Cameron - Kommentare

Alle Kommentare von Cameron

  • http://www.rouge.com.au/3/international.html
    A Conversation between Pierre Clémenti, Miklos Janscó, Glauber Rocha and Jean-Marie Straub convened by Simon Hartog in Rome, February 1970.

    4
    • ay ay ayyyy
      "John Ford, or The Eloquence of Gesture"
      http://www.rouge.com.au/7/ford.html

      3
      • Für mich:
        1910er: Blind Husbands / True Heart Susie
        20er: Cops
        30er: The Roaring Twenties
        40er: I Walked With A Zombie
        50er: Seven Men From Now
        60er: L' enfance nue
        70er: Duelle (une quarantaine)
        80er: La femme de l' aviateur
        90er: Antigone
        2000er: Vendredi soir / A Serious Man
        2010er: Tabu

        9
        • Ok kewl. Darf ich auch mal? Meine Liste sähe etwa so aus:
          - Sternberg
          - Borzage
          - Ford
          - Renoir
          - Ophüls
          - N. Ray
          - Rivette
          - Rohmer
          - de Oliveira
          - J. Gray

          4
          • 3
            • 8 .5

              Dalis Traumsequenz ist noch das Schlechteste am Film. Über die Unglaubwürdigkeiten kann man problemlos hinwegsehen. Wenn man nicht alles wörtlich nimmt, bleibt ein grandioser und verstörender Film, der dank seiner betörenden Licht- und Schattensprache (Rillen auf weissem Grund, Skispuren im Schnee) von a bis z eine beklemmende Wirkung ausströmt. Dies ist umso erstaunlicher, als auch viele Szenen Witz und Ironie ausströmen (z. Bsp. die Begegnung mit den 2 Polizisten im Hause Dr. Brulovs, Bergmans früherem Lehrer).

              8
              • 8 .5

                Bekannt als einer von Fords lyrischsten Filmen; als ein Film, bei dem er seine Vision vollumfänglich umsetzen konnte. „Fords cinema, like all great cinema, is a cinema of reaction“, sagt Ford-Spezialist Tag Gallagher. Und tatsächlich, was mir in seinen Filmen immer wieder auffällt, sind Menschen in Halbnahaufnahme, deren Blick irgendeinen Punkt im Off, gleich hinter/neben der Kamera fixieren. Dabei ist der Bildhintergrund meist expressiv komponiert; diagonale oder gerade Linien in warmer Beleuchtung, so dass dieser Blick ausreicht, um Gänsehaut hervorzurufen (und wie Sternberg sagte: alles was im Bildhintergrund einer Person zu sehen ist, muss etwas zu ihr hinzufügen, ohne die Aufmerksamkeit auf sich selbst zu ziehen). Meist wird dieser reaction shot bei Ford vor der Ursache gezeigt: Wir sehen zunächst die Wirkung einer Sache auf Menschen, dann erst, durch Montage, deren Grund.

                Ein Beispiel, das mir besonders einfährt: gegen Ende von Stagecoach; die Prostituierte Dallas, verliebt in Ringo, wartet verängstigt auf den Ausgang eines Duells von Ringo und Gangstern. Hinter ihr, das Rotlichtmilieu der Stadt, in Murnau-Sternberg-Manier extrem expressiv ausgeleuchtet. Schüsse sind gefallen, sie schaut ins Off um zu erkennen, ob Ringo überlebt hat und zu ihr zurückkehrt. Die Kamera fährt langsam auf sie zu, Schritte sind zu hören. Die Spannung im Bild, emotionale Spannung, ist nicht zu überbieten. Dann tritt Ringo aus dem Off ins Bild, Erlösung. (Hier wird also der Schnitt auf die Ursache nicht durchgeführt, da er nicht nötig ist).
                In Wagon Master nun fällt die Ursache einer Reaktion oft ganz weg. Es gibt so viele Aufnahmen von Gesichtern wie sonst in kaum einem Film. Die Kamera dokumentiert nur. Es bildet sich eine Gemeinschaft, community (das Fordsche Lieblingsthema, zurecht: denn was ist das Leben anderes als ein ewiges flüchtiges, unsicheres, flexibles Sich-Bilden und Sich-Auflösen von unterschiedlich grossen Gesellschaften?); Wege führen unterschiedlichste Menschen mit unterschiedlichsten Motivationen zusammen. Man halte sich einmal vor Augen: Viehtreiber, Mormonen, Banditen, Indianer, eine Schauspieltruppe, Polizisten: sie alle führt das Schicksal zusammen, sie alle schliessen sich jeweils vorübergehend an; sechs eigenständige Mini-Gemeinschaften, die sich zu einer einzigen, grundsätzlich friedlichen (!) Gross-Gemeinschaft zusammenfinden. Diese Gross-Gemeinschaft befindet sich auf Reise ins „gelobte Land“ (für die Mormonen), doch gilt: der Weg ist das Ziel, und die Reise, die Bewegung ist als Metapher für den ewigen Fluss des Lebens zu sehen (wie bei Renoirs „The River“). Mal von allem abgesehen ist das ein wunderbares Plädoyer für Toleranz.

