ArnoldWiseau - Kommentare

Alle Kommentare von ArnoldWiseau

  • 5
    über Looper

    [frei von konkreten SPOILERN]

    Respekt und Anerkennung für seine Ideen und den Mut bei ihrer Umsetzung, aber leider keine richtige Liebe empfinde ich für den von mir gespannt erwarteten Sci-Fi-Actioner "Looper". Es sind einfach zu viele seiner wundervollen Ansätze nur unzureichend oder falsch ausgereizt worden, sodass diese zweite Zusammenarbeit von Rian Johnson und Joseph Gordon-Levitt (nach "Brick" aus dem Jahr 2005) leider nur etwas enttäuschendes Mittelmaß ist. Die Geschichte um den Looper, einen Auftragskiller für Zielpersonen aus der Zukunft, namens Joe (Joseph Gordon-Levitt) und die Konfrontation mit seinem zukünftigen Selbst (Bruce Willis) wird spannend aufgebaut, interessant entwickelt und stets gut inszeniert, mündet aber schließlich in ein zu abstruses, teilweise vorhersehbares und einfach weit hinter den Möglichkeiten der Prämisse zurückbleibendes Ende.

    Es gibt allerdings nicht wenige Aspekte in "Looper", die trotz der in der zweiten Hälfte des Films recht schwachen Plotentwicklung hoch geachtet werden müssen. Da ist zum einen der enorme Aufwand, mit dem versucht wurde, Gordon-Levitt ähnlich wie Willis erscheinen zu lassen. In bisherigen Filmen musste man sich als Zuschauer einfach darauf einlassen, dass zwei verschiedene Schauspieler denselben Charakter in einem unterschiedlichen Alter darstellen. Aber nicht im vorliegenden Werk: Man erkennt nicht nur deutlich, dass Gordon-Levitt einige Zeit darin investiert hat, Willis' Mimik einzustudieren, sondern darüber hinaus wurde durch starkes Bemühen der Maske und sogar mit Hilfe von digitalen Mitteln sein Aussehen dem von Willis angeglichen. Ein lobenswerter und bis jetzt einzigartiger Aufwand, den man zu schätzen weiß.

    Außerdem bildet "Looper" eine willkommene Abwechslung zu den meisten zeitgenössischen Blockbustern, die fast immer äußerst stupide, manchmal fast dümmlich erscheinende Leinwandgebilde sind; man erinnere sich schmerzlich an die nun endlich abgeschlossene "Transformers"-Reihe oder an das kürzlich erschienene, wahrhaft fürchterliche Remake des Verhoeven-Klassikers "Total Recall". Im Gegensatz zu diesem Bodensatz des Mediums Film erinnert Johnsons Werk eher an Christopher Nolans "Inception" oder - besonders in der Art seines Sci-Fi Settings - an Alfonso Cuaróns dystopischen "Children of Men". Das Genre des den Zuschauer fordernden und inhaltlich komplexen Blockbusters gehört leider immer noch zur absoluten Ausnahme, allerdings scheint man inzwischen hoffen zu dürfen, dass derartige Filme zukünftig vielleicht mit einer größeren Häufigkeit erscheinen.

    Wie alle Filme, in denen das Thema Zeitreisen ein wichtiges Element für den Plot bildet (z.B. "Deja Vu", "Source Code" oder natürlich Klassiker wie "Twelve Monkeys" oder die "Back to the Future"-Reihe), kränkelt auch "Looper" an logischen Problemen und Paradoxien, die sich leider in dieser Materie nie ganz verhindern lassen. Immerhin versucht der Film, einige - wenn auch nur mäßig befriedigende - Antworten zu liefern und durch Willis' Worte den Zuschauer eloquent auf dem Kern der Handlung zu halten. Der Dialog, in dem dies geschieht, ist auch aus charakterdynamischen Gründen eines der Highlights. Trotzdem bleibt bei aller Faszination für Zeitreisen immer ein fader Nachgeschmack von mehr oder minder schwerwiegenden Ungereimtheiten auf der Zunge des aufmerksamen und mitdenkenden Zuschauers.

    Ein leider etwas vernachlässigtes Element in der Handlung ist die Beziehung von Joe mit seinem zukünftigen Ich. Die Szenen, in denen es vorrangig genau darum geht, gehören sämtlich zu den stärksten des Films, bleiben aber aufgrund der seltsamen Neuausrichtung des Plotfokus in der zweiten Hälfte weit hinter der vollen Ausschöpfung ihres Potenzials. Statt sich in einem äußerst merkwürdigen, ins Fantasy abdriftenden und sich am Rande des Absurden befindlichen Ideenirrgarten zu verlaufen, hätte man sich in erster Linie auf die offensichtlich größte Stärke der Geschichte konzentrieren sollen: das Spannungsverhältnis von Joe und Joe. Deren Interessens- und Charakterdisharmonie hätte sogar genug hergegeben, um daraus einen Plot mit philosophischem Hauch zu konzipieren, der von Liebe, menschlicher Entwicklung und Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit handelt. Hätte man sich statt der vorliegenden so schwachen Auflösung in ein solches Terrain vorgewagt, könnten hier von meiner Seite durchaus 1-2 Punkte mehr vergeben werden. Auch wenn "Looper" selbst letztendlich nicht völlig zu überzeugen weiß, bleibt trotzdem zu hoffen, dass er als Ideengeber und Inspiration für neue, intelligentere Sci-Fi-Blockbuster fungieren möge, die sein unausgeschöpftes Potenzial in irgendeiner Form verwenden, erweitern und schließlich vielleicht sogar perfektionieren.

    9
    • 10

      [Der Tod ist ein SPOILER für das Leben, also seit gewarnt]

      "Blade Runner" ist ein Film, zu dem es mir unglaublich schwer fällt, meine Gedanken vernünftig zu ordnen. Ein Grund dafür ist, dass dieses Sci-Fi-Noir-Drama wie kaum ein anderes Werk in erster Linie durch seine Fülle von Details besticht. Der eigentliche Plot ist im Grunde sehr simpel und dient hauptsächlich dazu, einen Rahmen zu bilden, in dem die zahlreichen wundervollen Symbole und Metaphern voll zur Geltung kommen können. Wer hier einen dunklen Actionkracher ala "The Matrix" oder "Equilibrium" erwartet, wird kaum auf seine Kosten kommen, denn "Blade Runner" ist reine Philosophie, die älteste und grundlegendste der Philosophien: die Frage nach den Charakteristika, dem Sinn und dem Wert des Lebens.

      Wie auch schon in "Alien" beweist Ridley Scott hier aufs neue, dass er sich darauf versteht, dystopischen Science-Fiction Fantasien auf beeindruckende Weise Leben einzuhauchen. Basierend auf Philip K. Dicks Roman "Do Androids Dream of Electric Sheep?" aus dem Jahre 1968 hat Scott 14 Jahre später ein zeitloses Meisterwerk geschaffen, dass die Geschichte von Rick Deckard (Harrison Ford) erzählt, einem Blade Runner im Ruhestand, der zurück in seinen Dienst geordert wird, um einige aus einer Kolonie entflohenen Replikanten zu stellen. Deren Anführer Roy Batty (Rutger Hauer) versucht, das künstliche, auf wenige Jahre beschränkte Leben der Replikanten zu verlängern, indem er die Konfrontation mit ihrem Schöper anstrebt. Dieser soll jenen Makel des Todes beseitigen und sie endlich vollenden.

      So einfach gestrickt "Blade Runner" in Hinsicht auf seine Story auch sein mag, er hat dennoch mehr zu bieten als die gesamte Filmographie so manches zeitgenössischen erfolgreichen Filmemachers. Denn die Visualisierung seiner zutiefst philosophischen Essenz sucht ihresgleichen. Angefangen bei der jenseits von brillianten Inszenierung des futuristischen düsteren, dreckigen Großstadtmolochs bis hin zur immer wieder in bewegenden Bildern eingefangenen Augen-Metaphorik lässt sich der Film vielleicht am treffendsten als optisches Gedicht bezeichnen. Denn "Blade Runner" sieht nicht einfach nur gut aus, reimt schöne, aber belanglose Bilder aneinander, nein, jeder für sich selbst schon traurige, wunderschöne Teilaspekt nimmt seinen Platz im großen Mosaik der Lebenskontroverse ein und bereichert es auf seine eigene Weise.

      So verkörpert die unendlich wirkende, triste Großstadtlandschaft die Dualität des unglaublichen technischen Fortschritts der Menschheit. Einerseits riesig, gewaltig, scheinbar grenzenlos, aber gleichzeitig auch künstlich, nichtig, wertlos. Der berühmte Shot auf das Hauptgebäude des Replikantenunternehmens im melancholisch rötlichen Sonnenschein verbildlicht auf so unfassbar geniale Weise den Versuch des Menschen, das Leben, die vollkommene Schönheit zu erschaffen, der ihm jedoch nur auf oberflächlicher Ebene gelungen ist. Er hat es nicht vermocht, seinem Werk eine Seele zu verleihen. Beeindruckend ist seine Schöpfung, aber letztendlich ohne Inhalt. Sie ist nur eine tote Hülle, jedweden Wertes entbehrend. Das Leben wurde abgebildet, aber nicht neu erschaffen.

      Als Deckard ein wenig später den Test für die Erkennung eines Replikanten an Rachael (Sean Young) durchführen soll, werden die Fenster verdunkelt, denn das Licht, der schöne Schein, muss durchdrungen werden, um den Replikanten vom Menschen unterscheiden, um hinter seinen Schleier aus scheinbarer Perfektion blicken zu können. Sehen und das Auge selbst haben einen wichtigen Stellenwert in "Blade Runner" und tauchen immer wieder in verschiedensten Formen als Metaphern auf. Denn Augen dienen nicht nur als Werkzeuge zum Erkennen der Welt, sondern haben eine weit gewichtigere Bedeutung. So wird Tyrell, der Kopf der Replikantenentwicklung, von Batty getötet, indem dieser ihm seine Augen in den Schädel hineindrückt. Oft auch als Fenster zur Seele bezeichnet, sind Augen für Batty das Symbol seiner Andersartigkeit. Indem er Tyrell auf diese Weise tötet, macht er damit deutlich, wie weit er zu gehen bereit ist, um zu einer Seele zu gelangen.

      Die notwendige Konfrontation von Deckard und Batty bildet schließlich die in ein trauriges Staunen versetzende Klimax dieser Lebens- und Moralstudie. Deckard körperlich in jeder Hinsicht überlegen, hat Batty schließlich die Gelegenheit, diesen zu töten. Doch als er merkt, dass sich sein künstliches Leben dem Ende neigt, fühlt er seinen Wunsch nach echtem Leben intensiver denn je in sich aufglühen. In den nun folgenden unvergleichlichen Aufnahmen strahlen seine kurzlebigeren, aber dennoch stärker leuchtenden Augen (Tyrell: "The light that burns twice as bright burns for half as long - and you have burned so very, very brightly, Roy.") eine kompromisslose Liebe zum Leben, zu allem Leben aus und er rettet Deckard, nicht um diesen selbst zu retten, sondern um dessen Leben zu ehren.

      An dieser Stelle ist auf die wohl größte Kontroverse in Bezug auf "Blade Runner" hinzuweisen: Ist Deckard selbst ein Replikant? Es gibt im Film immer wieder gewisse Anzeichen, die dafür sprechen und Ridley Scott selbst hat in einem Interview geäußert, dass Deckard für ihn ein Replikant sei. Der Film lässt allerdings beide Interpretationen zumindest zu. Persönlich würde ich sogar soweit gehen zu behaupten, dass Deckard kein Replikant sein sollte (wie auch in der Romanvorlage). Die eben von mir beschriebene Endszene und einige andere Apsekte (z. B. der, den ich gleich abschließend beschreiben werde) funktionieren weitaus besser, wenn der Protagonist ein echter Mensch ist. Ich vermute, dass Scott mit seiner Faszination von der Idee einer künstlichen Lebenform manchmal kurz davor war, ein wenig über die Stränge zu schlagen und er am liebsten jeden Charakter zu einem Replikanten erklärt hätte. Eine gute Geschichte braucht aber verschieden beschaffene Figuren, damit jede einzelne besser zur Geltung kommen kann.

      Ein weiteres Motiv, das sich eher implizit über die ganze Handlung erstreckt, ist Deckards Verhältnis zum (künstlichen) Leben. Durch seinen Auftrag, das Töten von Replikanten, hat er selbst sich in gewisser Weise von einem Leben mit einer menschlichen Moral entfernt. Er betrachtet die Replikantin Rachael zunächst als völlig wertlos. Als er sich zu ihr hingezogen fühlt, befiehlt er ihr, was sie zu sagen habe, als müsse sie ihm hörig sein. Im Laufe der Geschichte verliebt er sich aber wirklich in sie, ein schwieriges Verhältnis zwischen echtem und künstlichem Leben entsteht. Letztendlich begreift er, dass letzteres auch eine wie auch immer beschaffene Form von Leben ist, die nicht einfach entwürdigend behandelt werden darf. Schließlich kennt niemand den genauen Wert des echten Lebens, wie soll sich dann erst der Wert von künstlichem abschätzen lassen?

