Torwaechter - Kommentare
Die 5 meist diskutierten Serien
der letzten 30 Tage
-
AdolescenceAdolescence ist eine Kriminalserie aus dem Jahr 2025 von Stephen Graham und Jack Thorne mit Stephen Graham und Owen Cooper.+17 Kommentare
-
Star Wars: AndorScience Fiction-Serie von Tony Gilroy mit Diego Luna und Genevieve O'Reilly.+16 Kommentare
-
The White LotusThe White Lotus ist eine Drama aus dem Jahr 2021 von Mike White mit Jennifer Coolidge und Natasha Rothwell.+14 Kommentare
Die 5 meist vorgemerkten Filme
-
Mission: Impossible 8 - The Final Reckoning184 Vormerkungen
-
From the World of John Wick: Ballerina151 Vormerkungen
-
Final Destination 6: Bloodlines119 Vormerkungen
Alle Kommentare von Torwaechter
America lies bleeding - im Grunde ist das schon die Story. "Warfare" macht vieles ganz anders als alle bisherigen (Anti-)Kriegsfilme, geht sehr dokumentarisch ran. Es ist 'lediglich' ein einzelnes Gefecht, das wir sehen, quasi in Echtzeit, es gibt nicht wirklich Charaktere, keine Stereo- oder Archetypen, keine Tropes und auch keine offensichtliche Message oder politische Haltung.
Im Grunde erstaunlich, dass es so einen Film erst jetzt gibt. Am Ende reines Glück - denn ohne "Civil War" wäre es zu dieser Collab zwischen Alex Garland und Kriegsveteran Mendoza ja nicht gekommen, eine Finanzierung ohne einen namhaften Regisseur an der Seitenlinie kaum denkbar.
Auf jeden Fall wegen seiner konsequenten Andersartigkeit ein Film, den man nicht einfach so ohne weitere weiterempfehlen kann. Er ist in seinem Naturalismus speziell, recht arthousig. Wir sehen zB, sehr realistisch, sehr viel Warten. Warten darauf, dass etwas passiert. Warten auf Rückmeldung über Funk. Warten auf Unterstützung.
Wir sehen Soldaten bei der Arbeit. Keine gewaltigen Heldentaten. Ganz normale Pflichterfüllung und Kameradschaft. Aber auch wie alleine viele mit ihrer Todesangst sind.
Aber man kann "Warfare" wie auch schon zuvor "Civil War" nicht unterstellen unpolitisch zu sein. Gerade das bewusste Auslassen typischer Kriegsfilm-Tropes ist eine ganz klare Haltung. Der ganze Film kann ziemlich gut als Metapher für das ganze amerikanische Engagement im Nahen Osten und am Hindukusch herhalten. Reingehen, sich eine blutige Nase abholen, heilfroh wieder abrücken, vor Ort nur Zerstörung hinterlassend, aber ohne nachhaltige Veränderung. Das ist schon sehr sehr ernüchternd, und genau das ist denke ich des Pudels Kern hier. Die empfundene Sinnlosigkeit.
Man kann, wenn man will, aber auch leicht positive Aspekte identifizieren. Die US-Soldaten verhalten sich allesamt professionell und korrekt, es gibt keine spürbar rassistische oder antimuslimische Haltung unter den Männern, die Zivilisten werden den Regeln entsprechend geachtet und so gut es geht geschützt, das Stadtviertel nicht blindlings und wahllos bombardiert. Gerade im Hinblick auf gegenwärtige Kriegstaktiken auf russischer und israelischer Seite kann man bei aller damals berechtigter Kritik gegenüber den Amerikanern heute schon sehr deutliche Unterschiede sehen. Aber auch deswegen wirkt "Warfare" irgendwie aus der Zeit gefallen. Die kommenden filmischen Verarbeitungen von Kriegserfahrungen und -traumata werden sich stilistisch sicherlich nicht hier dran orientieren können. Von daher gut, dass es ihn gibt, auch wenn er zum Teil eher nur wie eine Fingerübung für einen "richtigen" Film wirkt - quasi wie ein reines Manöver vor einem größeren Angriff, der noch kommen wird.
Ein absolut würdiger Oscar-Preisträger und ein Triumph des Indie-Filmmakings. "The Wild Robot" und "Inside Out 2" sind beide auch toll, aber folgen letztlich tradierten Pfaden, sind im Vergleich viel zu sehr aufpoliert und optimiert. Dass am Ende ein kleines europäisches Team mit Blender die Multimillionen-Giganten der Animationsfilmindustrie schlägt, liegt aber nicht nur an dem romantischen Bonus, den eine solche märchenhafte Konstellation genießt.
Denn während "The Wild Robot" und "Inside Out 2" das Familienleben zum Thema haben und entsprechend alle üblichen Gags, Streitereien und Versöhnungen abfeuern, um auch wirklich alle Altersgruppen abzuholen, geht "Flow" seinen eigenen Weg und hebt sich mit seiner ruhigen, fast schon beiläufigen Erzählweise - ganz ohne Dialoge oder Voice Over - gekonnt in höhere philosophische Dimensionen. "Flow" verbindet biblische Elemente mit fernöstlichen Themen und findet leichtfüßig die passenden Bilder und Momente für das ganz große Ganze und das Hier und Jetzt, in dem wir uns alle befinden.
Sehr beeindruckend. Visuell sowieso, aber auch in der Herangehensweise und Umsetzung. Eggers bester Film soweit, bin froh, dass ich ihn jetzt noch im Kino sehen konnte.
Inhaltlich tut es "Nosferatu" gut, dass er eine Adaption ist, und zudem auch noch eine der bekanntesten Geschichten der Phantastik neu inszeniert. Eggers ausschweifender Stil wird dadurch ein wenig eingehegt und er wird mehr dazu gezwungen sich mit klassischen Plot- und Charakterfragen auseinanderzusetzen. Wir kennen die Handlung bereits, können uns dadurch nicht verlieren. Verirren kann man sich aber auch nicht, denn die neue Story geht insgesamt - wie aber auch zu erwarten war - sehr viel mehr back-to-the-roots anstatt sie postmodern ganz neu zu denken.
Man kann sich somit auf die Stellen konzentrieren, in denen sich "Nosferatu" von seinen vielen Vorgängern unterscheidet - vor allem vom literarischen Ausgangsmaterial und der gleichnamigen ersten Verfilmung.
Dracula aka Orlok präsentiert sich in der neuen Verfilmung mehr wie ein Ghoul, er ist eine lebende raubtierhafte Leiche. Nichts bleibt von der Romantisierung und Erotisierung der modernen Vampir-Interpretationen. Es wird auch nicht mehr in den Hals gebissen sondern direkt in die Brust, wo das Herz ist. Eine weitere entscheidende Änderung: ein Vampirbiss führt nicht mehr dazu, dass jemand ebenfalls zum Vampir wird. Es gibt also keine "Ansteckung" und somit auch keinerlei Angebot an Menschen die Seite zu wechseln (und dann immerhin ewiges Leben als Diener zu erlangen). Da ist kein möglicher unheiliger Deal mehr, keine mögliche Zukunft, man kann nur Opfer sein, Futter.
Sexuelle Schwingungen sind zwar weiterhin vorhanden - Mina aka Ellen wird in der neuen Verfilmung noch mehr als bisher als Hauptprotagonistin behandelt - aber trotz des zusätzlichen Fokus bleibt sie uns weitestgehend verschlossen, da sie die meiste Zeit unter ihren Alpträumen und Episoden leidet. Da ist nicht viel eigene verborgene weibliche Lust zu erkennen, nicht viel eigenes sexuelles Erwachen. Ellen ist vielmehr Opfer sowohl ihres Körpers, dem was sie als Teenager einmal zugesagt hat, als auch der ganzen viktorianischen Gesellschaft um sie herum, die sie zu keiner Zeit ernst nimmt.
Eggers hat sich in all seinen bisherigen Filmen mit patriarchalen Strukturen und Ideologien auseinandergesetzt, und so auch hier. Aber nicht im Sinne einer allzu typischen feministischen Heroine, die am Ende den unfähigen Männern den Pflock wegnimmt und den Endgegner selbst zur Strecke bringt. Dass Mina/Ellen sich heldenhaft selbst opfert, ist ja bereits seit Murnau anno 1922 ein fester Bestandteil aller moderneren Abwandlungen des Dracula-Mythos. Dem ist also nichts mehr hinzuzufügen.
Was Eggers nun vollbringt, und was sein Markenzeichen ist: das Licht auf vergangene Zeiten zu werfen, auf die Ursprünge heutiger anhaltender Probleme. Mina/Hellen kann in jener Zeit keine solche moderne Heldin sein. Im neuen "Nosferatu" erscheint ihre Entscheidung daher nun als auferzwungen. Sie ist moralisch weiterhin eine Heldin, da sie die Welt um sich herum retten und das Böse beenden will. Sie muss sich aber dazu unterwerfen und selbst komplett aufgeben. Also genau das tun, was extrem patriarchal geprägte Gesellschaften von Frauen stets verlangt haben.
Komplex und interessant wird Eggers Nosferatu dadurch, dass er auf ein plattes Schwarz-Weiß-Zeichnen verzichtet. Mina/Ellen ist es ja selbst, die in ihrer Pubertät den Vampyr erschafft/beschwört/anlockt. Das ist denke ich nicht als Schuldzuweisung gedacht, sie kann ja auch nichts dafür - aber es entspricht genau dem, was junge Frauen erleben. Plötzlich weckt man Begierde/Appetit/Hunger bei Männern, und plötzlich kommt auch eigenes Begehren hinzu, denn natürlich gibt es auch eine Seite tief in einem, die darauf antwortet. Kontrolle oder Entscheidungsgewalt hat man darüber aber nicht wirklich.
Auf der gegenüberliegenden Seite wird auch Orloks unersättlicher Appetit als ein nicht zu stillender Fluch dargestellt. Der Graf ist nicht wirklich Herr über sich selbst. Genausowenig wie Friedrich Harding, wenn dieser sterbend noch den Leichnam seiner Frau aufsucht, die er zuvor bereits regelmäßig geschwängert hat, um sie noch ein allerletztes Mal zu besteigen.
Verweigert sich die Frau, droht das Patriarchat mit Zerstörung und Vernichtung. Orlok bringt biblische Schrecken über die Stadt und alle um Mina/Ellen herum. Aber er erfreut sich nicht wirklich an seiner großen Macht. Mir erschien es fast, als ob Orlok durchaus weiß, was ihn innerhalb der mehrfach erwähnten Vorherbestimmung erwartet und dass er erleichtert darüber ist, so zu enden. Er steht für mich somit für die gewaltigen destruktiven Energien in vor allem Männern, die sich oftmals auflösen, wenn mal das große biologische Ziel erreicht ist - wenn sie einen Hafen finden und die dunkle Seite abnimmt. Dass vor allem einsame Single-Männer nach rechts abdriften dürfte bekannt sein. Dass praktisch alle Amokläufer Männer ohne eine Partnerin sind, ebenso.
