Fenri - Kommentare

Alle Kommentare von Fenri

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    Fenri 17.02.2023, 11:20 Geändert 17.02.2023, 11:32

    Nachdem die dritte Staffel Cyberpunk-Gefilde betritt, gibt es viel zu bestaunen, und das Meiste davon in sehr grauen Tönen. Und die Zukunft ist grau - hier scheint niemand den Mangel an Natur mit Neonlichtern kompensieren wollen. Stattdessen berücksichtigen Nolan und sein Team ohne viele Klassiker zu missachten durchaus auch schöne, überraschende Dinge, die man so im Genre noch nicht so häufig gesehen hat - verarmte Randgruppen, die noch relativ abseits der Technologie leben, Naturflecken (Skandal!!!), futuristische Waffen, die lange nicht so albern wie die aus Psycho-Pass sind (tschuldigung), neumodische Therapieformen, Aaron Paul, und die Darstellung einer AI, die zu der glaubwürdigsten gehört, die ich im Science-Fiction gesehen habe.

    Bevor man also den Plot überhaupt erst ansieht und sich fragt, ob einem das gefällt, bevor dieser ganze Prozess des "ach, ist doch nicht mehr kreativ" stattfindet, kann man einmal innehalten und sich schon darüber freuen, wie cool das Ding hier ist - für mich unheimlicher als wohl jede Black Mirror-Folge, dank der Thematik, die Westworld ja schon seit Beginn den roten Faden gibt: vollendete Überwachung und Kontrolle (und freier Wille natürlich auch). Ein schöner Spiegel zwischen Hosts und Menschen, in dem Aaron Pauls Caleb das ideale Bindeglied ist - endlich mal kein Superreicher oder Laborkittel. Einfach ein depressiver Typ, den niemand liebt. Ein Satz, der in ihrer Selbstwahrnehmung das Leben von mehr und mehr Menschen zusammenfasst - dank der Einsamkeit, die das vom Kapitalismus infizierte Internet und die Leistungsgesellschaft so vielen aufdrückt.

    Der Plot selbst weist deutlich mehr Schönheitsfehler auf als die beiden anderen Westworld-Staffeln es noch taten - wenn ein Charakter mit Katana loszieht, um einen Host zu töten, dann weiß ich auch nicht mehr. Solche Dinge wiederholen sich, ließen sich megaleicht vermeiden oder erklären (Hosts können Kugeln inzwischen so gut standhandeln, Hosts können gut ausweichen), aber dafür wird sich nicht die Zeit genommen, so oft nicht, dass man manchmal schon fragen muss, ob das dasselbe Team einfach so hingenommen hat, dem es gelungen ist, die zweite Staffel in eine kohärente, coole Geschichte zu weben. Denn no way, dass das keiner in der Serie hinterfragt? Ein paar Zufälle und auch erzählerische Schnitzer, die man einfach völlig problemlos hätte anders schreiben können? Warum?

    Der Staffel hätten einige Folgen mehr gut getan, und es fühlt sich so an, als sei da Geldmangel und nicht kreativer Wille die Ursache - V/SFX & Co. hat hier derart hohe Maßstäbe, dass diese Serie einfach sagenhaft teuer ist. Vieles davon scheint an Kürzungen zu liegen, an Vereinfachungen, und genauso scheint auch der gesamte Plot etwas Großes doch etwas zu klein anzugehen - eine Kritik, die ich Westworld so noch nie habe geben können. Kann zweifelsohne im großen Bild wieder Sinn ergeben, aber das werden wir wohl nie bekommen.

    Aber die Staffel kriegt genug Kritik, und hat deutlich mehr Lob verdient. Nicht nur hat Westworld nichts von seinem schönen Humor verloren, der immer wieder durchscheinen darf, oder von seiner Fähigkeit, genau die richtigen Menschen zu casten, sondern auch die Sorgen der letzten Staffel dürfen weitgehend unbegründet bleiben: Ed Harris kommt voll auf seine Kosten, hat den vielleicht interessantesten Moment seiner gesamten Charaktergeschichte, und auch Bernard, der mich in S3 zusammen mit Maeve lange narrativ am meisten gestört hat, erhält hier trotz sehr spärlicher Handlung nochmal zusätzlich Tiefe, mit der ich gar nicht gerechnet hätte. Liest man den Plot einfach so, klingt das alles viel verrückter als es eigentlich ist. Viel wird hier über das Wesen der Hosts deutlich, und auch darüber, was das über uns Menschen aussagt. Da wird nicht gespart an interessanten Gedanken, so sehr Fords Abwesenheit auch vermisst werden mag - er hätte hier nicht mehr hineingepasst. Denn zum Schluss der Staffel sitzt man da und erkennt die Poesie in der Geschichte, vielleicht mehr als jemals zuvor. Da ist es auch okay, dass suspension of disbelief hier an manchen Stellen nötiger ist als sonst. Und jetzt entschuldigt mich, ich muss Evan Rachel Wood einen Heiratsantrag mailen.

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      Fenri 12.02.2023, 13:01 Geändert 12.02.2023, 13:04

      Über keinen Film Park Chan-wooks kann ich nach der Sichtung weniger schreiben, als über DECISION TO LEAVE. Dicke Ambivalenz. Tang Wei zählt zu meinen Lieblingsschauspielerinnen und offenen Schwärmereien; mein Hang für Romantik im Zusammenspiel mit Tabus, Erotik und Einsamkeit dürfte ja nicht jedem entgangen sein. Natürlich hat Parks neustes Werk mich somit rein konzeptuell mehr interessiert als, das kann ich ganz einfach sagen, ausnahmslos jedes andere seiner Werke, die ich fast alle schon mehrfach gesehen habe und in die ich mich immer wieder verlieben kann. Er hat dabei die Eigenheit, dass ich bei zunehmenden Sichtungen auch zunehmend gerade die Filme mehr mag, die ich anfänglich nicht so sehr liebte wie die, die bei der ersten Sichtung schon geballert haben.

      Es ist eine Geschichte der Ruhe, in der jedwede Rubrik makellose Arbeit leistet und alles doch gerade nicht zu stylisch wirkt, um vom Geschehen abzulenken - bemerkenswert bei einem Filmmacher wie Park Chan-wook. Bei diesem Film steht alles im Nebel, er ist lang und langsam, trotzdem schnell und bisweilen trotz des erstmals recht simplen Kriminalfalles verwirrend. In vielen Dingen: Was will er erzählen? Wohin soll das führen? Wenn man diese Fragen nicht beantworten kann, dann entfallen einem Details, die später zweifelsohne wichtig sein werden. Seine Rachetrilogie fackelt da nicht lange, und auch bei den anderen Filmen kommt man schnell dahinter. Sie sind entzügelter, grober, lassen Dinge in sich finden, und Perfektion, wenn es so was denn gibt, doch hier sitzt man nicht nur an einem Puzzle mit Lücken, sondern, anders kann ich es nicht ausdrücken, an einem solchen Puzzle, das man mit dem Bild nach unten lösen muss. Puzzle-Metapher, oder auch: Fenri ist zu langsam für einen Film.

      Die Schnitte stechen hier mehr heraus als in anderen seiner Filme und ich weiß ihre Grobheit zu schätzen, sie setzen Akzente und verwirren oder helfen intuitiv. Gleichzeitig muss man sich dann aber auch neben den Rätseln und Interpretationen damit rumschlagen, sich zu fragen, wie viel Zeit jetzt vergangen ist und in welchem Kontext die Szene gerade passiert. Hätte es das nicht gebraucht? Keine Ahnung. Die Geschichte hätte auch straightforward erzählt werden können, aber dann wäre es ein fundamental anderer Film. DECISION TO LEAVE kann ich niemandem empfehlen, ohne Stirnrunzeln zu ernten - "Polizist verliebt sich in Verdächtige" ist jetzt nicht "Dienstmädchen verliebt sich in die reiche Dame, die sie manipulieren und bestehlen will". Noch dazu ein Fokus auf Sprache, bei dem, selbst wenn es häufig angesprochen wird, so ganz ohne Koreanisch zu sprechen, bestimmt einiges verloren geht. Leider leider. Und wie viel nehme ich einfach so hin, weil ich die beiden Charaktere so dermaßen interessant und tief fand, dass ich die Geschichte als zu real wahrnahm, um irgendetwas auf erzählerischer Ebene kritisieren zu wollen?

