angucker - Kommentare

Alle Kommentare von angucker

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    angucker 05.11.2024, 10:10 Geändert 12.11.2024, 10:23

    Manchmal verändert sich die Wahrnehmung einer Serie im Laufe der Jahre. Vor 7 Jahren hatte ich diese wohl kommerziell erfolgreichste Sitcom aller Zeiten nach einer stichprobenartigen Besichtigung einzelner Episoden aus der gesamten Laufzeit gnadenlos abgewertet. Mittlerweile bin ich im Re-Watch und kann der Serie einiges abgewinnen. Zwar sind viele Gags gnadenlos misogyn, etwa wenn es um Judith, die geschiedene Ex-Frau von Alan oder die zahlreichen Betthäschen von Charlie geht. Aber die Drehbuchschreiber haben ihren 3 männlichen Hauptdarstellern extrem viel Selbstironie mit auf den Weg gegeben und lassen diese sich regelmäßig selbst lächerlich machen. Das stellt eine halbwegs angemessene Gewichtung von Männern und Frauen durchaus sicher.

    Und das Gagfeuerwerk zündet durchaus, kommt immer wieder auf den Punkt. Auch dann, wenn es in vielen Fällen um Säuferwitze, Sex-Witze oder ähnliche Kaliber geht. Das liegt vor allem an den gut gecasteten Nebenrollen wie etwa der extrem derben Haushälterin oder der wirklich unausstehlichen Mutter der beiden Brüder, die in ihrer überragend kaltherzigen und narzisstischen Verblendung mich (ich darf das offen sagen) in vielen Punkten an meine inzwischen zum Glück verstorbene eigene Mutter erinnert. Auch der "Stalkerin" Rose und der gut aussehenden Intelligenzbestie Kandi kann ich etwas abgewinnen wie auch den immer wieder auftauchenden weiblichen Nebenrollen wie der Wirtschaftsprofessorin/Schwester von Judith mit ihrer selbstbewussten "erwachsenen" Herangehensweise an Charlie.

    Das kann durchaus Spaß machen vor allem dann, wenn die Drehbuchautoren immer wieder mit dem Klischee "raue Schale, weicher Kern" spielen, die beiden Brüder über ihre eigenen Probleme mit Frauen und der eigenen Mutter stolpern oder der Junge sich an fast allem uninteressiert zeigt, was nicht Essen oder Verdauung ist. Da werden sogar die etwas abgeschmackten Scheidungswitze und Unterhaltswitze bisweilen komisch und etwa im Vergleich zu dem rund 10 Jahre älteren Dauerbrenner "Eine schrecklich nette Familie" (Al Bundy) ist das nicht einfach nur doof und frauenfeindlich. Allerdings werde ich mir die letzten Staffeln ohne Charlie Sheen in jedem Fall ersparen. Die Serie war so kommerziell erfolgreich, dass sie buchstäblich zu Tode geritten wurde und Ashton Kutcher ist in diesem Gesamtkonzept wirklich ein Fremdkörper.

    Edit: Ende Re-Watch nach der 8. Staffel. Es ist zuletzt grauenhaft - method acting mit einem ständig komplett zugedröhnten Charlie Sheen und sich ständig wiederholenden Furz-, Penis- und Sexwitzen. Man erkennt die sinkende Qualität der Serie auch daran, dass bis zu 5 Personen als Autoren für die Drehbücher der Episoden verantwortlich zeichnen - das scheint, als hätte ein vom kommerziellen Erfolg der Serie begeistertes Team aus Produktion, Regie und anderen Personen sich die Dialog am Kneipentisch ausgedacht. Bis zu 6. Staffel ist die Serie (meist mit maximal 2 Drehbuchautoren, regelmäßig einer der Schöpfer dabei) gute Sitcom. Danach kommt das Grauen. Und den "Muttersöhnchen" Quatsch mit Ashton Kutcher muss man überhaupt nicht haben. Es kann nicht funktionieren, eine Serie mit einem komplett anderen Hauptdarsteller zu rebooten. Und zuletzt ging mir das schwulenfeindliche Getue des offenbar als latent homosexuell beschriebenen Jon Cryer (Alan) auch immer mehr auf den Zeiger.

    Fazit: Nach der 6. Staffel spätestens aufhören und nichts vermissen.

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      Da ich weder das Bedürfnis habe, Angelina Jolie nackt zu sehen oder minutenlang auf ihre dicken Lippen mit dem immer leicht geöffneten Mund zu starren, konnte dieser übel stereotype Film mich nicht lange fesseln. Vorgespult habe ich dann nicht mehr, da die beliebige Aneinanderreihung von gefakten Liebesakten mit einfallsloser Kamera schon nach einer halben Stunde langweilig wurde.

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        angucker 05.11.2024, 09:52 Geändert 07.11.2024, 12:55

        Aus der amüsanten Grundidee (Baby wird von dort angestellten Hippie-Eltern in einem mexikanischen Club-Resort geboren und wächst dort auf), die bereits in den ersten 5 Minuten des Films rasant den Zuschauenden hin geworfen wird macht diese französische Komödie guten Unterhaltungsdurchschnitt. Die skurrile Begegnung des dem normalen Leben entwöhnten, inzwischen erwachsen gewordenen Mannes aus dem Ferienklub mit einem eher windigen Pariser Taxifahrer auf der Suche nach der Jugendliebe zieht der Film gnadenlos durch und produziert daraus immer wieder amüsante Dialoge und brauchbare Gags. Der Regisseur/Hauptdarsteller Dany Boon, sein Kumpel Kad Merad und vor allem Charlotte Gainsbourg geben dem Affen nicht zu viel Zucker, sodass die Grenze zum schrillen oder schmerzhaften Komödienstil nie überschritten wird. Doch, das kann man angucken.

