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Alle Kommentare von SiameseMax
Man sollte schon die häufig vorherrschenden Konventionen des koreanischen Kinos mögen, bevor man sich an „Bedevilled“ heranwagt: Teilweise episch lange Kameraeinstellungen, und überzeichnete, idealtypisch angelegte Charaktere chargieren in eingestreuten, grotesk-absurden Slapstick-Sequenzen, anschließend stehen sich hemmungsloser Kitsch und ekstatische, kunstblutgetränkte Splattereinlagen direkt gegenüber. Nicht selten erinnert das Erstlingswerk von Regisseur Chul-soo Jang an die unkonventionellen, und für westliche Gemüter nicht selten äußerst gewöhnungsbedürftigen Werke des Kim Ki-Duk. Das ist auch gar nicht verwunderlich, fungierte er doch als Assistant Director für Kim Ki-Duk und dürfte dabei einige Techniken des Meisters erlernt und übernommen haben. Dabei wird einem die recht simple Moral um Schuld und Sühne, das Plädoyer gegen das Wegschauen, nicht gerade subtil aufs Auge gedrückt. Mit allem der ihm zur Verfügung stehenden Mittel veranstaltet der Regisseur ein wahres Tohuwabohu der Emotionen, transportiert durch exzellente Bilder. Gerade das zuweilen überzogen anmutende Szenario der ungeheuerlichen Gewalt gegenüber einer Frau, die von ihrem Mann und den anderen Inselbewohnern geradezu wie ein Tier gehalten wird, schüttelt einen ordentlich durch, stößt einen ab. Manche Handlungen der Figuren erscheinen zunächst unwahrscheinlich oder zumindest nicht sofort nachvollziehbar, seltsam und verwirrend. Doch was hier zunächst unverständlich erscheint, zieht uns an, was „Bedevilled“ trotz seiner daramturgischen Einfachheit und rauschhaften Brutalität eine gewisse Magie verleiht. Hinter dieser Magie steckt eine zutiefst menschliche Geschichte über ein Schicksal einer Frau in einer Kultur fernab der modernen, „westlichen“ Zivilisation. Eine Kultur, in der ein Menschenleben nichts zählt und drakonische Strafen Gesetze ersetzen. Der ach-so-zivilisierte Mensch unserer modernen, globalisierten Welt steht daneben… und schaut tatenlos zu.
„Bedevilled“ ist ein Film voller Poesie trotz der, wie so oft, extrem nervigen deutschen Synchro. In der ersten Hälfte ein bewegendes Drama welches sich in der zweiten Hälfte zu einem beinharten Rachefeldzug mit Slasher -und Splatterelementen entwickelt, sich dabei aber nie einer gewissen Prise grotesk-absurdem Humor und einer gehörigen Portion Galle verwehrt, ist „Bedevilled“ ein Meisterstück mit doppeltem Boden, auch wenn die Moral zunächst simpel erscheint. Das Ende gestaltet sich zudem als grandios in Szene gesetzter, wenn auch etwas unglaubwürdiger Schlussakkord.
Ein irgendwie menschlich wirkender Autoreifen, der durch telekinetische Kräfte Dinge zum Platzen bringt und schließlich aus Rache Menschen mordet, nachdem er an einer Reifenverbrennungsanlage vorbei gerollt ist? Das klingt nicht nur reichlich trashig, das ist es auch. Doch wer eine unterhaltsame Horrorfilm-Parodie mit schwarzem Humor und Laugh-Out-Loud-Schenkelklopfern erwartet, liegt falsch. Mehr ein filmisches Experiment als ein Vertreter des klassischen Erzählkinos, erinnert „Rubber“ an die Brecht’Sche Theorie des Epischen Theaters, auch wenn ein direkter Vergleich mit den Werken Brechts ein wenig zu hoch gegriffen wäre. Der jeglicher Kategorisierung trotzende Nicht-Film des französischen Regisseurs Quentin Dupieux, besser bekannt als Musiker unter seinem Künstlernamen Mr. Oizo, verwehrt sich jeglicher narrativer Elemente und kommt zu weiten Teilen ohne Dialoge aus. Ist man zu Beginn noch amüsiert während man den mörderischen Reifen bei den ersten Gehversuchen beobachtet oder Zeuge seines Faibles für Fitness-Sendungen im Fernsehen wird, kann sein teils minutenlanges Durch-die-Wüste-Rollen schnell monoton und einschläfernd wirken. Generell ist der Rachefeldzug des Gummiprotagonisten fast vollkommen spannungsarm, was auch dadurch begünstigt wird, dass von Anfang an die Instanz der Zuschauer, die dem absurden Geschehen aus sicherer Entfernung beiwohnen, eingeführt wird. So wird eine Fiktionalität der „Handlung“ suggeriert, die nur durch das Zuschauen des Publikums aufrecht erhalten wird.
Ist das nun eine Medienkritik? Oder ist „Rubber“ gar eine beißende Gesellschaftssatire? Diese These würde zwar durch den amüsanten, aber nicht ganz sinnigen Monolog des Lieutenant Chad zu Beginn über „reine Willkür“ gestützt, letztlich ist das Machwerk aber eindeutig zu zahnlos, um als kritisch-satirisch durchzugehen. Folgt man weiterhin dem Ansatz, „Rubber“ hinsichtlich seiner Elemente des absurden Theaters interpretieren zu wollen, so kann man durchaus essentielle Elemente dieser Dramentheorie feststellen: Die Distanz des Zuschauers zu den Geschehnissen sowie zu den Figuren bleibt bewahrt, der Fortgang der Handlung wird stets vorweggenommen, so etwas wie einen Spannungsaufbau sucht man vergebens. Ist folglich das für an Filmtheorie Interessierte Experiment gelungen? Nun, das ist mit einem entschiedenen „Jein“ zu beantworten. Das Spiel mit dem Zuschauer, welcher durch die Zuschauer im Film verkörpert wird, ist interessant, das Ad-Absurdum-Führen jeglicher narrativer Elemente und das Verballhornen des Gegensatzes von Realität und Fiktionalität gelingt jedoch nur zum Teil: Ein logischerweise etwas ausdrucksarmer Reifen ist als Protagonist, der einen Film mit 80 Minuten Lauflänge tragen soll, absurd hin oder her, schlicht nicht ausreichend. Was als Kurzfilm sensationell hätte werden können, verpufft trotz toller Bilder, coolem Soundtrack und reichlich Ambition irgendwo zwischen Schrottplatz und Autowerkstatt im Wüstensand.
„Rubber“ ist als mutiges, wenn auch etwas selbstverliebtes Filmexperiment sehenswert, zuweilen aber zäh wie Gummi und zahm wie ein zur Schaukel umfunktionierter Reifen auf dem Kinderspielplatz. Somit platzen zwar die Köpfe der Protagonisten, die der Zuschauer werden aber nicht mal zum Rauchen gebracht. Schade um die kultige Idee, „Rubber“ hätte auf 30 Minuten Lauflänge eingestampft zu einer wahren Trash-Perle werden können, bleibt aber letztlich nur bedingt im Gedächtnis.
