jp@movies - Kommentare

Alle Kommentare von jp@movies

  • Camerimage 2019 - #11

    John Bailey brachte direkt noch einen Film mit, der ein paar Jahre auf Eis lag. Am letzten richtigen Festivaltag, in der vorletzten Vorstellungen waren vielleicht noch 50 Leute anwesend, aber er eben auch. Der Rest des Festivals ließ sich schon auf der Hawk-Party volllaufen, während im Kino ein kleiner Junge den Mongolen in sich entdeckt. Gerade der Anfang zeichnet sich durch einen wunderbaren Humor bei tiefer Charakterzeichnung aus, der auch in die volle Tragik umschwingen kann, ohne dabei auch nur ansatzweise kitschig zu sein. Das kommt dann leider doch noch im Hauptteil des Films, der etwas zu sehr mäandert und Fässer aufmacht, die man einfach am Wegesrand hätte stehenlassen können. Dennoch ist alles in tollen Bildern eingefangen, die die Mongolei auf dem Nordamerikanischen Kontinent findet. Also bis auf ein paar obligatorische Second-Unit Shots. Die sentimentale Stimmung und pädagogisch wertvolle Auflösung kann man hinnehmen, die Standing Ovations für den sichtlich gerührten Bailey nach der Vorführung waren ohnehin unübertroffen. Näher kann man sich als Filmfan und Filmemacher nicht sein. Um so schöner war es, dass er eben ein Herz für die vergessenen Werke seiner Filmografie hatte, als es um die Zusammenstellung seiner Retro ging, die auch sehr gut ohne TÄGLICH GRÜSST DAS MURMELTIER auskam. Ein bescheidener, herzenswarmer Handwerker.

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    • jp@movies: Film & TV Kamera 17.11.2019, 19:36 Geändert 17.11.2019, 19:46

      Camerimage 2019 - #7

      Der Andrang war so groß, dass tatsächlich eine zweite Vorführung organisiert wurde. Ich hätte vielleicht auch besser die zweite genommen, als in der dritten Reihe noch mehr Verzerrung des Bildes hinnehmen zu müssen, als ihnen durch die antiken Optiken ohnehin innewohnte. Innewas? Ich wähle so ein selten benutztes Wort, weil es die Dialoge im Film auch tun, die zum Teil 1:1 aus Leuchtturmwärtertagebüchern des 19. Jahrhunderts stammten. Robert Eggers ist halt ein klein wenig besessen, was Details betrifft, und das ist mir nicht ganz unsympathisch. Auch sein Kameramann kreiert den Look lieber gleich in der Kamera, ohne sich auf die Postproduktion zu verlassen. Das birgt auch Risiken (VFX Einstellungen etwa), aber sorgt auch für größere Kontrolle der Datenpipeline. Der Film selber macht Spaß. Kaum am Ort des Geschehens angekommen, beginnt ganz sprichwörtlich der Pissing-Contest der beiden ungleichen Männer. Es wird eher wenig gesprochen, und dann von Willem Dafoe immer wieder mal ganz viel, in Untersicht (multipliziert mit Reihe drei), mit hartem Licht auf den Rauschebart und was will man mehr? Was soll das noch überbieten? Ihn nackt als Zeus posieren zu lassen vielleicht, aber kann man sich dessen sicher sein? Was sieht man hier, was bildet man sich ein? Wer was mit Stummfilmen anfangen kann, der kriegt hier die volle Dröhnung. Also auch auf die Ohren. Das Nebelhorn hallt einem durch den Kopf und hört auch nach dem Film im vergleichsweise moderaten Regen von Toruń nicht auf. Jedenfalls habe ich jetzt direkt Lust mir THE PHANTOM LIGHT von Michael Powell anzuschauen: https://www.youtube.com/watch?v=wVfqTJZi4AU

      PS: Muss dringend THE WITCH nachholen. Als nächstes macht er übrigens was mit Wikingern. Kein Scheiß.

