Framolf - Kommentare
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Alle Kommentare von Framolf
Oscar Madness (1 Nominierung)
Otto Premingers oscarnominiertes Kriegsdrama 'Erster Sieg' (1966 Nominierung in der Kategorie „Beste Kamera Schwarzweißfilm“ für Loyal Griggs) beginnt mit einem der tiefsitzendsten Kriegstraumata der US-Gesellschaft: Mit dem Angriff auf Pearl Harbor. Auf den vergleichsweise wuchtigen Beginn folgt das in ausführlicher Breite erzählte Herzstück der Handlung, das jedoch über weite Strecken nicht annähernd so tief in die Materie eintaucht, wie es auf Basis der wesentlichen Handlungsbestandteile vielleicht zu erwarten wäre. In erster Linie folgt man dabei Captain Rockwell Torrey (John Wayne) und Stabschef Paul Eddington (Kirk Douglas), wie sie einerseits ihren Alltag in der Armee absolvieren und auf der anderen Seite ihr Privatleben angehen. Die Unterschiede zwischen den beiden könnten deutlicher kaum sein: Während einer von beiden fast schon als Womanizer dargestellt wird, begeht der andere ein abscheuliches Verbrechen, das sich schließlich auch auf das Kampfgeschehen auf dem Schlachtfeld auswirken wird. Allzu genau scheint es dabei Drehbuchautor Wendell Mayes mit den militärischen Abläufen nicht zu nehmen, denn gerade die Ereignisse, die sich während des Finales zutragen, können in der Form eigentlich nur der Feder eines fiktionalen Autors entstammen.
An Themen, die die Grundlage für eine bedeutungsschwere und tiefgehende Tragödie bilden könnten, mangelt es dabei keineswegs. Neben dem bereits angedeuteten Verbrechen sind Verluste im Zuge der Kampfhandlungen zu beklagen, ein ungelöster Vater-Sohn-Konflikt wirkt sich teilweise auch auf den militärischen Alltag aus und auch das Thema Suizid spielt eine tragende Rolle. Wirklich in die Tiefe gehen Regie und Drehbuch jedoch in keiner dieser Facetten. Stattdessen begleitet man über weite Strecken Charaktere bei der Partnersuche und ähnlichen Aktivitäten. Als komplett banal erweist sich die Handlung zwar keineswegs, doch die Frage, ob bei der Gewichtung der einzelnen Handlungselemente durchweg die ideale Akzentuierung getroffen wurde, stellt sich durchaus.
KURZFAZIT
Kriegsdrama, dessen Regisseur sich offenbar nicht eindeutig zwischen Heldenverklärung und der Thematisierung von Dissonanzen festlegen will, woraus eine Mischung resultiert, die sich als nicht gerade griffig erweist.
Der filmtastische Festtagskalender 2025, Film #8 - 1. Mai
Oscar Madness (2 Auszeichnungen, 4 weitere Nominierungen)
[An dieser Stelle gerät der filmtastische Festtagskalender an seine Grenzen. 'Picknick' spielt am Labor Day (US), also im September. Gepostet wird der Kommentar trotzdem heute, zum 1. Mai.]
Ein Vagabund (William Holden), der früher mal ein recht guter Sportler war, kommt am Labor Day in einer Kleinstadt in Kansas an, wo er schnell die Beachtung gleich mehrere Frauen findet. Angesichts der anstehenden Feierlichkeiten, denen in diesem Ort eine ganz besondere Bedeutung zukommt, ist also mit allerlei Turbulenzen zu rechnen. Schließlich kommen große Teile der Einwohnerschaft im selben Park zusammen, was – gerade wenn Alkohol im Spiel ist – schnell auch mal zu der einen oder anderen heiklen Situation führen kann. Die Frage lautet also eigentlich nur, wer sich wann Prügel fangen wird. Oder wird alles doch ganz anders kommen?
Ohne ins Detail zu gehen: Bei aller Wertschätzung für die konkrete Handlung, die sich mit Begriffen wie Stelldichein, Freundschaft, Rivalität, Familie und Feierlichkeiten kategorisieren lässt, liegt die vielleicht größte Qualität der Inszenierung von Oscar-Nominee Joshua Logan in der Darstellung der Lebens-, Alltags- und letztlich auch Sittenverhältnisse in einer Kleinstadt in Kansas Mitte der 50er Jahre. Spießbürgertum und (relative) Nonkonformität treffen dabei ebenso aufeinander wie wirtschaftlicher Aufschwung und einfache Lebensverhältnisse. Die nicht immer ganz kohärente Kleinstadtmoral der 50er Jahre wirkt dabei als gesellschaftlicher Kitt und Trennmittel zugleich. Dementsprechend ambivalent fallen auch die Reaktionen auf den neu angekommenen Außenseiter aus, der einerseits Sehnsüchte weckt und als Projektionsfläche für Träume von einem Ausbruch aus den beengten Verhältnissen dient, während sein Lebensentwurf zugleich auch Ängste schürt und Ressentiments befeuert. Manche Charaktere sehen es auf die eine Weise, einige auf die andere, doch ausgerechnet das Love Interest des Protagonisten ist sich ob der widerstreitenden Gefühle unsicher. Anhand dieser Konflikte zeichnet Logan eine Art Kleinstadtgemälde, das alleine schon aufgrund der geographischen Lage der Stadt als stellvertretender Entwurf für viele US-amerikanische Städtchen konzipiert sein dürfte.
KURZFAZIT
Kleinstadtmärchen, dessen abstrakte Dimension (Kleinstadtleben, Moralvorstellungen, psychologische Implikationen) weitaus gewichtiger erscheint als die konkrete Ebene (Liebesgeschichte).
Wie bei jeder Sichtung von Filmen M. Night Shyamalans stellt sich auch im Fall von 'Trap: No Way Out' die Frage, welches Kaninchen der Zeremonienmeister der finalen Twists wohl dieses mal aus dem Hut zaubern wird. Dabei ist man schnell geneigt, sich die wildesten Wendungen ausmalen, die einem in den Sinn zu kommen. Doch dieses mal überrascht Shyamalan sein Publikum auf etwas andere Weise: Den wesentlichsten Twist gibt es bereits im zweiten Akt. Zwar folgen darauf immer weitere unvorhersehbare Entwicklungen, doch die meisten von diesen sind nach einem ähnlichen Muster gestrickt. Sowohl sprichwörtlich als auch (zumindest gelegentlich) buchstäblich öffnen sich für den Protagonisten immer wieder Türen, die unter normalen Umständen eigentlich verschlossen bleiben sollten. Hinter diesen Türen warten schließlich weitere Hindernisse, die sich erneut auf die absurdesten Arten umgehen lassen, nur um schließlich zu einer weiteren verschlossenen Tür zu gelangen usw.
Doch worum geht es hier überhaupt? Ein Mann besucht mit seiner Tochter ein Popkonzert. Wiederholt beobachtet er, wie Sicherheitskräfte Männer aus den Publikumsrängen abführen. Was ist dort los? Eine Bande von Verbrechern, die einen Anschlag plant? Oder sind hier Kriminelle als Polizisten getarnt, um Menschen zu entführen? Worin genau besteht die Falle, aus der es laut Filmtitel kein Entrinnen gibt? Und gibt es tatsächlich kein Entrinnen?
Fragen über Fragen, die von Shyamalan erstaunlich frühzeitig beantwortet werden. Dennoch beraubt man sich eines guten Stückes des Unterhaltungswertes, wenn man die Sichtung mit Vorkenntnissen beginnt, die über die im vorherigen Absatz skizzierte Ausgangslage hinausgehen. Denn nach der Enthüllung der genauen Umstände scheinen Plausibilität und Wahrscheinlichkeiten keine große Rolle mehr zu spielen. Zwar entfaltet sich ein durchaus spannend inszeniertes Katz- und Maus-Spiel, doch Spezialkräfte, die auf dem Niveau von Stormtroopers agieren, sind eben nur bedingt ernst zu nehmen. Primäres Ziel Shyamalans scheint es ohnehin gewesen zu sein, seiner Tochter Saleka ein maßgeschneidertes Skript zu schenken, das noch dazu ein hervorragendes Werbevehikel für ihre Musik sein dürfte. M. Night Shyamalan selbst wiederum tritt in einer Rolle als Konzerthelfer und Verwandter der Sängerin auf.