      Jede Szene, an die ich denke, lässt mich doch schmunzeln, hat doch wieder etwas zu sagen über Trennung, über Selbsttäuschung, über Liebe und Sehnsucht, über Frust und Isolation. "Morden ist wie rauchen", sagt der konsequente Nichtraucher, grün und blau, blau und grün, und je mehr ich über diese Geschichte nachdenke, über die Szenen als eigene und im Ganzen, desto mehr schließe ich diesen Film ins Herz. Das Ende war doch großes Kino, der Kopf rattert, das Herz pocht, der Frust ist groß und die Sehnsucht auch. Und dann hört es auf, hätte noch Stunden weitergehen sollen. Was bleibt mir da anderes übrig als dieses verwirrende Kunstwerk ins Herz zu schließen?

      Parks Humor wird von Film zu Film schöner, seine Wertschätzung für die wirklich ruhigen Momente immer größer - das ist bei einem derart populären Regisseur einfach toll zu sehen. Der Soundtrack war grandios(!!!!), die Bilder wunderschön, die Kostüme(!!!!!!!!!), Tang(!!!) Wei(!!!!) spielt wie eine Göttin und Park Hae-il verblasst neben ihr nun wirklich nicht. Diese ganzen abzuhakenden Punkte sind nicht das Ding, an das man bei Park denken muss, die sind immer *chef's kiss*. Ist natürlich total unfair und deplatziert, das deshalb als gegeben hinzunehmen und den Film nur als Park-Film zu betrachten, nicht auch als Film. Als Film ist das hier ein einzigartiges Ding, ein Film des Jahres, so viele Fragen er auch aufwirft, und für mich neben DRIVE MY CAR vielleicht das Beste, das ich in den 2020ern bisher gesehen habe - sicherlich das Erinnerungswürdigste. Als Park-Film kommen Fragen auf, auf die ich hier gar keine Schlüsse ziehen kann, die Entscheidung, zu gehen, kommt daher gar nicht infrage, vielmehr wäre ich am liebsten im Kino sitzen geblieben und hätte den Film ohne auch nur kurz was zu trinken zu kaufen gleich nochmal von vorne sehen wollen. Und egal, was man nun auch über den Film denken mag, viel mehr kann man sich ja doch nicht wünschen. Wie dem auch sei: Ich liebe Tang Wei. Und ich habe den Verdacht, dass dieser Film erst mit der Zeit an Tiefe gewinnt. Entgegen einiger zurückhaltender Dinge will ich doch dagegenhalten, dass mir der heutige Park Chan-wook bei aller Ambivalenz mehr gefällt als jemals zuvor.

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        Wieder einmal muss ich mich fragen, warum ich nicht dazu in der Lage scheine, einen Film einfach nicht zu mögen. Wenn der Film sich nicht gerade so anfühlt, als hätte das Studio ihn mit irgendwelchen beliebigen Regisseuren erzwungen statt dass da Künstler ein Ding drehen wollen (und trotzdem mag ich das MCU). Häufiger als nicht scheinen selbst "Fehlschläge" mehr an interessante Persönlichkeiten zu erinnern - seien's Christopher Nolan's kalte Charaktere, Quentin Tarantinos nie-endender Strom an Zitaten, jüngst Babylon, The Northman und Tenet, und Live by Night. Selbst D. W. Griffiths Liebe für Melodrama - wobei er vielleicht ein schlechtes Beispiel ist, wenn man bedenkt, dass viele seiner Filme geradezu herablassend wirken und sicherlich apologetisch. Aber was an einem Film hassen, der nicht direkt behauptet, dass der KKK cool ist (also ein moralisch bekackter oder zumindest deiner Weltansicht widersprechender Film), sondern schlichtweg die Rassenspannungen darstellt, kurzum, ein Film, den ich nicht dafür hassen kann, was er mir verkaufen will?

        Dieser Film ist in keinster Weise perfekt, Persönlichkeit oder nicht. Dieser Film ist auch nicht einfach der übliche faule oh-guck-dir-diesen-Star-und-diese-witzigen-Witze-an Film, bei dem eine Sichtung ohne Mehrwert ist, wenn man nicht gerade diesen einen Schauspieler oder Setdesigner magst. Er ist in beinahe allen Facetten merklich von Menschen gemacht, die wissen, was sie tun, und die eine sehr klare Vision davon haben, was sie zeigen wollen. Das war war für bis dahin alle Filme von Ben Affleck, und Live by Night ist keine plötzliche Ausnahme.

        Das Problem, das mich seit der gestrigen Sichtung begleitet, selbst all die schlechten Kritiken ignorierend, ist, nun, schwer festzumachen. Das Setdesign ist formidabel, die Regie passt, die Schauspieler kriegen nicht viel zu tun (Chris Cooper macht aber was her), in diesem Szenario ist es in erster Linie ein Starfilm als ein Schauspielerfilm, wenn ihr versteht, obwohl es voller wirklicher Schauspieler ist - tolle Präsenz, tolle Chemie zwischen allen, und all das hilft der Immersion und dem Interesse, aber man kriegt halt keine Marlon-Brando-Darstellung. Die Musik ist gut. Ich erinnere mich nicht bestens daran aber sie hat ihre Arbeit gut gemacht in sehr klassischer Manier. Der Film bricht fortwährend Gangsterfilmkonventionen und versucht das deutlich bis zum Ende hin weiter zu tun, was teils ziemlich cool ist. Aber!!! Ja, nicht viel in diesem Film ist, nun ja, "hervorstechend", außer einiger wirklich geiler Actionszenen (die man nicht verachten sollte, nur weil sie selten sind, sie sind einfach cool!), eine tolle Dialogszene zwischen Elle Fanning und Ben Affleck, die sehr mit mir resoniert hat, mir, einem Wiederholungstäter in Sachen Glaubenszweifel, ohne dass es gelingen würde, ganz von ihm loszukommen.

        Das Setdesign ist akkurat, ja, aber es fühlt sich nicht... leidenschaftlich an. Was sich wie eine total überhebliche Aussage anhört. Sorry, Setdesigner und Jess Gonchor, vielleicht, sicher hatten viele von euch Leidenschaft, aber es ist, einfach, das ganze Ding fühlt sich so, ja, einfach etwas zu glatt an, und das ist sicher auch zum Teil dank des grauen Filters, der Ben Affleck in den Jahren um 2017 so verfolgt hat. Der ist auch da, ja. Auch eine kreative Entscheidung. (Könnt das gern zitieren.) Ben Affleck ist nicht bekannt für Overacting aber auch nicht dafür, schnell überschattet zu werden - er ist ein Star der Lowkey-Sorte, was an sich schon widersprüchlich klingt und ihn mir irgendwie noch sympathischer macht. Die Cinematografie ist cool, ein paar Szenen sogar richtig geil (brennendes Auto im See kommt hoch! cool!!!). Das ist alles in Ordnung, wirklich, alles, und, um nicht nur so neutral zu klingen, macht auch Spaß. Die Off-Stimme ist wohl exzessiv und ich weiß, dass viele Leute das als die faulste Scheiße ansehen, wenn nicht gerade Charlie Kaufman aktiv damit rumspielt, aber mit so klassisch anmutenden Produktionen wie dieser fühlt es sich irgendwie angenehm an, und wie ein Roman - was wohl der Grund ist, warum es viele als unangebracht und faul wahrnehmen. Wäre der Film ohne ausgekommen? Nein. Zu viele Zeitsprünge. Keine per se schlechte Sache für mich, aber tja.

