SchnabelPower - Kommentare

Alle Kommentare von SchnabelPower

  • 7

    Der argentinische Film aus Mexiko wurde konsequent aus der Sicht der etwa 7-jährigen Protagonistin erzählt. Die lebt mit ihrer Mutter in einer in Auflösung begriffenen Strandhütte, in der sie sich vor dem Militär versteckt halten. Warum die Soldaten die Mutter töten wollen, das weiß Cecilia nicht so genau und deshalb wissen wir es auch nicht. Die Kleine ist überglücklich, als ihr gestattet wird, eine nahe Schule zu besuchen. Schnell findet sie eine enge Freundin, mit der sie in der wilden Strandlandschaft spielt. Was idyllisch klingt, ist eigentlich karg, stürmisch und kühl – letzteres nicht nur farblich, wie die dicken Jacken der Kinder stets verdeutlichen. Die Situation spitzt sich zu, als Cecilia in der Schule für einen Wettbewerb einen Aufsatz über das Militär schreiben soll. Sie hat zwar die Anweisung von der Mutter, mit niemandem darüber zu reden, dass die Soldaten böse und grausam sind, dass sie ihre Cousine umgebracht und das schöne Klavier zerstört haben. Aber schreiben darf man doch, oder?!
    Ein Mann im Publikum beschwerte sich im Nachhinein, die Figur der Cecilia sei anstrengend gewesen. Allgemein gesprochen, ist das Mädchen sicher das, was meine Mutter als „schreckliches Kind“ bezeichnen würde: laut und überdreht. Aber da wir durch ihre Augen die Geschichte erleben, wissen wir eigentlich – also meine Begleitung und ich zumindest –, dass Cecilia permanent um die Aufmerksamkeit ihrer Mutter kämpft. Die hat die Hoffnung darauf, dass ihr Mann eines Tages kommen und die Situation erleichtern wird, aufgegeben und vegetiert mehr oder weniger stumm vor sich hin. Manchmal bin ich sauer auf die Mutter, weil sie sich gehen lässt und dem Kind keine Wärme gibt. Manchmal bekomme ich eine Gänsehaut, weil sie mir so leid tut. So zum Beispiel als sie während einer Sturmflut verzweifelt versucht, das einströmende Wasser aus der kleinen Hütte zu fegen.
    Wie immer ist das Schlimmste an der Geschichte ihr Wahrheitsgehalt. Dass die Regisseurin und Drehbuchautorin den Film ihren Eltern widmet, legt nahe, dass dieser Film autobiographische Züge hat. Dann aber wieder spielt das auch keine Rolle. Denn selbst wenn dies keine Geschichte aus dem Leben der Filmemacherin ist, ist es sicher eine Geschichte aus dem Leben eines anderen Kindes während der Militärdiktatur Argentiniens.

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    • 9

      Es geht um die junge Cayetana, die im Peru der 80er Jahre in wohlhabenden Verhältnissen lebt. Der Terrorismus ist etwas, das zwar im Hintergrund ihres Lebens existiert – der Strom fällt aus, es gibt Bombenalarm in der Schule – aber im Großen und Ganzen lebt sie ein behütetes Leben. Doch Cayetana ist einsam. Ihre Mutter ist über längere Zeit nicht zu Hause, ihr leiblicher Vater vergisst meistens, sie für den Sonntagsausflug abzuholen. Ihr Stiefvater und die Angestellten sind ihr zwar freundlich gesinnt, aber das kann das Mädchen nicht darüber hinwegtrösten, dass sie für ihre Mutter nur Hass zu empfinden vermag. Als dann auch noch die Geburt eines Brüderchens angekündigt wird, ist Cayetana sicher, dass dies ihr Ende bedeutet.
      Es scheint, als ob die Stimmung des Landes, die ewige Präsenz des Terrors und des Todes, sich auf dieses morbide Mädchen übertragen würde. Cayetana entwickelt eine Faszination für die Vergänglichkeit, von der sie plötzlich umgeben scheint. In ihrer Fantasie wendet sie sich an die Helden ihrer Nation, die – wie sie? – alle Schlachten verlieren und trotzdem Helden bleiben. Doch obwohl sie versucht, mit dem Tod zu verhandeln, ihn bittet das Leben ihrer totkranken Freundin Jimena zu verschonen und stattdessen doch lieber sie selbst, Cayetana, zu holen, kommt dennoch am Ende alles anders.
      Die Hauptdarstellerin war während der Dreharbeiten nur 7 Jahre alt Als die kleine Person nach dem Film unter tosendem Applaus die Bühne betritt, kann ich noch gar nicht glauben, dass es sich um dieselbe handelt, die eben noch so eine fantastische Schauspielleistung auf der Leinwand abgeliefert hat. Leider ist nur noch Zeit für 3 Fragen, die vom Publikum nicht optimal genutzt werden: „Wie alt ist Cayetana?“ „Wie hat Cayetana die Regisseurin kennengelernt?“ „Wurden für diesen Film wirklich Kanarienvögel getötet?"
      Aber eigentlich war dieser Film auch so klar, dass gar nicht mehr so viele Fragen notwendig sind. Er bleibt mir im Gedächtnis als ein anspruchsvoller Kinder- und ein anrührender Erwachsenenfilm, den ich jedem Harry Potter und High School Musical vorziehen würde.

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      • 5 .5

        Der Film handelt von einem gescheiterten Yoga-Lehrer, dessen Tochter Zoe aus dem Krieg zurückkehrt. Gemeinsam mit ihrem Vater, Roger, holt sie ihre schizophrene Geliebte, Maya, aus der Irrenanstalt und zusammen versuchen die drei ein Haus zu renovieren, um etwas Geld zu verdienen. Doch Roger ist viel zu depressiv, um die Dinge in die Hand zu nehmen. Und auch Zoe und Maya scheinen mehr Interesse daran zu haben, oben ohne durchs Bild zu laufen, als sich die Hände dreckig zu machen.
        Die Handlung ist fragmentiert erzählt, so dass ich hier keinen Anspruch auf Richtigkeit erhebe. Der Regisseur erklärt nach dem Film, dass man Menschen in der Realität auch so kennenlernen würde: Nach und nach erfährt man, was sie zuvor gemacht haben, aber eben nicht in einer linearen Erzählung. So weit so gut. Damit kann ich etwas anfangen.
        Die Figur, die mich am meisten interessiert hat, ist Roger. Er redet so langsam, dass man im Kinositz schon Aggressionen spürt und rufen will: „Nu spucks endlich aus, Du Depp!“ und erinnert damit stark an den Filmemacher selbst, der ebenfalls nicht der geborene Redner ist (muss er ja auch nicht, er soll ja Filme machen!). Eine ganz klare Parallele zwischen Künstler und Kunstwerk. Spannend irgendwie.
        Unterm Strich hätte der Film meiner Meinung nach seinen schön angelegten Charakteren etwas mehr Raum und Bedeutung geben können. Mir fehlt nicht unbedingt die Chronologie, aber doch eine Richtung in die das Ganze laufen könnte. Aber vielleicht ist es gerade diese Richtung, die den gescheiterten Figuren in ihrem Leben und daher auch dem Film an sich fehlt.