                Von all diesen Menschen gibt uns Ford nun Close-ups ihrer Gesichter, die deshalb so poetisch-lyrisch anmuten, weil Ford oft ein Gesicht an das nächste montiert, und weil diese reaction shots keine unmittelbare Verbindung zur (sowieso kaum vorhandenen) Handlung aufweisen. Sie könnten für sich stehen, als Portraitfotografien, oder an irgendeinem anderen Punkt in den Film geschnitten werden.
                Dieser Einsatz von Close-ups auf Gesichter ist manchmal besonders originell, gar experimentell. Beispiel: als die Banditen (Familie Clegg) auf den Reisezug treffen, sehen wir sowohl Close-ups auf die bisherigen Mitglieder der Reisegemeinschaft, wie auf die Mitglieder der Familie Clegg. Als letztes dieser Close-up-Serie sehen wir den Familienvater, Shiloh Clegg. Doch wie sich im Nachhinein herausstellt, ist nun zwischen dem vorletztem Close-up auf dieses letzte Close-up Zeit vergangen. Eine Ellipse; was völlig weggelassen wurde, ist, wie die Banditen von den übrigen Menschen aufgenommen worden sind. Beim letzten Close-up sind sie nämlich bereits in die Gemeinschaft integriert. Das, was bei anderen Filmen Stoff für Handlung gegeben hätte, ein Konflikt, interessiert Ford nicht.
                Ein ähnliches Unterhöhlen der Erwartungen findet sich in einer anderen Szene gegen Ende von Stagecoach. Hier wird aber nicht Zeit übersprungen, sondern Raum, und wieder ereignet sich dies bei der Konfrontation von Banditen mit Anderen, in diesem Falle John Wayne als Ringo. Kurz bevor es zum shoot-out kommt streifen Banditen und Held in der Stadt (die in „Film-noir-Beleuchtung getaucht ist) umher, um sich gegenseitig aufzulauern, ein bisschen wie am Ende von „Heat“. Die drei Banditen bleiben im Bildvordergrund stehen, fixieren einen Punkt in der Ferne. Nun: Schnitt: wir sehen eine leere Strasse, auf die im Bildhintergrund plötzlich ein Schatten geworfen wird, jemand geht dort umher. Wir glauben, dass es sich gewissermassen um die Antwort der vorhergehenden Einstellung handelt: Das ist es, was die drei Banditen sehen, es muss John Wayne sein. Doch einige Augenblicke später: Überraschung – es ist nicht Wayne, sondern einer der Banditen, von einer anderen Perspektive. Wayne kommt erst danach im extremen Bildvordergrund zum Vorschein (übrigens ein tolles Bild mit so irrem deep-focus wie bei Citizen Kane).
                Dieses Untergraben von Erwartungen, sei es in der Zeit (Wagon Master) oder im Raum (Stagecoach) findet man übrigens in ähnlicher Form dann in „Chronik der Anna Magdalena Bach“; kein Wunder, dass Straub-Huillet so grosse Ford-Fans waren.

                Der charakteristische dokumentarische und gleichzeitig lyrisch-poetische Charakter des Films, durch die vielen Close-ups auf Gesichter hervorgerufen, wird unterstützt durch weitere nur beschreibende Einstellungen ohne direkte dramaturgische Funktion, die oft repetiert werden, z.Bsp. von Pferden und Kutschen, die eine Böschung hinaufkraspeln. Ausserdem sind die Szenenübergänge oft überraschend; genau wie bei der ersten Konfrontation der Cleggs mit dem „Rest“ werden Szenen manchmal angefangen aber mitten im Höhepunkt abgebrochen, es folgt eine Überblendung auf eine Landschaftsaufnahme. So stehen wichtige Szenen wie ein Fragezeichen im Raum.

