem leicht lesbaren Satz auf den Punkt bringen; doch dem Wesen dieses Künstlerdramas würde er dann so gar nicht mehr entsprechen. Wer lieber im Konkreten bleibt, fühlt sich möglicherweise bei 'Maestro' wohler. Doch dieser Film hat seine ganz eigenen Ecken und Kanten.

                    KURZFAZIT

                    Zuschauer, denen 'Tar' gefällt, mochten auch: …

                    ...niemand weiß es! Denn Todd Field stellt mit seiner Herangehensweise Sehgewohnheiten gezielt auf den Kopf und treibt das Spiel mit den Erwartungen auf die Spitze.

                    41
                    • 6 .5

                      Drei bestenfalls semi-professionelle Verbrecher (unter ihnen Casey Affleck und Matt Damon) lassen sich für einen Profijob anheuern. Sie sollen den Safe des korrupten Bürgermeisters (Ron Pearlman) während des Trubels in der Wahlnacht ausräumen. Wie im Heist-Movie-Genre üblich, dürfte schon bei der Besprechung (des nicht besonders ausgeklügelten) Planes klar sein, dass es zumindest so schon mal nicht laufen wird. Erwartungsgemäß täuscht dieser Eindruck auch nicht und es bricht das pure Chaos aus, sodass statt des Raubes schon nach kurzer Zeit die Flucht der Delinquenten im Vordergrund steht. Und noch verheerender: Nach einer irrwitzigen Verfolgungsjagd wählen sie ausgerechnet jene „Verstecke“ als Unterschlupf, in denen die Polizei wohl zuerst suchen dürfte. Werden die Hobby-Gangster also einen Weg finden, ihren Kopf noch aus der Schlinge zu ziehen?

                      Bei einem Film mit dem Titel 'The Instigators' könnten einem so manche Erwartungen in den Sinn kommen; die Wahrscheinlichkeit steht jedoch hoch, dass diese unerfüllt bleiben werden. Irgendetwas werden sich die Marketingstrategen bei der Wahl des Filmtitels bestimmt gedacht haben, doch den Kern der Handlung macht er ganz gewiss nicht aus (außer man bezieht ihn auf zwei Nebencharaktere).

                      Im Großen und Ganzen fühlt sich das „Abenteuer“ der beiden Protagonisten nach einem filmischen Ausflug zurück in die 90er Jahre an, als Drehbücher wie dieses Hochkonjunktur hatten. Die beiden Hauptcharaktere streiten, arbeiten dennoch irgendwie zusammen und ziehen eine Spur der Verwüstung hinter sich her. Action- und Dialogszenen wechseln sich munter ab und natürlich sind auch die Gegenspieler der beiden Aushilfsgangster keine Waisenknaben. Manche Probleme lösen sich erstaunlich leicht in Wohlgefallen auf, während es die beiden trotzdem schaffen, sich immer tiefer in die Grütze zu manövrieren. Zwar kein großer Wurf, aber eine unterhaltsame Veranstaltung allemal.

                      KURZFAZIT

                      Grundsolider Heist-Thriller mit Buddy-Movie-Einflüssen.

                      35
                      • 3 .5

                        Katherine (Famke Janssen) befindet sich in einem komatösen Zustand. Die zuständige Therapeutin (Anna Friel) gibt sich äußerste Mühe, auch nur das kleinste Anzeichen an mentaler Wachheit zu entdecken. Man könnte fast meinen, sie hätte sonst keine anderen Patienten. Jedenfalls bemüht sie sich sehr um Kommunikation mit Katherine. Selbst eine Bewegung der Augen oder ein Blinzeln wäre schon ein großer Erfolg. Vielleicht kann auch die einzige anwesende Angehörige (Rose Williams) unterstützend mitwirken? Jedoch macht diese keinen großen Hehl aus ihrer Distanziertheit gegenüber der nicht ansprechbaren Dame, die offenbar einen Unfall hatte. Die Pflegerin schafft es dennoch, sie in ein Gespräch zu verwickeln und ihr Informationen über die Vorkommnisse zu entlocken. Lina gibt schließlich Auskunft und holt dabei extrem weit aus, ehe sie schließlich auf den Punkt kommt.

                        Nach und nach wird dem Publikum eine Geschichte präsentiert, die lange um den Kern der Geschichte herumkreist, ehe schließlich etwas Klarheit in den Fall kommt. Eigentlich hätte sich das Wesentliche auch binnen weniger Minuten zusammenfassen lassen, doch dann wäre wohl nur ein Kurzfilm aus der Idee entstanden; und wahrscheinlich nicht mal ein besonders spannender. Doch so wurde es eben ein mauer Spielfilm. Die Erzählerin täuscht mehrmals in verschiedene Richtungen an, sodass sich zwar eine gewisse Tendenz abzeichnet, die über weite Strecken aber dennoch mit einem Fragezeichen versehen wird. Einen Großteil der ohnehin nur rudimentär vorhandenen Spannung bezieht 'Locked In' (2023) aus der Frage, welches von zwei denkbaren Szenarien wahrscheinlicher erscheint. Eigentlich macht die Schuldfrage keinen großen Unterschied, zudem weiß man durch die rückblickenden Schilderungen quasi von Beginn an, wie es enden wird. Daher schleppt sich die Erzählung eher mühsam ans Ziel, der Unterhaltungsfaktor fällt dementsprechend überschaubar aus.

                        3,5 – 4 Punkte.

                        KURZFAZIT

                        Passend zur Komathematik soll das Publikum wohl zum Einschlafen gebracht werden.

                        37
                        • 7 .5
                          Framolf 06.02.2025, 05:47 Geändert 04.03.2025, 06:34

                          Oscar Madness (1 Nominierung)

                          Die Revolution liegt lange zurück und ist größtenteils in Vergessenheit geraten. Vielen Affen ist gar nicht mehr so richtig klar, wo ihre kulturellen Wurzeln liegen und welchen Weg ihre Vorfahren gegangen sind. Auf der anderen Seite ist man in diesem Szenario noch ein ganzes Stück von einer ausdifferenzierten Gesellschaft entfernt, wie man sie aus der ursprünglichen 'Planet der Affen' Reihe kennt ('Planet der Affen', 'Rückkehr vom Planet der Affen', 'Flucht vom Planet der Affen', 'Eroberung vom Planet der Affen', 'Die Schlacht um den Planet der Affen'). Aktuell wiederholen die Affen so einige Fehler der Menschen, indem sie sich im Streben um Macht das Leben gegenseitig zur Hölle machen; zumindest einige von ihnen. Affen sind eben auch nur Menschen (oder so...). Mitten in diesem Szenario bahnt sich ein junger Charakter seinen Weg, auf den verschiedene Einflüsse einwirken. Wem kann er vertrauen? Welche Richtung soll er einschlagen? Und kann es vielleicht sein, dass noch große Prüfungen auf ihn warten werden? Es fühlt sich jedenfalls danach an.