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          angucker 30.10.2024, 07:07 Geändert 30.10.2024, 07:51

          Solide gemachtes Feel-Good Movie mit dem singenden Nerd James Corden in der Hauptrolle. Der ist zwar viel größer, selbstbewusster und charismatischer als der im wirklichen Leben eher kleine und unscheinbare Paul Potts, schafft es aber, die sogar körperlich spürbare Unsicherheit des porträtierten Sängers auf die Leinwand zu bringen. Die Musik ist hörenswert, der britische Humor überall präsent und mit Darstellenden wie Julie Walters, Colm Meany und Alexandra Roach kann der Film nicht viel falsch machen. Auch wie der physische Kraftakt des Operngesangs ("Kopf hoch, Kinn locker, Zwerchfell stramm und dann volle Pumpe") hier gespielt/gezeigt wird, ist sympathisch und sehenswert. Gut gefallen haben mir die Szenen in Venedig, wenn der seine Sangeskraft testende Potts mit einer begabten italienerischen Opernschülerin balzend um die Wette singt.

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            angucker 27.10.2024, 10:19 Geändert 27.10.2024, 10:21

            Vermutlich der schlechteste Film von Tinto Brass - dem italienischen Sexfilm-Regisseur, der mit seinem unter schrillen Bedingungen entstandenen und später durch die Produzenten völlig verstümmelten Großfilm "Caligula" (1979) durchaus Filmgeschichte geschrieben hat. Brass kann Kino - keine Frage. Seine Kameraeinstellungen sind teilweise genial wie hier die in krasses Streiflicht getauchten Schwarz-Weiß Einstellungen der ersten 5 Minuten. Das erzeugt eine düstere Spannung und sieht einfach gut aus. Aber dann...

            Schweigen wir von den selbst für dieses Genre unterirdischen Dialogfetzen, dem frauenfeinlichen Drehbuch mit einer Hausfrau, die sich von ihrem 27 Jahre älteren Ehemann aushalten lässt wie eine Prostiuierte und dafür so richtig angetörnt wird, wenn sie (mit dem Geld Ihres Mannes) die Spielschulden des jungen Hallodri von der SS bezahlen darf. Das ist ebenso absurd wie jene völlig geschmacklose Einstellung, bei der die Kamera lange Sekunden unter dem Rock und in der Unterhose einer gerade erschossenen Frau eines Partisanen verweilt. Wozu? Völlig sinnlos! Ich musste mich (bei allem Respekt für die teileweise durchaus sehenswerten Filme von Brass) zwingen, diesen Film zu Ende zu sehen.

            Und ja: Die durchaus unauffällig gute Musik ist von Ennio Morricone.

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              angucker 26.10.2024, 11:58 Geändert 29.10.2024, 21:05

              Wo ist die Grenze zwischen "Gourmet" und "Gourmand"? Das wird schon im Einführungstext auf Moviepilot gnadenlos durcheinander geworfen. Wo ist die Grenze zwischen "verfeinerter Lebensart" und "absurder Völlerei"? Wo ist die Grenze zwischen "obsessiver Hingabe" und " suchthaftem Verhalten"?

              Dieser handwerklich überragend gut gemachte Film mit Juliette Binoche als extrem kontrollierter Köchin und Benoît Magimel als Feinschmecker und Dienstherr, später auch Liebhaber, aber auch mit gut besetzten Nebendarstellenden wie dem begabten und ernsten jungen Mädchen Pauline (Bonnie Chagneau-Ravoire) kreist (neben den grandios verfilmten Kochereien) immer auch um diese Fragen. Was ist wichtiger - Liebe oder Kochen? Gibt es noch Liebe im Herbst? Da passiert unheimlich viel unter der Haube, das schwenkt die Kamera mehrfach kreisförmig durch die nur bei jeder 360 Grad Drehung leicht veränderte Küche (die Jahreszeiten), da siezen sich beste Freunde und sogar Liebende, das ist eine perfekt geschnittene und mit einer unauffällig intimen Kamera eingefangene Huldigung an Höflichkeit, kultivierte Lebensart und bürgerliche Tugenden der hier in Form eines "eating club" auftretenden bürgerlichen Herren der aufstrebenden französischen Mittelschicht.

              Für Juliette Binoche schließt sich mit diesem Film ein Kreis: Sie filmte 2000 mit Lasse Hallström und Johnny Depp "Chocolat" - eine Studie über provinzielles Leben und Schokolade. Und nun dies - ein Film so gelungen und so französisch, dass es einfach nur bezaubernd ist.

              P.S.: Ich habe den Film im O-Ton mit Untertiteln gesehen. Geht, auf die Dialoge kommt es weniger an.

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                angucker 23.10.2024, 10:38 Geändert 26.10.2024, 12:03
                über Monpti

                Interessanter Film: Der deutsche Regie-Star Helmut Käutner verfilmt die vermutlich im Original eher unbedeutende Romanvorlage eines ungarischen Autors mit den Ende der Fünfzigerjahre in Deutschland brandheißen Superstars Horst Buchholz und Romy Schneider. Das ist formal geradezu extravagant mit einem Erzähler (der spätere Intendant Boy Gobert) als Rahmen, absolut treffsicheren Kameraeinstellungen und zahlreichen, mit analoger Tricktechnik selbst für heutige Verhältnisse interessant gemachten Traumsequenzen, die fast die expressionistische Qualität früher Stummfilme haben. Horst Buchholz brilliert und nervt zugleich mit seiner katzenhaften Beweglichkeit. Ich frage mich immer wieder, ob der Mann ein Naturtalent war oder eine tänzerische Ausbildung hatte. Er zappelt die ganze Zeit (durchaus interessant anzusehen) herum wie eine Kreuzung aus Balletttänzer, Gene Kelley und Jackie Chan im Turbomodus. Da bekommen wir überraschende Bewegungen, komplizierte Fersendrehungen und fast akrobatische Sprünge zu sehen – der junge Schauspieler lässt seinem Bewegungsdrang völlig freien Lauf.

                Was wohl dazu führte, dass er kurz darauf durch den amerikanischen Regisseur John Sturges für dessen grandiosen Western "Die glorreichen 7" gecastet wurde und dort (allerdings gezügelt durch eine routinierte und straffe Regie) seinen legendären Kurzauftritt als pantomimischer Torero bekam.