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        • 7
          über Tomboy

          „Als Tomboy (deutsch: der [weibliche] Wildfang, die wilde Hummel, die (selten: der) [weibliche] Range) werden Mädchen bezeichnet, die sich entsprechend der gängigen Geschlechterrolle von Jungen verhalten.“ (Wikipedia)
          Hier wird für meinen Geschmack etwas zu kompliziert ausgedrückt, was der Film von Céline Sciamma weitaus verständlicher und deutlich unterhaltsamer darstellt: ein kleines Mädchen, das gerne ein Junge wäre. Laure wäre gerne Mikael und deshalb nutzt sie den familiären Umzug, um sich in der Nachbarschaft eine neue Identität aufzubauen. Die kleinen Hürden des Alltags meistert sie gekonnt: Beim Baden mit den anderen Kindern steckt sie sich eine Knetwurst in die selbst geschneiderte Badehose. Nur Laures Mutter ist von den Transgender-Allüren ihrer Tochter wenig begeistert.
          Ja, die Geschichte des gesamten Films lässt sich in diese wenigen Worte packen. Dass es trotzdem nicht langweilig wird, liegt an den tollen Darstellern. Es ist mir unerklärlich wie Sciamma es schafft, derart überzeugende Darstellungen aus den kleinen Leuten heraus zu kitzeln, während ich mich in deutschen Kinderfilmen oft an Schultheater erinnert fühle. Ein kleiner Wermutstropfen an dieser Stelle ist, dass Mikaels kleine Schwester Jeanne ihm mit ihren komödiantischen Einlagen oftmals die Show stiehlt.
          Der Film plätschert leicht dahin, ohne Filmmusik und nur von authentischem Kinderlachen begleitet. Hier werden keine komplexen Probleme der Geschlechtsidentität gewälzt, keine Sozialstudie betrieben, um Ursachen für Laures Verhalten zu ergründen. Laut Sciamma lässt der Film bewusst offen, ob sich das Mädchen auch in und nach der Pubertät noch als Junge identifizieren wird, oder ob es sich um eine kindliche Spinnerei handelt. Damit bleibt der Film natürlich stark an der Oberfläche eines Problems, das man weitaus intensiver hätte diskutieren können und stellt sich als luftig leichte und liebevoll gefilmte Unterhaltung - nicht mehr und nicht weniger - dar.

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          • 5

            Die Geschichte dreht sich um einen Familienvater, der nach dem Tod seiner Exfrau deren gemeinsame Tochter in seinem Haushalt aufnimmt. Dort wohnt auch der gemeinsame Sohn, doch die beiden Geschwister haben sich seit ihrer frühen Kindheit nicht mehr gesehen. Da sie nun beide wild am pubertieren sind und die Hormone nur so sprühen, bleibt es nicht aus, dass sie inzestuöse Gefühle für einander entwickeln. Der Vater ist völlig überfordert und unternimmt alles, um dies zu verhindern. Seine Intervention setzt allerdings schon an einem Punkt ein, an dem das Verhältnis der Geschwister noch als harmlos einzustufen ist, und trägt somit durch seine Radikalität eher dazu bei, dass sich die Situation zuspitzt.
            Das Thema Inzest wird dargestellt, ohne die moralische Keule zu schwingen. Selbige wird durch die Darstellung des Vaters eher ironisiert. Es geht meiner Meinung nach auch gar nicht unbedingt um Inzest, sondern um eine alltägliche Situation zwischen Eltern und heranwachsenden Kindern. Der Vater ist den Entwicklungen völlig hilflos ausgeliefert. Er kann sich nicht damit abfinden, dass sein Sohn ihn aus bestimmten Teilen seines Lebens ausklammert und seine Entscheidungen alleine trifft. Dazu kommt das völlige Unverständnis gegenüber einer jüngeren Generation, die kifft und sich tätowieren lässt und das für völlig normal hält. Der Abnabelungsprozess ist hier – wie so oft – für die Eltern schwieriger als für die Kinder.
            Für mich ist fraglich, ob das Ende moralisch vertretbar ist. Denn - ACHTUNG SPOILER - es wird offen gelassen, was mit den Geschwistern geschieht und so ist es definitiv im Rahmen des möglichen, dass sie eine sexuelle Beziehung miteinander eingehen.
            Im Prinzip geht es aber meiner Meinung nach gar nicht um die Geschwister, sondern um den Vater. Ihm gilt auch die letzte Szene, in der er einem Autofahrer beim Reifenwechsel hilft, der eigentlich gar keine Hilfe braucht und von diesem unnötigen Beistand total genervt ist. Aber was soll der arme Mann tun, nachdem sein Sohn sich emanzipiert hat und keiner Fürsorge mehr bedarf? Um wen soll er sich jetzt sorgen?
            Mir bleibt am Ende vor allem unklar, warum die Geschichte den Vater so bestraft. Für meinen Geschmack schafft es der Film nicht, eine klare Position zu der von ihm formulierten Problematik zu beziehen. Und das ist bei einem sochen Thema ziemlich brenzlig.