Viereinhalb von zehn Polizisten, die grundsätzlich immer zu spät kommen und sich am laufenden Band übertölpeln lassen.
KURZFAZIT
Vielversprechende Ausgangslage, doch mit fortschreitender Handlung wird es immer abstruser.
Oscar Madness (2 Nominierungen)
Woody Allen entführt das Publikum in die Zeit seiner Kindheit, und somit auch in die guten alten Tage, in denen dem Radiogerät noch eine ähnliche Funktion zukam wie in den späteren Jahrzehnten der Mattscheibe. Nicht nur Nachrichten, Interviews, Reportagen, Ratgeber und Musiksendungen wurden überwiegend über den Äther verbreitet, sondern auch eine große Bandbreite an Unterhaltungsformaten wie beispielsweise Spielshows oder Hörspiele. Von den Superhelden der 40er Jahre ging bereits im Audioformat eine große Faszination aus.
Für den Autorenfilmer Woody Allen ist das Radio in den 80er Jahren in erster Linie ein Stilmittel zur Strukturierung seiner Erinnerungen. Wie an einer Perlenkette reiht er Episode an Episode; einige aus der Sicht eines Kindes, andere aus der Perspektive verschiedener Menschen aus dem familiären oder nachbarschaftlichen Umfeld des besagten Jungen, was ein Indiz dafür sein könnte, welche Stellen der Erzählung möglicherweise etwas stärker fiktionalisiert sind und welche etwas weniger. Ein roter Faden ist zwar leidlich vorhanden, doch im Großen und Ganzen erfolgt die Erzählung in wellenartigen Bewegungen. Bestimmte Motive (wie etwa das Geheimnis um den Beruf des Vaters, die Unternehmungen der heiratswilligen Tante oder das Auftauchen des Superhelden-Sprechers als eine Art Sidekick) kommen von Zeit zu Zeit an die Oberfläche, ehe sie wieder verschwinden, um dann erneut aufzutauchen. Nicht immer ist dabei zweifelsfrei klar, ob auch wirklich alle Implikationen, die Allen aussendet, bei den Empfängern im Publikum ankommen (können). Einige Szenen erwecken den Eindruck, dass Allen den für ihn typischen hintergründigen Humor auch für den einen oder anderen Insiderscherz nutzt; doch diese Frage werden wohl nur Personen aus dem engeren Umfeld des kauzigen Regisseurs beantworten können. Zudem kommt es zu einer ganzen Reihe zeitgeschichtlicher und kultureller Seitenhiebe, deren Kern oder Ursprung man möglicherweise nur erahnen kann, was jedoch keineswegs negativ gemeint ist. Wer sich einen Film von Woody Allen ansieht, erwartet schließlich auch eine gewisse Hintergründigkeit; und Allen liefert in dieser Hinsicht zuverlässig.
Stützen kann sich Woody Allen bei der Verfilmung seiner Memoiren auf die Mitwirkung einer regelrechten Starparade. Mia Farrow, Diane Wiest, Diane Keaton, Danny Aiello, Jeff Daniels, William H. Macy, Larry David und Seth Green sind nur einige der Namen, die auch Jahrzehnte später noch einen respektablen Klang entfalten.
5,5 – 6 Punkte.
KURZFAZIT
Cineastisch präsentierte Episoden aus einer Kindheit, die in ihrer Struktur an einen Roman erinnern und zugleich dem Medium Rundfunk ein Denkmal setzen.
Eine Noir-Story wie aus dem Lehrbuch: Ein abgebrannter Veteran (Denzel Washington) wird damit beauftragt, eine rätselhafte Frau (Jennifer Beals) zu finden, wodurch er in einen Sog krimineller Ereignisse gerät, aus dem es möglicherweise kein Entrinnen gibt.
Wie es sich für einen ambitionierten Noir Thriller gehört, ist die Handlung von Carl Franklins ('Out of Time – Sein Gegner ist die Zeit', ebenfalls mit Denzel Washington in der Hauptrolle) 'Devil in Blue - Teufel in Blau' in den 40er Jahren angesiedelt. Tak Fujimoto (Kamera) bedient sich dabei zahlreicher visueller Stilmittel aus jener Epoche, wodurch die überwiegend stimmig wirkenden Requisiten ins rechte Licht gesetzt werden. Über die Frage, ob der Eindruck von Künstlichkeit, den einige Kulissen (besonders die Außenaufnahmen auf einem Studiogelände) mit sich bringen, beabsichtigt ist, lässt sich hingegen nur spekulieren. Zwar wirkt ein Teil der Kulissen und Szenerien gestellt, was gerade mit Blick auf diverse Vorbilder innerhalb des Genres aber durchaus als Stilmittel gedacht sein könnte. Sowohl inhaltlich als auch stilistisch wird kaum ein Motiv (oder auch Klischee) aus dem Bereich des Film Noir ausgelassen, was eigentlich als tiefe Verneigung vor den Helden der Vergangenheit zu verstehen wäre, wenn das Geschehen nicht immer wieder mittels Humoreinlagen durchbrochen würde. Speziell in dieser Hinsicht erinnert Franklins 'Devil in Blue' bisweilen an eine Sonderepisode einer Serie, in der eine Noir-Story persifliert wird. Ein Konzept, das gerade in Sachen Auflockerung prächtig funktioniert, auf der anderen Seite jedoch zulasten des Spannungsaufbaus gehen kann. Somit steht und fällt hier in ganz besonderem Maße alles mit der Erwartungshaltung, mit der man als Zuschauer an die Sichtung herangeht. Unterhaltsam ist Franklins Entwurf allemal und atmosphärisch überzeugt er über weite Strecken ebenfalls. Ob sich die Bedrohung einer sich immer enger um den Hals des Protagonisten ziehenden Schlinge auch in Sachen Spannung auszahlt oder eher an den humoristischen Einschüben leidet, sei jedoch dahingestellt.
KURZFAZIT
Durchaus ambitionierter Noir-Thriller, dessen Verhältnis aus Ernsthaftigkeit und Humoreinlagen aber mit der genrebezogenen Koketterie kollidiert.
Eula Goodnight (Katherine Hepburn): „Sie trinken zu viel.“
Reuben „Rooster“ Cogburn (John Wayne): „Den letzten Drink hatte ich vor Stunden, beim Frühstück.“
Rooster Cogburn reitet wieder. Seine Mission und seine Weggefährten haben sich geändert, doch er selbst erscheint weiterhin wie ein Monolith in der Prärie – trinkfest wie eh und je. Auch dieses mal führt ihn sein Weg auf die Spur einer Verbrecherbande. Seine Gegenspieler haben den Vater seiner Begleiterin sowie einige weitere Menschen ermordet und sie planen bereits ihre nächsten Verbrechen (etwa einen Überfall). Für den Marshall im Ruhestand ein klarer Fall: Mit der gestrengen Missionarin und einem jungen native American im Schlepptau verfolgt er die Fährte der Banditen, um sie zu stellen und ihnen im Idealfall den Garaus zu machen.
Wie schon in 'Der Marshal' (1969) bekommt er auch von dieser Begleiterin mehr verbalen Gegenwind, als ihm wahrscheinlich lieb sein dürfte, woraus eine Reihe heiterer Begebenheiten resultiert. Auch der Dritte im Bunde nimmt einen ähnlichen Part ein wie sein Pendant im ersten Film. Seine Rolle erscheint im Vergleich zu denen der beiden Protagonisten deutlich zurückgenommener, wodurch sich hier die kuriose Situation ergibt, dass sich das jüngste Mitglied des reisenden Trios fast schon am erwachsensten verhält. Ungemindert bleibt auch die Faszination der Naturkulissen (in diesem Fall Oregons statt Colorados), wobei hier bei der Wahl der Drehorte noch etwas mehr Wert auf landschaftliche Vielfalt gelegt wurde. Somit bleibt am Ende der Eindruck einer mehr als soliden Fortsetzung, der es zwar etwas an Originalität fehlt, die jedoch durchaus zu unterhalten weiß.