                Helmut Käutner vertraut ganz und gar auf seinen männlichen Hauptdarsteller. Er lässt ihn nach Babynahrung angeln und in langen Einstellungen folgt die Kamera einfach nur den schnellen Bewegungen des jungen Mannes. Romy Schneider lässt sich nicht lumpen. Mit ihrer in meinen Ohren immer wieder sagenhaften Stimme (eine Mischung aus jungmädchenhafter Naivität und absolut verruchter Laszivität einer erwachsenen Frau) balzt und lügt sie den jungen Mann an, betört ihn immer wieder und schmiert ihm buchstäblich Honig ums Maul. Die beiden irren in der allerdings eher schlichten Handlung durch eine Vielzahl erotischer und sexueller Anspielungen rund um grüne Damenunterhosen, eine (interessante Nebenrolle) aufreizend gekleidete farbige Putzfrau, die völlig grundlos die heruntergekommenen Mietwohnungen in diesem Pariser Altbau durchstreift mit einem Staubsauger und zwischendurch sich als Nacktmodell anbietet oder auch als sexuelle Unterhaltung für den Nachbarn, dessen Frau zum sonntäglichen Kirchgang unterwegs ist. Witzig auch, wie die von hormonell gesteuerter Romantik und vielen Lügen durchsetzte Affäre der beiden jungen Leute gespiegelt wird durch die parallel laufenden Dialoge einer reichen und verheirateten Lebedame und ihres superschnöseligen (auch dies ein geniales Casting) Liebhabers. Da reden – anders als bei den beiden verliebten jungen Leuten – erwachsene Menschen miteinander und erörtern kühl die Vorzüge und Nachteile einer außerehelichen oder ehelichen Affäre. Geschickt gemacht, geschickt inszeniert und durchaus unterhaltsam.

                Zwar ist der Film für heutige Verhältnisse durchaus altmodisch und kann in keiner Weise mit zeitgleich entstandenen amerikanischen Produktionen mithalten wie zum Beispiel „Ein Amerikaner in Paris“ oder eben auch „Die glorreichen 7". Zu einfach die Dekorationen und zu schlicht die Konzentration auf zwei Hauptdarstellende. Aber es ist ein handwerklich gut gemachter Film und heute schon ein Zeitdokument mit einer unbeirrbaren, gekonnten Regie und 2 zutiefst beeindruckenden deutschen Schauspiellegenden. Den Film gibt es momentan bei Amazon. Lohnt sich trotz der extrem schlechten Bildqualität (selbst für damalige Verhältnisse); der Film ist keine gute Werbung für die Firma Agfa, welche damals das Filmmaterial stellte und im Vorspann genannt wird.

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                  angucker 22.10.2024, 11:16 Geändert 22.10.2024, 15:20

                  Ich war skeptisch, da Sylvester Stallone in meinen Augen ein arg überschätzter Darsteller ist, dessen Physis noch dazu durch vorsichtig gesagt vielfältige kosmetische Veränderungen zusätzlich an Ausdruckskraft verloren hat. Und doch konnte mich diese geschickt inszenierte Serie fesseln, sodass ich jetzt mitten in der 2. Staffel bin.

                  Die Serie versucht, die provinzielle ländliche Umgebung von Oklahoma und Tulsa, das etwas hinterwäldlerischen Gehabe der Menschen dort, die Bahnlinien und die ländliche Landschaft in die Handlung einzubinden. Das gelingt gut. Insbesondere die Außenaufnahmen geben der manchmal etwas harmlos daherkommenden Handlung einen guten Rahmen und vor allem die bis auf die Titelfigur, Domenick Lombardozzi ("The Wire") und Neal McDonough ("Justified") weitgehend unbekannten Darstellenden machen ihre Sache bestens. Die Dialoge haben immer wieder viel Charme und Witz, wenn etwa der als Cannabis-Dealer auftretende Nerd grundlegende geschäftliche Bedenken entwickelt oder wenn innerhalb der Familie Wortgefechte ablaufen. Sinnvoll ist diese Serie nach meinem Geschmack nur im Originalton, weil sonst die von den Darstellenden gut getroffenen sprachlichen Besonderheiten und das ewige Gefluche in der Synchronisation völlig untergehen. Die Serie wurde von Taylor Sheridan, dem Macher der erfolgreichen Serie "Yellowstone" produziert und es gelingt, dass dort anzutreffende Niveau fast zu erreichen. Anders als viele Besprechungen meinen ist dies keine typische Mafia-Serie, sondern eher ein Cross-over aus "Yellowstone", "Sopranos" und "Justified" sowie einer typischen Familienserie. Viel gelernt habe ich über Machogehabe in Geschäftsverhandlungen und darüber, wie man mit albernen Gags (Stichwort: "absurde Intervention") am Rande auch schwierige Verhandlungen unter Gangsterbossen überraschend und erfolgreich gestalten kann (6. Episode 2. Staffel).

                  Und ehrlich gesagt fällt mir außer Sylvester Stallone auch kein anderer Darsteller ein, der hier gefahrlos die Hauptrolle hätte übernehmen können James Gandolfini ist eben leider schon von uns gegangen.

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                  • angucker 22.10.2024, 07:43 Geändert 22.10.2024, 09:25

                    Ziemlich Al Pacino lastig (den ich subjektiv unerträglich affektiert finde), aber immer wieder interessant so ein Outing.

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                      angucker 19.10.2024, 13:45 Geändert 19.10.2024, 18:49

                      Fast perfektes Kino (Schauspielende, Effekte wie der "Freeze" im letzten Drittel - Erinnerungen an "Cashback" werden wach, tolle Kamera, guter Schnitt, hohes Erzähltempo) ist das. Und doch für mich persönlich (ich bin Ü60 und meine Tochter war 1 Jahr in Norwegen) grottenlangweilige Nabelschau einer letztlich uninteressanten Frau, die völlig ohne Plan von einem Studium zum nächsten- taumelt und letztlich immer nur die Männer tauscht, ohne Bewegung, ohne Persönlichkeit. Dafür aber in bestem "women's plaining" ständig allen erklärt, wie es so ist mit Kindern und der Sexualität im Allgemeinen. Dazu dieser (sagt meine Tochter, die hat es kennengelernt) typisch nordeuropäische Lifestyle im Wohlstandsland Norwegen, wo Massen von Alkohol verkonsumiert werden, gerne auch andere Drogen genommen werden und jede/r versucht, mit der täglichen Langeweile eines saturierten Lebens ohne echte Probleme oder Nöte fertig zu werden.