      Es gibt noch eine Menge weiterer interessanter Aspekte in "Blade Runner", die aufzuzählen und in ihnen angemessener Weise zu betrachten zu umfangreich für diesen Review wäre. Man muss nur wissen, dass es sich hier um einem Film handelt, der mindestens zwei oder mehr Sichtungen benötigt, um seine facettenreiche Palette von Farben des Lebens völlig zu entfalten. Die von manchen kritischen Stimmen beschriebene Zähe oder Langatmigkeit kann ich beim besten Willen nicht eingestehen. Der einzige kleine Wermutstropfen in diesem Meisterwerk ist für mich Harrison Ford, der in leichteren Filmen wie "Star Wars" oder "Raiders of the Lost Ark" besser aufgehoben zu sein scheint. Die Rolle des abenteuerlichen Helden steht ihm besser als die des einsamen Ermittlers. Sein Charakter Deckard wirkt in seinem Auftreten oft zu schwach, was aber auch am Skript liegt. Zeitweise fällt es ein wenig schwer zu glauben, dass Deckard ehemals einer der besten Blade Runner gewesen sein soll, da er im Laufe des Films doch einiges einstecken muss und sich häufig mehr schlecht als recht durch die brenzligen Situationen seiner Ermittlungen kämpft (Ich denke hier vor allem an die ein wenig stümperhafte Befragung der Schlangendame).

      Trotz dieser kleinen Schwäche ist Ridley Scotts Magnum Opus ein Meilenstein des Sci-Fi Kinos und einer der wichtigsten und herausragendsten Filme aller Zeiten. Ähnlich wie z.B. "Apocalypse Now" weiß "Blade Runner" von der ersten bis zur letzten Sekunde an zu fesseln, zu verzaubern und zu verstören - allerdings nur für denjenigen, der auch seinen Geist und seine Sinne zu öffnen bereit ist. Wer Augen hat, der sehe. Wer fühlen kann, der fühle. Wer leben kann, der lebe!

      10
      • 2 .5

        [enthält SPOILER]

        Ich kann mit tiefgründiger Aufrichtigkeit sagen, dass ich diesen Film wie kaum einen anderen aus vollem Herzen verabscheue. Aber ich möchte hier keine persönliche und daher für jeden anderen vollkommen sinnlose Hassschrift verfassen. Nein, ich finde "Melancholia" sogar in einer gewissen Hinsicht sehr interessant. Für mich ist dieses Drama (oh Moviepilot, wie in aller Welt kann bitte "Thriller" in den Tags zu diesem Film auftauchen) ein bemerkenstwertes Beispiel für ein Werk, das seine Idee im Grunde konsequent umsetzt, und dennoch dabei wahrhaft fürchterlich anzusehen ist.

        Dies sollte ich wohl erläutern. Die erste Hälfte des Films besteht ausschließlich aus endlosen Szenen einer Hochzeit, die uns die Oberflächlichkeit, Engstirnigkeit und das gezwungene Auftreten des Großteils der Gesellschaft zeigen. Während der gesamten Hochzeitsszenen wird das Stilelement der Shaky-Cam verwendet, das die unangenehme, verkrampfte Stimmung visualsiert, die hinter dem aufgesetzten Getue der Gäste eigentlich herrscht. So innovativ und passend für das Konzept des Films dieses Stilmittel auch sein mag, es ist einfach unfassbar nervtötend. Bereits nach wenigen Minuten im Kino hat mich diese permanent wackelnde Kamera so gestört, dass ich des öfteren meine Augen schließen musste, um sie auszuruhen. Die für den (quasi-)Plot des Films relevanten Aspekte der Hochzeit hätte man locker in zehn Minuten abhandeln können, aber sie dauert im Film etwa eine Stunde. Durch die immense Dauer der Hochzeit sollen wir als Zuschauer diese ermüdende Stimmung empfinden und nicht nur erkennen. So künstlerisch durchdacht dies auch sein mag, es ändert leider den Umstand in keiner Weise, dass es schlichtweg unfassbar langweilig, anstrengend und unangenehm ist, sich durch diese Szenen zu quälen.

        Ein anderes Beispiel für ein solches Phänomen ist das Ende des Films. Den Untergang der Menschheit erwartend, sitzen unsere Protagonisten in einer aus Ästen errichteten "Zauberhöhle", die ihre eigene Welt innerhalb der belanglosen Wirklichkeit symbolisiert. Und wieder: Das Konzept des geistigen Erschaffens eines Fluchtpunkts in unserem unendlich langweiligen Alltag ist ein interessanter und mit der Aussage des Films harmonierender Aspekt, aber dennoch sitzen in der letzten Szene drei Menschen auf einem Hügel unter ein paar Holzstöcken und mit epischer Musik und in einem als unglaublich beeindruckend konzipierten Bild, verbrennen die Charaktere durch den auf die Erde stürzenden Planeten. Ich war am Ende des Films den Tränen nahe - und zwar vor Lachen. Das war leider kein sonderlich bewegendes Ende, sondern der pure Cheese. Die reine Idee ist zwar interessant, aber das letztendliche Sehen des verbildlichten Konzepts ist geradezu lachhaft.

        Für mich ist allerdings das größte Manko von "Melancholia" nicht der allgegenwärtige Cheese, nein, das gewichtigste Problem ist sein Konzept selbst. Lars von Trier hat mit diesem Film die Depression visualisiert. Ein brilliantes Meisterwerk nennen es die einen, ein vonvornherein zum Scheitern verurteiltes Projekt nenne ich es. Selbst wenn die filmische Verkörperung einer allgegenwärtigen Depression hier fehlerfrei gelungen wäre, worin bestünde ihr Wert? Warum sollte ich mich freiwillig einer ermüdenden Stimmung aussetzen? Gerate ich in meinem Leben in ein depressives Umfeld, so versuche ich, mich diesem zu entziehen. Warum sollte ich einen Film sehen wollen, in dem es um nichts anderes geht als um die bildliche Darstellung von Depression?

        Zum besseren Verständis dazu nun DrPeppers Gedankenexperiment: Für mich ist das Visualisieren von Depression ungefähr so beeindruckend, wie das Leben eines unendlich langweiligen Menschen zu verfilmen. In diesem imaginären Filmprojekt würden wir dann nichts anderes als jede Menge völlig alltägliche und belanglose Ereignisse sehen, die dieser uninteressante Mensch im Laufe seines Lebens erlebt. Das ganze müsste natürlich stilecht mit vollkommen öder Musik und aufdringlich gewöhnlicher Bildkomposition verbunden sein. Natürlich würde dieser Film dann auf der Berlinale mit den folgenden Worten vorgestellt werden: "Hier sehen sie die filmische Inkarnation von Langeweile. Nichts in diesem Film wird sie interessieren, nichts wird sie bewegen, nichts wird in irgendeiner Weise besonders sein. Machen sie sich bereit, die ultimative Langeweile zu verspühren!"

        Zweifelsohne könnte man diesem lächerlichen Film keinesfalls das Fehlen eines Konzepts vorwerfen. Aber heißt das deswegen, dass der Film "gut" ist? Warum sollte man "gut" in der Weise verstehen, dass es sich auf das Erfüllen eines vom Regisseur selbst als Ziel proklamierten Konzepts bezieht? Für mich verhält sich die Sache viel einfacher: Einen Film muss man gerne schauen. Letztendlich kommt es auf nichts anderes an. Es ist wie das Spielen eines Spiels: es muss Spaß machen. Es wäre absurd, ein Spiel zu entwerfen, dass keinen Spaß bringt. Es wäre ein intrinsischer Widerspruch. Natürlich meine ich damit nicht, dass ein jeder Film nur seichte Unterhaltung sein müsse. Gerade ich bin jemand, der von Filmen viel mehr erwartet. Ich liebe bewegende Meisterwerke wie "Sieben" oder welche, die mit dem Zuschauer spielen, wie "Memento". Aber das Wichtige dabei ist doch, dass ich mich in irgendeiner Weise an dem erfreue, was ein Film mit mir tut. Ich lasse mich von "Memento" gerne in einen ähnlich verwirrten Zustand versetzen wie den, welchen der Protagonist durch seinen Gedächtnisverlust erlebt. Mich aber an einer Depression teihaben zu lassen, ist ein Angebot, dass ich nur ablehen kann. Dies wäre nämlich nichts anderes als eine geistige Folter. Depression ist etwas, das ich nicht erfahren muss, um es ablehnen zu können, ungefähr so wie ein offener Knochenbruch. Warum sollte ich einen Film schauen wollen, der mich emotional negativ stimmt? Das wäre ja so, als ob ich mich bewusst einem Schmerz aussetzte. Und genau das ist "Melancholia": optischer Schmerz.

        9
        • 2

          [enthält SPOILER]

          Wo soll ich anfangen? Ich bin ein Liebhaber älterer Filme, vor allem der Meisterwerke der 70er, 80er und 90er Jahre. Besonders mit den berühmten Antikriegsfilmen dieser Zeit kann ich sehr viel anfangen, ich denke hier z.B. and "Apocalypse Now", "Full Metal Jacket", "Das Boot", "Schindlers Liste" oder "Platoon". Daher schien es nur logisch, "The Deer Hunter", der schon lange auf meiner Watchlist gestanden hatte, endlich einmal anzusehen. Im Gegensatz zu den oben genannten Filmen, die von mir alle 9 und "Apocalypse Now" sogar 10 Punkte bekommen haben, bin ich von "The Deer Hunter" maßlos enttäuscht.

          Vielleicht ist es am einfachsten, wenn ich meine Kritik chronologisch durchführe. Nach etwa 20 Minuten im Film begann ein immer größeres Unbehagen in mir zu wachsen. Ich fragte mich, was diese unendlich lang(weilig)en Hochzeitsszenen eigentlich zeigen sollen. Ich will zu Beginn einer Geschichte die Protagonisten nicht ewig feiern sehen, sondern sie kennenlernen. Für mich fühlen sich diese Szenen einfach nur unendlich zäh und bedeutungslos an (sie haben mich irgendwie an die erste Hälfte von "Melancholia" erinnert. Hier hätte man ebenfalls das Material einer Stunde locker in 10 Minuten erzählen können). Schlau wie ich bin habe ich mir schon während des Films einige Kritiken angeschaut, um wenigstens herauszufinden, worauf ich vielleicht achten müsste, um irgendetwas aus der ersten Stunde des Films zu ziehen. Ich las, dass es im ersten Drittel um die Freundschaft der Protagonsiten gehe. Das einzige was ich hier allerdings sehe, ist ein Haufen nerviger Stahlarbeiter, die sich permanent blöd anmachen, hemmungslos betrinken und Lieder gröhlen. Ich fühle hier leider keinerlei Freundschaft und ich interessiere mich für keinen dieser Charaktere, geschweige denn, dass ich mich mit ihnen in irgendeiner Weise identifizieren könnte. Ich muss es ganz ehrlich sagen: für mich ist das ein Haufen dummer Idioten, die mir völlig egal sind. Und nichts anderes ist der gesamte erste Teil des Films: belanglos. Ich sehe nur unendlich dröge Aufnahmen einer Hochzeit, die mir wirklich rein gar nichts geben. Fast eine Stunde lang habe ich fassungslos auf den Bildschirm gestarrt, weil ich einfach nicht wusste, was das alles soll und wie sich irgendjemand an diesen Aufnahmen erfreuen sollte.

          Ich halte einen Film für gelungen, wenn er es schafft, mich von Anfang an in seinen Bann zu ziehen, aber "The Deer Hunter" hat leider rein gar nichts getan, um irgendwie meine Aufmerksamkeit zu wecken. "Der Soldat James Ryan" z.B. beginnt mit der verstörendsten Schlachtszene, die ich kenne. Auch wenn der Rest des Films deutlich schwächer ist, hat Steven Spielberg in dieser Szene die Schrecken des Krieges in so grausam faszinierender Weise eingefangen, dass ihm dafür Respekt gebührt. Dem Zuschauer wird durch sie der Krieg nicht nur erzählt, sondern jener wird zu einem Teil von ihm gemacht. Nur so kann man etwas für die Protagonisten empfinden, anstatt nur von außen auf sie und ihre Geschichte zu schauen. Ein anderer, näherliegender Vergleich ist "Apocalypse Now". Dessen Opening Szene ist einfach wundervoll inszeniert. Sie zeigt uns eine Menge über den Protagonisten und zieht uns dabei in optisch und akkustisch perfekter Manier sofort in den Bann des Films. Später gibt es sogar noch weitaus beeindruckende Szenen, z.B. die aufwändige Hubschrauber-Sequenz oder das mehr als perfekt visualisierte Ende. Bei "The Deer Hunter" im Gegensatz erkenne ich kaum Bilder, die mir überhaupt im Gedächtnis bleiben. Jetzt nach dem Ende des Films erinnere ich mich noch an einen Hirsch auf einem Berg, an ein Auto, das auf einer einsamen Straße ein paar Mal hin und zurück fährt und an viele Menschen, die tot vom Stuhl fallen. Ich wünsche mir nicht immer ein riesiges Actionfeuerwerk, aber doch zumindest irgendendwelche Bilder, die einen Eindruck auf mich hinterlassen. Bilder sind schließlich das wesentliche Element eines jeden Films, das Herz des Mediums. Ein herausragender Film fängt nicht einfach nur an, sondern hat einen in irgendeiner Weise besonderen Moment, der den Zuschauer aufhorchen lässt.

