SiameseMax - Kommentare
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Alle Kommentare von SiameseMax
[...] „Sei ein bisschen wie ich“, bittet die von Lina Leandersson fantastisch verkörperte, vom Blutdurst verzweifelt getriebene Eli den verschüchterten Oskar (ebenfalls toll: Kåre Hedebrant), der durch ihre Freundschaft und mit ihrer Hilfe allmählich aus seiner Rolle des ewig auf dem Schulhof Verprügelten herauswächst. Eine Entwicklung, die in einem überragenden Finale gipfelt und in eine Reise ohne Ziel mündet. Dabei ist „Låt den rätte komma in“ überaus vielschichtig, und schreckt weder vor der Thematisierung von Isolation innerhalb der Familie und Alkoholismus noch vor Implikationen aufkeimender, jedoch verbotener Sexualität nicht zurück. Subtile, unterkühlte Bilder spiegeln das Seelenleben der Protagonisten in der klirrend kalten Winterlandschaft Schwedens wieder, die getränkt wird durch Blut und Verzweiflung, aber unter deren eisiger Schneeschicht bergeweise Hoffnung und Wärme schlummern, sowie Toleranz verbunden mit einem unmissverständlichen Plädoyer für Individualität. [...]
„El Rey de la montaña“ ist ein kleiner fieser Thriller aus Spanien, der mit einfachen Mitteln große Wirkung erzielt. Die Story: Ein Mann names Quim, ist auf einer Landstraße mitten in der Pampa Zentralspaniens unterwegs, als er plötzlich beschossen wird. Eine nicht enden wollende Hetzjagd durch die Wälder beginnt, mit der mysteriösen Bea an seiner Seite…
Artverwandt mit dem überraschend guten „Eden Lake“ (Großbritannien), dem atmosphärisch-schockierenden „Wolf Creek“ (Australien) und dem spannenden „Them“ (Frankreich) wartet auch das spanische Pendant „King of the Hill“ mit einer von Anfang an bedrohlich wirkenden Atmosphäre auf (die Quickie-im-Damenklo-Szene als Einführung der weiblichen Hauptfigur Bea ist dabei sicherlich überflüssig). Regisseur Gonzalo López-Gallego schafft es, fast durchgehend eine fiebrige bis nervenzerrende Spannung bis zum unerwarteten Finale aufrecht zu erhalten, was nicht zuletzt an der subtilen und akzentuiert eingesetzten Musik, den überzeugenden Darstellern und der vortrefflichen Kameraführung liegt. Die kleinen Hänger in der Mitte des Films sind vor allem der Tatsache zuzuschreiben, dass die Spannung fast ausschließlich auf das Motiv der Hetzjagd gestützt wird. Die Idee des reißenden Flusses, welchen die Charaktere durchqueren müssen, wäre beispielsweise ausbaufähiger gewesen, stattdessen verlässt sich Gallego auch hier nur auf die schockierende Wirkung der Schüsse aus dem Nichts. Zudem hätte auch der Konflikt der beiden Hauptfiguren, die nicht wissen, ob sie einander trauen können, mehr Potenzial für ein nervenaufreibendes Psychoduell geboten und deutlich weiter ausgereizt werden können. Zu viele aufgeworfene Fragen bleiben letztlich im Dunkeln.
Das sicherlich polarisierende letzte Drittel von „King of the Hill“ bringt dann wieder ordentlich Schwung in den mit wenig finanziellen Mitteln gedrehten Thriller: Eine aufwühlende Auflösung, nun aus der Perspektive des Schützen, gewürzt mit einer ordentlichen Portion Sozialkritik, die aber dankbarerweise nicht zu sehr ausgeschlachtet wird, sondern beim gemeinen Fan gepflegten Thrills ein wohliges Gefühl von Unbehagen hervorruft. Ein durchaus realistisches, hochaktuelles und dramatisches Szenario, was „King of the Hill“ zu einem weiteren Beweis macht, dass das spanische Kino nicht zu Unrecht schon seit Jahren einen regelrechten Hype erlebt. Sehenswert!
[...] Stanley Kubricks wohl umstrittenste Regiearbeit aus der Blütezeit seiner mittlerweile schon legendär gewordenen Karriere ist kaum zu beschreiben: Bedeutsam und wuchtig, seltsam und verstörend, vielsagend und gleichzeitig schwer zu fassen. Ungestüm klagt er ein großes Ganzes an und greift gleichermaßen nahezu unzählige Facetten eines brisanten Themenkomplexes auf, dessen scheinbar banal-plakative Message sich als tief in der Seele unserer Zivilisation verwurzelt und trotz aller vordergründig abgehobenen Realitätsferne voller Wahrheit steckend entpuppt: „Gewalt erzeugt Gegengewalt“. Kubrick sei Dank macht es „A Clockwork Orange“ sich und dem Zuschauer die Sache nicht ganz so einfach, und dabei ist es gerade die Stilisierung der expliziten Gewalt, die als Hauptaugenmerk vieler Kritiker Kubrick den Vorwurf der Gewaltverherrlichung und sogar der Menschenverachtung einbrachte, welche den Film so ungemütlich macht und viele Fragen aufwirft, ohne befriedigende Antworten zu liefern, die den Zuschauer aus seinem Schock befreien und wieder wohlig in Watte packen würden. [...]
[...] Regisseur und Autor Greg McLean fängt die Einsamkeit des Outbacks Australiens, die mit einer unvergleichlichen, ehrfürchtigen Faszination der unendlichen Weite einhergeht, perfekt ein. Nicht umsonst hat er wohl den Ort des Geschehens nach Western Australia verlegt: Eine deprimierende und gleichzeitig befreiende Leere, die jedem das Gefühl gibt, ein „Entdecker“ oder „Eroberer“ zu sein, als wär noch nie ein Mensch vorher dort gewesen. So sind auch die Darstellungen der abenteuerlustigen Backpacker und ihre Begegnung mit dem widerlichen Fiesling Mick Taylor authentisch: Taylor, beängstigend gut verkörpert von dem vormaligen Moderator einer australischen „Ab ins Beet“-Variante John Jarratt, ist der typische australische Outback-“Bogan“: Freundlich, dabei irgendwie prollig, jedoch „Down to earth“ und hilfsbereit, in seiner scheinbaren Einfältigkeit irgendwie sympathisch und ständig das typische „Aussie-Slang-No Worries“ auf den Lippen. Kein Wunder also, dass sich die drei Backpacker, unter welchen sich glücklicherweise auch kein stupider Ami-Highschool-Stereotypen-Nervsack befindet und deren Charakterkonstellation und Dialoge (da z.T. improvisiert) natürlich wirken, von ihm helfen lassen – was sich natürlich als fataler Fehler entpuppt. [...]
[...] Es ist gut, dass es solche Filme wie den spanischen Thriller „Secuestrados“ gibt. Nicht etwa, weil die Welt auf einen weiteren Film mit dem innovativen, absolut verwechslungssicheren deutschen Titel „Kidnapped“ gewartet hätte, in dem eine Familie überfallen und gequält wird, was natürlich nicht ohne Gegenwehr bleibt, bis die Situation schließlich eskaliert. „Funny Games“ lässt grüßen. Nein, es ist gut, dass es Filme wie „Secuestrados“ gibt, weil sie den Zuschauer trotz althergebrachter Story und vorhersehbarem Ausgang mit ambivalenten Gefühlen und Eindrücken zurücklassen und damit eine Auseinandersetzung mit selbigen erforderlich machen. Es gibt doch nichts überflüssigeres als Streifen, die man sofort vergisst. So schafft es Regisseur Miguel Ángel Vivas, von Anfang an eine Atmosphäre der Bedrohung zu schaffen, die sich allmählich breitmachende, klaustrophobische Panik des Gefangenenseins in den eigenen vier Wänden, in denen man sich in Sicherheit wägte, wird unmittelbar auf den Zuschauer übertragen. Dies ist zum Einen den guten Darstellern zu verdanken, zum Andeern dem geschickten Einsatz verschiendener stilistischer Mittel: Zum Einen kommt „Kidnapped“ mit nur wenigen Schnitten aus, zum Anderen werden mehrere Kameraperspektiven verwendet, die teilweise durch ein separiertes Bild parallel gezeigt werden und dem Zuschauer somit ein Gefühl von Echtzeit und damit einhergehend, eines beklemmenden Realismus vermitteln. [...]
[...] Darren Aronofskys Meisterwerk „Requiem for a Dream“ ist bei Weitem kein Geheimtipp mehr. Im Gegenteil, der zunächst eher unbekannte Independent-Film avancierte bis heute zum regelrechten Kultfilm, der es unter die Top 50 der Imdb „250 besten Filme aller Zeiten“ schaffte, und seinen Regisseur sowie seine Akteure zu Stars machte. Eine beeindruckende Erfolgsgeschichte, und das absolut zu Recht.