                Ein Wort noch zur Musik: „Wagon Master“ wird als der Film betrachtet, mit dem Ford einem Musical am Nächstem kam. Besonders erwähnenswert scheint mir, dass selbst Szenen grosser potentieller Bedrohung (dem ersten Auftritt der Banditen oder der „Meuterei“ derselben“) nicht in klischeehafte „Bedrohungs-Musik“ getaucht ist, auch nicht in düstere Fanfaren, wie beim Erscheinen von Indianern in anderen Filmen, sondern die Musikuntermalung sich weich, melancholisch, süsslich, lyrisch gibt und so einen Kontrapunkt zum Geschehen setzt; bei Ford äusserst selten. Als relativiere sie die Bedrohung angesichts der überwältigenden Kraft dieser Menschen, zu einer Gemeinschaft zu verschmelzen. Denn „Wagon Master“ ist ein optimistischer Film.

                13
                • ?
                  Cameron 02.12.2015, 13:20 Geändert 02.12.2015, 13:20

                  Filme, die ich kaum erwarten kann zu sehen, und die ich Lust habe wahnsinnig gut zu finden, weil mich die ganzen negativen Kommentare auf Moviepilot 0 überzeugen:
                  1. Aloha
                  2. Unfriended
                  3. By the Sea
                  4. Blackhat

                  6
                  • 9

                    Brillanter Film, modern und ökonomisch erzählt: in 14 Minuten wird trotz einfachster Mittel viel ausgesagt. Hervorragende Analyse hier:
                    http://sensesofcinema.com/2001/feature-articles/cornerwheat/

                    6
                    • 8 .5

                      Österreichische (längere) Fassung

                      Eine zentralen Szene in EYES WIDE SHUT (und Ursprung einer darauf folgenden langen Reihe an Verkettungen) dreht sich darum, dass Alice, Gattin eines angesehenen New Yorker Doktors, im Urlaub flüchtig einen Offizier „kennengelernt“ hat (wobei eigentlich nur Blickkontakt stattgefunden hat?), und sie sich immer wieder mit dem Gedanken spielend ertappt, für diesen Offizier ihre Ehe samt Kind aufzugeben.
                      Beinahe die gleiche Konstellation findet sich in Stroheims Debüt BLIND HUSBANDS. Bereits die Titel wirken verwandt: eyes wide shut = blind? Stroheim rückt allerdings den Offizier (von ihm selbst gespielt) und seine Versuche, die amerikanische Doktorsgattin vor der Kulisse eines abgekapselten europäischen Bergdorfs zu verführen, in den Mittelpunkt der Handlung. Ein frühes Beispiel eines Films, der zeigt, wie die Fassade des Menschen bröckeln kann und tieferliegende Schichten freilegt. Der Offizier von Steuben, ein Antiheld, der Frauen sammelt, der, sobald seine Bedürfnisse befriedigt sind, sein Interesse verliert und sich einer anderen zuwendet, erscheint uns doch, so verachtungswürdig er handeln mag, beinahe sympathisch: nicht nur, weil es uns Voyeuren Spass bereitet, seinem Liebesspiel beizuwohnen, sondern auch, weil er naiv wirkt wie ein kleines verletzbares Kind, welches sich durch seine vorlaute und unreflektierte Art permanent in Schwierigkeiten bringt. Er erscheint uns keineswegs ein schlauer, intelligenter, hinterlistiger Fuchs, sondern triebgesteuert, unbedachtsam, sich Konsequenzen nicht bewusst. Wenn von Steuben im letzten Drittel gemeinsam mit dem Arzt den Gipfel besteigen will, kraxelt er diesem hilflos hinterher. Ausserdem erscheint es uns beinahe als angebracht, die Ehefrau zu verführen, da diese von ihrem Mann vernachlässigt wird, sich zurückgelassen und einsam fühlt, und so nach sexuellem und romantischem Entgegenkommen zehrt.
                      Auch die Bildsprache erinnert hin und wieder an Kubrick: präzis getrimmte, symmetrische Einstellungen wie die Dorfgemeinschaft beim Sonntagsgebet (interessantes Spiel mit Vorder- und Hintergrund hier) oder die Aussenansicht der Hotelfassade, vor der sich ein exakt choreografierter Annäherungsversuch des Offiziers vollzieht. Das Spiel mit der Raumtiefe wird über den ganzen Film hinweg innovativ und originell gehandhabt: Als die amerikanische Ehefrau unter der Last erdrückender Gedanken über einen Spiegel ihren im Einschlafen begriffenen Gatten betrachtet, verschiebt sich der Fokus von ihr im Vordergrund auf den Gatten im Hintergrund und wieder zurück. Im zweiten Teil findet sich eine Szene, in welcher der Offizier, ganz nah bei der Kamera stehend, die Frau, die sich in einem gegenüberliegenden Hotelzimmer befindet, ansieht, und seinerseits vom genau dazwischen stehenden Bergführer Sepp beobachtet wird.