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            • 7

              Unterdem Strich war ich von dem Film positiv überrascht – wenn auch jenseits von „begeistert“.
              Die Doku über ein Programm für jugendliche Straftäter in Süddeutschland war thematisch ausgezeichnet, filmisch eher mangelhaft. Mir war das alles ein wenig zu amerikanisch, zu inszeniert. Dramatische Musik versuchte bei mir Emotionen zu wecken, die der Film meiner Meinung nach durch seine Bilder hätte erzeugen sollen. Manche Szenen wirkten für mich gestellt. Gerardo, der Regisseur, beteuert im Gespräch mit dem Publikum nach dem Film, es sei alles echt, doch so richtig kann ich das nicht glauben. Die Aufnahmen innerhalb des Projektes „Work & Box“ sind überzeugender als die "in freier Wildbahn", doch konzentrierte sich der Film so stark auf deren Arbeit, dass „Friedensschlag“ fast wie ein Werbefilm wirkt.
              Bewundernswert war in jedem Fall, dass der Regisseur es geschafft hat, so nah an seinen Protagonisten dran zu sein. Gerardo wirkt aber auch wie so ein Kumpeltyp, jemand der selber mal auf der Straße abgehangen hat und „dieselbe Sprache“ (nämlich schlechtes Deutsch) spricht wie die Jugendlichen. Auch seine klassische Sozpäd-Einstellung – er gibt das Interview aus den ersten Sitzreihen statt von der Bühne, um mit uns auf einer Stufe zu stehen – weckt bei mir den Eindruck, dass er sich nicht zum ersten Mal mit einem solchen Thema beschäftigt. Oder er hat eine Fortbildung mit dem Thema „Doku-Filme über frustrierte Jugendliche ohne Perspektive“ gemacht.
              Ich frage mich, welcher Jugendliche ohne Perspektive einen solchen Film überhaupt zu sehen bekommt und ob ein außenstehendes Publikum darin mehr sehen kann, als eine anspruchsvolle Version von "Teenager außer Kontrolle". Ich hoffe schon. Denn immerhin vermittelt Friedensschlag uns einen Eindruck davon, welch immenser Personalaufwand notwendig ist, um einmal vom rechten Weg abgekommenen Jugendliche wieder einzugliedern. Und das ist schon mal eine Menge wert, finde ich!

              • 8

                Indien ist ein Dritte Welt Land, sagt die Regisseurin beim Nachgespräch. Es wird Zeit, dass Indien das akzeptiere. Das Land bestünde nicht nur aus den großen Städten wie Delhi und Bombay. 70% der Bevölkerung seien auf die Landwirtschaft angewiesen, das müsse die Innenpolitik berücksichtigen.
                Die Filmemacherin ist jung und informiert. Sie macht sich Gedanken über die Missstände in ihrem Land. Journalistin möchte sie nicht mehr sein, stattdessen macht sie jetzt Filme. „Peepli Live“ ist der erste. Hier erzählt sie die Geschichte zweier Brüder, die den Landbesitz der Familie retten wollen. Da die Familie eines Selbstmörders eine staatliche Entschädigung erhält, beschließen die beiden, einer der beiden, Natha, solle sich das Leben nehmen. Durch einen Zufall erfährt ein Regionalreporter von diesem Plan und berichtet in der Zeitung darüber. Plötzlich befindet sich Natha in einem riesigen Medienrummel. Das kleine Dorf ist voller Journalisten aus dem ganzen Land, die ihn bis auf die Toilette begleiten wollen. Da die Region kurz den Wahlen steht, wird die Situation der armen Bauern plötzlich zum Politikum und jeder will Natha für seine Interessen nutzen.
                Ziemlich traurig eigentlich, wenn das nicht alles so absurd wäre. Die Regisseurin behauptet zwar, sie hätte nicht vorgehabt, einen lustigen Film zu machen, aber ich persönlich nehme ihr das nicht ab. Klar, die Komik entsteht teilweise durch die Nebeneinanderstellung zweier völlig unterschiedlicher, indischer Welten – das kleine Dorf und die Journalisten aus der großen Stadt. Nichtsdestotrotz ist zum Beispiel Nathas Familie sehr überzogen dargestellt. Seine Frau ist boshaft und wird nicht müde, ihn immer wieder als Nichtsnutz zu beschimpfen. Seine Mutter ist krank, insbesondere im Kopf, und ist nur damit beschäftigt, Schimpfwörter umherzuschreien. Natha selbst ist introvertiert, wirkt teilweise geistig zurückgeblieben. Mir kann keiner erzählen, dass das ernst gemeint sein soll. Das ist aber nichts Schlechtes! Mir gefällt die satirische Art und Weise, mit der hier gearbeitet wird, die einen immer im Zweifel lässt, ob Lachen oder doch Weinen die adäquate Reaktion auf das Gesehene wäre. Der Film macht uns keine Hoffnungen darauf, dass sich etwas an der Situation der Landbevölkerung ändern wird.
                Ein unterhaltsamer Film, der zum Nachdenken anregt und bis auf kleine Längen im Mittelteil gut erzählt ist.

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                • 8 .5

                  Wie der Name schon sagt, geht es um Gaza. Der Dokumentarfilm zeigt die Bewohner Gazas, insbesondere Kinder, nach den Bombardements Anfang 2009. Ohne Kommentar, ohne Interview, beobachtet die Kamera zurückhaltend, was im Krisengebiet vor sich geht.
                  Was mich am meisten überrascht, ist der fehlende Hass. Im Gespräch mit palästinensischen Kids in Berlin bin ich immer wieder auf tief sitzende Aggressionen gestoßen, die sich in Äußerungen wie „Isch setz mich doch nisch mit nem scheiß Juden in einen Raum“ manifestieren. Die Kinder, die ich nun im Film sehe, sprechen ruhig und überlegt. Sie beschreiben, dass sie gerne Ärzte und Ingenieure werden würden, dass die Juden aber daran schuld seien, dass sie jetzt nicht zur Schule gehen könnten und ihnen nur der Weg eines Märtyrers offen stünde. Dabei sind sie aber nicht emotional, nicht aufbrausend, sondern erschreckend nüchtern und überlegt.
                  Was mich außerdem überrascht ist die Hoffnung. Alle Personen, die uns der Regisseur in dem Film präsentiert, beschäftigen sich mit dem Wiederaufbau – ihres eigenen Lebens, eines Hauses, eines Vergnügungsparks und sogar eines Zoos. Die Menschen schauen nach vorne und nicht zurück. Inmitten ihrer Ruinen stehen sie, weigern sich in die Zeltdörfer der UN zu ziehen, sondern richten sich lieber in ihren zerbombten Häusern ein.
                  Bei der ausführlichen Q&A nach dem Film wird der Regisseur gefragt, ob er bewusst eine Gegendarstellung zu einem Bild der Palästinenser als Volk von Terroristen geschaffen hätte. Der Filmemacher ist überrascht. Wie man denn darauf käme, dass alle Palästinenser Terroristen seien?! Er habe einfach einen Film über ganz normale Menschen gemacht, sagt er. Wie genau er das angestellt hat, nach Gaza hineinzukommen und dort zu drehen, will er lieber nicht verraten. Es scheint nicht ganz einfach gewesen zu sein. Aber er ergeht sich nicht in Negativbeschreibungen, sondern ist – wie auch sein Film – objektiv. Es geht ihm nicht um die Viktimisierung der Kriegsopfer, er zeigt keine weinenden Kinder, schreienden Mütter, einstürzende Häuser… Aber er klammert sie auch nicht aus: wir sehen Narben, Ruinen, Krankenhäuser und Hilfskonvois.
                  Trotz allem strahlt er Optimistmus und die Sehnsucht nach Frieden aus. Das würde ich auch gerne mal in den entsprechenden Vierteln Berlins sehen!