                          In 'Planet der Affen – New Kingdom' wird der stilistische Weg der Vorgängertrilogie konsequent weitergegangen. Animierte Charaktere interagieren mit realen Menschen, bewegen sich durch Kulissen, die sich (trotz eines massiven Einsatzes von CGI) eher den Sehgewohnheiten aus dem Live Action Movie Bereich zuordnen lassen. Oder verkürzt formuliert: Ein animierter und ein „real-menschlicher“ Charakter erleben Abenteuer. Ein Erfolgsrezept, das viele noch aus den 80er Jahren kennen – aus der Serie 'Meister Eder und sein Pumuckl'...

                          Aber Koboldsspaß beiseite, im Großen und Ganzen bleiben die zugeschriebenen Eigenschaften aus der ursprünglichen Reihe erhalten. Orang Utans sind also wieder bildungsaffin, aber potentiell verschlagen, während Gorillas deutlich grobschlächtiger unterwegs sind. Kein leichtes Umfeld für die Schimpansen, die in erster Linie wohl auch nicht zuletzt als Identifikationsfiguren dienen sollen. Die Handlung an sich ist weder besonders spektakulär noch unspektakulär. Vorrangig lebt Wes Balls Inszenierung vom durchaus ambitionierten Aufbau einer Welt, die man als Zuschauer gemeinsam mit dem Protagonisten erkundet. Eine Welt, die sich einen Teil davon zurückgeholt hat, was ihr einst durch die Menschen genommen wurde, und bei der nun die Frage im Raum steht, wie wohl die Affen mit ihr umgehen werden.

                          KURZFAZIT

                          Affen( gemeinsam )stark!

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                            Oscar Madness

                            Witwer Karl erscheint in der Leichenhalle, um dort Abschied von seiner gerade erst verstorbenen Ehefrau zu nehmen. Womöglich wird er dort zum letzten mal ihr Gesicht sehen; auch wenn vielleicht die Mundwinkel hängen oder die Haut einen gelblichen Stich haben könnte, wie ihm mehrfach gesagt wird. Doch Karl fühlt sich nicht wohl dabei. Erst einmal möchte er herausfinden, warum die Lampe in dem Raum flackert.

                            Sobald er wieder zu Hause ist, wird er eine Wohnung oder ein Haus vorfinden, in dem nach langjähriger Ehe keine Gattin mehr sein wird. Ein harter Aufprall droht. Also schindet er noch etwas Zeit und begibt auf die Toilette, wo er Torben kennenlernt, der ebenfalls Witwer und ungefähr im selben Alter ist. Gibt es Torben wirklich oder stellt er nur eine externalisierte Facette der Persönlichkeit von Karl dar?

                            Im späteren Verlauf der Handlung wird diese Frage beantwortet werden; doch zuvor beschließt Karl, seinem Leidensgenossen beizustehen, wenn dieser seine Frau zum letzten mal sehen wird. Doch nach der Öffnung des Sarges kommt alles ganz anders als gedacht...

                            Autorenfilmer Lasse Lyskjær Noer bringt den Schmerz nach einem Todesfall in seinem lediglich rund 25 Minuten dauernden Kurzfilm vielleicht besser auf den Punkt, als es in so manchen Spielfilmen zur selben Thematik der Fall ist. Noch mehr gilt dies für die Konsterniertheit, die sich oftmals einzustellen beginnt, wenn ein Verlust zunehmend greifbarer wird und im Alltag allmählich durchschlägt. Manche erleben den Aufprall schon einige Stunden oder Tage danach, andere sehr viel später und wieder andere vielleicht niemals. Nicht zuletzt dieser Umstand wird in 'Ridder Lykke' eingefangen. Hinzu kommt das Motiv mehrerer Hinterbliebener, die sich gegenseitig Halt zu geben versuchen oder zumindest auch mal fünf gerade sein lassen, wenn sie eine Verbundenheit in Schmerz und Ratlosigkeit verspüren. Keine schlechte Bilanz für einen nicht einmal halbstündigen Kurzfilm.

                            KURZFAZIT

                            Eine schwierige (wenn auch leider zum Leben gehörende) Lage prägnant auf den Punkt gebracht.

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                              Framolf 04.02.2025, 01:27 Geändert 04.03.2025, 06:34

                              Oscar Madness (1 Nominierung)

                              Eine Gruppe junger Abenteurer trifft im Weltraum auf eine offenbar verlassene Raumstation. Auf eigene Faust begeben sie sich auf Erkundungstour. Eine großartige Idee! Wie kann es sein, dass vorher noch niemand darauf gekommen ist...?

                              Eigentlich würde man den Anriss der Synopse vielleicht mit einem reißerischen Satz beenden, der im Idealfall etwas Spannung erzeugt, doch bei einem Film, der die Bedrohung schon im Titel trägt, ist die Luft in dieser Beziehung natürlich schon von vornherein raus. Also stellt sich in erster Linie die Frage nach dem Wie und Wann. Zudem dürfte nach dem Auftauchen kleinerer Aliens so ziemlich jedem Zuschauer klar sein, dass man über die Monster im Zwergenformat wohl schon bald nur noch schmunzeln wird. Dementsprechend lenken die Produzenten ihren Fokus auf andere Aspekte.

                              Zuvorderst fällt hierbei das Produktionsdesign auf. Die durchaus düstere Atmosphäre, die aus der bedrückenden Enge der Gänge in der Raumstation resultiert (wohingegen manche Räume eher überdimensioniert wirken), ist angelehnt an Kulissen aus der ersten Episode der Reihe. Offenkundig standen die Verantwortlichen vor der Frage, wie mit dem Design der Bildschirmgeräte umzugehen ist. Wählt man einen zeitgemäßen Ansatz oder bleibt man dem damaligen Produktionsdesign treu, was jedoch nur zu dem Preis möglich ist, dass eine Art 80er-Jahre Pendant zum Steampunk-Look daraus resultiert. Angesichts der Ansiedlung der Geschichte zwischen den ersten beiden Filmen hat man sich für zweitere Variante entschieden, woraus sich auch ein gewisses Markenzeichen ergibt, das wie eine Visitenkarte von 'Alien: Romulus' wirkt.