Anmerkung: Nach dem Tod von H. W. Gim wird Rooster Cogburns Mitbewohner (manche bezeichnen ihn auch als seinen Lebensgefährten) in der Fortsetzung von Tommy Lee dargestellt.
KURZFAZIT
Launige Fortsetzung, die einem ähnlichen Konzept folgt wie der Vorgängerfilm, aber in der ausreichend Variationen gesetzt werden, um keinen reinen Abklatsch darzustellen.
Oscar Madness (1 Auszeichnung, 1 weitere Nominierung)
Nach der Ermordung ihres Vaters schließt sich die etwas burschikos auftretende Mattie (Kim Darby) mit einem Trunkenbold (John Wayne) zusammen, der auf der anderen Seite aber auch als der kompromissloseste Marshall weit und breit gilt. Zu ihnen gesellt sich ein Texaner (Glen Campbell), der im Vergleich zu den beiden Protagonisten jedoch vergleichsweise blass bleibt. Während sich die junge Auftraggeberin bzw. Nebenklägerin durch Mut und pfiffige Einfälle Schritt für Schritt die Anerkennung der beiden Männer erarbeitet, stilisiert sich der trinkfreudige Gesetzeshüter selbst als (vermeintlich) harter Hund. Allzu viel ist von dieser Härte jedoch nicht zu sehen.
Auf ihrem Weg zum vermeintlichen Aufenthaltsort des flüchtigen Verbrechers gerät das ungleiche Trio in zunehmend gefährlicher werdende Situationen, was jedoch keineswegs bedeutet, dass nicht auch der eine oder andere lockere Spruch fallen würde. Nebendarsteller wie Dennis Hopper oder Robert Duvall verleihen dem Westernspektakel zusätzliche Würze.
Auch wenn die Charaktere laut einer Einschätzung des Gesetzeshüters auf ihrer Reise eine Strecke von rund 60 Meilen zurücklegen, erweckt die Bebilderung den Eindruck, ein Großteil der Szenen sei im selben Tal gedreht worden. Die überaus sehenswerte Landschaft bietet einen imposanten Rahmen. Regisseur Henry Hathaway ('Die vier Söhne der Katie Elder') nimmt das Publikum mit auf eine durchaus unterhaltsame Reise, die jedoch einen besseren Spannungsgipfel verdient hätte als das etwas schludrig inszenierte Finale mit der Klapperschlange. Der Gesamteindruck wird dadurch zwar nicht nennenswert getrübt, im Verbund mit einigen unforced errors wird die Chance auf eine zusätzliche Veredelung der Inszenierung jedoch leichtfertig vergeben.
Sechseinhalb von zehn Nylon(!)strumpfhosen.
KURZFAZIT
Kurzweilig erzählter Westernklassiker.
Oscar Madness (5 Nominierungen)
Pater Brendan Flynn (Philip Seymour Hoffman) ist Priester mit Leib und Seele. Engagiert kümmert er sich um die Schüler in seiner Gemeinde – und ganz besonders um einen Jungen, der die Aufmerksamkeit des Pfarrers zu goutieren scheint. In seiner Schulklasse wirkt dieser mehr oder weniger isoliert, mitunter wird er sogar gemobbt, doch Pater Flynn steht ihm demonstrativ bei. Es dauert nicht lange und die herrische Schwester Aloysius Beauvier (Meryl Streep), die ein strenges Regiment an der Schule führt, wird argwöhnisch ob der ungewöhnlichen „Freundschaft“. Dabei stützt sie sich auf Indizien, die möglicherweise auf Missbrauch hindeuten könnten – je nachdem, wie man sie interpretiert. Mit zunehmender Verbissenheit versucht sie, den Fall zu lösen, während sich die junge Schwester Marie James (Amy Adams) ihr Bild von einer heilen Kirchenwelt nicht zerstören lassen will. Doch weshalb wurde Flynn von seiner alten Wirkungsstätte versetzt und warum sichert er sich nicht durch die Anwesenheit einer dritten Person ab, wenn er Zeit mit dem Jungen verbringt?
Filmemacher John Patrick Shanley lässt den Zweifel (der originale Filmtitel lautet 'Doubt') in doppelter Hinsicht wirken, denn hinterfragt werden sowohl die Motive des Pfarrers als auch der fast schon inquisatorische Eifer der Hobbyermittlerin. Der ebenfalls doppeldeutige deutschsprachige Titel bringt den Kern der Handlung nicht minder prägnant auf den Punkt. Auch wenn dem Publikum einige Indizien präsentiert werden, so lässt die Präsentation einer smoking gun doch lange auf sich warten (ob sie überhaupt gezeigt wird, soll an dieser Stelle nicht verraten werden).
Gerade bei einer derart vertrackten Lage rücken naturgemäß die Leistungen der Darstellerriege ganz besonders in den Fokus. Und ebendiese fallen nicht nur ansprechend, sondern regelrecht faszinierend aus. Philip Seymour Hoffman kostet das Spektrum an Möglichkeiten aus, das seine Rolle bietet, während Meryl Streep der bitteren Strenge von Schwester Aloysius Beauvier eine Note verleiht, die dieser Rolle kaum jemand sonst geben könnte. Je höher die Anforderungen eines nuancierten Spiels werden, desto stärker brilliert sie. Ein ohnehin schon sorgfältig durchdachtes Konzept wird so noch zusätzlich veredelt. Folgerichtig wurden 2009 neben dem Drehbuch mit Meryl Streep, Philip Seymour Hoffman, Amy Adams und Viola Davis gleich vier DarstellerInnen für einen Oscar nominiert.
8,5 – 9 Punkte.
KURZFAZIT
Kammerspielartiges Drama über eine ganze Reihe von Facetten der Begriffe „Glaube“ und „Zweifel“.
Kit (Brie Larson, die hier auch als Regisseurin fungiert) steht irgendwie mit beiden Beinen im Leben. Aber eben nur irgendwie, denn mindestens eines der beiden verliert gerade die Standfestigkeit. Ihr Karriere- und Lebensplan gerät ins Stocken, als sie die Uni verlassen muss. Wer zugleich gezwungen ist, bei den Eltern im Kinderzimmer zu wohnen, steht womöglich schon am Rande einer Depression. Doch um psychologische Analysen geht es in 'Unicorn Store' nicht wirklich – und dennoch fast ausschließlich. Wie passt das zusammen?
In einer metaphernreichen Erzählung wird hier das Publikum in die Gedankenwelt einer Protagonistin mitgenommen, der plötzlich von einem ominösen Geschäftsmann (Samuel L. Jackson) ein Einhorn zum Kauf angeboten wird. Warum auch nicht, wenn er gerade eines übrig hat...? Jedenfalls haust der windige Händler scheinbar in einem rätselhaften Einhorngeschäft, von dem über weite Strecken nicht klar ist, ob es überhaupt existiert. Kit ist das einerlei. Sie werkelt emsig am Bau eines Einhornstalles, wodurch sie Virgil (Mamoudou Atie) kennenlernt, mit dem sie sich anfreundet. Die Taube auf dem Dach, also die Realisation ihres Lebenstraums, ist aktuell in weite Ferne gerückt. Stattdessen plagt sie sich mit dem Spatz in der Hand herum (Zeitarbeit), hat aber immerhin einen gewissen Rückhalt durch ihre Eltern (auch wenn diese nicht gerade begeistert sind und sie auf möglichst herkömmliche und bodenständige Pfade lenken wollen) und auch die Unterstützung Virgils, der ihr Hilfe anbietet, ohne allzu genau nachzufragen.
Alles dreht sich also um die Frage nach einem angemessenem Verhältnis zwischen Notwendigkeiten und Visionen. Ab welchem Punkt werden Träume zu Träumereien und wann sollte man sie aufgeben? Doch so relevant Brie Larsons Überlegungen auch sein mögen, dürfte es doch von mehreren subjektiven Faktoren abhängen, ob und inwieweit man den von ihr bemühten Metaphern etwas abgewinnen kann. Auch wenn die Protagonistin bereits erwachsen ist, lässt sich 'Unicorn Store' sicher auch als eine Art Coming of Age Film begreifen, in dem Themen des Erwachsenwerdens abgehandelt werden, die eben nicht nur Jugendliche oder Heranwachsende betreffen. Ohnehin stellt sich die Frage, ob es überhaupt Sinn macht, einen persönlichen Entwicklungsprozess jemals als abgeschlossen zu betrachten. Manche Senioren schildern rückblickend, sie wären zwar Jahr für Jahr älter, aber nicht unbedingt erwachsener geworden; zumindest nicht ganz so erwachsen, wie sie es als Kind vielleicht erwartet hätten. Manche Unsicherheiten können sich eben auch lebenslang festsetzen. Und genau dieses Gefühl ist es, das Brie Larson in 'Unicorn Store' mit doch recht eigenwilligen Stilmitteln einfängt.