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      • jp@movies: Film & TV Kamera 17.11.2019, 16:50 Geändert 18.11.2019, 20:18

        Und da ist es auch schon wieder vorbei. Hat sich lang angefühlt, war anstrengend, glänzte dann aber doch wieder durch diese großen kleinen Momente, für die man es liebt. “You know how it is, Doyle never shuts up, and Quentin talks even more!” ist eins meiner Lieblingszitate aus diesem Jahr, zu dem ich nicht mehr Kontext geben kann, als dass er gestern fiel, während die beiden zusammen länger mit Edward Norton beim Frühstück saßen, während das Hotel von Autogrammjägern belagert wurde. Das habe ich in der Art bei dem Festival noch nie erlebt und belegt meine Befürchtung, dass man es dieses Jahr mit der Starpower übertrieben hat. Die Jury des Hauptwettbewerbs hat Lawrence Sher (great Interview coming up) für JOKER ausgezeichnet, was handwerklich ebenso wenig überrascht, wie die Wahl der beiden anderen Gewinner. Allen dreien ist gemein, dass sie ihre Ästhetik ganz in den Dienst der Narration stellen, ihr den Vortritt lassen. So viel Fingerspitzengefühl legten nicht unbedingt alle Jurys (hier hat jede Sektion ihre eigene) an den Tag, aber das würde jetzt zu weit führen. Der Neustart an alter Wirkungsstätte ist geglückt, vielversprechend, und doch auch Besorgnis erregend. Eben die ganze Bandbreite, die man hier erwarten konnte.

        Hier noch die vollständige Liste der Gewinner: https://camerimage.pl/en/laureaci-energacamerimage-2019/ Den vollständigen Festivalbericht gibt es dann wie gehabt in der Januar/Februar Ausgabe 2020, die Ende des Jahres erscheint. Danke für’s Mitlesen :)

        #6 / https://www.moviepilot.de/people/geraldine-orawe/comments/2016426
        #7 / https://www.moviepilot.de/movies/der-leuchtturm/kritik/2017751
        #8 / https://www.moviepilot.de/movies/atlantique/kritik/2018112
        #9 / https://www.moviepilot.de/movies/gareth-jones/kritik/2017552
        #10 / https://www.moviepilot.de/movies/motherless-brooklyn/kritik/2018174
        #11 / https://www.moviepilot.de/movies/in-der-ferne-zu-hause/kritik/2017758
        #12 / https://www.moviepilot.de/movies/once-upon-a-time-in-hollywood/kritik/2017551

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        • Camerimage 2019 - #9

          Agnieszka Holland inszeniert nahezu auf Autopilot ein wenig bekanntes Kapitel vom Vorabend des zweiten Weltkrieges. Der junge Journalist Gareth Jones reist nach Russland, um Stalin zu interviewen, und will außerdem unbeobachtet im Land recherchieren. Als es ihm dann tatsächlich gelingt, erlebt er hautnah die Hungersnot in der ausgebluteten Ukraine, der Millionen zum Opfer gefallen sind. Die Bilder rund um den Hunger sind eindrücklich, in langen, ruhigen Einstellungen, mit wenigen oder ganz ohne Schnitte, und der Horror wird auf eine Weise greifbar, die einem selbst den Magen zuschnürt. Da ist der Film wirklich bei sich und echtes, großes Kino. Andere Erzählstränge leider weniger, etwa jener, der ihn bzw. seine Arbeit zur Inspirationsquelle von George Orwell werden lässt, klingen auf dem Papier besser, als sie sich in den Film einfügen. Besser gelingt das beim Flirt mit der Kollegin (einmal mehr ganz toll: Vanessa Kirby), dafür verwirrt der Film mit unfassbar unpassenden Highspeed-Montagen - und damit meine ich nicht die Schnittfrequenz, sondern tatsächlich, dass das Filmmaterial chaplinesk schneller läuft. Das fällt ästhetisch dermaßen aus dem Rahmen, dass man sich fragt, was die Regisseurin da geritten hat. Das Konzept den Bildern ausgehend von London via Moskau zur Ukraine nahezu alle Farben zu entziehen, wird gut umgesetzt, ist aber auch ein bisschen platt. Unterm Strich bleibt dennoch ein Film, der insofern relevanter nicht sein könnte, weil er sich um das rechtzeitige Erkennen von Vorzeichen einer sich ankündigenden Katastrophe dreht, die Rolle und Macht der Medien dabei beleuchtet, sowie die Erkenntnis, dass kulturelle Werke am Ende den längeren Atem haben, als hasenfüßige Politik, die Konflikte ebenso scheut, wie den Kampf um Menschenrechte. Ob wir was draus lernen, liegt natürlich wieder an uns selbst, und es sieht einmal mehr schlecht für uns aus.