„Source Code“ ist definitiv eine interessante und spannende Zeitschleifen-Variante, eine „Und täglich grüßt das Murmeltier“-Version mit Thrill. Und mit Jake Gyllenhaal statt Nager. Mr Rehauge sieht ja auch ein wenig schnuckeliger aus als Bill Murray. Das muss man dem Knilch ja lassen. Und im Ernst, schauspielerisch gereift ist er seit „Donnie Darko“ oder etwa dem Weltuntergangsspektakel „The Day After Tomorrow“ auch. Das Problem des Films von Regisseur Duncan Jones ist also nicht etwa die Besetzung, oder der Mangel an orginellem Ideenreichtum, sondern eher, dass er gerne noch mehr wäre als er ist bzw. sein kann. Wie gerne würde man hier doch das „Inception“-Rätselraten auf höchstem Blockbuster-Niveau wieder aufleben lassen, und wie sehr verstrickt man sich dabei in losen Logikfäden, Parallelwelten und unterschiedlichen Zeitfenstern, legitimiert und erklärt durch Begriffe wie „Parabole Differenzialrechnung“. Nee is klar, Parabole Was-Auch-Immer, DAS ist der Schlüssel zu allem. Echt knorke Typen, diese Mathe-Freaks vom Militär!
Nun gut, das Ganze ergibt am faden Ende nur mit Mühe und viel Wohlwollen einen Sinn, weit entfernt vom großen Vorbild von Christopher Nolan. Noch dazu findet Jake Gyllenhaal in den immer wieder gleichen acht Minuten seine große Liebe. Wenn das mal keine Basis für eine langjährige Liebesbeziehung ist?!
Trotz genannter Schwächen ist jegliches Nörgeln im Grunde jedoch unter „Meckern auf hohem Niveau“ zu subsummieren, denn im Endeffekt macht „Source Code“ Spaß. Unterhaltsam und temporeich mit Witz und Verve erzählt, reicht der seichte Thriller auf jeden Fall für einen netten Kinoabend und ist dabei cleverer als die meisten Blockbuster, die derzeit mal wieder die Kinopaläste der Gegenwart heimsuchen. Ein Lichtblick also im 3D-Schwachsinns-Einerlei, und, nicht zu vergessen, Michelle Monaghan sieht einfach klasse aus.
Was habe ich diesen Film mit Sehnsucht erwartet bis mir dann letztes Wochenende die Uncut Version von einem fröhlich zweimalklingenden Postmann übergeben wurde. Ich erwartete nicht weniger als ein kunstvoll gefilmtes, brutales und hochspannendes Meisterwerk im Stil des genialen „The Chaser“, wurde aber letztlich ein wenig enttäuscht. Die lehrstückartige Story über Rache, Gewalt und Gegengewalt hätte ein durchaus psychologisch tiefgründigeres, ausgefeilteres und zudem perfideres Skript gut gebrauchen können, denn zuweilen verkommt „Akmareul boatda“ zu einer repetetiven Gewaltorgie mit einigen Längen.
Dennoch: Kunstvoll gefilmt ist „I Saw the Devil“ allemal, hochspannend ebenso und brutal erst recht. Nur eben knapp am ganz großen Wurf vorbei. Dabei geben sich die Darsteller, allen voran der besonders aus „Oldboy“ bekannte Min-sik Choi, der den ultrabösen Sadisten mit Bravour gibt und einem förmlich durch ein Wimpernzucken das Blut zu Eis gefrieren lässt, alle Mühe, die temporären Schwächen des Drehbuchs auszugleichen. Nach einem schlichtweg grandiosen Anfang mündet „Akmareul boatda“ unweigerlich in ein meisterlich inszeniertes Kunstwerk aus äußerst deftigem Gore, inklusive Vergewaltigung und Kannibalismus. Hier wurde an nahezu alles gedacht, was der Otto-Normal-Mensch zu Recht als krank und pervers bezeichnet. Umso interessanter ist es, die schleichende Wandlung des Rache-übenden Protagonisten Kim Soo-hyeon (Byung-hun Lee) vom treusorgenden Saubermann zum kompromisslosen, kaltblütigen Monster zu beobachten. Es beginnt ein blutiges Kräftemessen, bei dem die Grenzen zwischen Täter und Opfer, Monster und Mensch zunehmend verwischen, bis der gepeinigte Mörder Kyung-chul den Spieß herumdreht…
„I Saw the Devil“ enthält einige grandiose Sequenzen von schier unglaublicher Brutalität, aber auch eindringlicher Intensität und geradezu nervenzerfetzender Spannung. Jeoch wird dieses schwindelerregend hohe Niveau nicht durch die gesamte, etwa eine Viertelstunde zu lange Laufzeit des Film duchgehalten, was durch die sich teilweise wiederholenden, oft einfach zu sehr in die Länge gezogenen Gewaltsequenzen und bereits erwähnter fehlender psychologischer Tiefe zu begründen ist. Zu Gunsten des Splatters erfährt der Zuschauer kaum etwas über die Hinter -und Beweggründe der Figuren. Dennoch werden Horrorfans bestens bedient und so stellt „I Saw the Devil“ einen Gang zur Schmerzgrenze da, bei dem man weder auf Atmosphäre noch auf Hochspannung, tolle Darsteller, hervorragende Bilder oder Hirn verzichten muss. Hirn gibt es sogar im Überfluss. In jeglicher Hinsicht. Sogar als Hauptgericht.
Wertung: 8/10.
Potzblitz! Da haben sich die kreativen Einfaltspinsel des deutschen Verleihs mal wieder was Tolles einfallen lassen, indem sie einen Entführungsthriller mit „Spurlos“ betiteln. Auf die Idee ist bisher noch niemand gekommen. Dankenswerterweise hat man dann noch den Untertitel „Die Entführung der Alice Creed“ hinzugefügt, um etwaigen Verwechslungen vorzubeugen und vielleicht ja auch um zu verhindern, dass eine weitere Perle in der Belanglosigkeit des DVD-Einheitsbreis versinkt. Das hätte „The Disappearance of Alice Creed“ nun wirklich nicht verdient, denn schon die ersten Minuten des Films versprechen Hochwertiges: Der Zuschauer wird Zeuge der akribischen Planung und Vorbereitung der bevorstehenden Entführung, alles scheint perfekt ausgeklügelt. Erst nachdem das scheinbar willkürlich gewählte Opfer in einem ebenfalls akribisch präparierten Van verschleppt wird, werden die ersten Dialoge gesprochen. Was nun beginnt, ist ein durchgängig spannendes Katz-und-Mausspiel mit einigen trickreichen, raffinierten Wendungen und fiesen Einfällen. Und um eben jene nicht vorwegzunehmen, schweige ich auch über den weiteren Inhalt.