Eggers "Nosferatu" bietet keinerlei Hilfestellung oder Handlungsanweisung für unsere seltsame moderne Welt, die (leider?) nicht matriarchal ist. In früheren Zeiten, so lässt er Von Franz aka Van Helsing sagen, wäre Mina/Ellen eine Priesterin gewesen. Aber vielleicht steckt in einem historischen Detail, den Eggers in seinen ausgiebigen Recherchen ausgegraben hat, ein wenig Hoffnungsschimmer: Ich interpretiere spätestens hier sicher zu viel hinein, aber es passt tatsächlich sehr gut, dass es nicht die Sonne und ihr Licht ist, die den Fluch des Vampyr beendet, sondern ganz gemäß der ursprünglichen Legenden der erste Hahnenschrei. Die Sonne ist nämlich schlicht Naturgewalt, oftmals göttlich, ein Segen jenseits menschlichen Wirkens. Der Weckruf des Hahns dagegen steht seit der Französischen Revolution für den Aufruf zum Widerstand und für das kollektive Aufbäumen gegen Unterdrückung.
Wirklich beeindruckend - eine moderne, witzige, spannungsgeladene, deutlich dunklere Version von „Pretty Woman“ mit einem ernüchterten, realismusorientierten Blick auf die tatsächlichen gewaltigen Klassenunterschiede unserer Zeit. Genau der richtige Filmkommentar während weltweit die Oligarchen und Tech-Milliardäre weiter expandieren.
Fand ich jetzt eher overhyped. Vom Best-Screenplay-Gewinner aus Cannes erwarte ich inhaltlich-erzählerisch schon mehr. "The Substance" hat eigentlich nur so viel relevante Handlung wie ein mittellanger Film, dauert aber zweieinhalb Stunden lang. Die Charaktere sind klischehaft-überzeichnet, was zum extrem satirischen Ton natürlich passt, aber eben auch tiefergehende Empathie bei mir verhindert.
Das grundlegende Setting ist sehr vorhersehbar, denn Sue ist eine weitere separate Person und von Anfang an wird dazu ermahnt, dass man sich weiterhin als eins sehen muss. Keine Überraschung, dass das nicht funktioniert, wenn eine Seite Erfolg hat und Bewunderung genießt, und die andere zuhause corona-like vereinsamt. Zumal Sue natürlich genauso ist wie Elisabeth - selbstverliebt, egoistisch, destruktiv, erstaunlich unkommunikativ, unfähig zu Verhandlungen. Das ist jetzt keine schlechte Story, vermittelt sehr plastisch die psychologische Diskrepanz zwischen geschminkter Außenfassade und dem verhassten inneren Ich - aber hätte schon auch kompakter erzählt werden können.
Aufgefüllt wird "The Substance" dann vor allem mit expressiven Edits und Beats á la Aronofsky und grotesk-ekligem Körperhorror á la Cronenberg. Das ist schon cool und teils wirklich weirdo, und dafür kann man den Film definitiv feiern. Er sticht heraus und bleibt visuell im Gedächtnis. Aber im Grunde spiegelt sich der Film da in seinem eigenen Sujet. Er zeigt freigiebig seine tollen (und auch nicht so tollen) Brüste, Beine und Pos, aber hat dahinter eigentlich nicht so wirklich viel Neues zu sagen. Die ganze oberflächliche Entertainment-/Mode-etc-Industrie und der Hunger nach jungen weiblichen Körpern werden auf die Schippe genommen - aber das war es dann auch schon.
Spannend zu beobachten wird es nun sein, wie es karrieretechnisch mit den beiden Hauptdarstellerinnen weitergeht, nachdem wir ihre Körper ausgiebig begutachten durften. Vielleicht ist das ja sogar die eigentliche Botschaft und das ganze eine Art Meta-Experiment? Falls ja, wäre der Drehbuchpreis tatsächlich doch gerechtfertigt.
Überraschend gut, aber vermutlich wirklich nur was für Tolkien-Fans. Es fehlen ja Elben, Zwerge, Hobbits, Drachen und beinahe auch Orks, ein direkter Vergleich mit der vom Scope her sehr viel größeren, epischeren und auch humorvolleren HdR-Filmtrilogie kann daher nur scheitern. Dafür schneiden die Eorlingas in der Gegenüberstellung mit Amazons Serie deutlich besser ab, was die Nähe und Treue zu Tolkiens Ausgangsmaterial betrifft.
Héra ist zwar fast komplett erfunden, aber den Machern ist es gelungen, sie authentisch und im Sinne Tolkiens einzubetten. Die Ausrichtung ist klar feministisch (im Prinzip "Mulan" goes Mittelerde) aber nicht übertrieben modern sondern komplett passend zu den wenigen anderen bedeutsamen weiblichen Figuren in Tolkiens Werk. Dass im Film sogar Éowyn höchstpersönlich die Erzählerstimme gibt, ist diesbezüglich wirklich klug gewählt. So bekommt die spätere Bezwingerin des Hexenkönigs ein konkretes Vorbild aus der eigenen Kultur und Landesgeschichte.
"War of the Rohirrim" hätte an einer Stelle aus meiner Sicht sogar mehr wagen dürfen. Dass Hera herausfindet, dass ihr Vater nachts maraudiert und die Gegner anfangen eine übernatürliche Legende um ihn herum zu schmieden, bietet sich eigentlich ideal dazu an, ihre Rolle auszubauen - indem man zeigt, dass sie es ist, die des Nachts taktisch klug aus dem Hinterhalt heraus die Belagerer terrorisiert, und nicht nur der König allein. Eine solche raffinierte psychologische Kriegsfinte wäre Héra gut zu Gesicht gestanden und hätte auch eine interessante Message nach innen bedeutet, wenn Helm Hammerhand erst durch sie zu einer solch großen Legende geworden wäre. Da es nachts im Geheimen passiert, ohne weitere Zeugen, hätte man hier easy feministisch expandieren können.
Stichwort Zeugen - zum Ende hin ergibt sich leider eine etwas seltsame Konstellation. Éowyn macht eingangs zwar Andeutungen davon, dass zu ihrer Zeit niemand mehr so wirklich von Héras Heldentaten weiß und dass sie aus den Annalen getilgt wurden - so wie wir es ja auch bisher aus dem Originalwerk kennen, in dem die Prinzessin nicht einmal einen Namen hat. Der Film beansprucht also durchaus geschickt eingefädelt uns nun die echte Wahrheit zu zeigen, das Rote Buch hier zu korrigieren bzw zu ergänzen. Aber zum Schluss liefert er uns gar keine schlüssige Erklärung, wie es dazu kommen konnte, dass zig Zeitzeugen (Soldaten, Zivilisten, Kinder, Gegner) Héra vergessen oder verschweigen.
Die Macher wollten wohl ein lupenrein positives Happy-End und die patriarchale Gesellschaft der Rohirrim nicht stärker beleuchten. Kann man verstehen, aber so entsteht eben eine seltsame neue Lücke in der Geschichtschronik, die man ja eigentlich optimieren wollte. Vielleicht hätte man da einen Vorfahren von Schlangenzuge als königlichen Chef-Chronisten einbauen müssen, wenn schon auch Saruman einen Gastauftritt hat?
Ansonsten ist natürlich der japanische Animationsstil wie erwartet etwas gewöhnungsbedürftig. Kulleraugen und eine gewisse Hotness der Hauptcharaktere und ihrer Kostüme fand ich etwas irritierend. Besonders wegen der hellen Kleidung wirken die Rohirrim eher wie Gondorianer, aber so leuchten die Hauptfiguren halt auch mehr hervor. Ansonsten wäre der Film von der Farbpalette her wohl zu dunkel und düster geworden. Im Vergleich zu den anderen Tolkien-Animationsfilmen und auch im Blick rüber zu Spiderverse-Spiderman habe ich mir jedoch manchmal einen wilderen, expressiv-kreativeren Stil gewünscht. Die Vermischung mit den Architektur-Designs der Filmtrilogie (Edoras, Orthanc, Helms Klamm von Alan Lee und John Howe) erdet "War of the Rohirrim" zwar, aber dadurch wirkt der Film visuell auch ziemlich traditionell und wenig innovativ. Was man sonst noch so mit japanischer Animationskunst verbindet - dynamische Schnitte und abstrakte Bildkompositionen - fehlt hier leider komplett. Da hätte man durchaus mutiger sein dürfen.
Grandios zusammengehalten wird der Film aber von den bekannten musikalischen Motiven von Howard Shore. Die gewohnten Melodien und auch das Sounddesign, von den Adlern bis zu Helms Horn, sorgen für das richtige Mittelerde-Feeling. Hoffen wir mal, dass es kein Flop wird, und es in Zukunft vielleicht noch weitere Adaptionen in dieser oder ähnlicher Form geben wird. Auf jeden Fall war es erfrischend zu sehen, was so herauskommt, wenn Filmemacher tatsächlich Verständnis und Gespür für das Ausgangsmaterial haben. "Rings of Power" ist ja im Gegensatz von außen ganz hübsch anzusehen - aber hat tief drinnen stilistisch und haltungstechnisch leider nicht mehr allzuviel mit Tolkien gemein, und ist auch dramaturgisch einfach nicht solide.
Im Grunde ein großer Stinkefinger an alle Fans und das ganze Franchise, von daher mutig, kontrovers und gewagt, was sich Todd Phillips & Co. da ausgedacht haben. Das ist durchaus ok, aber filmisch funktioniert das ganze leider nicht so wirklich gut: die Mischung aus Musical und dunklem Gerichtsdrama, bei dem auch die Medien und der Populismus als solcher auf der einen Seite, sowie die Staatsgewalt und die soziale Kälte auf der anderen Seite mit auf der großen Anklagenbank von Gotham City hocken, erzeugt mehr Dissonanz als Harmonie.
Im Grunde fühlt sich der ganze Film trotzt allem rebellischen Trara und dem Verzicht auf ein klassisches Hollywood-Drehbuch merkwürdig safe an. Ganz so als ob Phillips, Phoenix und Co der gewaltige Erfolg des ersten Films und seine subversive Ambivalenz nicht mehr geheuer war und sie daher unbedingt noch einen Epilog machen wollten, um für sich und alle alles klarzustellen.
Schauspielerisch ist das top und psychologisch ist alles echt spannend - vor allem zu sehen, wie Arthur Fleck tatsächlich gar nicht wirklich der Joker sein will, bzw. spürt, dass es der Weg in den Untergang wäre - aber dann auch, wie er von Lee und anderen radikalen Kräften dazu getrieben wird, weil sie den Joker nun mal lieben und brauchen. Die klassische Kodependenz zwischen dem unterschiedlich gelagerten Größenwahn/Minderwertigkeitskomplex der Narzissten und der oft unterschätzten und für unschuldig gehaltenen Co-Narzissten kommt da richtig gut zur Geltung. Politisch mit Blick auf die Malaise der westlichen Demokratien und den Aufstieg des Populismus ist das auch ne solide Message. Praktisch alle bisherigen ehemaligen AfD-Größen, die inzwischen ausgestiegen sind oder wurden berichten ja dasselbe und zeigen offen Gewissensbisse. Auch um Trump herum gibt es zahlreiche solcher Geschichten.