        Dieses Muster erstreckt sich auch über Plot und Themes. Zweifel, Rassismus, Gangsteridealisierung - so viele Dinge will Affleck offenkundig ansprechen, ohne dass sie sich wirklich tief erforscht anfühlen. Es ist einfach nicht genug da, um wirklich erinnerungswürdige Perspektiven zu bieten - abseits von vielleicht Elle Fannings Café-Szene. Ich habe durchaus geschätzt, wie der Chief und Joe miteinander cool waren, ganz ohne das erwartbare "uuuh du bist Gangster uuuuh aber Geld uuuh aber fass nicht meine Tochter an". Ein erinnerungswürdiger Moment war sicherlich das ambivalente Gefühl bei dem Tod eines KKK-Mitglieds - auf der einen Seite möchte man nicht, dass Joe ein skrupelloser Gangster wird, auf der anderen Seite ist es der scheiß KKK. Tolle Szene, ganz allgemein. Ach, alle KKK-Szenen waren intensiv, auch wenn seine schwarzen Kollegen sie nie so wirklich erwähnt haben. Keine Zeit dafür, Plot muss ja weiter. :/

        Was heraussticht, ist sicher das Editing, teils auch irritierend. Die anfängliche Jagdszene hat so viele Edits, dass ich sie nicht mehr übersehen konnte, was nicht direkt eine gute Sache ist, wenn auch nicht per se schlecht - es hat wohl die chaotische Natur des Moments unterstrichen. Und ich glaube entgegen allgemeiner Meinung nicht, dass (die hier nicht vorhandene) Wackelkamera, schnelles Editing oder sonst was automatisch ein Merkmal schlechter Qualität sind, und dass John Wick oder Mad Max: Fury Road der Höhepunkt von allem Guten in Actionfilmen sind. Na ja, sind sie schon irgendw-- egal, kurzum, sie sind ein wiederkehrendes Stilmittel, weil sie einfach sind und relativ effektiv, da sie schon an sich anstrengend sein können. Es kommt gänzlich auf den Film an, und das, was man vermitteln will.

        Aber ich nehme an, dass es nicht am Editing liegt, dass der Film so kurz ist. Es gibt keinen Director's Cut, keine The-Town-kriegt-30-Minuten-mehr-Situation. Dies ist das seltene Ereignis eines Films, dem 30 oder 60 Minuten mehr nicht geschadet hätten (oder nicht ganz so selten, wenn ich an japanische Filme denke, die sich alle Zeit nehmen, die sie für richtig halten). Das muss nicht sein, aber ist wahrscheinlich teils deswegen, weil Ben Affleck sich entschied, den zweiten Roman einer Trilogie von Dennis Lehane zu verfilmen, Autor von Shutter Island, Mystic River und Gone Baby Gone. Habe gar keine Zweifel, dass das hier eine geile Trilogie hätte werden können. Ich will mehr vom müden Brendan Gleeson und seiner angenehmen Stimme hören. :(

        Letztlich werden die Thematiken des Films aber in diesem Film gezeigt, egal wie viel besser und bedeutungsvoll das Schicksal des Protagonisten sich mit den Kenntnissen des ersten Romans angefühlt hätten (die ich nicht kenne): Der KKK ist in diesem Film, der Süden, Prohibition, Glauben. In diesem Film. Gibt man diesen Arcs mehr Zeit, sich auszufalten, nicht mal unbedingt mehr hohe Töne / Melodrama, einfach mehr Tiefe, und das hätte alles mehr in die True Detective-Richtung gehen können. Stattdessen gehen viele Themen einfach so... davon. Wenn Jahre, die durch Editing innerhalb von Sekunden vergehen, sich nicht wie die interessanteste "fast-paced" Entscheidung anfühlen, sondern die fucking Themen, was soll das? Komm schon, eine Stunde mehr und angenommen, die sind nicht mit viel Leere gefüllt und mehr übergangenen Thematiken, dann hätte der Film hier ganz oben neben Afflecks anderen tollen Werken stehen können. Der Roman hat 400 Seiten. Gone Baby Gone hat 250 und trotzdem unterscheidet sich die Laufzeit beider Filme um nur 15 Minuten. >:( Lag's am Studio, an Investition? War's Afflecks kreative Entscheidung (ich bezweifle es)? Keine Ahnung, aber das zieht den Film am meisten runter. Das geht Hand in Hand mit dem Fakt, dass du dich jetzt nicht zu tief mit den Charakteren verbunden fühlst (wobei da das Beginnen mit dem ersten Roman sicher geholfen hätte). Alles andere ist okay, das ist aber eine verpatzte Gelegenheit. Der Film ist nicht inhärent schnell, er geht langsam und ist introspektiv, aber das fühlt sich dann halt inkongruent an damit, wie der Film an ihn interessierenden Themen jetzt nicht vorbeiläuft, nicht darüberschweift, sondern einfach etwas zu schnell durch sie hindurchgeht.

        TROTZ ALLEEM mochte ich den Film. Ich werde ihn jetzt nicht allzu bald wieder sichtigen (vielleicht nach der potentiellen Erfahrung der Romantrilogie), aber wann immer es in dem Film heiß zuging, ging es heiß zu, und das Finale ballert im wahrsten Sinne des Wortes, ganz egal wie man jetzt bestimmte Entscheidungen findet. Und ich muss auch sagen, dass der Romanzeplot sich tonal sehr gut einfügt in die ganze Natur des Films, mit all seinen Fehlern und guten Seiten. Das hat er schon alles für sich. Fans von Chris Cooper bekommen ihre Cooper-Portion, täglich mit Glauben und Zweifel zu hadern wird der Erfahrung nicht schaden, und wenn es da draußen irgendwelche Fedora-Fetischisten gibt, werden sie den Film heiraten wollen. Ich bin letztlich froh, dass Affleck 2023 nach sieben Jahren endlich wieder eine Regiearbeit veröffentlicht und ich hoffe, dass diese Produktion ihn nicht entmutigt, weitere Kriminaldramas zu machen. Ich bereue es weiterhin nicht wirklich, ihn nicht im Kino gesehen zu haben, aber ich glaube auch, dass die Filmerfahrung durchaus an Einigem verliert, wenn man ihn etwa auf einem Laptopbildschirm sieht. Interpretiert das so, Ich habe fertig. :)

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        • Fenri 26.01.2023, 18:01 Geändert 26.01.2023, 18:02

          Kommentar für Makoto Wadas ROUND ABOUT MIDNIGHT (1999)

          Dieser ziemlich in Echtzeit erzählte Film hat nicht nur den außerordentlich heißen Hiroyuki Sanada in einer Hauptrolle, sondern auch die außerordentlich schöne Michelle Reis und eine außerordentlich coole Trompete. Wenn man bei dem Film mit einem nur ganz netten kleinen Film rechnet, der gleichzeitig Jun Kunimura, Hiroyuki Sanada, Michelle Reis und eine Trompete im Cast hat, sollte man bereits merken, was für ein mega Oxymoron das ist. Und wenn nicht, dann spätestens wenn Miles Davis losschlägt, wenn der Jazz dich kriegt, oder die Cinematographie einer Kamera, die sich schon selbst wie ein schwebendes Saxophon anfühlt.

          Meine erste Assoziation war natürlich(?) die mit diesem einen großen japanischen-nächtlich-chaotisch-guten-Gangster-Jagdszenen-Jazz-Ding mit dem heißen Protagonisten, der ständig in Angelegenheiten hereingezogen wird - Cowboy Bebop. Ein Teil von mir sieht ROUND ABOUT MIDNIGHTs Koji gern als Spike Spiegels Ururopa, aber irgendwie fühlt sich das nicht richtig an; der Film steht auf seinen eigenen Beinen. Ich kann nur nie anders, als all diese jazzy Abenteuer als Geschwister im Geiste wahrzunehmen, an einem Ort wohnend, wo alles in Ordnung ist, selbst wenn mordende Gangster hinter dir her sind, weil dein Herz am rechten Fleck ist, ein Ort, wo Sprache "Liebe" bedeutet und "Sprachbarrieren" ein bedeutungsloses Wort ist, wo liebevolles Chaos und Akzeptanz herrscht, Experimentation und Offenheit. (Und was passt da besser als eine Michelle Reis mit einem merkwürdigen japanischen Akzent? - na ja, für meine Ohren, und ich kann kein Japanisch.) Es ist Jazz, "so what"!

