Framolf - Kommentare
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Alle Kommentare von Framolf
Japanuary 2025 - Oscar Edition II, Film #8 (1 Auszeichnung, 3 weitere Nominierungen)
„Wenn man Andere wirklich sehen will, muss man den Blick in gerader Linie tief nach innen richten.“ (2:12.28)
Feine Ironie, elegant-subtile Informationsvermittlung und Dialoge, deren Hauptgehalt oft zwischen den Zeilen liegt; dies ist die theatrale Welt, in der sich die Geschichte von 'Drive My Car' abspielt. Es beginnt bereits mit dem Titel, denn der Protagonist lässt sich anfangs eher widerwillig darauf ein, durch die Gegend kutschiert zu werden. Eigentlich gehört es zu seinen Ritualen, sich während der Fahrt alleine im Auto auf den Text der aktuellen Inszenierung vorzubereiten. Da es seine derzeitigen Arbeit- bzw. Auftraggeber jedoch zur Bedingung machen, dass er sich chauffieren lässt, lenkt er eher zähneknirschend ein. Kein Detail von überragender Bedeutung für den Rest der Handlung, aber doch ein Fingerzeig, worauf hier zu achten sein wird.
Selbiges gilt für die Wahl der Kulissen und Drehorte, anhand derer wiederholt Informationen vermittelt werden. Beispiele wären die Einbindung des Flughafens zu Beginn der Handlung oder das Finale in Südkorea (offenbar Busan), bei dem bewusst auf eine entsprechende Texttafel verzichtet wird. Sprache, Schriftzeichen und Rechtsverkehr reichen als Hinweise schließlich aus. An derlei Konzeptions- und Inszenierungsmerkmalen wird deutlich, wie ernst Regie und Drehbuch (beide oscarnominiert) ihr Publikum nehmen. Andere Herangehensweise würden in einem Drama, das sich unter anderem auch mit der Inszenierung eines Tschechow-Dramas beschäftigt, wohl auch absurd erscheinen. Es erscheint fast müßig zu erwähnen, dass mehrere inhaltliche Elemente aus 'Onkel Wanja' auch ihre Entsprechung in der Handlung von 'Drive My Car' finden - teils direkt, aber mitunter auch gespiegelt oder uneigentlich. Doch letztlich erscheint dies eher als Ornament.
++ SPOILER ++
Der eigentliche Kern der Handlung kristallisiert sich erst nach Ablauf von rund zwei Dritteln der Spieldauer heraus. In einem Gespräch zwischen dem Protagonisten und seinem einstigen Nebenbuhler vollendet Letzterer eine Erzählung, die Ersterer bisher nur bruchstückhaft kannte (bzw. mitgestaltete). Im Wesentlichen geht es (im übertragenen Sinne) darum, dass dessen verstorbene Gattin unter der in manchen Bereichen mangelhaften Kommunikation innerhalb der Ehe litt. Was für den Witwer ein Akt der Höflichkeit, Rücksichtnahme und wohl auch des Selbstschutzes gewesen sein mag (nicht nur in Bezug auf die vermeintliche oder tatsächliche Promiskuität seiner Frau, sondern auch bezüglich des Traumas wegen des Verlustes der gemeinsamen Tochter), führt für ihn rückblickend zu noch mehr Reue und Schmerz. Ein Stück weit wird diese Entwicklung zwar dadurch gedämpft, dass der Protagonist seine Informationen auf unzuverlässige Weise erhält (ausgerechnet über die Aussage eines einstigen Nebenbuhlers und beruflichen Konkurrenten), doch alleine der Umstand, dass die besagte Möglichkeit im Raum steht, lässt ihn nicht mehr ruhen. Das Gespräch auf dem Rücksitz seines Autos löst offenbar eine regelrechte Kaskade an inneren Vorgängen in Yusuke aus, der mit seinem Schmerz und seinen Zweifeln jedoch nicht alleine ist, da seine Fahrerin einen ähnlichen Rucksack zu tragen hat.
++ SPOILER ENDE ++
Ihre visuelle Entsprechung findet diese Entwicklung in der Positionierung der Kamera und der daraus resultierenden Änderung der Blickwinkel. Über weite Strecken hinweg wird der rote Saab des Regisseurs und Schauspielers Yusuke vornehmlich entweder aus dem Wageninneren oder aus der Vogelperspektive gezeigt. Den Zuschauern wird auf diese Weise zwar ein geringfügig größeres Blickfeld als dem Protagonisten gewährt (ein Stilmittel, das sich auch bei Alfred Hitchcock regelmäßig findet), doch im Großen und Ganzen ist man mit ihm auf Augenhöhe, was die Kenntnis neuerer Entwicklungen betrifft (vgl. auch die Aggressionen des Jungdarstellers gegenüber den beiden potenziellen Paparazzi). Infolge des gewichtigen Gespräches ändert sich jedoch auch die Sicht der Kamera. Wiederholt erfolgt nun – analog zur Gedankenwelt der beiden Leidensgenossen Misaki und Yusuke - während der Fahrten auch ein Blick nach hinten.
Zwar bietet der in 'Drive My Car' gewählte Ansatz keinen allgemeingültigen Lösungsansatz (und streng genommen noch nicht einmal eine universelle Problembeschreibung, denn zu unterschiedlich sind einfach die Gegebenheiten in verschiedenen Beziehungen), doch das dürfte auch gar nicht Ryusuke Hamaguchis Anspruch sein. Vielmehr möchte er sein Publikum wohl zum Nachdenken anregen sowie zum Hinterfragen der eigenen Verhaltensstrategien ermuntern - und wahrscheinlich auch auf hohem Niveau cineastisch verwöhnen. Eine Oscarnominierung in der Kategorie Bester Film sowie eine Auszeichnung als Bester Internationaler Film erscheinen da nur als logische Konsequenz.
7,5 – 8 Punkte.
KURZFAZIT
Ein Film der leisen Dissonanzen.
Japanuary 2025, Film #7
Selten waren bei einem Animationsfilm Begleitinfos so sehr angezeigt wie im Fall von Ghiblis oscarprämiertem Werk 'Der Junge und der Reiher', dessen Handlung sich bestenfalls unzureichend aus sich selbst heraus verstehen und interpretieren lässt. Kaku Arakawas Dokumentarfilm 'Hayao Miyazaki und der Reiher' bringt zumindest ein Stück weit Licht ins Dunkel.
Es beginnt bereits mit dem Titel, der vorab einen ersten Hinweis darauf liefert, dass sich Miyazaki mit der Rolle des Protagonisten identifiziert, während die Rolle des Reihers als eine etwas scherzhafte und augenzwinkernde Persiflage seines Weggefährten Toshio Suzuki konzipiert ist; zumindest in Bezug auf die Statur sowie einige weitere Eigenschaften. Der Umstand, dass man im Animationsfilm einen Mann in der Verkleidung eines Reihers zu sehen bekommt, soll die entsprechende Filmfigur als Betrüger entlarven (wenn auch als einen, der im Verlauf der Handlung Freundschaft mit Mahito schließt). Im übertragenen Sinne soll der Reiher einen Todesengel symbolisieren, der einen in die nächste Welt bringt, womit auch zwei Kernthemen dieser Doku angesprochen werden: Die starke Begrenzung der Lebenszeit, die wir auf Erden verbringen, sowie die verwaschenen Grenzen zwischen Realität und Fiktion im Werk, aber auch im Kopf Miyazakis. Schließlich ist 'Der Junge und der Reiher' eines von gleich mehreren Werken, die ursprünglich den Abschluss von Miyazakis Laufbahn markieren sollten. Der große Meister sieht sich nicht nur mit der eigenen Endlichkeit konfrontiert, sondern er hadert auch wiederholt mit dem vermeintlichen oder tatsächlichen Nachlassen seiner motorischen und kognitiven Fähigkeiten. Immer wieder stellt er sich die Frage, ob er noch gut zeichnen kann oder ob es überhaupt jemals gut konnte. Gelegentlich spielt ihm auch sein Gedächtnis einen Streich. Sind es lediglich alltägliche Lücken, wie sie wahrscheinlich so ziemlicher jeder kennt, oder doch eher er(n)ste Vorboten einer sich anbahnenden Demenz? Noch ist alles im Rahmen, doch Miyazaki macht sich nachvollziehbarerweise Sorgen; ein Zeichen der Selbstreflexion, die auch Eingang in seine Filme findet.
Dazu passend: Die Kopfwunden, die zwei Charaktere im Film tragen (reale Rollenvorbilder: Miyazaki und eine Weggefährtin), symbolisieren eine Öffnung des Gehirnes nach außen; eine Entgrenzung, die Miyazaki auch in Van Goghs Selbstverstümmelungsakt erkannt haben will.
Doch der auch und gerade bei Kindern so beliebte Meister kommt nicht nur selbst zu Wort. So berichtet ein langjähriger Weggefährte beispielsweise, dass Miyazaki oft so sehr an seine Einfälle glaube, dass er sie irgendwann selbst für real halte; was wohl auch eine (von mehreren) Erklärungen für das Verschwimmen von Traum und Wirklichkeit oder von Vision und Realität in seinen Werken darstellen dürfte.
Kinder an sich finden in verfremdeter Form ebenfalls Eingang in die Geschichte von 'Der Junge und der Reiher'. Doch weshalb (im übertragenen Sinn) viele von ihnen von Pelikanen gefressen werden, bleibt ebenso nebulös wie die Bedeutung der Sittiche. Irgendwelche Geheimnisse muss man schließlich bewahren. Ein Schlüssel dazu könnte vielleicht seine Ansicht sein, Kinder trügen einen dunklen Samen in sich, mit dem man sie nicht alleine lassen dürfe.