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          • jp@movies: Film & TV Kamera 17.11.2019, 01:55 Geändert 17.11.2019, 18:13

            Camerimage 2019 - #12

            Lehne ich mich zu sehr aus dem Fenster, wenn ich vorhersage, dass Tarantinos zehnter und letzter Film aus viereinhalb Stunden Großaufnahmen nackter Frauenfüße bestehen wird, die jemanden zum Sound ausgegrabener Oldies blutig treten? Da kommt einfach nichts neues mehr. Früher hat er gut geklaut, frisch remixed und heiß serviert, jetzt recycelt er nur noch sich selbst, was so aussieht wie das Hundefutter aus der Dose (ich hätte Pitt aber noch ne Stunde länger dabei zugeguckt, wie er Dosen aufmacht und den Inhalt in den Napf plumpsen lässt). Immerhin behält er damit zumindest in Bezug auf sich selbst Recht, was die Qualität von so manchem Alterswerk angeht. Auf der Bühne legte er vor dem Film eine Rampensauerei hin, die man inzwischen sicher schon auf youtube finden kann, während sich sein Kameramann offenbar kurz vor der Preisverleihung eine der LSD-Zigaretten reingezogen hat, die drei Stunden später aber so richtig gezündet haben. Meine Fresse, war der breit. Ich hab mich lange nicht so vor Fremdscham gewunden. Alte Männer, die sich wie Teenager gebaren, sind einfach ein bemitleidenswerter Anblick. Nun ja, Quentin wird in Kürze Vater, das könnte dann tatsächlich noch einmal spannend werden - und in der vorangegangenen Nacht sind wohl in Toruń knapp 40 Seiten Drehbuch entstanden (also schätzungsweise 50 Minuten Film bzw. 2 Dialogszenen). Will er auf irgendetwas hinaus, außer mit coolen Songs in alten Autos durch die Gegend zu fahren? Finde ich ja legitim, aber wenn die Luft raus ist, weil man sich selbst sabotiert hat, dann kann man gefälligst auch selbst den Reifen wechseln, und muss deswegen nicht gleich die Kavallerie rufen. Oder sich selbst im Kino bewundern. Merk ihr was? Wiederkäuen dauert einfach länger, als etwas in einem Rutsch zu verdauen. Vier mal der gleiche Gag mit der eingeblendeten Uhr im Kontrast zur vagen Zeitangabe des Voiceovers in drei Minuten? Ernsthaft? Die Szene auf der Ranch war wenigstes in Ansätzen spannend, weil einmal die Örtlichkeit wunderbar zur Geltung kam, und man spürte, dass da niemand mehr sagt, was er denkt. Aber ehe ich es mir noch schlimmer mit meiner halben Freundesliste verscherze, lobe ich lieber nochmal Brad Pitt, der jetzt endgültig Steve McQueen Level erreicht hat. Eigentlich hätte man ihn in GESPRENGTE KETTEN kopieren können. Wait, what? Die haben was… und ich dachte, ich hätte wenigstens das schon erfolgreich verdrängt.

            PS: Ich poste das absichtlich jetzt gleich, weil so mitten in der Nacht sieht es ja vielleicht keiner, und ich komme ungeschoren davon.

            PPS: Einmal mehr bestätigt sich der Verdacht, dass Quentin seine Materialfülle ohne Sally Menke am Schnittplatz einfach nicht gebändingt bekommt. Gefilmt ist alles nach wie vor toll, aber ohne sie ufert es aus, und ich verliere unterwegs komplett das Interesse.