          Was sich hier auftut ist eine chaotische Jagdsequenz, die irgendwie eineinhalb Stunden dauert, ohne dass der Einsatz zu hoch oder zu niedrig wäre. Man lehnt sich zurück, der Kopf wippt, die Finger wippen, und kann nicht anders als amüsiert sprachlos zu sein über Kojis massive Tollpatschigkeit. Welch ein Anblick. Allein das Konzept. Ein megacooler (außerordentlich heißer) Protagonist, der einen völlig geraden Gang entlangschleichen muss und es (in einer außerordentlich heißen Art) schafft, zu stolpern, in einen Riesenhaufen von Zeugs zu krachen, den lautesten Krach zu machen, das halbe Bühnenbild der Bühne, hinter der er entlangschleicht, niederzureißen, in den auftretenden Künstler zu fallen und dann einfach aufzustehen und auch keine Sekunde anzusprechen, was für ein mega Dumbass er gerade war. Es hört einfach nicht auf, charmant zu sein. Und noch mehr, ich will jetzt einen ganzen Film, in dem nichts Großes passiert, kein Konflikt, nur Michelle Reis, die neben Hiroyuki Sanada spaziert auf dem Weg, ein neues Mundstück für die Trompete zu kaufen, während er auf dem Weg aus Versehen die ganze verdammte Stadt niederreißt. Das ist mit Atlantis passiert: Jazz. Jetzt wissen wir also, warum New Orleans am Ozean liegt. Okay, so viel Tollpatschigkeit hatte der Film gar nicht. Wohin führt diese Kommentar überhaupt noch?

          Der Film ballert, slapt, kickt. Sucht's euch aus. Er macht Spaß, ist musikalisch, leidenschaftlich, und so scheißmegaübersehen - 140 Bewertungen auf IMDb, 250 auf letterboxd. Kostenlos auf YouTube. Jazz, Cowboy Bebop, Michelle Reis, der außergewöhnlich heiße Hiroyuki Sanada (ICH WEISS DASS ER MEHR IST ALS DAS AUSSEHEN ICH WEISS). Es soll eine Person geben, oder so habe ich es mir sagen lassen, die diesen Film nicht gesehen hat, obwohl sie ein paar dieser Dinge mag. Mein Rat: sei nicht diese Person. Stolper einfach in diesen wilden Ritt für einen kleinen schönen Abend. Oder einen verdammt geilen Abend. Wenn ich irgendjemandem zeigen sollte, warum ich Jazz liebe, würde ich vielleicht einfach diesen Film zeigen. Irgendwas an übersehenen Filmen fühlt sich einfach nach Jazz an. Und wenn's auch nur der Jazz ist.

          https://letterboxd.com/film/round-about-midnight/

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            "And love created art, an art which reflects our unbearable yearning for perfection, our immense despair, our endless cry of terror..."

            Langsam und zäh, ästhetisch herausragend und im wahrsten Sinne des Wortes Underground. Lopushansky ist im Westen wohl eher indirekt bekannt durch seine Assistenzarbeit bei Andrei Tarkovskys STALKER von 1979. Er steht aber auch direkt neben Piotr Szulkin in Sachen "ungerechtfertigt vergessene Postapokalypsen der 1980er" und verdient seinen Platz in der Filmgeschichte - wenn schon nicht wegen des herausragenden Production Designs, wenn schon nicht für die Koinzidenz, die diesen Film ein paar Monate vor dem Tschernobyl-Disaster veröffentlicht sah, dann dafür, einen dermaßen grausig-toten Schreckensfilm zu schaffen und dabei dennoch an die Hoffnung zu appellieren.

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            • Geil, noch mehr Spoiler in Trailern und Verhinderung von coolen Trailer-Spielchen wie bei Birdman. Aber wer Trailer bis zum Ende guckt, ist eh selber Schuld. Im Kino halt ärgerlich.

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              • Nichts macht mir mehr Sorgen als Camerons in meinen Augen fehlgeleitetes Recycling von derart plakativen Bösewichten. Er war in meinen Augen mit Abstand die größte Schwäche am ersten Teil. "Jaaa, töten, jaa, Krieg!" ist so eine dermaßen langweilige Kritik am Menschen, what the fuck - eindimensionaler geht nicht?

                Na ja, mal schauen. Ich liebe Avatar und freu mich trotzdem.

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                  Fenri 04.12.2022, 07:24 Geändert 04.12.2022, 13:45

                  Guillermo del Toro zeigt hier eine eigene, liebevoll verwirklichte Version des Pinocchios, bei der er wie so oft nicht die Finger vom Faschismus lassen kann. Das Gesamtbild ist rückblickend vielleicht marginal merkwürdig, im Ganzen aber vor allem bemerkenswert und ziemlich rund (ähnlich wie bei Pans Labyrinth, aber ganz anders als bei Pans Labyrinth). Denn die Ästhetik hinter jeder Szene kickt richtig rein, und David Bradley zu hören macht mich eh immer glücklich.

                  So schöne Filme sind einfach nicht mein Metier (sehr zum Leid meiner Freundin), aber ich musste hier trotzdem oft genug lachen und fand einige Szenen auch wirklich süß. Ewan McGregor ist einfach der Coolste. Wie dem auch sei, hab nicht viel zu sagen außer: nein, das ist nicht nur eine weitere Version von Pinocchio. Das ist voll und ganz del Toros, und in seiner freien Kreativität auch allemal eine unterstützenswerte Produktion, die (vielleicht etwas ältere - aber eine Diskussion wert) Kindern wie Erwachsenen etwas zu sagen hat. Wem nach Wehmut zumute ist - this is your film. :)

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                    Fenri 03.12.2022, 13:01 Geändert 03.12.2022, 13:03

                    Okay, gibt es einen anderen lebenden Filmemacher, der so pures Kino macht wie Terrence Malick (jaja, viele, so elitär will ich jetzt nicht sein)? Das ist buchstäblich ein Stummfilm, vollends in Liebe mit dem Bild, und das "trotz" der Stimmen aus dem Off, die die Intertitel ersetzen.

                    Vor acht Jahren sah ich diesen Film zum ersten Mal und empfand ihn als schrecklich anstrengend. Kein Wunder - nicht einmal ein großer Fernseher wird der Bildgewalt eines Malicks und Lubezkis gerecht. Mein Jahr war und ist geprägt von der Sichtung zahlloser Stummfilme, der künstlerischen Liebe zu Lillian Gish, und einer völlig neuen Wertschätzung für das Kino. Filme langweilig zu finden, das ist schwer, solange sie mit Leidenschaft gemacht wurden und nicht des Studios wegen. Filme schlecht zu finden scheint mir inzwischen fast unmöglich.

                    So viel Liebe und Gnade steckt in diesem Film, so viel Wehmut und Melancholie. Terrence Malick ist ein Gott des Kinos. Andere Leute sind bessere Kritiker als ich. Ich find es nur bemerkenswert, dass ich diesen Film mal fünf Sterne gegeben hatte. Passt ja - das war noch in einer Zeit, in der ich die Bewertungen ernst genommen habe und mehr Quoten erfüllen wollte, so und so viele Filme pro Jahr zu sehen.

                    “The allotted function of Art is not, as is often assumed, to put across ideas, to propagate thoughts, to serve as an example. The aim of art is to prepare a person for death, to plough and harrow his soul, rendering it capable of turning to good.”
                    Andrei Tarkowski

                    Mit der Entschleunigung und der Wertschätzung des Moments steigt zwangsläufig die Liebe zu derart intuitiven Filmemachern wie Terrence Malick und Andrei Tarkowski. Das kann ich wirklich jedem empfehlen. Dazu muss man auch nicht glauben, dass Kunst zum Seelenheil dient, aber vielleicht doch, dass es zutiefst widersprüchlich ist, Kunst durch irgendeine andere Linse zu sehen als die des Moments, in dem es weder Vergleiche noch irgendwelche banalen Rankings oder noch banalere Maßstäbe gibt. Man braucht nicht nur durch ein Fenster in die Seele eines anderen Menschen sehen - man kann es auch öffnen, und hindurchsteigen wie durch eine Tür.