                      Nachdem mich praktisch alle Dialoge wie auch die Spurenelemente von Handlung gelangweilt und uninteressiert hinterlassen haben, kann ich nur den Kopf schütteln und feststellen, das dies eine andere Zielgruppe betrifft. Fast jeder aktuelle französische Film mit ähnlicher Thematik ist in meinen Augen interessanter und die in diesem Zusammenhang in meiner Freundesliste oft bemühten Vergleiche zum dialogorientierten französischen Kino der letzten Jahrzehnte oder gar Ingmar Bergmann lassen diesen Film für mich storytechnisch wirklich alt aussehen.

                      So bleibt ein wirklich gut gemachter Film, dessen Handlung und Protagonisten meine Generation komplett kalt lassen. Daher alle Punkte (bis auf die schwache, kaum erwähnenswerte Musik) für die formalen Aspekte und die beeindruckende Hauptdarstellerin. Und 0 Punkte für den Rest.

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                        angucker 04.10.2024, 13:39 Geändert 22.10.2024, 05:17

                        Null Spannung und viel sinnfreies Gerede bringt dieser müde Abklatsch einer Agentenserie, die zu großen Teilen im Halbdunklen spielt. Wir folgen dem von einem komplett bärtigen Jeff Bridges mit stark eingeschränkter Beweglichkeit gespielten Ex-Superagenten, der nun mit nächtlichem Harndrang und seiner undurchsichtigen Vergangenheit fertig werden muss. Das tut er, indem er ständig seine Umwelt mit sinnfreien Monologen belehrt, an eine Zufallsbekanntschaft sein halbes Vermögen verschenkt und sich dann mit dieser eher verkniffenen Darstellerin auf die finale Mission begibt. Aber erst muss er sich von seinen beiden sabbernden Kampfhunden trennen und in filmischer Dunkelheit einige gestandene junge Männer umbringen. Was verwundert, nachdem der alte Herr ansonsten kaum gerade laufen kann.

                        Altersheim-Action im Serienformat.

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                          Fast noch besser, jedenfalls krawalliger als Teil 1 (was schon etwas heißen mag). Hier dreht es sich um abgestürzte Hochzeitsvorbereitungen mit peinlichen und daher zu vermeidenden (Schwieger-)eltern, eine ziemlich krasse "Zigeunerbande" aus Teil 1 wird reaktiviert und hat auch eine Braut beizusteuern, die ihre eigene Karriere als Influencerin befeuern möchte. Die Mutter des Bräutigams ist ebenso peinlich und verrückt wie sein Vater (Gérard Jugnot macht den Kriminellen ganz lässig) und alle haben ihren Spaß. Einschließlich >>Spoiler>> explodierender Hüpfburgen und Tierquälereien aller Art. Sorry, aber ich mag diese komplett übertriebenen Krawallnummern aus unserem Nachbarland. Da ist nichts politisch korrekt, da kriegt jede/r was ab und das ganze Paket wird mit Tempo serviert. Und nur für Erwachsene!

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                            angucker 11.09.2024, 17:25 Geändert 17.09.2024, 17:56

                            Eine erschreckend und unterhaltsam krawallige, politisch unkorrekte, auf ollen Klischees (schwuler Mann = Küchenschürze ohne Hose) herum reitende französische Komödie, bei der sogar noch mit unschuldigen kleinen weißen Hunden Bowling gespielt wird. Das gefiel mir wie eine gute Salonkomödie bestens und brachte den alten Zausel zum Lachen, obwohl schon durch die Grundanlage der möglichen Verstrickungen absehbar ist, was da kommen wird. Natürlich ist es ebenso schräg wie komisch, einen neuen Kollegen zum Chauffeur zu machen, der ebenso oft wie überraschend einschläft (Narcolepsie - das befällt mich bis heute in besonders langweiligen Sitzungen). Und natürlich musste ich mich beömmeln über die vielen, geradezu grauenhaft herzlosen Dinge, die einem kleinen weißen Hund angetan werden. Und weil sich das Ganze nie zu ernst nimmt ist es wie eine moderne Mischung aus Marx Brothers und dem handwerklich gediegenen und früher oft gespielten König des Boulevardtheaters und Broadways Neil Simon.

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                              Eigentlich nur die Geschichte "Rambo" vom Soldaten, der in eine fiese, korrupte amerikanische Welt zurück kommt. Aber gut erzählt ist diese Story von Korruption, Rassismus und physischen Übergriffen. Denn die Dialoge bleiben an der Oberfläche, es wird nicht "erklärt", was hier eigentlich abläuft und die Achillesferse der von Don Johnson angeführten Bullen wie auch das ganze Betrugs-Schema sind glaubhaft konstruiert und erzählt. Das macht Spaß, hat viel Südstaaten Flair und trotz des erkennbar kleinen Etats ist der Film einschließlich der knapp und gut inszenierten Gewalt gelungen. Für mich der bisher beste Actionfilm 2024. Und Annasophia Robb als überbegabte Gerichtsangestellte mit persönlichen Problemen spielt wirklich hervorragend.

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                                Eine gut gemachte Komödie nach einer wahren Begebenheit: Der Eiserne Vorhang ist gefallen und der noch amtierende, dem Westen zugeneigte und gesundheitlich stark angegriffene Präsident Boris Jelzin ist vor den nächsten Präsidentschaftswahlen der Sowjetunion so unbeliebt wie nie zuvor. Seine Zustimmungswerte liegen bei abenteuerlich niedrigen 6 %. Da tut sich eine von der russischen Wirtschaft bzw. Mafia finanzierte Gruppe von Geschäftsleuten zusammen, um diesem hoffnungslosen Kandidaten amerikanische Politikberater (Spin-Doktoren) angedeihen zu lassen mit dem Ziel, die Präsidentenwahlen doch noch zu reißen, damit die auf Verstaatlichung aller wichtigen Industrien und Wirtschaftszweige versessenen Hardliner der ehemaligen Kommunisten nicht die Macht bekommen. Das in solchen Dingen erfahrene, aber leider von Auftragsflaute geplagte Trio aus Jeff Goldblum, Liev Schreiber und Anthony Lapaglia macht sich also auf in den wilden Osten, um das dortige Wahlvolk entsprechend zu beeinflussen. Doch mit so radikalen Auftraggebern und einem so unwilligen Klienten haben die Drei nicht gerechnet.