Der überwiegende Teil des Thrillers spielt in jenem schalldichten, kargen Raum, indem das titelgebende Entführungsopfer ans Bett gefesselt ist, und sichzunehmend pointierte Wortgefechte mit den Entführern liefert, in deren Verlauf der Zuschauer immer mehr den drei Protagonisten nachfühlen kann: Er weiß nicht mehr, wem er eigentlich trauen soll und wer hier wen heimtückisch hintergeht. Wie auch in anderen Kammerspielen ensteht die konstant anhaltende Spannung besonders durch das überzeugende Spiel der einzigen drei Darsteller des Films, denen es gelingt, bis zum Schluss die Verzweiflung angesichts der zahlreichen dramatischen Wendungen des einst so perfekt geplanten Verbrechens glaubhaft auf den vorzüglich unterhaltenen Zuschauer zu übertragen.
Ein kleiner, gemeiner Drecksack von Film, dem der Titel „Don’t fuck with Alice Creed“ vortrefflich zu Gesicht gestanden hätte.
Die deutsche Produktion „Das letzte Schweigen“ hat mich einmal mehr erkennen lassen, wie wertvoll es sein kann, Filme, blind aus dem Regal der Videothek gegriffen, völlig unvorbelastet zu schauen. Wie ich im Nachhinein feststellte, wird der Film mit sehr gemischten, sogar überwiegend negativen Kritiken bedacht. Von fehlender psychologischer Tiefe ist da die Rede, der Film überzeuge zwar visuell, aber berühre nicht, Regisseur Baran bo Odar wolle mehr, als er letztlich erreichen könne. Zugegeben, die inszenatorischen und dramaturgischen Mittel, die Debütant bo Odar hier einsetzt, um einerseits zu unterhalten und andererseits zu erschüttern, sind nicht gerade subtil. Untermalt mit nahezu kontinuierlich dröhnenden, dissonanten Bassklängen verkörpert das hochkarätige Ensemble die allesamt mehr oder minder traumatisierten Charaktere in stylish-ästhetisierten Bildern flirrender Sommerhitze in trügerischer Idylle, eingebettet in eine verschachtelte, oftmals unchronologische Erzählweise, wirre Mystery-artige Albtraumsequenzen inklusive. Klingt überladen? Ist es auch, aber dennoch äußerst effektiv: „Das letzte Schweigen“ trifft mitten in die Magengrube und schildert die brisante Thematik der Pädophilie und Gewalt an Kindern derart eindringlich, dass es vermutlich nur allzu verkopften Filmkritikern gelingen kann, nicht berührt zu sein.
Lobenswerterweise gelingt Baran bo Odar das Kunststück, Pädophilie nicht zu diabolisieren, aber gleichzeitig auch nicht zu trivialisieren. Dabei erweist sich gerade die Entscheidung des Regisseurs, die Gräueltaten seiner durchaus menschlich gezeichneten Protagonisten nicht vollends explizit zu zeigen, als äußerst wirksamer Kunstgriff. Das Andeuten einer Vergewaltigung sowie eine kurze Sequenz eines Gewaltpornos genügen, um den Zuschauer zu schockieren, denn all das ist traurige Realität: Der verängstigte Blick des kindlichen Opfers, ein Mann mit Maske der sich das Hemd aufknöpft. Jeder erahnt was als nächstes geschieht. Die DVDs mit dem abscheulichen Inhalt stehen im Fernsehregal des Täters, gleich neben den CDs. Das sind Bilder, die sich einbrennen, ohne dass man wirklich etwas sieht. Bilder, die jeden Tag im Internet kursieren, ohne dass wir sie sehen. Zeugnisse von Verbrechen von gar unvorstellbaren Ausmaßen, zugänglich für jeden, dem gerade danach ist.
Trotz aller thematischen Brisanz gerät „Das letzte Schweigen“ aber keinesfalls zum moralinsauren Lehrstück mit der deutschen Produktionen allzu oft eigenen pathetischen Schwere, sondern funktoniert auch als äußerst spannender Kriminalfilm mit Nägelkau-Potenzial. Parallelen zu „Es geschah am hellichten Tag“ werden da nicht selten deutlich. Im Gegensatz zu der Dürrenmatt-Verfilmung anno 1958, macht sich aber der wahre Schrecken erst zum Schluss breit und stellt damit den letzten, mutigen Kunstgriff des Regisseurs dar: Ein offenes Ende, ähnlich dem der werkgetreueren Sean Penn-Adaption „Das Versprechen“ (2001) des Stoffes von Dürrenmatt. Das Sehnen des Zuschauers nach einem versöhnlichen Ende wird nicht zufriedengestellt.
Die von Anfang an bedrohliche Atmosphäre ist dabei zum Einen den gelungenen Kamerafahrten zu verdanken, zum Anderen aber vor allem dem eindringlichen Spiel der Darsteller, insbesondere jenes des vom schlechten Gewissen spürbar geplagten Wotan Wilke Möhring. Auch hier ist es dem glücklichen Händchen bo Odars zu verdanken, dass sich das grandios aufspielende, prominente Ensemble nicht gegenseitig zu übertrumpfen versucht, sondern auf hohem Niveau miteinander interagiert. Einzig die Figur des von Sebastian Blomberg verkörperten Polizisten David Jahn scheint zuweilen arg überzeichnet, das Klischee des trauernden Witwers, der seine schlaflosen Nächte damit verbringt, sich fieberhaft in seine Arbeit hineinzusteigern und dabei, und das wirkt nun wirklich etwas lächerlich, die Kleider seiner verstorbenen Ehefrau trägt, scheint doch arg abgedroschen.
Nichtsdestotrotz, „Das letzte Schweigen“ ergründet zwar keinesfalls die gestörte Persönlichkeit Pädophiler in seiner Gänze, und erstellt auch keine Chronik dieser immer häufiger als „Volkskrankheit“ bezeichneten, krankhaften Störung der Sexualität. Aber er rüttelt und schüttelt einen gehörig, macht betroffen, und versetzt uns in einen Zustand starken Unbehagens, was die verzeihlichen, durch temporäre Überladung entstehenden Schwächen der Inszenierung in den Hintergrund drängt. Zudem wird uns einmal mehr bewusst, wie wenig wir darüber wissen, was in den Köpfen der Menschen vorgeht, die Kindern, und ihren Verwandten, so etwas Furchtbares antun, und vor allem, wie wenig wir darüber wissen wollen. Ein Beispiel: Laut einem Artikel in „Bild der Wissenschaft online“ von 2004 sind nur schätzungsweise 5% der Sexualstraftäter, deren Opfer Kinder sind, wirklich pädophil. Kinder seien in den meisten Fällen vielmehr „leichte Beute“. Gewusst? Ich nicht. Es handelt sich hier ganz offenbar um ein Thema, das trotz seiner Omnipräsenz in den Medien nur oberflächlich behandelt und selten mit Substanz und Wissen unterfüttert wird.