                  • 9 .5

                    Es ist so schön, dass auch die US-Amerikaner in der Lage sind, anspruchsvolle Filme zu machen. Und „Welcome to the Rileys“ ist nicht nur anspruchsvoll, sondern ergreifend. Zum ersten Mal seit Langem flossen mir die Tränen… in Bächen.
                    Aber ich stehe dazu, dass mich diese Geschichte berührt hat. Wer Spoiler nicht scheut, für den hier eine kleine Zusammenfassung: Es geht um ein Ehepaar, das vor vielen Jahren seine 15-jährige Tochter durch einen Autounfall verloren hat. Seitdem geht die Mutter nicht mehr aus dem Haus und der Vater hält sich eine Geliebte. Als diese jedoch an einem Herzinfarkt stirbt, fliegt bei Daddy endgültig die Sicherung raus und er fährt nach New Orleans, wo er sich einen Tochter-Ersatz in der Person einer 16-jährigen Stripperin sucht. Das wiederum gibt seiner Frau einen Anlass, endlich mal wieder das Haus zu verlassen und ihm nachzureisen. Kurz scheint es, als würden die drei gemeinsam eine kleine Familie gründen können, doch die Zerwürfnisse zwischen den Eheleuten sind zu groß, um auch noch das völlig verwahrloste Gör zu resozialisieren. Trotzdem findet der Film ein Ende, das zwar nicht unbedingt „happy“, aber doch optimistisch ist.
                    Mit einem Kloß im Hals und noch ganz benommen schlurfte ich aus dem Kino und fühlte mich selbst wie eine orientierungslose 16-jährige Stripperin auf der Suche nach einem asexuellen Sugar-Daddy. Dass der Film die Identifikation mit einer solchen Figur so erleichtert, macht für mich seine Qualität aus. Großartig.

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                    • 6

                      Mein Berlinale-Erlebnis mit Besouro:
                      Während des Vorspanns zu diesem brasilianischen Panorama-Film kommt auf Grund der nicht enden wollenden Anzeige verschiedener Geldgeber ein ironischer Spontanapplaus auf. Nach dem Film ist der Applaus deutlich verhaltener. Aber so schlecht war er eigentlich gar nicht.
                      „Besouro“ versucht brasilianisch zu sein, indem die synkretistische, afrobrasilianische Kultur in einen genreübergreifenden Film übersetzt wird, in dem sich Kampfkunst und Fantasy mischen. Allerdings wirkt das auf mich weniger brasilianisch, als asiatisch. Dieser Eindruck bestätigt sich später, als der Regisseur erzählt, er habe für die Capoeira-Choreographien eigens Martial-Arts-Profis aus China eingeflogen! Die hätten zwar nur Mandarin gesprochen, aber die Kommunikation mit Händen und Füßen hätte sehr gut funktioniert und würde darüber hinaus ja auch gut zum Thema des Films, Capoeira, passen.
                      Zusätzlich zum starken östlichen Einfluss ist ein deutlicher nordamerikanischer Einfluss zu spüren. Während die Sklaven in weißen Gewändern ihren Tanzriten nachgehen, werden sie immer wieder von bösen spanischen Cowboys mit schwarzen Hüten gestört. Die Sexualisierung des schwarzen Körpers setzt spätestens ab der Hälfte des Films ein, wenn der Hauptdarsteller nur noch oben ohne und ordentlich eingeölt auftritt. Unnötig zu sagen, dass der Regisseur selbst weder afrobrasilianisch, noch indigen ist, sondern ein weißer Hispanier mit schwarzem Cowboyhut.
                      Der Auftritt diverser Götter aus dem Candomblé Kult im Film stößt beim Publikum auf Unverständnis und ich fühle mich total prädestiniert, dass ich auf Grund meines Lateinamerikanistikstudiums weiß, mit wem oder was ich es da zu tun habe. Deswegen kann ich den Part der Geschichte, der in Richtung Fantasykino geht, sehr genießen. Von den Capoeira-Performances bin ich eher enttäuscht. Der Einfluss der chinesischen Berater ist deutlich zu spüren. Darüber hinaus wird die traditionelle Capoeira-Musik an vielen Stellen leider „verrockt“.
                      Als der Regisseur am Ende zur Q&A die Bühne betritt, wundert mich das alles nicht mehr. Er berichtet, bisher nur in der Werbung gearbeitet zu haben und seine gesamte Präsenz erinnert mich sehr an den Protagonisten aus „Father of Invention“. Sein Redeschwall nimmt keine Rücksicht auf die glücklicher Weise immens begabte Übersetzerin, die seine minutenlangen englischen Ausführungen ins „brasilianische“ (wie der Moderator sagt) übersetzt, damit auch der Rest des Filmteams verstehen kann, worum es geht. Hauptdarstellerin und Hauptdarsteller, natürlich der afrobrasilianischen Ethnie zugehörig - darf man Ethnie überhaupt sagen oder ist politisch unkorrekt? Egal: Hauptdarsteller und Hauptdarstellerin, natürlich maximal-pigmentiert, lächeln stets höflich, wirken sehr sympathisch, sind aber unterm Strich nur Beiwerk eines Produktes, das der Regisseur so komponiert hat, dass es zwar nicht brasilianisch ist, aber doch weltweit vermarktbar. Und mit Vermarktung kennt der Mann sich ja offensichtlich aus.

                      • Es wird still werden in der Redaktion ohne Dich. Niemand wird mit mir gemeinsam Lieder singen oder meine MC Hammer Gedenkhose als solche erkennen. Danke für die lustige Stimmung, Deine ewige Geduld bei 100 Nachfragen und das Teekochen. "Junge, komm bald wieder, bald wieder..."