                              Eine weitere Hommage an die Anfänge der Reihe findet sich in der Ausgestaltung der Überreste des Charakters von Ian Holm ('Herr der Ringe'), die wohl auch maßgeblichen Anteil bei der Entscheidung für die Nominierung für einen Oscar in der Kategorie Beste visuelle Effekte gehabt haben dürfte. Gerade in Verbindung mit einer Reihe handgemachter Filmtricks kommt dabei ein Konzept zum Ausdruck, das zwar durchaus Angriffspunkte bietet, aber immerhin einen mehr oder minder eigenständigen Weg geht.

                              Angesichts der handwerklichen Kunstfertigkeit, die dabei zum Ausdruck kommt, erscheinen die Kapriolen, die die Handlung gegen Ende hin schlägt, dann doch etwas kühn, auch wenn sie sich durchaus an manche Entwicklungen aus vorherigen Filmen der Reihe anfügen.

                              KURZFAZIT

                              Technisch und handwerklich versiert, künstlerisch streitbar, inhaltlich grenzwertig.

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                                Framolf 03.02.2025, 01:36 Geändert 04.03.2025, 06:34

                                Oscar Madness (1 Nominierung)

                                Bosnien, 1993. Ein zusammengewürfelte Reisegesellschaft, die in dieser Form nicht mehr aufeinandertreffen wird, sitzt in einem Zugabteil. Eine junge Frau hört Musik auf ihrem Walkman, zwei Männer schweigen (noch), einer blickt verängstigt drein, ein anderer zieht nervös an seiner Zigarette. Aus gutem Grund, denn der Zug wurde von bewaffneten Männern gestoppt, die eine Personenkontrolle durchführen wollen. Mit welcher Legitimation das geschehen soll, bleibt zunächst unklar, denn ausweisen wollen sie sich nicht. Sind es Polizisten, Soldaten, Grenzschützer oder Freischärler? Ein Verdacht kommt schnell auf, Gewissheit gibt es allerdings erst später.

                                Filmemacher Nebojša Slijepčević zeigt in seinem Kurzfilm 'Der Mann, der nicht schweigen wollte', wie schnell eine scheinbar alltägliche Situation in einer gesellschaftlich und politisch explosiven Lage in eine absolute Katastrophe umschlagen kann. Zwar erscheint zunächst unklar, was genau vor sich geht, doch die Kameraarbeit und das Wissen um die allgemeine Gemengelage (durch einige Requisiten wird signalisiert, in welcher Zeit sich das Geschehen wohl abspielen muss) verheißen nichts Gutes. Die Charaktere befinden sich in einer Situation, aus der es buchstäblich kein Entrinnen gibt. Der enge Gang im Waggon wird in beide Richtungen versperrt. Wonach suchen die Bewaffneten? Und falls es sich um keine reguläre Aktion zur Verbrechensbekämpfung handelt: Wie würde man sich als Zuschauer in einer ähnlichen Situation wohl selbst verhalten?

                                Slijepčević stellt dem Publikum nicht mehr Informationen zur Verfügung, als unbedingt notwendig, wodurch man als Zuschauer regelrecht zu aufmerksamer Rezeption gezwungen wird. In der Folge kann dabei fast ein Gefühl entstehen, als wäre man als stiller Beobachter selbst dabei, was für einen Film von gerade mal knapp 14 Minuten Laufzeit mehr als beachtlich erscheint.

                                KURZFAZIT

                                Cineastisches Denkmal für ein leuchtendes, aber zugleich tragisches. Beispiel an Zivilcourage.

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                                  Japanuary 2025 - Oscar Edition II, Film 9 / 9 (2 Nominierungen)

                                  Ein Fremder aus der Stadt wird in einem Sandloch festgehalten, in dem eine Hütte steht. In der Hütte lebt eine Frau, die dort ebenfalls festsitzt. Von oben rieselt stetig Sand nach. Wasser und Nahrung sind streng rationiert, zudem fordert die sengende Hitze ihren Tribut. Es scheint kein Entkommen möglich zu sein. Der Protagonist sieht sich dadurch jedoch erst recht angestachelt. Was hat es mit diesem sonderbaren Ort auf sich? Und wird die Flucht gelingen?

                                  Nachdem der Gefangene einige dürftige Informationen von seiner „Mitbewohnerin“ erhält, zeichnet sich bereits ab, worum es hier wohl gehen dürfte; dafür generiert sich in der Folgezeit die Spannung über die Frage, wie man vielleicht aus dieser verzwickten Lage entkommen könnte – und wie sich der Alltag bis dahin einigermaßen erträglich gestalten lässt.

                                  In stilistischer Hinsicht verhält es sich umgekehrt proportional zur vordergründig minimalistischen Handlung (die jedoch nachdrücklich zu Interpretationen einlädt). Denn auch wenn 'Die Frau in den Dünen' kein prototypischer Experimental- oder Avantgardefilm ist, so kommt in den wohlkonzipierten und -komponierten Bildern ein beachtlich großes Maß an Kreativität und Experimentierfreude zum Ausdruck, was die Herzen vieler Cineasten auch Jahrzehnte später noch höher schlagen lässt. Insofern erscheint auch der Einfluss kaum verwunderlich, den Hiroshi Teshigaharas für zwei Oscars nominierte Inszenierung (zunächst in der Sparte Bester Internationaler Film, ein Jahr später in der Kategorie Beste Regie) – auch und gerade im Subgenre der klaustrophobischen Thriller - auf spätere Produktionen ausübt(e), in denen ein vergleichbarer Nihilismus zum Ausdruck kommt (auch wenn es sich in dieser Frage hier ein wenig komplexer verhält als in manch anderen Produktionen).

                                  KURZFAZIT

                                  Sandtastisches Filmhandwerk.

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                                    Framolf 31.01.2025, 21:12 Geändert 31.01.2025, 21:13

                                    Japanuary 2025 - Oscar Edition II, Film #8 (1 Auszeichnung, 3 weitere Nominierungen)

                                    „Wenn man Andere wirklich sehen will, muss man den Blick in gerader Linie tief nach innen richten.“ (2:12.28)

                                    Feine Ironie, elegant-subtile Informationsvermittlung und Dialoge, deren Hauptgehalt oft zwischen den Zeilen liegt; dies ist die theatrale Welt, in der sich die Geschichte von 'Drive My Car' abspielt. Es beginnt bereits mit dem Titel, denn der Protagonist lässt sich anfangs eher widerwillig darauf ein, durch die Gegend kutschiert zu werden. Eigentlich gehört es zu seinen Ritualen, sich während der Fahrt alleine im Auto auf den Text der aktuellen Inszenierung vorzubereiten. Da es seine derzeitigen Arbeit- bzw. Auftraggeber jedoch zur Bedingung machen, dass er sich chauffieren lässt, lenkt er eher zähneknirschend ein. Kein Detail von überragender Bedeutung für den Rest der Handlung, aber doch ein Fingerzeig, worauf hier zu achten sein wird.