„Das letzte Schweigen“ ist ein empfehlenswerter Film, der zum Nachdenken -und fühlen zwingt und zum Recherchieren über ein äußerst schwieriges, unangenehmes, aber immer sichtbarer und wichtiger werdendes Thema anregt.
Eins vorweg: „Enter the Void“ ist ein berauschender, visuell umwerfender, soghafter Trip. Zumindest in den ersten anderthalb Stunden. In den folgenden 70 (!) Minuten wird dem Zuschauer einmal mehr Regisseur Gaspar Noés größtes Manko zuteil: Er interessiert sich nicht für seine Figuren und deren Schicksal, bzw für den Menschen im Allgemeinen.
In Hinblick auf die Kameraführung und das visuelle (Set-)Design, an dem über 50 Grafikdesigner beteiligt waren, ist „Enter the Void“ ein Gesamtkunstwerk. Die originelle Idee, dass der Zuschauer die Geschehnisse nach dem gewaltsamen Tod des Protagonisten aus der Perspektive der über den Dingen schwebenden und soeben aus dem Körper gefahrenen Seele des Verstorbenen beobachtet, wird allerdings nur zum Teil ausgeschöpft. Überaus mitreißend gestalten sich die Rückblenden, in denen wir Zeuge des Schicksals des heranwachsenden Oscar und seiner Schwester werden. Intelligent in die sonst eher spärliche Handlung eingewoben ergibt sich eine von schillernden, symbolschwangeren Bildern getragene Nach-Tod-Vision, verkörpert durch die fremdartige Lichterwelt Tokyos, die trotz drohender Reizüberflutung wohlig über unsere Netzhaut flattert. Gerade aber aufgrund der Vogel-Perspektive, die wir während des Großteils des Films einnehmen, werden wir auf großer Distanz zu den nur schemenhaft entwickelten Charakteren gehalten, und spätestes nachdem die Seele Oscars wieder in seinen Körper zurückfährt hätte „Enter the Void“ enden sollen, um nicht ins Belanglose zu kippen. Doch genau das geschieht im Anschluß: Die Handlung setzt fast vollends aus und wir bekommen eine platte, von überdeutlicher Symbolik überfrachtete Kreislauf-des-Lebens bzw. Wiedergeburts-Farce geboten, die der „Skandal-Regisseur“ nutzt um 15 Minuten lang die Kamera über kopulierende Menschen kreisen zu lassen, bis wir schließlich einen Samenerguss aus dem Inneren einer Vagina zu sehen bekommen. Wollten wir nicht alle schon immer mal die Vagina-Perspektive einnehmen?
Zwischendurch macht uns Noé weis, dass in Tokyo der OP-Tisch zum Präsentierteller wird, auf dem die Patientinnen splitternackt liegen, während der Arzt an ihnen herumschnibbelt und eine Abtreibung durchführt. Auch das wird freilich gezeigt, anschließend wird dann mehrmals auf den frisch entfernten Fötus gezoomt. All das geschieht in einer quälenden, ausladenden Länge und obendrein ohne ersichtlichen Grund: Es genügt Noé ein paar mal das „Tibetanische Totenbuch“ zu erwähnen um seine Nach-Tod-Ausschweifungen zu rechtfertigen und die Symboliken zu untermauern.
Bei seinem Vorgängerwerk „Irreversible“ ließ Gaspar Noé die Gewalt und Obskuritäten eskalieren und verlor dabei die spärliche und keinesfalls neue Rache-Story sowie seine Figuren aus den Augen. Ebendies geschieht auch im letzten Drittel von „Enter the Void“ durch die Eskalation von Bilderfluten, die wirkt, als habe Noé alle Überreste, die nicht in die Handlung passten, ans Ende gepackt und degradiert damit seinen Film zu einem überlangen Bildschirmschoner für Junkies, der alle anderen dazu einlädt, sich nebenbei mit anderen Dingen zu beschätigen oder gar abzuschalten.
Nach dem missratenen „Irreversible“ stellt „Enter the Void“ alles in allem einen Schritt in die richtige Richtung dar, überzeugt er doch in den ersten 90 Minuten und kommt weitgehend ohne Gewaltexzesse aus. Damit spielt Noés neuester Streich in etwa in einer Liga mit seinem Erstlingswerk „Seul contre tout“ (dt. „Menschenfeind“): Im Ansatz gut, aber nicht vollends überzeugend, denn Gaspar Noé weiß zu schocken, und seine Filme bleiben daher lange im Gedächtnis. Aber ganz offenbar fehlt ihm das Gefühl für den Menschen und der intendierte Mindfuck bleibt aus.
Ja, manchmal schlägt einem das Glück direkt ins Gesicht. Manche Filme über das Streben nach Glück ebenso. Bei „Happiness“ ist der Titel Programm, nur eben nicht im eigentlichen Sinne: Jeder der Protagonisten befindet sich auf Sinnsuche, auf der Suche nach Glückseligkeit und Erfüllung. Das ist teilweise so abstrus und grotesk, dass man laut los prusten möchte vor lachen. Doch Obacht, das Lachen bleibt einem im Halse stecken, wird zum Kloß, und schließlich bekommt man ein überaus flaues Gefühl in der Magengegend. In „Happiness“ wird uns einmal mehr vor Augen geführt, dass nichts ist wie es scheint, oder wisst Ihr welche Geheimnisse Euer Nachbar vor Euch verbirgt? Geheimnisse, die den Otto-Normalmenschen mit ungläubiger Betroffenheit erfüllen. Um diese Geheimnisse, ferner um die Abgründe des Menschen, geht es Regisseur Todd Solondz. Dabei gelingt ihm die erstaunliche Gratwanderung zwischen größtenteils angedeuteter, und trotzdem drastischer Darstellung und nicht verurteilendem Zeigen, zwischen Gesellschaftskritik und feinfühligem Berühren.