                        • Ja, was soll ich sagen... Ich nehme die Schuld auf mich. Trotz zweimaligen Korrekturlesens ist dieser eklatante Fehler niemandem außer euch aufgefallen. Das wird dann wohl die letzte Kopfnuss aus meiner Feder gewesen sein, fürchte ich. Die Lösungsbuchstaben stimmen allerdings, denn - wie schon mal erwähnt - müssen die nicht in der korrekten Reihenfolge stehen.

                          • An den Charme des Originals wird das Remake sowieso nicht rankommen, aber ich bin trotzdem gespannt! Schade, dass Patrick Swayze nun keinen Cameo Auftritt mehr machen kann... als alternder Tanzlehrer oder so...

                            • 8 .5
                              über Parade

                              Der Film war anstrengend, aber gut. Die Handlung spielt sich größtenteils in der Wohnküche eines sehr kleinen Apartments ab, das sich vier – später fünf – junge Leute miteinander teilen. Das Tempo des Films ist sehr langsam, es gibt kaum Filmmusik. Für die Gespräche der Leute untereinander wird sich viel Zeit und Ruhe genommen. Das ist manchmal irritierend bis hin zu schwer zu ertragen, lenkt aber die Aufmerksamkeit unweigerlich auf die emotional unterkühlte Stimmung zwischen Leuten, die auf unheimlich engem Raum zusammenleben. Ein Paradox?
                              Aus meiner eigenen WG-Erfahrung weiß ich, dass man nur weil man zufällig in derselben Wohnung wohnt noch lange nicht befreundet sein muss. Bei den fünf Figuren in diesem Film ist es aber noch extremer. Obwohl sie sich, bis auf einen Mann, gegenseitig von ihren Problemen erzählen, entsteht keine Nähe. Die WG wird mit einem Chatroom verglichen, in dem man kommen und gehen kann, etwas von sich preisgeben kann, aber es nicht klar ist, wie viel virtuelle und wie viel reale Identität von einem Menschen dort präsentiert wird. Daraus wiederum wird die Frage nach der Unterscheidbarkeit von Virtualität und Realität an sich abgeleitet. „Wir kennen alle einen anderen Saturo!“ sagt einer der Mitbewohner über den zuletzt dazu Gestoßenen. Und genauso ist es im wahren Leben auch, denke ich mir und schaue misstrauisch zu meinem Freund hinüber, der wiederum misstrauisch zu mir herüberschaut.
                              Die Message des Films ist zu dicht, um sie hier genauer wiederzugeben. Am Ende jedoch nimmt die Geschichte noch einmal eine dramatische Wendung, die mich sehr an „American Psycho“ erinnert hat. Was, wenn Du ein Serienmörder bist, und niemanden interessiert‘s? Ist das nicht die Krönung der Einsamkeit?

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                              • 6 .5

                                Bis 10 Minuten vor Schluss hatte ich gedachte, ich hätte einen neuen Lieblingsfilm gefunden. Dann kam die Wende: der berühmt berüchtigte ur-US-amerikanische deux ex machina: die pathetische Rede. Alles was der Film gerade an gut durchdachter Gesellschaftsanalyse, liebevoller Charakterzeichnung und attraktivem Set-Design aufgebaut hatte, fiel in einer großen, klebrigen, rosa Kitschblase zusammen. Wie ein zu groß aufgeblasener Hubba Bubba, der einem überall im Gesicht klebt. Nervig.
                                Dabei hatte alles so gut begonnen. Spacey spielt gekonnt einen Home-Shopping-Produkte-Erfinder, der durch einen Produktionsfehler sein Vermögen verloren hat. Denn wir wissen ja, dass man in den USA den Hersteller verklagen kann, nur weil man selbst unfähig ist, seine Produkte ordnungsgemäß zu bedienen. Roger, unser Protagonist, ist genau dieser Regelung zum Opfer gefallen. Er hat nicht nur sein Geld, sondern auch das Vertrauen seiner Familie verloren. Nach einem jahrelangen Gefängnisaufenthalt steht er quasi vor dem Nichts und muss in der WG seiner Tochter einziehen, um nicht im Obdachlosenasyl zu versauern. Natürlich haben er und seine Tochter ein schwieriges Verhältnis, schließlich war er mal erfolgreich und beschäftigt und ein schlechter Vater – was ja in Hollywoodfilmen immer zusammengehört (und das im Land des „self-made-man“ Ideals…). Was hier nach einer vorhersehbaren Standard Story klingt, entpuppt sich als sehr amüsant umgesetzte Geschichte. Mit den Charakteren wird liebevoll umgegangen: man lacht mit ihnen und nicht über sie und kann sich so in bestimmten Situationen auch mit ihnen identifizieren – auch ohne persönliche Erfahrungen mit katastrophalen Vater-Tochter-Beziehungen. Mich hat die Geschichte deshalb so berührt, weil in ihrem Zentrum die Frage der Vergebung steht. Kann ich vergeben? Muss ich vergeben? Hilft mir Vergebung weiter, oder mache ich mich zum Opfer weiterer Verletzungen durch einen unverbesserlichen Idioten? Wenn ich es mir genau überlege, ist die pathetische Rede vielleicht doch gar nicht so deplatziert, sondern ein „unhappy happy ending“, dass unglaubwürdig sein muss, um uns daran zu erinnern, dass sich in der Realität zwischenmenschliche Probleme eben nicht so einfach lösen lassen.

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                                • 6 .5

                                  Was mir an dem Film gefallen hat, war der Mut zur realistischen Darstellung. Die Hauptdarstellerin durfte mit Hautunreinheiten und ein paar Pfündchen zu viel auftreten. Schön war, dass die Peinlichkeit bestimmter Momente – das, was der Amerikaner „awkward“ nennt – schonungslos dargestellt wurden. Während uns alle Hollywoodfilme vorgaukeln, der erste Sex mit einem neuen Partner sei immer der absolute Knüller, zeigt uns Greenberg die buchstäblich nackte Wahrheit: nix Knüller, sondern einfach nur „awkward“.
                                  Die schauspielerischen Leistungen sind in Ordnung, richtig umgehauen hat mich das alles aber nicht. Ben Stiller spielt dieselbe Rolle wie immer: den tapsigen Junggesellen, der sich beim Werben um eine Frau verdammt dämlich anstellt, sie am Ende aber trotzdem für sich gewinnen kann.
                                  Bis zum Ende ist mir nicht ganz klar, um was es im Film eigentlich ging. „Hurt people hurt people“ scheint mir hier der zentrale Satz zu sein, den es zu interpretieren gilt. Leider erfahren wir von den Figuren im Film nichts über die Ursprünge ihrer Verletzungen, so dass wir uns mit ihnen nicht identifizieren können. Ben Stiller spielt keinen Menschen, mit dem wir uns vergleichen, aber immerhin einen Menschen, den wir alle kennen: jemanden, der so unsicher und mit sich im Unreinen ist, dass seine Gegenwart alleine schon Unruhe schafft!
                                  Letztendlich hat mich der Film aber nicht berührt, sondern plätscherte an mir vorbei. Das immerhin hat er gut gemacht, denn trotz der Länge des Films verging die Zeit wie im Flug. Bald werde ich vergessen haben, worum es eigentlich ging und „Greenberg“ wird mir nur noch im Gedächtnis bleiben als „dieser Film, in dem Ben Stiller mal auf anspruchsvolles Kino macht“.