Nur reicht es um diesen Film in dieser doch recht seltsamen Form zu rechtfertigen? Irgendwie überwiegt bei mir das Gefühl, dass der erste Film völlig ausgereicht hat. Wer den nicht richtig verstanden hat oder bewusst oder unbewusst falsch lesen will, dem kann man ja eh nicht helfen. Hier ist der Kontrast zwischen der harschen Realität und den imaginierten Gesangs- und Tanzszenen einfach so überdeutlich groß, dass es gerade nicht leichtfüßig-verspielt-kunstvoll wirkt, sondern eben wie ein todernst gemeinter Stinkefinger.
Ich war von "Poor Things" ja nicht so durchweg begeistert wie die meisten - für mich viel zu schablonenhaft, zu einseitig, die aufwändigen Effekte wirkten unnötig und aufgeblasen, und die feministische Botschaft fühlte sich irgendwie auch nicht ganz auf der Höhe der Zeit an. Am Ende hat es mich eher genervt als fasziniert, Emma Stone mit dem Gehirn einer Fünfjährigen zuzusehen.
Mit "Kinds of Kindness" kehrt Lanthimos nun blitzschnell wieder zu seinen Wurzeln zurück. Drei Episoden mit Schauspielern in wechselnden Rollen, ein vergleichsweise überschaubar kleines Budget, allein das schon klingt einfach nur artsy. Heraus kommt ein irres Triptychon über Glaube, Wahn, wahre Liebe, sexuelle Kontrolle, Hörigkeit, innere Leere, Partnertausch, Wunderheilung, Abhängigkeit, Ausbeutung, Obsession, Selbstaufgabe, Verfolgungswahn, das richtige Essen (nicht Fisch, nicht Schokolade!), Prophezeiungen, ein schnelles Auto und Hunde.
Der Film geht fast drei Stunden, aber mich haben alle Geschichten und Charaktere sehr fasziniert. Das Konzept, das Abarbeiten an einerseits allzu menschlichen wie auch extremen menschlichen Bedürfnissen, stets um die dunklen Seiten von Religion und Macht kreisend, ist sehr verkopft, wird aber von den Darstellern und dem Drehbuch zusammengehalten. Trotz oder vllt gerade im Kontrast zu den lakonisch-hölzernen Dialogen ist jederzeit bei allen Charakteren zu spüren, wie sie brennen, wie getrieben und gleichzeitig gefangen sie sind. Dazu kommen die Lanthimos-typischen skurril-bizarr-blutigen Exzesse, da kann keine Langeweile aufkommen.
Über die Nacktszenen kann man wie auch bei "Poor Things" evt streiten. Für ein US-amerikanisches Publikum sicherlich etwas shocking, gut für die Publicity, aber nicht immer fühlt es sich nötig an. Zumal es natürlich primär die beiden attraktiven Hauptdarstellerinnen sind, und nicht die Beine und Hintern der Männer.
Aber am Ende ist ja alles auch nur ein großer Spaß. Niemandes religiösen Gefühle können durch den Film ensthaft angegriffen werden. Es macht auch keinen Sinn, ihn tiefer zu analysieren, herausfinden zu wollen, was alles konkret auf die Bibel, Thora, den Koran, oder irgendeine Sekte verweist, oder ob hier die bigotte Vergötterung von Trump durch Evangelikale angesprochen werden soll. "Kinds of Kindness" ist schon auch bitterböse aber vor allem nur eine augenzwinkernde wierde Spielerei - und genau die Mischung macht's.
Ich war von "Poor Things" ja nicht so durchweg begeistert wie die meisten - für mich viel zu schablonenhaft, zu einseitig, die aufwändigen Effekte wirkten unnötig und aufgeblasen, und die feministische Botschaft fühlte sich irgendwie auch nicht ganz auf der Höhe der Zeit an. Am Ende hat es mich eher genervt als fasziniert, Emma Stone mit dem Gehirn einer Fünfjährigen zuzusehen.
Mit "Kinds of Kindness" kehrt Lanthimos nun blitzschnell wieder zu seinen Wurzeln zurück. Drei Episoden mit Schauspielern in wechselnden Rollen, ein vergleichsweise überschaubar kleines Budget, allein das schon klingt einfach nur artsy. Heraus kommt ein irres Triptychon über Glaube, Wahn, sexuelle Kontrolle, Hörigkeit, innere Leere, Partnertausch, Wunderheilung, Abhängigkeit, Ausbeutung, Obsession, Selbstaufgabe, Verfolgungswahn, das richtige Essen (nicht Fisch, nicht Schokolade!), Prophezeiungen, ein schnelles Auto und Hunde.
Der Film geht fast drei Stunden, aber mich haben alle Geschichten und Charaktere sehr fasziniert. Das Konzept, das Abarbeiten an einerseits allzu menschlichen wie auch extremen menschlichen Bedürfnissen, stets um die dunklen Seiten von Religion und Macht kreisend, ist sehr verkopft, wird aber von den Darstellern und dem Drehbuch zusammengehalten. Trotz oder vllt gerade im Kontrast zu den lakonisch-hölzernen Dialogen ist jederzeit bei allen Charakteren zu spüren, wie sie brennen, wie getrieben und gleichzeitig gefangen sie sind. Dazu kommen die Lanthimos-typischen skurril-bizarr-blutigen Exzesse, da kann keine Langeweile aufkommen.
Über die Nacktszenen kann man wie auch bei "Poor Things" evt streiten. Für ein US-amerikanisches Publikum sicherlich etwas shocking, gut für die Publicity, aber nicht immer fühlt es sich nötig an. Zumal es natürlich primär die beiden attraktiven Hauptdarstellerinnen sind, und nicht die Beine und Hintern der Männer.
Aber am Ende ist ja alles auch nur ein großer Spaß. Niemandes religiösen Gefühle können durch den Film ensthaft angegriffen werden. Es macht auch keinen Sinn, ihn tiefer zu analysieren, herausfinden zu wollen, was alles konkret auf die Bibel, Thora, den Koran, oder irgendeine Sekte verweist, oder ob hier die bigotte Vergötterung von Trump durch Evangelikale angesprochen werden soll. "Kinds of Kindness" ist schon auch bitterböse aber vor allem nur eine augenzwinkernde wierde Spielerei - und genau die Mischung macht's.
Erstaunlich anders als “Fury Road”. Miller wiederholt sich einfach nie und überrascht immer wieder aufs Neue. Während der Vorgänger eine einzige extrem temporeiche, fieberhafte Verfolgungsjagd war, ist das Prequel vielmehr eine gewaltige Backstory-Rückblende, eine historische Rekapitulation, mit fast schon dokumentarischen Ansätzen. Die Erzählung entfaltet trotz aller Bildgewalt und Action daher auch keinen richtigen Drive, ist recht episodenhaft und verliert die Hauptfigur zeitweise völlig aus den Augen. “Furiosa” besteht damit hauptsächlich aus Worldbuilding statt Charakterentwicklung und manchmal war ich mir auch gar nicht so sicher, wie interessant ich diese Welt wirklich finde. Warum gehen wir mit dem durchgeknallten von Chris Hemsworth toll gespielten Warlord auf seine Kriegszüge, wenn uns beide Seiten eigentlich relativ egal sind? So richtig mitfiebern kann man da nicht.
Das Problem ist eben, dass es nur ein Prequel ist - Furiosa kann nicht sterben, und darf auch nicht komplett triumphieren, ihr großer Sieg folgt ja erst noch im nachfolgenden Film. Normalerweise stellt man in so einem Film dann dem Helden einen verwundbaren und emotional wichtigen Side Character oder eine entsprechende bedeutsame Quest zur Seite - oder setzt die Hauptfigur in Gefangenschaft und großem Leid aus, wie zB in “Andor”. Furiosa dagegen bleibt die meiste Zeit alleine und befreit sich auch relativ schnell. Sie wird somit gezwungenermaßen mehr zu einer Beobachterin.
Trotzdem packt und beeindruckt der Film, aber auf eine andere unübliche Weise, gerade weil er diesen ungewöhnlichen Weg geht. Die dargebotene dystopische Welt ist nicht nur Backdrop sondern lebt und atmet und stinkt. Hin und wieder erinnert es fast an den berüchtigten russischen Kultfilm “Es ist schwer ein Gott zu sein”. Man sieht dummen Menschen, fast ausschließlich Männern, dabei zu wie sie die Welt noch weiter in den Abgrund reißen. Hemsworths Warlord labert erstaunlich viel und geschwollen, aber wenig sinnvolles, wird damit zu einer Witzfigur, an die man sich genauso erinnert wie an Trump, ein gebrochener Operettengeneralissimo, ein Paradebeispiel für überbordende maskuline Dominanz, die nichts aufbauen, nur noch abfackeln kann.
Und das alles ist dann doch so interessant und faszinierend, dass man über die vielen Schwächen und unrunden Entscheidungen in “Furiosa” hinwegsehen kann. Auch auf technischer Ebene: viele seltsame Speedups, auffällige schlechte VFX, eine Filmmusik, die krampfhaft Spannung erzeugen will, wo keine ist, Glaubwürdigkeitslücken, usw usf
So richtig ernsthaft erzählerisch rund war “Fury Road” ja auch nicht, kaschierte viel mit extremer Geschwindigkeit und durchaus auch Exploitation - fünf halbnackte junge Frauen, klettern den halben Film lang auf Trucks und Autos herum - psychosexuell ist “Furiosa” dagegen erstaunlich prüde, umschifft sexuelle Themen fast komplett, trotz weiblicher Hauptfigur. Kurze Blicke in den Harem von Immortan Joe sind mehr nur wie Verweise auf den anderen Film. Daran leidet das Worldbuilding ein wenig, Fortpflanzung und Sexualtrieb scheint für die meisten Bewohner in dieser Welt keine Rolle zu spielen, sexuelle Folter trotz viel Gewalt keine Option zu sein. Obwohl wir so viel Zeit in dieser Welt verbringen, sehen wir praktisch nichts dergleichen, als ob sich Miller einer strengen Regel unterworfen hat.
Miller ist damit vllt sogar noch konsequenter feministisch als zuvor. “Fury Road” hat damals ja vielen männlichen Fans schon vor den Kopf gestoßen, da Furiosa mehr oder weniger das Ruder übernahm und die Show stahl. Hier geht es nun primär um die schreckliche Männerwelt drumherum, in der Furiosa aufgewachsen ist. Wird somit auch vielen nicht gefallen, die eine packende Actionstory suchen. Beide Filme zusammen ergänzen sich aber perfekt, vervollständigen Millers Vision.
Wirklich starker Beitrag von Alex Garland zum Antikriegsfilm-Kanon - leider hadere ich mit einigen Flaws und Entscheidungen, daher schafft es "Civil War" leider nicht ganz in den Olymp der großen Meisterwerke.
Die Ideen und Konzepte sind Garland-typisch sehr interessant und sehr ambitioniert, aber ebenfalls typisch sind arg verkopfte Restriktionen, nicht ganz ausgereifte Charaktere und hier und da schwache Dialoge, wo man sich fragt, warum das niemandem schon beim Dreh auffällt, oder ob die Angst zu groß ist, dass das Publikum sonst nicht mitkommt.