„Happiness“ ist einer jener Filme, die Tragikomik und beißenden Sarkasmus miteinander verschmelzen lassen, dabei mit dem Wohlbefinden des Zuschauers nicht gerade zimperlich umgehen, an die Grenzen des Darstellbaren gehen, ohne wirklich etwas zu zeigen, und ihn nachhaltig beschäftigen. Dabei trifft nicht jeder Gag ins Schwarze und scheint in Anbetracht der Thematik manchmal etwas Fehl am Platz. Dennoch ist „Happiness“ hervorragend inszeniert und vor allem fantastisch gespielt, insbesondere von dem immer genialen Philip Seymour Hoffman und der schrecklich überkandidelt-realistischen Cynthia Stevenson als einer der drei höchst unterschiedlichen Schwestern, die den Dreh -und Angelpunkt der intelligent miteinander verknüpften Handlungsfragmente darstellen. Stevenson spielt die vermeintlich in ihrer Rolle voll aufgehende Übermutter / Überhausfrau mit ihrem vermeintlich perfekten Vorort-Familienleben deart ätzend-authentisch, dass ihre Darstellung sinnbildlich für den gesamten Film stehen kann: Was manchmal auf den ersten Blick grotesk und überzogen erscheint, kann auf den zweiten so „echt“ wirken, dass es weh tut. Man empfindet Mitleid mit den Protagonisten, und manche von ihnen hasst man abgrundtief. Dennoch kann man, wenn man genauer hinschaut, in ihnen ein kleines, hässliches Bisschen von einem selbst entdecken. Vielleicht hasst man sie ja deswegen.
„Happiness“ ist ein Film, den man zunächst ebenso hassen möchte („Muss das denn sein? Muss ich mir das angucken?“), um ihn schließlich doch zu lieben („Ja, irgendwie schon.“).
Ich würde mich ohnehin als Fan der Filme Aronofskys bezeichnen, aber mit seinem neusten Meisterstück hat er sich selbst übertroffen. Punkt. Dabei ist bereits von Anfang an klar, dass es sich bei „Black Swan“ um eine Neuinterpretation bzw Variation von Pyotr Tschaikovskys „Schwanensee“ handelt, und dass die von Natalie Portman verkörperte Nina Sayers nicht nur in ihrer Rolle in selbigen Stück den schwarzen Schwan, also ihre verführerische, lüsterne, animalische, „dunkle“ Seite finden muss, sondern auch in ihrem wahren Leben, das sich bis dato durch das ständige, obsessive Streben nach Perfektion gezeichnet sah. Dieser Wandel von der einen Obsession in die andere, diese brodelnde, zwanghaft unterdrückte Leidenschaft, welche kurz vor dem Ausbruch steht, verkörpert Natalie Portman ungemein intensiv, ohne in dem gesamten Film ihre zarte, gebrochene Stimme zu erheben (bis auf eine Ausnahme). Portmans halsbrecherische Gratwanderung im Balletschuh ist wohl die beste schauspielerische (und tänzerische!) Leistung des letzten Jahres. Dabei ist es nicht nur die Gratwanderung zwischen Perfektion und Wahnsinn, die sie verkörpert und den Zuschauer verinnerlichen lässt, sondern auch jene zwischen Sex und Gewalt, zugleich hocherotisch und tiefverstörend, geil und abstoßend. Dies wird besonders deutlich in der intensiven Masturbationsszene Portmans.
Insgesamt ist „Black Swan“ durchweg von sexueller Konnotation durchzogen, denn die Entdeckung der Sexualität und der eigenen Abgründe von Portmans Nina lässen sie für eine kurze Zeit zum schwarzen Schwan werden, hervorgerufen durch die gleichzeitig verhasste wie begehrte Rivalin Lily (ebenfalls hervorragend: Mila Kunis), den provokanten Verführer Vincent Kassel (toll!) und ihre herrische, nahezu puritanische Mutter (beängstigend gut: Barbara Hershey). Schließlich droht Nina zunehmend in den Wahnsinn und die Bessenheit abzugleiten. Dabei werden die Verletzungen und Blessuren, die sie an ihrem eigenen Körper immer wieder entdeckt, für den Zuschauer nahezu körperlich spürbar (besonders wenn man, wie ich, empfindlich im Bezug auf Verletzungen an den Fingernägeln ist).
Vordergründig ein Drama, enthält „Black Swan“ mehrere Elemete des Horrorfilms und des Psychothrillers, ist neben erwähnter Erotik nicht selten mystisch-geheimnisvoll und schreckt selbst vor kleinen, wohl dosierten Schock-Szenen nicht zurück. Bei der erbitterten Darstellung des Ballettmilieus nicht etwa als traumhafte Märchenwelt für Mädchen, sondern als knallhartes Business, verschwimmen Realität und Imagination, bis zum Schluss bleiben einige Rätsel, die der Film aufgibt, im Verborgenen. Was bleibt, ist ein Gefühl von Unwohlsein, mit Bildern, die einen lange nicht los lassen.
Der hervorragende Score Clint Mansells, indem das Leitmotiv des Stückes von Tschaikovsky immer wieder variiert und teilweise rückwärts gespielt wird, sowie die visuelle Umsetzung des Stoffes unterstützt die fantastische Leistung des Ensembles und die geniale Regie Aronofskys (es ist sogar eine nette Anspielung auf „Requiem for a Dream“ dabei). Der gesamte Film ist durchzogen von Schwarz-Weiß-Symbolik, der die Metamorphose der Portman bis in den Abspann hin perfektioniert. In einer der besten Szenen des Films sitzt Natalie Portman vor ihrem Spiegel, wechselt das Kostüm vom schwarzen zurück zum weißen Schwan, stellt fest, dass ihre Wandlung von der eigenen Imagination vorgetäuscht zu sein schien, verliert kurz die Fassung, bevor sie innerhalb von nur einem Wimpernschlag wieder ihre Rolle animmt und weißes Make-up auf ihr Gesicht aufträgt, um bis zum Ende der Aufführung des „Schwanensees“ die eigenen Zerissenheit, den eigenen Wahnsinn, zu verbergen. Auch wenn das Ende bekannt sein sollte, reißt es den Zuschauer mit: Für einen kurzen Moment war Nina perfekt. „Black Swan“ ist es auch.
Nach 80 Jahren ist Fritz Langs Meilenstein des deutschen Kinos besonders in den ersten 90 Minuten kaum mit Spannung zu verfolgen, ähnlich wie ein Besuch in einem Museum, der trotz der zeitgeschichtlichen Bedeutung der ausgestellten Stücke auf Dauer ermüdend wirken kann. Die letzten 20 Minuten sind jedoch faszinierend und in ihrer Thematik hochaktuell, die Darstellung Peter Lorres ist schlicht genial.
Ich habe nicht das Gefühl, gerade einen fantastischen Film gesehen zu haben, eher jenes, um ein Stück Film -und Zeitgeschichte bereichert worden zu sein.
„Harry Brown“: Die Titelrolle wird von niemand Geringerem verkörpert als Schauspiellegende Michael Caine, der seiner Figur eine beeindruckende Tiefe verleiht, und damit gleichzeitig den gesamten Film trägt. Dabei ist der irreführende Catchphrase „King of Cool“, mit dem er und seine titelgebende Figur u.a. auf dem DVD-Cover beworben wird, gänzlich unpassend, denn mit „Harry Brown“ haben wir es glücklicherweise und allen meinen Befürchtungen zum Trotz nicht mit einer üblichen, Action-fixierten oder eben „coolen“ „Ein Mann sieht rot“-Variante zu tun.