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                                  • 6

                                    Dieser deutsche Dokumentarfilm konfrontiert mich mit Bildern junger Männer, die im Meditationssitz auf und nieder hüpfen. Was als „yogisches Fliegen“ bezeichnet wird, wirkt auf mich wie „Tod der Bandscheibe“ und ich kann mich vor Phantomschmerzen kaum im Kinosessel halten. Diese Art der Erleuchtung wird mir wohl leider verwehrt bleiben.
                                    Vielleicht ist das aber auch ein Glück! Denn die TM – transzendentale Meditation – ist in meinen Augen eine sexistische Bewegung. Und wenn ich sowas schon mal sage.... Sonst hab ich es ja nicht so mit Frauenrechten. In diesem Falle ist es aber doch auffällig, dass die spirituellen Oberhäupter der Bewegung ausschließlich Männer sind. Frauen kommen maximal als Schoßhündchen und Lustobjekte vor – letzteres natürlich nur im Verborgenen. Denn weltliche Freuden stehen der Erleuchtung entgegen. Soll ja auch bloß keinen Spaß machen das Gehüpfe auf dem Steiß.
                                    Die geistigen Führer in weißen Gewändern, die liebevoll „Könige“ genannt werden, assoziiere ich sofort mit aufgeschwemmten katholischen Priestern mit einer Vorliebe für knackige Ministranten. Bäh. Dass David Lynch überzeugter Anhänger dieses Kultes ist, macht das alles nicht besser, sondern nur noch schlimmer, denn nun muss ich bei jedem David Lynch Film daran denken, wie der Regisseur auf dem Teufelsberg in einer spirituellen Zeremonie den Grundstein für eine TM-Universität gelegt hat. Aber das spielt jetzt keine Rolle mehr, denn das Geld für das Grundstück wurde nie bezahlt und so bleibt dieser peinliche Akt vermutlich relativ folgenlos.
                                    Sehr viel ärgerlicher an der ganzen Geschichte finde ich den Fakt, dass Unsummen von Geldern – es wird von mehreren Milliarden geredet (und sicher nicht Rupien) – in die Errichtung angeblicher Meditationszentren fließen, die die Unbesiegbarkeit einzelner Nationen erwirken sollen (durch Meditation natürlich!). Als ob auch nur ein einziges indisches Slumkind durch die stellvertretende transzendentale Meditation eines weißgewandeten Königs mittags satt werden würde. Was fürn Scheiß!
                                    Mal abgesehen davon, dass mich das alles ein wenig umgetrieben hat und David Lynch in meinem Ansehen stark gesunken ist, fand ich diese Dokumentation aber auch nicht sonderlich erhellend, oder besser gesagt „erleuchtend“. Das hätte auch genauso gut eine Doku über Scientology oder christliche Fundamentalisten in den USA sein können. Ist alles irgendwie merkwürdig, schade ums Geld, aber so richtig schockiert hat es mich jetzt nicht. Ich finde es eher traurig, dass es von den ganzen, teilweise recht prominenten Anhängern der „TM“ niemandem auffällt, dass zwar immer von Frieden und Liebe gesprochen wird, aber kein soziales Engagement stattfindet. Das immerhin machen doch Scientology und christliche Fundamentalisten deutlich besser.
                                    Letzten Endes hat mich auch der dokumentarische Anspruch des Films nicht überzeugt. Die Rahmenhandlung der Erleuchtungsgeschichte des Regisseurs besteht aus einer Beziehungskiste, die inszeniert wirkt und meiner Meinung nach nicht wirklich zum Gelingen des Films beiträgt. Im Gegenteil unterminiert die Lovestory die sonst sicher ernst gemeinte Dokumentation.

                                    • 8

                                      Ich ziehe den Hut vor Gamma Bak. Nicht nur wegen des Namens. Sondern vor allem wegen ihres Mutes, einen so offenen Film über ihre eigenen psychischen Abgründe zu machen. Obwohl sich auf dem Feld der Psychologie im letzten Jahrhundert viel getan hat, sind persönliche Erfahrungen mit psychischer Krankheit immer noch ein Tabuthema. Man ist nicht krank in der westlichen Welt. Man ist es einfach nicht.
                                      Toll ist an Gamma Baks Film, dass sie uns nicht nur auf einer verbalen Ebene von ihren Erfahrungen erzählt, sondern auch durch den Zusammenschnitt unterschiedlichster Filmmaterialien aus einer Zeit von ca. 15 Jahren ein Bild davon liefert, wie ihre Welt funktioniert, wie sie sich und ihr Umfeld wahrnimmt. Sie stellt nicht die Psychose an sich da. Sie stellt IHRE Psychose dar – und das ist noch mutiger.
                                      Beim Publikum ist „Schnupfen im Kopf“ weniger gut angekommen. Zu meinem Erstaunen verließen zahlreiche Zuschauer während der Vorführungen den Saal. Wieso? Langweilig war der Film nun wirklich nicht. Vielleicht konnten sich diese Menschen der schonungslosen Realität nicht aussetzen? Aber so richtig schonungslos fand ich den Film eigentlich auch nicht. Vielleicht gehen die Menschen, weil dieser Film sie zwingt, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen? Weil man einen solchen Film nicht einfach nur wie einen Blockbuster anschauen und dann umschalten kann?
                                      Gamma stellt sich auf die Bühne und sagt: Ich bin verrückt! Schaut her! Da bin ich!
                                      Ich könnte das nicht.
                                      Denn genauso wie die Leute aus dem Kino gehen, gehen die Menschen aus Deinem Leben, weil sie die „schonungslose Realität“ nicht ertragen, die doch eigentlich gar nicht schonungslos ist, sondern einfach nur… Realität!