                      Stroheim schafft ein detailreiches, glaubwürdiges, lebendiges, - um sich des abgedroschenen Wortes zu bedienen -, realistisches Bild der Dorfgemeinschaft, bevölkert von zahlreichen Nebenfiguren, die immer wieder durchs Bild huschen, wie ein frisch vermähltes, glückliches Pärchen in Flitterwochen, welches dem Doktorpaar als zum Ideal erhobenen Kontrastpaar entgegengestellt wird. Oder die Wirtin, welche ihrerseits den Offizier verführen will. Oder die Kinder des Ortes, welche sich über den Offizier mokieren. Oder der Hund, der der markantesten aller Nebenfiguren gehört: dem Bergführer Sepp, Freund des Arztes. Sepp ist Gegenstück zu von Steuben, dem Hochstapler: moralisch über alle Zweifeln erhaben (erhaben, fest, unbiegsam wie die Berge um ihn herum), menschlich jedoch nicht gerade warmherzig und gesprächig, stets mit einem Blick zur Stelle, der das Blut gefrieren lässt. „Blick“ ist ein gutes Stichwort: Sepp ist eine Art Seher, von seinem Instinkt geleitet, und immer zur rechten Zeit am rechten Ort um von Steubens Vorhaben zu durchkreuzen.

                      Es wirkt, als kommentiere der Film stets sich selbst, als kommentiere immer irgendetwas im Hintergrund die Handlung: Sei dies ganz konkret, wörtlich, wie etwa eine Tafel mit der Aufschrift „Auf der Alm gibt’s ka Sünd“, sei dies symbolisch wie drei riesige, ironische Kreuze, vor deren Kulisse der Offizier die Frau verführt, und hinter denen sogar noch zwei Stiere dem abwesenden Ehemann „die Hörner aufsetzen“, sei dies bildsprachlich-expressionistisch wie die Schatten der Zweige, welche des Offiziers Gesicht verdecken, als er sich an eine lokale Magd heranmacht. „Ich liebe dich“, sagt er dann; zynischer und unwahrhaftiger geht es kaum.
                      Um nochmals auf EYES WIDE SHUT zurückzukommen: auch die beiden Schlüsse ähneln einander stark. Die Männer, die inzwischen so vieles durchgemacht haben und deren Leben aus den Fugen geraten ist (auch wenn BLIND HUSBANDS nicht ganz so radikal ist wie E.W.S.) beschliessen, sich nun wieder mehr ihren Gattinnen zu widmen. Mit allem, was dazugehört.

                      14
                      • 8
                        Cameron 02.10.2015, 15:30 Geändert 02.10.2015, 15:31

                        Ein bemerkenswerter Film, der eher schwach beginnt, sich dann enorm steigert und sich zu einem Ende aufschwingt, das einen völlig erschüttert und zerstört zurücklässt. Zu Beginn wirkt die von Eric Roberts verkörperte Figur nervig, platt, klischeehaft; doch mit laufender Filmzeit füllt sie sich mit Leben und wird immer ambivalenter. Es ist dies eigentlich ein viel interessanter Ansatz als jener vieler moderner Filme, bei der eine Figur uns zunächst als unbeschriebenes Blatt präsentiert wird, über die wir nichts wissen, und sich dann gegen Ende herausstellt, dass sie sich gut in einer bestimmten Ecke verorten lässt; genau der umgekehrte Weg also.
                        Was Konchalovsky grossartig macht, ist, dass er genau in den stärksten Momenten der Geschichte, in denen die Figurenkonstellation gerade besonders interessant ist, das Tempo aus seinem Film herausnimmt, Einstellungen wiederholt oder sie mit pathetischer Musik unterlegt, und uns so in diesen Momenten schwelgen lässt, die Fortsetzung hinauszögert.