                                Der Film verlässt sich ganz auf sein Thema und die beherzt aufspielenden Hauptdarstellenden, deren zynische Witze und rasanten Wortgefechte den Film mühelos am laufen halten. Interessant wird es dann, als eine als Nebenrolle gut gespielte Tochter von Boris Jelzin auftaucht, die (ich kann mir das unbedingt genauso vorstellen) ihren ständig betrunkenen Vater gegen die Außenwelt abschirmt und dessen Wahlkampf mit und gegen die Amerikaner managed. Das ist kein ganz großes Kino, aber wegen der flotten Inszenierung und guten Darsteller macht der Film Spaß und baut gegen Ende sogar noch etwas Spannung auf. Wer sich dafür interessiert, wie Wahlkampfberater amerikanischer Schule arbeiten und welche Überlegungen sie anstellen, bekommt dies hier auf unterhaltsame Weise serviert verbunden mit einem Ausflug in die jüngere Geschichte. Ähnliche Filme mit diesem Thema gibt es einige, unter anderem "The Ides of March" (2011) mit Ryan Gosling und George Clooney. Da kann dieses temporeiche und etwas dreckige Filmchen des immer auch wieder auch an politischen Fragen interessierten Regisseurs Roger Spottiswoode gut mithalten. Meines Wissens ist der Film in Europa nur im englischen Originalton zu bekommen – Spaß macht es auch so.

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                                  Ein von der Kritik hoch gelobter Film, der die Welt des "Minor League" Baseballs, also in etwa der zweiten Bundesliga, beschwört und im Wesentlichen Jugenderinnerungen des Regisseurs und Drehbuchautors Ron Shelton spiegelt. Femme Fatale, Muse und Groupie - Annie (Susan Sarandon) kennt sich aus mit Männern, Walt Whitman und Baseball. Sie macht sich an den ebenso wurfgewaltigen wie desorientierten Werfer Ebby LaLoosh (Tim Robbins) heran, der zum neuen Star der Mannschaft avanciert, aber leider selten begreift, wo vorne und hinten ist. Und dann ist da noch der ältere, erfahrenere (und sogar Bücher lesende-) "Crash" Davis (Kevin Costner), der sowohl den jungen Werfer auf Kurs bringen, als auch die Männerkonkurrenz bei Annie bestehen soll.

                                  Das ist ein letztlich sehr kitschiger Film, der voll ist mit Klischees (alle Baseballspieler kauen und spucken ständig irgendwas, alle Frauen sind scharf auf Basballprofis, eine mittlere Überschwemmung und ein halber Zimmerbrand sind das Mindeste bei einer Vögelei in der kleinen Wohnung des Groupies) und nur selten seine Momente hat mit viel Südstaaten-Flair und bodenständiger Komik. Etwa in der langen Einleitungssequenz, in der Annie sich schön macht für ihren nächsten Auftritt und dabei - in breitestem Südstaaten-Slang - über das Leben, Baseball und Sex im Allgemeinen philosophiert. Schöne Kameraeinstellungen und supertolle Musik mit viel Gospel und Blues retten einen Film, der so richtig wohl nur Baseballfans und "echte" Amerikaner begeistern dürfte.

                                  Susan Sarandon und Tim Robbins lernten sich bei den Dreharbeiten lieben und wurden danach lange Jahre ein Ehepaar mit mehreren Kindern. In der Tat stimmt die Chemie bei diesem Film. Die Darstellenden scheinen mit Spaß dabei zu sein.

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                                    Nach einem entspannten Re-Watch korrigiere ich meine Bewertung von 5 auf 7 Punkte. Vor immerhin 9 Jahren erschien mit der Film so:

                                    <<Letztlich uninteressantes Drehbuch um das berühmteste Mädchencollege der Welt. Mit der üppigen Ausstattung und den gekonnt aufspielenden Darstellern wird ein verkorkstes Drehbuch gerettet, das weder Komödie, noch Drama oder Frauenfilm sein kann. Also doch ein Ausstattungsfilm mit Werbematerial aus dem teuersten Mädchencollege Amerikas?>>

                                    Beim Wiedersehen fällt zunächst das extrem hohe technische Niveau des Films auf. In perfekter Ausleuchtung sucht und findet die Kamera immer wieder Einstellungen, die nicht nur abwechslungsreich sind sondern auch aussagekräftig. Da wird von der furchterregend bösartigen Augenpartie der von Kirsten Dunst bewundernswürdig verkörperten ultrakonservativen Schülerin herausgezoomt auf eine sinnvoll arrangierte Gruppenszene. Da wechselt die Ausleuchtung der Szenen von super romantisch (goldbraun) zu knallharten blau-weißen Einstellungen, wenn es um den Zickenkrieg der Frauen untereinander oder die Entlassung von Lehrerinnen geht.

                                    Erlesen auch die Musik und die Tanzeinlagen. Bei einer längeren Partyszene wird nicht nur hervorragend (von Profis) getanzt, sondern auch die auf der Bühne im Hintergrund auftauchende Musik ist allererste Sahne, hat Sänger und Sängerinnen, die so fantastisch gut singen, wie man das von einem Party Event auf dem Ball der Upper Class erwarten würde. Die Kostüme sind realistisch, zeitgemäß und perfekt (man beachte zum Beispiel die erlesenen, aber etwas folkloristischen Strickjacken von Julia Roberts) und dies schafft im Zusammenhang mit den tatsächlich in dem berühmten Mädchen College gedrehten Innenaufnahmen eine sehr realistische Anmutung.