Nicht minder spannend erscheint seine ambivalente Beziehung zu Isao Takahata, dem Regisseur von Ghibli-Produktionen wie 'Tränen der Erinnerung – Only Yesterday' oder 'Die Legende der Prinzessin Kaguya', der ihm Freund, Kollege, Konkurrent und Erzfeind zugleich war und von dem er zumeist wie von einem Bruder spricht, den er sich zwar nicht aussuchen konnte und mit der er oft verschiedener Meinung war, der ihm aber trotzdem enorm wichtig ist. Es klingt so, als wären zwischen beiden regelmäßig die Fetzen geflogen; jedoch auf eine Art, von der beide in beruflicher und menschlicher Hinsicht profitierten. Immer wieder schickt Miyazaki zwar verbale Spitzen in Richtung von Takahata aus, doch er beklagt auch seinen Verlust, durch den er nun nicht mehr dessen Meinung einholen kann.
Randnotiz: Zwischen den Zeilen lässt sich herauslesen, dass Miyazaki mit der Geschichte von 'Pom Poko' nur bedingt einverstanden ist; vermutlich weil dort einige Details aus der Jugend der beiden – wenn auch verklausuliert – verraten werden, die Miyazaki lieber nicht auf der großen Leinwand gesehen hätte. Miyazaki revanchiert sich seinerseits, indem er Takahata als alternden Wächter und kauzigen Mentor darstellt, der nun das Zepter an Mahito übergibt.
Küchenpsychologische Vermutung: Miyazaki deutet an, eine düstere Kindheit gehabt zu haben. Vielleicht ein Antrieb, um Kindern mit seinen Filmen Freude zu schenken? Abgestumpft ist Miyazaki aber offenbar trotz aller Routine noch lange nicht. Oftmals quälen ihn Sorgen über die Einhaltung von Abgabeterminen; schließlich ändert er immer wieder seine Entwürfe. Doch auch mit der Beendigung seiner Arbeit an dem Projekt werden seine Sorgen nicht kleiner, denn nun plagen ihn Zweifel, wie der Film wohl bei Kritikern und vor allem den Zuschauern ankommen werde. Denn trotz fortgeschrittenen Alters hat er sich eben noch immer eine ganze Reihe an Merkmalen aus seiner Jugend bewahrt. Dementsprechend hat er auch schon die Verlautbarung folgen lassen, dass er bereits an neuem Material arbeite. Sein nächster „letzter“ Film ist also jetzt schon keine reine Utopie mehr.
KURZFZIT
Diese Dokumentation liefert einen Schlüssel zu einem besseren Verständnis von 'Der Junge und der Reiher'. Nicht jede Tür lässt sich damit öffnen, aber zumindest doch einige.
Japanuary 2025 - Oscar Edition II, Film #6 (1 Auszeichnung)
Mahito, dessen Mutter bei einem Brand ums Leben kam, zieht nun mit dem Vater, der offenbar kein Kind von Traurigkeit ist, zu deren Schwester. Dort tut sich für den Jungen unweit des Hauses eine neue Welt auf, wodurch sich eine Situation ergibt, die an eine Mischung von Motiven aus den Filmen 'Mein Nachbar Totoro' und 'Erinnerungen an Marnie' mit einem Schuss 'Königreich der Katzen' erinnert. Wo Studio Ghibli draufsteht, ist eben (fast) zuverlässig eine Mischung aus Eskapismus, Verfremdung, Nostalgie, Wehmut und einer ganz besonderen Beziehung zur Natur drin – von den familiären Aspekten sowie einer Coming of Age Thematik ganz zu schweigen.
Auch in visueller Hinsicht ist es gelungen, den Markenkern trotz veränderter Produktionsbedingungen weitgehend beizubehalten. Zu den heimlichen Stars der Produktion gehört nach wie vor die detailreich gestaltete Flora, wodurch die Peripherie den Blick oftmals stärker bindet als der Vordergrund. Gerade unter diesem Gesichtspunkt bietet sich 'Der Junge und der Reiher' durchaus für Mehrfachsichtungen an; schließlich gibt es in Hayao Miyazakis Bilderwelten traditionell viel zu entdecken. Viele Pflanzen wirken beachtlich vital, während in den Filmen, die eher im städtischen Milieu angesiedelt sind, oftmals Alltäglichkeiten ganz besonders griffig visualisiert werden. Beides spricht jedenfalls für eine bemerkenswerte Beobachtungsgabe, die im Verbund mit hoher Kunstfertigkeit für visuelle Genüsse sorgt. Bei Miyazaki ziehen offenkundig Auge, Hand und Herz am selben Strang.
Problematisch erscheint hingegen die Zugänglichkeit der in 'Der Junge und der Reiher' erzählten Geschichte. Die verfremdenden Elemente des magischen Realismus nehmen hier einen derart hohen Stellenwert ein, dass die Handlung bei Erstsichtung kaum noch zugänglich erscheint. Zu verkopft erscheinen einige Metaphern und die damit verbundenen Handlungsentwicklungen, wobei auch nicht immer ganz klar ist, welchen Motiven im übertragenen Sinn eine Bedeutung zukommt und welche Analogien überwiegend zum Selbstzweck geschaffen werden. Um diesen Umstand abzufedern, wurde mit 'Hayao Miyazaki und der Reiher' rund ein Jahr später eine Dokumentation veröffentlicht, die bezüglich einiger Fragen Licht ins Dunkel bringt.
KURZFAZIT
Eine Ghibli-Produktion wie aus dem Bilderbuch.
Japanuary 2025 - Oscar Edition II, Film #5 (1 Nominierung)
Ein fremder (und etwas geheimnisvoller) Kämpfer ist in der Stadt. Schnell erkennt er, dass einige Bürger in Angst leben, da zwei rivalisierende Banden, angeführt von zwei Paten, die sich spinnefeind sind, die gesamte Umgebung terrorisieren. Einige der Kämpfer sind stolz auf ihre kriminelle Ader und sie prahlen regelrecht damit, von Gesetzesvertretern gesucht zu werden. Zwei hochgradig kriminelle und vergleichsweise wohlhabende Männer tragen also (zu martialischen Klängen) eine Fehde aus und zahlreiche Lemminge schließen sich ihnen an. Einige werden wie Fliegen von der Scheiße angezogen; sie ziehen sogar extra in den besagten Ort. Andere bringen sich aus Opportunismus oder aus Angst in den Konflikt mit ein. Der Rest versteckt sich, so gut es geht, und versucht, keinesfalls anzuecken. Fatalerweise profitiert letztlich aber niemand von der Situation.
Die ganze Geschichte liest sich wie ein zynischer Kommentar Akira Kurosawas zur gesellschaftlichen oder politischen Lage in verschiedenen Gegenden der Welt. Ein Großteil der Bewohner hat Blut an den Händen und/oder stirbt selbst. Gutes bewirkt mit diesem Verhalten keiner von ihnen. Oder um es mit den letzten Worten eines der Charaktere zu sagen: „Am Eingang zur Hölle warte ich auf dich.“
Letztlich ist es ein wohl zeitloser Stoff. In dieser Hinsicht erscheint es kaum verwunderlich, dass sich mit Sergio Leone ('Für eine Handvoll Dollar') und Walter Hill ('Last Man Standing') sowie mehreren Akteuren des Italowesterns zahlreiche namhafte Filmemacher von 'Yojimbo – Der Leibwächter' inspirieren ließen. Eine Oscarnominierung für das Beste Kostümdesign (1962) rundet die durchaus gewaltige Nachwirkung ab (auch wenn die begehrte Trophäe schließlich an die Konkurrenz von 'La Dolce Vita' verliehen wurde).
KURZFAZIT
Stilbildendes Werk von Akira Kurosawa, dessen Wirkung weit über das Samurai-Genre hinausreicht.
Japanuary 2025 - Oscar Edition II, Film #4
Oscar Madness (1 Nominierung)
++ Enthält SPOILER ++
Die Zweitklässler einer Tokioter Grundschule sollen bei einer Willkommensveranstaltung für die Erstklässler Beethovens 'Ode an die Freude' zum Besten geben; wohl auch, um den zahlreich erscheinenden Elter der neuen Schüler zu zeigen, was an dieser Schule möglich ist. Nach einem vergleichsweise streng geführten Auswahlverfahren beginnen die Proben für das Musikstück. So zynisch es auch klingen mag: Das Drama einer einzelnen Schülerin erweist sich für Filmemacherin Ema Ryan Yamazaki als Glücksfall, denn auf ihrem Beispiel kann sie eine Kurzdoku aufbauen, die wohl exemplarisch für bestimmte Entwicklungen innerhalb des japanischen Schulsystems stehen dürfte und darüber hinaus auch als Kommentar zum Leistungsgedanken einer ganzen Gesellschaft bzw. Volkwirtschaft betrachtet werden kann.
Der Titel des einzustudierenden Musikstückes könnte aus Sicht der besagten Schülerin ironischer kaum sein. Schließlich kullern während der Vorbereitungen wiederholt Tränen über ihre Wangen. Zu Beginn der Proben verpasst sie mehrmals ihren Einsatz; manchmal stimmt auch ihr Timing nicht. Offenbar hat sie auch nur einen Teil des einzustudierenden Abschnitten geübt. Kleinlaut gibt sie zu, dass sie nicht genug Zeit dazu hatte. Der Lehrer hält fast schon martialische Reden darüber, dass ein einzelner das Gesamtgefüge empfindlich stören kann und dass gefälligst ausreichend geübt werden müsse. Von der Generalprobe wird das Mädchen mit dem nicht ganz so optimalen Timing sogar zeitweilig ausgeschlossen, wobei sich eine andere Lehrkraft ihrer annimmt.