          Im zweiten Drittel der Geschichte befinden wir uns endlich in Vietnam. Ich hatte gehofft, dass es nach einer Stunde absoluter Langeweile nun endlich ans Eingemachte gehe, aber weit gefehlt. Zunächsteinmal hat es mich sehr gewundert, dass der Film einfach ins Kriegsgeschehen springt, ohne uns den Weg der Protagonisten dorthin zu zeigen. Hier fällt mir natürlich "Full Metal Jacket" als Gegenbeispiel ein, der einen großartigen Bogen um die Ausbildung der Rekruten und ihren späteren Kriegseinsatz schlägt. Das Herz von "The Deer Hunter" scheinen allerdings nicht die Geschichten unserer Protagonisten zu sein, sondern die vieldiskutierten Sequenzen, in denen die Charaktere Russisches Roulette spielen. Obwohl dieses Element zentral zu sein scheint, verstehe ich leider überhaupt nicht, was mir das ganze zeigen soll. Dass ein einzelnes Leben im Krieg seine Bedeutung verliert? Dass das eigene Leben irgendwann wertlos wird, wenn es nur noch aus Qual besteht? Für diese Erkenntnisse brauche ich nun wirklich keinen dreistündigen Film, sondern nur gesunden Menschenverstand. Ich finde es vor allem schwierig, bei diesen Szenen irgendetwas für die Protagonisten zu empfinden, weil ich sie einfach kaum kenne. Ich habe nichts mit ihnen in diesem Krieg erlebt, überhaupt nicht gesehen, was sie bis hierhin durchmachen musste. Ist die Gefangenschaft das erste schreckliche Erlebnis für sie in diesem Krieg oder bildet es den Höhepunkt einer langen Reihe von Schmerzen? Wie lange kämpfen sie schon, in welcher Weise haben sich ihre Persönlichkeiten über die Zeit verändert? Nichts davon wird mir mitgeteilt, denn der Film springt schließlich einfach von der Heimat in die Kriegsgefangenschaft; alle Vorkommnisse dazwischen scheinen bedeutungslos zu sein. Mich hätte diese Zeit allerdings viel mehr interessiert. Solcherlei Aspekte hat Oliver Stone in "Platoon" in bemerkenswerter Weise herausgearbeitet. Er zeigt uns verschiedene Typen von Menschen und wie sie persönlich mit dem Schrecken des Krieges umgehen. Manche behalten ihre Moral und kämpfen für sie und andere gehen völlig im Grauen des Krieges unter und werden ein Teil von ihm. Bei "The Deer Hunter" kenne ich die Geschichte der Protagonisten bestenfalls fragmentarisch und verstehe überhaupt nicht, warum mir gerade diese Momente ihres Lebens gezeigt werden. Statt einer langen Hochzeit, von der dann urplötzlich in die Kriegsgefangenschaft gesprungen wird, hätte ich lieber den Kriegsalltag gesehen und wie er die Charaktere langsam aber sicher tiefgründig verändert.

          Der letzte Teil des Films spielt dann wieder in der Heimat und soll vermutlich zeigen, inwiefern sich die Protagonisten durch den Krieg verändert haben. Ich weiß nicht, ob ich zu diesem Zeitpunkt bereits jedwedes Interesse an der Geschichte und ihren Menschen verloren hatte, aber für mich ergibt hier kaum etwas irgendeinen Sinn. Einer der Haupt-Charaktere ist inzwischen professioneller Russisch-Roulette Spieler geworden und schickt seine Gewinne an seine Freunde. Er kann diese neue Profession anscheinend auch jahrelang betreiben, ohne dabei zu sterben. Der Typ dürfte gerne meinen Lottoschein ausfüllen bei seinem Glück. Mal abgesehen davon, dass diese Idee einfach so dermaßen unglaubwürdig und daher lächerlich ist, wirkt sie auch noch bis über alle Maßen konstruiert, denn es soll nur krampfhaft gezeigt werden, dass dieser Mensch den Wert eines Lebens nicht mehr schätzen kann. Für mich ist das eine Botschaft mit dem Holzhammer und berührt mich daher überhaupt nicht. Auch die anscheinend wichtigen Dynamiken zwischen Robert De Niro, Meryl Streep und ihrem Umfeld konnten bei mir kein Interesse wecken. Für mich war nach über zwei Stunden einfach kein Verlangen mehr da, hier nach irgendwelchen bedeutungsvollen gesellschaftlichen Statements zu suchen, denn selbst wenn hier welche vorhanden wären, würden sie durch den vorangegangenen Teil des Werkes sowieso völlig entwertet. Wenn ein Film sich einen Dreck darum schert, meine Aufmerksamkeit aufrechtzuerhalten und einfach nur von einem öden Dialog zum nächsten belanglosen Set voranschreitet, dann ist mir seine Aussage ziemlich egal, auch wenn ihr Kern vielleicht interessant sein mag. Bei der Redux-Version von "Apocalypse Now", die sogar noch etwas länger ist als der vorliegende Film, sauge ich auch nach mehrmaligem Schauen immer noch jedes Bild, jeden Klang, jeden einzelnen Blick der Protagonisten in mich ein und bekomme feuchte Augen, wenn Martin Sheen schließlich aus dem Halbschatten tritt.

          Wie auch bei "Apocalypse Now" wird oft über "The Deer Hunter" gesagt, dass es sich hier nicht in erster Linie um einen Antikriegsfilm handele. Bei Francis Ford Coppolas Werk stimme ich dem zu. "Apocalypse Now" erforscht die Abgründe des Menschen und seinem schmerzhaften Umgang mit ihnen. Der Vietnamkrieg bildet nur den Rahmen für diese Moralstudie. "The Deer Hunter" soll nun angeblich ein Film über Freundschaft und ihre Veränderung durch den Krieg sein. Über die Absurdität dieser Aussage könnte ich fast lachen. Ein paar platte und nebulöse Charaktere, deren sogenannte Freundschaft daraus zu bestehen scheint, sich zu besaufen und dabei Lieder zu singen, müssen sich am Ende in einem epischen Russisch-Roulette Duell bekämpfen. Einer von ihnen ist durch den Krieg halb verrückt und der andere völlig verrückt geworden, ein bedeutungsschwangeres Ergebnis.

          Ich verstehe diesen Film von vorne bis hinten nicht. Der ganze Plot macht einfach überhaupt keinen Sinn und fast jede Szene ist viel zu lang. Ich empfinde für keinen dieser Menschen auch nur das Geringste und nach sich noch länger anfühlenden 180 Minuten habe ich nicht einmal etwas über die Psychologie des Menschen oder die Moral des Krieges gelernt. Ich halte diesen Film für ein wirres Konvolut aus pseudo-bewegenden und möchtegern-intelligenten Elementen, die in einer unfokussierten Geschichte in beachtlicher Belanglosigkeit auf den Zuschauer einströmen. Ich liebe so viele Filme und die meisten von ihnen werden auch von vielen anderen geliebt, aber ähnlich wie z.B. auch bei "The Seven Samurai" sehe ich in dem vorliegenden hochgelobten Klassiker nichts, einfach rein gar nichts, was mich in irgendeiner Weise interessieren oder gar berühren könnte.

          11
          • 7
            über Rocky

            Wenn es einen Film gibt, der die perfekte Blaupause dafür enthält, wie man eine Frau beim ersten Date für sich gewinnt, dann ist es "Rocky". Man ziehe sich ein dreckiges Unterhemd an, laufe mit ihr durch die Slums von Philadelphia und prahle mit seiner bisherigen Laufbahn als Hinterhof-Boxer: der Verlobungsring kann quasi bestellt werden.

            Nein, im Ernst, "Rocky" ist trotz gewisser Schwächen ein ziemlich guter Film, der vor allem durch seine Atmosphäre punktet, welche besonders durch die berühmte Musik und die tollen Aufnahmen von Philadelphia erzeugt wird. Die Geschichte um Rocky Balboa, einen Amateur-Boxer aus der gesellschaftlichen Unterschicht, der zufällig durch eine Marketing-Kampagne die Chance bekommt, um den Titel zu boxen, ist von ihrer Aussage her sehr schön. Natürlich ist dieser ganze American-Dream-Plot nicht unbedingt der kreativste oder innovativste, aber ich muss zugeben, dass "Rocky" mich stellenweise wirklich berühren kann und ich richtig mit dem Italien Stallion mitfiebere. Der Film ist in erster Linie ein Statement für die Bejaung des Lebens und die Verwirklichung persönlicher Träume, auch wenn sich die ganze Welt gegen einen verschworen zu haben scheint. Finde ich toll.

            Was ich allerdings stellenweise als etwas vernachlässigt empfinde, sind Rockys Motivationen. Vor allem in gewissen Schlüsselsituationen hätte ich mir einen etwas tieferen Einblick in Rockys Emotionswelt gewünscht. Was liebt er so an seiner Adrian? Was genau bewegt ihn letztendlich, sich doch mit aller Kraft auf den Titelkampf vorzubereiten? Auch hätte ich mich nicht über mehr Szenen von Rockys Training in der Gym beschwert. Der Film funktioniert, aber lässt manche eigentlich recht wichtigen Aspekte nur angedeutet, was mich ein wenig stört. Trotzdem ist "Rocky" von einer Aura des Klassikers angehaucht und sollte für den allgemein interessierten Filmfreund zumindest mit einer Sichtung belohnt werden.

            6
            • 4 .5
              über Juno

              Nein "Juno", so leicht bin ich dann doch nicht zu kriegen. Ich kann mich bei diesem hochgeschätzten Geheimtipp der allgemeinen, kompromisslosen Lobpreisung leider nicht uneingeschränkt anschließen. Zugegebenermaßen bin ich kein allzugroßer Freund der inzwischen so sehr in Mode gekommenen bittersüßen Comedy-Dramen im jugendlichen Setting, aber dennoch konnten mich manche solcher Filme wie z.B. "500 Days of Summer" überzeugen, wenn auch nicht verzaubern.

              "Juno" behandelt ein schwieriges, unangenehmes Thema, dass er aber recht zugänglich vermittelt. Es geht um die 16-jährige Juno, eine etwas merkwürdige, aber nicht auf den Mund gefallene High-School Schülerin, die versehentlich schwanger wird und nun vor der schwerwiegenden Entscheidung steht, ob sie das Kind abtreiben möchte oder es zu einer Pflegefamilie gibt, da für sie ein Leben als Mutter noch nicht in Frage kommt. Nun beginnt die Suche nach einem geeigneten Ehepaar, dass die nötigen Voraussetzungen hat, um als zukünftige Eltern in Frage zu kommen.

              Auch wenn man es bei einer solchen Geschichte erwarten könnte, wird hier lobenswerterweise niemals der drohende Zeigefinger geschwungen, vielmehr wird der Zuschauer immer wieder durch abstruse Situationen und überzogene Charaktere selbst direkt zum Nachdenken angeregt. Dies gelingt meistens sehr gut, auch wenn einige Dialoge und besonders manche von Junos Sprüchen doch hin und wieder übers Ziel hinausschießen. Ebenfalls hat der Film eine sehr gelungene Atmosphäre, die in einem bemerkenswerten Kontrast zu seinem ernsten Inhalt steht. Durch eine freudige, aber doch irgendwie zwiespältige Stimmung wird der Konflikt zwischen der unbeschwerten Kindheit und dem verantwortungsvollen Erwachsensein hervorragend eingefangen. Für viele wird dies sicher noch durch die permanent eingesetzte Indie-Musik verstärkt. Ich muss es für mich allerdings anders formulieren: Die Atmosphäre funktioniert trotz der unendlich vielen wahrhaft scheußlichen, pseudo-emotionalen Emo-Schnulzen noch überrraschend gut. Geschmackssache, whatever.