KURZFAZIT
Glaube an deine Träume – und an gute Metaphern...
Ein offenbar wohlhabender „Forscher“ (Chris Hemsworth) verabreicht (halb-)freiwilligen Probanden Substanzen, die sich unmittelbar auf das Gefühlsleben auswirken. Klingt äußerst seriös – denkt sich auch der Häftling Jeff (Miles Teller), der an mehreren Sitzungen der Versuchsreihe teilnimmt. Schließlich kann das Unterfangen auch ganz lustig sein, wenn man beispielsweise auf andere Teilnehmer trifft und beiden ein Serum injiziert wird, dass das Gegenüber derart attraktiv erscheinen lässt, dass es kein Halten mehr gibt. Doch wie es in Filmen mit derlei Prämissen eben oft so ist, folgen auf einen vergleichsweise harmlosen Auftakt nur selten weiterhin unproblematische Versuchsanordnungen. Zunächst wird zwar lediglich das Spiel mit der Begierde an seine Grenzen geführt, doch trotzdem werden schon beizeiten die sprichwörtlichen Waffen gezeigt, die an Chekhovs Wand hängen. Die Frage lautet eigentlich nur, wann und gegen wen sie eingesetzt werden.
Auch wenn das Publikum über keinen allzu gewichtigen Wissensvorsprung gegenüber den Hauptcharakteren verfügt, ist man sich als Zuschauer alleine schon deshalb einen Schritt voraus, weil man weiß, dass man hier einen Film sieht, in dem (zumindest in mancher Hinsicht) wahrscheinlich nach üblichen Genregepflogenheiten gespielt werden wird. Die relative Naivität (oder positiv formuliert: Der Optimismus) von Jeff und den anderen Probanden lässt diese also in Situationen stolpern, von denen den allermeisten Zuschauern schon frühzeitig klar sein dürfte, dass sie kaum zu guten Ergebnissen führen werden. Und so liegt auch ein Schatten der Bedrohung über Szenen, die auf den ersten Blick vielleicht gar nicht mal so gefährlich erscheinen. Zwar ist man hier von Alfred Hitchcocks Methoden des Spannungsaufbaus noch ein ganzes Stück entfernt, doch zumindest das Grundprinzip geht in eine ähnliche Richtung. Großes Kino wird daraus sicher noch nicht automatisch, doch zu gut 100 Minuten solider Unterhaltung taugt Joseph Kosinskis Science Fiction Thriller 'Der Spinnenkopf' allemal.
Sechs von zehn Dosen Dunkelflux.
KURZFAZIT
Ein durchgeknallter Wissenschaftler tobt sich an mehr oder weniger freiwilligen Probanden aus.
Oscar Madness (2 Nominierungen)
Ein ehemals erfolgreicher, aber wegen seiner Methoden umstrittener College-Basketball-Trainer übernimmt gut zehn Jahre nach seinem letzten Engagement eine Highschool-Mannschaft. Doch statt sich über das Fachwissen des eigentlich überqualifizierten Coachs zu freuen, mischen sich mehrere Bewohner der fiktiven Kleinstadt Hickory in Indiana ein (gedreht wurde überwiegend in Richmond), so oft sie nur können. Doch Norman lässt sich nicht beirren und bald schon stellen sich erste Ergebnisse ein. Wie weit werden er und sein Team es beim Kampf um den Meistertitel in Indiana schaffen?
Regisseur David Anspaugh, der später auch die Sportfilme 'Touchdown – Sein Ziel ist der Sieg' und 'Das Spiel ihres Lebens' inszenierte, schlug während der Produktionsphase einiges an Skepsis entgegen. Das von den Produzenten nach langer Bedenkzeit genehmigte Budget fällt mit rund sechs Millionen US-Dollar vergleichsweise knapp aus. Zudem hatte seine Crew dem Vernehmen nach große Mühe bei der Rekrutierung ausreichend vieler Statisten. Doch damit nicht genug: Während der Dreharbeiten soll sich Hauptdarsteller Gene Hackman mehrmals abfällig über 'Hoosiers' (der Titel bezeichnet die Einwohner von Indiana) geäußert haben. Offenbar war er zeitweise davon überzeugt, dieses Projekt werde seinen Karrieretiefpunkt darstellen. Doch es kam ganz anders: Der Film spielte mit gut 28 Millionen US-Dollar rund das Vierfache der Produktionskosten ein und wurde sogar für zwei Oscars nominiert: Jerry Goldsmith für die Filmmusik sowie Nebendarsteller Dennis Hopper für seine Darbietung als alkoholabhängiger Co-Trainer und Spieler-Vater. Unter dem Strich gelang Anspaugh also trotz einiger Widerstände ein Basketballfilm, der bei Publikum, Kritikern und Filmjuries gleichermaßen punktet.
KURZFAZIT
Auch wenn die Handlung während der 1950er Jahre angesiedelt ist: 'Freiwurf' als klassischer Sportfilm im Stil der 1980er Jahre.
Die Geschichte von 'Memory – Sein letzter Auftrag' beginnt mit einem Auftragskiller (Liam Neeson) bei der Arbeit, während in einem anderen Handlungsstrang ein Polizist (Guy Pearce) gegen einen Menschenhändler vorgeht, der offenbar sogar seine eigene minderjährige Tochter sexuell ausbeutet. Schnell wird klar, dass der Killer mit mentalen Herausforderungen zu kämpfen hat (Demenz), während dem FBI Agent bei seinen Ermittlungen aus verschiedenen Gründen weitgehend die Hände gebunden sind. Werden sich die Lebenswege der beiden Männer kreuzen und wie lassen sich ihre Geschichten in Einklang bringen? Viele Filmfans wird sicherlich schon früh eine gewisse Ahnung beschleichen – und ohne zu viel zu verraten: Die Zahl der ganz großen Überraschungen hält sich in Grenzen.
Am bemerkenswertesten erscheint in dieser Hinsicht vielleicht noch, wie rapide der kognitive und körperliche Verfall des Protagonisten voranschreitet. Während die vergleichsweise kurzen Episoden der Verwirrtheit anfangs nur kleinere Unterbrechungen der halbwegs unauffälligen Verfassung des Hauptcharakters darstellen, erhöht sich deren Taktung und Vehemenz in atemberaubender Geschwindigkeit. Vielleicht ist dieser Eindruck auch nur einer etwas unklaren Zeitstruktur der Erzählung geschuldet; mit letzter Sicherheit lässt sich diese Frage nicht beantworten. Da jedoch auch manch andere Szenen zu Stirnrunzeln führen können, sollte man wahrscheinlich gar nicht allzu lange über derlei Fragen nachdenken.
Die Handlung an sich wirkt wie eine uninspiriert zusammengetragene Collage aus Versatzstücken verschiedener Kriminal- und Actionthriller, die sich zwar zu einem halbwegs sehenswerten Gesamtbild zusammenfügen, das man aber eigentlich schon kennt, bevor man es erstmals gesehen hat.
KURZFAZIT
Stangenware, an die sich kurz nach der Sichtung (passend zur Thematik) kaum noch jemand erinnern wird.
Der filmtastische Festtagskalender 2025, Film #7 - Ostern
Oscar Madness (1 Auszeichnung)
Happy Easter
Der berühmte Tänzer Don Hewes befindet sich unvermittelt auf der Suche nach einer neuen Tanzpartnerin und wählt diese ausgerechnet im alkoholisierten Zustand aus. In den folgenden Monaten studiert er mit ihr ein gemeinsames Programm ein, während sie sich auch persönlich näherkommen.