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                                      • 8 .5

                                        Mir hat der Film sehr gut gefallen. Das einzige Manko stellte für mich die muskulöse Statur des Protagonisten dar. Für jemanden, der sich seit Jahren nur in seiner Wohnung aufhält und kein Home-Work-Out betreibt, war der Kerl doch recht schön anzusehen.
                                        Der Film war verstörend, weil er so wahr war. Die Fernsehbilder, die in der Wohnung des Protagonisten omnipräsent sind, sind überzogen und spiegeln doch in genau dieser Übertreibung die Realität unseres Nachmittagsfernsehens wider. Erschreckend. Das Chat-Cam-Girl, ewige Wichsvorlage des einsamen Helden, ist in ihrem Mädchentraum-rosa-plüsch-Bettchen eingesperrt, genauso wie der Protagonist in seiner Wohnung. Wie der Regisseur uns nach dem Film erklärt, geht es ihm darum, eine Generation zu zeigen, die sich lieber auf Facebook rumtreibt, als sich mit Freunden zu treffen. Das trifft mich natürlich mitten ins Herz. ICH gehe ja quasi nur zur Berlinale aus dem Haus.
                                        Der Film hat mich fasziniert. Die Musik war klasse, die schauspielerischen Leistungen haben mich total überzeugt und die Tatsache, dass dieser Film mit einem einzigen Setting funktioniert – einem Wohnzimmer – zeugt davon, dass hier jemand etwas von seinem Handwerk versteht. Berührt hat mich auch die dargestellte Parallele zwischen der Wohnung und dem Mutterleib als Orte der Sicherheit und Geborgenheit gegenüber der chaotischen Welt außerhalb. Aber warum ziehen der Protagonist und wir eigentlich das Unterschichtenfernsehen dem angeblichen Chaos der Welt vor? Statt „We are Family“ zu gucken, kann ich doch auch einfach mal nachmittags durch Berlin Wedding laufen!!

                                        • 3 .5

                                          Der Film war mir zu dramatisch. Zu viel Tränendrüse, Pathos und Dudelmusik. Und trotz dieser ganzen Mittel gab es nur einen einzigen Moment in den viel zu langen 107 Minuten, in dem ich so etwas wie Trauer verspürte. Inhaltliche Schwächen konnten durch die überzeugende schauspielerische Leistung nicht ausgeglichen werden. Das Ende war zu einfach, obwohl es kein Happy End war. Und dennoch handelt es sich nicht um das Sirk’sche „unhappy happy ending“, das einen zum Nachdenken anregen soll, sondern um irgendetwas Zuckerwattesüßes, das einem im Magen liegt, ohne dass man weiß warum. ACHTUNG SPOILER Mit seinem heldenhaften Freitod scheint der Protagonist alle Probleme zu lösen und die Welt wieder ins Lot zu bringen. Leider ist dieser Freitod das einzige, das im Film nicht bis in den Exzess dramatisiert wird. So geht der Held dahin, ohne dass wir ihm eine Träne nachweinen. Traurig irgendwie. Andersherum empfinde ich auch keine Bewunderung für seine Tat.
                                          Es fehlte der Wendpunkt, etwas das der Geschichte innerhalb dieser 107 Minuten mal ein bisschen Pepp verleiht. Stattdessen folgen Film und Protagonist einem vorhersehbaren Weg, immer geradeaus, langweilig und ziellos.

                                          • 8 .5

                                            Der Film war toll. Und ideal für solche, die sich schon immer mit der Frage „Was will uns der Dichter eigentlich damit sagen?“ gequält haben. Denn im dargestellten Gerichtsprozess über die Daseinsberechtigung des Gedichtes „Howl“ wird erklärt: „Man kann Lyrik nicht in Prosa übersetzen. Deshalb ist es ja Lyrik.“ Daher ist die Frage nach der Aussage von vorneherein obsolet, denk ich mir, und hätte jetzt gerne meinen Literaturprofessor neben mir, der mich in der Prüfung zu moderner US-amerikanischer Lyrik so in die Pfanne gehauen hat.
                                            Was mich wirklich verstörte, war die Tatsache, dass es diese Gerichtsverhandlung über das Gedicht „Howl“ von Allen Ginsberg wirklich gegeben hat! Im Land der Freiheit und Demokratie wird darüber vor Gericht verhandelt, ob eine bestimmte Wortwahl zum Ausdruck eines bestimmten Gedankens wirklich notwendig ist. Mit der Taktik werden die USA nie zum Land der Dichter und Denker aufsteigen. Aber Stopp. Mir fällt da ein deutsches „Kulturgut“ ein, das selbst ich ursprünglich dafür kritisiert hatte, nur aus brutal ausgekotzten, widerwärtigen Obszönitäten zu bestehen: „Feuchtgebiete“. In „Howl“ wird gesagt, der Autor verwendet das Vokabular, das in seiner Welt verwendet wird, das zu seinen Protagonisten passt. Nein, davon gibt es keine „light-Version“. Denn die Sprache an sich, die Wortwahl, IST „Howl“, ist der Schrei. Marianne Moore war vermutlich schockiert. Ihre große Schaffensperiode war zwar bereits vorbei, jedoch war sie noch immer mit der Revision ihres Schützlings Elizabeth Bishop beschäftigt, aus deren Werken sie Wörter wie „water closet“ aus Sittlichkeitsgründen strich. Und unsereiner ist nicht viel besser, wenn er sich über Charlotte Roche empört und der Meinung ist, man könnte auch ganz liebevolle Wörter dafür finden, um zu beschreiben, wie sich jemand vor dem Analsex einen Duschkopf in den Hintern einführt.
                                            Meine Kritik setzt deshalb an einem ganz anderen Punkt an. Im Gegensatz zu „Standard Operating Procedure“, dessen pseudo-dokumentarischer Anspruch mich auf der Berlinale 2008 in den Wahnsinn getrieben hatte, stellt sich „Howl“ wenigstens als Fiktion dar. Es ist mir jedoch völlig schleierhaft, wieso keine originalen Tonaufnahmen verwendet werden. Es gibt verschiedene Episoden, die sich immer wieder abwechseln und sich auch durch den Stil unterscheiden: die Gerichtsverhandlung in Spielfilmästhetik, eine animierte, psychedelische Animation des Gedichtes, eine Lesung in pseudo-Originalmaterial-Manier, schwarz-weiß Rückblicke und ein erzwungen auf realistisch getrimmtes Interview, das mit Tonband aufgezeichnet wird. Wieso zum Teufel, wenn es doch eine solche Tonaufnahme gibt, wird diese nicht als Voice-Over eingespielt? Wieso ist im gesamten Film, zumindest nicht für mich merklich, NIE Ginsbergs echte Stimme zu hören? Die Beat Generation und Ginsbergs Lyrik leben vom performativen Element, vom lebhaften Vortrag. Warum hört man dann nicht Ginsbergs Stimme?
                                            Unterm Strich trotz allem sehr sehenswert.