                                    Selbiges gilt für die Wahl der Kulissen und Drehorte, anhand derer wiederholt Informationen vermittelt werden. Beispiele wären die Einbindung des Flughafens zu Beginn der Handlung oder das Finale in Südkorea (offenbar Busan), bei dem bewusst auf eine entsprechende Texttafel verzichtet wird. Sprache, Schriftzeichen und Rechtsverkehr reichen als Hinweise schließlich aus. An derlei Konzeptions- und Inszenierungsmerkmalen wird deutlich, wie ernst Regie und Drehbuch (beide oscarnominiert) ihr Publikum nehmen. Andere Herangehensweise würden in einem Drama, das sich unter anderem auch mit der Inszenierung eines Tschechow-Dramas beschäftigt, wohl auch absurd erscheinen. Es erscheint fast müßig zu erwähnen, dass mehrere inhaltliche Elemente aus 'Onkel Wanja' auch ihre Entsprechung in der Handlung von 'Drive My Car' finden - teils direkt, aber mitunter auch gespiegelt oder uneigentlich. Doch letztlich erscheint dies eher als Ornament.

                                    ++ SPOILER ++

                                    Der eigentliche Kern der Handlung kristallisiert sich erst nach Ablauf von rund zwei Dritteln der Spieldauer heraus. In einem Gespräch zwischen dem Protagonisten und seinem einstigen Nebenbuhler vollendet Letzterer eine Erzählung, die Ersterer bisher nur bruchstückhaft kannte (bzw. mitgestaltete). Im Wesentlichen geht es (im übertragenen Sinne) darum, dass dessen verstorbene Gattin unter der in manchen Bereichen mangelhaften Kommunikation innerhalb der Ehe litt. Was für den Witwer ein Akt der Höflichkeit, Rücksichtnahme und wohl auch des Selbstschutzes gewesen sein mag (nicht nur in Bezug auf die vermeintliche oder tatsächliche Promiskuität seiner Frau, sondern auch bezüglich des Traumas wegen des Verlustes der gemeinsamen Tochter), führt für ihn rückblickend zu noch mehr Reue und Schmerz. Ein Stück weit wird diese Entwicklung zwar dadurch gedämpft, dass der Protagonist seine Informationen auf unzuverlässige Weise erhält (ausgerechnet über die Aussage eines einstigen Nebenbuhlers und beruflichen Konkurrenten), doch alleine der Umstand, dass die besagte Möglichkeit im Raum steht, lässt ihn nicht mehr ruhen. Das Gespräch auf dem Rücksitz seines Autos löst offenbar eine regelrechte Kaskade an inneren Vorgängen in Yusuke aus, der mit seinem Schmerz und seinen Zweifeln jedoch nicht alleine ist, da seine Fahrerin einen ähnlichen Rucksack zu tragen hat.

                                    ++ SPOILER ENDE ++

                                    Ihre visuelle Entsprechung findet diese Entwicklung in der Positionierung der Kamera und der daraus resultierenden Änderung der Blickwinkel. Über weite Strecken hinweg wird der rote Saab des Regisseurs und Schauspielers Yusuke vornehmlich entweder aus dem Wageninneren oder aus der Vogelperspektive gezeigt. Den Zuschauern wird auf diese Weise zwar ein geringfügig größeres Blickfeld als dem Protagonisten gewährt (ein Stilmittel, das sich auch bei Alfred Hitchcock regelmäßig findet), doch im Großen und Ganzen ist man mit ihm auf Augenhöhe, was die Kenntnis neuerer Entwicklungen betrifft (vgl. auch die Aggressionen des Jungdarstellers gegenüber den beiden potenziellen Paparazzi). Infolge des gewichtigen Gespräches ändert sich jedoch auch die Sicht der Kamera. Wiederholt erfolgt nun – analog zur Gedankenwelt der beiden Leidensgenossen Misaki und Yusuke - während der Fahrten auch ein Blick nach hinten.

                                    Zwar bietet der in 'Drive My Car' gewählte Ansatz keinen allgemeingültigen Lösungsansatz (und streng genommen noch nicht einmal eine universelle Problembeschreibung, denn zu unterschiedlich sind einfach die Gegebenheiten in verschiedenen Beziehungen), doch das dürfte auch gar nicht Ryusuke Hamaguchis Anspruch sein. Vielmehr möchte er sein Publikum wohl zum Nachdenken anregen sowie zum Hinterfragen der eigenen Verhaltensstrategien ermuntern - und wahrscheinlich auch auf hohem Niveau cineastisch verwöhnen. Eine Oscarnominierung in der Kategorie Bester Film sowie eine Auszeichnung als Bester Internationaler Film erscheinen da nur als logische Konsequenz.

                                    7,5 – 8 Punkte.

                                    KURZFAZIT

                                    Ein Film der leisen Dissonanzen.

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                                      Japanuary 2025, Film #7

                                      Selten waren bei einem Animationsfilm Begleitinfos so sehr angezeigt wie im Fall von Ghiblis oscarprämiertem Werk 'Der Junge und der Reiher', dessen Handlung sich bestenfalls unzureichend aus sich selbst heraus verstehen und interpretieren lässt. Kaku Arakawas Dokumentarfilm 'Hayao Miyazaki und der Reiher' bringt zumindest ein Stück weit Licht ins Dunkel.