Die Handlung von 'Osterspaziergang' ist im Grunde nicht der Rede wert. Wie in so vielen Produktionen aus der unmittelbaren Nachkriegszeit des 2. Weltkrieges steht auch hier der Aspekt leichter Unterhaltung ganz klar im Vordergrund. Der Bezug zum Osterfest besteht in allererster Linie darin, dass die Handlung an Ostern beginnt und genau ein Jahr später wieder endet. Die oberen Zehntausend von New York nutzen zu dieser Zeit das Osterfest gerne, um durch Manhattan zu flanieren. Man setzt seinen schrillsten Hut auf, legt sich einen Hund zu, der farblich zum Kleid passt, und hofft darauf, von möglichst vielen Menschen gesehen zu werden. Man muss vermutlich dabei gewesen sein, um die Faszination dieses gesellschaftlichen Events nachvollziehen zu können.
Die grobe Handlung und eine Vielzahl der Szenen sind an Oberflächlichkeit kaum zu überbieten, die Inszenierung einiger Tanzeinlagen fällt dafür umso versierter und detailreicher aus, teilweise durch die Einbeziehung diverser Requisiten (auch wenn dies nicht an jeder Stelle glücklich wirkt; siehe z. B. die Einbindung der Geigen), aber auch durch das Spiel mit den Kulissen (wie etwa bei der Landstreicher-Nummer).
Als ganz besonders kurios erweist sich die Besetzung dieses Musikfilms: Der ursprünglich als Hauptdarsteller angedachte Gene Kelly musste durch Fred Astaire ersetzt werden, da er sich beim Sport den Fuß gebrochen hatte. Regisseur Vincente Minelli hingegen wurde aufgrund seiner kolportierten Eheprobleme mit Hauptdarstellerin Judy Garland durch Charles Waters ersetzt. Nebendarstellerin Cyd Charisse wiederum konnte aufgrund eines Bänderrisses nicht mitwirken. Ann Miller, die als Ersatz für sie einsprang, musste während der Dreharbeiten ein orthopädisches Korsett tragen, da sie ihr Ehemann kurze Zeit vorher die Treppe hinuntergestoßen hatte.
Gemessen daran wirkt die Inszenierung von 'Osterspaziergang' erstaunlich rund. Letztlich wurde die Produktion sogar mit einem Oscar in der Kategorie „Beste Filmmusik in einem Musikfilm“ prämiert.
Fünfeinhalb bis sechs von zehn zum Kostüm passenden Hunden.
KURZFAZIT
Spärliche Handlung als Kitt für eine Reihe kreativ choreographierter Tanzeinlagen.
Nach dem plötzlichen Verschwinden ihres Sohnes gerät auch die Ehe von Beth (Michelle Pfeiffer) und Pat (Treat Williams) unter Druck. Während Beth für lange Zeit in einen depressionsartigen Zustand verfällt, übernimmt ihr Gatte einen großen Teil der Erziehung der anderen beiden Kinder. Während sie nur noch einen Schatten ihrer selbst darstellt, findet bei ihm ein Wandel seiner Rolle innerhalb der Familie statt. Als eines Tages ein weiteres einschneidendes Ereignis stattfindet, wandelt sich die Dynamik innerhalb der Familie erneut ganz massiv. Was ist geschehen und welche Auswirkungen werden die Vorkommnisse auf die einzelnen Familienmitglieder haben?
Der Tonfall von Ulu Grosbards Inszenierung fällt zunächst ambivalent aus, denn während des ersten Aktes lässt zumindest der Erzählstil noch keine Rückschlüsse auf bevorstehende Stimmungswechsel zu. Der Alltag der Cappadoras wird als leicht chaotisch, aber noch absolut im Rahmen dargestellt. Trotz stressiger Momente scheint alles seinen gewohnten Gang zu gehen; aber eben nur bis zum Eintreten des erwähnten Schicksalsschlages, der einen grundlegenden atmosphärischen Wechsel nach sich zieht. Für eine renommierte Darstellerin wie Michelle Pfeiffer stellt Stephen Schiffs Drehbuch fraglos eine gute Möglichkeit dar, ihr Können in die Waagschale zu werfen. Dementsprechend deutlich drückt die prominente Actrice der gesamten Produktion ihren Stempel auf. Grundsätzlich können sich zwar sowohl das Skript als auch die Regie sehen lassen, wobei sich jedoch manche Charaktere in vereinzelten Szenen eher wie typische Filmcharaktere statt wie Menschen aus dem realen Leben verhalten. Ein Befund, der nicht zwingend negativ aufzufassen ist; schließlich bringen cineastische Erzählungen oftmals ganz eigene Anforderungen mit sich. Da gerade Tragödien aber oftmals von ihrer nahen Anbindung an den Alltag leben, kann bei manchen Zuschauern eventuell die Immersion ein wenig darunter leiden.
KURZFAZIT
Inhaltlich nicht in allen Facetten überzeugend, aber doch gewichtig genug, um den Stoff für ein sehenswertes Familiendrama zu bilden.
[Die von MP angegebene Spieldauer ist frei erfunden.]
++ Leichte SPOILER ++
Ein Auftragsmörder (Mads Mikkelsen), der sich zur Ruhe setzen will, hat noch eine letzte Mission vor sich. Vorher gönnt er sich noch eine medizinische Untersuchung der ganz speziellen Art, ehe er sich auf den Weg macht, seinen letzten Auftrag auszuführen. Doch wie es mit letzten Aufträgen in Actionfilmen eben oft so ist, gestaltet sich die Lage deutlich schwieriger als sonst, denn Duncan Vizla, genannt Black Kaiser, findet sich inmitten eines irrwitzigen Komplotts wieder, das darauf hinausläuft, dass er sterben muss, damit andere Verbrecher sich bereichern können. Als der ursprüngliche Anschlagsplan scheitert, wird schließlich eine schräge Kirmestruppe auf ihn angesetzt, die ihm den Garaus machen soll.
Deutlich bemerkenswerter als die doch recht krude Prämisse erscheint ein Blick auf den visuellen Stil, denn Regisseur Jonas Akerlund ('Spun') findet eine ganz eigene Bildsprache für die Übersetzung der Vorlage (in Form einer Graphic Novel Reihe) in das Medium Film. Dabei spielt er bunte Farben gegen eisige Grautöne ebenso aus wie beeindruckende Landschaftspanoramen gegen klaustrophobisch-düstere Innenräume. Die Bilder wirken über weite Strecken äußerst abwechslungsreich und dynamisch (manchmal karg, aber bisweilen auch überfrachtet), wodurch ein deutlicher Kontrast zur überschaubaren und eher windigen Handlung entsteht. Die Lust an visuellen Spielereien findet zwar durchaus auch Widerhall in einigen inhaltlichen Kapriolen, doch es bleibt der Eindruck einer Produktion, die in visueller Hinsicht tiefere Spuren hinterlässt als in inhaltlicher. Auch weil die Messlatte für die Handlung gerade im Actiongenre sicher nicht allzu hoch liegt, steht und fällt hier vieles mit der subjektiven Bewertung des Humors und der Spannung. Wer sich davon abgeholt fühlt, kann an 'Polar' gewiss eine Menge Freude haben. Andernfalls bleiben eben nur ein paar visuelle Fingerübungen, die diesen Film vor der Bedeutungslosigkeit retten.
Dreieinhalb von zehn lächerlichen Gegenspielern.
KURZFAZIT
'John Wick' meets 'Kingsman'.
Die Wohnung eines ehemaligen Agenten wird wiederholt von Einbrechern heimgesucht. Als auch auch noch seine Frau entführt wird, ist für ihn Schluss mit lustig und er versucht das Recht in seine eigene Hand zu nehmen, wodurch sich die Lage nur noch weiter verschlimmert. Was genau ist hier los? Hat hier jemand eine Rechnung mit ihm offen? Soll er erpresst werden? Und wenn ja, wie lautet die Forderung der Verbrecher?