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                      Fenri 23.11.2022, 01:06 Geändert 23.11.2022, 01:06

                      Auch nach der Zweitsichtung einer der geilsten Filme der 80er, und jeder, der ihn nicht gesehen hat (also alle`), SOLLTE DAS SCHLEUNIGST NACHHOLEN. 80-minütiger Film, in dem ein planloser Typ zufällig mitbekommt, dass in 70 Minuten der Atomkrieg beginnt. Traumartiger Stress, nervöser Humor und verdammt nochmal gut. Freunde der Sonne, seht ihn seht ihn seht ihn.

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                        Fenri 18.11.2022, 16:49 Geändert 18.11.2022, 16:58

                        Nachdem ich die zweite Staffel 2018 abgebrochen hatte, als ich den Faden verloren hatte, muss ich bei der erneuten Sichtung ohne Zögern sagen, dass ich sie für die bessere der beiden Staffeln halte, oder zumindest deutlich lieber habe. Das ist einfach so ein Höhepunkt, mir fehlen wirklich die Worte (sagte er und schreibt einen seltenen Kommentar). Und natürlich gehe ich in dem Kommentar davon aus, dass ihr die erste Staffel kennt (in den Absätzen, die mit [x] markiert sind.)

                        Mein Kritikpunkt des "ist bissel zu verworren erzählt, obwohl weniger kompliziert doch genauso hinhaut", ist vollends verworfen und jetzt auch geradezu unverstanden. Ja, natürlich ist die Serie zu verworren und kompliziert nach modernen Sehgewohnheiten, in denen am selben Tag noch ein Film geballert wird oder noch eine Serie, und zwischen den Staffeln entweder gar keine Pause oder eine viel zu lange mit zig anderen Geschichten gemacht wird, ohne dass man bei all dem Bingewatching auch nur einer Folge wirklich Zeit zum Atmen gelassen hat. Ich habe die Serie innerhalb von zwei Wochen mit meiner Freundin gesehen, mich danach immer mit ihr unterhalten und vor der nächsten Folge immer Entertainment Weeklys angenehm wertschätzenden Recap der vorigen gesehen. Der Rhythmus hat gut funktioniert, auch wenn ich mir fast noch lieber etwas mehr Zeit gelassen hätte, weil es einfach so verdammt gutes Fernsehen ist. Es ist ein Verbrechen, dass Westworld nicht die fünfte Staffel vergönnt ist, so verständlich es bei den Zahlen auch sein mag, es gibt fast keine andere Absetzung, die mir mehr weh tut als diese, außer vielleicht Star Wars: Knights of the Old Republic III. Fuck, Jonathan, Lisa, und wenn ihr's als Graphic Novel beendet? :( Menno.

                        Westworld bestraft das Annehmen passivster Konsumentenrollen und das Resultat ist fast schon meta (ja ja, das Wort ist ja sooo 2010er), heute wird das von Serien ja geradezu erwartet, die man so schön wegbingt. Eine Serie mit dem überaus ambitionierten Konzept, die Geschichte aus der Sicht der Künstlichen Intelligenzen zu erzählen, soll trotzdem im Rahmen der menschlichen, chronologisch leicht nachvollziehbaren Erzählweise erzählt werden? Klar, keine Schande, aber wie geil ist es bitte, den Zuschauer vor die Herausforderung zu stellen, den Sinn zu suchen, der so schwer verborgen in Zeitsprüngen liegt? Wie geil der Gedanke, dass ein Mensch entweder willens ist, sich dessen anzunehmen, langsam, notfalls kleinlichst, reflektierend, um in diese neue Wahrnehmungswelt einzutauchen? Denn ist das nicht genau das, was den Menschen der Serie abverlangt wird, oder vielmehr, was sie den Androiden nach all dem blutigen Profitieren schuldig sind? Ist das ein Totschlagargument, das jede Kritik an der Erzählweise zunichte macht, und deshalb nicht produktiv? Vielleicht, und man muss es sicherlich nicht mögen. Ich mag es. Jonathan Nolan ist vielleicht der einzige Filmmacher, der das hinkriegt. Durch sein Aufstieg in der Serienwelt haben Christopher Nolans Filme vielleicht ein wenig an Subtilität verloren, dafür ballert Jonathan jetzt einen herausragenden Dialog nach dem anderen heraus (und in der zweiten Staffel noch deutlich mehr als in der ersten, glaube ich). Philip K. Dick würde bei Westworld wahrscheinlich ein Tränchen verdrücken.

                        Schauspieler finden hier sowohl das ultimative Paradies als auch die bisweilen sicherlich große Hürde des glaubhaften Rollenwechselns, während man doch noch dieselbe Person ist, und sie meistern es alle mit Bravour. Musik, Regie, Kamera und Production Design sind herausragend, das steht ja außer Frage. Hätte man die Schnitte und Rückblicke etwas schonender und verständlicher machen können? Vielleicht, aber wenn es wieder leicht verdaulich wäre, warum sollten dann die Charaktere in der Serie auch so dermaßen verwirrt sein, die doch teils als Genies ihrer Generation zu verstehen sind? Umso konsequenter, die Verwirrung später etwas zu senken, immerhin sind auch die Charaktere langsam mit Durchblick gesegnet, aber von Staffel 3 weiß ich ja nix außer, dass die meisten sie nicht so mögen.

                        [x] Thematisch ballert Staffel 2 da mal so richtig weiter rein. Wo die erste Staffel davon erzählt, wie die Hosts aus einer Lüge entkommen wollen, zeigt die zweite Staffel doch irgendwie Menschen, die sich verzweifelt bemühen, sich in eine Lüge hineinzuzwängen. SPOILER SPOILER SPOILER: Während Ford seinem "Kind" die Liebe gesteht, tötet William das seinige. William bricht zusammen, hat so viel Angst, anzuerkennen, dass er Herr seiner Entscheidungen ist, dass er nur als Erklärung sehen kann, selbst ein Host zu sein. Viel tragischer geht's kaum. SPOILER ENDE SPOILER ENDE SPOILER ENDE Der Charakter vom Man in Black ist einfach nur herausragend, und das zu großen großen großen Teilen dank der zweiten Staffel. Dasselbe gilt auch für andere Charaktere: Lee Sizemore ist ein erstaunliches Highlight der Staffel (auch wenn er immer schon cool war), und spätestens am Ende der zweiten Staffel hat man endlich mehr Durchblick bei Arnold, das Fundament ist verstanden, und das allein sehr hilfreich, um sich mehr auf die Gegenwart zu konzentrieren. Und James Delos? Unerwartet großartig. In jeder Hinsicht. Peter Mullan als James Delos war so genial, dass ich ihn einfach nur lieben musste, und mich jedes Mal, wenn er ins Bild kam, erwartungsvoll aufsetzte, einfach weil ich wusste, dass er wieder alles und jeden einfängt, in einer Serie, in der gefühlt jeder alles an die Wand spielt. Was für ein geiler Cast ist das?

                        Hand aufs Herz, der Grund, warum ich die Staffel so viel mehr mag als die erste, ist aber sicher auch meine Faszination mit einer gewissen Kultur, die in dieser Staffel auflodert. SPOILER SPOILER SPOILER Samurai in fucking Westworld ist genau das, was mein Herz zum Träumen anregt. SPOILER ENDE SPOILER ENDE Mann, wie hätte ich mich in dem Park verhalten? Wäre ich auf der Abschussliste? Ich weiß es ehrlich nicht. Ich identifiziere mich sowohl mit Felix als auch mit William. Scheiße? Wie dem auch sei, cooler geht's nicht, danke und gute Nacht. Und nicht vergessen, lasst euch Zeit und verarbeitet die Folgen, denn wenn ihr noch so viele Fragen zur vorherigen habt, sobald ihr die nächste seht, ist man irgendwann ja nur noch mit Häs beschäftigt. [x] Und das ist man eh, aber ich weiß noch, wie lange ich gebraucht habe, um zu checken, dass Arnold und Bernard wirklich gleich aussehen. Solche Fragen sollten geklärt sein, sonst wird das ein Chaos. Zeit lassen, darauf einlassen, und das Erwachen beobachten. Super.