                                      Es beginnt bereits mit dem Titel, der vorab einen ersten Hinweis darauf liefert, dass sich Miyazaki mit der Rolle des Protagonisten identifiziert, während die Rolle des Reihers als eine etwas scherzhafte und augenzwinkernde Persiflage seines Weggefährten Toshio Suzuki konzipiert ist; zumindest in Bezug auf die Statur sowie einige weitere Eigenschaften. Der Umstand, dass man im Animationsfilm einen Mann in der Verkleidung eines Reihers zu sehen bekommt, soll die entsprechende Filmfigur als Betrüger entlarven (wenn auch als einen, der im Verlauf der Handlung Freundschaft mit Mahito schließt). Im übertragenen Sinne soll der Reiher einen Todesengel symbolisieren, der einen in die nächste Welt bringt, womit auch zwei Kernthemen dieser Doku angesprochen werden: Die starke Begrenzung der Lebenszeit, die wir auf Erden verbringen, sowie die verwaschenen Grenzen zwischen Realität und Fiktion im Werk, aber auch im Kopf Miyazakis. Schließlich ist 'Der Junge und der Reiher' eines von gleich mehreren Werken, die ursprünglich den Abschluss von Miyazakis Laufbahn markieren sollten. Der große Meister sieht sich nicht nur mit der eigenen Endlichkeit konfrontiert, sondern er hadert auch wiederholt mit dem vermeintlichen oder tatsächlichen Nachlassen seiner motorischen und kognitiven Fähigkeiten. Immer wieder stellt er sich die Frage, ob er noch gut zeichnen kann oder ob es überhaupt jemals gut konnte. Gelegentlich spielt ihm auch sein Gedächtnis einen Streich. Sind es lediglich alltägliche Lücken, wie sie wahrscheinlich so ziemlicher jeder kennt, oder doch eher er(n)ste Vorboten einer sich anbahnenden Demenz? Noch ist alles im Rahmen, doch Miyazaki macht sich nachvollziehbarerweise Sorgen; ein Zeichen der Selbstreflexion, die auch Eingang in seine Filme findet.

                                      Dazu passend: Die Kopfwunden, die zwei Charaktere im Film tragen (reale Rollenvorbilder: Miyazaki und eine Weggefährtin), symbolisieren eine Öffnung des Gehirnes nach außen; eine Entgrenzung, die Miyazaki auch in Van Goghs Selbstverstümmelungsakt erkannt haben will.

                                      Doch der auch und gerade bei Kindern so beliebte Meister kommt nicht nur selbst zu Wort. So berichtet ein langjähriger Weggefährte beispielsweise, dass Miyazaki oft so sehr an seine Einfälle glaube, dass er sie irgendwann selbst für real halte; was wohl auch eine (von mehreren) Erklärungen für das Verschwimmen von Traum und Wirklichkeit oder von Vision und Realität in seinen Werken darstellen dürfte.

                                      Kinder an sich finden in verfremdeter Form ebenfalls Eingang in die Geschichte von 'Der Junge und der Reiher'. Doch weshalb (im übertragenen Sinn) viele von ihnen von Pelikanen gefressen werden, bleibt ebenso nebulös wie die Bedeutung der Sittiche. Irgendwelche Geheimnisse muss man schließlich bewahren. Ein Schlüssel dazu könnte vielleicht seine Ansicht sein, Kinder trügen einen dunklen Samen in sich, mit dem man sie nicht alleine lassen dürfe.

                                      Nicht minder spannend erscheint seine ambivalente Beziehung zu Isao Takahata, dem Regisseur von Ghibli-Produktionen wie 'Tränen der Erinnerung – Only Yesterday' oder 'Die Legende der Prinzessin Kaguya', der ihm Freund, Kollege, Konkurrent und Erzfeind zugleich war und von dem er zumeist wie von einem Bruder spricht, den er sich zwar nicht aussuchen konnte und mit der er oft verschiedener Meinung war, der ihm aber trotzdem enorm wichtig ist. Es klingt so, als wären zwischen beiden regelmäßig die Fetzen geflogen; jedoch auf eine Art, von der beide in beruflicher und menschlicher Hinsicht profitierten. Immer wieder schickt Miyazaki zwar verbale Spitzen in Richtung von Takahata aus, doch er beklagt auch seinen Verlust, durch den er nun nicht mehr dessen Meinung einholen kann.

                                      Randnotiz: Zwischen den Zeilen lässt sich herauslesen, dass Miyazaki mit der Geschichte von 'Pom Poko' nur bedingt einverstanden ist; vermutlich weil dort einige Details aus der Jugend der beiden – wenn auch verklausuliert – verraten werden, die Miyazaki lieber nicht auf der großen Leinwand gesehen hätte. Miyazaki revanchiert sich seinerseits, indem er Takahata als alternden Wächter und kauzigen Mentor darstellt, der nun das Zepter an Mahito übergibt.

                                      Küchenpsychologische Vermutung: Miyazaki deutet an, eine düstere Kindheit gehabt zu haben. Vielleicht ein Antrieb, um Kindern mit seinen Filmen Freude zu schenken? Abgestumpft ist Miyazaki aber offenbar trotz aller Routine noch lange nicht. Oftmals quälen ihn Sorgen über die Einhaltung von Abgabeterminen; schließlich ändert er immer wieder seine Entwürfe. Doch auch mit der Beendigung seiner Arbeit an dem Projekt werden seine Sorgen nicht kleiner, denn nun plagen ihn Zweifel, wie der Film wohl bei Kritikern und vor allem den Zuschauern ankommen werde. Denn trotz fortgeschrittenen Alters hat er sich eben noch immer eine ganze Reihe an Merkmalen aus seiner Jugend bewahrt. Dementsprechend hat er auch schon die Verlautbarung folgen lassen, dass er bereits an neuem Material arbeite. Sein nächster „letzter“ Film ist also jetzt schon keine reine Utopie mehr.

                                      KURZFZIT

                                      Diese Dokumentation liefert einen Schlüssel zu einem besseren Verständnis von 'Der Junge und der Reiher'. Nicht jede Tür lässt sich damit öffnen, aber zumindest doch einige.

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                                        Japanuary 2025 - Oscar Edition II, Film #6 (1 Auszeichnung)

                                        Mahito, dessen Mutter bei einem Brand ums Leben kam, zieht nun mit dem Vater, der offenbar kein Kind von Traurigkeit ist, zu deren Schwester. Dort tut sich für den Jungen unweit des Hauses eine neue Welt auf, wodurch sich eine Situation ergibt, die an eine Mischung von Motiven aus den Filmen 'Mein Nachbar Totoro' und 'Erinnerungen an Marnie' mit einem Schuss 'Königreich der Katzen' erinnert. Wo Studio Ghibli draufsteht, ist eben (fast) zuverlässig eine Mischung aus Eskapismus, Verfremdung, Nostalgie, Wehmut und einer ganz besonderen Beziehung zur Natur drin – von den familiären Aspekten sowie einer Coming of Age Thematik ganz zu schweigen.