Mein Hauptproblem mit "Civil War" ist das Setup, das sich irgendwie sloppy anfühlte. Wie sich sowohl der alte Mentor als auch die junge Nachwuchsfotografin Jessie der Fotojagd von Kirsten Dunsts apathischer Top-Kriegsfotografin Lee anschließen, hätte auch eleganter gelöst werden können. So fühlte es sich umso mehr wie das Drehbuchvehikel an, das beide letztlich auch sind. Ergo wenig überraschend, wie sich der Film dann bis zum Ende entwickelt, und natürlich wird die Anfängerin bis dahin ausgiebig dafür verwendet, um ganz naiv und unschuldig möglichst viel Drama zu erzeugen.
Erst im Laufe des Films schält sich dann heraus, dass "Civil War" drehbuchtechnisch ein Double Journey ist, also dass Lee und Jessie gleichwertig zu betrachten sind. Während Lee durch Jessie und den Tod des Mentors wieder Menschlichkeit zurück erlangt, so geht Jessie in ihren Fußstapfen den umgekehrten Weg und verliert ein gutes Stück ihrer Menschlichkeit. Das ist ein tolles Konzept, wäre aber noch toller, wenn es tiefere Einsichten in die beiden Charaktere geben würde.
Aber es ist auch erstaunlich, dass sich noch gar nicht so viele Filme mit der Perspektive der Kriegsfotografen befasst haben. Es ist ja eigentlich nicht neu, dass diese eine durchaus seltsame Gattung Mensch sind, aber Garland scheint hier tatsächlich eine Lücke gefunden zu haben, womit "Civil War" heraussticht und Relevanz einnimmt. Zu Zeiten des Vietnamkriegs wurden die Fotografen als unabhängige Aufklärer betrachtet - heute im Zeitalter der Desinformation ist es deutlich ambivalenter. Von den "embedded journalists" im Irakkrieg bis hin zu den heutigen Internet-SocialMedia-Berichterstattern von der Front schwingt nun sehr viel Skepsis mit. Wer macht warum was für Bilder? Wer will was verbreiten, welche Bilder werden nicht gezeigt?
Konzeptionell ist das klasse, aber "Civil War" streift die Thematik meist eher nur oberflächlich, woanders aber auch wieder so plakativ, dass es nicht wirklich zu einer tiefen Auseinandersetzung einlädt. Ein anderes viel diskutiertes Konzept ist die von Garland aufgesetzte "Neutralität" des Films. Man erfährt kaum etwas über die Gründe des Bürgerkriegs und die Überzeugungen der Streitparteien. Garland will den Krieg einerseits als sinnlos zeigen und sich andererseits tunlichst aus den aktuellen realen politischen Stellungen heraushalten. Beides ist völlig nachvollziehbar, birgt aber das Risiko, dass "Civil War" wegen dieser streng eingehaltenen Einfassung bruchstückhaft und unrealistisch wirkt, wie ein halb zusammengezimmerter Hintergrund für ein Baller-Computerspiel, das mit niemandem anecken und keine tatsächlichen Diskussionen über irgendetwas provozieren will.
Zum Ende hin, wenn das Weiße Haus gestürmt wird, und Garland dem amerikanischen Publikum die Gewalt-Bilder liefert, die sich Millionen tatsächlich zu wünschen scheinen, bricht Garlands starke Hauptidee hervor. Der übertrieben zynische Blick auf den Kriegsjournalismus ist einerseits als gelungene Medienschelte gedacht, schließlich leben Internet und US-Fernsehen sehr von sich gegenseitig überbietendem Eskalations-Voyeurismus. Andererseits wird der Blick aber auch auf das Publikum und obendrein auf das Antikriegsfilmgenre und seine Schaffer selbst gelenkt. Das ist ganz groß von Garland konzipiert und zieht sich stringent durch den gesamten Film. Die Frage nach dem Sinn. Kirsten Dunsts Lee lernen wir gleich zu Beginn als Resignierende kennen, und am Ende stirbt sie, während gleichzeitig eine Nachfolgerin geboren wird. Ergo findet der Film zu keiner frohen Botschaft, sondern zu der knallharten Erkenntnis, dass es immer so weiter gehen wird. Es macht keinen Sinn Bilder (und Filme) als Warnung oder Abschreckung zu schießen. Man gewöhnt sich an alles. Für die Zuschauer bleibt am Ende primär Entertainment - für die Macher Karrierechancen. Ganz schön düster, ganz schön Garland. Aber die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt, der Film hofft schon, dass seine Botschaft ankommt. Aber tut sie es?
"Civil War" steht sich leider selbst oft genug im Weg. Es hätte das "Apocalypse Now" unserer Zeit sein können, aber man stelle sich mal vor, Captain Willard aus besagtem Film hätte die ganze Flussreise durch die Kriegszone mit einem nervig-naiven jungen Kadetten machen und ständig auf ihn aufpassen und sich um ihn sorgen müssen. Während sich die episodenhafte Reise dort natürlich anfühlte, und es einen klaren Pull-Faktor zum alptraumhaften Ziel hin gab, fühlt sich dieser Roadtrip etwas künstlich, zu konstruiert an, und das Ziel hat von Vornherein kaum Strahlkraft, weil wir ja auch nichts über diesen Krieg wissen.
"Civil War" wird als äußerst ambitioniert in Erinnerung bleiben. Vermutlich als das "Jarhead" unserer Zeit (falls sich jemand noch an den erinnert). Die brutalen Bilder werden auf jeden Fall bleiben. Nicht zuletzt, da Garland auch fast durchweg konsequent auf schönes Sonnenscheinwetter gesetzt hat, um eine ganz eigentümlich-einzigartige Bildsprache zu etablieren. Mit der Botschaft aber bin ich mir nicht so ganz sicher.
Wäre von allen Oscar-Hauptfilmen, die ich bisher gesehen habe, eigentlich der würdigste Gewinner für mich gewesen. Aber natürlich formalistisch ziemlich streng, rein prozedural, fast dokumentarisch, konterkariert mit exakt komponierten hochpräzisen Stativaufnahmen. Alles in allem sehr verkopft, aber wegen seinem gnadenlosen Blick auf die Banalität des Bösen und die Allgegenwart des Wegsehens doch irgendwie der berührendste.
Sehr beeindruckend - Villeneuve bleibt sich weiter treu und es scheint ihm alles sehr selbstsicher zu gelingen. Alles auf höchstem Niveau, eigentlich kann man da nicht meckern... es ist aber trotzdem so, dass mein Herz wie auch schon beim ersten Teil nicht ganz so hell aufleuchtete, wie es vielleicht müsste.
An Villeneuve liegt es nicht. Es ist alles richtig, es ist alles gut. Zum einen liegt es denke ich am Ausgangsmaterial. Villeneuve bleibt, was für einen Hollywood-Blockbuster ja überhaupt nicht selbstverständlich ist, sehr nah an der Textvorlage. Und verhilft den Bene Gesserit damit zum gebührenden dominanten Platz an den Schaltzentralen der Macht. Genauso interessant ist der kühle Blick auf Religion als strategisch platzierte Fiktion und Machtinstrument. Aber jenseits von reiner Faszination verlieren sich dann irgendwo die Anknüpfungspunkte. Das macht die Welt von "Dune" aus, einerseits sind die Verbindungen völlig eindeutig, wie z.B. dass die Fremen von arabisch-muslimischer Kultur geprägt sind, und wie in unserer Realität eine höchst kostbare Ressource verwalten. Auf der anderen Seite stehen die Bene Gesserit, die mit magischen Fähigkeiten und wie ein Hexenkult im Hintergrund die Fäden ziehen. Das ist alles spannend anzusehen, aber so richtig an diese teils messianistische, teils paganistische (Un-)Heilsgeschichte andocken fällt mir dann doch eher schwer.
Villeneuve meistert die Adaption bravourös, indem er die Beziehung zwischen Paul und Chami verstärkt und modernisiert - sie zu einer erbitterten "Atheistin" macht und am Ende werden wir durch ihre skeptische Augen Zeugen einer unheimlichen Transformation und eines neuen Heiligen Krieges. Aber es kann nicht wirklich darüber hinwegtäuschen, dass alles andere drumherum ziemlich fern und weird ist. "Dune" fühlt sich für mich, hier im Jahre 2024, mit allem, wo wir heute stehen, doch recht outdated oder out-of-place an.
Villeneuves konsequenter Realismus und Naturalismus konterkariert das ganze. Die extreme Immersion entführt uns zwar gekonnt in eine völlig andere Welt, das gelingt ohne Zweifel - aber ich frage mich so ein bisschen, wozu eigentlich? Nur weil man es kann, hat es ein wenig den Anschein, denn der Stoff gibt es eigentlich nicht wirklich her.
Gleichzeitig ist Villeneuves Stil selbst wiederum keine Überraschung mehr, und am Ende auch nur die logische Fortsetzung von Christopher Nolans bahnbrechender naturalistischer Wende im phantastischen Film (dessen Batman-Trilogie nun inzwischen auch schon fünfzehn, zwanzig Jahre her ist).
Obendrein kommt noch, dass wir mittelalterliche Machtkämpfe hoher Häuser, geheime Kulte, religiösen Wahn, prophezeite Führerfiguren, machthungrige Frauen mit ausgeklügelten Verheiratungs- und Schwängerungsplänen usw usf durch "Game of Thrones" bereits erst kürzlich schon breit ausgetreten und ausführlich behandelt haben. Dort ja genauso mit dem Ergebnis, dass es zwar ein unglaublich spannender, beeindruckender Ausflug war - aber am Ende wenig ernsthaft mitgenommen werden konnte.
Von daher irgendwie schade. "Dune" ist filmisch absolute Champions League, und ich freue mich auch schon sehr auf den hoffentlich kommenden dritten Teil, in dem Chani Gottkaiser Paul wieder zurück auf den Boden der Sterblichen holen wird - aber alles in allem wünsche ich mir eigentlich noch mehr andere Welten und Geschichten in diesem Stil. Und das ist vielleicht das Beste an Villeneuves "Dune": dass es Nachahmer finden und weitere Türen für naturalistisch-immersives Erzählen öffnen wird.
Tolle Idee, eine Parabel über Sehnsucht nach Anerkennung, über schnellebigen Online-Fame und Shitstorms sowie Cancel Culture, mit relativ kleinem Budget nahezu perfekt umgesetzt, auch die weirden Traumsequenzen können sich absolut sehen lassen. Nicolas Cage neigt wie immer hier und dort zu Overacting - was vor allem auffällt, da der Rest des Ensembles großartig natürlich spielt - aber es passt irgendwie ganz gut zur Rolle des exzentrisch-schrulligen Professors, so dass es nur selten ernsthaft stört. Dass Cage ein mitreißender Schauspieler ist, wenn er das richtige Material bekommt, ist ja nichts Neues - aber gerade hier muss man auch Schauspielpartnerin Julianne Nicholson als Ehefrau loben. Sie erdet den Film und gibt ihm folgerichtig auch den notwendigen emotionalen Anker, ohne den die Schlusspointe dieser Cautionary Tale auch niemals zünden würde.