                        13
                        • "Das war der Wilde Westen" ist kein John Ford-Western; dieser zeichnet sich nur für den sehr kurzen Abschnitt "The Civil War" verantwortlich...

                          1
                          • 8 .5

                            Ein visuell unglaublich kunstvoll geschaffener Film. Tourneur filmt Licht und Schatten als abstrakte Muster, die jeder Szene ihren Stempel aufdrücken, sie bestimmen. Das enge Nebeneinander von Licht und Schatten schafft einen steten Schleier; ein Schleier, der manchmal konkret wird und sich zum Vorhang verdinglicht. Grossartig z. Bsp. eine Szene, die durch einen zugezogenen, transparenten Bettvorhang hindurch gezeigt wird - während ein Gespräch hinter diesem Vorhang stattfindet, liegt eine halbtote Frau, der "Zombie", vor dem Vorhang; bei uns. Oder wenn sich zum Schatten von Objekten, z. Bsp. eines Raumes, langsam der Schatten eines Menschen hinzugesellt. Zu erwähnen sei auch jener Vorhang, den die Natur bildet, wenn sich zwei Manschen durch Dickicht mühsam vorarbeiten, und die Kamera, einige Sträucher von ihnen entfernt, folgt. Ein Dickicht an Schatten und Schleiern also, welches kaum je zu durchdringen ist.

                            10
                            • 9

                              Sehe ich heute Abend im Kino auf 35mm! Was gibt es noch besseres?

                              6
                              • 2
                                • http://www.elumiere.net/especiales/dwan/onlinedwan_en.php

                                  Geniales, extrem ausführliches Online-Dossier (460 Seiten) zu Allan Dwan, seinem Stil, und einzelnen Filmen.

                                  3
                                  • 8

                                    Die erste Viertelstunde besteht, abgesehen vom Vorspann, aus drei Szenen, die für sich immer länger dauern.
                                    1. Wir sehen eine Frau und einen Mann schlafend im Bett. Die Frau erwacht, blickt etwas unruhig umher, steht auf, geht zum Küchentisch. Die Kamera ist dabei nah an der Frau, beobachtet sie.
                                    2. Die Frau ist nun bei ihren Eltern, wollte weg von ihrem Mann. Auch in diesem Gespräch sehen wir vor allem die Frau; auch wenn sie nur zuhört. Die Kamera ist noch näher. Mitten in einer hitzigen Diskussion wird diese Szenerie abgebrochen; wir sehen ein Flashback einer Hochzeit.
                                    3. Die Frau ist alleine, in einer Telefonzelle und führt ein Gespräch mit ihrem Mann. Die Kamera nähert sich in einer einzigen, langen Einstellung (ca. 7 Min) immer mehr ihrem Gesicht, studiert es.

                                    Der Beginn von Coppolas "Rain People" zeigt bereits eindrücklich den markanten Formwillen. Die für USA 1969 äusserst moderne Inszenierung zieht sofort in ihren Bann. Etwas später folgt eine herausragende Sequenz, bei der zwei Personen in einem Raum zu sehen sind, wobei ca. ein Drittel des Raums von einem Spiegel eingenommen wird. Was diese Szene für eine Spielfreude mit sich bringt bzgl. Ausnutzung eines Raumes habe ich selten gesehen. Auch diese Szene ist in einer Einstellung gefilmt, sicher 10 Minuten - man glaubt sich fast in einem Film von Tsai Ming-liang zu wähnen.
                                    Die Frau flüchtet vor ihrem Mann, einem von ihm erwarteten Kind und ihrer Verantwortung und trifft während ihrer Reise auf zwei Männer. Dabei verändert sich unsere Wahrnehmung der drei Hauptfiguren stets, besonders die der Männer; nie sind wir vor ihnen sicher, wir wissen nie wirklich, wie sie sich verhalten. Von ihrer ersten Bekanntschaft stellt sich mit der Zeit heraus, dass sie geistig nicht ganz auf der Höhe ist.
                                    Ein wunderbarer Film, der wiederentdeckt werden sollte, auch wenn das Level der ersten 45 Minuten in der Folge nicht ganz gehalten werden kann.