                                        Auch in visueller Hinsicht ist es gelungen, den Markenkern trotz veränderter Produktionsbedingungen weitgehend beizubehalten. Zu den heimlichen Stars der Produktion gehört nach wie vor die detailreich gestaltete Flora, wodurch die Peripherie den Blick oftmals stärker bindet als der Vordergrund. Gerade unter diesem Gesichtspunkt bietet sich 'Der Junge und der Reiher' durchaus für Mehrfachsichtungen an; schließlich gibt es in Hayao Miyazakis Bilderwelten traditionell viel zu entdecken. Viele Pflanzen wirken beachtlich vital, während in den Filmen, die eher im städtischen Milieu angesiedelt sind, oftmals Alltäglichkeiten ganz besonders griffig visualisiert werden. Beides spricht jedenfalls für eine bemerkenswerte Beobachtungsgabe, die im Verbund mit hoher Kunstfertigkeit für visuelle Genüsse sorgt. Bei Miyazaki ziehen offenkundig Auge, Hand und Herz am selben Strang.

                                        Problematisch erscheint hingegen die Zugänglichkeit der in 'Der Junge und der Reiher' erzählten Geschichte. Die verfremdenden Elemente des magischen Realismus nehmen hier einen derart hohen Stellenwert ein, dass die Handlung bei Erstsichtung kaum noch zugänglich erscheint. Zu verkopft erscheinen einige Metaphern und die damit verbundenen Handlungsentwicklungen, wobei auch nicht immer ganz klar ist, welchen Motiven im übertragenen Sinn eine Bedeutung zukommt und welche Analogien überwiegend zum Selbstzweck geschaffen werden. Um diesen Umstand abzufedern, wurde mit 'Hayao Miyazaki und der Reiher' rund ein Jahr später eine Dokumentation veröffentlicht, die bezüglich einiger Fragen Licht ins Dunkel bringt.

                                        KURZFAZIT

                                        Eine Ghibli-Produktion wie aus dem Bilderbuch.

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                                          Japanuary 2025 - Oscar Edition II, Film #5 (1 Nominierung)

                                          Ein fremder (und etwas geheimnisvoller) Kämpfer ist in der Stadt. Schnell erkennt er, dass einige Bürger in Angst leben, da zwei rivalisierende Banden, angeführt von zwei Paten, die sich spinnefeind sind, die gesamte Umgebung terrorisieren. Einige der Kämpfer sind stolz auf ihre kriminelle Ader und sie prahlen regelrecht damit, von Gesetzesvertretern gesucht zu werden. Zwei hochgradig kriminelle und vergleichsweise wohlhabende Männer tragen also (zu martialischen Klängen) eine Fehde aus und zahlreiche Lemminge schließen sich ihnen an. Einige werden wie Fliegen von der Scheiße angezogen; sie ziehen sogar extra in den besagten Ort. Andere bringen sich aus Opportunismus oder aus Angst in den Konflikt mit ein. Der Rest versteckt sich, so gut es geht, und versucht, keinesfalls anzuecken. Fatalerweise profitiert letztlich aber niemand von der Situation.

                                          Die ganze Geschichte liest sich wie ein zynischer Kommentar Akira Kurosawas zur gesellschaftlichen oder politischen Lage in verschiedenen Gegenden der Welt. Ein Großteil der Bewohner hat Blut an den Händen und/oder stirbt selbst. Gutes bewirkt mit diesem Verhalten keiner von ihnen. Oder um es mit den letzten Worten eines der Charaktere zu sagen: „Am Eingang zur Hölle warte ich auf dich.“

                                          Letztlich ist es ein wohl zeitloser Stoff. In dieser Hinsicht erscheint es kaum verwunderlich, dass sich mit Sergio Leone ('Für eine Handvoll Dollar') und Walter Hill ('Last Man Standing') sowie mehreren Akteuren des Italowesterns zahlreiche namhafte Filmemacher von 'Yojimbo – Der Leibwächter' inspirieren ließen. Eine Oscarnominierung für das Beste Kostümdesign (1962) rundet die durchaus gewaltige Nachwirkung ab (auch wenn die begehrte Trophäe schließlich an die Konkurrenz von 'La Dolce Vita' verliehen wurde).

                                          KURZFAZIT

                                          Stilbildendes Werk von Akira Kurosawa, dessen Wirkung weit über das Samurai-Genre hinausreicht.

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                                          • 7
                                            Framolf 28.01.2025, 05:57 Geändert 04.03.2025, 06:35

                                            Japanuary 2025 - Oscar Edition II, Film #4

                                            Oscar Madness (1 Nominierung)

                                            ++ Enthält SPOILER ++

                                            Die Zweitklässler einer Tokioter Grundschule sollen bei einer Willkommensveranstaltung für die Erstklässler Beethovens 'Ode an die Freude' zum Besten geben; wohl auch, um den zahlreich erscheinenden Elter der neuen Schüler zu zeigen, was an dieser Schule möglich ist. Nach einem vergleichsweise streng geführten Auswahlverfahren beginnen die Proben für das Musikstück. So zynisch es auch klingen mag: Das Drama einer einzelnen Schülerin erweist sich für Filmemacherin Ema Ryan Yamazaki als Glücksfall, denn auf ihrem Beispiel kann sie eine Kurzdoku aufbauen, die wohl exemplarisch für bestimmte Entwicklungen innerhalb des japanischen Schulsystems stehen dürfte und darüber hinaus auch als Kommentar zum Leistungsgedanken einer ganzen Gesellschaft bzw. Volkwirtschaft betrachtet werden kann.

                                            Der Titel des einzustudierenden Musikstückes könnte aus Sicht der besagten Schülerin ironischer kaum sein. Schließlich kullern während der Vorbereitungen wiederholt Tränen über ihre Wangen. Zu Beginn der Proben verpasst sie mehrmals ihren Einsatz; manchmal stimmt auch ihr Timing nicht. Offenbar hat sie auch nur einen Teil des einzustudierenden Abschnitten geübt. Kleinlaut gibt sie zu, dass sie nicht genug Zeit dazu hatte. Der Lehrer hält fast schon martialische Reden darüber, dass ein einzelner das Gesamtgefüge empfindlich stören kann und dass gefälligst ausreichend geübt werden müsse. Von der Generalprobe wird das Mädchen mit dem nicht ganz so optimalen Timing sogar zeitweilig ausgeschlossen, wobei sich eine andere Lehrkraft ihrer annimmt.