                                    Zu loben auch die Darstellenden. Hier ist wirklich die Elite der zum damaligen Zeitpunkt 2003 verfügbaren jüngeren Schauspielerinnen am Werke, die tief in ihre Rollen eintauchen und glaubwürdig die vom Drehbuch etwas schematisch angelegten Charaktere verkörpern. Auch die Erwachsenenrollen sind mit der glaubwürdig nervös, unsicher und angespannt wirkenden Julia Roberts, Dominic West in all seiner aalglatten Männlichkeit und auch in den übrigen Rollen bestens besetzt. Das Casting besorgte Ellen Chenoweth, die mir schon mehrfach durch die subtile Auswahl auch relativ unbekannter Darstellender positiv aufgefallen ist. Das hat insgesamt ein so hohes Niveau, dass ich über die offenkundigen Mängel des Drehbuchs mit seiner formelhaften Anlage der Figuren und seinem oberflächlichen Blick auf die Fünfzigerjahre der McCarthy Ära heute eher hinweg sehe als damals vor fast 10 Jahren. Der britische Regisseur Mike Newell bewies mit diesem Film einmal mehr, dass er zu den weit überdurchschnittlichen Handwerkern der Regie gehört. Kein Wunder, dass ihm trotz des nicht immer überragenden kommerziellen Erfolgs seiner Filme nach dem berühmten "4 Hochzeiten und ein Todesfall" immer wieder auch größere Etats für Regiearbeiten anvertraut wurden. Da lohnt sich vielleicht einmal eine Werkschau.

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                                      angucker 31.08.2024, 16:42 Geändert 01.09.2024, 12:18

                                      Regie-Kino der besonderen Art: Bertrand Tavernier (immerhin ein in den USA eher nicht vorkommender französischer Regisseur) versammelt einen gediegenen Cast (Tommy Lee Jones, Peter Sarsgaard, John Goodman und die unglaublich präsente Mary Steenburggen in den Hauptrollen) und macht sich auf in die Sümpfe Louisianas, um die vor allem auf Atmo bedachte Romanvorlage "Im Schatten der Mangroven" (In the Electric Mist with Confederate Dead) von James Lee Burke aus dem Jahr 1993 zu verfilmen. Wie der Titel schon verrät, geht es um Thriller/Whodunit, die Suche nach einem Serienmörder und Triebtäter, aber auch um die Vergangenheit Louisianas, in der auch mal Farbige wie Wild geschossen wurden. Wir sehen die damals 4 Jahre alten Verwüstungen durch Hurrikan Katrina - da liegen ganze Holzhäuser auf dem Dach des früher in der Auffahrt geparkten Autos und in den Sümpfen wurden große Mangrovenbäume geknickt wie Grashalme. Tavernier ergänzt den Film mit langen inneren Monologen, halluzinativen Episoden des von Tommy Lee Jones finster intensiv gespielten trockenen Ex-Alkoholikers und Detektivs, verbreitet mit den Auftritten des von Levon Helm (eigentlich Musiker wie der hier ebenfalls beeindruckend spielende Blues Gitarrist Buddy Guy) beängstigend zerbrechlich gespielten Südstaaten Generals und traumwandlerisch sicher inszenierten Säufer-Episoden (Peter Sarsgaard spielt das perfekt) etwas Psychoterror. John Goodman macht den ekligsten Mafia Boss der neueren Filmgeschichte und das Ganze wird serviert im atemberaubend schnellen, im O-Ton immer im Südstaaten Slang dahin geschlurrten Singsang der Einheimischen. Ein Film, der trotz oder wegen seiner starken regionalen Bezüge unbedingt im Originalton gesehen gehört. Das ist sonst schon wegen der vielen skurrilen Redensarten, Anzüglichkeiten und Anspielungen völlig sinnlos. Auch wenn es selbst mit Untertiteln schwer fällt, dem schnellen Redefluss der Darstellenden zu folgen.

                                      Der Film wird (wie auch die sehr unterschiedlichen Reaktionen hier zeigen) den Freunden des handlungsorientierten Films eher wenig gefallen. Die Story hat (fast genretypisch) einige Plotholes - die ich hier aber nicht erwähnen oder spoilern möchte. Aber was für ein geiles Kino! Jedes Detail sitzt, das ungewöhnliche Setting und die Oberklasse der Schauspielerei sowie ein toller Soundtrack fügen sich zu einem düsteren Gesamtkunstwerk von Film, der im Nebel der Sümpfe dahin gleitet wie der träge Mississippi. Nur das etwas ausglutschte Genre und die eher übersichtliche Kriminalstory verhinderten hier auf unserem Sofa Höchstnoten.

                                      Übrigens: Eine der schönsten Frauenstimmen in meinen Ohren der letzten Jahre verbirgt sich hier in der Nebenrolle der FBI-Agentin. Justina Machado hat diese unglaubliche Mischung von Timbre und Melodie in der Stimme - das ist absolut selten und einmalig.

                                      Schön ausgedrückt hat es mein MP-Buddy @YupYum, von dem ich leider lange nichts Neues mehr gelesen habe und den ich mal zitieren möchte:

                                      ""In The Electric Mist" ist ein Hochniveau-Crime-Drama mit etwas Geschichtslektion über Louisiana, angesiedelt nachdem gerade Sturm "Katharina" über den Bundesstaat fegte. Verrückt, dass gerade ein französischer Regisseur dieses einmalige New Orleans-Feeling so authentisch rüberbringen kann, bestimmt hat er das geslurrte Amerikanisch der Schauspieler selbst kaum verstanden. Vertiefte und beinahe philosophische Off-Comments, ein psychologisch komplexes Krimi-Rätsel, die tolle Besetzung bis in die Nebenrollen und Zutaten wie Drogenräusche, fiktive Alter-Egos und viel Atmosphäre lassen einem hier in den ruhigen Flow eintauchen."

                                      Genug gesagt. Ab auf die Liste "Nur im O-Ton, bitte"!