Die Antwort auf diese Fragen liefert Rodolphe Lauga (Regie) auf seine ganz eigene Weise. Zwar werden den Zuschauern durch stetige Tempowechsel immer wieder etwas inhaltliches Futter und Zeit zum Miträtseln gegeben, doch im Verbund mit zahlreichen wilden Zeitsprüngen wird für einen minimalen inhaltlichen Mehrwert ein doch recht hoher Preis entrichtet. Im Ergebnis wird eine gar nicht mal so komplexe Geschichte vergleichsweise konfus vorgetragen. Zwar wird nach und nach Licht ins Dunkel gebracht, doch da davon auszugehen ist, dass die meisten Filmfans diesen Actionthriller eher aufgrund der Actioneinlagen als wegen des Thrillerplots für eine Sichtung auswählen, stellt sich die Frage, ob durch den etwas chaotischen Aufbau wirklich etwas gewonnen ist. Zwar fügen sich die einzelnen Puzzleteile im Verlauf der Handlung durchaus zusammen, doch ob man diesen nicht unbedingt originellen Plot auf genau diese Weise erzählen muss, steht auf einem anderen Blatt. Sobald es allerdings temporeich wird, weiß Laugas Inszenierung durchaus zu überzeugen. Der Protagonist schont weder sich noch seine Kontrahenten. Weshalb sich Drehbuch und Regie nicht stärker darauf fokussiert haben, bleibt wohl das Geheimnis der Produzenten bzw. ist vielleicht auch eine Frage des Budgets.
KURZFAZIT
An und für sich solider Actionthriller, der mit Blick auf die Struktur jedoch nicht besonders elegant vorgetragen wird.
Oscar Madness (3 Nominierungen)
Ende der Vierziger Jahre irgendwo in Polen: Um die Bildung einer neuen Heimatidentität voranzutreiben, soll ein Chor gegründet werden, der die Einheit des Landes und der Bürger im Sinne der vorherrschenden Machtverhältnisse definieren soll. Der 2. Weltkrieg ist vorbei, doch der Kalte Krieg zieht nun empor. Das jahrzehntelange Duell der Klassenfeinde zeichnet sich bereits am Horizont ab, der Kampf um die Gesinnung der Bürger erscheint den Machthabern daher umso dringlicher. Daher lässt man musikalische Menschen aus allen Teilen des Landes zu einem Auswahlverfahren zusammenkommen, um schließlich eine Gesangs- und Tanzgruppe zusammenzustellen. Einer der Verantwortlichen, die mit dem Aufbau dieses nationalen Projekts betraut sind, verliebt sich in eine der Kandidatinnen, was den Beginn er langen Kette von Ereignissen darstellt.
Im Auftreten könnten beide Hauptcharaktere unterschiedlicher kaum sein. Während Zula sich betont extrovertiert und sich in manchen Punkten bisweilen fast schon rebellisch gibt (und noch dazu eine düstere Vergangenheit zu haben scheint), wirkt Wiktors Handeln zunächst eher reflektiert und angepasst. Doch ganz so einfach ist es dann doch nicht, da sich beide Charaktere als deutlich vielschichtiger erweisen, als es der erste Eindruck vielleicht zunächst vermuten lässt. Beim Blick auf die konkreten Lebenswege der beiden wird schnell klar, dass man keinem der beiden in den Kopf blicken kann, denn beider Schicksale verlaufen anders, als man es zu Beginn vielleicht erwarten würde. Zula entwickelt eine zerstörerische Kraft, die sich gegen ihr Umfeld, aber auch gegen sich selbst richtet. Wiktor hingegen wirkt im direkten Vergleich zwar etwas ausgeglichener und ausgleichender, doch im gemeinsamen Zusammenspiel steuern sie auf eine Situation zu, die mit jedem Treffen auswegloser erscheint. Inwieweit ihre Schicksale als beispielhaft für die polnische Nachkriegsgesellschaft gelten können, vermögen wohl nur Zeitzeugen oder Historiker zu beurteilen, doch streiflichtartige Einblicke in die Zeitgeschichte werden so oder so geboten.
6 – 6,5 Punkte.
KURZFAZIT
Stark personalisierte Chronik der Befindlichkeiten einer Gesellschaft, die sich zunächst im Wandel befindet und deren Lage schließlich auf ernüchterndem Niveau stagniert.
Ein zwielichtiger Polizist überfährt mit seinem silbernen 1998er BMW E46 nachts einen Fußgänger. Statt seine Kollegen zu rufen, wirft er das Unfallopfer in den Kofferraum und düst davon. Wenig später gerät er in eine Verkehrskontrolle. Von da an gerät die Situation vollends außer Kontrolle und die Lage entgleitet ihm zunehmend. Mit jedem Schritt, den er unternimmt, um den Vorfall zu vertuschen, verschlimmert er seine Situation noch weiter. Zwar ist er in seinem Vorgehen durchaus kreativ, er kann sich dabei jedoch auch auf einen wohlmeinenden Filmemacher (Régis Blondeau, verantwortlich für Drehbuch und Regie) verlassen, der ihm mehrmals den Zufall zu Hilfe kommen lässt und der es in mehreren Szenen auch mit der Plausibilität und mit Wahrscheinlichkeiten nicht allzu genau nimmt. Mit dem Fall betraut sind lediglich die Kollegen des fahrerflüchtigen Polizisten. Unter diesen ist er zwar nicht gerade beliebt, aber mit letzter Konsequenz scheinen sie dennoch nicht zu ermitteln. Auf der anderen Seite scheint im ein unbekannter Kontrahent im Nacken zu sitzen. Wird er es also schaffen, seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen?
Wer mit dem Protagonisten dieser Geschichte mitfiebert und in Sachen Handlung auch mal fünf gerade sein lassen kann, kann mit dem französischen Kriminal- und Actionthriller 'Sans Répit – Ruhelos' eine durchaus gute Zeit haben. Wer Thomas hingegen als unsympathisch oder arrogant empfindet, hofft möglicherweise darauf, dass ihm doch noch das Handwerk gelegt werden wird. So gesehen funktioniert der Spannungsaufbau dieser Räuber- bzw. Raserpistole gleich in zwei Richtungen. Die etwas temporeicheren Abschnitte sind ordentlich in Szene gesetzt und die Atmosphäre passt gut zur Handlung. Das Ergebnis ist ein durchaus kurzweilig erzählter Film, dessen Drehbuch allerdings etwas schludrig erscheint.
KURZFAZIT
Solider Actionthriller mit einer allenfalls halbwegs plausiblen Story.
Oscar Madness (1 Nominierung)
Wie viele weibliche Darstellerinnen und wie viele männliche oscarnominierte Schauspieler braucht man, um ein Drama über den Immobiliensektor zu drehen? Regisseur James Foley ('Die Kammer') liefert auf diese Frage in 'Glengarry Glen Ross' eine ganz eigene Antwort.
Zwei ganz normale Arbeitstage in einem hochseriösen Immobilienunternehmen. Der Vorgesetzte (Alec Baldwin) und seine rechte Hand (Kevin Spacey) wollen die restlichen Angestellten (unter ihnen Al Pacino, Jack Lemmon, Alan Arkin, Ed Harris und Jonathan Pryce) mit einem Wettbewerb zu noch mehr Verkäufen anstacheln. Dem Besten winkt der Gewinn eines Autos, dem Verlierer ganz viel Freizeit (Entlassung). Das Hauen und Stechen beginnt sofort. Wer bekommt die aussichtsreichen Adressen möglicher Kaufinteressenten, die (offenbar aus einer dubiosen Quelle) zugekauft wurden, und wer muss skeptische Anleger oder Pleitegeier abtelefonieren? Wenig überraschend wird schnell klar, dass das wichtigste Hilfsmittel in dieser Firma nicht das Telefon oder der Taschenrechner, sondern der Ellbogen ist. Letzteren nutzt jeder der Makler mit ganz eigenen Mitteln. Einer gibt sich plakativ rücksichtslos, ein anderer wechselt zwischen Wehklagen und Häme und wieder andere versuchen, ihre Kollegen zu instrumentalisieren oder zu Taten zu animieren, die ihnen später beruflich das Genick brechen könnten. Geführt wird der Betrieb wie eine Drückerkolonne. Doch auch gegenüber potenziellen Kunden wird mit harten Bandagen und teils aufdringlichen Methoden gekämpft, um das keineswegs über jeden Zweifel erhabene Produkt unter's Volk zu bringen. Selbst Premiumkunden bleiben nicht davor verschont, über den Tisch gezogen zu werden (zumindest werden entsprechende Versuche unternommen). Doch wer träumt nicht davon, spät abends in den eigenen vier Wänden von einem windigen Verkäufer heimgesucht zu werden?