Durchaus als eine thematische und stilistische Fortführung und Weiterentwicklung Aronofkys ebenfalls fantastischen Vorgängers „Pi“ interpretierbar, fängt „Requiem for a Dream“ die Folgen des Drogenkonsums an dem Beispiel dreier Schicksale mit einer solch eindringlichen Intensität ein, wie kein anderer Drogen-Film zuvor. Der Regisseur meistert die Gratwanderung zwischen filmstilistischer Innovation und inhaltlicher Tragweite sowie dramaturgischer Tragik perfekt und erschafft damit ein filmisches Kunstwerk in Reinkultur: Hübsch anzusehen und grandios geschnitten (besonders die bereits in „Pi“ auftauchenden Sequenzen des Drogenkonsums und dessen Wirkung sind phänomenal), beginnt „Requiem for a Dream“ als hippe Szene -bzw. Sozialstudie, die den heroinsüchtigen Harry, dessen ebenso drogenabhängige Freundin Marion und seine depressive Mutter Sara, die sich nichts sehnlicher wünscht, als ins Fernsehen zu kommen, begleitet. Doch die anfänglichen (Lebens-)Träume und Ziele der Protagonisten werden durch ihren immer stärker werdenden Drogenkonsum, aber auch durch die Macht der Massenmedien und der Gesellschaft, personifiziert durch die direkte Nachbarschaft, Ärzte und die Freunde der Figuren, zunehmend erschüttert und schließlich zu Grabe getragen. [...]
[...] Kann ein Regisseur, der sich vermeintlichen „Schmuddelwerken“ wie „9 1/2 Wochen“ oder „Ein unmoralisches Angebot“, populäre Vertreter des trivialen, pseudo-provokativen Kinos der späten 80er bzw. frühen 90er, verschrieben hatte, den Stoff detailliert und werkgetreu verfilmen? Die Antwort muss auch in diesem Fall ganz klar lauten: Nein. Lyne macht aus dem kontroversen Stoff ein elegisch erzähltes Liebesdrama, untermalt mit der schwelgerischen Musik Ennio Morricones. Jeremy Irons interpretiert Humbert Humbert, indem er erneut routiniert seine Paraderolle des schmachtenden, vor Sehnsucht und Verlangen zerfließenden Romantikers zum Besten gibt, als sei er gerade erst dem Set von „Verhängnis“ entflohen. Von einem pädophilen Zyniker keine Spur, der schwarzhumorige Tonus des Roman-Humbert bleibt ebenso völlig aus. Domininique Swains Lolita gestaltet sich als nicht minder problematisch: Obwohl das Alter ihrer Figur von 12, wie im Roman, im Film auf 14 erhöht wurde, ist sie dennoch viel zu wenig „Kind“. Man sieht ihr ihr tatsächliches Alter zur Drehzeit von 17 Jahren nicht nur deutlich an, sie tritt auch zu sehr als aktive, manipulative Verführerin in Erscheinung, bei welcher Humbert Humbert gar nicht widerstehen kann, selbst wenn er das denn wollte. Swain steht dabei ihr eigenes Talent im Weg, die Kamera schwenkt allzu oft erotisierend um ihren Körper, womit eine mehr oder weniger ausgereifte Sexualität suggeriert wird. Die Eindrücke des Zuschauers werden schlicht fehlgeleitet, man könnte sogar sagen, der Zuschauer wird geradezu zum Voyeurismus genötigt, wenn er Dominique Swain alias Lolita in durchnässter, durchsichtiger Kleidung aufreizend unter einem Rasensprinkler liegend beobachtet. Diese Szene, welche die Figur Lolita einführt, offenbart nichts Kindliches an ihr, sondern betont ihre körperlichen Reize, womit dem Zuschauer implizit suggeriert wird, Humbert Humberts Erregung sei nachvollziehbar. Zwar endet auch Lynes „Lolita“-Verfilmung, die viel mehr eine eigenständige Adaption als ein Remake des Klassikers von Kubrick darstellt, im Desaster. Doch die finale Katastrophe wirkt eher wie der unumgängliche Ausgang einer tragischen Liebe als das Ergebnis eines zerstörerischen, sich jeglicher Moral verwehrenden Machtverhältnisses zwischen einem erwachsenem Mann und einem missbrauchtem Kind. [...]
Ein gelegentlicher Stuntman, der sich als Fahrer bei Raubüberfällen ein bisschen Cash dazu verdient, und es mit einer ganzen Reihe Gangster zu tun bekommt als einer jener Coups schiefgeht. Klingt nach Fast-and-Furious-like Actionfilm mit austauschbaren Charakteren, nebensächlicher Handlung und jeder Menge PS, Muckis und Titten? Weit gefehlt! „Drive“ ist eine fast schon zu wortkarge Fusion zwischen Actioner und ruhiger Charakterstudie, die gekonnt mit den Erwatungen der Zuschauer beider Geschlechter spielt, edel gefilmt und mit einem gewissen 50er-Jahre-Retro-Flair angehaucht sowie mit ungewöhnlicher 80er-Jahre-Disco-Musik unterlegt ist. Somit werden hier ganz leichtfüßig die Charakteristika mehrerer Dekaden vermischt und dem modernen Kino entsprechend modifiziert. Wunderkind/Sonderling Ryan Gosling glänzt wie immer in seinen wohl ausgesuchten Rollen seiner insgesamt qualitativ überdurchschnittlich hochwertigen Filmographie und nuschelt sich glaubhaft kernig durch seine spärlichen, aber pointierten Dialoge. Carey Mulligan guckt konsequent hinreißend verzweifelt und weckt den Beschützerinstinkt der männlichen Zuschauer, ein Wehrmutstropfen für jene, die knappe Höschen, Silikon und fette Beats von 50 Cent und Konsorten erwartet hatten, während die zarte, erwachsen wirkende Romanze der beiden Protagonisten nur ein Nebenstrang der Handlung bleibt.
Trotzdem ist „Drive“ bei Weitem kein weichgespülter Charakterfilm, der sich im Glanz seiner durchaus ansehnlichen Karren suhlt, es gibt einige wirklich fesselnde Verfolgungsjagden, die zwar dem modernen Trend folgend verflucht schnell geschnitten sind, jedoch erkennt man im Gegensatz zu vielen Actionfilmen der jüngeren Vergangenheit immer noch wo oben, unten, rechts und links ist. Ryan Gosling verzieht dabei keine Miene, verliert weder den Feind aus dem Auge noch den Coolness-verheißenden Zahnstocher aus dem Mundwinkel, auch nicht, wenn „Drive“ nach erwähntem schief laufenden Coup deutlich an der Gewalt-Schraube dreht und sich neben deutlich anteigender Blechschaden-Quote auch der Bodycount unverkennbar erhöht. Wider der zu Beginn bei teils schwelgerischen Kamerafahrten geschürten Erwartungen, gibt es in der zweiten Hälfte des innovativen Films in sytlishen Bildern ordentlich auf die Fresse und das Blut spritzt in alle Himmelsrichtungen.
„Drive“ ist eine überaus gelungene Genre-Mixtur, die zunächst vertrackt anzumuten scheint, jedoch zu keiner Zeit unausgewogen oder seltsam wirkt, sondern gerade so, als wären Actionfilm, Charakterstudie, Gangsterdrama und Quasi-Disco-Musik schon immer in ein und denselben blutigen Topf geworfen worden. Dass der Zuschauer diesen innovativen Stilmittel-Cocktail als fast schon selbstverständlich im positiven Sinne hinnimmt, ist nicht zuletzt der hochspannenden, temporeichen und mit knappen 100 Minuten auskommenden, knackigen Erzählweise des Regisseurs Nicolas Winding Refn zu verdanken. Der sprichwörtliche frische Wind im diesjährigen amerikanischen Kino hat nicht nur ordentlich Pferdestärken unter der Haube, sondern auch Herz, Substanz und verdammt viel Fingerspitzengefühl für eine gute, packende Story. Hervorragend!
Auch in dieser Liste fehlt wieder "Coma" ("Extrem" würde ich als inoffizielles Remake bezeichnen)! Ich sollte eine Petition gegen das Vergessen dieses Klassikers anführen.