              Neben der Musik, die viele sicher sehr mögen werden, hat "Juno" allerdings auch einige Schwächen, die sich meiner Meinung nach schwer leugnen lassen. Da ist z.B. Ellen Page's Charakter, Juno, das Mädchen, dass wirklich immer einen flappsigen Spruch auf den Lippen hat und sich so gut wie nie durch irgendetwas von ihrer Coolness abbringen lässt. Sicher spielt Page ihre Rolle souverän, aber dennoch ist ihr Charakter einfach maßlos übertrieben und daher unrealistisch. Und so verhält es sich leider mit jedem Charakter in diesem Film. Wir haben Junos Vielleicht-Freund, der ein Nerd ist wie er im Buche steht, dann die abgedrehte, überaus (un-)lustige beste Freundin, das Juppie-Ehepaar - er, ehemaliger leidenschaftlicher Hobby-Musiker im erzwungenen kreativen Ruhestand und sie, disziplinierte Pilates-Sportlerin mit fast neurotischem Kinderwunsch - und natürlich darf auch der einfach gestrickte, aber doch auf seine Art irgendwie fürsorgliche und liebenswerte Vater nicht fehlen. Es stellt sich hierbei immer die Frage, inwieweit übertriebene Charaketere der Botschaft eines Films schaden. Ich würde zwar nicht behaupten, dass "Juno" in seiner Grundidee scheitert, aber zumindest verhelfen ihm seine doch sehr klischeehaften Persönlichkeiten nicht gerade zu einem Bonuspunkt. Die Story wirkt ob solcherlei Stereotypen einfach an vielen Stellen zu konstruiert, um gänzlich überzeugen zu können.

              Außerdem haben sich einige Ungenauigkeiten in das Skript eingeschlichen. Mir ist bis zum Ende des Films z.B. überhaupt nicht klar geworden, was Juno überhaupt an ihrem komischen Irgendwie-Freund(-oder-nicht) Bleeker findet (gespielt von Michael Cera, der wie üblich seine anscheinend einzig mögliche Rolle abliefert, auch bekannt aus "Scott Pilgrimm vs. the World" oder "Zombieland" oder auch "Facebook, the Movie". Moment, gab's da nicht noch so'n anderen Nerd-Typen...). Diser 0815-Klischeenerd wirkt wie einer der langweiligsten und austauschbarsten Typen der gesamten Welt, aber aus irgendeinem Grund ist er für sie genau der richtige. Dass er für irgendetwas jenseits der Frage nach der Uhrzeit überhaupt in Frage kommt, ist für mich schon unbegreiflich.

              Alles in allem ist "Juno" trotzdem ein empfehlenswerter Film, nur eben kein Meisterwerk. Obwohl ich schon einige recht gute Filme seines Genres gesehen habe, will ich nicht so richtig mit solch einer Art Film warm werden. Es ist einfach irgendwie nicht mein Ding und daher achte ich vielleicht zu sehr auf einzelne Schwächen, die vielleicht insgesamt gar nicht so bedeutend sind. Aber ich habe trotz allem immerhin das Gefühl, dass dieses Werk andere Menschen weitaus mehr berühren kann als mich und dafür gebührt ihm zumindest Respekt. Freunde von modernen Feel-Good/Feel-Bad-Movies ala "Little Miss Sunshine", "Garden State" oder "500 Days of Summer" werden hier sicher eine Menge Freude empfinden, die meisten vermutlich noch weit mehr als ich.

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              • 4

                (enthält SPOILER)

                Auch einige Stunden nach dem Kinobesuch ist Enttäuschung immer noch das vorherrschende Gefühl. Trotz eigentlich eher geringen Erwartungen hat mich "Prometheus" mit einem ziemlich miesen Gefühl zurückgelassen. Das liegt nicht zuletzt auch daran, dass der Film so wundervoll anfing: eine beeindruckende, ruhige Atmosphäre, die in angenehmer aber nicht zu deutlicher Weise an den Klassiker "Alien" erinnert, außerdem eine vielversprechende, interessante Geschichte und ein sehr gelungener Spannungsaufbau.

                All dies verabschiedet sich allerdings schlagartig ab der Mitte des Films. Ab jetzt geht es nur noch drunter und drüber und "Prometheus" verkommt zu einem ziellosen, wirren Genre-Mix und schlechtem (Pseudo-)Alien-Prequel. Es werden die falschen Fragen gestellt und - wenn überhaupt - die falschen Antworten gegeben. Während die für den Plot relevanten Auflösungen in absolut unbefriedigender Art auf ein mögliches Sequel verschoben werden, wird gleichzeitig in fast unverschämter Manier das Alien seines früheren mysteriösen Status beraubt. Ich will überhaupt nicht wissen, wie genau diese Aliens entstanden sind und erst recht nicht, wenn mir eine so plumpe Erklärung geboten wird. Das einst so beeindruckende, düstere und bedrohliche Alien wird auf respektlose Weise zu einem belanglosen Sidekick degradiert, der irgendwie als Ergebnis einer Verschmelzung von einem in einem Menschen ausgebrüteten Monsterwurm-Nachkommen und einem Space-Jokey entstand. So eine lächerliche und unelegante Entstehungsgeschichte entmystifiziert das von uns allen so geliebte und gefürchtete Alien und macht es zu einem absurden B-Movie-Glibberviech.

                Ich wünschte, ich könnte wenigstens die Darsteller loben, aber bis auf den gewohnt soliden Michael Fassbender kann hier einfach niemand etwas aus den belanglosen und eklig stereotypen Hollywood-Reißbrettcharakteren herausholen. Daran ist hauptsächlich das schwache Skript Schuld, das einfach viel zu viele interessante Ansätze lieblos in einen Topf wirft und dafür sorgt, dass alle für die Essenz des Films bedeutenden Fragen im Sand verlaufen. Besonders die religöse Message wollte bei mir so gar nicht funktionieren. Glauben heißt: weiterzuglauben, auch wenn man weiß, dass man von widerlichen, 2,5 Meter großen Alienmenschen aus irgendeinem Grund geschaffen wurde, nur um dann später wieder durch ein Doomsday Device vernichtet zu werden. Wer weiß, vielleicht hat Gott ja diese Wesen geschaffen und Gottes Wege sind ja bekanntlich unergründlich... Wie auch schon in Alien 3 muss aus irgendeinem Grund in einem Space-Horror-Film, der blutige Splatter-"Schwangerschaftsabbrüche" und schleimige Wurm- bzw. Tentakel-Monster enthält, auch eine tiefgründige Glaubensproblematisierung enthalten sein. Oh Hollywood, warum müssen immer wieder nicht miteinander vereinbare Motive in deinen Filmen stecken?

                Letztendlich ist "Prometheus" nur aufgrund seiner technischen Makellosigkeit gerade noch akzeptabel. Anspruchsloses Kino für Optik- und Atmosphäre-Liebhaber, sonst für niemanden. Statt eines überladenen, unpassend mystisch angehauchten und schlecht geschriebenen Konvoluts aus nicht harmonierenden Ideen, hätte ich mir eine bodenständige Science-Fiction-Geschichte gewünscht, die uns die außerirdische Rasse der Space-Jockeys näher beleuchtet und dabei auf schlichte, aber elegante Weise ein früheres Zusammentreffen der Menschheit mit den Aliens zeigt. Aus diesem Dreieck der Species hätte eine tolle Geschichte werden können, die weder versuchen muss, schwache Antworten auf ungestellte Fragen zu liefern noch sich in theologisches Territorium vorzuwagen. Einen soliden, gut geschriebenen Sci-Fi-Streifen der alten Schule, der einfach nur im Alien Universum spielt ohne es dabei auszutreten, so einen Film hätte ich mir gewünscht.

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                • 10

                  Fast jeder kennt zumindest einen außergewöhnlichen Film, der ihm persönlich in besonderer Weise etwas bedeutet: einen Lieblingsfilm. Und "Inglourious Basterds" ist meiner. Ich habe in meinem Leben schon eine stattliche Anzahl an Filmen der unterschiedlichsten Genres gesehen, aber kaum einer hat mich seit der ersten Sichtung so fesseln und bewegen können wie dieses wahnsinnige Meisterwerk des Meisters.

                  Wie so ziemlich jeder außerordentlich berühmte Regisseur hat auch Quentin Tarantino schon immer sehr stark polarisiert. Auf der einen Seite stehen seine fanatischen Anhänger, die ihn kompromisslos in den Himmel loben, und auf der anderen Seite seine meist sehr verächtlich auftretenden Kritiker, die nicht mal seine offensichtlichen filmischen Fähigkeiten zu schätzen wissen und alle seine Werke als dumm, oberflächlich oder krampfhaft auf cool getrimmt bezeichnen. Ich habe mich früher nie selbst als richtiger Tarantino-Fan gefühlt bis ich irgendwann bemerkte, dass ich so ziemlich alle seine Filme sehr schätze oder wirklich liebe. Wer "Pulp Fiction" nicht als Meisterwerk erkennt, nun, mit dem kann man sich wohl nicht weiter produktiv über Filme unterhalten, da dieses goldene Stück Zelluloid so eindeutig brilliant ist, dass man es einfach nicht leugnen kann. Auch Tarantinos andere Werke sind mit Ausnahme von "Death Proof", der mir überhaupt nicht gefällt, allesamt gut bis sehr gut. Vor allem sein Kino-Debut "Reservoir Dogs" sei hier als weiteres Highlight seiner Filmographie erwähnt. Als aufgeschlossener und stets kritischer Filmschauer gestehe ich ein, dass "Jackie Brown" und auch die beiden "Kill Bill" bei weitem nicht fehlerfrei sind, aber gleichzeitig nun wahrlich auch alles andere als schlecht.

                  Nannte ich früher Quentin Tarantino noch nicht uneingeschränkt einen meiner Lieblingsregisseure, so änderte sich das schlagartig, als ich 2009 "Inglourios Basterds" im Kino sah. Dieser Film hat mich wie kaum ein anderer sofort in seinen Bann gezogen und nie wieder losgelassen. Von der ersten bis zur letzten Sekunde starrte ich mit weit aufgerissenen Augen und kaum auszuhaltener Spannung auf die Leinwand und am Ende war ich wirklich den Tränen nahe ob dieser für mich kaum zu verarbeitenden Masse an purer filmischer Innovation und Perfektion.

                  Ich weiß nicht, wo und wie ich anfangen soll, dieses unvergleichliche Meisterwerk zu beschreiben. Vielleicht vermag ich es am besten zu tun, indem ich mit einigem beginne, was ich schon oft von kritischen Stimmen gehört und gelesen habe. Viele sehr plumpe Kritik richtet sich wie immer direkt auf Tarantinos Stil, der als aufgesetzt, überdreht oder pseudo-cool beschimpft wird. Ich finde es vonvornherein schon schwierig, darauf überhaupt zu antworten, da schließlich genau das eben Tarantinos Brillianz ausmacht. Das bis über alle Grenzen Abgedrehte, fast schon Surreale und schamlos Brutale ist eben sein Element, in dem er wie kein zweiter zu glänzen versteht. Es fällt überhaupt schwer hier zu versuchen, irgendetwas and Tarantinos Filmkunst zu rechtfertigen. Wer den Stil eines Regisseurs nicht mag, dem ist schlicht gesagt einfach nicht zu helfen; er wird mit dessen Filmen niemals etwas anfangen können. Das ist aber auch überhaupt nicht mein Problem. Nein, was mich so unglaublich stört, ist diese herablassende, manchmal sogar beleidigende Haltung gegenüber Tarantino. Es wäre genauso vermessen zu behaupten, dass Salvadore Dali nicht malen könne, nur weil man seinen Stil nicht mag. Jemand, der so etwas behauptet, hat - wie man so schön sagt - einfach keine Ahnung. Das Zauberwort heißt hier "Respekt" und mehr wünsche ich von einem fairen Kritiker auch nicht. Ich möchte, dass Tarantinos Still respektvoll als eine besondere Form des Kinos angesehen und akzeptiert wird, auch wenn man seine Filme vielleicht nicht sonderlich mag. Genauso verhält es sich bei mir z.B. mit David Lynch. Ich fühle keine Liebe zu seinem Werk, aber sehr wohl Anerkennung.

                  Ein weiterer Kritikpunkt sind eigentlich bei jedem Tarantino die Dialoge. Und hier kann ich manchmal sogar richtig wütend werden aufgrund der immensen Blindheit so mancher sogenannter Filmfreunde. Wenn ich wiedermal lesen muss, dass "Inglourious Basterds" inhaltsleere und langweilige Dialoge habe, kommt mir einfach die Galle hoch. Das absolut beste, brillianteste und fesselndste Element dieses Films sind seine Dialoge. Nicht umsonst gilt Tarantino in Kennerkreisen spätestens seit "Pulp Fiction" als Meister des Dialogs und für mich zeigt sich diese seine extravagante Leistung bei "Inglourious Basterds" stärker denn je. Wie kann man nur allen Ernstes behaupten, diese Dialoge seien inhaltsleer oder gar langweilig. Besteht ein guter Dialog immer nur aus Informationen? Ist ein guter Dialog etwa ein solcher, in dem sich die Charaktere über Plot-Points unterhalten müssen, weil die Story so schlecht konzipiert ist, dass man sie sonst nicht verstehen würde? Oder möchte man lieber, dass Charaktere sich gegenseitig ihre Sorgen und Wünsche erzählen, weil sie so schlecht geschrieben sind, dass man sie sonst überhaupt nicht verstehen würde? Verdammt nochmal, gute Dialoge sind völlig andere, und zwar solche, in denen Spannung aufgebaut wird, in denen wir indirekt etwas über die Charaktere erfahren, in denen es knistert und rumort wie in der Luft vor einem Gewitter. Soll man das Gespräch zwischen dem SS-Mann Hans Landa und dem französischen Milchbauern zu Beginn des Films etwa kritisieren, weil man sich hier ja nur 15 Minuten über den vermeintlichen Aufenthaltsort irgendeiner uns nicht bekannten jüdischen Famile unterhält? Außerdem erinnere man sich an die Konfrontation in der Kellerkneipe in der zweiten Hälfte des Fims. Es ist einfach unfassbar wie hier Emotionen zwischen den Zeilen vermittelt werden, wie der grenzenlose Hass verschiedener Menschen verschiedener Ideologien aufeinander spürbar wird. In solchen Szenen geht es nie um das, was gesagt wird, sondern gerade um das, was nicht ausgesprochen wird. In der Totally Rad Show wurde dies z.B. sehr passend mit "Action im Dialog" umschrieben. Diese Szenen sind für mich nichts Geringeres als ein paar der spannensten, fesselndsten und bewegensten Momente der gesamten Filmgeschichte und das hauptsächlich aufgrund ihrer Dialoge.