Als mindestens ebenso aussagekräftig wie die Geschichte im Vordergrund erweisen sich die vermeintlich kleinen Details aus dem Schulalltag, die gezeigt werden. Die Zeiten für das Mittagessen sind auf die Sekunde genau festgelegt. Die Gespräche unter den Kindern, die gezeigt werden, erinnern mitunter eher an die Unterhaltungen Erwachsener. Ob die gezeigten Szenen auch repräsentativ sind, lässt sich allerdings nur erahnen. Fest steht jedoch: Von Schreiben nach Gehör, Sportwettkämpfen ohne die Wertung von Ergebnissen oder Eltern, die nach Kritik an den Leistungen ihrer Sprösslinge Lehrkräfte beschimpfen, scheint man hier relativ weit entfernt zu sein. Wenn bereits schulische Aufführungen derart disziplinorientiert vorbereitet werden, lässt sich erahnen, wie erst eine Prüfungsvorbereitung ablaufen muss. Die Schüler von heute als potenzielle Leistungsträger von morgen sollen gar nicht erst auf die Idee kommen, Schlendrian zu entwickeln. Letztlich sind sie eben auch Instrumente, die das schlagende Herz von Japans Wirtschaft am Laufen halten sollen. Am Ende wird glücklicherweise alles gut – zumindest für jene, die nicht hintenüberkippen.
KURZFAZIT
Nicht für die Schule lernen wir, sondern für die Leistungsgesellschaft.
Japanuary 2025 - Oscar Edition II, Film #3 (2 Nominierungen)
++ Minimale SPOILER ++
Nachdem der Fürst durch einen Heckenschützen schwer verwundet wurde, beschließen seine Gefolgsleute, einen zum Tode verurteilten Dieb zu dessen Nachfolger aufzubauen. Dieser zeigt sich vor dem fatalen Attentat noch eher unwillig, doch nachdem sich die Ereignisse überschlagen, willigt er ein. Der Feind lässt sich davon ebenso täuschen wie viele Personen aus dem eigenen Lager. Mitten in dieser Gemengelage zieht ein Krieg herauf. Offenbar weiß niemand genau, warum eigentlich; und es wird auch nicht wirklich hinterfragt.
Hüben wie drüben bleiben die allermeisten der Kontrahenten namenlos. Letztlich sind die Kämpfer für die Machthaber nicht viel anderes als Fleisch für die Kriegsmaschinerie. Gekämpft wird in einer kargen Landschaft, die es wohl auch zu erobern gilt. Was die möglichen Gewinner damit wollen, bleibt unklar. Eine Diplomatie, die diese Bezeichnung auch verdienen würde, findet ohnehin nicht statt. Dabei macht sich der ehemalige Dieb eigentlich recht gut in seiner Rolle. Anfangs noch mit großen Schwierigkeiten in seinem Auftreten, verbessert er sukzessive seine Wortwahl, seine Gestik und sein sonstiges Verhalten, wodurch er zu einem würdigen Platzhalter aufsteigt. Seinen Beratern, die anfangs noch auf ihn herabblickten, wird zunehmend mulmig. Kann diese Gemengelage auch nur für irgendjemanden zu einem positiven Ende führen?
Filmemacher Akira Kurosawa hinterfragt mittels dieses Konstrukts nicht nur die Legitimation von Erbdynastien, sondern auch ganz allgemein den Sinn kriegerischer Handlungen, die nicht durch handfeste Diplomatie abgesichert sind. Unzählige Leute lassen dabei ihr Leben; noch dazu für ein unklares Ziel. Nennenswert dazugelernt hat die Menschheit seitdem offenbar kaum.
Fünf Jahre später spielt Kurosawa in seinem oscarprämierten Historiendrama 'Ran' ein vergleichbares (wenn auch in Nuancen anders gelagertes) Szenario durch, das auch in visueller Hinsicht Parallelen zu 'Kagemusha – Schatten des Kriegers' aufweist, wodurch er einen ohnehin schon ambitionierten Entwurf noch zusätzlich veredelt.
KURZFAZIT
Inhaltlich zeitloses, wenn auch stilistisch etwas eigenwilliges, Epos.
Japanuary 2025 - Oscar Edition II, Film #2 (1 Nominierung)
Fans der klassischen 'Godzilla'-Filme bzw. der Showa-Staffel (und viele andere Filmfans) kennen es wahrscheinlich: In Japan findet die cineastische Aufarbeitung der Schrecken des Zweiten Weltkrieges oftmals etwas subtiler und verklausulierter statt als beispielsweise in vielen europäischen Ländern.
Jiro, der schon im Kindesalter davon träumt, Flugzeuge zu konstruieren, verfolgt diesen Plan auch noch im Erwachsenenalter. Die Frage, ob er dazu beitragen wird, den Krieg zugunsten Japans zu entscheiden, erübrigt sich schon von vornherein, denn der Ausgang des Krieges ist schließlich bekannt. Die Prämisse stellt also in erster Linie ein Vehikel dar, um ein persönliches (weitestgehend fiktives) Schicksal mit dem Befinden einer ganzen Nation zu verknüpfen. Jiros Träume reichen bis in die Wolken; und doch prallt er auf dem Boden der Ernüchterung auf – und das gleich in mehrfacher Hinsicht. Seine Kontakte im Rahmen dieser Geschichte sind Japaner, Deutsche und Italiener. Jackpot! Jedenfalls in geschichtlicher Hinsicht, womit sich einmal mehr die Frage nach dem richtigen Leben im falschen stellt. Hier wird sie auf Ghibli-Art beantwortet.
Auch in dieser Produktion, in der sich vieles um die Technikbegeisterung des Protagonisten dreht, lässt es sich Hayao Miyazaki nicht nehmen, ganz besonders viel Wert auf die visuelle Gestaltung von Panoramen zu legen. Ein Blick über die Stadt oder auf idyllische Orte in der Natur legt oft derart viele liebevoll gestaltete Details frei, dass man sich das eine oder andere Standbild fast schon einrahmen und an die Wand hängen möchte. Die Zeichnung der Menschen hingegen ist teilweise derart rudimentär gehalten, dass schnell klar wird, dass die Spezies Mensch trotz aller Gestaltungsmacht nur ein einziges Rädchen in einem großen Getriebe darstellt. Der Umstand, dass in vielen Ghibli-Filmen (so auch hier) Charaktere vorkommen, die in visueller Hinsicht regelrechte Zerrbilder darstellen, weist einerseits in eine ähnliche Richtung und andererseits wohl auch zur engen Verbindung zwischen Traum und Realität in den entsprechenden Produktionen.
Die Handlung endet jedenfalls mit einem gewissen Zustand der Ratlosigkeit; denn auch wenn Flugzeuge noch so hochsteigen, runter kommen sie immer.
KURZFAZIT
Ironischerweise gehört ausgerechnet dieses Drama über einen Luftfahrtingenieur (abgesehen von den Visionen und Traumsequenzen) zu den besonders bodenständigen Vertretern aus dem Hause Ghibli.
Japanuary 2025 - Oscar Edition II, Film #1 (1 Auszeichnung)
Mit nur wenigen Monaten Abstand kamen Ende 2023 bzw. Anfang 2024 gleich zwei 'Godzilla'-Verfilmungen in die deutschen Kinos: 'Godzilla: Minus One' aus Japan und mit 'Godzilla x Kong: The New Empire' eine Art Gegenentwurf aus den USA. Während der US-Vertreter inhaltlich zweifelhafte Kapriolen schlägt (Hohlerde oder Kongs „Überedungskünste“ gegenüber Godzilla) und nicht besonders viel Wert auf zivile Opfer und Schäden zu legen scheint, gehen die Produzenten von 'Godzilla Minus One' ihre Mission sehr viel bodenständiger an. Einwohner leiden unter der Zerstörung ihrer Wohnviertel und einigen Soldaten, von denen viele erst kürzlich aus dem Krieg zurückgekehrt sind, steht die Angst förmlich ins Gesicht geschrieben.
Überhaupt: Das nette Monster von nebenan, wie Kong in der US-Verfilmung beschworen wird, oder den grimmigen, aber einsichtigen Godzilla (ebenfalls 'Godzilla x Kong: The New Empire') gibt es hier nicht. Stattdessen wird hier ein animalisches (oder besser: bestialisches) Seeungeheuer auf die Menschheit losgelassen, auf das sich maximal durch Anwendung massiver Gewalt einwirken lässt. Schon die erste Begegnung der Protagonisten mit der Bestie könnte kaum atmosphärischer in Szene gesetzt sein. Durch pures Glück (bei einer Chance von 50:50) überleben sie die erste Attacke, ehe die eigentliche Jagd beginnt. Einige Charaktere wirken verängstigt und es wird deutlich, dass sie mehr oder weniger auf sich alleine gestellt sind. Nach und nach werden Details des Aussehens und des Verhaltens von Godzilla enthüllt, wodurch die Lage immer auswegloser erscheint. Unterbrochen werden die Angriffe durch tragödienartig inszenierte Dialogszenen, die neben den Auswirkungen der Zerstörung auch das Nachkriegsleid in den Blick nehmen.