„Harry Brown“ zeigt hingegen durchaus realistisch und nachvollziehbar, wie ein alternder, gebrochener Mann, der Familie und Freunde verloren hat und nun nichts mehr übrig ist, was er zu verlieren hätte, das Gesetz in die eigene Hand nimmt. Von Zweifeln ebenso zerfressen wie von Verzweiflung und Wut getrieben, rächt Harry Brown die brutale Ermordung seines letzten noch lebenden Freundes durch kompromisslos gewaltbereite Jugendliche, die das heruntergekommene Viertel, in dem er lebt, beherrschen und dort Angst und Schrecken verbreiten. Drogen, Waffen und ausufernde Gewalt nur so zum Spaß sind Alltag, die Handykamera hält alles fest.
Caines Figur wird zu keiner Zeit heroisiert, sowie die Jugendlichen und deren asoziale „Mentoren“ weder bloß als Opfer ihrer Umgebung noch als von Natur aus abgrundtief böse dargestellt. Tendenzen zur Schwarz-Weiß-Malerei sind lediglich im Schlussakt des Dramas deutlich zu erkennen, wenn dem Zuschauer eine Art „erfolgreiche Säuberung vom Abschaum“ anhand der symbolträchtigen Straßenunterführung, die vor dem Rachefeldzug Schauplatz von Drogendeals und Gewalt war und die Harry Brown nun endlich wieder sicher passieren kann, suggeriert wird. Bis dahin ist „Harry Brown“ ein zutiefst bewegendes, bedingungslos realistisches und äußerst explizites Drama, das mehr Wert auf die Zeichnung seiner Figuren denn auf Brutalität legt, einem in seinen vielen intensiven Szenen aber dennoch den Magen umdreht und den Zuschauer bis ins Mark erschüttert, ohne die Gewalt zum Selbstzweck verkommen zu lassen.
Bemerkenswert auch die Seitenhiebe auf die Arbeit der Polizei, die sich am Ende des Films das Resultat der wiedererlangten Sicherheit im Viertel, Folge der Taten Harry Browns und der daraus resultierenden Straßenrevolte, auf die eigene Kappe schreibt. Eine Kappe, an der Blut klebt.
Unklar bleibt jedoch, warum Regisseur Daniel Barber im Verlauf des Finales ein erzwungen wirkender, recht banaler Story-Twist nötig scheint, der uns einen Drahtzieher, eine treibende Kraft hinter der jugendlichen Gewalt im Viertel, präsentiert. Soll dem Zuschauer damiteine vermeintliche Erklärung für die vorher dargestellte, sinnlose Gewalt geliefert werden, die es in der Realität nicht gibt? Soll das vielleicht eine Art „Aha. Der war’s also. Jetzt wird mir alles klar“-Reaktion bewirken? Das scheint wie ein recht trivialer Versuch, den Zuschauer nicht allzu desillusioniert mit einem „Die Welt ist scheiße“-Gefühl aus dem Kinosaal zu entlassen und ihm im letzten Moment doch nicht zu viel Realität zumuten zu wollen. Ein weiteres Manko eines sonst so überzeugenden Dramas, das glücklicherweise nur eine Randnotiz der Story bleibt und somit nicht weiter ins Gewicht fällt.
Trotz kleiner Schwächen ist „Harry Brown“ wohl die realistischste, ergreifendste und spannendste Selbstjustiz-Variante der letzten Jahre, die genau das ist, was Neil Jordans „Die Fremde in Dir“ mit Jodie Foster (der auch eine Unterführung als Dreh -und Angelpunkt der Handlung präsentiert) sein wollte und die meisten anderen Filme dieser beliebten Sparte wie „Gesetz der Rache“ oder „96 Hours“, für die das Selbstjustiz-Motiv lediglich als Aufhänger für reine Unterhaltung dient, gar nicht erst versuchen: Weder voyeuristisch noch zu sehr gewaltverherrlichend, sondern im Rahmen der Möglichkeiten differenziert und sich der eigenen moralischen Fragwürdigkeit bewusst.
Zu Recht belegte „Harry Brown“ den zweiten Platz des Fresh Blood-Publikumspreises.
Eins vorweg: „The Lovely Bones“ ist keinesfalls ein schlechter Film. Nach seinem Erscheinen 2009 erntete Peter Jacksons erste Regiearbeit seit des (besonders visuell) beeindruckenden „King Kong“-Remakes überwiegend negative Kritiken. Dabei muss man seinem Film vor allem eins zu Gute halten: Er ist mutig.
Mutig zum einen, weil Jackson sich nach „Der Herr der Ringe“ erneut an einen als unverfilmbar geltenden Roman wagte und mutig zweitens, weil sein Film das heikle Thema des Kindesmissbrauchs ebenso unkonventionell wie unverkrampft behandelt. Und so unausgegoren, wie das Gesamtergebnis der Bemühungen Jacksons auch wirken mag, so sehr trifft es auch gerade im Hinblick auf seine thematische Brisanz meist den richtigen, sensiblen Ton, was man von vielen thematisch änhlichen Werken sicherlich nicht behaupten kann.
Das ist besonders der zur Drehzeit gerade mal 13 Jahre alten Saoirse Ronan zu verdanken, die mit ihrem schauspielerischen Talent sogar die teils arg kitschig in Szene gesetzte Welt ihres Jenseits überstrahlt. Ihr gelingt es, jede Emotion, und sei es eine noch so kindliche, glaubhaft auf den Zuschauer zu übertragen. Allgemein rettet der erlesene Cast den Film an vielen Stellen vor dem Absturz. Der vielgelobte und Oscar-nominierte Stanley Tucci gibt den kranken Mädchenmörder aus der Nachbarschaft mit Bravour. Psychopathen (und körperlich und geistig behinderte Menschen) sind bekanntlich seit jeher die favorisierten Charaktere der Oscar-Jury, und das obwohl gerade diese Rollen relativ dankbar sein dürften, kann der Darsteller z.T. doch hemmungslos übertreiben und pathetisch chargieren, ohne dass es die meisten Zuschauer befremdlich finden. Dankbarerweise glänzt Tucci in seiner Rolle jedoch besonders durch Zurückhaltung. Gleiches gilt für Rachel Weisz und Marky Mark, sorry, Mark Wahlberg, die als vom Verlust geplagte Eltern durchaus überzeugen. Einzig die sonst so grandiose Susan Sarandon wirkt fehl am Platz: Ihre Rolle als durchgeknallte, aufgetakelte, ununterbrochen Whiskey-schlürfende Oma soll wohl den eher schwierigen Plot etwas auflockern, ist aber noch flüssiger als das Gesöff, was die Gute kontinuierlich in sich hinein schüttet. Ein geradezu ätzend klischeehafter „Typisch Hollywood“-Auftritt.