                  Etwas, das ebenfalls viele Kritiker zu stören scheint, ist, dass "Inglourious Basterds" in einem historischen Setting verortet ist, sich aber einen eigenen, von der Geschichte abweichenden Ausgang erlaubt. Dies ist für mich allerdings gerade etwas, das ich als besonders positiv herausstellen würde. Eine innovative Idee, die ich gerne viel öfter in Filmen verwendet sehen würde. Ich kann außerdem das Problem überhaupt nicht nachvollziehen, warum man in einem Film der Historie nicht einen alternativen Verlauf geben dürfe. Warum ist es in Ordnung, sich eine Geschichte komplett aus dem Nichts auszudenken, aber nicht, eine Geschichte in einem realen Setting beginnen zu lassen und dann in einen fiktiven Ausgang zu führen? Ich kann hier nicht einmal weiter darauf eingehen, weil ich diese Kritik einfach überhaupt nicht begreife.

                  Ebenfalls wird oft kritisiert, dass in einem Tarantino Nazis vorkommen, was nicht angemessen sei. Ich weiß nicht, ob man hiermit meint, "Inglourious Basterds" sei ein respektloser Umgang mit der Vergangenheit oder was auch immer, ich jedenfalls kann darauf nur eines erwidern: Es kann in einer Geschichte kaum bessere, stärkere, bedrohlichere Villains geben als die Nazis. Allein dadurch, dass Hans Landa eine SS-Uniform trägt, wirkt er sofort um ein Vielfaches gefährlicher und ist absolut Angst einflössend, selbst als der Zuschauer ihn noch nicht kennt. Wir alle wissen, was der Nationalsozialismus der Welt eingebracht hat und all dieser Schrecken, all diese Grausamkeiten stehen zu jeder Zeit auch implizit hinter jedem, der mit einer solchen Uniform bekleidet ist. Hier wird nichts was die Nazis getan haben verhamlost; im Gegenteil, sie funktionieren nur deshalb so gut als Gegenspieler, weil sich der Zuschauer zu jeder Zeit ihrer absoluten Bösartigkeit bewusst ist.

                  Was die Darsteller in Tarantinos Werken betrifft, regnet es meist nur wenig Kritik. Auch hier loben fast alle die Leistung von Christoph Waltz, für die er wohl zurecht einen Oscar bekommen hat. Zwar mag seine Rolle nicht unbedingt die vielschichtigste sein, aber er meistert seine Aufgabe dennoch mit so einer außergewöhnlichen Bravur (nicht zuletzt durch seine beachtlichen multilingualen Fähigkeiten), dass man ihm einfach applaudieren muss. Seine neueren Filme scheinen zwar zu zeigen, dass er nicht gerade der vielseitigste Schauspieler ist, aber das macht ihn im vorliegenden Film ja nicht schlechter. Auch die anderen Darsteller erfüllen ihr Soll durchweg hervorragend. Michael Fassbender, Daniel Brühl, August Diehl, Diane Kruger, die wunderschöne Mélanie Laurent und selbst Till Schweiger liefern allesamt klasse Performances ab. Einzig bei Brad Bitt gebe ich zu, dass sich seine Darstellung an der Grenze zum Absurden befindet, sie aber meiner Meinung nach gerade noch nicht überschreitet.

                  Ich weiß nicht, ob es Sinn macht, an dieser Stelle noch mehr zu schreiben; ich könnte noch ewig aufzählen, was genau ich alles so außergewöhnlich und großartig an "Inglourious Basterds" finde und wie eine Szene die vorherige nur an Klasse und Dramatik übertrifft, aber irgendwann muss auch der längste Review einmal zu Ende gehen. Ich begnüge mich damit, hier eher eine Verteidigungsschrift als einen tatsächlichen Review verfasst zu haben, da mir einfach viel zu viel vehemente und unangemessene Kritik auf diesen Film einzuwirken scheint.

                  Für mich ist "Inglourious Basterds" nichts Geringeres als Tarantinos allergrößtes Meisterwerk, dass sogar den eigentlich fehlerfreien "Pulp Fiction" noch übertrifft (was natürlich im Grunde paradox ist, aber whatever). Oft auch als Tarantinos Western bezeichnet, glänzt der Film in so ziemlich jeder Hinsicht, sei es handwerklich, durch Atmosphäre, Charaktere oder eben durch Dialoge. Ich erwarte schon hoffnungsvoll "Django Unchained", obwohl ich schon zu wissen glaube, dass alles, was jemals noch kommen wird, nicht an "Inglourious Basterds" heranreichen wird.

                  9
                  • 4 .5

                    Nachdem ich "Lawrence von Arabien" soeben zu Ende geschaut habe, beschäftigt mich merkwürdigerweise eine nicht unmittelbar mit dem Film verbundene Frage viel mehr als alles andere: Sind denn Filme wirlich nichts weiter als reine Geschmackssache?

                    Ich bin eigentlich immer der Meinung gewesen, das man bei Filmen - viel eher noch als in anderen kulturellen Bereichen wie z.B. in der Musik oder Malerei - gewisse quasi objektive Grundregeln voraussetzen kann, ohne die ein Film nicht vernünftig funktioniert. Damit er nicht zur Belanglosigkeit verkommt, müssen einfach bestimmte Bedingungen erfüllt sein, die man sogar recht deutlich formulieren kann. Diese sind allerdings eher als "grundlegende Faustregeln" zu verstehen, die aus angemessenen künstlerischen oder dramaturgischen Motiven auch einmal gebrochen werden können (man denke z.B. an "Memento"). Ich spreche hier von allgemein bekannten Aspekten wie Geradlinigkeit (dem sogenannten "Roten Faden"), einem gelungenen Spannungsbogen, Charaktertiefe und -entwicklung und eine den Zuschauer in irgendeiner Weise bewegende audiovisuelle Qualität (um nur die warscheinlich wichtigsten Beispiele zu nennen). Ich habe mir immer eine Art Katalog von Regeln vorgestellt, von denen die meisten eingehalten werden sollten und nur wenige - wenn überhaupt - aus genau überlegten Gründen gebrochen werden dürfen. So kann man denn auch sehr gut erkären, warum viele Filmexperimente wie z.B. "Blair Witch Project" so kläglich scheitern. Da ich allerdings bei "Lawrence von Arabien" so gut wie keines solcher Kriterien als erfüllt betrachte, aber anscheinend der Großteil der Filmliebhaber ihn als fehlerfreies Meisterwerk einstuft, beginne ich nunmehr, meine eben angedeutete Grundeinstellung zum Medium Film anzuzweifeln. Bevor ich meine Gedanken hierzu allerdings weiter ausführe, möchte ich zuerst auf den Film selbst eingehen.

                    Ich kann bei diesem von allen Seiten so hochgelobten Klassiker auch beim besten Willen kaum etwas ausmachen, was mich mehr als peripher interessieren oder bewegen würde. Zuersteinmal sehe ich absolut keinen Grund für die aberwitzige Laufzeit von über 200 Minuten, da der Großteil der Szenen überhaupt keinen besonderen Sinn in Bezug auf den Fortgang der Geschichte oder die Intentionen der Charaktere zu haben scheint. Wir sehen Sandstürme, im Treibsand verschwindene Weggefährten, Wüstenschlachten und Eisenbahnüberfälle. So beeindruckend diese Szenen auch eingefangen sein mögen, sie geben dem Film doch leider nichts weiter als eine interessante Optik, denn sie haben keinerlei externalen Zweck. Normalerweise kann man solcherlei Szenen sehr gut dazu benutzen, dem Zuschauer gewisse Eigenschaften der Charaktere zu verdeutlichen oder zentralen Dialogen ein interessantes Setting zu geben. Aber obwohl es in "Lawrence von Arabien" doch in erster Linie um politische, gesellschaftliche und menschliche Themen gehen soll, wird seine inhaltliche Essenz immer wieder ins Unermessliche gestreckt und dabei verwässert. Ein typisches Hollywood-Phänomen, auch schon damals.

                    Bei den wenigen negativen Kritiken, die ich zu diesem Film finden konnte, wurde sein Hauptproblem meist wenig sinnvoll mit dem Begriff "Langeweile" umschrieben. Da man so ziemlich jedem Film, in dem nicht alle fünf Minuten eine Explosion zu sehen ist, vorwerfen könnte, dass er langweilig sei, ist dies eine sehr unergiebige Kritik. Der Verteidiger des Films braucht dann nur zu antworten, dass er das aber ganz anders empfinde und die Diskussion ist bereits an ihre Grenze gelangt. Das was "Lawrence von Arabien" allerdings für einige so ermüdent macht, ist die fehlende Geradlinigkeit. Es passieren viele verschiedene Dinge, es tauchen immer wieder einzelne Menschen auf, aber ohne dass man all dies in einen vernünftigen, notwendigen Zusammenhang mit der Geschichte bringen könnte. Die Ereignisse und vor allem die Charaktere wirken nebulös und austauschbar. Nichts und niemand läuft auf irgendetwas hinaus. Am Ende habe ich mich immer noch gefragt, wer denn nun dieser Lawrence eigentlich ist. Was ist er für ein Mensch, was zeichnet ihn aus, warum sollte ich mich für ihn interessieren? Einerseits ist er philosophisch belesen, andererseits ein brutaler Mörder. Das verstehe ich nicht. Warum zieht es ihn in die Ferne, warum glaubt er, er sei "anders"? Ich empfinde ihn letztendlich als nichts weiter als einen völlig blassen Charakter, der aus willkürlich zusammengeworfenen Eigenschaften zu bestehen scheint. Leider wird im Film niemals versucht, ihn dem Zuschauer zu erklären, seine womöglichen inneren Konflikte zu erläutern.

                    Es wird warscheinlich nicht sonderlich überaschend klingen, wenn ich nun behaupte, dass ein Spannungsbogen in diesem Film so gut wie nicht vorhanden ist. Die meisten gelungenen Filme haben am Anfang, in der Mitte und am Ende einen Höhepunkt, einen Moment, in dem man als Zuschauer in besonderer Weise hellhörig wird, mitfiebert oder verstört dreinblickt. (Ein sehr schönes Beispiel hierfür in Bezug auf beeindruckende Action ist "Heat". Aber auch bei ähnlicheren Filme wie "Ben Hur" lassen sich solche Höhepunkte besser erkennen, z.B. die beeindruckende Seeschlacht oder das abschließende berühmte Wagenrennen). Im vorliegenden Film ist es im Gegensatz geradezu traurig, dass man sich anscheinend nicht die geringste Mühe gegeben hat, zu Beginn der Geschichte beim Zuschauer Interesse für den Protagonisten oder seine Aufgabe zu wecken (der kleine Prolog mit der Motorradfahrt mag vielleicht ein Versuch dafür sein). Der Schluss entbehrt ebenfalls jedweder Klimax. Irgendeine besondere Szene, zumindest ein im Gedächtnis bleibendes Bild hätte ich mir gewünscht. Aber nein, man hat eher das Gefühl, dass der Film einfach abrupt endet, und das nach so einer langen Laufzeit. Spannung und Höhepunkte sind einzig und allein in der Mitte des Films auszumachen.

                    Das einzige, was diesen Film für mich doch noch halbwegs erträglich gemacht hat, sind die großartigen Aufnahmen der Wüste und die unglaublich aufwendige Inszenierung der Schlachtszenen mit einer Fülle von Statisten und untermalt mit passender klassischer Musik. (Derart wundervoll gefilmte Szenen sind heutzutage leider fast völlig verschwunden und wenn man sie doch einmal sieht, dann sind die echten Menchen in ihnen durch computeranimierte Strichmännchen ersetzt worden). Wie bereits angedeutet, stört mich bei all ihrer Pracht allerdings ihre Belanglosigkeit in Bezug auf den Kern des Films. Ich muss an dieser Stelle - wie eigentlich immer wenn es um Bildsprache geht - an einen anderen Klassiker denken, den ich zwar sehr schätze, bei ihm aber ein ähnliches Problem ausmache: "2001, Odyssee im Weltraum". Auch dieser Film weiß durch seine Audiovisualität zu bestechen, allerdings stößt auch er irgendwann an einen Punkt, an dem man das Gefühl hat, das seine Bilder nur noch für sich selbst stehen und keine Symbolik, Aussagekraft mehr haben. Zwar wunderschöne, aber sich scheinbar endlos hinziehende Außenaufnahmen eines Raumschiffs. Wozu? Und genauso hier, warum so viele Bilder der Wüste? Nur weil sie toll aussehen? Das ist mir als Begründung einfach zu wenig, erst recht in einem Film, dessen Laufzeit seinesgleichen sucht.