Kam mir über einen Großteil der Laufzeit ehrlich gesagt ein bisschen overhyped vor. Aber das Ende berührt (Achtung, weiter unten Spoiler) und rechtfertigt dann doch die Begeisterung, die der Film auslöst. Vielleicht auch gerade weil er großteils recht unspektakulär daherkommt, insgesamt ein schöner Kontrast zum Effektkino.
Ich kann mir auch vorstellen, dass wegen der vielen koreanischen Dialoge einiges durch die Übersetzung verloren geht. Aber im Kern ist es eben nun mal auch kein konventioneller Liebesfilm. So verbleiben die Dialoge zwischen den beiden Schmachtenden überwiegend belanglos. Er hängt immer noch in der Vergangenheit fest, hat kaum neue Themen, stellt Standardfragen. Sie freut sich darüber Koreanisch zu hören, und spielt in migrantischer Unsicherheit mit dem Gedanken nach Korea zurückzukehren. Das erschwerte bei mir das Mitgehen, aber verleiht "Past Lives" damit auch eine andere, moderne Perspektive.
Junge Menschen nennen das, was zwischen den beiden Protagonisten zu sein scheint, eine Situationship. Der Film reflektiert die Realität der gefühlt zehntausend "Was-wär-wenn" Online-Dates, die man so im Laufe des Lebens gehabt hat. Die Vermengung mit einer Migrationsgeschichte gibt dem ganzen zusätzliche Würze. Der buddhistisch angehauchte Unterboden des ganzen kommt mir als Asiate zwar ein wenig ausgelutscht daher - wir hören sowas ja schließlich von Kindesbeinen - aber gleichzeitig ist es auch schon lange her, dass ein (westlicher) Film erzählerisch darauf ernsthaft Bezug nimmt. Esoterisch angehauchte Menschen begeistert vermutlich genau das.
Aber ich glaube es liegt auch an den Charakteren als solche, dass ich über weite Strecken mehr gefremdelt als mitgefiebert habe. Sie, die moderne selbstbewusst-aufstrebend-ehrgeizige Künstlerin aus Künstlerfamilie, wenig einfühlsam, verspielt, die in der Liebe eher nimmt als gibt - er, der gut aussehende Ingenieur, wortkarg, bodenständig-altmodisch und emotional unreif, der Zeichen nicht lesen kann, verbissen in einer Jugendschwärmerei verloren. Das sind interessante, realistische Charaktere, aber es harmoniert eben auch nicht so richtig. Und so bleibt das Loslassen zum Schluss eben auch sehr viel mehr im Gedächtnis als das ganze Abtasten und Aufeinanderzugehen davor.
Wahnsinn - Miyazaki bringt in seinem neuesten Film wieder alles unter, was ihn auszeichnet. Und das ohne sich zu wiederholen oder sich selbst zu imitieren. Es fühlt sich wie eine neu sortierte Synthese an, wie ein neu zusammengepresstes Destillat seines bisherigen Schaffens. Gleichzeitig wagt er zudem auch sehr viel Neuland, denn der Film ist eingangs sehr viel stärker autobiographisch geprägt als bisherige Werke und zum Ende hin entwickelt er sich zu einer persönlichen Auseinandersetzung mit der eigenen künstlerischen Karriere. Was ja viele alternde Großmeister-Regisseure derzeit gerne tun, jeder auf seine unnachahmlich eigene Art und Weise. Und das macht den neuen Film für Miyazaki-Verhältnisse erstaunlich kryptisch, symbolisch und mysteriös - die Anderswelt erinnert optisch und inhaltlich dann auch mehr an Lovecrafts "Traumlande" als die bisherigen Phantasiewelten seines Ouevres, schlägt weite Brücken ins Abendländische. Und genau das verleiht "The Boy and the Heron" Flügel, macht ihn zu einem ganz besonderen Miyazaki. Toll auch, wie er hier die kollaborative Bühne für andere Anime-Meister öffnet. Je weiter es in die surreale Anderswelt hineingeht, umso mehr verschwindet sein Animationsstil, seine unverkennliche Handschrift, und macht Platz für seine Nachfolger. Eine große Geste, ein gewaltiges Vermächtnis.
Vor einigen Jahren habe ich mir den Director`s Cut von "Kingdom of Heaven" angesehen, da mir immer wieder zugesichert wurde, dass er um Längen besser als die Kinofassung sei. Das traf zu und dürfte auch hier wieder der Fall sein - eine vierstündige Fassung auf Apple TV wurde bereits angekündigt. Was mich bei "Kingdom of Heaven" fast noch mehr beeindruckte war jedoch die schiere Opulenz der Produktion, die gewaltigen Schauwerte, so viel handgemacht, unzählige Statisten, Pferde, Kostüme, so viel Liebe zum Detail. Eigentlich mehr noch als bei der Herr der Ringe Trilogie, die ja via Weta FX seinerzeit den Aufbruch in die bis heute andauernde digitale Schlachtführung anfeuerte. Einen solchen Film, dachte ich mir, würde es vermutlich nie wieder geben. Aber Ridley Scott ist immer noch gesund und munter und da er zuletzt wieder ein paar bessere Filme rausgehauen hat, und Joaquin Phoenix dank "Joker" bisher womöglich unzugängliche Finanzierungsebenen freigeschaltet hat, dürfen wir uns tatsächlich noch einmal eine Filmproduktion auf einem solch grandesquen Scale ansehen. Alleine dafür Zweispitz ab! Optisch ist das ganz großes Kino und Scott hebt in seiner ganz eigenen Liga noch einmal ab.
Inhaltlich wird viel debattiert und ähnlich wie deutsche Kritiker bei "Im Westen nichts Neues" neigen vor allem französische nun sehr dazu alles auf historische Korrektheit abzuklopfen. Das ist aber vielleicht nicht das Ziel des Films bzw es lässt sich eben darüber streiten, inwiefern ein einzelner Film überhaupt dazu in der Lage sein könnte, Napoleon gerecht zu werden. Daher setzen auch viele nun auf den Director`s Cut, der sicher einiges verbessern wird. Ich bin aber dennoch der Meinung, dass auch die Kinofassung ihre Aufgabe trotz einiger Schwächen schon gut erfüllt. Und zwar insofern, dass "Napoleon" wie auch "Im Westen nichts Neues" eine klare Idee verfolgt, die vielleicht nicht sehr akkurat aber dafür interessant ist und diese auch konsequent umsetzt.
Phoenix als Napoleon kam mir im Trailer sofort als Fehlcasting vor, und der Film leidet leidet tatsächlich darunter. Man hat auf digitales De-Aging verzichtet, was vermutlich die bessere Entscheidung war, wenn man zB zuletzt Harrison Ford oder Robert de Niro gesehen hat - aber Phoenix ist anfangs definitiv zu alt für die Rolle. Da Phoenix eine klassische Phoenix-Rolle spielt - Napoleon als Außenseiter, socially awkward, schüchtern fast, vor allem gegenüber Frauen - funktioniert es zwar schon, aber Optik gehört im Medium Film nun mal dazu, ganz besonders wenn alles andere so opulent gestaltet wird. Joséphine ist älter und erfahrener als Napoleon, Vanessa Kirby gibt zwar ihr Bestes, aber so ganz wird die wahre Dynamik ihrer Beziehung durch den optisch falschen Altersunterschied nicht rübergebracht. Und gerade hier wäre Nähe zur historischen Realität wichtig gewesen, denn der Film konzentriert sich sehr sehr stark auf genau diese Beziehung. (Ohne Phoenix als durchgängiger Hauptdarsteller wäre der Film aber vermutlich nicht zu finanzieren gewesen.) Und obwohl der Film Joséphine viel Zeit widmet, will der Funke im Liebesdrama auch nicht ganz rüberspringen. Die Apple TV Version wird es sicher richten, aber mir fehlte zB eine Szene, in der das Publikum auch mal sieht, was Joséphine kann - wie gebildet, klug und witzig sie ist. Dass sie über Emotionale Intelligenz und Charme verfügt und Verbindungen in den hohen Rängen. Dass sie als Kaiserin auch aktiv war und Napoleon den Rücken freigehalten hat.
Gründsätzlich wollte Scott aber wohl alle Figuren etwas blass und leidenschaftslos zeichnen, ganz besonders Napoleon. So richtig Bock auf irgendetwas scheint keiner zu haben. Daran stören sich viele, und es stimmt, es passt nicht zu dem, was man von Napoleon weiß. Man spürt hier nur wenig Machtdurst, Selbstverliebtheit, Größenwahn, Lust am Erobern, am Umgestalten der Welt. All das fehlt, da es den Machern um einen anderen Aspekt geht. Napoleon wird hier eben ausnahmsweise mal nicht als omnipotent dargestellt, nicht als großer Gestalter, sondern eigentlich als ein Wimp im Kern. Ein Nerd, der zwar einigermaßen klug ist und bei Strategie-Brettspielen gewinnt, aber bei Frauen nervös wird und mit anderen Menschen nicht so wirklich klarkommt. Scott will auf diese Weise Napoleon (und andere Machtmänner?) dekonstruieren und demaskieren. Da soll kein Mythos weiterleuchten und Bewunderer animieren. Am Ende ist die Glückskeks-Message des Films, dass hinter jedem wahrhaft großen Mann auch eine große Frau stehen muss, und Napoleons Scheitern genau daran lag, dass er eben kein harmonisch-solides Ehebett teilte. Alles, was er in der Ferne suchte, war vergebens. Alle Erfolge nur temporär. Man muss sich Napoleon quasi als modernen Mann vorstellen, als einen Workaholic, der viel Zeit am Rechner und im Internet verbringt, im Beruf und bei virtuellen Schlachten enorm siegreich ist, aber ohne Zugang zu tiefen menschlichen Verbindungen, ohne Familie, ohne echte Freunde. Das ist die interessante Idee hinter diesem Napoleon-Film und unter diesem Lichte macht er dann auch Sinn.
Joaquin Phoenix als Napoleon Bonaparte wirkt zutiefst einsam. Der Film zeigt ihn ständig auf der Suche, lässt dafür die engen Verbindungen, die der echte Napoleon mit seinen Soldaten und Generalen hatte komplett weg. Stattdessen glaubt Film-Napoleon naiv, dass kurze Begegnungen mit anderen Kaisern und ein paar Nettigkeiten im Smalltalk bereits zu echter Freundschaft und lang anhaltender Allianz führen könnten. Oder eben die reine Raison und Logik. Film-Napoleon wird ständig überrumpelt von den anderen Herrschern, reagiert mehr statt selbst zu agieren. Die Schlüsselszene ist für mich Ägypten: einerseits soll die Begegnung mit der Mumie Napoleons Ambitionen zeigen - unter Scotts britischem Humor natürlich mittels einer Tom-Cruise-Gedenkbox ins Lächerliche gedreht (wie so einige Szenen, die die französische Seele gezielt piesacken). Dennoch eine Begegnung mit der Vergangenheit, auf Augenhöhe mit einem Pharao. Aber anstatt Napoleon diesen Moment genießen zu lassen, oder ihn für sich nutzen zu lassen, lässt Scott sogar den bereits Verblichenen vor einer Berührung zurückweichen. Bis zum Ende auf St. Helena bleibt er ein einsamer Mensch, ein Suchender.