Statt auf einen für viele Kinoproduktionen üblichen Spannungsbogen zu setzen, bleibt Foley offenbar bewusst nahe an der Herkunft des Stoffes aus dem Theater, was den Vorteil einer unverstellten Sicht auf die Ereignisse mit sich bringt. Statt der formelhaften Aufbereitung eines Heldenreisekonzepts (oder ähnlicher Konstrukte) wird ausnahmslos alles den Dialogen und den damit verbundenen Aussagen untergeordnet. Die fast schon bedingungslose Fokussierung auf den Cast zahlt sich aus. Durchweg alle relevanten Darsteller liefern überzeugende Leistungen. Al Pacinos Oscar-Nominierung erscheint mehr als folgerichtig; ist jedoch als stellvertretend für den gesamten Cast zu betrachten, aus dem auch Jack Lemmon deutlich herausragt.
KURZFAZIT
Kammerspielartiges Drama mit relevanter Thematik und überragenden Darstellern.
Chris (Eric André) macht sich mit seinem Kumpel Bud (Lil Rel Howery) auf den Weg nach New York, um dort seinen Highschool Schwarm (Michaela Conlin) zu treffen. Eigentlich stünde einem entspannten Road Trip nichts im Wege, wäre da nur nicht Buds durchgeknallte Schwester Trina (Tiffany Haddish), eine entflohene Strafgefangene, die Jagd auf die beiden macht, weil sie ihr Auto zurückhaben möchte.
Mit dieser kurzen Einleitung wäre dann (abgesehen vom Finale) auch fast schon der komplette Film gespoilert, denn – man kann es nicht anders sagen – was einem hier als Handlung verkauft wird, ist nichts anderes als ein Schlag ins Gesicht aller Filmfans auf dieser Welt. Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass die Geschichte in diesem Fall nichts anderes ist als eine notdürftig zusammengeschusterte Klammer, die als Vehikel und Rahmen für die Streiche dienen soll, die das Ensemble dutzenden Passanten spielt. Zu der bereits genannten Kernbesetzung gesellen sich ein paar Komparsen, die ebenfalls eingeweiht sind. Die unfreiwillig beteiligten Personen hingegen finden sich wahrscheinlich in einer Art Fieber- oder Albtraum wieder. In einer Mischung aus den Konzepten von 'Jackass', 'Borat' und 'Mein neuer Freund' bringen sich die Protagonisten (allen voran Eric André) von einer peinlichen Situation in die nächste, um letztlich auch die anwesenden „Zuschauer“ in Verlegenheit zu bringen. Zwar fehlt den meisten Szenen der entlarvende Charakter vieler „Versuchsanordnungen“ in 'Borat, doch als reines Festival der Fremdscham funktioniert Kitao Sakurais 'Bad Trip' ohne Zweifel. Auch wenn sich zahlreiche Gags als Rohrkrepierer erweisen und einige andere kilometerweit gegen den Wind stinken, bleibt am Ende doch eine passable Menge gelungener Szenen, die für den einen oder anderen Lacher sorgen können.
Fünf von zehn liebestollen Gorillas.
KURZFAZIT
WTF!?
Das soziale Gefälle fällt in Frankreichs Süden mitunter doch recht massiv aus. Für einige französische Großstädte gilt dasselbe. Analog dazu verhält es sich mit den Kriminalitätsstatistiken – und erst recht mit der gefühlten Sicherheit. Entsprechend potenziert treten derlei Symptome in Marseille auf. In manche Banlieus wagt sich die Polizei nur noch widerwillig. Umso ärgerlicher wird es für gesetzestreue Normalbürger, wenn nicht nur die Verbrecher gegen Recht und Gesetz verstoßen, sondern auch die mehr oder minder szenekundigen Beamten. Wenn Polizisten einem Konsumenten das Gras abnehmen, um es selbst in Rauch aufgehen zu lassen, aber auf der anderen Seite (aus durchaus nachvollziehbaren Gründen) vor den Verkäufern kuschen, dürfte das nicht gerade die Akzeptanz der Maßnahmen fördern.
Im Fall von 'Bac Nord – Bollwerk gegen das Verbrechen' scheint dies jedoch nur bedingt von Belang zu sein, denn Regisseur und Drehbuchautor Cédric Jimenez interessiert sich allenfalls am Rande für die Durchschnittsbewohner der Stadt. Im Fokus stehen ohne Wenn und Aber die Mitglieder einer Ermittlungseinheit, die es mit dem Gesetz selbst nicht besonders genau nehmen. Ohne Frage: Leicht haben sie es auf keinen Fall in ihrem Kampf gegen ein Syndikat, deren Mitglieder ihnen zahlenmäßig deutlich überlegen sind und die noch dazu eine Art Heimvorteil in ihrem Viertel haben. Ob die kriegsähnlichen Szenen, die Jimenez dem Publikum zeigt, den tatsächlichen Ereignissen aus dem Jahr 2012 entsprechen, auf denen die Handlung lose basiert, sei jedoch dahingestellt; schließlich räumt die Produktionsfirma selbst eine teils massive Fiktionalisierung unumwunden ein. Worauf genau sich dieser Hinweis bezieht, lässt sich nur mutmaßen. Somit obliegt es den Zuschauern, das Geschehen – trotz einer bisweilen etwas tendenziösen Darstellung – selbst einzuordnen.
Dargeboten wird die Erzählung (in positiver Weise) schroff. Die Protagonisten werden dem Publikum zunächst als Identifikationsangebote verkauft, ehe sie zunehmend über die Stränge schlagen. Mit fortschreitender Laufzeit erinnert die Lage immer stärker an das Szenario der US-Polizeiserie 'The Shield', in der sich kriminelle Polizisten und kriminelle Kriminelle gegenseitig bekämpfen. Konstruktive Ansätze finden sich in 'Bac Nord' nur bedingt. Wie es garantiert nicht funktioniert, wird hier jedoch in einer Spieldauer von rund 105 Minuten skizziert.
KURZFAZIT
Überzeichnet, aber spannend.
Drei Geschichten an drei verschiedenen Schauplätzen.
Indien: Ein Ehepaar schickt seine Tochter unter größten finanziellen Anstrengungen zur Schule. Nachdem der erste Tag dort desaströs verläuft, entschließt sich die Mutter des Mädchens zu einem radikalen Schritt.
Italien: Ein harter Schicksalsschlag und finanzielle Schwierigkeiten zwingen eine junge Frau zu einer Neuausrichtung alter Gewohnheiten.
Kanada: Eine Anwältin, die Firmen mit einem äußerst rücksichtslosen Geschäftgebaren vertritt, erhält bei einer medizinischen Untersuchung eine niederschmetternde Diagnose.
Während in den beiden erstgenannten Handlungssträngen im Spannungsfeld zwischen Traditionen, familiären und/oder religiösen Erwartungen alte (persönliche und gesellschaftliche) Gewohnheiten hinterfragt werden, geht es im dritten Arm der Handlung um nicht weniger als das Überleben der Protagonistin. Auch hat sie nicht unter sozialer Ausbeutung oder gesellschaftlicher Marginalisierung zu leiden, sondern sie gehört in beruflicher Hinsicht eher selbst zu jenen Akteuren, die anderen Menschen Unbehagen bereiten. Probleme mit Vorgesetzten und Kollegen dürften nicht ausschließlich diskriminierungsbedingt, sondern durchaus auch dem beruflichen Umfeld geschuldet sein. Bei einem Kanzleichef, der keine Probleme damit hat, Mandanten zu verteidigen, die massive Schäden anrichten, überrascht es eben auch nur bedingt, wenn er nur wenig bis keine Rücksicht auf die Belegschaft nimmt. Klar wird dadurch: Filmemacherin Laetitia Colombani geht es eben nicht um einseitige Betrachtungen, denen alle weiteren Aspekte unterzuordnen sind, sondern durchaus auch um die Darstellung von Grautönen. Die Botschaft ihrer Erzählung wird dadurch keineswegs geschmälert, sondern sie gewinnt eher noch an Glaubwürdigkeit hinzu, was auch und gerade in Anbetracht der verbindenden Elemente der Handlung eine gewisse Erdung verleiht.