In stilistischer Hinsicht wurden mit einem vergleichsweise lausigen Budget von umgerechnet rund 15 Millionen US-Dollar beachtliche Erfolge erzielt, indem (passend zum Inhalt) auch Verbindungen zu den Filmen der Showa-Staffel hergestellt werden (selbst die Abkürzung „G“ wird übernommen), wodurch bei der Gestaltung des Monsters visuell eine Brücke von den 1950er und 1960er Jahren in die 2020er Jahre gebaut wird; wohlgemerkt mit einem Budget, das nur einen Bruchteil der ungefähr zeitgleich entstandenen US-Produktion beträgt. Die Tatsache, dass man sich auch im Rahmen der Oscar Verleihung 2024 in der Sparte Beste visuelle Effekte gegen finanziell deutlich besser ausgestattete Kandidaten durchsetzen konnte, rundet die Erfolgsgeschichte schließlich ab. Die (bereits erfolgte) Verkündung der Produktion einer Fortsetzung erscheint daher nur folgerichtig.
6,5 – 7 Punkte.
KURZFAZIT
Zeitgemäß und klassisch zugleich. 'Godzilla Minus One' verbindet neue Impulse mit dem Erbe der Reihe.
++ Minimale SPOILER ++
Mit nur wenigen Monaten Abstand kamen Ende 2023 bzw. Anfang 2024 gleich zwei 'Godzilla'-Verfilmungen in die deutschen Kinos. 'Godzilla: Minus One' aus Japan und mit 'Godzilla x Kong: The New Empire' eine Art Gegenentwurf aus den USA. Während der japanische Vertreter inhaltlich eher traditionell und (zumindest innerhalb des Genres) recht bodenständig daherkommt (im Sinne eines klassischen Monsterfilmes in visuell modernem Gewand), erinnert der amerikanische Entwurf eher an einen Superheldenfilm. Während im fernöstlichen Pendant nicht nur die spezialisierten Protagonisten (ein Pilot, ein Professor usw.), sondern auch Soldaten und Einwohner gezeigt werden, die unter den Attacken des aggressiven Meeresbewohners leiden, spielen Zivilisten und einfache Soldaten in 'Godzilla x Kong: The New Empire' so gut wie keine Rolle; und wenn, dann nur als Statisten am Strand oder in der Stadt usw. Um die zivilen Opfer in den zerstörten Gebäuden schert sich Regisseur Adam Wingard ('You're Next') nur wenig bis gar nicht. Ein Teil der Monster hingegen wird zunehmend vermenschlicht – und teilweise auch verniedlicht. Kong erscheint bisweilen als eine Art Kumpeltyp und selbst Godzilla lässt sich in einer handfesten Debatte von seinem Widersacher von der Notwendigkeit überzeugen, gemeinsam gegen anderweitige Konkurrenten in die Schlacht zu ziehen – in Hohlerde wohlgemerkt. Ohne den Fans der Reihe auf den Schlips treten zu wollen: Mit Mumpitz ist das Treiben auf der Leinwand noch verharmlosend umschrieben; selbst in einem Genre wie diesem, in dem nun wirklich niemand auch nur irgendeine Art von Realitätsbezug erwartet.
Deutlich besser überzeugen kann Wingards Inszenierung durch diverse visuelle Spielereien. Die Fantasiewelten wirken detailreich und teils farbenprächtig gestaltet und in Kongs Kampfstil werden wiederholt kreative Bewegungen eingewoben. Im Grunde hat man es hier mit einem prototypischen Vertreter des Guilty Pleasure Kinos zu tun.
Letztlich bleibt es wohl eine Glaubensfrage, welchen Ansatz man präferiert. Nach dem übergroßen Ausrufezeichen, das die Crew von 'Godzilla Minus One' im Rahmen der Oscarverleihung 2024 im Bereich visuelle Effekte setzen konnte, dürfte sich aber bis auf Weiteres auch das Argument der automatischen technischen Überlegenheit von Hollywoodproduktionen erledigt haben.
KURZFAZIT
Halbwegs unterhaltsame Monsterfantasy mit einer der stupidesten Geschichten der Kinosaison 2023/2024.
Oscar Madness (1 Nominierung)
Das Sequel 'Alles steht Kopf 2' setzt ungefähr dort ein, wo der rund neun Jahre zuvor produzierte Vorgängerfilm endet, nämlich mit dem Beginn von Rileys Pubertät; ein Luxus, den man sich in animierten Filmen leisten kann, ohne groß umdisponieren zu müssen. Riley, die eine talentierte Eishockeyspielerin zu sein scheint, wird zusammen mit zwei Freundinnen zu einem Trainingslager eingeladen, wo ihr die Aussicht auf ein Stipendium winkt. Dort lernt sie ein neues Vorbild kennen, wobei sie sich ganz bewusst von ihren bisherigen Freundinnen abgrenzt, in der Hoffnung dadurch beliebter bei ihren neuen Bekanntschaften zu werden.
Auch in dieser Fortsetzung werden die allermeisten Entscheidungen mit einem Widerstreit innerer Empfindungen erklärt. In vielen Fällen klingt die Motivation bestimmter Handlungen durch Freude, Wut, Kummer usw. durchaus plausibel; selbiges gilt für die Visualisierung der entsprechenden Prozesse. Mit dem Beginn der Pubertät spielen nun weitere Impulse und Empfindungen wie Zweifel oder Peinlichkeit eine Rolle, die bisher entweder nicht vorhanden waren oder unterdrückt wurden (wie es aktuell mit der Nostalgie noch der Fall ist). Aus laienhafter Sicht erscheint es schwer zu beurteilen, ob die unzähligen Thesen aus dem Bereich der Psychologie, die hier vertreten werden, auch haltbar sind, doch viele der Herleitungen von Handlungen aus der diesen oder jenen Überlegungen erscheinen durchaus plausibel. Etwas holpriger (und auch komplexer) sieht es mit der Interaktion der Gefühle untereinander aus (wenn beispielsweise die Freude und das unterdrückte Geheimnis aufeinandertreffen). Hier scheint es auf den ersten Blick nicht mehr ganz so weit her zu sein mit der wissenschaftlichen Substanz. Eigentlich spielt diese Frage bei einem Familienfilm zwar keine große Rolle, doch durch den Film von 2015 wurde eben auch eine gewisse Fallhöhe geschaffen, die Zuschauer regelrecht dazu animieren soll, genauer hinzusehen. Schließlich scheint zumindest ein Teil der vertretenen Thesen durchaus Hand und Fuß zu haben. Die Erwähnung, dass sich Pixar auch mit diesem Film in technischer und visueller Hinsicht auf der Höhe der Zeit befindet, erscheint fast schon überflüssig. Daher noch einmal kurz zurück zur Geschichte an sich:
Ironischerweise wird ausgerechnet Rileys Hang zu einer ganz besonders egoistischen Variante des Run and Gun Hockeys, mittels derer sie sich für das Trainingslager empfehlen konnte, später (nicht zu Unrecht) als Schwachpunkt dargestellt; was aber vielleicht auch damit zu tun haben könnte, dass sie es derart übertreibt, dass sie mit einer Mischung aus Verbissenheit, Egozentrik und Infantilität selbst ihren Teamkolleginnen die Scheibe abnimmt. Ein gesundes Maß aus verschiedenen Extremen (hier: Selbstbezogenheit vs. Kollegialität) ist vielleicht doch nicht der allerschlechteste Weg – womit die Botschaft aus der ersten Episode im Grunde gespiegelt wird.
KURZFAZIT
Solide Fortsetzung.
Der Dokumentarfilm 'Am Ende der Welt' (2007) beginnt, womit viele Geschichten über die Titanic enden: Mit einem Eisberg. In einer bizarren Meeres- und Eislandschaft, mehrere hundert Kilometer vom Südpol entfernt, machen die Besatzungen zweier Schiffe von Sea Shepherd Jagd auf japanische Walfänger, die selbst innerhalb von Schutzzonen Wale (vorgeblich zu Forschungszwecken) bejagen. Am Ende einer fast zweimonatigen Verfolgungsjagd kommt es zu einem ereignisreichen Showdown.
Im Vergleich zur thematisch sehr ähnlich gelagerten Dokumentation 'Sea Shepherd – Verfolgungsjagd auf hoher See' (in der Alex Cornelissen eine noch prominentere Rolle spielt als hier), die mit augenscheinlich höherem Aufwand verfilmt wurde, eine längere Zeitspanne sowie spektakulärere „Actionszenen“ umfasst und zudem etwas mehr Thrill aufweist, wird in 'Am Ende der Welt' ein etwas plastischeres Bild der alltäglichen Beschwerlichkeiten gezeichnet. Auch wenn die entsprechenden Szenen nur wenige Minuten in Anspruch nehmen, erscheinen diese aufgrund ihrer Symbolkraft doch recht aussagekräftig. Gezeigt wird etwa, wie Besatzungsmitglieder die Reling (und weitere Bauteile) von dicken Eisschichten befreien oder wie die Köchin bei ungemütlichem Seegang Essen zubereitet. Kein leichtes Unterfangen.
Eines muss man den Aktivisten von Sea Shepherd lassen: In Sachen Öffentlichkeitsarbeit und Vermarktung sind sie ihren Kontrahenten meilenweit voraus. Sie präsentieren ihre Sicht der Dinge nicht nur auf herkömmlichen Wegen (Homepages, Videoportale, Social Media etc.), sondern auch in verschiedenen Dokumentarfilmen, wodurch sie vermutlich Zugang zu unterschiedlichen Publikumsegmenten erhalten. Bei der Sichtung von 'Am Ende der Welt' fällt darüber hinaus auf, wie viele verschiedene Kleidungsstücke und Accessoires mit dem Logo der Organisation getragen werden. Erwerben lassen sich nicht nur Shirts und Sweater, sondern beispielsweise auch alkoholische Getränke mit dem Logo der NGO. Eine von verschiedenen Strategien, um den finanziellen Vorsprung einiger zwielichtiger Reedereien zumindest etwas zu verkürzen.