Soviel zum Konzept. Das, was man sich vorgenommen hat, funktioniert also. Ob es historisch "korrekt" ist, ob Napoleon siegreicher gewesen wäre, wenn die Beziehung zu Joséphine glücklicher und weniger einseitig gewesen wäre, ist müßig zu diskutieren. Filmisch hat man aber sehr viel richtig gemacht, um diese Interpretation und diesen frischen Gedanken rüberzubringen, den kein bisheriger Film-Napoleon verinnerlicht hatte. Und genau darum geht es in einem solchen Filmprojekt. Mit den Hoffnungen so mancher, dass der Director`s Cut alle historischen Lücken und Problemzonen schließen wird, wäre ich daher eher vorsichtig. Denn diese würden die Grundidee konterkarieren und teils ad absurdum führen.
Meiner Meinung nach lohnt es sicher eher kritisch darüber nachzudenken, ob dieser "Napoleon" nicht vielleicht hätte noch konsequenter sein können. Denn dafür, dass der napoleonische Mythos dekonstruiert werden soll, wird schon auch einiges brav repliziert oder sogar hollywoodesk zusätzlich überhöht. Sowohl Toulon als auch Austerlitz wirken spektakulär aber folgen mehr Napoleons eigenen Legendenbildungen als tatsächlichen Abläufen. Die Darstellung der ersten französischen Republik ist auch sehr klischeehaft: alle korrupt, verlottert und unmoralisch - der saubere starke Mann vom Militär muss kommen und aufräumen. Nicht, dass es seinerzeit keine grassierende Korruption gegeben hat, aber das sind eben leider auch sehr beliebte populistische Tropes. Die Frage, wie korrupt das nachfolgende napoleonische System war, bzw wie sehr ein nationalistisches Regime eben auch von Eroberung und Kriegsbeute lebt, wird im Film gar nicht erst gestellt. Man stelle sich einen Film über Hitler vor, der die vorgeblich jüdisch-korrupte Weimarer Republik auskärchert und niemand spricht darüber wie dann die NS-deutsche Politik und Wirtschaft funktioniert hat.
Und zu guter letzt endet der Film mit einer Auflistung der Gefallenen. Die Zahlen sollen schockieren und haben sicher für viele Zuschauer den gewünschten mahnenden Effekt. Aber ein bisschen Nitpicking darf hoffe ich erlaubt sein, wenn ich mich frage, warum man hier in vollkommen klassisch maskulin-militärischer Hinsicht lediglich gefallene Soldaten zählt. Gehören nicht auch noch unzählige Millionen Zivilisten, darunter Frauen und Kinder, zu den Opfern der Napoleonischen Kriege?
Aber wie dem auch sei - am Ende überwiegt die Überraschung, dass dieser Napoleon einen bleibenden Eindruck hinterlässt. Vermutlich wird es nie wieder einen solchen Film geben. Zumindest bis "Gladiator 2".
Visuell atemberaubend schön, aber inhaltlich leider ziemlich vermurkst, blutleer und ohne jeglichen Tiefgang. Echt schade, tolle Ideen sind ja da, viel Potential bleibt letztendlich ungenutzt. Am Ende eine Ansammlung von Tropes in einem hübschen Reskin, mehr leider nicht.
Ich bin hier etwas atom-gespalten. Der Film hat Schwächen, aber Nolan wagt hier auch einiges Neues, und es ist spannend ihn anzugucken und auch über ihn nachzudenken. Spannend, weil es eigentlich ein arthousiges Biopic ist, untypisch für Nolan. Das Drehbuch wurde sogar in der memoirenhaften Ich-Form geschrieben.
Und das gelingt über weite Strecken sehr gut. Nolan nähert sich erfolgreich der Figur Oppenheimer, wir erfahren den Werdegang, und sehen die Zweifel und Schuldgefühle, an denen er zu zerbrechen droht. Das ganze kann aber natürlich kein normales Biopic sein, sonst würde es Nolans Interesse nicht wecken. Und wie erwartet bietet "Oppenheimer" eine sehr interessante, fast schon wild vogelfreie Schnitt-Struktur mit zwei weiteren parallel laufenden Handlungssträngen neben dem weitestgehend linear erzählten Lebenslauf von Oppenheimer: einerseits ein Tribunal in der McCarthy-Zeit, das Oppenheimer wegen früheren kommunistischen Verbindungen den Job kostet, und andererseits eine Befragung von Robert Downey Jrs. Strauss, der rückblickend zu Oppenheimers Triumph Auskunft gibt - sowie zu besagtem Tribunal. Klingt kompliziert, ist es auch, es geht hin und her, es gibt viele Namen, viele Hinterzimmer-Dialoge, und durch offene Enden werden Spannungsbögen gespannt.
Das klappt ganz gut, die drei Stunden, die der Film geht, haben selten Durchhänger, und das ist schon mal eine Leistung. Es fühlt sich aber auch natürlich etwas konstruiert an, dick aufgetragen mit hämmernder Musik und Sound. Muss man das so machen? Nur um Spannung zu erzeugen, oder macht es auch inhaltlich Sinn? Bei "Dunkirk" war es schon an der Grenze. Hier gibt es inhaltlich eigentlich nicht unbedingt einen Grund für diese Struktur, außer dass es sonst wohl zu langweilig wäre?
Die Schauspielerleistungen sind toll. Auch die beiden einzigen weiblichen Charaktere - trotz geringer, eigentlich viel zu geringer Screen Time machen beide Darstellerinnen das beste daraus. Nolans ersten Sex-Szenen... nun ja, kann man darüber streiten. Irgendwo mutig, irgendwo aber auch plump oder unfreiwillig komisch. Aber gut, dass er neue Dinge ausprobiert statt stillzustehen. Vielleicht sehen wir ja irgendwann einen Nolan, der noch mehr mit Frauen anzufangen weiß.
Mein Hauptkritikpunkt richtet sich auf die Grundbasis des ganzen Films. Nolan hat hier wie schon gesagt ein trotz aller Abstriche wirklich beeindruckendes Biopic hingelegt, er hat die Aufgabe erfüllt. Aber das Problem ist, dass Oppenheimer durch diese Sonderbehandlung auf einen viel zu großen Sockel gestellt wird. Der Film zeigt zwar akkurat, dass es Teamwork war und dass Oppenheimer die Bombe nicht im Alleingang erfunden hat, aber wenn er dann in den Schuld und Zweifel Modus abtaucht, tut er so, als ob Oppenheimer irgendwie doch der entscheidende Faktor gewesen ist. Das ist natürlich typisch Biopic, und es ist auch psychologisch stimmig. Und da bleibt sich Nolan treu - in seinen Filmen sträubt sich häufig die individuelle Wahrnehmung gegen die externe, und im Zweifel obsiegt die persönliche, wird nicht grundlegend hinterfragt.
Oppenheimer hatte eine sehr wichtige Rolle und Verantwortung als Projektleiter, ergo stimmig, dass er persönlich Schuldgefühle und Zukunftsängste empfand. Das zeigt der Film sehr intensiv, mit großen surrealen Momenten. Diese individuelle Sicht ist sehr interessant, aber "Oppenheimer" verliert sich darin auch irgendwo etwas zu sehr. Truman wird am Ende ganz garstig und zynisch dargestellt - aber hat eigentlich Recht. Oppenheimer hat die Bombe nicht abgeworfen. Und weiter gedacht: Die USA hätten die Bombe sehr wahrscheinlich auch ohne ihn gebaut.
So verständlich die Reue auf individueller Ebene also auch ist - eigentlich ist das ganze in der Außenperspektive etwas arg künstlich angereichert.
Leider kein so richtig würdiger Abgang, aber weil es der Abgang ist, dann doch irgendwo sehenswert. Es ist schön Harrison Ford noch ein letztes Mal in der Rolle zu sehen - und grundsätzlich hatten die Macher ein durchaus starkes, ja eigentlich sogar richtig gutes Konzept.
Aber leider wird ähnlich wie bei der Ringe der Macht Serie einiges falsch oder halbgar umgesetzt, so dass das Flugzeug nicht so richtig abhebt. Erst zum Finale hin, da überrascht der Film, wagt etwas, bringt etwas leicht Verrückt-Frisches herein und findet auch inhaltlich zu Tiefe und Emotion. Das versöhnt ein bisschen.
Aber davor wimmelt es vor Fehlentscheidungen. Indys Patentochter Helena ist ein Riesenproblem, da fehlt jegliche Chemie zwischen den beiden Hauptfiguren. Sie ist weder witzig noch sympathisch, emotional völlig leer und unbedeutend für Indy. Sie lernt auch nichts im Laufe des Films, hat keine wirkliche Geschichte. Und genauso geht es mit den anderen Nebenfiguren weiter. Niemand hat irgendein Gewicht oder irgendeine Bedeutung, ob der kleine Junge (der ja nur in Beziehung zu Helena steht) oder Antonio Banderas völlig verschenkter griechischer Taucher-Kumpel oder die afroamerikanische Regierungsagentin, die nicht bemerkt, dass sie mit Nazis zusammenarbeitet. Der Großteil des Films ist schlicht leer und verpufft.
Kompensiert werden soll es durch die Action, aber die ist typischerweise für unsere heutige Zeit handwerklich zwar großteils sehr gut gemacht (bis auf die mal wieder verunglückte Verjüngungskur à la Star Wars im Intro), aber derart lang und übertrieben (siehe auch zuletzt "John Wick 4"), dass sie trotz oder wegen der Exzellenz in Sachen Tempo und Schauwerte einfach keine Gravitas hat. Das Publikum spürt, dass das alles nicht sein kann. Es ist einfach nicht echt.
An Humor und Leichtigkeit mangelt es dafür, da vermisst man schmerzlichst Spielbergs Federführung. Mangold bringt stattdessen hier und da Härte und Brutalität rein, die eigentlich nicht zur Indy-Reihe passt. Vielleicht hätte er sich da sogar mehr trauen müssen seine eigene Linie einzubringen. Die Nazis als Antagonisten sind primär nur Nazis. Auch da hat Spielberg mehr investiert, um Grauen und Abscheu zu erzeugen, aber halt mehr mit Mitteln des Horror-Genres, auch das scheint leider keine Stärke Mangolds zu sein. Er hätte es aber via Action-Härte evt hinbekommen können. Es gibt nur die Hotelzimme-Szene, in der Mikkelsen den schwarzen Diener rassistisch anspricht, in welcher ein dunkles Potential angespielt wird, das nachher leider kein einziges Mal mehr geweckt wird.