Cillian Murphy hat aber auch ein verfluchtes Pech mit den Epidemien. Erst rottet ein Virus die gesamte Menschheit aus und Murphy muss sich im leergefegten London mit wildgewordenen Zombies herumschlagen, nun sucht ihn sogar auf einer verlassenen Insel eine hochansteckende Krankheit heim. Dabei wollte er sich dort doch nur mit seiner Frau Kate, gespielt von Thandie Newton, zurückziehen, um die Ehe nach einem tragischen Vorfall wieder in den Griff zu kriegen und den schiefen Haussegen zu begradigen. Unglücklicherweise taucht schon nach wenigen Tagen ein blutverschmierter Army-Soldat auf und faselt irgendwas von einem Virus, der bereits halb Europa ausgelöscht habe und fängt an, das Ferienhäuschen zu verriegeln und zu verrammeln. Während sich der Eindringling immer seltsamer verhält, stellt sich indes die Frage, was sich auf dem Festland wirklich abspielt und ob es besagten Virus überhaupt gibt. Ist der gewaltbereite Soldat vielleicht nur ein Verrückter?
Der britische Independent-Thriller „Retreat“ spielt geschickt mit den Erwartungen der Zuschauer und lotet gekonnt die Grenzen des klaustrophobischen Kammerspiel-Szenarios aus, wodurch eine beklemmende Atmosphäre begünstigt wird, welche sich durch die temporeiche Erzählweise noch verstärkt. Darüber hinaus weiß dieser fiese Reißer durch intelligente Story-Twists durchaus zu überraschen und bietet mit Jamie „Billy Elliot“ Bell einen astreinen, super gespielten Bösewicht.
„Retreat“ ist kein bahnbrechendes Meisterwerk, aber ein überzeugender, kleiner Thriller mit wohl dosierten Horrorelementen, der sich wohltuend vom üblichen Genre-Einheitsbrei abhebt und somit einen der besten Vertreter seiner Klasse des Jahres 2011 darstellt. Die Independent-Antwort auf den nun auch in Deutschland anlaufenden Blockbuster „Contagion“ vereint stilsicher Elemente seiner Vorbilder „Straw Dogs“, „Dead Calm“ und genanntem „28 Days Later“ miteinander und brauch sich hinter keinem dieser Werke zu verstecken. Absolut sehenswert!
Die zweite Regiearbeit David Schwimmers könnte zeitgemäßer und gleichzeitig ungemütlicher nicht sein: Ein 14-jähriges Mädchen wird Opfer eines pädophilen Mannes, der sich im Internet als „Charlie“ ausgibt, sie monatelang in einem Teen-Chat umwirbt, um sich schließlich mit ihr in einem Motel zu treffen. Natürlich mit nur einem Ziel, und die Kamera läuft mit…
Mit einem flauen Gefühl im Magen und etwas zähneknirschend wagte ich mich an dieses brisante filmische Unterfangen heran, in der Erwartung eines reißerischen, pathetischen Selbstjustiz-Melodrams mit stupider „Schneidet dem kranken Perversen sein Glied ab!“-Message und Zuckerguß -und/oder Action-Showdown. In Gedanken rieb ich mir bereits die Hände und überlegte mir schon aggressive Adjektive, um Schwimmers Film mit einem bitterbösen In-der-Luft-Verriss zu bedenken. Vergebens, denn „Trust“ ist überraschend feinfühlig und, wenn auch nicht komplett klischeefrei, so realistisch wie ein amerikanisches Mainstream-Drama mit einem Thema, welches von allen Beteiligten einen Drahtseilakt abverlangt haben dürfte, nach heutigen Maßstäben nur sein kann. Soll heißen: Das soll erstmal einer besser machen!
Schwimmer vermeidet ein Chargieren seiner hochkarätigen Darsteller, die hervorragende Catherine Keener findet die richtige Balance zwischen Seele-aus-dem-Hals-Heulen und gestandener Ehefrau und Mutter im Angesicht der Krise. Clive Owen hingegen muss gegen ein paar marginal plakative Dialoge ankämpfen, die ihm von Zeit zu Zeit störenderweise in den Mund gelegt werden, meistert dies jedoch mit Bravour und gestaltet seine Figur vielschichtig, sodass ihre „Ein-Vater-sieht-rot“-Anleihen im verträglichen Rahmen verbleiben und nur in ein, zwei Szenen für missmutiges Augenrollen sorgen dürften. Besondere Erwähnung sollte jedoch Liana Liberato zukommen, welche die schwierigste Rolle des Films zu bewältigen hat und, in Anbetracht ihres tatsächlichen Alters, welches sich mit dem ihrer Figur deckt, möglicherweise einige Facetten ihrer eigenen pubertären Unsicherheit, des eigenen Gefühlslebens und, etwas klinisch ausgedrückt, die Schwierigkeiten der Synapsen-Neuordnung in ihr Spiel mit einfließen lässt. Zunächst betrachtet ihr Charakter sich selbst gar nicht als Opfer einer Vergewaltigung, „Charlie“ liebt sie doch, niemand sonst auf der Welt versteht sie so wie er, besonders nicht ihre Eltern und das FBI, welche so ein unverständliches Theater um ihre „Liebesbeziehung“ machen, und, was noch viel wichtiger zu sein scheint, er findet sie schön so wie sie ist. Liberatos Darstellung des manipulierten Mädchens ist so glaubhaft, dass es wehtut, man möchte sie schütteln und brüllen: „Mädchen, begreifst Du denn nicht, dass du Opfer eines furchtbaren Verbrechens geworden bist?“ Aber so funtkioniert das nicht. Liberatos Annie begreift erst, als sie getroffen wird, wo es wirklich schmerzt: Charlie hatte vor ihr schon andere Mädchen gehabt.
Dankenswerterweise konzentriert sich „Trust“ auf die Folgen der unbeschreiblichen Tat, den Kampf der Familie um Bestand, den Umgang des Verbrechens des Opfers, die Aufarbeitung des Traumas. Wie bereits erwähnt, bleiben die wohl natürlichen Rache-und Schuldgefühle des Vaters im als realistisch annehmbaren Rahmen, die fieberhafte Suche des FBI findet lediglich begleitend Erwähnung und, vor allem, das Verbrechen an sich wird nicht gezeigt, sondern lediglich angedeutet sowie in den Visionen des Vaters verfremdet und schemenhaft in ein paar Sekunden Länge visuell aufgegriffen. Auch wenn jene Szenen eher die Qualität einer Daily-Soap-Rückblende besitzen und generell eher überflüssig erscheinen, ist man Schwimmer als Zuschauer mehr als dankbar für die Entscheidung der Contenance. Wie leicht hätte man die Zuschauer mit einer expliziten Vergewaltigungsszene, eines Zeigen des Unzeigbaren, schocken, manipulieren und erschüttern, dem Film damit zu negativ-reißerischer Publicity inklusive allgmeinem Aufschrei in der Filmwelt verhelfen können, und hätte „Trust“ damit mit dem Exploitation-Holzhammer ins Aus geschossen. Das bedeutet natürlich nicht, dass das grausame Verbrechen nicht trotzdem, oder gerade aufgrund der eher angedeuteten Umsetzung im Mark erschüttert und „Trust“ dadurch zu bewegen vermag, ohne die Sensationslust so mancher Zuschauer zu stillen. Der Fokus wird jedoch nicht vom eigentlich Essentiellen abgelenkt: das menschliche Drama, und das lebenslange Trauma, das ein solches Verbechen bei dem Opfer und auch seinen Angehörigen auslöst. Regisseur Schwimmer findet einen sensiblen Weg, dieses Dilemma filmisch umzusetzen und vermeidet sogar das Hollywood-typische Happy End zu Gunsten eines in Hinblick auf die Aufklärung des Verbrechens ungemütlichen, offenen Endes, erneut mit dem Fokus auf das Gefühls -und Zusammenleben der Familie.
„Trust“ hat sicherlich Makel, von Zeit zu Zeit wirkt das Drama dialogschwach und auch das Drehbuch weist temporäre Mängel hinsichtlich der Glaubwürdigkeit auf. Wo Schwimmers schwieriger Film jedoch eindeutig gewinnt, ist die realistisch-ergreifende Darstellung der, milde ausgedrückt, „ins Wanken geratenen“ (Gefühls-)Welt der Familie, insbesondere punktet er jedoch durch die sensible Inszenierung des Opfers und des an ihr begangenen, furchtbaren Verbrechens. Das macht „Trust“ zu einem wichtigen Film, den man in Schulen zeigen kann, und sollte, trotz oder gerade wegen der am Ende aufgeklärten Identität (und des Berufes) „Charlies“, denn Themen wie diese werden im Schulalltag und im Studium der Schulpädagogik kaum angeschnitten bis totgeschwiegen. Das muss sich ändern.