Von Greenpeace hingegen grenzt man sich in diesem Film deutlich ab. In abwertenden Kommentaren wird den Mitstreitern in der Sache, die bei der Akquise von Spendengeldern auch Konkurrenten sein dürften, fehlender Wille zur Kooperation unterstellt. Aus Zuschauersicht ist der Gehalt derartiger Vorwürfe nur schwer zu verifizieren, da man an Bord des Greenpeace-Schiffes, das mitunter zeitgleich vor Ort ist, vermutlich auch kritisch auf die Leute von Sea Shepherd blicken wird. Vielen Unterstützern beider Organisationen wäre es vermutlich ganz recht, wenn sie zuvorderst pragmatisch kooperieren würden (was mitunter sicher auch vorkommen dürfte).
KURZFAZIT
Spannende, wenn auch wahrscheinlich nicht ganz ungefilterte, Einblicke in den Alltag von Artenschutzaktivisten auf hoher See.
In Zeiten überfischter Meere und zahlreicher bedrohter Fischbestände dürfte die Einhaltung internationaler Standards ganz besonders wichtig sein. Zwar ist davon unbenommen, dass auch dieses Regelwerk vollkommen unzureichend sein dürfte und es auch zahlreiche Verlierer kennt (wenn beispielsweise lokale Fischer nicht gegen die „Kahlschläge“ großer Trawler ankommen), doch immerhin haben sich Politik und Industrie überhaupt auf irgendwelche Mindeststandards geeinigt. Höchst problematisch dürfte jedoch die mangelhafte Umsetzung derartiger Abkommen sein. Wilderei ist auch (und gerade) auf hoher See ein lukrativer Geschäftszweig und das Risiko entdeckt oder gar sanktioniert zu werden, erscheint vielen windigen Geschäftemachern überschaubar.
Die Meeresschutzorganisation Sea Shepherd hat es sich zur Aufgabe gemacht, unter anderem illegalen Fischfang mit Schleppnetzen aufzudecken, zu behindern und zur Anzeige zu bringen. Dass nicht ausschließlich Umwelt- und Artenschützer, sondern auch legal operierende Fischer Interesse am Erfolg ihrer Missionen haben, liegt auf der Hand und wird von einigen Besatzungsmitgliedern auch gar nicht bestritten. Schließlich wird dadurch die Relevanz derartiger Tätigkeiten keineswegs geschmälert, sondern eher sogar noch erhöht. So verwundert es auch nicht weiter, dass die Aktivisten von Sea Shepherd Unterstützung von Behörden aus zahlreichen Ländern erfahren und dass eine Zusammenarbeit mit Interpol stattfindet. Ein großes Problem besteht jedoch in der Durchsetzung der geltenden Rechte auf internationalen Gewässern. Was nutzt es schließlich, im Recht zu sein, wenn die Kontrahenten über bessere Ausrüstung oder einen längeren Atem verfügen?
In der vorliegenden Dokumentation geht es konkret darum, dass die Besatzungen der Bob Barker und der Sam Simon ein Schiff namens Thunder ausfindig machen, dessen Besatzung im Südpolarmeer Antarktisdorsche und andere Meeresbewohner rechtswidrig bejagt. Was daraufhin folgt, wäre mit „Actionthriller“ noch untertrieben betitelt. In einer für beide Seiten zermürbenden Verfolgungsjagd, die nahezu vier Monate andauert und die Besatzungen der beteiligten Schiffe regelrecht aufreibt, liefern sich die Jäger im Dienste der NGO und die ursprünglichen Jäger (im Sinn von „Wilderer“), die sich nun plötzlich in der Rolle der Gejagten sehen, eine spektakuläre Verfolgungsjagd, die sich über einen nicht unwesentlichen Teil des Globus erstreckt. Das Duell gipfelt schließlich in einem Finale, das die ohnehin schon aufsehenerregende Verfolgungsjagd sogar noch deutlich in den Schatten stellt. Der Umstand, dass die dabei entstandenen Aufnahmen mit vergleichsweise moderaten Eingriffen montiert wurden, steigert die Immersion noch zusätzlich. Das Ergebnis dieser Produktion geht schließlich weit über eine schnöde Reportage hinaus. Vielmehr wohnt man einer Reihe schier unfassbarer Ereignisse aus naher Distanz bei.
KURZFAZIT
Die spannendsten Geschichten schreibt eben vielleicht doch das Leben.
[Danke an Eudora für den sehenswerten Filmtipp]
++ Leichte SPOILER ++
Die Welt war für uns Europäer jahrzehntelang so schön. Wenn unbescholtene Bürger von Monstern oder mutierten Viechern heimgesucht wurden, fand es so gut wie immer Übersee statt; vorrangig in Kanada, den Vereinigten Staaten von Amerika oder in Japan. Die Leute hatten dort Krokodile und Haie in allen Farben und Formen (weiß, mehrköpfig, im Sand, im Schnee oder als Geistererscheinung), den legendären Zombiber, oder auch King Kong und Godzilla. Bei uns gab es zwar auch mal einen Hai-Alarm am Müggelsee, aber hey, wir leben noch! Doch jetzt sind wir vielleicht wirklich am Arsch, denn ein riesiger Hai schwimmt in der Seine. Eine Forscherin und ihr Sidekick bitten zwar die Bürgermeisterin, den bevorstehenden Triathlon abzusagen, doch mal ehrlich, da kann ja jeder kommen. Der Wettbewerb findet natürlich statt! Bürgermeisterin: EINS! Forscherin: NULL! Danke! BITTE!
Um nicht ganz so viel vorwegzunehmen, wird der nächste Satz total rätselhaft formuliert: Entweder die Schwimmer oder der Hai haben danach erstmal keinen Hunger mehr.
Eigentlich hätte die „Handlung“ von 'Im Wasser der Seine' sowohl das Zeug zum Trashspektakel als auch zu einem übersteigerten Action-Blockbuster, der sich selbst auf's Korn nimmt. Doch leider haben sich die Produzenten zu einer schnöden B-Movie Variante entschieden, die zwar nicht komplett schlecht ist, deren Höhepunkte man aber dennoch an einer Hand abzählen kann (auch an einer Hand, von der der Hai schon zwei oder drei Finger abgebissen hat). Ein paar wenige Szenen sind halbwegs unterhaltsam oder spannend geraten, der Rest plätschert vor sich hin wie das Wasser der Seine.
Für diese Durchschnittskost hätte man den Monsterhai nicht unbedingt nach Europa einschleppen müssen.
3 – 3,5 Punkte.
KURZFAZIT
Im Abwasser der Seine. Ob es wirklich Sinn macht, in dieser Brühe zu schwimmen?
'Magpie' – nicht der schlechteste Titel für einen Psychothriller. Elstern gehen Konflikten mit anderen Vögeln nicht zwingend aus dem Weg und sie schleppen auch ganz gerne mal funkelnde Sachen in ihre Nester, von denen andere Vögel lieber die Finger bzw, den Schnabel lassen. Man könnte den Titel auch mit „Schwätzer“ oder „Sammler“ übersetzen. Je nach Bedeutung ließe sich die Bezeichnung auf verschiedene Charaktere innerhalb der Geschichte anwenden.
Der Vater (Shazad Latif) eines Mädchens, das sich erste Meriten als Kinderschauspielerin verdient, begleitet seine Tochter regelmäßig an das Set, wo er sich durchaus auch vom Glitzern einer Darstellerin (Matilda Anna Ingrid Lutz) verzaubern lässt. Er fühlt sich augenscheinlich geschmeichelt und verbringt zunehmend Zeit mit ihr. Sie scheint Verständnis für ihn zu haben und spricht Empfindungen in ihm an, um die sich seine Ehefrau (Daisy Ridley) nicht viel zu scheren scheint. Doch wie es im Psychothrillergenre nun mal oft so ist, ist das junge Glück nicht von langer Dauer. Üblicherweise würde sich die neue Geliebte oder vielleicht auch der Familienvater als Psychopath(in) herausstellen und dem Rest der Charaktere das Leben zur Hölle machen. Vielleicht ist dem auch hier so, vielleicht aber auch nicht. Wer mehr wissen möchte, muss es selbst herausfinden, denn Sam Yates (Regie) baut einen Großteil der Spannung auf den Erwartungen und bisherigen Sehgewohnheiten des Publikums auf. Auch wenn einige seiner Finten doch recht durchschaubar daherkommen, hat das Versteck- und Verstellspiel durchaus seinen Reiz. Einige Situationen sind lebensnah genug dargestellt, um die Befindlichkeiten der Charaktere nachempfinden zu können, was letztlich auch zu der Frage führen kann, wie man sich als dieser oder jener Akteur wohl selbst verhalten würde. Zwar ist 'Magpie' von der Fallhöhe eines hochwertigen Ehedramas weit entfernt, doch für halbwegs spannende Unterhaltung reicht das entworfene Szenario allemal.
KURZFAZIT
Durchschnittlicher Psychothriller, der hauptsächlich durch sein Spiel mit den Erwartungen punktet.