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            • jp@movies: Film & TV Kamera 15.11.2019, 08:08 Geändert 15.11.2019, 08:09

              Nur kurz was zur Kamera, weil ich da beruflich drüber schreibe, ansonsten halte ich es mit der spannenden Einsicht und Erfahrung von GierigeEnte im Kommentar weiter unten, die man gar nicht hoch genug einschätzen kann. Seine Meinung ändern zu können, weil man etwas gelernt/erfahren hat, ist der Goldstandard.

              Also: Je mehr Begriffe man kennt, desto mehr sieht man. Wahrgenommen habt ihr es auch schon vorher, benennen kann man es nur, wenn man weiß, dass es auch einen Namen dafür gibt. Oder um es mit Ludwig Wittgenstein zu sagen: "Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt." Zwischen scharf und unscharf kann wohl noch jeder unterscheiden, bei Schärfentiefe hört es wahrscheinlich schon auf. Stativ und Handkamera lassen sich ebenfalls leicht voneinander unterscheiden, auch wenn da der Schein trügen kann. Objektiv (pun intended) lässt sich vieles beurteilen, indem man nachfragt - drum mache ich ja Interviews :) Die Frage nach Brennweiten und Herstellern ist dabei zwar Standard, aber auch die uninteressanteste. Beim Warum wird es spannend, da geht es dann um Prozesse, subjektiven Geschmack und wie man ihn erzielt. Klingt lecker, und hat auch sonst viel mit Küche und Kochen gemeinsam. Filmemachen ist halt ein Hexenkessel.

              Es gibt so viele Herangehensweisen an einen Film, wie es Kameraleute gibt, das kann in die Hose gehen, oder es findet sich ein Team, das für einander geschaffen ist, weil es intuitiv auf einer ähnlichen Wellenlänge arbeitet. Nehmt etwa Todd Philipps und Lawrence Sher. Letzteren habe ich diese Woche gesprochen, und er hat übrigens die Analyse von Jenny hier ( https://www.moviepilot.de/news/joker-im-kino-was-den-dc-film-antreibt-haben-die-hangover-filme-vorgemacht-1121616 ) zu 100% bestätigt. Cool, oder? Und weil es so schön ist, lasst euch doch von ihm gleich ein paar Begriffe aus dem Kameradepartment erklären, und ihr werdet mehr in dem erkennen, was ihr objektiv eigentlich schon längst gesehen habt: https://www.youtube.com/watch?v=th9pG9Q6Kuo Wer davon angefixt ist, kann dann bei Steve Yedlin so richtig nerdig werden, bis einem der Kopf raucht - science, bitches: http://www.yedlin.net/

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              • Camerimage 2019 - #6 - MARIETTE IN ECSTASY (1996)

                Alter Falter, jetzt aber doch eine faustdicke Überraschung, die Weltpremiere eines Films, der aufgrund einer Studiopleite nie die Lichtspielhäuser erblickte: die zweite Regiearbeit von John Bailey, gefilmt von Paul Sarossy, der am Set seine zukünftige Ehefrau (und hier Hauptdarstellerin) Geraldine O'Rawe kennenlernte. Alle drei waren nach dem Film da. Worum es geht? Um die Jahrhundertwende geht eine junge Frau freiwillig ins Kloster, und … nun ja, das war’s schon. Rutger Hauer spielt einen katholischen Pfarrer, ist dabei aber so zahm, wie man ihn vielleicht noch nie gesehen hat. Überhaupt ist das Ensemble fantastisch besetzt, und die Einstellungen sind wie gemalt, obwohl die Abtastung des DCPs nur suboptimal war. Was für eine Perle von Film, nahezu auf der Höhe mit BLACK NARCISSUS, nur mit einem anderen Twist, der den Glauben der Nonnen auf die Probe stellt, und nicht die Novizin. Allein das ist schon mal eine gelungene Variante, aber auch sonst weiß er zu überzeugen.

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                • Der leere Schreibtisch von Kängufant - DEN nenn' ich ein Bild aus der Hölle!

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                  • Wir wollen auch zurück in eine Vergangenheit, in der Kängufant noch die Belange der Community gemanagt hat.

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                      • Blutiges Chaos auch hinter den Kulissen von Moviepilot:
                        Kängufant zum Abschuss abgegeben. Wegen seinem Elfenfein!