KURZFAZIT
Episodenfilm, dessen Handlungsstränge, nicht nur auf einen gemeinsamen Zielpunkt zulaufen, sondern auch strukturelle Probleme offenlegen, die unabhängig von Kultur, Religion und Region auftreten.
An einem abgelegenen Ort im Irland des 19. Jahrhunderts spielt sich ein rätselhaftes Phänomen ab. Ein Mädchen, das auf den ersten Blick einen mehr oder weniger unauffälligen Eindruck macht, soll seit Monaten keine Nahrung mehr zu sich genommen haben. Um der Sache auf den Grund zu gehen, beschließt ein örtlicher Beirat, zwei Beobachterinnen hinzuzuziehen, die die junge Dame abwechselnd rund um die Uhr beobachten sollen. Die mentale und spirituelle Seite soll eine Nonne abdecken, während eine Krankenpflegerin (Florence Pugh) ihre Expertise im Bereich der körperlichen Gesundheit einbringen soll. Wenig überraschend ist erstere durchaus aufgeschlossen gegenüber Wundern, während letztere aus ihrer medizinischen Perspektive schon früh deutliche Zweifel artikuliert. Was also hat es mit dem Fall auf sich und wird er gelöst werden?
Die Geschichte, die zunächst als Mystery-Historiendrama beginnt, entpuppt sich im weiteren Verlauf als weit mehr als das. Schließlich werden neben psychologischen und medizinischen auch Glaubensfragen diskutiert, die letztlich auch auf die Charakterisierung einer ganzen Gesellschaft hinauslaufen. Um den Fall lösen zu können, beobachtet die weltlich orientierte Protagonistin nicht nur das besagte Mädchen, sondern auch deren soziales Umfeld, in dem sich erstaunlich wenige Menschen Sorgen um das Wohl der (vermeintlichen oder tatsächlichen) Asketin zu machen scheinen. Einige Anwohner hoffen offenbar auf ein Wunder, die direkten Angehörigen hingegen wirken seltsam verschlossen, statt sich mit der Krankenpflegerin zu verbünden, um das Kind wieder zum Essen zu bringen. Und so wird nach und nach klar, dass hier nicht nur ein Individuum und sein direktes Umfeld, sondern im Grunde eine ganze Gesellschaft unter Beobachtung stehen. Der Befund fällt dementsprechend drastisch aus.
++ Indirekter SPOILER ++
Der Schlüssel zur Lösung des Falles liegt in einer fatalen Mischung aus unkritischer Gläubigkeit und einer kruden Art der Vergangenheitsbewältigung.
++ SPOILER Ende ++
KURZFAZIT
Historiendrama, das den Finger zwar nicht direkt in eine gesellschaftliche Wunde legt, aber das eine Problemstellung so lange umkreist, bis schließlich klar wird, worin die Intention der Erzählung besteht.
Der Name ist hier Programm. Die drei Väter im Zentrum der Geschichte von 'Old Dads' sind zwar nicht wirklich alt, im Vergleich zu vielen anderen Vätern, die Kinder ähnlichen Alters haben, fallen sie dann aber doch auf. Allerdings weniger durch Äußerlichkeiten (schließlich sieht man nicht jedem Menschen sein exaktes Alter an), als durch die Äußerungen, die sie tätigen oder die Verhaltensweisen, die sie an den Tag legen. Zwar verhalten sich die drei Titelantihelden in einigen Punkten durchaus verschieden, doch gleich mehrere Gemeinsamkeiten einen sie: Sie sind Teilhaber an derselben Firma und durchleben gerade alle eine Art Midlife-Pubertät; allerdings jeder auf seine ganz eigene Weise. Einer versucht beharrlich, mit rückwärtsgewandten Sprüchen dem Zeitgeist zu trotzen, ein anderer arbeitet scheinbar an einem imaginären Pick Up Diplom und ihr Kumpel schwebt im siebten Himmel. Wie es sich für eine Komödie gehört, fallen ihre Erfolge weitgehend durchwachsen aus. Aber alles halb so wild, schließlich haben sie beruflich schon einiges erreicht – und darüber kann man sich doch wunderbar selbst definieren – eine Strategie, mit der man garantiert niemals in ein mentales Loch fallen wird...
Gleich zu Beginn trifft einer der besagten Väter auf einen seiner Erzfeinde - einen E-Scooter-Fahrer! Eine Metapher, die in diesem Zusammenhang kaum passender gewählt sein könnte. Was Regisseur, Drehbuchautor und Darsteller Bill Burr schließlich über die gesamte Spieldauer in Bezug auf die Gags daraus macht, korreliert wahrscheinlich recht gut mit der Spermienqualität vieler Männer jenseits der 50. Manche davon können durchaus an ihr Ziel gelangen, doch ob sie dort auch eine Wirkung entfalten, steht auf einem anderen Blatt. Letztlich dürften im Vorfeld der Produktion drei Varianten zur Wahl gestanden haben: Man gießt Spott über liberalen Positionen aus, man arbeitet sich am Konservativismus ab oder man veralbert beide Seiten. Das Ergebnis fällt jedoch ziemlich ambivalent und unter dem Strich auch recht zahnlos aus, was in Anbetracht einer angespannten Gesellschaft (aus der schließlich auch möglichst viele Menschen diesen Film schauen sollen) jedoch nicht weiter verwunderlich ausfällt.
KURZFAZIT
Eine Prämisse mit Potenzial wird zu einer Handlung mit vielen Kompromissen weitergesponnen.
Ein weiteres (zumindest teilweise) deutsches Remake (in diesem Fall als multinationale Co-Produktion) einer spanischen Produktion, von der wenige Jahre zuvor bereits ein deutsches Remake gedreht wurde. Auf den ersten Blick macht eine derartige Strategie wahrscheinlich besonders dann Sinn, wenn entweder ein anderer Kern aus der Geschichte herausgeschält werden soll oder wenn ein sehr viel höheres Budget für die Produktion zur Verfügung steht. Den ersten Gedanken kann man im Fall von 'Retribution' eigentlich umgehend wieder verwerfen. Zwar wurde eine ganze Reihe inhaltlicher Änderungen vorgenommen, doch gefühlt montiert man hier einen abgenutzten Reifen ab, um als Ersatz einen anderen Reifen mit ebenso geringer Profiltiefe anzubringen. Einleuchtender erscheint hingegen der Anlass, die Geschichte mit einem international deutlich bekannteren Hauptdarsteller zu verfilmen. Auch wenn Wotan Wilke Möhring zu den bekannteren Gesichtern des deutschsprachigen Kinos zählen mag, kann Liam Neeson eben doch ein anderes Gewicht in den Ring werfen. Konterkariert wird dieses Vorhaben jedoch durch ein Drehbuch, das den Darstellern zwar hier und da ein wenig abverlangt, sie ganz gewiss aber nicht zu Höchstleistungen treibt. In diesem Licht betrachtet dürfte es dann wohl doch in erster Linie um die Zugkraft Liam Neesons gehen, die aus Vermarktungsgründen sicherlich ein wichtiger Faktor ist, aber ansonsten keinen wirklichen Gamechanger darstellt. Neeson spielt seinen Part routiniert herunter, zu einem Genre-Highlight kann aber auch er diese Produktion nicht pushen.
Da die Handlung einigermaßen haarsträubend ausfällt, sollte man sich auch gar nicht groß mit der Prämisse aufhalten. Daher nur kurz und knapp: Ein Familienvater wird von einem Anrufer mit verzerrter Stimme bedroht. Das Druckmittel: Eine Bombe unter dem Fahrersitz, deren Zünder ausgelöst wird, sobald sich das Gewicht auf dem Sitz reduziert. Ob der Sprengsatz wirklich existiert, ist zunächst unklar. Doch wer möchte das schon herausfinden? Der Protagonist ganz sicher nicht. Und mal ganz ehrlich: Als Zuschauer kann man auch ganz gut damit leben, es nicht zu erfahren und sich stattdessen einen anderen Film anzusehen.
KURZFAZIT
Just another Remake.