Erbe verpflichtet – im Fall der Ghostbusters offenbar ganz besonders. Nachdem im Vorgängerfilm 'Ghostbusters: Legacy' (2021) schon im Filmtitel offengelegt wurde, worauf der Fokus gelegt werden soll, setzt man in der Fortsetzung 'Frozen Empire' auf dieses Konzept nochmal einen obendrauf. Sowohl das Handlungsgerüst als auch die Ausgestaltung zahlreicher Szenen orientieren sich derart stark an den Vorgängerfilmen, dass einem hier vermutlich sogar mehr aufgewärmte als neue Ideen begegnen. Zahlreiche Locations oder Situationen werden erneut aufgegriffen und nicht wenige Geister der alten Schule begegnen dem Publikum erneut. Die in der Legacy-Ära neu eingeführten Charaktere erhalten derart ausgiebige Unterstützung durch alte Haudegen, sodass man hier kaum noch von Cameo-Auftritten sprechen kann. Bill Murray und seine Weggefährten verkörpern hier Nebencharaktere; nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Dabei kann sich der Eindruck einstellen, dass es sich das Produktionsteam zur Aufgabe gemacht hat, die Zuschauer möglichst viele bewährte Elemente aus den älteren Filmen wiedererkennen zu lassen; manchmal als schamlose Wiederverwertung, manchmal als Variation. Zwar gibt es auch einen originären Handlungsstrang, doch in Anbetracht der Figur, die in dessen Zentrum steht, hält sich die Spannung in Grenzen. Mit Blick auf eine familienfreundliche Altersfreigabe war höchstwahrscheinlich von vornherein klar, dass Bedrohungssituationen keinesfalls deutlich ausfallen oder lange dauern dürfen. Ein Familienfilm ist zumindest insofern gelungen, dass die Dramaturgie an jüngeren Zuschauern ausgerichtet ist, während die erwachsenen Geisterjägerfans über filmische Zitate (oftmals visueller Art) und eine Handvoll Metagags bei Laune gehalten werden sollen. Der wirtschaftliche Erfolg der Produktion fällt schließlich durchwachsen aus – wie auch der Gesamteindruck dieses Filmes.
KURZFAZIT
Inhaltliche Bankrotterklärung, die offenbar durch eine regelrechte Flut an Reminiszenzen an die beiden ersten Episoden kaschiert werden soll.
++ Minimale SPOILER ++
Iris (Kelsey Asbille), deren Sohn im Kindesalter verstorben ist, wandert zu einem Felsen, um sich dort an den Abgrund zu stellen. Nur noch ein Schritt und ihre Trauer wird beendet sein. Richard (Finn Wittrock) kreuzt just in diesem Moment ihren Weg, was er dazu nutzt, sie in ein Gespräch zu verwickeln. Schließlich geht sie mit ihm zurück zum Parkplatz und sichert ihm zu, ihrem Leben zumindest an diesem Tag kein Ende zu setzen. Doch nur wenige Augenblicke später beginnt für sie bereits der nächste Albtraum. Es folgt eine Tortur, die sie sowohl körperlich als auch mental an noch tiefere Abgründe führen wird als den, an dem sie ohnehin schon stand (und im übertragenen Sinn immer noch steht).
Die Möglichkeiten des Katz- und Maus-Spiels wird in Adam Schindlers ('Deadly Home') Thriller 'Don't Move' (2024) vergleichsweise konsequent ausgereizt. Während manche Katzen Mäuse ganz gerne mal entkommen lassen, um sie erneut zu jagen, trifft dies in deutlich gesteigerter Form auch auf den Serienkiller in diesem Film zu. Offenbar tötet er nicht primär um des Tötens willen, sondern er möchte den psychischen und physischen Verfall seiner Opfer regelrecht zelebrieren. Nicht gerade ein originelles Szenario, aber doch eines, das rein handwerklich ansprechend umgesetzt ist. Die Spannung ist in mehreren Szenen regelrecht greifbar – selbst dann (und das ist wiederholt der Fall), wenn sich bereits frühzeitig erahnen lässt, was wohl gleich geschehen wird. Zwar werden die Pläne des Psychopathen immer wieder von Zufällen durchkreuzt, die unwahrscheinlicher kaum sein könnten, doch sowohl für den Täter als auch für das Opfer öffnen und schließen sich immer wieder neue Türen. Der eigentliche Clou der Handlung ist dennoch ein anderer.
Wer sich von Thrillern gerne überraschen lässt, sollte vor der Sichtung von 'Don't Move' im Idealfall gar nichts über die Handlung lesen, denn auch wenn sie teils enorme Kapriolen schlägt, wurde sie doch recht ansprechend in Szene gesetzt.
KURZFAZIT
Versiert inszeniert, aber stark überkonstruiert.
Eine Horrorkomödie, die mit einem abgewandelten Beatles-Titel überschrieben ist? Vorneweg: Musik spielt hier keine große Rolle und Liebe ebenfalls nicht. Außer vielleicht die Liebe zum Film. Denn Regisseur Bucky Le Boeuf erzählt hier die Geschichte eines jungen Amateurfilmers namens Bucky Le Boeuf (Logan Riley Bruner, Sachen gibt’s...), der zwar am liebsten Arthouse-Filme mag, als neues Projekt aber einen Horrorstreifen drehen möchte, um an einem demnächst bevorstehenden Filmfestival teilnehmen zu können. Also versucht er, beides zu vereinen. Doch woher bekommen er und sein Kumpel Vish (Neel Sethi, 'The Jungle Book') nun Kunstblut und all den anderen Krempel, der für die Produktion eines brutalen Streifens notwendig ist? Glück im Unglück für Bucky: Im Garten schlägt ein Gesteinsbrocken aus dem All ein, der seinen Vater mit einer Zombieseuche infiziert. Wie das Leben halt so spielt.
Bucky und sein stummer Freund Vish können nun also loslegen und vielleicht sogar einen Film drehen, der ihr großes Idol, den deutschen Regisseur Hans von Franz (Ronald Guttman), beeindruckt. Verstärkung bekommen sie durch eine Freiwillige (Emma Chasse), die erste Erfahrungen als Produktionsassistentin sammeln möchte und eine Schauspielerin (Mena Suvari), deren beste Tage, die sie eh nie hatte, bereits hinter ihr liegen. Ein bunter Haufen also, der sich hier zusammengefunden hat. Mal sehen, wen der Zombie zuerst beißen wird. Aber vielleicht haben sie ja auch Glück und sie bekommen Besuch...
Nahezu nichts an diesem Streifen ist originell (abgesehen vom äußerst trashigen Schildkrötenspaß zum Finale), doch wer keinen Ekel verspürt, auch mal aus der cineastischen Mülltonne zu futtern, kann hier durchaus auf seine Kosten kommen. Neben ein paar heiter in Szene gesetzten Splattereffekten gibt es auch den einen oder anderen Gag über den Arthouse-Bereich zu beschmunzeln. Letztlich fügen sich beide Extreme recht stimmig zusammen, ehe Bucky Le Boef am Ende eine bizarre Trashgaudi zum Besten gibt. Bucky wusste es schon immer: „All you need is blood – and flamingos.“
Gerade noch sechs von zehn verspeisten Schildkrötenköpfen.
KURZFAZIT
'Sohn von Rambow' in blutig.
'The House' (2022): Drei verschiedene Crews legen drei verschiedene Stop Motion Kurzfilme vor, die ebenso viele Unterschiede wie Gemeinsamkeiten aufzuweisen scheinen. Die einzelnen Geschichten stammen aus derselben Feder (von Enda Walsh) und enthalten ähnliche (inhaltliche) Zutaten. In stilistischer Hinsicht hingegen scheinen in alle drei Units unterschiedliche Wege gegangen zu werden. Das Konzept fühlt sich ein wenig so an, als hätte man drei Kochteams die Möglichkeit zur (mehr oder weniger) freien Entfaltung gegeben – unter der Vorgabe, dass sie nur ganz bestimmte Zutaten verwenden dürfen bzw. sich zwingend aus demselben Korb bedienen müssen. Verbindende Elemente zwischen den Geschichten sind beispielsweise:
Jemand zieht in ein Haus ein. Die Situation ist dabei in den ersten beiden Episoden gespiegelt. Während zu Beginn eine Familie in ein Haus umsiedelt und sich dort mit einer zwielichtigen Person herumplagen muss, stehen die Vorzeichen in der mittleren Folge umgekehrt, denn dort quartieren sich Leute selbst ein und erschweren dem bisherigen Bewohner das Leben. Oder genauer gesagt: Eine Maus wird von einer Mäuseplage heimgesucht – und nicht nur von der. Eine Situation, die wie ein Kommentar zur Zerstörung der Natur durch den Menschen wirkt. Weitere Gemeinsamkeiten zwischen den Kurzfilmen:
Das wohl dominierende Thema lautet Verfall. Dabei geht es um einen Niedergang, der nicht nur vom Zahn der Zeit getrieben wird, sondern an dem auch die Bewohner kräftig mitwirken.
Neulinge und bisherige Bewohner stehen sich entweder äußerst kritisch oder extrem unkritisch gegenüber.
Das Motiv religiöser Kulte spielt im Hintergrund ebenso eine Rolle wie das Thema finanzieller Anhängigkeiten. An mehreren Stellen werden auch Blauäugigkeit und Skepsis gegeneinander abgewogen. Im Übermaß ist im Umfeld dieses Hauses beides nicht der Weisheit letzter Schluss.
Abseits der inhaltlichen Aspekte lassen sich allerdings doch größere stilistische Unterschiede ausmachen. Auch hier verhalten sich die ersten beiden Inszenierungen zueinander wie Negativ und Abzug derselben Fotografie. Während in Kapitel eins die Requisiten (Essen, Brennholz etc.) detailreicher gestaltet wirken als die Charaktere, wird die Situation in Kapitel zwei auf den Kopf gestellt, wenn ein sorgfältig gestalteter Protagonist durch ein Haus mit rudimentärer Einrichtung wandelt.
KURZFAZIT
Skurriler Stop Motion Episodenfilm, der sich nicht alleine über den Verstand begreifen lässt.