Unverständlich ist auch wie man bei der Fan-Service-Analyse übersehen konnte, dass die Indy-Reihe sehr stark von Mystizismus und Okkultismus und Awe & Wonder lebt. Es kann zum Ende hin gerne in Richtung reine Mathematik und SciFi gehen (auch wenn es sehr ungut an Indy 4 erinnert), aber auf dem Weg dahin hätte man das ganze aus meiner Sicht ganz anders angehen müssen. Archimedes war ja kein Atheist, seine antike Welt war voll mit Göttern, Sagen, Kreaturen und Legenden. Diesen lovecraftesken Schatz nicht zu heben - absolut unverständlich. Und so verkommen an sich schöne Set Pieces wie z.B. das versunkene römische Schiff. Die Muränen sind einfach nur wild gewordene Muränen. Kein Fluch, der auf der Schicksalsscheibe liegt. Keine Götter, die darüber wachen. Keine unbekannten Wesen, die irgendwo lauern. Warum zum Beispiel nicht schon früh einen "Drachen" ins Spiel bringen?
Erst zum Schluss hat man das Gefühl, dass die Macher am Anfang ihrer Reise eine gute Idee hatten und wirklich den Glauben einen würdigen Abschluss der Reihe zu inszenieren. Das Drehbuch ist dahingehend durchaus mutig Indy nicht - wie sonst bei Protagonisten sehr üblich - als Antithese zum Antagonisten zu setzen, sondern ihm dasselbe Problem zu geben. Nur leider wird es nicht ernsthaft ausgespielt, der Film ignoriert es großteils und vermittelt die an sich starke Idee kaum, dass Indiana Jones - wie viele alten (weißen) Männer - mit dem Wandel der Zeit hadern und sich aus der Gegenwart und damit auch aus der Zukunft herausziehen. Im ersten Drittel wird es ja alles vorbereitet: Indy geht in Rente, die jungen Leute interessieren sich überhaupt nicht für Antike - draußen wird die Mondlandung gefeiert und gegen den Vietnamkrieg demonstriert. Warum macht der Film daraus nichts? Warum lässt er uns nicht spüren, was in Indy logischerweise vor sich geht? Warum zeigt er erst ganz zum Schluss, dass Dr. Jones sich in seine eigene abgeschottete Welt zurückgezogen hat und aus einer Quasi-Depression aufwachen muss? Und warum findet er nicht zu der auf der Hand liegenden versöhnenden Botschaft, dass man das Wissen um die eigene Vergangenheit braucht, um Gegenwart und damit auch Zukunft zu gestalten? Helena will einfach nur Geld aus altem Kram machen und übersieht die Bedeutung, die darin steckt - die Hollywoodbosse genauso.
So viel verschenktes Potential. Ich glaube es hat irgendwann am Anfang mal ein mutigeres und in sich durchdachteres Drehbuch gegeben, das dann leider im Laufe des Prozesses aus Angst verhunzt wurde. Wie immer sehr schade, wenn man aus Tonscherben rekonstruieren muss, was hätte sein können.
Zum Gernhaben. Hat alles, was einen Wes Anderson ausmacht und schön zu sehen, dass dieses Mal alles wieder etwas fokussierter und leichtfüßiger ist. Wobei schon eine gewisse Komplexität erzeugt wird, da "Asteroid City" der Film auch gleichzeitig ein Theaterstück ist und die Schauspieler ergo Schauspieler spielen, die Schauspieler sind. Das ist glaube ich das erste Mal, dass Anderson so etwas macht, von daher bietet der Film für alle eingefleischten Fans auch genug Neues und Überraschendes. Im Grunde ist in "Asteroid City" alles drin, was Andersons bisherige Karriere ausgemacht hat, es sind fast schon Eigenzitate und durch die ganze Theaterbühne entsteht auch irgendwo der Eindruck, dass Wes Anderson sich selbst ein wenig auf die Schippe nimmt. Wie die Protagonisten im Film bzw im Theaterstück auch sucht man etwas vergeblich nach einem tieferen Sinn oder einer klaren Botschaft - aber wie Tilda Swinton, Jeff Goldblum & Co. uns hier ja lehren, ist das bei einem Wes Anderson egal: erzähl einfach die Geschichte, vertrau der größten Kraft in dir - deiner Neugierde.
Vllt ist Wes Anderson ja auch hier und da ein bisschen unzufrieden mit seinen letzten leicht überambitionierten Filmen gewesen und hat "Asteroid City" jetzt gebraucht. Dass zweimal sehr prominent der Titel eines Stücks namens "Death of a Narcissist" im Hintergrund zu sehen ist, verknüpft sich ganz gut mit obiger Message. Es gibt keinen Löffel. Alles ist gut, denn wenn das Leben nicht perfekt ist, muss ein Film es auch nicht sein.
Ich fand die Grundprämisse zuerst ja eher schwierig und riskant. Ein weltberühmter Regisseur, Ikone seines Fachs, verfilmt sein eigenes Leben? In Hochglanzbildern, mit Top-Stars und Hollywood-Budget? Da wären vermutlich die meisten grandios daran gescheitert und in eine prätentiös-narzisstische Falle getappt. Über die Beweggründe für diesen Film wusste ich im Vorfeld aber auch nichts (publik ist die ganze Story ja schon seit ca. zehn Jahren, dazu später mehr) - mir kam es ein bisschen so vor, als ob Spielberg evt inspiriert durch Cuarons "Roma" einfach Lust bekommen hat, zur Abwechslung mal keinen Genrefilm zumachen sondern etwas durchweg Persönliches zu erzählen, was in der Realität verwurzelt ist. Genau das, was in seinem Oeuvre ja bisher gefehlt hat.
Unter diesem Blickpunkt ist "The Fabelmans" an sich schon beachtlich, da er wieder mal zeigt, wie gut Spielberg einfach ist und seine Qualitäten und Talente als Filmemacher immer ausreichen, um jedes Material zum Leuchten und Funktionieren zu bekommen. Die Rechnung geht aber nicht ganz auf, zumindest auf mich wirkte der Film hin und wieder unrund, wenn er zwischen Realismus und Hollywoodglanz hin und her changiert. Es gibt tolle, emotionale, wahrhaftige Momente, aber immer auch wieder Erklärbärdialoge, an der Glaubwürdigkeit entlang schrammende Abläufe. Immer wieder gibt es Szenen mit Figuren, die äußerst bedeutungsschwangere Dinge sagen, damit der Film erzählerisch eine Message entwickeln kann. In anderen Passagen passiert dagegen nicht viel, sie dienen dazu die Familie stets sympathisch und witzig wirken zu lassen. Und wieder andere sind vermutlich einfach primär Erinnerungen und Anekdoten, die das ganze lebendig machen und vom Schema F abheben, aber so ganz will keine absolut harmonische Einheit daraus werden. Auch passen die anekdotisch-realistischen Erzählungen nicht immer ganz zur opulent-perfekten Gestaltung und umgekehrt. Selbst Spielbergs... tschuldigung, ich meine Fabelmans 8mm-Filme wirken streng genommen viel zu poliert.
Aber genug Gemecker, es hätte wie gesagt auch ein echtes Desaster werden können, von daher war ich am Ende von "The Fabelmans" durchaus angetan von Spielbergs Mut und Können.
Bis mir dann klar wurde, dass der Film ja inhaltlich eigentlich gar nicht zu dem Spielberg passt, den ich bisher kannte. Spielbergs Filme hat stets ausgezeichnet, dass es um zerbrochene Familien ging und primär um Väter, die ihre Familien im Stich lassen oder Kinder, die ohne Vaterfiguren aufwachsen müssen. Das hat resoniert, da die Realität natürlich voll mit solchen Schicksalen ist.
Aber nun, in "The Fabelmans", kommt der Vater sehr viel besser weg und es ist zwar auch nicht wirklich die Mutter, aber... well it's complicated. Unter diesem Licht wird der Film zu einer großen Entschuldigung an seinen Vater, vorgetragen auf der ganz großen Weltbühne. So wie es aussieht haben Spielberg und seine Geschwister die Wahrheit lange Zeit nicht erfahren, da sein Vater seine (ohnehin emotional instabil-fragile) Ehefrau vor deren Groll und evt gar Hass schützen wollte. Nun, nachdem beide verstorben sind, wagt Spielberg mit "The Fabelmans" eine Art Selbsttherapie. Wenn ich es richtig sehe, dann gibt der Meister des Illusionskinos hiermit zu, dass er selbst fast sein ganzes Leben lang einer Ilusion erlegen ist. Bezeichnend hierfür ist die (arg erklärbärige) Szene mit seiner Schwester, in der sie ihm vorwirft genauso zu sein wie die Mutter - die ja in ihrer eigenen Welt lebt, und dem eigenen Herzen folgt, ohne Rücksicht auf Verluste. Auch der echte Spielberg hat das getan. Sich ganz dem Filmemachen gewidmet, statt der eigenen Familie - und der Wahrheit, die irgendwo da draußen zu finden war.
Hier zeigt sich Reue bei Spielberg und es wird klar, warum er den Weg gegangen ist, der Familie einen anderen Namen zu geben. Es ist eben nicht wirklich die Verfilmung seiner eigenen echten Vergangenheit, sondern eine alternative Zeitlinie, in welcher die Kinder die Wahrheit schon früh erfahren, weil beide Eltern offen und ehrlich sind und empathisch mit allen umgehen. Eine typisch spielbergsche Utopie, pure Fabel und Fantasy. Eine kolossale Verarbeitung und Wiedergutmachung. Und das hebt "The Fabelmans" auf ein ganz anderes Niveau, das ist wirklich spektakulär.
Höchst spannend wäre vermutlich auch die Frage, ob Spielbergs Alter Ego Sam Fabelman - dem ja die Wut auf den eigenen Vater das gewisse Etwas, eine wichtige Zutat für gewisse gigantische Filmerfolge verlieh - auch in dieser alternativen Timeline genauso viel reüssieren wird, ohne eben jene tiefe Wunde und klare Schuldzuweisung. Dieser Frage stellt sich der Film natürlich nicht direkt, aber der echte Spielberg, bescheiden seit eh und je, vermutlich schon. Von Selbstbeweihräucherung als Wunderkind und Jahrhunderttalent jedenfalls keine Spur. Stattdessen: Das Leben schreibt die seltsamsten Geschichten.
Ein guter Gaudi, macht Spaß! Das Konzept nicht todernstes High Fantasy zu inszenieren und stattdessen mehr die Atmosphäre und den Spirit einer typischen Pen & Paper Runde einzufangen verfängt sehr gut, im großen ganzen fühlte sich der Film ein wenig wie "Guardians of the Galaxy" im Fantasy-Gewand an. Er kommt an das Vorbild(?) zwar nicht wirklich heran, was auch an dem nicht komplett glaubwürdig-tiefgehenden und eher flach bleibenden Familiendrama liegt, aber es funktioniert trotzdem und ist einfach auch wirklich konsequent rund geschrieben. Die Protagonisten werden zum Helden, indem sie nicht einfach nur die Antagonisten besiegen, sondern indem sie das Antagonistische in sich selbst ausmerzen. Da sollte doch eine Fortsetzung drin sein. Auch das kann man sich ja von Marvel & Co. einfach abgucken 😉
Kommt für mich leider nicht an den genialen dritten Teil heran. "Parabellum" öffnete das John Wick Universum, es gab viele neue Orte und Charaktere, das üppigere Budget führte zu größeren Choreographien und zu mehr VFX, die Story war nicht raffiniert aber wendungsreich und spannend.