                                    12
                                    • 9 .5

                                      Was heisst "Regie führen"?
                                      Sieht man eine atemberaubende Kamerafahrt, bei der man sich denkt, "wie wurde das wohl gemacht", bei der die Kamera Kapriolen schlägt, sich dreht, wendet, Schauspieler ins Bild rücken und andere verschwinden, (Birdman, Angelopoulos, Ophüls, ...) - "oh wow", denkt man dann, "die Regie hier ist grossartig. Toll inszeniert."
                                      Und manchmal mag dies zutreffen, aber bei einer solch ins Auge stechenden Kamerafahrt ist nicht mehr "Regie geführt" worden, und schon gar nicht automatisch besser, als bei sonst irgendwas.
                                      Gerade "Rio Bravo" besticht durch eine äusserst unauffällige Regie, gleichwohl besser als praktisch alles. Ein Film, so effizient erzählt, wie es geht. Jede Bewegung im Bild, egal ob "für den Plot wichtig" - ein Griff zur Pistole, ein Schuss - oder "unwichtig" - das Rücken eines Glas`, gar etwas so kleines wie ein unsicherer, verschämter Blick mit den Augen in Richtung Boden - wirkt wie eine Explosion, so kräftig und nötig.
                                      Ford, Welles, Hawks: Während bei Ford ein unglaublich schönes Bild ins Auge sticht, und bei Welles eine virtuose Bravura-Sequenz den Mund öffnen lässt, ist bei Hawks die Stärke schwerer zu beschreiben.
                                      Bemerkenswert ist die Plot-losigkeit: ein obligatorischer Showdown gegen Ende, gut, aber bei den zwei Stunden davor scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Was passiert? Man wartet...

                                      12
                                      • 6 .5

                                        Die zweite Hälfte ist weniger interessant, da sie inhaltlich nur noch Selbstläufer ist und zum reinen Schaulaufen der Spezialeffekte verkommt. Die erste Hälfte, als Fairbanks noch einen klassichen "Antiheld" verkörpert, der dann durch Liebe auf die richtige Spur kommt, bereitet mehr Vegnügen.
                                        Insgesamt ein Film, der formal ganz von seinen Schauplätzen diktiert wird. Bereits in den ersten zwanzig Minuten "stolpert" der Hauptdarsteller von einem verrückten, exotischen Schauplatz Bagdads binnen weniger Schritte zum Nächsten. Die Schauplätze sind wundervoll ausgestattet, und oft, wie im Falle des Prinzessinenpalastes von geometrischen Linien und Formen durchdrungen. Die Inszenierung ähnelt an vielen Stellen der einer Oper; die Schauspieler sind wie Chor, Solisten, etc. im Bild choreographiert.
                                        Besonders gefallen hat mir der Übergang von der ersten in die zweite Hälfte; die Wandlung vom Antiheld zum Held wartet mit melodramatischen, emotional intensiven Szenen auf.

                                        10
                                        • 8

                                          Gerade in 3D gesehen. Muss zwar noch weitere Male angeschaut werden (die Chance dazu habe ich glücklicherweise), aber: wow! Ein zugleich extrem pessimistischer und extrem optimistischer, lebensbejahender Film: denn die "Hauptfigur", Godards Hund, verkörpert alles Positive der Welt. An ein, zwei Stellen war ich zu Tränen gerührt; wenn der nachdenkliche Hund, still, an einem Bahnhof steht, dazu Beethoven. Und mit seiner Nutzung des 3Ds führt Godard eine neue völlig neue Art von "Bild/Shot" ins Kino ein.

                                          14
                                          • Top 10 Erstsichtungen 2014:
                                            1. Lucky Star (Borzage)
                                            2. Les amants du pont-neuf (Carax)
                                            3. Stroszek (Herzog)
                                            4. Un coeur en hiver (Sautet)
                                            5. L` avventura (Antonioni)
                                            6. Revanche (Spielmann)
                                            7. El sur (Erice)
                                            8. My Darling Clementine (Ford)
                                            9. Trop belle pour toi (Blier)
                                            10. Bigger Than Life (Ray)