Nach dem Tod seines Vaters reist Christoffer (Mads Mikkelsen) mit seiner Ehefrau nach Prag. Schnell wird klar, dass er offenbar nicht das innigste Verhältnis zu seinen nähesten Angehörigen pflegt. Zu seinem Vater hatte er lange Zeit überhaupt keinen Kontakt, sein Sohn nabelt sich anscheinend gerade etwas von den Eltern ab und das Eheleben von Christoffer und Maja ist geprägt von einer zwiespältigen Mischung aus Distanz und Begierde. Eine Beziehung wie diese muss man vermutlich selbst erlebt haben, um die Dynamiken komplett nachvollziehen zu können.
So oder so: Ole Christian Madsen (Regie) lädt das Publikum zu einem Blick durch das Schlüsselloch ein. Schnell kristallisiert sich heraus, dass der Protagonist über die Nachforschungen zu seinem Vater und über seinen eigenen Umgang mit Beziehungsproblemen wohl auch zu sich selbst finden kann – sofern er es denn zulässt. Die Lebensumstände seines alten Herrn verwundern ihn und ihm wird bewusst, dass er ihm sogar noch fremder war als ohnehin schon gedacht; wobei sie sich in manchen Punkten wohl auch gar nicht so unähnlich waren. Womöglich ist genau das auch der Kern dieser Inszenierung. Manchmal entfremdet man sich von engen Angehörigen und stellt in der Folgezeit Spekulationen an, die nicht einmal ansatzweise zutreffen; und trifft auf Grundlage dieser Vermutungen Entscheidungen, die zu einer weiteren Distanzierung führen. Innerhalb von Christoffers Ehe scheint es sich nicht sehr viel anders zu verhalten. Hier liegen die Probleme zwar anders und das Auseinanderdriften findet schleichender statt, aber das Resultat scheint in eine ähnliche Richtung zu gehen. Die Situation erinnert ein wenig an zwei Astronauten in einem Hard Science Fiction Film, die sich bei Außenreparaturen nach dem Riss eines Seiles langsam auseinanderbewegen. Langsam, aber stetig wächst die Distanz zwischen beiden, doch der Drift lässt sich nicht aufhalten. Ob das auch hier der Fall sein wird, muss jeder selbst herausfinden. Eines ist jedoch klar: Der Titel (der nicht zwingend nur auf die Situation des verstorbenen Vaters gemünzt sein muss) verheißt nichts Gutes.
KURZFAZIT
Trübsinnig vorgetragenes Familiendrama.
Ein Soldat wird in der Republik Moldau von einem bisher unbekannten Gegner attackiert. Zwar lassen sich durch speziellen Brillen und Kameras schemenhafte Erscheinungen und Bewegungen erkennen, doch insgesamt tappen die Spezialkräfte buchstäblich im Dunklen. Aus diesem Grund wird ein Wissenschaftler (James Badge Dale) eingeflogen, um die besagte Technik in der Praxis zu testen, zu bedienen und zu optimieren. Von vielen Soldaten wird er aufgrund seiner fehlenden militärischen Reputation belächelt, doch letztlich ist er die einzige Trumpfkarte, die das Militär hat. Schnell wird jedoch klar, dass er das Bildgebungsverfahren verbessern kann. Immerhin sehen die Soldaten jetzt, von wem oder was sie umgebracht werden. Im späteren Verlauf werden noch weitere Fortschritte erzielt, doch diese lassen den Gegner nur noch bedrohlicher erscheinen...
Nic Mathieus 'Spectral' (2016) erweist sich als Mischung aus Kriegsfilm und Science Fiction Thriller, der permanent zwischen seinen Actionszenen und Dialogpassagen pendelt. Auf Kampfeinsätze folgen Besprechungen oder Arbeiten an den technischen Geräten, ehe es erneut in die Schlacht geht. Routiniert wird dieser Wechsel heruntergespult, woraus ein recht nüchterner und bisweilen unterkühlter Erzählton resultiert. Schlechte Scherze und halbgare Witzchen bleiben dem Publikum (weitestgehend) ebenso erspart wie eine Inszenierung, die den Zuschauern vorgaukelt, die Kampfeinsätze hätten etwas mit Spaß zu tun. Auf der anderen Seite wirkt die Inszenierung aber auch stark unterkühlt und irgendwie seelenlos abgefilmt. Zur Thematik mag das einerseits passen, doch im Verbund mit den tristen Kulissen und der überschaubaren Story ergibt die nüchterne Erzählung dann eben doch eine recht graue Veranstaltung (wofür es aber ganz gewiss auch eine große Zielgruppe gibt).
KURZFAZIT
Solide Sci-Fi-Action.
++ Leichte SPOILER ++
Jill (Amanda Seyfried), die vor wenigen Jahren von einem Psychopathen festgehalten und gequält wurde, ehe sie entkommen konnte, muss eines Tages feststellen, dass ihre Schwester urplötzlich verschwunden ist; und zwar ausgerechnet einen Tag vor einer wichtigen Prüfung an der Uni, auf die sie sich intensiv vorbereitet hatte. Überhaupt gilt die Vermisste als zuverlässig und bodenständig. Jill kann und will also nicht daran glauben, dass ihre Schwester ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt (und noch dazu im Pyjama) ausgebüxt sein soll. Also wendet sie sich an die Polizei, wo man ihr jedoch keinen Glauben schenkt; wohl auch deshalb, weil sie als psychisch labil gilt. Zwar gibt es dort einen Ermittler, der sie immerhin für nicht gänzlich unglaubwürdig hält, doch viel zu melden hat er auf seiner Dienststelle nicht. Also geht die Protagonistin selbst auf eine Ermittlungstour, auf der sie sich wiederholt selbst in Gefahr bringt und durch diverse Grenzüberschreitungen ins Visier der Polizei gerät.
'Gone – Ich muss dich finden' gehört zu jenen Kriminalthrillern, in denen dem Publikum zwar eine Ahnung vermittelt wird, wer in diesem Fall im Recht sein könnte, doch nahezu jede neue Erkenntnis wird mit einem kleinen Fragezeichen versehen. Absolute Gewissheit gibt es über weite Strecken also nicht. Genau aus diesem Umstand bezieht die Inszenierung dann auch einen Großteil ihrer Spannung. Problematisch wirkt hingegen das Verhalten einiger Nebencharaktere, das mit „dümmlich“ oder „rüpelhaft“ fast schon beschönigend umschrieben wäre. Die Protagonistin kommt in dieser Hinsicht vom Regen in die Traufe, wobei sie auch selbst eine Art Besessenheit entwickelt.
Die vielleicht größte Trumpfkarte der Inszenierung von Heitor Dhalia dürfte in der visuellen Umsetzung und der daraus resultierenden Atmosphäre liegen. Bereits der erste Akt schürt in dieser Hinsicht Erwartungen, wenn verschiedene visuelle Elemente (Cadrage, Farbgebung, Kamereinstellungen und -winkel, sukzessiver Wechsel von beengten und abgelegenen Orten hin zu einem etwas weiteren Blickfeld und lebhafteren Locations), die bei einem Marsch durch den Wald Verwendung finden, bei der Fahrt aus dem Wald in Richtung Stadt erneut zum Einsatz kommen. Der Director of Photography Michael Grady (unter anderem auch verantwortlich für neun Episoden der Dramaserie 'The Leftovers') verfolgt hier also ein klares Konzept, das der gesamten Produktion einen gewissen Hauch von Eleganz verleiht.
Grundsätzlich wäre sicher auch eine rein zweckmäßige Verfilmung des Drehbuches als Fernsehfilm denkbar, doch mit dem gewählten Konzept werden durchaus gewisse Ambitionen unterstrichen.
KURZFAZIT
Vergleichsweise edel abgefilmter Thriller um das plötzliche und rätselhafte Verschwinden einer jungen Frau.
++ Leichte SPOILER ++
Bei Licht, aus dem die Träume sind, kommen einem schnell die Sterne in den Sinn. Weit entfernte Sonnen, fremde Planeten und physikalische Phänomene, die längst noch nicht alle erforscht sind. Der Mensch wäre aber wohl nicht der Mensch, wenn er seine Träumereien nicht auch auf festen Boden stellen würde. Kameras und Projektoren sind nur zwei von mehreren Beispielen für die Verbindung zwischen Licht und Träumen. Pan Nalin (Regie) verneigt sich in seinem 2021 produzierten Drama voller Ehrfurcht und Hingabe vor derlei Errungenschaften und der sagenumwobenen Kultur, die damit einhergeht.
Samay bekommt regelmäßig Ärger mit seinem Vater, weil er die Schule schwänzt, um in der (relativ) nahegelegenen Stadt einem Filmvorführer über die Schulter zu schauen. Der Junge überlässt ihm Köstlichkeiten aus seiner Lunchbox und darf im Gegenzug kostenlos Filme schauen. Zusätzlich bekommt er durch seinen Mentor Erklärungen für verschiedene technische und physikalische Zusammenhänge. Doch im Grunde reitet der Filmvorführer ein totes Pferd, denn die Zeit analoger Filmrollen neigt sich dem Ende entgegen. Und doch ist es für den Jungen unabdingbar, Verständnis für die Entwicklung des Films zu entwickeln, um die Beschaffenheit des Mediums durchdringen zu können.
In liebevoller Detailarbeit lässt Nalin sogar einst bahnbrechende Requisiten wie ein Zoetrop oder eine Camera Obscura in seine Inszenierung mit einfließen. Der Junge und seine Freunde nehmen das Wissen mit so viel Begeisterung auf, dass sie sich sogar zum Bau eigener Apparaturen entschließen. Wie eine Art Geheimbund treffen sie sich in einem verfallenen Gebäude, um dort an ihren Geräten zu basteln. Allerdings schlagen sie dabei auch über die Stränge, sodass sie ausgerechnet jene Einrichtung gefährden, die sie so sehr lieben.