Lassen wir mal die allmählich schon tot geredete Kontroverse um Lars von Triers Nazi-Äußerungen des diesjährigen Filmfestivals in Cannes außen vor und konzentrieren uns auf sein dort vorgestelltes, und vielfach gepriesenes, Werk „Melancholia“. Der sinfonische, beinahe ausufernd elegische Film erzählt die Geschichte der tiefen Depression einer Frau, hervorragend verkörpert von Kirsten Dunst, während der titelgebende Planet unausweichlich auf die Erde zurast. Regisseur von Trier beschwört in seinem neuesten Werk eine stilprägende Apokalypse herauf, ein fast vollkommenes Drama, welches trotz seiner bedrückenden, aussichtslosen Thematik nicht hoffnungslos stimmt, sondern beim Zuschauer einen bizarren Gefühls-Mischmasch auslöst, welcher „Melancholia“ zu einem seltenen Filmereignis macht.
Untermalt von Motiven aus Richard Wagners „Tristan und Isolde“-Vertonung, schrammen von Triers malerisch gestylte Bilder, die im krassen Kontrast des Dogma 95-Diktus stehen, nicht selten am Kitsch vorbei, eröffnen dem Zuschauer jedoch einen raren Anblick der Schönheit des Bedrohlichen, des Tötlichen, während sich die Metapher auf das dem Weltuntergang gleichkommende Krankheitsbild der Depression und die Gelassenheit des Depressiven im Angesicht bedrohlicher Situationen in der Mimik der von Kirsten Dunst mit Hingabe gespielten Justine niederschlägt – ein Gesicht, das Bände spricht.
Nicht weniger beeindruckend sind Charlotte Rampling als Justines verbitterte Mutter, und von-Trier-Liebling Charlotte Gainsbourg als ihre Schwester Claire, welcher im zweiten Part des Films die eigentliche, tragende Rolle der Verzweifelten im Angesicht der herannahenden, unumgänglichen Katastrophe zukommt. Dank von Triers in seinem neuesten Film erneut deutlich werdenden Affinität der verfremdenden Wirkung des Brecht’Schen Theaters, wird uns der Ausgang des Films in Form der totbringenden Kollision der Planeten bereits zu Beginn offenbart, und unser Fokus nicht von dem eigentlichen, menschlichen Drama abgelenkt. Insofern ist „Melancholia“ mit von Triers „Dogville“ (2003) zu vergleichen, welcher sich ebenfalls den Methodiken des Epischen Theaters bedient, allerdings ist in „Melancholia“ nichts von der visuellen Reduktion auf das Wesentliche, wie sie in „Dogville“ inszeniert, ja zelebriert wird, zu spüren. Die nahezu magischen Bilder erinnern stilistisch und ansatzweise auch motivisch nicht selten an jene aus Darren Aronofskys „The Fountain“ (2006) und nehmen eine symbolträchtige Hauptrolle ein, ohne jedoch das menschliche Dilemma zu pulverisieren oder zumindest, wie zum Beispiel teilweise in Aronofskys Drama, auf ein Minumum zu reduzieren.
„Melancholia“ scheint im wahrsten Sinne des Wortes Lars von Triers „magnus opum“ zu sein, das ohne die heftigen Provokationen des 2009er „Antichrist“, von Triers wohl umstrittenstem Film, auskommt und durch seine scheinbare Endgültigkeit schlichtweg begeistert.
„Horrible Bosses“ hätte eine rabenschwarze Komödie im Stil des britischen Alec Guinness-Klassikers „Ladykillers“ aus dem Jahre 1955 werden können, und hätte damit sicher das Potenzial für den Titel der Komödie des Jahres 2011 gehabt. Aber wie die Anwendung des Konjunktiv suggeriert, ist das leider nicht der Fall und dieser Titel geht aller Voraussicht nach an „Brautalarm“. Dem Drehbuch fehlt es gehörig an Biss, nicht selten fühlt es sich an, als sei den Autoren ein Riegel vorgeschoben worden. Dabei wurde hier im Ansatz alles richtig gemacht: Viele Gags treffen voll ins Schwarze, daneben gibt es nur leider auch einige Rohrkrepierer zu verzeichnen. Dass „Kill the Boss“ (warum zum Henker behielt der Deutsche Verleih nicht den Originaltitel bei?) überwiegend funktioniert, ist vor allem dem hervorragend aufspielenden Cast zu verdanken: Kevin Spacey ist genial-fies wie immer (obwohl man sich an dieser Stelle fragen muss: Wann war er eigentlich das letzte Mal in einem Film zu sehen, der seiner gerecht wird?), Jennifer Aniston überrascht als nymphomanes Vamp und Colin Farell hat einen ähnlich unerwartet genialen, wenn auch viel zu kurzen, Auftritt wie einst Tom Cruise in „Tropic Thunder“. Neben dieser spaßigen Riege der „Horrible Bosses“ verblassen die eigentlichen Hauptdarsteller Jason Bateman, Jason Sudeikis und Charlie Day schon fast, aber auch ihnen gelingt es, so manchen halbgaren Gag in den grünen Bereich herüberzuretten und besonders Jamie Foxx hat in seiner unkonventionellen Rolle die Lacher auf seiner Seite.
Wirklich störend ist an „Kill the Boss“ nur, dass sich die Macher scheinbar entschieden, sich eher an modern-klamaukigen Chaos-Komödien der Sparte „Hangover“ zu orientieren, statt dem subtil-fiesen Geist klassischer britischer Komödien zumindest im Ansatz die Ehre zu erweisen. Zudem wäre es wünschenswert gewesen, wenn man die Tötungspläne der Protagonisten wenigstens einen Deut ernst nehmen könnte, ein Hauch von Thriller hätte dem Plot mit Sicherheit nicht geschadet. Somit bleibt „Horrible Bosses“ eine typisch amerikanische Komödie, nicht ganz so seicht wie das weitgehend misslungene „Ladykillers“-Remake der Coen-Brüder aus dem Jahre 2004, und etwas origineller als „Tötet Mrs. Tingle!“ (1999), aber dennoch zu feige, um wirklich einen Volltreffer des Galgenhumors zu landen und sich damit mehr als das Prädikat „nett“ zu verdienen.
Mit „Coma“ hat Regisseur Michael Crichton zweifelsohne das Standardwerk des Medizin-Thrillers geschaffen, und zudem ein Paradebeispiel des amerikanischen Paranoia-Kinos der 70er-Jahre. Dabei entpuppt sich jedoch der vermeintliche Verfolgungswahn der Protagonistin Genre-üblich als berechtigt, steht ihr als Individuum doch tatsächlich ein übermächtig erscheinendes Kollektiv in Form einer weit vernetzten Verschwörung gegenüber, die kerngesunde, sich wegen Lappalien in Behandlung befindende Patienten zunächst ins Koma versetzt, um sie anschließend zwecks des Handels mit deren intakten Organen im großen Stil umzubringen. Zudem bemächtigt sich dieses im Mikrokosmos des hier als Schauplatz fungierenden Krankenhauses omnipräsente Kollektiv einer neuen, ansgteinflößend mächtigen Technologie (der Computer), um ihre skrupellosen Machenschaften im Verborgenen zu kontinuieren.
Hier entpuppt sich die Paranoia der von Edelmimin Geneviève Bujold verkörperten Heldin Dr. Wheeler gleich zweifach als wahr, schließlich ist der damals als Science-Fiction charakterisierte Plot heute, über dreißig Jahre später, längst Realität und illegaler Organhandel keinesfalls Teil einer aus der Fantasie eines Mainstream-Autors entsprungenen Utopie. Die Szene, welche uns und Dr. Wheeler die „Aufbewahrung“ der komatösen, scheinbar im Raum schwebenden PatientInnen an Kabeln, durch welche sie mit dem alles kontrollierenden und die Lebensfunktionen aufrecht erhaltenden Computer vernetzt sind, präsentiert, ist weltberühmt und wurde sogar von aufstrebenden Rockbands der Gegenwart, wie der schottischen Combo Biffy Clyro, in ihren Videoclips („Machines“) aufgegriffen. Der Film an sich ist heute jedoch seltsamerweise weitgehend in Vergessenheit geraten. Völlig unverständlich, schließlich handelt es sich bei „Coma“ um einen der ersten Vertreter des amerikanischen Thriller-Genres, der ähnlich wie zuvor „Rosemaries Baby“ eine Frau als Protagonistin hat, die einen gesamten Film im Alleingang trägt und selbst Größen wie Michael Douglas zu mehr oder minder farblosen Nebenfiguren degradiert, zudem mutig, eigenwillig, kühl wirkt und zu keiner Zeit als der Männerwelt untergeben dargestellt wird oder ihre sexuellen Reize einsetzen muss, um sich und ihre ambitionierten Ziele durchsetzen zu können. Überhaupt ist die Darstellung der Bujold insofern bemerkenswert, als sie neben aller unterkühlten Finesse nicht mal besonders sympathisch daherkommt.