                    Um den Bogen dieses Reviews wieder zu schließen, möchte ich abschließend auf meine Ausgangsfrage zurückkommen: Sind Filme einfach nur Geschmackssache, über die wir uns letztendlich so gut wie gar nicht produktiv austauschen können? Je länger ich ernsthaft über dieses Medium nachdenke, desto mehr glaube ich: ja. Auch wenn es viellicht eine Art imaginären Katalog von Grundregeln des Films gibt, ist die jeweilige Gewichtung seiner einzelnen Elemente derart subjektiv, dass man selbst in einer Diskussion mit dem aufgeschlossensten Kritiker nicht zu einem Konsens kommen kann. Sieht der eine beim Fehlen von Charaktertiefe die größte Schwäche eines Films, so beteuert ein anderer, dass es doch gar nicht auf diese ankomme, weil man sich auf eine spannende Geschichte konzentriert habe. Oder vermisst man eine logische Handlung und glaubwürdige Dialoge, so beschwört George Lucas, dass es bei jedem Film nur um die Special Effects gehe. So ziemlich jeder wird in seinen Lieblingsfilmen weiterhin ein Meisterwerk sehen und alle auslachen, beschimpfen oder bemitleiden die seinen Standpunkt nicht teilen. So muss auch ich bis in alle Ewigkeit zweckloserweise versuchen, der Menschheit zu erklären, warum "Inglourious Basterds" ein Meisterwerk und "Avatar" ein schmerzhafter Haufen Mist ist. Und genauso werden jetzt wohl die Liebhaber des "Lawrence von Arabien" vergeblich versuchen, mir seine Qualitäten zu offenbaren. Und leider werden wir alle scheitern.

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                    • 9
                      über Memento

                      Bei "Memento" scheiden sich die Geister: Während er von vielen Nolan-Jüngern als dessen absolutes Meisterwerk proklamiert wird, sieht die Opposition hier nichts weiter als eine konventionelle, aber durch verwirrende Zeitsprünge ins Pseudo-Brilliante aufgeblähte Story, die außer ihrer ungewöhnlichen Erzählweise kaum etwas zu bieten hat.

                      Tatsächlich "passiert" in diesem Film nicht allzu viel. Es geht um die Geschichte eines Menschen ohne Kurzzeitgedächtnis, der einzig von dem Gedanken getrieben wird, den Mann zu finden, der bei einem Einbruch seine Frau getötet und dabei im Handgemänge sein vorheriges Leben mit einem normalen Gedächtnis zerstört hat. Denn nachdem Leonard (Guy Pierce) blutüberströmt neben seiner ermordeten Frau wieder zu sich gekommen ist, muss er feststellen, dass sein Gehirn nicht mehr fähig ist, neue Eindrücke zu Erinnerungen zu verarbeiten. Es beginnt eine abstruse Reise durch eine unwirklich gewordene Welt, bewohnt von dubiosen Menschen, die weder Freund noch Feind zu sein scheinen. Durch Tätowierungen am ganzen Körper hat Leonard sein altes Leben künstlich an sich gebunden und strebt nun mehr witternd als wissend der Erfüllung seines einzig verbliebenen Verlangens entgegen: Rache.

                      Zeitsprung zurück zur eingangs vorgestellten Kritik. Zwar ist sie unangemessen (wie ich noch zeigen werde), aber dennoch belegt ihre schiere Existenz, dass "Memento" sich an der gefährlichen Schwelle zwischen belanglosem, inhaltsleeren Leinwandlabyrinth und revolutionärem Filmgiganten befindet. Aber gerade dieses Risiko des Scheiterns auf ganzer Linie, das Balancieren am Abgrund, das Vorwagen in neues Territorium ist es doch, dass ein großes Meisterwerk auszeichnet. Was Nolan uns hier präsentiert ist ein Geniestreich, ein mehr als raffinierter Ansatz mit einem Thema umzugehen. Statt uns eine Geschichte bloß zu erzählen, macht er uns zu einem Teil von ihr, indem wir durch ein andauerndes Hin-und-her-Geschleudertwerden durch verschiedene Zeitebenen eine ähnliche Verwirrung und Hilflosigkeit beim Schauen dieses Films erleben wie der Protagonist beim Stolpern auf seinem Weg zu einem zweifelhaften Ziel. Und genau das ist meine Verteidigung gegen alle Kritiker dieses Werks. Hier wird nicht einfach eine belanglose Geschichte mit irgendwelchen künstlerisch anmutenden Mitteln aufgepeppt (wie es doch leider so oft der Fall ist), nein, das Rätsel, das Puzzle, dass dieser Film darstellt, ist eben das Herz des gesamten Konzepts, das ihm zugrunde liegt. Ein Teil hier, ein Teil da wird uns vorgeworfen bis wir das Mysterium schließlich entschlüsselt haben und mit offenen Mündern vor dem Abspan sitzen.

                      Als aufgeschlossener Kritiker von "Memento", der geläutert werden möchte, sollte man sich einmal fragen, welcher Film denn wirklich in erster Linie durch seine Story besticht. Die Antwort ist: es gibt keinen. Das was einen gelungenen Film auszeichnet ist nie die Geschichte selbst, sondern ihre Präsentation, ihre Visualisierung, ihre Vermittlung. Man bedenke hierzu, dass ein Film im Vergleich mit bspw. einem Roman nur einen Bruchteil an Material verarbeiten kann und daher viel eher noch mit einer Kurzgeschichte zu vergleichen ist. Es ist dem Medium Film wie wir es kennen einfach nicht möglich, eine komplexe Geschichte in ihrer Gänze zu erzählen und dabei auch noch jeden Charakter völlig auszuleuchten. Ein solcher Film würde selbst den Rahmen so mancher Serie sprengen. Somit sollte wenn nötig die Erwartungshaltung gegenüber "Memento" angemessen justiert werden. Dass dieser Film nicht für jederman gemacht ist, versteht sich inzwischen wohl von selbst, aber die Behauptung, dass er eine unspektakuläre Geschichte "nur" interessant verpacke, ist vollkommen unsinnig, da genau das die allerwichtigste Qualität eines meisterhaften Films ist. Nolan's Magnum Opus besticht durch seine Methode und seine Details, die insbesondere durch die grandiosen Schnitte und perfekten Kameraeinstellungen voll zur Geltung kommen. Kaum ein Film vermag den Zuschauer so zu fesseln und am Ende mit einem derart zwiespältigen Gefühl zurückzulassen: Das Puzzle ist nun zwar gelöst, das Bild hat sich vollends zusammengefügt, aber irgendwo in der Tiefe wünscht man sich dennoch, die Teile wieder in die Schachtel zurückzulegen.

                      Abschließen möchte ich meine Gedanken mit einem Zitat von Søren Kierkegaard: "Das Leben wird vorwärts gelebt und rückwärts verstanden." "Memento" allerdings lebt in beide Richtungen und daher auch bis in alle Ewigkeit.

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                      • 6

                        Ich möchte mich hier ausnahmsweise kurz fassen, um nicht zu viel von der dem Leser hoffentlich bevorstehenden Erfahrung dieses Films vorwegzunehmen. "Following" ist ein wundervoller Beweis dafür, dass trotz eines winzigen Budgets und begrenzten Zeitressourcen ein großartiger Film produziert werden kann, wenn man sein Handwerk als Regisseur und Drehbuchautor versteht. Das Ergebnis ist zwar ein ruhiger - man könnte vielleicht sogar sagen: unspektakulärer - Crime-Thriller, aber Nolan hat es verstanden durch die schwarz-weiße Optik, gut ausgewählte Darsteller und eine intelligent verpackte Geschichte eine durchgehend mysteriös-spannende Atmosphäre zu erzeugen (dies sind einige der Aspekte, die in "Memento" schließlich zur absoluten Brillianz entwickelt werden würden). Die geringe Laufzeit von nur rund 70 Minuten ist ebenfalls perfekt kalkuliert und sorgt dafür, dass trotz mangelndem optischem Feuerwerk keinesfalls der Eindruck von zäher Eintönigkeit aufkommt. Gerade in Zeiten eines Michael Bay oder James Cameron und ihren dumm blinkenden Zelluloidfetzen ist "Following" eine willkommene Abwechslung und ein Leckerbissen für jeden Feinschmecker-Cineasten.

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                          "Pans Labyrinth" bietet eine ähnliche Grundidee wie der berühmte (und dennoch nur mittelmäßige) "Das Leben ist schön" von Roberto Benigni. Es geht um die Flucht eines Kindes vor der grausamen Realität des Krieges. Im italienischen sogenannten Klassiker wird der Schrecken im Gefangenenlager einem Jungen von seinem Vater als abstruses Spiel präsentiert, um jenen vor der allgegenwärtigen, seelenzerfressenden Gewalt in Kriegszeiten zu schützen. Im vorliegenden Film dagegen geht dieses Entkommen aus der realen Brutalität hinein in die magische Traumwelt vom Kind selbst aus. Das Mädchen mit Namen Ofelia erschafft sich ein Fantasieuniversum, in dem es ganz allein gefährliche Aufgaben zu meistern hat, die sich metaphorisch auf die Konflikte seines wirklichen Lebens beziehen.

                          Die Darstellung dieser Welt ist auf jeden Fall das absolute Highlight des Films. Sie ist optisch hervorragend inszeniert und weiß zu beeindrucken, teilweise sogar zu verstören. Leider, und darüber war ich letztendlich so unglaublich enttäuscht, kommt diese Welt einfach viel zu kurz. Sie macht nur einen Bruchteil des Films aus, denn der Großteil der Handlung spielt in und um einem Hof in den Bergen Spaniens. Hier werden Ofelia und ihre Mutter von deren kompromisslosem und hemmungslos gewalttätigem neuen Eheman, einem Kommandanten in Franco's Regime, schamlos ausgenutzt und terrorisiert.

                          Und hier eröffnet sich ein weiteres zentrales Problem des Films: die Charaktere. Die Darstellung des Kommandanten ist so dermaßen eindimensional, dass man nur müde den Kopf schütteln kann. Von der ersten bis zur letzten Sekunde wird er dem Zuschauer in jeder nur erdenklichen Weise verachtenswert gemacht. Ungefähr so wie der unterirdisch schlecht konzipierte General in "Avatar". Immer und immer wieder lernen wir, dass er böse ist und gewaltsam und ein Mistkerl und ein Ekel usw.. So eine Form der Darstellung eines Villains ist absolut uninspiriert und dient nur dazu, die Protagonistin als noch hilfloser und bemitleidenswerter darzustellen. Man soll soweit wie nur irgend möglich mit ihr mitfühlen - und dafür ist jedes Stilmittel recht. Das scheint die moderne Methode des Dramas zu sein. Wo gibt es heutzutage noch interessante, vielschichtige Bösewichte wie einen "Kurtz" aus "Apocalypse Now" oder "Roy Batty" aus "Blade Runner". Wir bekommen nur noch stereotype Inkarnationen der Schlechtigkeit vorgesetzt, die einen Tag ohne Mord für einen verschwendeten halten und nur mit einem blutigen Messer unter ihrem Kopfkissen einschlafen können.

                          Die anderen Charaktere bleiben weitestgehend im Dunkeln. Die Mutter ist permanent schwach und hilflos, da sie schwanger ist und als Grund für ihre Heirat mit dem Teufel in Menschengestalt gibt sie ihrer Tochter "Einsamkeit" an. Soll ich darüber lachen oder weinen? Über die Protagonistin erfahren wir ebenfalls so gut wie gar nichts, außer dass sie gerne Märchengeschichten ließt und für ein kleines Mädchen einen relativ mutigen Eindruck macht. Es ist sowieso schon schwierig, sich mit Kindern in Filmen zu identifizieren, da ihre Dialoge meist so unrealistisch konzipiert sind, dass sie aus einem Disneyfilm entsprungen zu sein scheinen. Als sich Ofelia des Nachts über den Bauch ihrer Mutter beugt, um metaphorisch zu ihrem ungeborenen Halbbruder zu sprechen, stellen sich mir bei jedem Wort die Nackenhaare auf. Ich mache Ivana Baquero hier keinen Vorwurf, denn so vor Melodramatik triefende Lines könnte niemand vernünftig präsentieren. Bin ich denn der einzige, der das immer wiederkehrende Kitsch-Element in praktisch jedem Film mit einem Kind in der Hauptrolle aufs Tiefste verabscheut? (Ich erinnere mich mit einem Schaudern an "A.I.")