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                          • Die Rolle hätte Kängufant viel besser zu Gesicht gestanden. Skandal!

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                            • Lohnt sich Moviepilot überhaupt noch, so ganz ohne Leitelefant?
                              https://www.youtube.com/watch?v=b1z4JfxFb6c

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                              • Halbzeitbilanz: Dieses Jahr habe ich kein Händchen zur Filmauswahl. Das Festival möglicherweise auch nicht. Jedenfalls bin ich inzwischen derart verunsichert, dass ich dazu neige mir die verbliebenen Filme besser auszuwürfeln, als mich auf meine Intuition zu verlassen. Meine Fresse.

                                Bin hin und her gerissen, die Interviews laufen super, die Veranstaltungen und Filme wirken nicht mehr so überbucht, wie in den Vorjahren (mit Ausnahme des Hauptsaales, der schlicht viel zu klein für den Ansturm ist - also lässt man ihn entweder aus, oder sollte sich auf mindestens eine halbe Stunde Schlange stehen einstellen). Vor 20 Jahren war es hier deutlich charmanter, und jetzt, da das Festival gänzlich an seinen Ursprung zurückgekehrt ist, fällt es um so mehr ins Auge, wie sehr es sich inzwischen von sich selbst entfremdet hat. Das stimmt mich melancholisch bis traurig, was prima zum Regen passt. Noch weiß ich mir keinen Reim darauf zu machen, mal sehen, was die zweite Hälfte bringt.

                                #3 / https://www.moviepilot.de/movies/the-last-black-man-in-san-francisco/kritik/2016020
                                #4 / https://www.moviepilot.de/movies/radioactive/kritik/2016030
                                #5 / https://www.moviepilot.de/movies/dogs-don-t-wear-pants/kritik/2016033

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                                • Camerimage 2019 - #5

                                  Laut Programmheft hat der Regisseur das Talent, ohne viel Worte viel mit Blicken zu erzählen. Im Klartext bedeutet das: Ein Herzchirurg ist mit seiner Kleinstfamilie im Urlaub bzw. Wochenendhäuschen, verliert dort seine Frau durch einen Unfall, und wäre beim Rettungsversuch beinahe selbst ertrunken. Als alleinerziehender Vater ist er eine Niete, erlaubt seiner minderjährigen Tochter aber immerhin ein Zungenpiercing zum Geburtstag, wobei er dort zufällig eine Domina kennenlernt - so ist auch der Titel zu verstehen. Nix skurrile Metapher Aki äh aka Kaurismäki. Das ist die Exposition, bis dahin war der Film noch gelungen, dann hätte ich ma schnell gehen sollen. Denn einer Domina bei der Arbeit zusehen zu müssen, ist so angenehm wie einen nächtlichen TV-Werbeblock Mitte der 90er Jahre zu ertragen. Danach kommt dann auch außer viel Hinauszögern des offensichtlichen Wunsches auch nichts mehr, also außer dass es dann noch schlimm in Stalking umschlägt, um in eine Sado-Maso oder Machu-Picchu oder was weiß ich wie geartete Liebesbeziehung(!) zu münden, die den Charme eines alten Rammstein-Musikvideos hat, der auf Spielfilmlänge ausgeweitet wurde, minus die Musik, aber dennoch mit Flake. Musikalisch gibt es immerhin ein Cover der Beach Boys, dessen Parallelmontage ganz nett gedacht war, aber nicht annähernd so verstörend ist, wie vergleichbare Szenen bei David Lynch. Bei der Inspiration bin ich mir recht sicher, wegen der Sache mit dem Fingernagel. Kann mich aber auch irren, bin nicht zum Q&A geblieben. Und Frau Tochter’s Lösung ist natürlich ein Junge mit Moped. Gruseliger Streifen. Fingernagel weg, liebe Leute.