Aber zurück zum Film: „In Meinem Himmel“ funktioniert vor allem dann, wenn er nicht mehr sein will als ein konventioneller Thriller. Im letzten Drittel konzentriert sich Jackson vermehrt auf das Diesseits und dreht äußerst effektvoll an der Spannunsschraube, insbesondere dann, wenn die Familie der ermordeten Susie (Ronan) allmählich auf die Spur des Mörders aus ihrer Nachbarschaft kommt. Auch die Parallelwelt, in der sich Susie befindet, funktioniert zu weiten Teilen, ist sie doch in sich homogen, wenn auch etwas zu glitzernd und mit Holzhammer-Metaphorik ausgestattet. Das mag kitschig sein, und jede Emotion mag durch überbordenden CGI-Einsatz erdrückt werden, visuell bemerkenswert in Szene gesetzt ist das Ganze aber allemal.
Die große Schwäche des Films liegt in der Verbindung dieser beiden Welten: Jackson gelingt es nicht, zu erklären, wie genau Susie mit ihren Eltern in Verbindung tritt, um sie auf die Spur ihres Mörders zu bringen und versucht zu verkrampft, die Story zu einem für alle versöhnlichen Ende zu führen. Generell wirkt der sicherlich gewollte Kontrast zwischen den beiden Welten zu krass, der Sprung zwischen Kitsch und teilweise beängstigender Gewalt irritiert statt zu faszinieren. Jedes Mal, wenn Jackson versucht, eine Verbindung seiner Paralleluniversen herzustellen, wirkt sein Film emotionslos und unausgegoren. In diesen jedoch recht seltenen Momenten ist „The Lovely Bones“ eine Mischung aus Märchen und Psychothriller, die manchmal wirkt, wie eine symbolträchtige Inszenierung der Gebrüder Grimm, wenn sie CGI zur Verfügung gehabt hätten: Die in den Grimm’schen Erzählungen im Subtext köchelnde Ernsthaftigkeit in Bezug auf Themen, die fast immer auf Sex und Gewalt abzielen, würden sie vermutlich auch dem Zuschauer allzu deutlich unter die Nase reiben wollen.
So laufen Diesseits und Jenseits in „The Lovely Bones“ nebeneinander her ohne die gewollte Symbiose einzugehen, oder sich für den Zuschauer nachvollziehbar, und vor allem nachfühlbar, zu berühren. Damit ergeht es Jackson trotz aller inszenatorischer Versiertheit wie einem Schulkind beim Aufsatz: Sehr gut im Aufbau und Ansatz, aber Thema verfehlt.
Das letzte Mal habe ich mich auf dermaßen auf "Shutter Island" gefreut. Ich hoffe "Incepiton" überzeugt mich mindestens genauso!
Ich habe mir immer gewünscht, dass es endlich mal einen Film gibt, in dem die tollen Songs die darin vorkommen, endlich mal ausgespielt werden. Und siehe da, mein Wunsch ist erhört worden! Da kommt "Once" völlig unerwartet aus Irland daher und hat nicht nur mitreißende Songs mit tollen Texten zu bieten, sondern auch eine wunderbar unaufdringliche (Love-)Story, die einfach "echt" wirkt. Die Songs begleiten ganz normalen Typen ein paar Tage lang (mit manchmal etwas störender Handkamera), die unfertigen, nur auf der Straße vorgetragenen Lieder werden schließlich aufgenommen, und mit der Fertigstellung der CD und der Bannung der mit der Musik ausgedrückten Gefühle auf selbiger, beginnen auch die Hauptdarsteller ihren bisher unfertigen, nur in Gedanken vorhandenen Weg zu gehen. Ein Film für alle, die Musik lieben und unnötige Dramatik oder Kitsch hassen. In was für einer Welt leben wir, in dem an einem Film kritisiert wird, dass "alle nett zueinander sind"? "Once" ist ein Geschenk und wenn er tatsächlich zu dem Musikfilm einer ganzen Generation werden sollte, wie es das DVD-Cover verheißt, meinen Segen hat er!
"Battle Royale" ist stylish, spannend und schön krank. Aber nach einer Zeit stellt sich doch das Gefühl ein, dass wenn sich eine ganze Schulklasse von Kindern gegenseitig abschlachtet und das Ganze auch noch eine Zukunftsvision darstellt, man doch irgendeinen Sinn dahinter erwarten können sollte, oder zumindest irgendwo die Ansätze einer bissigen politischen Satire entdecken müsste. Oder wie wäre es mit einer Schlusspointe, die alles aufklärt? Die tatsächliche Rolle des Lehrers, der ständig im Trainigsanzug auf der Couch sitzt und Kekse frisst, ist mir auch schleierhaft, sowie die nur schemenhaft umrissenen Charaktere des Films im Allgemeinen.
Entweder ist ein tieferer Sinn bei "Battle Royale" schlichtweg nicht vorhanden oder er entgeht meiner europäischen Sichtweise und bestätigt mir mein fehlendes Wissen über Japan, seiner Kultur, Politik und Menschen.
Holly Hunter spielt sensationell, der Rest ist langweilig und unfassbar zäh. Trotz der tollen Performance der Hauptdarstellerin und einer eigentlich viel versprechenden Story (und der überbewerteten Oscar-gekrönten Darstellung Anna Paquins) lässt einen dieser Klimperkasten seltsam kalt.
Der Film ist im wahrsten Sinne des Wortes erfrischend anders, Ewan McGregor und besonders Jim Carrey (in seiner besten Rolle seit gefühlten zehn Jahren) spielen super und einige Gags treffen voll ins Schwarze. Aber ehrlich gesagt ist mir der Film in weiten Teilen einen Ticken zu schwul. Das ist jetzt keinesfalls abwertend gegenüber Homosexualität gemeint, sondern soll lediglich heißen, dass mir eine Identifikation mit den Figuren, insbesondere in den "romantischen" Szenen, nicht wirklich gelang. Der Film spricht eindeutig eher eine homosexuelle Zielgruppe an, was sich auch darin zeigt, dass so ziemlich alle erdenklichen Schwulenklischees auf's Korn genommen werden, diese aber dankbarer Weise nicht wie üblich dazu genutzt werden, um Homsosexualität zu diffamieren. Lobenswert.
Dass ich mich meist nicht angesprochen gefühlt habe, ist aber nicht mein Hauptkritikpunkt. Viel störender ist, dass sich schön derber Humor urplötzlich mit Romantik abwechselt, die sogar zeitweise in Rührseligkeit abdriftet. Insofern schließe ich mich einigen anderen Reviews an: Das Gesamtpaket soll abwechslungsreich sein, wirkt aber unausgegoren und daher nicht vollkommen überzeugend.