Spiegelt das Leuchten in den Augen also Faszination und Begeisterung wider oder drückt es wehmütige Trauer aus? Im Fall von 'Das Licht, aus dem die Träume sind' wohl beides. Die letzten Ausläufer einer fast verflossenen Ära verschwinden langsam gen Horizont, während technische Neuerungen zwar bisher unerschlossene Möglichkeiten eröffnen, auf der anderen Seite aber auch unkalkulierbare Veränderungen mit sich bringen werden.
Pan Nalin verbindet seine Betrachtungen über das Medium Film und die kulturelle Einrichtung Kino mit diversen Alltagsbetrachtungen aus dem Leben der Charaktere. Die Unterschiede zwischen Tradition und Erneuerung, Lokalkolorit und Weltgewandtheit, Stadt und Peripherie, Wohlstand und Armut, schulischer Bildung und lebenspraktischer Erfahrung sind allgegenwärtig und greifen tief in das Leben der jeweiligen Personen ein; in einem Land, in dem trotz aller Weitläufigkeit oftmals eine Vielzahl unterschiedlichster Lebenswirklichkeiten auf engstem Raum aufeinandertrifft.
Stilistisch werden hier auch diverse Motive und Techniken des europäischen Kinos aufgegriffen und mit lokalen Stilelementen verbunden, wodurch die Inszenierung - gemessen an westlichen Sehgewohnheiten - vergleichsweise zugänglich erscheint (was nicht zwingend heißen soll, dass ausnahmslos alle kulturellen Implikationen leicht zu identifizieren wären). In diesem Sinne werden hier auch Cineasten aus verschiedensten Ländern und Kulturkreisen adressiert. Wer das Kino liebt und bodenständige Dramen mag, gehört eindeutig zur Zielgruppe dieses cineastischen Schmuckstücks.
KURZFAZIT
Pan Nalin blickt voller Faszination, Ehrfurcht, Wehmut und Begeisterung auf ein magisch anmutendes Medium und die damit verbundene Kultur.
[Danke an Eudora für die Erinnerung]
Eines muss man Woody Allen lassen: Nach zahlreichen ähnlich gelagerten Filmen mit teilweise auch ähnlich gestrickten Charakteren ging der Übergang in seine europäische Phase mit teils durchaus gravierenden Änderungen in seinen Konzepten einher. Zwar bleiben einige Story- und Charakterarchetypen (in mal mehr, mal weniger veränderter Form) erhalten, doch Allen lässt auch unverkennbar Veränderungen zu, indem er lokale oder zeitgemäße Einflüsse aufgreift und in seinen Stil einhegt. So auch in 'Ein Glücksfall'.
Einmal mehr werden dabei Angehörige der Upper Class porträtiert. Im Zentrum der Handlung stehen ein Geschäftsmann, der – so legen es diverse Andeutungen nahe - mutmaßlich Dreck am Stecken haben dürfte ('Blue Jasmine' lässt grüßen) und seine Ehefrau, die in sich auf seinem Parkett zwar sicher bewegt, aber augenscheinlich auch etwas mit ihrem Leben in dieser Gesellschaft fremdelt. Als sie eines Tages einem früheren Mitschüler über den Weg läuft, ändert sich alles. Beide verbringen viel Zeit miteinander, ihr Kleidungsstil ändert sich und sie beginnt nachzudenken, welche alternativen Wendungen ihr Leben wohl hätte nehmen können. Ein Szenario also, das abgesehen vom der Situierung in einem recht exklusiven gesellschaftlichen Umfeld, relativ alltäglich wirkt. Die erste Hälfte der Erzählung erinnert dementsprechend ein wenig an Filme wie Richard Linklaters 'Before'-Reihe. Die beiden Hauptcharaktere treffen schlendern durch die Stadt und reden über Gott und die Welt - bis plötzlich das ganze Szenario in Richtung eines Kriminalthrillers kippt.
Allen treibt von nun an seine Späße mit den Charakteren, ihren Rollen in der Gesellschaft und mit der Situation an sich. Hier und da bringt er die eine oder andere gesellschaftspolitische Spitze unter, ansonsten verlegt er sich zunehmend auf seinen Thriller- und Krimiplot, den er schließlich zu einem diskussionswürdigen Ende bringt. Zwar erscheint der Schluss im Zuge der inneren Logik der Geschichte durchaus folgerichtig, doch ein an den Haaren herbeigezogenes Finale mit einem lapidaren Spruch zu rechtfertigen, kann auch Zweifel aufwerfen.
++ Massiver SPOILER ++
Auf die Sekunde genau in dem Moment, in dem ein Charakter jemanden erschießen und die Tat als Jagdunfall verschleiern will, wird er selbst Opfer eines tödlichen Jagdunfalles.
KURZFAZIT
Woody Allen bringt mit seinem Genrehybriden 'Ein Glücksfall' durchaus Abwechslung in seine Filmographie, stellt dabei aber einmal mehr unter Beweis, dass seine Stärken in den Bereichen Regie und Drehbuch recht unterschiedlich gelagert sind.
Nach ihrer Rückkehr von einem Kriegseinsatz wird eine Soldatin (Olga Kurylenko) bei einer Einheit im französischen Inland eingesetzt. Einige Jahre nach dem verheerenden Anschlag von Nizza sollen die Sicherheitskräfte an der dortigen Strandpromenade patrouillieren, um beispielsweise verdächtige Gepäckstücke ausfindig zu machen, wobei es in erster Linie wahrscheinlich darum gehen dürfte, einfach nur Präsenz zu zeigen; einerseits zur Abschreckung und andererseits wohl auch als innenpolitisches Signal. Protagonistin Klara nimmt diese Versetzung offenbar als Degradierung oder gar als Demütigung wahr; jedenfalls fühlt sie sich augenscheinlich unterfordert und vielleicht auch gelangweilt. Doch das gilt nur für ihr Berufsleben, denn privat verordnet sie sich selbst eine Mission: Rache für ihre Schwester, die massiv misshandelt und sexuell missbraucht wurde. Also prügelt sie sich ihren Weg durch die Reihen der Verdächtigen.
Eigentlich ein klassischer Rachefilm also; Zumindest während der ersten Hälfte. Spätestens ab ihrem „Hausbesuch“ am Wohnsitz des Hauptverdächtigen kippt die Handlung aber noch stärker in Richtung Märchenstunde als ohnehin schon. Die Logik, die der Handlung zugrunde liegt, fühlt sich nach einer Mischung aus Videospiel und Superheldencomic an; sei es die Flucht vor ihren Widersachern oder die Beschaffung der Waffen kurz vor dem Finale. Viele der Nebencharaktere sind eigentlich nur lebende Slalomstangen, zwischen denen sie hindurch navigiert. Natürlich dürfte kaum jemand von einem Actionthriller wie diesem eine durchgehend plausible Handlung erwarten, doch wenn die Albernheiten nicht auf handlungsbezogene Notwendigkeiten beschränkt bleiben, stellt sich die Sinnfrage unweigerlich. Im Tennis würde man wohl von unforced errors sprechen. Auf diese Weise zieht sich ein eigentlich durchschnittlicher Actionthriller schließlich selbst den Zahn.
KURZFAZIT
Halbgarer Actioner, dessen Produzenten wohl gar nicht erst die Ambition hegen, ihren Film roh, wild, elegant oder wie auch immer zu gestalten.
Oskar (Harald Krassnitzer) hat als Schutzengel versagt. Nun soll er ausgerechnet die junge Frau (Maresi Riegner) anlernen, deren Leben er eigentlich hätte beschützen sollen. Doch wie sich nach einer Weile herausstellt, ist der ihnen zugeteilte Fall deutlich komplizierter als zunächst gedacht.
Beschützen sollen die beiden einen großspurig auftretenden Dealer, der sich fast schon mutwillig in Gefahr begibt. Doch irgendeinen Grund wird es schon haben, weshalb er den beiden zugeteilt wurde. Aber ehe sie das herausfinden, muss das ungleiche Team zunächst ein paar Meinungsverschiedenheiten und heikle Situationen überstehen.
Auch wenn 'Engel mit beschränkter Haftung' von der ARD als Weihnachtsfilm beworben wird: Die Handlung spielt im Sommer und weihnachtliche Traditionen oder Rituale spielen für die Geschichte keine Rolle. Vielleicht ist das auch gar nicht so schlecht, denn was stattdessen geboten wird, geht weit über die meisten typischen Adventsgeschichten hinaus. Erzählt wird eine vergleichsweise unverbrauchte Story, in der auch graue Zwischentöne zugelassen werden, statt sich auf reine schwarz-weiß Malerei zu fixieren. Besonders erscheint in dieser Hinsicht die imaginäre Linie, die hier vom Drogendealer zur [SPOILER] Pharmaindustrie gezogen wird, [SPOILER ENDE] denn letztlich wird hier von völlig unterschiedlichen Akteuren und mit verschiedenen Methoden dasselbe Geschäftsfeld beackert. Der Hauptunterschied zwischen den Verkäufern liegt eigentlich nur darin, ob sie einen Anzug oder einen Jogginganzug tragen und wie sie sich ausdrücken. Natürlich bekommt man via einer Fernsehproduktion, die ein möglichst breites Publikum ansprechen soll, keine Tragödie kredenzt, in der jede Facette der Thematik ausgeleuchtet wird, doch im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten wird ein durchaus kantiges Szenario ausgerollt (in dem Sinne, dass eine These zur Diskussion gestellt wird, statt mit einer aalglatten Geschichte auf möglichst breiten Konsens zu spekulieren).
Sieben von zehn Händen im Nacken.
KURZFAZIT
Unscheinbares Fernsehspiel mit Potenzial.