                          Abschließend möchte ich noch anmerken, dass in "Pans Labyrinth" durchaus eine Menge Potenzial und interessante Ansätze stecken. Sein Hauptproblem, neben den Reißbrettcharakteren, ist, dass der Fokus viel zu sehr auf die reale Welt gerichtet wurde und dadurch die meisterhaft inszenierte Traumwelt zu einem scheinbar unbedeutenden Nebenelement verkommt, wo sie doch das eigentliche Zentrum der ganzen Idee des Films ist.

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                            [enthält SPOILER]

                            Als großer Fan von Viggo Mortensen und genereller Endzeit- und Dystopie-Liebhaber fällt es mir ein wenig schwer, dieses ernüchternde Urteil abzugeben, aber "The Road" ist in nahezu jeder Hinsicht, die ein gutes Endzeitdrama ausmacht, eine Enttäuschung. Einzig die Atmosphäre wirkt stimmig eingefangen, auch wenn sie nach einer gewissen Zeit ziemlich an den Nerven und der Geduld nagt. Dieser endlos langatmige Eindruck der Hoffnungslosigkeit mag vielleicht gewollt sein, aber er ist dennoch irgendwann in unangenehmer Weise anstrengend und ich kann ihn daher trotz stellenweise beeindruckender Optik nicht bedingungslos gutheißen.

                            Das Hauptproblem von "The Road" ist allerdings der Mangel einer Story. Nach dem Tod der Mutter irren die Verbliebenen einer kleinen Familie, ein Vater und sein Sohn, mehr oder weniger planlos durch die Lande, nur mit der Absicht, irgendwann ans Meer zu gelangen. Warum sie allerdings dort hin möchten, wird dem Zuschauer niemals erklärt, was mich sogar ein wenig erzürnt. Ebenfalls wird niemals näher beleuchtet, wodurch die alles vernichtende Katastrophe ausgelöst wurde und wie genau sie
                            unsere Welt verändert hat. Man könnte zwar vermuten, dass ein bewusstes Zurückhalten solcher Informationen die Hoffnungs- und Ziellosigkeit unserer zwei Protagonisten unterstreichen soll, doch muss ich auch hier wieder einwenden, dass dies dem Film als Film deutlich mehr schadet als nutzt.

                            Ein weiterer wichtiger Endzeitfilm-Aspekt, der bei "The Road" zu kurz kommt, ist die Interaktion der Protagonisten mit anderen Charakteren, die sich ebenfalls allein durch diese düstere, kalte Wüste schlagen müssen. An einigen Stellen begegnen Vater und Sohn zwar solchen Menschen, allerdings werden diese Szenen kaum ausgereizt und wir erfahren fast nichts von deren Schicksalen. Ein Konflikt mit Kannibalen gefiehl mir hierbei noch deutlich am besten, da dieser sehr verstörend und bewegend inszeniert wird. Das Treffen mit einem alten, kranken Mann erscheint dagegen recht belanglos und ein Streit mit einem anderen Wanderer um Vorräte und Ausrüstung bleibt ebenfalls hinter seinen Möglichkeiten zurück. Das Ende ist ein völliger Hollywood-Reinfall und vollkommen unglaubwürdig. Endlich am Meer angekommen, stirbt der Vater auf theatralische Weise und kurz darauf begegnet der Junge zufällig das einzige Mal im gesamten Film einer überlebenden Familie und darf sich ihnen sofort anschließen. Ein vom Schicksal erschaffener Tropfen Hoffnung in allerletzter Minute. Einfach zu kitschig.

                            Die moralischen Konflikte, die in "The Road" permanent angerissen, aber nie richtig erkundet werden, sind mehr als interessant und einer der Gründe, warum ich normalerweise das Endzeit-Setting gerade in philosophischer Hinsicht als recht ergiebig einstufe. Allerdings verbleibt hier jeder Gedanke nur an der Oberfläche. Die zu Beginn aufgeworfene Frage nach Gut und Böse in einer Welt der Kälte, der Entsagung und der Hoffnungslosigkeit wird nie zufriedenstellend beleuchtet. Die Botschaft, dass die menschliche Moral in solch einem Szenario mit der Zeit selbst erfriert, lässt sich zwar als Intention des Films ausmachen, aber ihre Vermittlung an den Zuschauer hauptsächlich durch das unmittelbare Erfahren der Trostlosigkeit dieser Welt ist unbefriedigend und schließlich nur noch ermüdend.

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                              ArnoldWiseau 28.01.2012, 03:46 Geändert 29.08.2018, 18:47

                              Leute, Menschen in aller Welt, ich bin schon etwas enttäuscht von euch! Ist das wirklich euer Ernst? Das nennt ihr lustig? Rollstuhlfahrer: "Ich kann sie leider nicht hinausbegleiten." Pfleger: "Nein, nein, schon gut. Stehen sie nicht auf, bleiben sie sitzen, ich find' allein raus." Brillanter Witz, hab ich noch nie gehört. An anderer Stelle: "Wenn sie uns suchen, wir sitzen da vorne. Wir laufen nicht weg, er schon gar nicht." Ich schnappe nach Luft, ich kann nicht mehr vor Lachen. Und dann malt der Schwarze ein Bild während wir uns zum x-ten Mal vor Schmalz triefende Musik anhören müssen. Jetzt alle aufgepasst, die Pointe ist: das Bild sieht scheiße aus! Meine Güte, in der vierten Klasse hätte ich das vielleicht sogar lustig gefunden. Ungelogen, beste Komödie seit "The Zookeeper".

                              Aber es kommt noch besser. Diese zum Schreien komischen Dialoge werden unterbrochen von irgendwelchen abstrusen Szenen, in denen der Behinderte vom arbeitslosen, schwarzen Pfleger entweder gewaschen, an-/ausgezogen oder ausgeführt wird, um immer wieder eine andere Gelegenheit für ein neues, ach so rührendes Gespräch zu kreiren. Man soll hierbei wohl, wie ich vermute, Mitgefühl (ja ich weiß, kein Mitleid!) für die Schicksale unserer beiden Protagonisten empfinden und außerdem darüber staunen, wie zwei auf den ersten Blick so verschiedene Menschen eine innige Freundschaft entwickeln können. Ja ja, die übliche "Wir sind uns so fremd und deswegen haben wir uns trotzdem lieb... oder so ähnlich"-Geschichte. Bei "Lost in Translation" kam mir dabei auch schon die Galle hoch. Aber da gab's immerhin noch Scarlet Johansson, die doch um einiges schärfer ist als der Typ im Rollstuhl (oho, habe ich damit jetzt auch ein Tabu gebrochen?).

                              "Ziemlich beste Freunde" bedient sich wahrlich der perfekten Formel: Dumme Witze + kitschige "Wir haben gewichtige Probleme in unserem Leben"-Dialoge = unvergleichliches Feel-Good-Movie. Hmm, ich glaube ich habe hier irgendetwas falsch berechnet. Gleich mal die Probe machen... Wie auch immer, jedenfalls muss mir die Stelle entgangen sein, an der einem die Tränen kommen. Na ja, mir kam vielleicht die ein oder andere beim Blick auf die verbleibende Spielzeit, denn leider ist dieser Film an und für sich nichts anderes ist als ein blasses und belangloses Feel-Bored-Movie.

                              Also gut, einen sachlichen Absatz habe ich für euch dann doch noch übrig. Es ist ja sehr schön, dass sich so viele Menschen an diesem Machwerk erfreuen können. Bei Komödien ist erfahrungsgemäß der Geschmacksfaktor nun einmal um ein Vielfaches höher als bei anderen Genres und daher ist es vorab immer sehr schwierig vorherzubestimmen, ob der jeweilige Humor den eigenen Nerv treffen wird oder nicht. Meinen hat er leider völlig verfehlt (und mir dennoch wehgetan). Trotz aller Toleranz gegenüber dem anderen Geschmack kann ich diesen Film aber letztendlich nicht anders beschreiben als mit dem Wort: platt. Die Witze sind schlichtweg unintelligent und ich habe zu keiner Zeit auch nur irgendetwas für diese Leute empfinden können, wie schlimm auch immer ihre Schicksale sein mögen. Wie soll ich mich ernsthaft mit einem erwachsenen Menschen identifizieren, der sich wie ein unreifer Zwölfjähriger aufführt? Ich resigniere hier. Wahrscheinlich ist "Ziemlich beste Freunde" einfach nicht meine Art von Film, denn ich bin was seichte Komödien angeht wohl ein gefühlloser Dinosaurier.

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                                ArnoldWiseau 09.12.2011, 20:49 Geändert 29.08.2018, 18:40

                                "Avatar" ist einfach der allerbesteste Film von immer. Es gab noch nie etwas auch nur annähernd Vergleichbares. Oh, diese Visuals, ja, diese EFFEKTE!!! Da läuft's einem kalt den Rücken runter. Und natürlich alles in 3D! Ja, das habe ich am Kino schon immer vermisst. Endlich fühlt man sich richtig eingebunden in die Geschehnisse auf dem Bildschirm, jetzt, wo alles auf einen zufliegt. Diese Idee ist mindestens so genial wie die Nintendo Wii. Beim Computerspielen wollte ich auch schon immer lieber schwitzen als sitzen. Aber ich schweife ab. Wir streichen also einfach ein paar inhaltliche Dimensionen und fügen dafür eine optische hinzu. Und das ist ja bestimmt erst der Anfang. Wieso nicht gleich den Film während einer Achterbahnfahrt anschauen? Oder im freien Fall? Das sind Ideen die das Kino braucht! Ein Hoch auf die Zukunft der 3. Dimension! Wir müssen nur aufpassen, dass wir nicht in ihr verloren gehen (ist Homer schließlich auch schon mal passiert). Ich freu' mich jedenfalls schon auf den nächsten Tatort in 3D.

                                Wo war ich? Achja, Avatar, der superbeste Film aller Zeiten. Diese brillante Geschichte ist wahrlich ein Geniestreich, den Orson Welles sich nicht besser hätte ausdenken können. Schlanke, blaue Aliens mit ach-so-süßen Kätzchen-Augen schließen sich an ungewöhnlich bunte Viecher an und fliegen mit ihnen um schwebende Felsen durchs Regenbogenzauberland, unter dem der heißeste Stoff des Universums verborgen liegt - und ich rede hier nicht von Drogen. Ja, dieser Film ist was für wahre Cineasten, für Filmfans, denen sonst wirklich nichts gut genug ist, die sich nur mit dem Besten vom Besten begnügen. In die sowieso schon durch ihren bravorösen Inhalt und ihre innovativen Erzähltechniken bestechende Story sind nun geschickt mysteriöse, vielschichtige Charaktere eingeflochten, deren Motive sich uns erst im Laufe der Handlung vollends erschließen. Hier das Gespräch zweier Michael Bay Fans beim dritten Anschauen von "Avatar" (nennen wir sie der Anonymität halber Steven S. und George L.): Steven: "Hmm, er raucht eine Zigarre, guckt ziemlich fies und will alle umbringen. Moment, ich glaub ich hab's gleich, eine Sekunde... ja, ich lehn mich jetzt mal weit aus dem Fenster und behaupte: der Typ ist böse!" - darauf George nach kurzem Nachdenken: "Jaa, ich glaube du hast recht. Echt irre, dass mir das vorher noch nicht aufgefallen... GUCK MAL, DA KOMMT EIN RIESIGER VOGEL!"

                                Und schließlich der mehr als überraschende Plot-Twist. Voooorsicht, jetzt kommt ein SPOOOOILER (für alle die nicht die ersten 30 Sekunden des Trailers gesehen haben). Unser Protagonist, ihr wisst schon, dieser junge Army-Typ im Rollstuhl, möchte jetzt auch ein Naboo sein, weil er gelernt hat, dass nicht die sexy Katzen-Aliens, sondern ER SELBST ein Teil des Bösen ist - andächtiges Schweigen im Kino. All die Effekte sind vergessen, man diskutiert nur noch über Moral, Liebe und die Vergänglichkeit des Daseins. Da fliegt der Typ auf 'nen fremden Planeten, um dabei zu helfen, ihn auszubeuten und seine Bewohner gewaltsam zu vertreiben und plötzlich merkt er - einfach so - dass er die ganze Zeit auf der falschen Seite gestanden hat. Schluchz, ich glaube es läuft mir gerade eine Träne die Wange herunter. Wie man sich doch täuschen kann. Ich sollte auch mal wieder ernsthaft über mein Leben nachdenken. "Avatar" ist ja echt schwere Kost.

                                Aber Moment mal, mir ist so, als hätte ich etwas Ähnliches doch schon mal irgendwo gesehen. War da nicht dieser Film mit dem Typen aus Waterworld, der in die Wildnis zieht und dort diese Indianer vorfindet, die er erst verabscheut, dann aber doch mit ihnen die Friedenspfeife raucht? Na ja, aber was sind schon sein lahmes Pferd und der olle Wolf gegen bunte, fliegende Dinosaurier. Und was sind Indianer gegen extraterrestrische, blaue Weibchen.