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                                        Wow. Als Film eine Wucht trotz der rudimentären Handlung und obwohl/weil der Film insgesamt im träumerischen Niemandsland zwischen Pubertät und Erwachsenenleben, zwischen romantischer Jugend und (der Abspann!) harter Wirklichkeit bleibt. Bereits mit der ersten Einstellung wird die starke Atmo gesetzt - wer hier noch nicht gefesselt ist, sollte abschalten. Danach wird in witzigen kleinen Szenen, mit dramatischer Ausleuchtung und in fast durchgängigen Nacht- und Kunstlichteinstellungen die Welt einer heilen Jugend in den 60ern gezeigt. Das ist immer wieder witzig, manchmal skurril, die Charaktere werden sehr präzise entworfen einschließlich ihrer Marotten, kleinen Nöte und kleinen Sorgen. Während an der Oberfläche eigentlich nichts stattfindet als Cruising, Blödelei einschließlich Wasserballons, Autodiebstahl, Petting und Mutproben.

                                        Dazu im Hintergrund und bei einer (allerdings eher unterdurchschnittlich gemachten) Tanzveranstaltung live die Musik der Zeit. Aber vor allem noch nie zuvor gesehene Kameraeinstellungen. Wechselnde Bildausschnitte, interessante Perspektiven und immer wieder dramatisches Kunstlicht. Für die damalige Zeit bahnbrechende und später oft imitierte Kamera und Lichtsetzung - das ist einfach der Hammer. Da strahlt das Neonlicht, da schimmern und leuchten die blondierten Haare der Mädels und in einer Szene werden sogar (absichtlich oder nicht) die riesigen Scheinwerfer mit lastwagengroßen Stromgeneratoren ins Bild gerückt, die bei einer Straßenszene das dramatische Gegenlicht schaffen. Bis zur Schlusseinstellung ein Film, den man vermutlich in jeder Regieklasse einer Filmhochschule sehen sollte. Und Harrison Ford zeigt als böser Bube in einer winzigen Nebenrolle, was ihn später zum Weltstar machen sollte.

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                                          angucker 28.08.2024, 11:18 Geändert 29.08.2024, 04:31

                                          Es beginnt hoffnungsvoll: Als ein Film über eine ziemlich desolate Familie in Tschechien mit zwei eng verbundenen Töchtern, die beide Turmspringen als Leistungssport betreiben, angefeuert von der zwanghaft ehrgeizigen Mutter und mit einem Vater, der scheinbar sehr viel Alkohol trinkt (eine kleine feine Szene, wo die eine Schwester kommentarlos eine Masse von leeren Flaschen aus der engen Küche räumt). Die ältere Schwester will mit ihrer Leistung zur Olympiade, abliefern, kämpft mit ihrem Körper einschließlich zu viel Oberweite, lässt sich von der Trainerin (gut getroffener Cast) als "zu dick" bezeichnen, entwickelt eine solide Essstörung, fängt an, gegen ihren eigenen Körper zu kämpfen und wird zur Sportinvalidin. Das ist auf den Punkt inszeniert, die abgerockten, unrenovierten Wohnungen, die kaputten Lichtschalter, die sehr heruntergekommene Schwimmhalle, die geschickt gefilmten Verbiegungen der Gelenke beim Training - ein gut gemachtes, empathisches Familien- und Sportdrama in den ersten 45 Minuten. Authentisch, interessant und gut gecastet. Leider driftet der Film danach ab.

                                          <<Beginn Spoiler>>
                                          Denn dies ist ein Bio-Pic nach der realen Lebensgeschichte der tschechischen Turmspringerin Andrea Absolonova, die nach Beendigung ihrer Karriere als Leistungssportlerin unter dem Pseudonym Lea De Mae in über 100 Sexfilmen mitwirkte. <<Ende Spoiler>>

                                          Und dieser Teil des Films ist richtig bescheiden, geradezu unterirdisch inszeniert. Es taucht ein schräger Fotograf/Zuhälter auf, der die mit ihrem Selbstwertgefühl am Boden liegende Ex-Leistungsportlerin "aufbaut" und vermarktet. Aber leider fällt dem Film dazu nichts ein. Schlagartig ist sie weg, die Empathie, keine guten Kameraeinstellungen mehr, die Sex-Szenen sind unterirdisch schlecht gefilmt und der Film behandelt seine Hauptfigur wie ein beliebiges, austauschbares Klischee. Nach einigen Minuten dieser an Reality-TV erinnernden Versuche im Bereich Sexploitation und "Doku" aus dem Anfang der 90er in Prag florierenden Sex-Business war ich raus. Zu schlecht. Aber das erste Drittel des Films lohnt sich schon für alle, die sich für Leistungssport, realen Sozialismus nach der Wende oder solche Themen interessieren.

                                          P.S.: Habe mir jetzt (widerwillig) auch den Rest gegeben. Es bleibt schwach in der 2. Hälfte. Nur die letzten 5 Minuten funktionieren wieder und (Fun Fact) die Hauptdarstellerin sieht mit kahl rasiertem Kopf fast besser aus als mit ihren sonstigen Frisuren.

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                                            angucker 21.08.2024, 08:03 Geändert 22.08.2024, 07:59

                                            Bis auf die Szenen mit dem Pferd und die wirklich gelungenen Stunts in den ersten 15 Minuten ist dies ein beliebiger, nostalgieschwerer Film von und mit einem gealterten Action-Star. Wirklich unangenehm fällt auf, dass das Hongkong Kino (dessen Aushängeschild Jackie Chan für viele Jahre war) offenbar tot ist. Der Film wurde produziert von Alibaba, einer Firma, die mittlerweile vermutlich dem chinesischen Regime gehört. Da schmückt sich ein totalitäres Regime mit den Federn eines Kino-Pioniers, der mit dem zwangsweise annektierten Hongkong und seiner lebhaften Kinoproduktion berühmt wurde.

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                                              angucker 21.08.2024, 05:12 Geändert 21.08.2024, 09:01

                                              Fehlende Chemie eines angeblichen Liebespaares ist unverzeihlich. Berry und Wahlberg gucken sich noch nicht einmal beim Filmkuss an. Möglicherweise haben sie sich während der Dreharbeiten in den CGI Filmkulissen verirrt. Seitdem in „The Tourist“ Depp und Jolie eindrucksvoll Ähnliches zeigten, habe ich kein so schlecht harmonierendes Filmpaar mehr gesehen. Überhaupt wurde hier beim Dreh zu viel gespart. Praktisch alle Kulissen kommen aus dem Computer und selbst bei Außenaufnahmen achtet die Kamera vor allem darauf, die Bildausschnitte eng zu halten. Auch die Story folgt jedem albernen Klischee. Nur ein paar wirklich spaßige Jersey Witze reißen es raus. Die Frisur von Frau Berry ist zum Fremdschämen. Offenbar wurde hier auch gespart. Ich habe es echt bereut.