„Coma“ ist subtil, hochspannend, gut gespielt und visonärer als es möglicherweise seine Macher selbst anno 1978 vermutet hätten. Aus diesem Grund, und dank der unbehaglichen Atmosphäre der intensiven Paranoia, ist dieser Klassiker wohl einer der am meisten unterbewerteten Filme überhaupt.
Dieser japanische Genre-Bastard aus Groteske, Splatter und Gangsterfilm ist misogyn, nihilistisch, stupide und in jeglicher Hinsicht over the top. Mag der geneigte Zuschauer zu Beginn des überlangen Spektakels den Nerv-Faktor des zunächst interessanten Plots auf die für deutsche Muttersprachler fremdartig wirkende Intonation der japanischen Sprache schieben, entpuppt sich das Machwerk des zur Kunstfigur stilisierten Regisseurs Shion Sono schließlich zu einem undefinierbaren Gemeng aus Gedärmen, Sex und Blut. Neben der höchst fragwürdigen Moral der G’schicht, die uns allen Ernstes suggeriert, dass man Menschen quälen und erniedrigen muss, bis sie ihr wahres Ich erkennen und ihr Leben endlich selbst in die Hand nehmen, fungiert der Geschlechtsakt als Symbol für die Souveränität des Mannes und damit einhergehend für die vermeintliche Minderwertigkeit der Frau: Die Frauenfiguren in „Cold Fish“ sind alle auf eine andere Art willenlos, manipulativ und gleichzeitig manipulierbar, nymphoman oder sexuell untreu, aber dennoch dem Mann treu und ehrfürchtig untergeben; jedoch nicht nur einem einzigen Mann, sondern stets jenem, der sich gerade als ihr Herr und Gebieter deklariert. Dieser ganze Stumpfsinn wird einem, auf 145 Minuten ausgewalzt, in bester Möchtegern-“Clockwork-Orange“-Tradition mit fröhlicher Zirkus-Musik untermalt präsentiert, während die jugendliche Tochter gluksend und giggelnd auf ihren auf dem Boden liegenden Vater eintritt.
„Life is Pain“. Das ist sie also, die nichtssagende, pseudo-philosophische Quintessenz des blutigen Spektakels, das so edel gefilmt und vielversprechend beginnt und sich nach einem perfiden zweiten Akt in Lesbenspielchen mit Handpuppen, dem Wedeln mit abgetrenntem Penis und lustvollem Gewühl in Innereien und anderen Körperteilen mit der abstoßenden Geräuschkulisse eines ultrabrutalen Gewaltpornos verliert. Bei aller Liebe zum asiatischen Kino, „Tsumetai nettaigyo“ ist eine auf Kunst getrimmte Sushi-Schlachtplatte, die, obwohl sie uns als Appetithappen auf einem Silbertablett serviert wird, mächtig nach vergammeltem Fisch stinkt.
„Dancer in the Dark“ ist ein Film, der als Gesamtprodukt ebenso polarisiert wie seine einzelnen Bestandteile. Der dänische Regisseur Lars von Trier war sich ja bekanntlich noch nie für eine Kontroverse oder das ein oder andere Skandälchen in eigener Sache zu Schade, erst dieses Jahr sorgte er mit seinen vermeintlich provokativen, letztlich aber einfach nur blödsinnigen, PR-wirksamen Nazi-Bekenntnissen im Rahmen seines Cannes-Beitrages „Melancholia“ für (inszenierte) Furore. Mit seiner Hauptdarstellerin, dem isländischen Wunderkind Björk, trifft er auf eine nicht minder exzentrische Gegenspielerin, und wie gespannt das Verhältnis zwischen den beiden eigenwilligen Egozentrikern war, ist mittlerweile Filmgeschichte: So verschwand Björk einfach mal drei Tage vom Set, bezeichnete von Trier im Nachhinein als Sexisten und spuckte ihm jeden Tag vor Drehbeginn mit den Worten „Ich verachte Sie“ vor die Füße. Nun gut, wenn es der Kunst zuträglich ist, bitteschön. Tatsächlich scheinen im Falle des dritten Teils der von Trier’Schen „Golden Heart“-Trilogie die Spannungen am Set ein Grund für das eindringliche Ergebnis der diffizilen, doch fruchtbaren Zusammen- bzw. Gegeneinanderarbeit zu sein. Ein weiterer ist ohne Zweifel die daraus resultierende, atemberaubend lebendige Leistung von Björk. Ihre Musik liebt man oder man hasst sie, so steht und fällt ihre einzige, und nach eigenen Angaben wohl auch letzte Hauptrolle in einem Film, auch mit ihren Songs und den unkonventionellen, von ihr komponierten Musical-Einlagen.
Damit zum subjektiven Teil dieser Rezension: Die internationale, fast zwei Dekaden umfassende Popularität von Björk ist ein Indiz dafür, dass die heutige Musiklandschaft sowie die Masse, die uns die Charts beschert, wider aller Erwartungen noch nicht komplett verdummt und abgestumpft ist. Wie auch bei ihrer Darstellung der Selma in „Dancer in the Dark“, scheint Björk ihre ungewöhnlichen Lieder nicht zu singen, sie scheint sie zu fühlen und kreiert damit eine seduktive Emotionalität und Klänge von Belang, denen sich Millionen von Menschen nicht entziehen können. Wer ihren häufig fast kindlich anmutenden Gesang als quietschiges Gekreische abtut, wird auch „Dancer in the Dark“ nicht mögen. Angelehnt an den minimalistischen Dogma 95-Stil verlässt sich Lars von Trier ganz auf die Fähigkeit seiner Hauptdarstellerin, ihre ungespielten, ungeschönten und durchaus authentischen Emotionen auf den Zuschauer zu übertragen – und triumphiert. Häufig wurde der zugebenermaßen recht plakativ geratenen Story des Films manipulative Sentimentalität vorgeworfen, ein Vorwurf, der nicht ganz unbegründet ist: Protagonistin Selma ist eine fast engelsgleiche Gestalt, kompromisslos hält sie stets die andere Wange hin, selbstlos, aufopferungsvoll. Eine unbedarfte, naive Frohnatur, die sich selbst bei ihrer Verurteilung zum Tod zu musikalischen Tagträumen hinreißen lässt. Jedoch, und hier schwächelt die Anklage, sie ist für das Heil ihrer mütterlich-fürsorglichen Motive zu einem Mord fähig.
Erneut ist es Björk zu verdanken, die voller Hingabe den fast unmenschlich guten Charakter ihrer Figur derart glaubwürdig interpretiert, ja regelrecht lebt, dass man ihr alles abkaufen würde, dass das Melodram hier nicht ins Unglaubwürdige abdriftet. In Kombination mit ihren fantastischen Songs und ihrer einzigartigen Stimme verzeiht man dem Film auch seine Ungereimtheiten, die ihm in der Kritik oft sogar das unliebsame Prädikat „dumm“ einbrachten, sowie das sentimentale und vorhersehbare, jedoch, wenn man sich darauf einlässt, zu Tränen rührende Ende.
„Dancer in the Dark“ ist ein durch und durch depressiver Film, ein von der Maschinerie der Gefühle angetriebener, blinder und sich vorsichtig vorantastender Tanz auf Eisenbahngleisen in die Dunkelheit. Er verkörpert, ganz wie seine Heldin, eine Reduktion und ein Verlassen auf Emotionalität, wenn einen das Augenlicht verlassen hat und sich die Welt, die einen umgibt, graduell und auf leisen Sohlen, aber wohl merklich verdunkelt. Eine Reise, wie man sie von dem nihilistisch veranlagten Zyniker Lars von Trier so gar nicht erwarten würde. Nicht selten wird ihm dieser Sinneswandel nicht abgenommen, oft wird in „Dancer in the Dark“ sogar der pure Sarkasmus, ein Mockieren üder das Spiel mit den Emotionen des Zuschauers vermutet. Dieser Vorwurf an sich lässt jedoch Rückschlüsse auf den verbitterten Zynismus seiner Kritiker zu, die es in ihrer Verrohtheit nicht glauben können, dass es so etwas gibt wie echte Emotionen, ganz ohne Hintertür. Dass sie ihren Kritikeraugen ruhig trauen dürfen, macht Björk uns jedoch unmissverständlich vor.