                                            • Ich habe die Diskussionen darüber, ob man einen Film von einem Vergewaltiger huldigen darf, hier interessiert mitverfolgt und lange darüber nachgedacht, ob und wie ich zu diesem Thema Stellung beziehen möchte. Ich denke nicht, dass es im Rahmen der Kategorie "Mein Herz für Klassiker" eine Rolle spielt, wie die persönliche Vergangenheit eines Künstlers aussieht. Das würde ich bei einem Geburtstagsartikel oder einem anderen Artikel, in dem es um die Figur Polanski geht, anders sehen!
                                              Generell finde ich es schwierig, über andere Menschen zu urteilen. Bei einem derart polemischen Thema ist es immer sehr leicht, sich an eine allgemeine Wut mit anzuschließen. Damit möchte ich Herrn Polanski in keinem Fall verteidigen. Ich persönlich kann nämlich darüber nichts sagen was genau damals geschehen ist.
                                              Ich finde es gut, dass diese Diskussion im Rahmen der Kommentare stattgefunden hat und somit den Menschen, denen es ein Bedürfnis ist, diese Thematik in diesem Kontext aufzugreifen, eine Plattform zu bieten. Nach wie vor stehe ich dahinter, sie innerhalb des Artikels nicht aufgegriffen zu haben.
                                              Keinesfalls war es meine Absicht, eine Straftat zu bagatellisieren oder jemanden vor den Kopf zu stoßen, der für dieses Thema sensibilisiert ist.

                                              • 7

                                                Eigentlich bekommt man von dem Film alles was er verspricht: Action, Unterhaltung, schnelle Autos, schöne Frauen und einen wie immer männlich-omnipotenten Vin Diesel. Das ist positiv zu werten. Darüber hinaus bekommt man allerdings nichts. Das wiederum ist negativ. Ein bißchen mehr schlüssige Dramaturgie hätte nicht geschadet, zudem hat mich Jordana Brewster in ihrer Rolle noch nie sonderlich überzeugt. Mit ihrem Chihuahua-Blick mag sie empfängliche Männerherzen höher schlagen lassen - mir geht sie damit auf die Nerven.
                                                Der Fünfte Teil der Fast & Furious Reihe versucht meiner Meinung nach zu sehr, etwas anderes zu sein als seine Vorgänger. Man könnte ja auch sagen: Was vier mal funktioniert hat, funktioniert auch ein fünftes mal. Stattdessen wird versucht eine Art Ocean's 11 mit Autos zu inszenieren. Leider ist dieser Versuch total durchschubar und daher wenig charmant: Es werden zahlreiche Spezialisten für den großen Coup zum Schauplatz Rio eingeflogen, die aber letztendlich alle kaum eine Rolle für die Auflösung der Geschichte spielen. Insbesondere bei Gal Gadot fragt man sich die ganze Zeit, was sie eigentlich so besonders gut kann, weshalb sie Teil des Expertenteams ist, und kommt schließlich zu der Antwort: Nix. Sie sieht halt einfach gut aus.
                                                Aber nichts anderes habe ich erwartet als ich mir die Kinokarte kaufte. Insofern: Popcornkino mit hohem Entspannungsfaktor, denn nachdenken muss man dabei wahrlich nicht!

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                                                • 6

                                                  Wie war noch mal die Handlung?
                                                  So richtig mag der Film nicht in Schwung kommen. Das liegt wohl vor allem daran, dass es ihm nicht gelingt, einen Sub-Plot zu entwickeln, wie dies in Teil 1-3 durch die Liebesgeschichte zwischen Elizabeth und Will der Fall war. Stattdessen wird eine haarsträubende Liebelei zwischen einem Priester und einer blutgeilen Meerjungfrau inszeniert, bei der sich einem die Fußnägel hochrollen. Da ist die entschleunigte Teeny-Liebe in Twilight leichter zu ertragen. Besonders tragisch an dieser Episode: Sie wirkt so künstlich in den Rest der Geschichte eingefügt, als hätte kurz vor Drehschluss noch ein Dramaturg gesagt: "Ach, wärs nicht toll, wenn wir noch mal eben ne Love Story dazudichten?!"
                                                  Sparrow ist und bleibt ein unterhaltsamer und hervorragend gespielter Charakter. Penelope Cruz hat mich jedoch in ihrer Piratentochter-Rolle wenig bis gar nicht überzeugt. Wem die ersten drei Filme gefallen haben, der wird hier zumindest daran Spaß haben, liebgewonnene Figuren wieder übers Meer schippern zu sehen.
                                                  Was sich aber definitiv nicht lohnt, ist teures Geld für die 3D-Version im Kino auszugeben! Lieber ne große Tüte Popcorn kaufen. Da hat man mehr von!

                                                  • 7

                                                    Ein bißchen zu amerikanisch das Ganze, und das, obwohl es ja eigentlich um den entgegensetzten Pol geht! Die Stimmung des Films ist etwas zu pathetisch, säuselnde Musik unterstreicht die ersten Blicke des zukünftigen Liebespaares. Die DDR ist durchgehend negativ, um nicht zu sagen lächerlich, dargestellt. Ein Film wie "Goodbye Lenin" schafft es hingegen, der DDR immerhin noch so viel Würde zu verleihen, das man nicht jeden Ostdeutschen mitleidig belächeln muss. "Liebe Mauer" schafft das nicht.
                                                    Schwarz-weiß denken und Pathetik - für meinen Geschmack zu viel Hollywood-Ästhetik und zu wenig gutes deutsches Kino, dass es sehr wohl gibt!
                                                    Nichtsdestotrotz kann man herzlich über die gelungen eingefangene Ost-Rhetorik ("Frauen sind bei uns gleichberechtigt und jedes Kind hat einen Kindergartenplatz!") lachen und sich in die Tage der ersten großen Liebe zurückträumen. Insofern gute Unterhaltung, aber nichts, was einem als "großartiger Film" lange im Gedächtnis bleibt!