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                                  • Camerimage 2019 - #4

                                    Giftgrün ist die Hoffnung, bringt den Tod, kann aber auch Leben retten. Da kommt man aus einem Interview mit Jakob Ihre, dem Kameramann von CHERNOBYL, um dann in einen Film zu stolpern, in dem diese Katastrophe ebenfalls wieder vorkommt, während das Husten auf der Leinwand nahtlos in jenes davor überging. Unangenehmer sind die vielen Vorblenden, in denen die Protagonistin gar nicht vorkommt, die sich alles andere als harmonisch in den Film einfügen, die darin wie Fremdkörper wirken. Vielleicht deshalb, weil er eigentlich von einer Rahmenhandlung ausgehend in Rückblenden wechselt, wobei erstere von den Vorblenden dann noch übersprungen wird. Könnt ihr mir noch folgen? Der Film will und hat einfach viel zu viel zu erzählen, deshalb wirkt er ständig gehetzt, dann wieder zu erklärend, zerfällt schließlich vor unseren Augen. Dabei gibt es mit Rosamund Pike eine fantastische Maria Sklodowska, gegen die sich Sam Riley als Pierre Curie kaum zu behaupten weiß, und doch bringen beide in ihren Szenen ein selten gesehenes, gleichberechtigtes Beziehungsverständnis zustande, was wundervoll anzusehen ist, und sich noch in die nächste Generation rettet. Das für sich ist mindestens so progressiv, wie ihre beiden Nobelpreise, aber das eigentliche Herz des Films, nur um es dann mit einer Szene doch wieder in Frage zu stellen. WTF? Es glitscht einem mit Herzrhythmusstörungen ständig aus den Händen. Zu viel und zu oft springt der Film durch die Lebensjahre, dann wieder in die Zukunft mit den Folgen ihrer Entdeckung, die selbst wie ein Krebsgeschwür wirken, dass es durch Bestrahlung zu verkleinern gelte. Obendrein gibt es ein/zwei künstlerische Montagen, die in den Augen weh tun, sowie obendrein Bildungsfernsehvisualisierungen(!) der Elemente, die nur stören. Dabei suggeriert schon die Flare-Ringe der Sonne in der ersten Einstellung elegant die Bahnen der Elektronen, Anthony Dod Mantle zieht alle Register, doch die Kraft seiner Bilder verliert sich unter zu viel (und inkonsistenter) Musik und einer Montage, der die eigene Protagonistin ständig zu entgleiten droht. Das hätte eine überfällige, aktuelle Mini-Serie werden können. Als Spielfilm wäre es aber sicher ratsam gewesen, sich nur auf einen Zeitabschnitt zu konzentrieren, eine Kernhandlung, sonst sieht man nur überall Spaltprodukte.

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                                    • jp@movies: Film & TV Kamera 13.11.2019, 08:50 Geändert 13.11.2019, 08:50

                                      Camerimage 2019 - #3

                                      Wohlwollend formuliert beginnt der Film als ein grelles, theatralisches Märchen, das gegen Ende endlich der Realität weichen muss. Das ästhetische Konzept “unterstützt” das, indem es seinen inneren Wes Anderson rauslässt um eine Skater-lite-Version von MOONLIGHT zu inszenieren, in der für mich einfach lange gar nichts zusammenpassen will. Allerlei Brennnweiten und Spielereien kommen gerade in der ersten halben Stunde so überproportional zum Einsatz, geradezu marktschreierisch schöne Bilder, die die ganze Aufmerksamkeit für sich beanspruchen, da muss sich die dünne Story voller San-Francisco-in-jokes hinten anstellen. Jedenfalls in der ersten Hälfte des Films, in der ich eigentlich nur wieder rauswollte, aber der Bus kam einfach nicht. Ein schöner Satz fällt jedoch, es geht dabei um Heimat: “You don't get to hate it unless you love it first.” Mehr muss man leider nicht wissen. Wer sich den Film dennoch ansehen möchte, dem empfehle ich zur Vorbereitung diese Podcast-Folge: https://99percentinvisible.org/episode/model-city/

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                                          • Wusstet ihr eigentlich, dass Kängufanten vom Aussterben bedroht sind?