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                          Meine heilige scheiß Fresse, wie ich früher Filme so unbeteiligt sehen konnte, dass ich den Film nicht auf allen vieren mit unterwürfigen Lobeshymnen angebetet habe. Ein scheiß geiles fucking geiles Meisterwerk. Nein, in dem Film wird nicht geflucht, aber er ist einfach so scheiß fucking geil. So. o/

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                            Spoiler. Robert Eggers traute sich hiermit etwas, das sich vor ihm in Hollywood nur sehr wenige getraut haben, und kreierte einen der Geschichte möglichst treuen Horrorfilm. Sein Kreuzzug (pardon) durch die Mythologien begann genau hier: im Christentum. Wo besser anfangen als bei tiefgläubigen Christen, frühe Siedler New Englands? Und wieder die Sehnsucht: Hätte man ihm doch bei The Northman freie Hand gewährt.

                            Beim ersten Mal vor einigen Jahren ließ ich mich auf den Film zweifelsohne nicht hinreichend ein (seit ich mich distanziert habe von dem nüchternen Vorhaben, irgendwelche Regisseure zu "vervollständigen" und so und so viele Filme zu sehen, und deshalb ironischerweise deutlich weniger Filme sehe, die aber dafür umso empfänglicher und wertschätzender). Zwar fand ich ihn gut, aber nicht s o visuell überwältigend und vor allem derart inhaltlich gerissen. Alle sündigen sie, und alle sterben sie. Die einzige Person, die wahrhaft einzige Person in dem Film, die bis zum bitteren Ende frei von großer Sünde ist, ist ebendie, die kontinuierlich ihrer angeklagt wird. Es ist weder das erste noch das letzte Mal in der Geschichte, dass die Familie durch ihre Missgunst und Hoffnungslosigkeit das Schlimmste selbst über sich gebracht hat.

                            Wo ich The Witch dabei genauso dankbar bin wie ich es auch Hong-jin Nas The Wailing bin (den ich bisweilen durchaus als Lieblingsfilm nennen würde), ist nicht nur der tiefste Respekt für die vorherrschende Kultur auf säkulären, politischen Ebene, sondern auch auf der zutiefst spirituellen oder religiösen. Da wird nicht einfach ein Geist missbraucht, um unheimlich zu sein - nein, wenn man einen Dämon sieht, dann sieht man einen Dämon. Kein Jumpscare, der dich im Nachhinein zum Lachen bringt, sondern zutiefst traumatisierte Menschen, die sich mithilfe ihres Gottes oder ihrer Schamanen aus dem grässlichsten, grausigsten, dem schlimmsten Fluch, den man sich vorstellen kann, zu retten versuchen. Denn was ist grauenvoller als die Aussicht darauf, dass nicht dein Körper, sondern deine eigene Seele stirbt? Was ist grauenvoller als die Angst, dass man selbst dafür verantwortlich gemacht wird, oder vielleicht sogar ist?

                            In der Hinsicht ähneln sich die beiden Filme ein wenig. Diese ganzen postmodernen Herangehensweisen an Horror und Religion als etwas, das selbstverständlich eine Art Coping Mechanism ist, jede Geistererscheinung zweifelsohne psychologischen Ursprungs (oder zweifelsohne der Geist Soundso, der mit genau diesem magischen Bann besiegt werden kann, wenn die Winchester vorbeikommen)... Das geht mir einfach nicht weit genug und erlaubt schlichtweg auch nicht, mehr noch, verhindert fundamental einen Einblick in die intimsten Kammern anderer Kulturen. Stattdessen lädt The Witch dazu ein, dieser Familie bei ihrem Terror beizuwohnen, auf sich allein gestellt, so wie sie es sicher auch gewesen wäre, und in größter Furcht, im größten Zweifel gerade dann, wenn die schlimmsten Dinge geschehen, die Unsicherheit, ob Gott einen verlassen hat und wieso, ob da wirklich der Teufel im Hof lauert, ob der Ziegenschrei wirklich nur das ist, oder ob es schon Sünde ist, eine arme Ziege wegen so etwas zu fürchten.

                            Als wir den Film anmachten, ging er zuerst versehentlich auf Deutsch los. Ich spulte also zurück, stellte die Sprache um, und nach einem Satz lief mir ein bewundernder Schauer über den Rücken, weil Ralph Inesons Stimme einfach lächerlich heftig ist und sofort, noch ehe man irgendein Gesicht sieht, den Ton des Films setzt: intensiv, aufrichtig, und voller Kraft. Auf seine Art ist das hier einer der seiner Zeit treusten Historienfilme, die ich jemals gesehen habe. Und ich bin vollends dafür da.

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                              Und wieder war ich vollends positiv überrascht. Zwar muss ich beim Lob zur Animation wirklich zurückrudern und FlintPapier recht geben (WIESO HAST DU MICH DARAUF AUFMERKSAM GEMACHT), es ist wirklich zu offensichtlich Computerzeugs, das einem ein bissel die Freude am Erforschen der einzelnen Bilder nimmt - aber die Schauspieler, allen voran Josh Duhamels Harvey Dent, leisten gute Arbeit, und, ey, ein Batmanfilm, in dem Batman im Grunde die erste Hälfte überhaupt nicht vorkommt und derart ungewöhnliche Charaktere wie Carmine Falcone das narrative, ruhige, spannungsgeladene Ruder übernehmen? Ich sag's euch wie's ist, das war unglaublich cool anzusehen.

                              Leider wird im Finale gefühlt eine ganze Gruppe an Bösewichten dazugeholt, obwohl fast keiner davon notwendig war und dabei dem sehr auf Charaktere, Mystery und auch Familientragödie ausgelegten Plot definitiv eher schaden als dass sie ihm helfen (Spoiler und so: Scarecrow hätte vollends gereicht; Joker, Poison Ivy, Mad Hatter, der Pinguin? Der Pinguin hatte buchstäblich NICHTS zu tun außer dreimal aufs Maul zu kriegen? Und der Joker auch! Das hilft weder der Story noch der Ernsthaftigkeit der Charaktere. Aber mei, oldschool eben). Da kann man aber recht getrost drüber hinwegsehen dank der schönen Story, der Charakterzeichnung von Harvey und einfach schönen Szenen, die gar nicht auf Bumm aus sind.

                              Rundes Ende, geiler Halloweenfilm - und da machen die ganzen Bösewichte natürlich völlig Sinn. Macht ja Spaß, sie zu sehen, zu Halloweeeeeen. :) Aber hätten auch bissel mehr tun können. Scarecrow war richtig gut eingesetzt! Kommt im Comic dann sicher etwas natürlicher rüber, aber halb so wild. Weiterhin ein Halloween-Empfehlung. <3

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                                Fenri 18.10.2022, 20:35 Geändert 18.10.2022, 20:37

                                Bodies Bodies Bodies ist weniger Horrorfilm als schwarzhumorische Achterbahnfahrt über all die Unzulänglichkeiten, aber auch Ängste von Gen Z, ohne dabei aus der Zeit gefallen zu sein. Da wird bei schwierigen Themen auch schön differenziert ohne unnötig Position einzunehmen ausnahmslos jeder verarscht. Es fühlt sich bei all der Selbstironie überhaupt nicht abwertend an, sondern auf eine komische Art fast schon wertschätzend. Vielleicht... auch nicht? Keine Ahnung, ist wohl jedem selbst überlassen. Völlig überzeichnet, aber das Ding beweist Verständnis für Zeitgeist und weiß den auch wirklich amüsant zu verpacken. Noch dazu sind gerade die Streitgespräche teilweise erschreckend real, und deshalb sicherlich das Stressigste (und Beste) am Film. Leider mit einer zweitklassigen Synchro (bzw. sind meine Ansprüche vielleicht auch einfach gestiegen, weil Synchro mir einfach zu sehr auffällt - gerade bei so einem dialogträchtigen Film ist das halt schade).