Trotz dieser Errungenschaft hat „Dancer in the Dark“ jedoch einen gewichtigen Makel: Das Fehlen einer Message, einer Intention. Dies ist ein Makel, der dem Vorwurf der vorgegaukelten, gefakten Emotionalität Wind auf die Segel gibt und leider zu wüsten Spekulationen und Überinterpretationen einlädt.
Um mit einem grandiosen Wortspiel zu beginnen (und zu enden): „Super 8“ ist super! Mit einem steten schelmischen Augenzwinkern und liebevoll gezeichneten Charakteren gelingt es Regisseur J.J. Abrams und Produzent Steven Spielberg, der uns zuletzt mit seinem Trailer zu „War Horse“ mit einer klebrigen Kitsch-Pathos-Lawine überrollte, den im positiven Sinne altmodischen Geist des Sommer-Blockbuster-Kinos der Sparte „Die Goonies“ (unvergessen: „Arschloch-Alaaaaarm!“) und „Stand By Me“ aufleben zu lassen. Wir fühlen uns heimisch in der typischen, idyllisch-amerikanischen Vorstadt der frühen 1980er, wo die Welt noch in Ordnung scheint, und erinnern uns zudem nicht selten an die Stephen King-Verfilmung „Es“, wenn wir einer Gruppe pubertärer Freunde bei der Bekämpfung eines, zugegebenermaßen nicht ganz ernst zu nehmenden, gerade dem „Cloverfield“ entfleuchten Monsters zuschauen und ihnen sogar in dessen unterirdische, geheimnisvollen Gefilde folgen. Man fühlt sich an die eigene Jugend erinnert und vor allem an die Filme, die jene Zeit prägten und uns, zu einem gewissen Grad, einen wohligen Schauer über den Rücken jagten, indem wir mit „Super 8“ nostalgisch angehauchtes, spannendes und zu jeder Zeit unterhaltsames sowie intelligent inszeniertes Kino der „guten alten Zeit“ geboten bekommen. Die Jungdarsteller überzeugen allesamt auf ganzer Linie, die unschuldige, kleine Romanze der beiden ProtagonistInnen ist neben aller Niedlichkeit realistisch und besonders Ryan Lee als Sprengstoff-versessener Sidekick Cary amüsiert ungemein. Manchmal wird der auch für Erwachsene durchaus taugende Kinderfilm jedoch eher zu einem Film nur für Erwachsene und meine Abendbegleitung (mein 12-jähriger Bruder) fragte mich als selbsternannten Filmkenner, wodurch die Freigabe ab 12 da noch zu rechtfertigen sei. Ich wusste keine Antwort.
Während die anfängliche Zugentgleisung und die dadurch hervorgerufene Materialschlacht samt ihrer zahlreichen, leicht übertriebenen Explosionen nicht nur Klein Cary beeindrucken, verliert Regisseur Abrams zudem besonders im letzten Drittel seine liebenswert-sympathischen Charaktere zu Gunsten der temporär überbordenden Effekthascherei etwas aus dem Auge. Die Story flacht ab und dümpelt flau in einem episch in die Länge gezogenen Zuckerguss-Finale vor sich hin, weniger wäre hier sicher mehr gewesen.
Nichtsdestotrotz ist „Super 8“ ein gelungener, erfrischender und temporeicher Spaß, der neben einer netten „Jurassic Park“-Hommage als spannendste (und brutalste) Szene des Films, während des Abspanns den fertigen Zombie-Film der jugendlichen ProtagonistInnen zeigt, der neben ein paar netten Genre-Zitaten den besten Gag des Films (der Name der Chemie-Fabrik, soviel sei verraten) bereit hält. Also, nicht vom etwas käsig geratenen Schluss abschrecken lassen und unbedingt sitzen bleiben!
Insgesamt dürfte „Super 8“ neben all dem von allen guten Geistern verlassenen „Transformers“-3-D-Krach der geistreichste und schlicht beste Film der Blockbuster-Sparte dieses nicht nur in filmischer Hinsicht trostlosen Sommers sein.
Wertung: Super 8.0/10.
Das US-Remake „Brothers“ eines dänischen Independent-Dramas mit Ulrich Thomsen aus dem Jahre 2004 spart glücklicherweise von Anfang an an typisch-amerikanischem Militär-Kitsch. Regisseur Jim Sheridan, der durch das stilprägende Meisterwerk „Im Namen des Vaters“ (1993) mit Daniel Day-Lewis ebens berühmt wie durch den schlechten Scherz „Get Rich or Die Tryin’“ mit 50 Cent berüchigt ist, setzt mit ruhiger inszenatorischer Hand auf Realismus denn auf Pathos und treibt sein grundsolides Darsteller-Trio Natalie Portman, Jake Gyllenhaal und Tobey Maguire zu dezent-zurückhaltenden und trotzdem kraftvollen Performances an.
Dennoch bleibt „Brothers“ eher ein Melodram als ein differenziertes Psychogramm, das sich neben überaus starker und emotionaler Momente auch einige oberflächliche Sentimentalitäten leistet, die unnötigerweise in dem kitschigen Trantüten-Titelsong der irischen Altrocker U2 um Oberheulboje Bono gipfeln. Dabei stören vor allem die Darstellungen der Töchter der vermeintlichen Witwe Natalie Portman (wie immer überzeugend): Allzu fröhlich springen die zwei Kinder im Grundschulalter, deren heiß geliebter Vater offiziell gerade erst im Krieg gefallen ist, umher und tollen mit ihrem sich vom Knasti-Rüpel zum Gutmenschen und Vaterersatz wandelnden Onkel Tommy (Gyllenhaal) im Schnee. So dürfte es wohl auch keinen überraschen, dass Portmans Figur, der im Übrigen ebenfalls wenig Raum zur wirklichen Trauer eingeräumt wird, sich kurzzeitig von ihrer jugendlich-wilden Seite zeigt, an einem Joint zieht und eine Fast-Romanze mit dem rehäugigen Onkel eingeht. Die von letzterem renovierte Küche (siehe da, der vermeintliche Taugenichts kann ja doch was!) dient dabei unmissverständlich als Symbol für einen Neuanfang und für das damit einhergehende Hinter-Sich-Lassen der Vergangenheit. Dieser Wandel aller Beteiligten sowie die damit skizzierte Trauerarbeit und gleichzeitige Annäherung der Familie geht reichlich schnell von Statten, wodurch „Brothers“ besonders im zweiten Drittel mit platten und irgendwie unglaubwürdigen Momenten aufwartet. Auch der Anruf, der verkündet, dass Papa Maguire doch noch lebt, scheint bei Portmans Figur nicht den zu erwartenden Freudentaumel auszulösen. Dies stellt sich jedoch im Nachhinein als gelungene und adäquate Darstellung einer durchaus ambivalenten und komplizierten (Gefühls-)Situation heraus und so wird der Film im letzten Drittel zum kraftvollen Drama, was zwar nicht den Irrsinn des Afghanistan-Krieges wiederzuspiegeln vermag, aber durchaus die Zerissenheit und die Tragödie seines Protagonisten glaubhaft illustriert.
Das ist vor allem Tobey „Spidey“ Maguire zu verdanken, der durch ungeahnt tiefschürfende Einblicke in die Pathologie einer Wandlung vom Übervater und hochdekorierten Kriegshelden zum von der eigenen Schuld geplagten Psycho-Wrack, das mit seinem vorher in solch perfekten Bahnen verlaufenden Leben nicht mehr zurecht kommt, beeindruckt. Sichtlich abgemagert und von schrecklichen Erfahrungen in Gefangenschaft gezeichnet, steigert er sich in ein Eifersuchtsdebakel, um von seiner vermeintlichen Schuld abzulenken und findet sich in einer Welt wieder, die er nicht versteht und die ihn ebenso wenig zu verstehen scheint. Die realistische, wütende und dennoch behutsam auf dem Teppich bleibende Chronik eines sich abzeichnenden Amoklaufs gipfelt in einem fulminant gespielten Moment, der unweigerlich an Robert De Niros Travis „Taxi Driver“ Bickle erinnert, im positiven Sinne.
Insgesamt ist „Brothers“ ein gelungenes Remake, welches sich kaum Klischees, aber dennoch einige Sentimentalitäten erlaubt, die an der Glaubwürdigkeit des Szenarios zu kratzen scheinen, bis die starken Leistungen der Darsteller die Schwächen des Skripts und Zweifel der Zusschauer im letzten Drittel schwungvoll vom Tisch fegen. Als Anti-Kriegs-Statement viel zu oberflächlich, überzeugt „Brothers“ als sehr um Zurückhaltung bemühtes, daher meist erfreulich unpathetisches Familien-Drama.
Dieser Artikel enthält Spoiler!