                                              P.S.: Der Film hat rund 12 Minuten Abspann und Credits. Man glaubt es nicht.

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                                                  angucker 16.08.2024, 03:10 Geändert 16.08.2024, 16:01

                                                  SciFi altert meistens nicht gut und auch hier sind die hölzern inszenierten Schlägereien, die pathetischen Aktionen vor allem in der letzten Viertelstunde und die eher schlichten Dialoge von der Zeit überholt. Und doch ist diese radikal wie schlicht inszenierte Vision von einer technisierten und totalitär daherkommenden Freizeitwelt nicht nur dem Zeitgeist rund 10 Jahre voraus, sondern formuliert ihre Botschaft ebenso drastisch wie später „Total Recall“, macht das Thema Mensch und Maschine ebenso konsequent wie „Terminator“ und „Robocop“ zum dystopischen Showrunner, nur ist hier der Etat kleiner und die Tricktechnik noch bei weitem nicht so weit wie in den 80ern. Gefallen kann diese etwas trashig daher kommende Vorlage für ihre zahllosen Nachfolger durchaus. Und hat eine originelle, gut in die Handlung integrierte Musik.

                                                  Nur der endlose Stunt mit der menschlichen Fackel hätte nicht sein müssen. Abartig gefährlich und als Effekt irgendwie quälend. Michael Crichton machte mit diesem Erstling nicht viel falsch und war thematisch seiner Zeit voraus.

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                                                    angucker 13.08.2024, 15:52 Geändert 22.08.2024, 08:03

                                                    Ein dialogorientiertes Sozialdrama französischer Machart – auf den ersten Blick mit Sicherheit uninteressant für AnhängerInnen der vordergründigen Aktion und der expliziten Gefühlswallungen. Regisseur Bertrand Tavernier nimmt mit oft schwankender, scheinbar völlig spontan geführter Kamera teil am Leben eines extrem engagierten und gleichzeitig hoffnungslos überforderten Vorschul-Lehrers in einer französischen Kleinstadt, die durch das Sterben des Kohlebergbaus dem Untergang nahe ist. Die Arbeitslosigkeit liegt bei fast 40 % und die Menschen sind in Hoffnungslosigkeit versunken.

                                                    Was bleibt, sind die Kinder, die Hoffnung, menschliche Nähe und Sex. Es sind viele Kinder, die hier immer wieder bei ihren Spielen und ihrem durch den Lehrkörper liebevoll angelegten pädagogischen Handreichungen mitspielen, so lebhaft, so verträumt, so schüchtern und so verzagt wie Kinder eben sind. Während die Welt der Erwachsenen schon praktisch zusammengebrochen ist in Arbeitslosigkeit, Depression, häuslicher Gewalt und fehlender Perspektive, möchten die Kinder eigentlich nur bei jemandem auf dem Schoß sitzen, spielen, lernen und ihren eigenen Horizont erweitern. Das hört sich belanglos an, ist aber bei einem sehr hohen Erzähltempo eingebunden in einen Film, der Empathie zeigt für Menschen und eine Kleinstadt im strukturellen Wandel. Und mit einem genauestens durchgeplanten Drehbuch es auch schafft, sehr individuelle Charaktere zu entwickeln, die über den gesamten Film spannend bleiben. Da ist nicht nur der überforderte Herr Lehrer, sondern auch seine extrem lebhafte, in ihrer künstlerischen Arbeit fast schon exotische, aber bisweilen auch sehr distanzierte Freundin. Eine Italienerin, die in der Gaststätte ihres Vaters in Spitzenzeiten aushilft, selbst einen extrem schwierigen Sohn hat und auch durchaus mal schnell im Auto die Unterhose auszieht, wenn sie meint, dass dies der Stimmung mit ihrem Partner nützen könnte.

                                                    Da sind die üblichen Randfiguren, wie ein nur an der eigenen Karriere interessierter und völlig empathieloser Bürgermeister, der von einem kommunistischen Kollegen abgelöst wird, welcher seinerseits aber auch nur den finanziellen Mangel und die hohe Arbeitslosigkeit verwalten kann. Da sind Kolleginnen und Kollegen, die so detailfreudig wie beiläufig in die Handlung eingeführt werden und über volle 120 Minuten Film bei hohem Tempo glaubwürdig und interessant bleiben. Da sind viele viele Kinder, die in langen Einstellungen wortlos dem Film so etwas wie einen Rahmen geben. Da ist eine optisch und atmosphärisch sehr beeindruckende Kunstperformance, die zugleich den Abschluss und Höhepunkt des Films markiert. Und da sind auch die weniger schönen Dinge wie häusliche Gewalt, Inzest, Suizid und sogar Hunger. Was der Film spielerisch leicht und sehr gewissenhaft so in seiner Handlung integriert, dass es ein rundes, anrührendes und nachdenklich machendes Gesamtpaket wird und dabei stets unterhaltsam bleibt.

                                                    Helle Begeisterung auf unserem heimischen Fernsehsofa. Wer Filme von den Brüdern Dardenne, Ken Loach oder überhaupt Filme mag, die in einer sozialen Realität spielen und nicht in einem von Schüssen und Prügeleien durchzogenen Abenteuerland, wird hier fündig. Und als kleinen Teaser: dieser Film hat (übertroffen nur von „Love & Basketball“) eine der schönsten und romantischsten Szenen mit einem Heiratsantrag, die es im Film nach meiner Kenntnis gibt. Aber auch hier: sehr hohes Erzähltempo! In meinen Augen ein Meisterwerk, das gewisse Ähnlichkeiten mit den besseren Filmen meines Lieblingsregisseurs Robert Altmann hat.

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