                                Trotzdem definitiv ein Film, den man gut in der Gruppe im Kino sehen kann, um ein bissel die guten alten "nicht da reingehen, wie dumm kann man sein?"-Kommentare abzulassen, denn der Film lädt dazu ein, sozial wahrgenommen zu werden, und hat so dermaßen low stakes in Sachen Charaktere, dass es auch kaum besonders emotional wird. Sehr amüsant, teils interessant gedreht. Belanglos, aber irgendwie auch aktuell - und andersrum. Bissel wie Instagram. Anders als Instagram scheißt der Film da drauf, und das Resultat bockt einfach, wenn man sich darauf einlassen kann. Nice.

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                                  Fenri 09.10.2022, 22:59 Geändert 09.10.2022, 23:00

                                  Nachdem ich nun zwölf Filme des großen D. W. Griffith gesehen habe, davon sieben Langfilme, würde ich mich schon als kleiner Laienexperte bezeichnen. Und als Laienexperte will ich doch was sagen: Ja, The Birth of a Nation hat historisch so viel Staub aufgewirbelt, und ja, Intoleranz, den ich hier ja auch lobgepriesen habe (und dann zumindest ein wenig zurückgerudert bin), ist ein kolossales Monumentalwerk, das umso sehenswerter ist. Es ist eine Schande, dass der einzige Film, mit dem viele Griffith in Verbindung bringen, dieser Schandfleck ist, der The Birth of a Nation bei all seinen technischen Wundern bleibt.

                                  Denn, wie man so schön sagt: Way Down East is where it's at. Lillian Gish spielt besser als vielleicht je zuvor, ist der Mittelpunkt eines Ensemblefilms, Dreh- und Ankerpunkt, und spielt alles und jeden an die Wand. Die Königin des Close-Ups nimmt wahrlich jeden einzelnen davon wahr, um uns von etwaigem Gedankenstreunern zurück in die tragische Realität dieser missverstandenen, armen Frau zu reißen. Ich glaube, ich bin verliebt.

                                  Da werden so viele Charaktere eingeführt, der eine ernst, der andere mutet fast an eine kleine (wirklich kleine) Verneigung an Chaplin an. Was etwas langsam loslegt, so wie wohlgemerkt immer bei Griffith, nimmt immer mehr Fahrt auf und funktioniert einfach. Es funktioniert einfach. Wenn der Sheriff mit seiner so verdammt lustigen Mimik sich wieder mit dem Taugenichtsverliebten wegen irgendeiner Bagatelle streitet, muss man laut loslachen. Wenn dann Lillian Gish ins Bild kommt, missverstanden und verloren, dann wird man plötzlich ganz still. Großes Kino mit dem intensivsten Finale, das Griffith bisher leisten durfte.

                                  Der Film war wohlgemerkt die zu dem Zeitpunkt teuerste Produktion seiner Karriere und, genauso wohlgemerkt, auch sein erfolgreichster. Und warum auch nicht. Kontrovers sind hieran allenfalls die mutigen Themen vom herumhurenden Arschlochmann bis hin zu psychischen Abgründen, die später im Production Code sicherlich verboten gewesen wären. Dabei romantisiert der Film allenfalls die monogame Ehe etwas zu sehr, aber das ist nun wirklich ein Produkt seiner Zeit und in keinster Weise eine Kritik an Griffith. Und im Gegenteil - aufrichtige Liebe ist immer ein wunderbares Ideal, möchte ich meinen, ob nun als Monogamie interpretiert oder Ehrlichkeit.

                                  Die ikonische Szene auf den Eisschalen war mir vertraut, aber entfaltet sich erst so richtig, wenn man den Film über zwei Stunden auf sich hat wirken lassen, ohne sich irgendwelchen Ablenkungen hinzugeben. Und wie es wirkt! Ich glaube, ich saß in keinem Griffith-Film mehr an der Bettkante, da zahlen sich die paar Längen in der ersten Hälfte mehr als aus. Richard Barthelmess zeigt hier in ein paar Szenen, dass er ohne Zweifel den krassesten James Bond der Stummfilmperiode gespielt hätte, und beweist eine wunderbare Energie. Die erste große Katharsis kommt aber bereits innerhalb einer heftigen Raumszene, in der das halbe Ensemble zugegen ist und - wieder - Lillian Gish die gesamte Show stiehlt. Griffith ist ein absoluter Meister seines Fachs und macht hier nicht mehr den "oh mein, Gott, wie neu und groß alles ist", sondern lädt stattdessen einfach dazu ein, sich in Lillian Gish zu verlieben. Und es funktioniert. Wie unglaublich gespannt bin ich auf Orphans of the Storm. Wunderbares Ding für eine kalte Winternacht. Unbedingt sehen.

                                  Der Film ist in außerordentlich hoher Qualität und mit einem hervorragenden(!!!) Soundtrack auf YouTube zu finden: https://www.youtube.com/watch?v=oZhnS23xKAc

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                                    DCs Animation hat in den letzten zwei, drei Jahren nochmal an Qualität zugelegt. Statt Comics einfach nur zu beweglichen Bildern zu adaptieren (die auch cool sind!), wird hier richtig cool animiert, und die Schauspieler geben den Charakteren dann weiter Seele.

                                    Kein Batmanfilm, den ich kenne, hat so viele ruhige Momente. Hier wird mehr Detektivarbeit geleistet als man es gewohnt ist. Wirklich, wirklich gut. Kinder des Mondes, wenn euer Horroktober noch einen Platz frei hat, dann lege ich euch diesen zwei-teiligen Film ganz schön dolle ans Herz.

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                                      Fenri 04.10.2022, 12:24 Geändert 04.10.2022, 12:24

                                      Michael Caine und Christopher Reeve spielen hier unter Sidney Lumet völlig auf und drehen komplett durch. Nach einem weiteren Flop greift der Krimitheater-Veteran zu einer verzweifelten Maßnahme: Er will den jungen, aufstrebenden Schüler umbringen, um dessen fabelhaftes Manuskript als sein Eigenes zu verkaufen. Nur... schreibt der auch Kriminalstücke. KNIVES OUTs großer Bruder, wenn man so will, aber deutlich morbider und als Theaterstück-Verfilmung auch weniger cinematografisch - auch wenn das hier schön mit Close-Ups und Co. umgesetzt wurde. Ein Kammerspiel mit Reeve und Caine. Sollten sich Theaterfreunde echt nicht entgehen lassen.

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                                        "Warum ist Lon Chaney so ein scheißguter Schauspieler?", fragen sich täglich bestimmt hundert Leute. Interessant zu lesen, dass seine Eltern beide taubstumm sind, und er deshalb eine lange Geschichte mit Pantomime hat. Und auch wehmütig stimmend, zu lesen, dass er 1929 starb. Wie kommt's, dass so viele der großen Stummfilmstars entweder wegen ihres Alters oder Überforderung durch den Tonfilm Karrieretod erlitten, oder dass sie buchstäblich einfach unmittelbar davor sterben? Na ja, Rest in Peace, mein liebster Stummfilmschauspieler.

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                                        • Schaut mal lieber diesen richtig geilen Avatar-Toph-Fanfilm: https://www.youtube.com/watch?v=p_GgAHd5siE :)

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                                            Fenri 25.09.2022, 20:52 Geändert 25.09.2022, 21:00

                                            Den Film haben mein Freund und ich nur gesehen, um die Sichtung von Griffiths "Way Down East" (1920) in unserer chronologischen kinogeschichtlichen Reise etwas aufzuschieben. Ein kleiner Film, den wir sonst übersprungen hätten - Charlie Chaplins erstes ernstes Drama, ganz ohne ihn, sondern mit seiner Langzeitschauspielgefährtin Edna Purviance in einer der Hauptrollen. Dieser Film sollte ihr dazu dienen, auch ohne ihn Fuß zu fassen - und versagte völlig. Ihre Karriere erholte sich nicht, und nach einigen weiteren Filmen mit Chaplin und ein, zwei Seitensprüngen gab sie sie ganz auf. Auch Chaplins Versuch in ernstere Gefilde brachte ihn zum Zögern, und auf ein weiteres Drama ohne ihn wartete man vergeblich, auf ein ernstes noch lange.