                                            9
                                            • 7 .5

                                              Ja, Capras Filme sind überaus kitschig, "corny", und "You can`t take it with you" bildet keine Ausnahme, sondern manifestiert diese Aussage. Die sozialkritische Aussage des Films, dass nicht Geld glücklich macht (You can`t take the money with you when you die), sondern die Lebenseinstellung, lässt einen heute eigentlich nur noch mit den Augen rollen; ebenso das Storyelement der "Heilung" von reichen, steifen, boshaften Leuten durch Kontakt mit einer ärmeren Familie, die aber doch "das Herz am rechten Fleck trägt". Nun ja.
                                              Aber "You can`t take it with you" nimmt sich selbst nicht wirklich ernst, und ist ein Film, der Spass machen will, und das schafft er auch ziemlich gut, und zwar vor allem aufgrund der Darsteller. Bei diesem Film steht nicht die Handlung im Vordergrund, auch nicht der "Stil" (bei Capra immer unspektakulär, nichtsdestotrotz mit sicherer Hand geführt und immer wieder äusserst schön anzusehen), sondern die Darsteller. Es ist ein Film für Schauspieler, mit vielen kleinen Nebenrollen; und diese sind zwar nicht wirklich tiefgründig gezeichnet, aber sind mit irrem Leben ausgefüllt, sind herrlich anzusehen, sind extrem lustig. Zum Beispiel die von Donald Meek gespielte Figur eines frustrierten Büroangestellten und verhinderten Entdeckers, die an eine völlig übertriebene Woody-Allen-Figur erinnert. Meek ist mir schon in Stagecoach und Young Mr. Lincoln ins Auge gestochen und hat grossartiges komödiantisches Talent. Auch ein russischer Tanzlehrer wird so over-the-top dargestellt, dass er nicht mehr ernstzunehmen ist und so von seinem Klischee quasi "reingewaschen" wird.
                                              Wenn das viele dieser skurrilen Nebencharaktere gleichzeitig zu sehen sind, quillt das Bild über vor Leben, vor Skurrilität, vor Spass. Und dann kann man dem Film eigentlich nichts mehr vorwerfen.

                                              10
                                              • 8 .5

                                                Gleich von Beginn weg merkt man, dass ein Regisseur am Werk ist, der jedes Detail seines Filmes und deren Bilder unter Kontrolle hat. Der Schnitt wird oft überraschend und elliptisch, aber stets präzise eingesetzt; und zwar so sparsam wie möglich: Viele Sequenzen sind in einer Einstellung gedreht (ganz grandios z. Bsp. die Lawinenszene, bei der sich das Bild komplett verändert, aber nie geschnitten wird). Die Bilder sind streng und selbstsicher komponiert, detailreich, die Kamera bewegt sich ebenfalls so wenig wie möglich (und wenn, nur für einen inhaltlichen Effekt). Bin froh, das im Kino und nicht auf PC-Schirm angeschaut zu haben. Erinnert thematisch an Bergman (beginnende Ehekrise, Fassade bröckelt, Verdrängtes kommt zum Vorschein), und ist so inszeniert, dass es wirklich wehtut, also mit messerscharfer Klinge.
                                                Aber: Was für ein genialer Humor! Beinahe sämtliche Szenen enthalten irgendein witziges Element. Darüber hinaus habe ich den typischen, modernen europäischen wohlhabenden Mittelstand samt ipad und elektrischer Zahnbürste mit all seinen mitunter arg negativen Eigenschaften noch selten so präzise auf der Leinwand wiedergefunden.

                                                14
                                                • 6

                                                  John Fords erster grosser Film behandelt grosse amerikanische Themen; sowohl im historischen Sinn (Geschichte des Eisenbahnbaus) als auch im Ideellen (der Gute, Rechtschaffene, Hartarbeitende). Er verbindet eine epische Geschichte mit einer Intimen; der Eisenbahnbau stellt das Umfeld für zwei "persönliche" Geschichten dar; einer über Liebe und einer über Rache, so dass sich im Gesamten ein Porträt eines Landes zu einer bestimmten Zeit ergibt. Das Epische, Dokumentarische ist hier allerdings viel zu lang und repetitiv geraten, Langeweile macht sich breit, besonders am Anfang (allerdings erst nach tollen ersten 15 "intimen" Minuten). Ein überzeugender Schurke bringt später Spannung rein. Plus: Mehrfach sieht man in spektakulären Einstellungen eine Büffelherde, Eisenbahn und Pferde direkt über die Kamera hinwegspurten. Ford erweist sich schon hier als Meister des aussagekräftigen Bildes, indem er z.Bsp. bei Bildeinstellungen von 2 Personen diese nicht exakt symmetrisch aufstellen, sondern jeweils einer Person, je nach deren Funktion, mehr Raum lässt.

                                                  7
                                                  • Jacques Rivette présente: James Bond - SPECTRE