„The Adjustment Bureau“ beginnt zunächst recht vielversprechend und der routiniert wirkende Matt Damon versprüht mitsamt seiner ebenbürtig charismatischen Gespielin Emily Blunt eigentlich genug Charme, um einen ganzen Film zu tragen. Doch auch die gut aufgelegten Darsteller vermögen nicht darüber hinwegzutäuschen, dass die visionäre Vorlage von Philip K. Dick nicht adäquat ins 21. Jahrhundert transportiert wurde. Die grauen Herren (bei deren Anblick ich sofort an die grauen Herren aus Michael Endes „Momo“ denken musste. Ob das die intendierte Assoziation des Regisseurs war?) mit den Hüten wirken im modernen New York wie Artefakte einer längt vergangenen Zeit und können mit ihrem antiquiert wirkenden Schicksals-Geplapper nicht mal kleine Kinder erschrecken. Das Grundschulalter muss man auch nicht unbedingt überschritten haben, um die eher platte Gottes-Allegorie hinter der “Wir-sind-füreinander-bestimmt“- Love Story im sanften Thriller-Gewand zu verstehen: Der Vorsitzende, wie er hier genannt wird, würde uns in seiner unendlichen Güte ja gerne den freien Willen lassen. Dumm nur, dass wir Menschen dann sofort so etwas furchtbar Blödes wie den Holocaust oder die Kuba Krise anstellen, sobald er uns für einen Moment gewähren lässt und sich sogar seine Engel, die sogenannten „Planwächter“, aus dem Geschehen auf der Erde zurückziehen. In einem eher gemächlichen Thriller, der lediglich auf Unterhaltung aus ist, in einem Nebensatz ganz lapidar so etwas wie den Holocaust zu erwähnen, obwohl dies eigentlich gar nicht der Story dienlich ist, ist unpassend und fast schon makaber, und wird in „Der Plan“ weder durch nennenswerte Schauwerte noch durch ein sonderlich originelles Skript wett gemacht.
Letztlich ist „The Adjustment Bureau“ vorhersehbares, typisch glatt gebügeltes Hollywood-Kino nach Schema F, und über weite Strecken schlichtweg gepflegte Langeweile. Viele der Dialoge wirken gestelzt und wenn Matt Damon eine gefühlte Ewigkeit mit Schlapphut durch den Regen läuft, kippt das Ganze sogar fast ins unfreiwillig Komische. Am Ende dann die Überraschung: Es gibt ihn doch, den freien Willen! Man muss eben nur die Hürden, die uns in den Weg gestellt werden, überwinden und für das kämpfen, was man wirklich will. Mein lieber Schwan, das ist ja ein Ding! All das, was uns Regisseur George Nolfi hier auftischt, hat man schonmal gesehen, meist besser, zudem sind die Logiklöcher so groß, dass man ganz Manhattan darin versenken könnte.
Im Vergleich zu genreverwandten Unterhaltungsfilmen ist „Der Plan“ zwar unterm Strich nicht grandios gescheitert, aber dennoch bestenfalls annehmbar. Nicht schlecht und dumm genug, um sich wirklich erbost und verärgert zu ereifern, aber eben bei weitem auch nicht gut und klug genug, um zu überzeugen, kann man dieses unspektakuläre Mittelmaß getrost vergessen.
[...] „Tucker, du blutest!“ „Nein, es ist… STUDENTENBLUT!“
Dialoge wie dieser machen „Tucker & Dale“ zu einem Fest für Fans des abstrusen Wortwitzes und zu einem wahren Vergnügen für Splatter-, Horror -und Komödienfreunde: Ein durchweg unterhaltsames, spaßiges und pointiertes Prachtexemplar, das Elemente der Verwechslungskomödie und des Slapsticks mit einer gehörigen Portion Gore miteinander zu einem stimmigen Ganzen vermengt. Dabei sind es vor allem die beiden Hauptdarsteller Tyler Labine und Alan Tudyk, die einen dermaßen liebenswert-sympathischen und keineswegs albern überspitzten „Dorftrottel“-Charme versprühen, dass es eine wahre Freude ist, ihnen beim bitterbös-komischen Kampf gegen die vermeintlich entrückten „College Kids“ zuzuschauen. Angereichert durch zahlreiche Genrezitate, köstlich ist allen voran die brüllend komische „Texas Chain Saw Massacre“-Hommage, überzeugt „Tucker & Dale vs Evil“ auf ganzer Linie, ohne auf das direkt unter die Gürtellinie führende Abstellgleis der Niveaulosigkeit von „Scary Movie“ und der noch grottigeren Konsorten zu geraten. [...]
Bei „Bridesmaids“ wurde ganz offenbar das Judd Apatow-Erfolgsrezept, welches sich zuvor in einer ganzen Reihe von Komödien wie „Beim ersten Mal“ oder „Jungfrau (40), männlich, sucht…“ bewährte, erneut bemüht und dessen Zutaten-Checkliste fein säuberlich abgearbeitet:
Fäkalhumor? Check.
Dicken-Witze? Check.
Die passende Fäkalsprache zum Humor? Check.
Vorhersehbare Romcom-Story? Check.
Liebenswerte Charaktere? Keine Frage, Doppel-Check!
Dass das leicht überstrapazierte Konzept, Unter-der-Gürtellinie-Witze mit herzerwärmenden Figuren zu verbinden, auch hier wieder hervorragend funktioniert, liegt vor allem an der hinreißenden Performance von Kristen Wiig, die neben einer beachtlichen Gagdichte mit ihrem urkomischen Charisma den Film fast im Alleingang trägt. Grundsympathisch, und selbst in den überdrehtesten, chaotischsten Momenten menschlich, treibt sie dem Zuschauer mit sichtlichem Spielvergnügen die Tränen vor Lachen in die Augen. Noch dazu sind die Dialoge derart pointiert, dass allein Wiigs Szene, in welcher sie sich mit ihrer Erzrivalin Helen (ebenso überzeugend verkörpert von Rose Byrne) ein wahres Battle liefert, wer denn nun die beste Freundin der Braut ist, ungefähr genauso witzig ist wie das legendäre „Weißt Du was Dich als Schwuchtel outet?“-Wortduell von Seth Rogen und Paul Rudd in „The 40 Year Old Virgin“.
„Brautalarm“ nun, trotz der deutlichen Parallellen hinsichtlich der Story, als „Hangover“-Plagiat für Frauen abzutun, wird dem Film keinesfalls gerecht. Im Gegenteil, diese tempo -und ideenreiche Many-Women-Show zeigt sich durchaus erfrischend eigenständig: Auch wenn „Brautalarm“ (dämlicher deutscher Titel? Jawoll! Check.) sehr wohl teilweise ausgetretene Genre-Pfade noch weiter auslatscht, kann die Komödie durch ein bis in die Nebenrollen urkomisch und trotzdem authentisch agierendes Cast, dass neben einiger deftiger Pipi-Kacka-Sex-Witze eimerweise Charme versprüht, überzeugen. Nicht alle Gags zünden zwar, aber nicht wenige treffen dafür derart ins Schwarze, dass man auch einige Zeit nach dem Kino noch herzhaft lachen muss, wenn man sie Revue passieren lässt. Die ordentliche Portion finalen Pathos kann man den Machern von „Bridesmaids“ (Apatow war übrigens Produzent, Wiig Mit-Autorin) dann auch nicht wirklich verübeln, immerhin dürften sie hier eine der besten Komödien des Jahres 2011 abgeliefert haben.
Wer hätte das gedacht, „Brautalarm“ ist absolut empfehlenswert.
Was ist nur mit Edward Norton geschehen? Durch seine formidablen und Oscar-nominierten Leistungen in „Zwielicht“ (1996) und „American History X“ (1998), sowie natürlich seine Performance im Meisterwerk „Fight Club“ (1999), schien Norton zu dem Lieblingsschauspieler einer ganzen Generation zu werden. Danach wurde es jedoch eher ruhig um den wandlungsfähigen Schauspieler mit dem jugenhaften Gesicht und dem Faible für zerrissene, tiefgründige Charaktere. Seit jeher dreht er oft mittelmäßige Filme, nur wenige wirkliche Perlen wie „25 Stunden“ (2002), der hierzulande angesichts des themenverwandten Box-Office-Hits „Prestige“ (2006) absolut unterbewertete „The Illusionist“ (ebendann) oder die spritzig-gallige Komödie „Leaves of Grass“ aus dem Jahr 2009 werten die Filmographie Nortons der letzten zehn Jahre auf, daneben stehen dumpfe 08/15-Hollywood-Machwerke der Marke „The Italian Job“ (2003) , „Roter Drache“ (2002) oder „The Incredible Hulk“ (2008). Zu letzterer Kategorie in dieser unausgegoren wirkenden Mixtur einer immerhin Genregrenzen-sprengenden Filmographie, die aber fast durchweg der schauspielerischen Exzellenz des Ausnahmetalents Nortons zu spotten scheint, gehört auch „Pride and Glory“, zu Deutsch: „Das Gesetz der Ehre“: Norton spielt den gewissenhaften Cop, der den korrupten Machenschaften seiner Einheit, der fast seine gesamte Sippe angehört, auf die Schliche kommt, allzu routiniert und fügt sich damit in das lustlos gegen das vor Polizeifilm-Kitsch triefende Drehbuch anspielende Ensemble ein. Colin Farrell, ein ähnlich großes Talent wie Norton, das ein ähnliches Schicksal auf den absteigenden Ast verbannte, darf hier wieder mal den Haudegen-Iren mimen, wirkt dabei aber affektiert und reichlich blass.