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                                            • jp@movies: Film & TV Kamera 12.11.2019, 01:30 Geändert 12.11.2019, 01:30

                                              Camerimage 2019 - #2

                                              100 Drehtage, verteilt auf 3 Jahre, in einem Tal ohne Strom, mit drei Kameras, ein paar Akkus und tolle Protagonisten ergeben 400 Stunden Material. Ein Jahr Schnitt später liegt ein Film vor, der mich zwiegespalten zurück lässt. Man erkennt noch die verschiedenen Drehblöcke, sowie die Verschiebung des dramaturgischen Rahmens, nach der Ankunft der anderen Familie. Das passt stellenweise wunderbar zusammen, bleibt dafür an anderen Stellen mit fragwürdigen Entscheidungen Antworten schuldig, die auch das Q&A nicht hinreichend erklärte (was auch an den Sprachbarrieren lag). Wett macht der Film seine Schwächen mit den tollen Menschen und Bildern, denen man hier sehr nahe kommt, und da die Dreharbeiten eine Verbesserung ihrer Lebensumstände zur Folge hatten (die Protagonistin ist gerade in New York - und ehrlich gesagt würde ich dabei auch gerne über ihre Schulter gucken), sollte man nicht zu viel meckern.

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                                              • jp@movies: Film & TV Kamera 12.11.2019, 01:29 Geändert 12.11.2019, 01:41
                                                über Intrige

                                                Camerimage 2019 - #1

                                                Polanski’s jüngster Film mag nicht jedermanns Sache sein, ja vielleicht spröde wirken, aber er ist aus einem Guss, schnörkellos erzählt und perfekt umgesetzt. Das ist mehr als ich von allen(!) anderen bisher (Tag 3) hier gesehenen Filmen sagen kann, deren auffallendstes, übergreifendes gemeinsames Merkmal ist, dass sie derart fragmentiert daherkommen, dass da einfach nichts erkennbar wird, dass sie zusammenhält. Das ist derart frustrierend, dass dieser Film daraus wie eine Perle herausragt, dabei tut in dem Film eigentlich nur jemand unumstößlich und unnachgiebig seinen Job. Humorlos zwar, aber mit großer Sorgfalt, Aufmerksamkeit, Scham aufgrund einer neuen, nicht für möglich gehaltenen Erkenntnis, sowie grenzenlosem Durchhaltevermögen. Getragen wird das von einem wie selbstverständlichen Gerechtigkeitssinn, dem sich alle eher viel viel später als gleich beugen werden, auch wenn es im Moment sonst keiner tut, außer einem selbst. Großes Kino muss nicht viel Tamtam machen, und manche Veränderungen in einer Behörde erkennt man an einem neuen Anstrich, und einem neuen Pförtner, der wacher ist, als sein Vorgänger. Mehr davon würde uns allen gut zu Gesicht stehen. Der richtige Film zur rechten (sic!) Zeit.

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                                                • Okay, here we go ... ich hinke ein wenig hinterher, denn die neuen Örtlichkeiten und damit einhergehenden veränderten Abläufe sind noch gewöhnungsbedüftig. Man steht viel Schlange, deren Abstände ich ab sofort in der Einheit von Donnersmarck rechnen werde, weil er gut sichtbar mindestens einen Kopf (plus Frisur) aus der Menge herausragt. Beispielsatz: "Wat bin ick froh, dat ick noch 2 Donnersmarck von von Donnersmarck stehe, da kann ick nich hören wat er der Dame mit dem Hut im Gang erzählt." Na gut, das klingt ein bisschen holprig.

                                                  Zwei Interviews sind schon im Kasten, eins trotz mehrfacher Verschiebeung und Gerenne ausgefallen, dafür ein anderes überraschend mit reingekommen, das steht direkt heute an, erst zwei Filme gesehen, und nichtmal die Kurzreviews fertig. Will sagen, reiche ich hier alles nach, entweder unter diesem Kommentar, oder als neuen oben drüber - ja, wahrscheinlich so. Jetzt muss ich los - bin schon spät dran :)

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                                                  • DAS ist ein Animationswunder: https://www.youtube.com/watch?v=vdXhWS7lLvs
                                                    *steigt auf seinen Schreibtisch*
                                                    .
                                                    "Oh Kängu, mein Kängu -"
                                                    .
                                                    FANT!

                                                    7