                                            Als mindestens ebenso aussagekräftig wie die Geschichte im Vordergrund erweisen sich die vermeintlich kleinen Details aus dem Schulalltag, die gezeigt werden. Die Zeiten für das Mittagessen sind auf die Sekunde genau festgelegt. Die Gespräche unter den Kindern, die gezeigt werden, erinnern mitunter eher an die Unterhaltungen Erwachsener. Ob die gezeigten Szenen auch repräsentativ sind, lässt sich allerdings nur erahnen. Fest steht jedoch: Von Schreiben nach Gehör, Sportwettkämpfen ohne die Wertung von Ergebnissen oder Eltern, die nach Kritik an den Leistungen ihrer Sprösslinge Lehrkräfte beschimpfen, scheint man hier relativ weit entfernt zu sein. Wenn bereits schulische Aufführungen derart disziplinorientiert vorbereitet werden, lässt sich erahnen, wie erst eine Prüfungsvorbereitung ablaufen muss. Die Schüler von heute als potenzielle Leistungsträger von morgen sollen gar nicht erst auf die Idee kommen, Schlendrian zu entwickeln. Letztlich sind sie eben auch Instrumente, die das schlagende Herz von Japans Wirtschaft am Laufen halten sollen. Am Ende wird glücklicherweise alles gut – zumindest für jene, die nicht hintenüberkippen.

                                            KURZFAZIT

                                            Nicht für die Schule lernen wir, sondern für die Leistungsgesellschaft.

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                                              Japanuary 2025 - Oscar Edition II, Film #3 (2 Nominierungen)

                                              ++ Minimale SPOILER ++

                                              Nachdem der Fürst durch einen Heckenschützen schwer verwundet wurde, beschließen seine Gefolgsleute, einen zum Tode verurteilten Dieb zu dessen Nachfolger aufzubauen. Dieser zeigt sich vor dem fatalen Attentat noch eher unwillig, doch nachdem sich die Ereignisse überschlagen, willigt er ein. Der Feind lässt sich davon ebenso täuschen wie viele Personen aus dem eigenen Lager. Mitten in dieser Gemengelage zieht ein Krieg herauf. Offenbar weiß niemand genau, warum eigentlich; und es wird auch nicht wirklich hinterfragt.

                                              Hüben wie drüben bleiben die allermeisten der Kontrahenten namenlos. Letztlich sind die Kämpfer für die Machthaber nicht viel anderes als Fleisch für die Kriegsmaschinerie. Gekämpft wird in einer kargen Landschaft, die es wohl auch zu erobern gilt. Was die möglichen Gewinner damit wollen, bleibt unklar. Eine Diplomatie, die diese Bezeichnung auch verdienen würde, findet ohnehin nicht statt. Dabei macht sich der ehemalige Dieb eigentlich recht gut in seiner Rolle. Anfangs noch mit großen Schwierigkeiten in seinem Auftreten, verbessert er sukzessive seine Wortwahl, seine Gestik und sein sonstiges Verhalten, wodurch er zu einem würdigen Platzhalter aufsteigt. Seinen Beratern, die anfangs noch auf ihn herabblickten, wird zunehmend mulmig. Kann diese Gemengelage auch nur für irgendjemanden zu einem positiven Ende führen?

                                              Filmemacher Akira Kurosawa hinterfragt mittels dieses Konstrukts nicht nur die Legitimation von Erbdynastien, sondern auch ganz allgemein den Sinn kriegerischer Handlungen, die nicht durch handfeste Diplomatie abgesichert sind. Unzählige Leute lassen dabei ihr Leben; noch dazu für ein unklares Ziel. Nennenswert dazugelernt hat die Menschheit seitdem offenbar kaum.

                                              Fünf Jahre später spielt Kurosawa in seinem oscarprämierten Historiendrama 'Ran' ein vergleichbares (wenn auch in Nuancen anders gelagertes) Szenario durch, das auch in visueller Hinsicht Parallelen zu 'Kagemusha – Schatten des Kriegers' aufweist, wodurch er einen ohnehin schon ambitionierten Entwurf noch zusätzlich veredelt.

                                              KURZFAZIT

                                              Inhaltlich zeitloses, wenn auch stilistisch etwas eigenwilliges, Epos.

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                                              • 6 .5

                                                Japanuary 2025 - Oscar Edition II, Film #2 (1 Nominierung)

                                                Fans der klassischen 'Godzilla'-Filme bzw. der Showa-Staffel (und viele andere Filmfans) kennen es wahrscheinlich: In Japan findet die cineastische Aufarbeitung der Schrecken des Zweiten Weltkrieges oftmals etwas subtiler und verklausulierter statt als beispielsweise in vielen europäischen Ländern.

                                                Jiro, der schon im Kindesalter davon träumt, Flugzeuge zu konstruieren, verfolgt diesen Plan auch noch im Erwachsenenalter. Die Frage, ob er dazu beitragen wird, den Krieg zugunsten Japans zu entscheiden, erübrigt sich schon von vornherein, denn der Ausgang des Krieges ist schließlich bekannt. Die Prämisse stellt also in erster Linie ein Vehikel dar, um ein persönliches (weitestgehend fiktives) Schicksal mit dem Befinden einer ganzen Nation zu verknüpfen. Jiros Träume reichen bis in die Wolken; und doch prallt er auf dem Boden der Ernüchterung auf – und das gleich in mehrfacher Hinsicht. Seine Kontakte im Rahmen dieser Geschichte sind Japaner, Deutsche und Italiener. Jackpot! Jedenfalls in geschichtlicher Hinsicht, womit sich einmal mehr die Frage nach dem richtigen Leben im falschen stellt. Hier wird sie auf Ghibli-Art beantwortet.

                                                Auch in dieser Produktion, in der sich vieles um die Technikbegeisterung des Protagonisten dreht, lässt es sich Hayao Miyazaki nicht nehmen, ganz besonders viel Wert auf die visuelle Gestaltung von Panoramen zu legen. Ein Blick über die Stadt oder auf idyllische Orte in der Natur legt oft derart viele liebevoll gestaltete Details frei, dass man sich das eine oder andere Standbild fast schon einrahmen und an die Wand hängen möchte. Die Zeichnung der Menschen hingegen ist teilweise derart rudimentär gehalten, dass schnell klar wird, dass die Spezies Mensch trotz aller Gestaltungsmacht nur ein einziges Rädchen in einem großen Getriebe darstellt. Der Umstand, dass in vielen Ghibli-Filmen (so auch hier) Charaktere vorkommen, die in visueller Hinsicht regelrechte Zerrbilder darstellen, weist einerseits in eine ähnliche Richtung und andererseits wohl auch zur engen Verbindung zwischen Traum und Realität in den entsprechenden Produktionen.

                                                Die Handlung endet jedenfalls mit einem gewissen Zustand der Ratlosigkeit; denn auch wenn Flugzeuge noch so hochsteigen, runter kommen sie immer.

                                                KURZFAZIT

                                                Ironischerweise gehört ausgerechnet dieses Drama über einen Luftfahrtingenieur (abgesehen von den Visionen und Traumsequenzen) zu den besonders bodenständigen Vertretern aus dem Hause Ghibli.