„Pride and Glory“ ist ein Möchtegern-Plädoyer gegen Polizeigewalt und Korruption, welches allzusehr dem Glanz der eigenen Uniformen verfällt. Familienfilm-Pathos wird vermengt mit einem durch hohles Gewäsch über Ehre und Gewissenhaftigkeit eklatant scheinheilig heraufbeschworenen Berufsethos, eingebettet in eine vorhersehbaren Story. Das Ganze gipfelt in einem finalen Faustkampf der Rivalen Norton/Farrell, der, untermalt mit irischer Musik, wirkt wie ein Videospiel-Fight der lächerlichen Art.
Sieht man über die fehlende Substanz des Plots hinweg, wird man dennoch nur mäßig unterhalten. Das ist typisches Hollywood-Kitsch-Kino in Reinkultur, mit Pseudo-Message und ausgeleiert wirkendem Spannungsbogen, der in dem Genre schon allzu oft überspannt wurde. Für einen leidlich unterhaltsamen Sonntagabend kann man „Das Gesetz der Ehre“ als „Tatort“-Alternative geradeso durchgehen lassen. Für alle, die noch immer darauf warten, dass Edward Norton endlich noch einmal die Messlatte, die er einst selbst so schwindelerregend hoch legte, erreicht, stellt dieser Langweiler jedoch eine weitere herbe Enttäuschung dar.
Keine Frage, wer „Women Without Men“ schauen möchte, dem bedarf es an Geduld. Alles andere als temporeich erzählt Regisseurin Shirin Neshat, von der auch das Drehbuch stammt, die Geschichte vierer Frauen, die unterdrückt und geradezu gefangen gehalten von ihren Männern oder den Männern um sie herum, während der Unruhen im Iran im Jahre 1953 in einer Villa fernab des Tumults in Teheran Zuflucht und die ersehnte Freiheit suchen.
Getragen wird der hypnotische Film von außerordentlich opulenten, farbenfrohen und kontrastreichen Bildern, symbolträchtig und manchmal geradezu selbstverliebt. Somit ergeben sich die temporären Längen nicht nur aus der subtilen, wortkargen Erzählweise des Films, die Regisseurin verliert auch zu Gunsten der Optik allzu häufig den Fortgang der Story aus den Augen. Dennoch transportiert ihre Darstellung ihres ganz eigenen Garten Eden auf faszinierende Art und Weise Emotionen, obgleich man diese aufgrund der geradezu unterkühlten Atmosphäre von „Women Without Men“ kaum fassen, geschweige denn beschreiben kann.
Dankenswerterweise ist dieses Werk kein feministisches Gender-Studies-Opus geworden, sondern ein Schicksalsdrama der ganz besonderen, nüchternen Art, das sich jedoch zeitweise im eigenen Glanz der Bilderpracht suhlt und verliert. Wunderbar authentisch gespielt, geben insbesondere die Hauptdarstellerinnen dem manchmal utopisch anmutenden Flair des Films den notwendigen realistischen Touch und die fast schon dokumentarische Thematisierung der Krawalle in Teheran bringt die Story wieder auf den Punkt, wenn sie abschweift und den Faden zu verlieren scheint. Aus welchem Grund jedoch die Protagonistin, die sich gleich zu Beginn des Films von dem Dach ihres Hauses (Gefängnisses) stürzt, auf dem Bordstein liegend dargestellt wird, als schliefe sie, bleibt unverständlich. So sieht niemand aus, der sich gerade mehrere Meter in den Tod gestürzt hat. Diese etwas holprige Dornröschen-Metapher wirkt doch reichlich lächerlich und scheint so gar nicht in den Kontext den sonst so zarten, aber dennoch bestimmten Films zu passen.
Manchmal etwas symbolüberfrachtet und einstweilen recht nüchtern, somit jedoch auch nie pathetisch, ergibt „Women Without Men“ unterm Strich letztlich ein kohärentes, in sich geschlossenes Bild: Schön, bewegend, anders.
sehr schön geschrieben. danke!
Man nehme eine einfache (Rache-)Story eingebettet in eine Rahmenhandlung, erzähle sie aus der Retrospektive durch einen Ich-Erzähler aus dem Off, besetze die Charaktere mit einigen Hochkarätern, untermale die fantastischen Bilder mit schwelgerischer Musik, fertig ist das perfekte Epos! Könnte man zumindest meinen, aber die Coen-Brüder beweisen mit ihrem neuesten Streich „True Grit“, dass doch noch einiges mehr dazugehört, als die gängige Faustformel anzuwenden.
Zunächst wäre da der Hauptcharakter des Films, nicht etwa ein gestandener Held mit rauchendem Colt, Cowboyhut und Kippe im Mundwinkel, sondern die 14-jährige Mattie Ross, ein altkluges, vorlautes Nervenbündel, das den Cowboys die Kippen dreht und dem einfach mal der Arsch versohlt gehört. Schön, dass das der wunderbar dezent aufspielende Matt Damon als Anti-Held LaBoeuf in einer Szene kurzerhand für uns übernimmt. Hailee Steinfeld verkörpert die Rolle der Tochter, die nach Vergeltung der Ermordung ihres Vaters strebt, derart glaubwürdig, dass jegliche Scharfzüngigkeit, mit der sie es in Sachen Treffsicherheit locker mit jeder Pistole des Wilden Westens aufnehmen könnte, nicht etwa über das Ziel hinausschießt, sondern sich hervorragend in den Kontext des Films einfügt. Dieser besticht insbesondere durch eben jene pointierten Dialoge aller Figuren, gespickt mit einem fast schelmischen Wortwitz, welcher der 08/15-Rache-Story ein ironisches und daher unschlagbar unterhaltsames Flair verleiht.
Dann wäre da natürlich noch Jeff Bridges. Es ist eine wahre Wonne, dem, wie er sich selbst treffend beschreibt, „alten und fetten“ Marshall beim Nuscheln zuzuhören und beim Whiskey-Saufen sowie, in einer der besten Szenen des Films, beim Maisbrot-Schießen zuzuschauen. Dabei verkommt Marshall Rooster Cogburn jedoch keinesfalls zur Witzfigur. Jeff Bridges gelingt es, der heruntergekommenen, versoffenen, einäugigen Existenz seiner Figur gar heldenhafte Züge zu verleihen und überzeugt als Revolverheld, Lebensretter und nicht zuletzt: als Mensch.
Wie bereits eingangs erwähnt, ist bei „True Grit“ alles vorhanden, was ein (moderner) Klassiker braucht, inklusive tagelangem Reiten am Horizont bei Sonnenuntergang (was jedoch eher als ironische Referenz an das Western-Genre zu verstehen sein dürfte). Was „True Grit“ jedoch tatsächlich zu einem zeitgenössischem Klassiker macht, ist die feine Charakterzeichnung, die pointierten Wortgefechte und die grandiosen Schauspieler, die sich gegenseitig den Raum gewähren, welchen die Figuren zur vollen Entfaltung fordern. Natürlich fehlen weder Spannung noch perfekt choreographierte Schießereien in rauer Wildnis, somit bringen die Coen-Brüder essentielle Elemente des klassischen, sowie des zeitgenössischen Kinos miteinander derart sensibel in Einklang wie ein Fünf-Sterne-Koch ein Hausrezept der Oma mit neuen, frisch wirkenden Geschmackskomponenten anreichern würde, ohne dass es befremdlich schmeckt. Ein Film der alles hat und nebenbei dem totgeglaubten Western-Genre neues Leben einhaucht, ohne dabei die 2-Stunden-Marke zu sprengen (wie es ja eigentlich für das sogenannte „epische“ Oscar-Kino Gang und Gebe ist), kann wohl am treffendsten mit den Worten der Mattie Ross beschrieben werden: „You have true grit“!