Beim vierten Teil ist die Handlung nun sehr geradlinig. Die Action Set Pieces sind zwar noch epischer, aber sie gehen teils so lang, dass das dem Film eher schadet. Dadurch wirken manche Kämpfe repetitiv, es gehen den Machern hin und wieder schlicht die Ideen aus. Und auch die VFX hält einem solch langen Blick teils einfach nicht stand. Besonders Paris als Drehort ist schwierig zu erzählen, und man hat halt Tom Cruise als Vergleich. New York in Teil 3 hatte noch prächtig funktioniert. Das zu toppen ist einfach schwierig. Die VFX sind an sich nicht schlecht, aber um einen ewig langen Kampf rund um den Arc de Triomphe durchgängig glaubwürdig zu inszenieren - das schafft allenfalls James Cameron.
Ein klassischer "Fehler" ist in meinen Augen, dass John Wick durch den Zwang immer größer, krasser, epischer sein zu müssen, immer mehr zu einem unbesiegbar-unkaputtbaren Superhelden wird, mit dem es dann auch zunehmend schwer fällt mitzufiebern. Wer so viele Gegner tötet, naja, der überlebt halt auch die nächsten 300.
In einem solchen Fall braucht es noch mächtigere Antagonisten - genau wie bei anderen Superhelden wie Batman & Co. lebt so ein Film primär von den Gegnern und nicht so sehr vom Helden an sich. Die können bei John Wick aber nicht so galaktisch groß werden wie bei Marvel & Co.
Bei "Parabellum" konnte man dieses Problem noch ganz gut ausbalancieren - denn die Gegner waren super, sie konnten etwas. Gleich in der ersten Szene trat John Wick in der Bibliothek gegen einen riesigen kaum aufzuhaltenden Russen an. Zero funktionierte dann als ebenbürtiger Fanboy voller Ehrgeiz prächtig (Trope: Schüler will Meister übertrumpfen), und die beiden indonesischen MartialArts-Kämpfer Yayan Ruhian und Cecep Arif Rahman waren zum einen zu zweit und zum anderen konnte man klar sehen, dass sie technisch und körperlich einfach wirklich wahnsinnig gut waren.
Teil 4 leidet darunter, dass Donnie Yen zwar sicher auch immer noch ein fantasischer Kämpfer ist, aber mittlerweile etwas in die Jahre gekommen und zum anderen seine Rolle als Caine auch nicht gerade förderlich ist. Er wird gleich zu Beginn als widerwillig mitmachender alter Freund präsentiert, dadurch ist quasi vorprogrammiert, dass Caine gegenüber John Wick zögerlich sein wird. Und er ist blind. Schönes Zatoichi-Zitat, aber so schön es auch anzusehen ist, es funktioniert nicht so richtig gut. Zatoichi als Held ist stark, weil er von den anderen unterschätzt wird und dann alle fertig macht. Aber als Antagonist, gerade noch gegen einen Mega-Killer wie John Wick? Da sehen die Chancen grundsätzlich nicht so gut aus.
Der ziemlich langweilige Tracker mit seinem Hund wirkt einerseits wirklich wie ein Random Nobody aber hin und wieder auch ernsthaft kompetent und er will John Wick ja auch wirklich töten - zuerst ist ihm die Summe aber noch zu niedrig und später wird er von Donnie Yen daran gehindert John aus der Ferne abzuknallen. Und da er einen Hund hat (nur einer? Halle Barry hatte zwei!) ist auch sehr früh klar wohin die Reise am Ende geht. Ernsthafte Gefahr für Wick strahlt der Gute jedenfalls zu keiner Sekunde aus.
Scott Adkins Berliner Mafiaboss Killa ist dagegen genauso wie Donnie Yens Caine ziemlich memorable, also ein interessanter neuer Charakter, aber auch hier, fast als ob sich die Drehbuchautoren absichtlich Stolpersteine legen wollen: er ist dick und er hat Asthma - in Folge dessen rennt er auch weg. Es war eher überraschend, dass er so lange durchhält.
Bleibt der Marquis, der Ersatz für den coolen non-binären Adjudicator aus "Parabellum" als durchgreifenden und mit allen Vollmachten ausgestatteter Arm der Hohen Kammer. Die Richterin stand für das Gesetz, für Staatsmacht, für Recht und Ordnung. Sie muss nicht selbst kämpfen, und genau das machte sie stark und furchteinflößend. Der Marquis dagegen soll es jetzt durchziehen, er soll aufräumen, aber im Vergleich mit den anderen Killern ist er einfach nur reich und arrogant, hat gute Elite-Kämpfer, aber das war es dann auch schon. Sein stärkstes Argument ist lediglich, dass wenn er stirbt, ein anderer Marquis nachfolgen und weiter Jagd auf John Wick machen würde. Also in Teil 5 dann? Well... Auch hier also kein echtes Endgegner-Material.
Da wäre mehr drin gewesen. Aus der japanischen Tochter, die anfangs etabliert wird, wird nichts gemacht, sie verschwindet einfach aus dem Film. Laurence Fishburnes Bettlerkönig unterstützt John Wick aber taucht nur in zwei drei Szenen auf. Da hätte man in Sachen "Arm gegen Reich" durchaus mehr machen können (siehe auch Paris aktuell), gerade im Kontrast zum offensiven Prunk des Marquis. Aber John Wick will offenbar nicht politisch sein. Die mysteriöse Sache mit dem Ältesten in der Sahara wird gleich am Anfang des Films gelöscht, wir kehren nicht wieder in die Wüste zurück. Auch vor metaphysischen Fragen wer der Älteste eigentlich ist, und wer ihn ernennt, drückt sich der Film.
Nichtsdestotrotz taugt "John Wick 4" natürlich trotzdem als reiner Actionfilm. Es sind schon auch wirklich spektakuläre Szenen und Kameraflüge zu sehen. Das Finale ist gut, es bringt die Filmreihe zu einem schlüssigen Abschluss. Nur der Weg dorthin, der hätte mehr Spaß machen können.
Ein unglaublich präzises Meisterwerk. Der Film geht zwar über zweieinhalb Stunden lang, aber ich empfand die genauestens durchkomponierte Charakterstudie einer manipulativen Star-Dirigentin als extrem fesselnd und faszinierend - und stellenweise auch erstaunlich schwarzhumorig. Aufgelockert wird der bewusst streng-trocken-distanziert inszenierte Einblick in die Parallelwelt der klassischen Musik zudem durch immer wieder auftretende psychotisch-übernatürliche Elemente, die die Wahrnehmung der Protagonistin in Frage stellen. Von wem die rätselhaften Zeichnungen stammen, mit wem die Assistentin hin und wieder im Live-Chat ist und ob die neue Cellistin aus Russland ein fingierter Lockvogel und damit Teil einer tatsächlichen Verschwörung ist, bleibt alles offen. Viele dieser weirden Momente werden allesamt nicht beantwortet, sind mitunter einfach nur wirr und wild. Der Trailer ist da aber etwas irreführend, denn ganz so trippy ist "Tár" eigentlich gar nicht. Vielmehr handelt es sich um eine beunruhigende ständige Begleitmelodie - vielleicht ein Hinweis darauf, dass im Kopf von Lydia Tár etwas unterbewusst schon begonnen hat, was sie bewusst noch nicht vorhersehen kann: Dass ihr am Ende des Films die Möglichkeit zu Selbstreflektion und Buße gegeben wird.
Mit einer Narzissmusdiagnose ist man heutzutage ja recht schnell. Lydia hat definitiv einige typische Merkmale, aber sie erfüllt nicht das gesamte Spektrum. Und da liegt auch die Stärke von Todd Field, dass seine kühle Dirigentin trotz all ihrer problematischen Verhaltensweisen kein Abziehbild eines überzeichneten Hollywood-Machtmenschen ist sondern eine vielschichtige lebendige Person. Dies führt zu einem großen Realismusgrad der Inszenierung - all die kleinen Power Games, die sexuellen Avancen, die Gefälligkeiten und Überheblichkeiten, sind nicht übergroß gemalt. Nur ein bisschen größer als das, was im Alltag fast noch als normal durchgehen könnte.
Insgesamt fühlt sich "Tár" seiner Zeit voraus an. Gleich zu Beginn des Films wird die Geschlechterdebatte beiseite gewischt und anschließend ein allzu woker Student und dessen Cancel Culture von Lydia ordentlich bloßgestellt. Der Film ist fast durchweg mit weiblichen Darstellern besetzt, man hätte gerade in Zeiten von MeToo aber auch einen Film über einen der vielen Männer und deren realen Machtmissbrauch machen können. Todd Fields Haltung scheint hier ganz bewusst zu sein - dass es am Ende, also irgendwann in der Zukunft, nicht mehr so sehr auf das Geschlecht ankommt, sondern nur auf den einzelnen Menschen.
Das Ende ist schön ambivalent gehalten. Man kann es negativ sehen, als eine Tragödie, als einen Abstieg von der Champions League runter in die 2. Bundesliga. Als eine Strafe und persönlichen Untergang. Wobei die Tragödie auch noch weitergehen könnte. Auf der Flussfahrt auf den Philippinen wird von den Marlon-Brando-Krokodilen gesprochen, die überlebt haben. Ist Lydia solch ein gefährlicher Dinosaurier? Wie ein pädophiler Priester, der strafversetzt wird und dann woanders wieder rückfällig wird? Das Potential wäre dafür da, wenn da nicht das Übergeben nach der Massage-Salon-Szene wäre und Lydia weder am Wasserfall noch sonstwo irgendwelchen Frauen nachstellt. Stattdessen ist sie fleißig, nachdenklich und konzentriert, arbeitet zielstrebig an ihrem zweiten Leben.
Ergo überwiegt bei mir die positive Interpretation. Lydia erfährt genau das, was sie am Anfang des Films von ihren Studenten verlangt. Sie stellt sich als Dirigentin komplett unter das Werk, die Kunst, verzichtet auf das Ego, das sie vorher nach ganz oben geführt hat. Und das bedeutet nach ihren eigenen Worten, dass alles, auch die eigene Identität aufgegeben werden muss. Eigentlich befindet sich Lydia ja gefühlt in der Hölle - muss Videospielmusik vor verkleideten Cosplayern aufführen. Todd Field verwehrt uns jedoch absichtlich ein Closeup, wir sehen Lydia nur von hinten. Leidet sie? Oder erträgt sie es stolz und sieht das ganze nur als Intermezzo während in New York andere ihr Comeback in ein paar Jahren planen, wenn der Skandal in Vergessenheit geraten ist? Oder hat sie sich wirklich innerlich verändert? Sind Risse in ihre grandiose Selbstwahrnehmung reingekommen? Es obliegt wohl letztlich uns Zuschauern.
Oder liegt das Szepter doch beim Genius, der das alles geschrieben und inszeniert hat? Die Musik aus "Monster Hunter" ist positiv, triumphierend, und der Monolog endet sehr deutlich damit, dass es kein Zurück gibt und nun eine neue Welt beginnt...