                                Der aufmerksame Leser wird sich inzwischen sicher fragen: Gibt es denn überhaupt nichts an diesem zeitlosen Meisterwerk zu bemängeln? Ist es wirklich und wahrhaftig: PERFEKT? Vielleicht könnte man kritisieren, dass aufgrund der doch recht knapp bemessenen Laufzeit von nur rund 160 Minuten sich nicht alle Handlungsstränge zufriedenstellend auflösen ließen. Irgendwie hat mir auch ein Comic-Relief gefehlt. So jemand wie Jim-Jam-Bongs. Der wäre George bestimmt auch positiv aufgefallen. Möglicherweise hätte man auch gewisse Eigenschaften der Charaktere noch öfter und intensiver überzeichnen können. Denn manchmal wusste ich gar nicht mehr so recht, wem ich hier die Daumen drücken sollte. Aber am Ende wurde dann ja doch noch alles aufgeklärt. Die Guten sind jetzt nämlich alle entweder blau oder tot.

                                PS: Beim Dreh von Avatar wurden alle Tiere ordentlich behandelt und es kamen keine Flugsaurier zu Schaden.

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                                  ArnoldWiseau 13.11.2011, 01:09 Geändert 29.08.2018, 18:30

                                  Wie wir in der Geschichte des Kinos schon oft feststellen durften, besteht ein großer Unterschied zwischen dem bloßen Vorhandensein einer guten Idee und der Qualität ihrer filmischen Umsetzung. Viele Fans von „Wag the Dog“ scheinen dies allerdings nicht zu bemerken und sehen aus mir schleierhaften Gründen ein wahres Meisterwerk in dieser mittelmäßigen und eindimensionalen Satire.

                                  Die Storyline scheint zunächst vielversprechend zu sein. Um die öffentliche Aufmerksamkeit von einem aktuellen Sex-Skandal des US-amerikanischen Präsidenten abzulenken und dessen Wiederwahl zu garantieren, will Spin-Doktor Conrad Brean (Robert De Niro) einen vermeintlichen Krieg gegen Albanien in den Nachrichten inszenieren. Dafür holt er sich Hilfe von Hollywood-Regisseur Stanley Motss (Dustin Hoffman), der durch seinen Einfluss und seine Kreativität diesem abstrusen Theater Leben einhauchen soll. Elf Tage bleiben den beiden noch bis zur Präsidentschaftswahl…

                                  Das erste Drittel des Films ist durchaus gelungen. Wir werden in die Problematik eingeführt, lernen die Charaktere ein wenig kennen und beginnen zu verstehen, was uns hier erwarten wird: eine hektische und sehr Dialog-lastige Reise durch den unübersichtlichen Sumpf der Politik- und Medienlandschaft der USA. Aber im weiteren Verlauf stellt sich dieser Ausflug leider als ein sehr oberflächlicher heraus. „Wag the Dog“ hat im Grunde nur eine einzige, sehr simple Pointe: Die egoistischen Politiker können den naiven, patriotischen Pöbel auch mit einfachsten Mitteln zu ihren Gunsten manipulieren. Keine allzu große Offenbarung.

                                  Trotz mangelnder Vielschichtigkeit hätte sich der Film immer noch als stark erweisen können, wenn er es besser verstanden hätte, seine Idee richtig zu verarbeiten und sie in eine gute Geschichte einzubetten. Es macht keinen Sinn, den Großteil der Handlung dafür aufzuwenden, uns zu zeigen, wie genau nun diese Kriegsinszenierung von Statten gehen soll, wo doch für gewöhnlich der eigentliche Charme einer Satire in ihrer intelligent verpackten Botschaft besteht. Statt den Fokus auf eine wenig komplexe und eher schwach erzählte Geschichte zu richten, hätte man mehr Aspekte der modernen Medienwelt beleuchten, verschiedene Motivationen ihrer Menschen zeigen und sich auch in ihre moralischen Untiefen vorwagen können. Das satirische Moment hätte ganz einfach viel mehr zur Geltung kommen sollen. De Niro und Hoffman besitzen die nötigen schauspielerischen Fähigkeiten, um ihre Dialoge angemessen lustig darzustellen, aber zuvor hätten diese vom Drehbuch noch mit mehr Inhalt gefüllt werden müssen.

                                  Leider ist „Wag the Dog“ weder schlitzohrig genug, um eine vollkommen gelungene Satire zu sein, noch witzig genug, um als gute Komödie bezeichnet werden zu dürfen. Der Film ist dennoch ein ungewöhnliches und stellenweise recht amüsantes Machwerk, dem zwar nicht zu viel Tiefgang bescheinigt werden sollte, das aber dem einen oder anderen sicher ein nettes, kurzweiliges Vergnügen bereiten wird.

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                                    ArnoldWiseau 23.10.2011, 06:14 Geändert 29.08.2018, 18:27

                                    Ich bin gleichermaßen verwundert als auch enttäuscht, dass dieser Film fast durchweg positive Kritiken bekommen hat. Wie üblich scheine ich der unbedeutenden Minderheit anzugehören, die das zeitgenössische, immer wiederkehrende Kitschkino nicht mehr aushält.

                                    Eines der Hauptprobleme von "Lord of War" ist, dass uns der Film etwas mitteilen will, das wir (hoffentlich) schon wissen: nämlich dass unsere Welt ein mieser Ort ist und Waffendeals sie nicht gerade besser machen. Dies ist eine kaum zu überwindende Schwäche, die mich z. B. auch an vielen Drogenfilmen wie "Requiem for a Dream" immer gestört hat. Wie gut sie auch in filmtechnischer Hinsicht gemacht sein mögen (was beim genannten Beispiel definitiv der Fall ist), sie teilen uns doch immer nur das Offensichtliche mit. Sie können es auf gute oder schlechte Weise tun, selbst mit großem künstlerischen Wert, aber an dem Film wachsen kann der Zuschauer nicht.

                                    Nun muss natürlich nicht jeder Film eine tiefgründige Botschaft haben um sehenswert zu sein. Manche Filme wie z.B. „Sin City“ punkten fast ausschließlich durch ihre Optik. Andere leben von ihrer Erzählstruktur - der Filmkenner erinnert sich an „Memento“ - und wieder andere konzentrieren sich auf atemberaubende Actionsequenzen, man denke an die „Matrix“-Reihe. Nun hat allerdings "Lord of War" außer seiner vorher schon altbekannten Botschaft kaum etwas an sich, das seine Existenz begründen könnte. Was war der kreative Funke, der dieses Projekt ins Rollen brachte? Dieser Film bietet einfach nichts, was nicht schon in besserer Form da gewesen wäre. Hätte er sich auf das beschränkt, was er sein kann, nämlich eine moderne Gangster-Geschichte im Bereich des Waffenschiebens, dann würde er vielleicht funktionieren. Martin Scorseses „GoodFellas" versucht uns nicht zu belehren, dass ein Verbrecher böse ist. Er zeigt uns mit einer guten Geschichte und interessanten, einprägsamen Charakteren, wie das Leben eines Kriminellen aussieht, ohne dabei Moralapostel sein zu wollen. Die Ähnlichkeit der Grundstruktur beider Filme ist in der Tat beachtlich. Es geht um den Aufstieg eines skrupellosen Gangsters, der neben seinem "Beruf" auch mit Familienproblemen und Drogen zu kämpfen hat und schließlich an einen für ihn schwerwiegenden Wendepunkt angelangt, der sein zukünftiges Leben bestimmt. Ebenfalls übernimmt der Protagonist eine Erzählerrolle, in der er uns durch die Handlung geleitet. Ein nicht zu vernachlässigender Unterschied ist dann aber doch, dass einer der beiden Filme ein Meisterwerk seines Genres ist und der andere ein belangloses Klischee-Feuerwerk.

                                    Wie in so vielen Hollywood-Filmen der heutigen Zeit sind die substanzlosen Charaktere ein grundlegendes Übel. Nicolas Cage verkörpert den seelenlosen Geschäftsmann, der außer oberflächlich und skrupellos zu sein keinerlei bekannte Eigenschaften hat. In der zweiten Hälfte des Films wird dann aber versucht, moralische Konflikte aufzuzeigen, sodass wir als Zuschauer plötzlich Sympathie für ihn entwickeln, wobei wir uns doch vorher nicht das kleinste bisschen mit diesem Reißbrettmenschen identifizieren konnten. Seine Ehefrau ist sogar noch undurchsichtiger als er und warum sie sich gerade in diesen amoralischen Waffenhändler verliebt, bleibt völlig im Dunkeln. Diese gekünstelte Liebesgeschichte ist so unglaubwürdig und übereilt, dass es beinahe lächerlich wirkt. An dieser Stelle fühlt man sich unangenehm an „Blood Diamond“ erinnert, der einen ähnlich absurden Liebes-Subplot zwischen zwei sich völlig fremden Menschen hat, die nicht das Geringste verbindet. Zu nennen wäre dann noch Ethan Hawke, der ab und zu mal als Gegenspieler durchs Bild läuft, es aber als einziger mit Cages übertriebener Coolness aufnehmen kann. Seine bemerkenswert geringe Screentime verwehrt uns aber leider jedweden Einblick in das Leben oder die Motive des anderen Niemand mit der Sonnenbrille. Vergleicht man diesen schleierhaften Interpol-Cop mit einem "Vincent Hanna" aus Michael Manns „Heat“, dann kann man nur noch betreten zu Boden schauen ob der Welten an Klasse, die diese beiden Figuren voneinander trennen.

                                    Unsere heutige Filmwelt besteht im Wesentlichen aus dem inzwischen niederen Blockbuster-Kino, dass ab und zu immerhin mit aufwendigen CGI-Effekten zu beeindrucken vermag, meist aber von dummen One-Linern, inhaltsleeren Charakteren und bodenlosen Logigschluchten durchzogen ist. Außer diesem Schund ala Michael Bay oder Marvel werden pseudo-moralische Möchtergern-Dramen wie „Lord of War“ produziert, die zwar nicht in die absoluten Untiefen der Schlechtigkeit vordringen, aber mit einer beachtlichen Belanglosigkeit auf uns einwirken. Von allen Seiten belagern sie uns mit stereotypen Charakteren oder kitschigen Metaphern, um dadurch vermeintliche Tiefe vorzuheucheln. Von dem Bodensatz des Mediums Film, den wahrhaft erbärmlichen (Liebes-)Komödien ala "Bridesmaides", bei denen einem beim Trailer schon schlecht wird, oder den vielen merkwürdigen Mischformen dieser einzelnen Elende möchte ich gar nicht erst reden. Was soll man letztendlich noch anderes tun, als sich in die Filmwelt des 20. Jahrhunderts zurückzuziehen und nach den Perlen der Vergangenheit zu tauchen, um sich wenigstens ohne Schande noch „Filmfreund“ nennen zu können.

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                                      Ich glaube zu verstehen, was ein zeitloses Meisterwerk ist, aber dieser Film ist es für mich einfach in keiner Weise und ich kann absolut nicht verstehen, wieso so viele Menschen mit einem hervorragenden Filmgeschmack ihn so schätzen. Filme wie "The Good, the Bad and the Ugly" oder "All Quiet on the Western Front" kann ich mir immer wieder anschauen, obwohl sie schon so alt sind.

                                      Ich musste eben an "The Seven Samurai" denken, weil ich heute Abend zum ersten Mal "Citizen Kane" gesehen habe. Dieser Film ist wirklich zeitlos: wundervoll inszeniert mit Liebe zum Detail, seinen Charakteren und seiner Aussage. Er ist auch heute noch technisch hervorragend und ich habe mich keine Sekunde gelangweilt.

                                      "The Seven Samurai" dagegen hat eine sehr simple Geschichte, unterirdisch schlechte und unpassende Kampfszenen (mal ehrlich, kann das irgendjemand leugnen?), eindimensionale, nebulöse Charaktere und fast durchweg schlechte schauspielerische Leistungen. Ich verstehe nicht, wieso kaum jemand das genauso sieht. Ich will diesen Film auf keinen Fall grundlos schlecht machen, aber findet ihr denn wirklich, dass die Charaktere tiefgründig konzipiert und glaubwürdig gespielt sind? Wie berüht euch dieser Film? Unterhält er euch, macht er euch nachdenklich oder hat er gar eine besondere Botschaft?

                                      Es gab schon einige Dinge, die mir positiv aufgefallen sind. Ich fand die beiden Hauptdarsteller sympathisch (allerdings nicht wegen ihres schauspielerischen Könnens) und ich mochte die Star Wars Musik und den Darth Vader Helm des Banditenanführers, aber ansonsten kann ich mich leider nicht lobend äußern. Ich bitte ehrlich darum, dass mir jemand verständlich macht, was genau an diesem Film so unfassbar brilliant ist, ohne dabei auf seinen Einfluss auf spätere Filme zu zeigen (worin auch immer dieser bestehen möge).

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