                                            Trotzdem scheint ihm dieser Film sehr am Herzen zu liegen, und filmhistorisch ist er auf mehr als nur dieser Ebene interessant. 1975 hat Charlie Chaplin dem Film einen neuen Score verpasst, einen eigenen. Durch seinen Tod 1977 wurde dies demnach das letzte Werk, an dem die Filmlegende gearbeitet hat.

                                            Dazu kommt, dass A Woman of Paris inhaltlich staunen lässt. Zwar kommt man bisweilen etwas durcheinander mit den vielen ähnlich aussehenden Frauen, und außerdem gibt es einige etwas überraschende Sprünge in die Zukunft - aber gerade Letzteres ist Teil der Stärke des Films. Auch über 100 Jahre später bleibt die Handlung nämlich bemerkenswert unvorhersehbar - hier wird gegen Klischees gespielt, und nicht "alles erdenkliche Schlimme" geschieht von außen, nein, Chaplin lässt die Charaktere weder weiß noch schwarz sein, und erlaubt ihnen ganz allein, die Handlung zu bestimmen, gesteht ihnen dabei fehlerhaftes, teils völlig impulsives Verhalten zu, das nicht ein "oh nein, welch ein Missverständnis" von dem geneigten Zuschauer verlauten lässt, sondern vielmehr ein: "Warte mal, das war ja richtig scheiße von ihr!"

                                            Dazu kommt zurückhaltenderes Make-up, subtileres Schauspiel und eine Offenheit zum freieren Fließen in Szenen, die dadurch wenig bis kaum choreografiert erscheinen.

                                            Die "romantische Tragödie", die auch früh ein Teil von Chaplin war, der immer mehr war als nur Slapstick oder etwa Proletariatsfreund (was schon viel ist!), wird dadurch zu einem komplexen Charakter mit zu dieser Zeit selten gesehenen vielschichtigen Charakteren - in den USA vielleicht sogar noch nie dagewesenen, um mich weit aus dem Fenster zu lehnen. Hinzu kommt das fabelhafte Highlight des Films: Adolphe Menjou, der später unter anderem in Kubricks hinreißendem "Paths of Glory" (1957) in einer großen Rolle zu sehen ist. Dieser Film brachte nicht Edna den Ruhm, aber dafür doch dem tollen Menjou, von dem übrigens auch Salvador Dalí Fan war - "Menjous Moustache ist surreal!", soll er gesagt haben, und an Leute Feuerzeuge verteilt mit den Worten: "Moustache! Moustache!"

                                            Menjou mimt einen wohlhabenden Snob, der eine Barriere in die Beziehung der beiden wirft - so scheint es zumindest, und gerade von Chaplin würde man so eine "proletarische" Perspektive erwarten. Aber im Gegenteil: Der Charakter ist reich, und egozentrisch, vielleicht selbstgefällig, aber er ist in seiner Rolle als Bachelor auch respektvoll, gutmütig und ehrlich. So eine Überraschung! Ein Spoiler: Die romantische Frau, der Protagonist, wirft der Liebe wegen seine teure Kette aus dem Fenster - denn die Liebe ist mehr wert als jedes Geld der Welt! Doch als sie sieht, wie ein Obdachloser sie einsteckt, rennt sie auf die würdeloseste Art überhaupt dem Obdachlosen zeternd hinterher, um sie wieder zurückzuholen - Menjou bleibt in der Wohnung, laut lachend. Man möchte meinen, herablassend über die Heuchelei und Naivität, aber es wirkt doch mehr wertschätzend und belustigt ohne böse Gedanken. Ich bin dem Film sehr dankbar, dass Menjou mir endlich aufgefallen ist, und freue mich über Chaplins ernsten Film, der sich den seltenen frechen Scherz doch mal erlaubt, ohne die Ernsthaftigkeit in Frage zu stellen.

                                            Ich mochte den Film sehr gern, und auch die Musik war typisch Chaplin, wenn auch etwas viel manchmal. Ich bin froh, ihn gesehen zu haben, kann aber verstehen, wenn man ihn als anstrengend wahrnimmt, sollte man ihn nicht in einer Zeit schauen, in der man sich etwas mehr in die frühen 1920er eingefühlt hat. Denn der Film ist gefloppt - wurde in manchen Staaten sogar gänzlich verboten. Zu modern war er für die damaligen Sehverhältnisse, zu komplex und freigeistig. Sehr schön. Mochte die Masse ihn nicht, dank unfairer Erwartungshaltungen und sicherlich auch einigen Scheuklappen, so sollen die Kritiker den Film schon damals gelobt haben. Chaplin-Historiker ordnen den Film anscheinend auch als ein sehr wichtiges, und sehr tolles Werk in seiner Filmografie ein - und ich als Nichtexperte will trotzdem sagen, dass er allemal sehr besonders ist, auch wenn nicht die größte Spannung aufkommt. Ich überlasse die letzten Worte der großen Mary Pickford, die den Film sicherlich noch mehr mochte als ich: "He's a pioneer. How he knows women!—oh, how he knows women! I do not cry easily when seeing a picture, but after seeing Charlie's A Woman of Paris I was all choked up—I wanted to go out in the garden and have it out by myself."

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                                                Fenri 23.09.2022, 23:06 Geändert 23.09.2022, 23:10
                                                über Undone

                                                Die erste Staffel hat mir schon gefallen. Bob Odenkirk ist hier ein sehr ruhiger, charmanter und melancholischer Mann, und Rosa Salazar spielt so wunderbar sympathisch eine egozentrische Impulsivheldin, da kann man nicht anders als Spaß haben. Das Ende hat mir nicht sooo gut gefallen - zu sehr spielte es auf ein Sequel an, ohne dass ein offenes Ende nötig gewesen wäre. Das denke ich jetzt nicht mehr ganz so, narrativ hat das jetzt Daseinsberechtigung.

                                                Staffel 2 war genauso gut wie die erste und begeht in keinster Weise den üblichen Fehler, unbedingt alles größer und schlimmer aufzuziehen. Im Gegenteil wird aus der Verwirrung viel mehr ein liebevolles introspektives Familiendrama, das eben in Zeitreisen stattfindet. Hat mir insgesamt definitiv fast genauso gut gefallen, will das auch gar nicht unbedingt vergleichen. Fühlt sich einfach schön rund an. :) Ruhiger Kommentar für ein superausgeglichenes Gemüt, das die Serie zuverlässigst in mir ausgelöst hat.

                                                Das war nun so ein definitives und runde Ende, das ich nur hoffen kann, dass keine weitere Staffel erscheinen wird. Aber nach sechszehn Folgen vertraue ich den Schöpfern ohnehin blind (übrigens derselbe Creator wie von Bojack Horseman: Raphael Bob-Waksberg). Zeitreisen, Rotoscoping, Rosa Salazar, Bob Odenkirk - dickes win.

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                                                • Fenri 22.09.2022, 10:36 Geändert 22.09.2022, 10:37

                                                  What the fuck? Steven Spielbergs bester Film seit, was, Jahrzehnten? Ich wollte es mir verkneifen, den Trailer zu sehen, weil der Film so eine unglaublich hohe Bewertung kriegt von.... jedem...., aber es ist... ohne scheiß - wie ein Traum. Nicht mehr lange, bis wir ihn sehen können. Es fühlt sich so an, als dürfte es so was gar nicht mehr geben. Darf ich es sagen? Ich sag's. Vielleicht... ein neues Spielberg-Meisterwerk.

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                                                  • Freue mich auf den Teil, aber man kann... danach auch aufhören. Hollywood ist so tot.