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                                                  Framolf 25.01.2025, 21:47 Geändert 26.01.2025, 14:35

                                                  Japanuary 2025 - Oscar Edition II, Film #1 (1 Auszeichnung)

                                                  Mit nur wenigen Monaten Abstand kamen Ende 2023 bzw. Anfang 2024 gleich zwei 'Godzilla'-Verfilmungen in die deutschen Kinos: 'Godzilla: Minus One' aus Japan und mit 'Godzilla x Kong: The New Empire' eine Art Gegenentwurf aus den USA. Während der US-Vertreter inhaltlich zweifelhafte Kapriolen schlägt (Hohlerde oder Kongs „Überedungskünste“ gegenüber Godzilla) und nicht besonders viel Wert auf zivile Opfer und Schäden zu legen scheint, gehen die Produzenten von 'Godzilla Minus One' ihre Mission sehr viel bodenständiger an. Einwohner leiden unter der Zerstörung ihrer Wohnviertel und einigen Soldaten, von denen viele erst kürzlich aus dem Krieg zurückgekehrt sind, steht die Angst förmlich ins Gesicht geschrieben.

                                                  Überhaupt: Das nette Monster von nebenan, wie Kong in der US-Verfilmung beschworen wird, oder den grimmigen, aber einsichtigen Godzilla (ebenfalls 'Godzilla x Kong: The New Empire') gibt es hier nicht. Stattdessen wird hier ein animalisches (oder besser: bestialisches) Seeungeheuer auf die Menschheit losgelassen, auf das sich maximal durch Anwendung massiver Gewalt einwirken lässt. Schon die erste Begegnung der Protagonisten mit der Bestie könnte kaum atmosphärischer in Szene gesetzt sein. Durch pures Glück (bei einer Chance von 50:50) überleben sie die erste Attacke, ehe die eigentliche Jagd beginnt. Einige Charaktere wirken verängstigt und es wird deutlich, dass sie mehr oder weniger auf sich alleine gestellt sind. Nach und nach werden Details des Aussehens und des Verhaltens von Godzilla enthüllt, wodurch die Lage immer auswegloser erscheint. Unterbrochen werden die Angriffe durch tragödienartig inszenierte Dialogszenen, die neben den Auswirkungen der Zerstörung auch das Nachkriegsleid in den Blick nehmen.

                                                  In stilistischer Hinsicht wurden mit einem vergleichsweise lausigen Budget von umgerechnet rund 15 Millionen US-Dollar beachtliche Erfolge erzielt, indem (passend zum Inhalt) auch Verbindungen zu den Filmen der Showa-Staffel hergestellt werden (selbst die Abkürzung „G“ wird übernommen), wodurch bei der Gestaltung des Monsters visuell eine Brücke von den 1950er und 1960er Jahren in die 2020er Jahre gebaut wird; wohlgemerkt mit einem Budget, das nur einen Bruchteil der ungefähr zeitgleich entstandenen US-Produktion beträgt. Die Tatsache, dass man sich auch im Rahmen der Oscar Verleihung 2024 in der Sparte Beste visuelle Effekte gegen finanziell deutlich besser ausgestattete Kandidaten durchsetzen konnte, rundet die Erfolgsgeschichte schließlich ab. Die (bereits erfolgte) Verkündung der Produktion einer Fortsetzung erscheint daher nur folgerichtig.

                                                  6,5 – 7 Punkte.

                                                  KURZFAZIT

                                                  Zeitgemäß und klassisch zugleich. 'Godzilla Minus One' verbindet neue Impulse mit dem Erbe der Reihe.

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                                                    Framolf 24.01.2025, 23:05 Geändert 25.01.2025, 09:43

                                                    ++ Minimale SPOILER ++

                                                    Mit nur wenigen Monaten Abstand kamen Ende 2023 bzw. Anfang 2024 gleich zwei 'Godzilla'-Verfilmungen in die deutschen Kinos. 'Godzilla: Minus One' aus Japan und mit 'Godzilla x Kong: The New Empire' eine Art Gegenentwurf aus den USA. Während der japanische Vertreter inhaltlich eher traditionell und (zumindest innerhalb des Genres) recht bodenständig daherkommt (im Sinne eines klassischen Monsterfilmes in visuell modernem Gewand), erinnert der amerikanische Entwurf eher an einen Superheldenfilm. Während im fernöstlichen Pendant nicht nur die spezialisierten Protagonisten (ein Pilot, ein Professor usw.), sondern auch Soldaten und Einwohner gezeigt werden, die unter den Attacken des aggressiven Meeresbewohners leiden, spielen Zivilisten und einfache Soldaten in 'Godzilla x Kong: The New Empire' so gut wie keine Rolle; und wenn, dann nur als Statisten am Strand oder in der Stadt usw. Um die zivilen Opfer in den zerstörten Gebäuden schert sich Regisseur Adam Wingard ('You're Next') nur wenig bis gar nicht. Ein Teil der Monster hingegen wird zunehmend vermenschlicht – und teilweise auch verniedlicht. Kong erscheint bisweilen als eine Art Kumpeltyp und selbst Godzilla lässt sich in einer handfesten Debatte von seinem Widersacher von der Notwendigkeit überzeugen, gemeinsam gegen anderweitige Konkurrenten in die Schlacht zu ziehen – in Hohlerde wohlgemerkt. Ohne den Fans der Reihe auf den Schlips treten zu wollen: Mit Mumpitz ist das Treiben auf der Leinwand noch verharmlosend umschrieben; selbst in einem Genre wie diesem, in dem nun wirklich niemand auch nur irgendeine Art von Realitätsbezug erwartet.

                                                    Deutlich besser überzeugen kann Wingards Inszenierung durch diverse visuelle Spielereien. Die Fantasiewelten wirken detailreich und teils farbenprächtig gestaltet und in Kongs Kampfstil werden wiederholt kreative Bewegungen eingewoben. Im Grunde hat man es hier mit einem prototypischen Vertreter des Guilty Pleasure Kinos zu tun.

                                                    Letztlich bleibt es wohl eine Glaubensfrage, welchen Ansatz man präferiert. Nach dem übergroßen Ausrufezeichen, das die Crew von 'Godzilla Minus One' im Rahmen der Oscarverleihung 2024 im Bereich visuelle Effekte setzen konnte, dürfte sich aber bis auf Weiteres auch das Argument der automatischen technischen Überlegenheit von Hollywoodproduktionen erledigt haben.

                                                    KURZFAZIT

                                                    Halbwegs unterhaltsame Monsterfantasy mit einer der stupidesten Geschichten der Kinosaison 2023/2024.

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