Die Geschichte, die Grundlage dieses Films, und deren Ausgang kennt jeder. Dass Jesus schwer gelitten haben muss, weiß auch jeder. Dass man die Bibel nicht wortwörtlich nehmen sollte, sondern diese einer oder mehrerer Interpretationen bedarf, sollte nachdem die historisch-kritische Exegese als Herangehensweise an die Bibel etabliert wurde, eigentlich auch jeder schon einmal gehört haben. Nur an Mel Gibson scheint Letzteres irgendwie vorbeigegangen zu sein. Als hätte es sowas wie eine kritische Auseinandersetzung mit der Bibel nie gegeben, setzt er die Geschichte des Leidensweges Jesu auf erzkonservative Art um und dichtet hier und da noch ein bisschen esoterischen Müll dabei, so wie es ihm gerade passt. Bezeichnenderweise sagte der Papst zu "Die Passion Christi" lobend: "So ist es gewesen". Mag sein, gut und schön, aber was bringt uns das? Entdeckt der Religiöse neue Fassetten seines Glaubens, wenn er in Nahaufnahme sieht, wie Jesus förmlich das Fleisch von den Knochen gerissen wird? Überdenkt der Atheist seine Weltanschauung oder verlässt über Jesu Worte und Taten grübelnd das Kino? Mal abgesehen von der Frage, ob ein Film so etwas überhaupt leisten kann: Sollte ein Film über Jesus nicht irgendeine Aussage haben oder zumindest eine andere Reaktion beim Publikum hervorrufen als Ekel oder den Drang, das Kino zu verlassen?
Mel Gibsons Schlachtplatte bietet nichts von alledem, sein Film ist nichts weiter als eine Bibelstunde für Kunstblutfans, ohne Sinn und Verstand. Davon hat niemand was. Außer natürlich Gibson selbst, und alle anderen, die an dem werbewirksam diskutierten Kontroversen dieses Kassenknüllers ihr Geld verdienten.
Zusätzlich zu der oben genannten Sinnlosigkeit besteht der Film ausschließlich aus Schwarz-Weiß-Malerei (es gibt nur "Gut" und Böse") und enthält sowohl unterschwellige antisemitische als auch sadistische Tendenzen.
Mel Gibson scheint die Geschichte Jesu nur als Vehikel, bislang nicht gezeigte Gewalt -und Folterszenerien auf die Leinwand zu bringen, zu benutzen. Das "Hostel" für vermeintlich Bibelfeste sozusagen. Interpretationsbedarf bietet sein Film meiner Meinung nach nicht. Einen neuen Weg, die Bibel zu verstehen oder sie in das Gedächtnis der Menschen zurückzurufen, ebensowenig. Warum dieser filmische Scheißhaufen gedreht wurde (vom Monetären mal abgesehen), ist mir ein Rätsel und verursacht bei mir verständnisloses Kopfschütteln. Amen.
Mit exzellenten, sowie verwirrenden als auch verstörenden Bildern ausgestattet, ist "Donnie Darko" teilweise jedoch ein bissl zu arg mit Symbolen und Zeichen überfrachtet. Letztenendes weiß man dann gar nicht mehr so wirklich worum es eigentlich geht, aber wofür gibt es das Internet? Hier hauen Filmfans seit Erscheinen des Films die wildesten Interpretationen raus. Es drängt sich dann doch hier und da mal der Verdacht auf, dass der ganze Film eigentlich gar keinen wirklichen Inhalt hat, der das ganze Kopfzerbrechen rechtfertigt. Geht es nicht eigentlich nur um einen sich unverstanden fühlenden Teenager?
Alles in allem fand ich "Donnie Darko" (ich kenne nur den angeblich aufschlussreicheren Director's Cut) hübsch anzusehen und in seiner komplexen Machart interessant und innovativ konstruiert, letztlich aber auch relativ nichtssagend. Keinesfalls schlecht, aber doch wohl einer der überbewertesten Filme überhaupt.
Leider kenne ich bisher die Comics nicht und war erst skeptisch, was man wohl von einem "Zeichentrick für Erwachsene" zu halten hat, der zudem politische Themen behandelt. Noch dazu bin ich nicht sonderlich firm was die jüngere Geschichte des Irans betrifft. Nach den ersten Minuten war jedoch klar, "Persepolis" ist endlich noch einmal ein innovativer und unkonventioneller Film, der neben der beeindruckenden Optik auch eine mitreißende und kluge Story, Humor sowie interessante Charaktere zu bieten hat. Fantasievoll, informativ und trotz aller Dramatik immer mit einem Augenzwinkern erzählt, ist "Persepolis" ein faszinierendes Meisterwerk. Einziger kleiner Wermutstropfen ist vielleicht, dass der Film etwas kurz ist. Von solch einem Einfallsreichtum möchte man mehr sehen.
"Ein Prophet" ist ein nahezu perfektes Epos: Faszinierende Bilder, superb gespielt, unprätentiös und mit ruhiger Hand erzählt. Teilweise ist die Hand jedoch etwas zu ruhig, was den Film zwischendurch etwas langatmig macht. Abgesehen davon ist "Ein Prophet" absolut fesselnd und sicherlich einer der besten Knastfilme der letzten Dekade. Unbedingt angucken!
"Avatar" ist unterhaltsam, innovativ und tricktechnisch perfekt. Aber die kitschig blau-lila glänzende Zauberwelt Pandoras kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich dahinter eine vorhersehbare und nicht minder kitschige (Love-)Story verbirgt, verbunden mit einer banalen Öko-Botschaft wie man sie schon zur Genüge aus Filmen wie "Der mit dem Wolf tanzt" kennt. Zudem gibts noch jede Menge Stereotypen wie zB den Helden vom Typ "Harte Schale, weicher Kern", der sein wahres Ich entdeckt und die Seiten wechselt, den sprüchekloppenden Macho-Militär-Bösewicht ("Räuchert sie aus!"), die supercoole Amazone im Unterhemd usw.. Sicher kann einem das alles bei den beeindruckenden Bildern wurscht sein, "Avatar" hätte aber durchaus ein spiritueller Film werden können. Die Welt und die Bräuche der Na'Vi sind durchaus interessant, aber leider im Gegensatz zu den Bildern zu eindimensional dargestellt, um dem Spiritualitätsanspruch, falls dieser überhaupt bei irgendwem vorhanden gewesen sein sollte, gerecht werden zu können. Stattdessen wird im letzten Drittel des Films ordentlich geballert. Ist ja nicht verkehrt, aber eben auch nichts wirklich Neues.
Ich glaube, dass "Avatar" in ein paar Jahren das gleiche Schicksal wie Camerons "Titanic" ereilen wird: Erst von allen geliebt, alle Rekorde brechend und mit Preisen überhäuft, dann, wenn der Hype mal abgeebt ist, von den meisten gehasst und als "Kitsch" verschrien. Wär nicht die einzige Parallele zwischen den beiden Filmen. Bis dahin wird Cameron aber noch ordentlich Kohle scheffeln. Bin mal gespannt, ob ich Recht hab.;)